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19. § 107 GWB - Einleitung, Antrag - Oeffentliche Auftraege

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Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

<strong>19.</strong> <strong>§</strong> <strong>107</strong> <strong>GWB</strong> - <strong>Einleitung</strong>, <strong>Antrag</strong><br />

<strong>Einleitung</strong>, <strong>Antrag</strong><br />

(1) Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf <strong>Antrag</strong> ein.<br />

(2) <strong>Antrag</strong>sbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse am Auftrag hat und eine<br />

Verletzung in seinen Rechten nach <strong>§</strong> 97 Abs. 7 durch Nichtbeachtung von<br />

Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch<br />

die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu<br />

entstehen droht.<br />

(3) Der <strong>Antrag</strong> ist unzulässig, soweit<br />

1. der <strong>Antrag</strong>steller den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften im<br />

Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt<br />

hat,<br />

2. Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar<br />

sind, nicht spätestens bis Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur<br />

Angebotsabgabe oder zur Bewerbung gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,<br />

3. Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar<br />

sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur<br />

Angebotsabgabe oder zur Bewerbung gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,<br />

4. mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge<br />

nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind.<br />

Satz 1 gilt nicht bei einem <strong>Antrag</strong> auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages nach<br />

<strong>§</strong> 101b Abs. 1 Nr. 2. <strong>§</strong> 101a Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.<br />

2572<br />

2573<br />

2574<br />

<strong>19.</strong>1 Vergaberechtsmodernisierungsgesetz 2009<br />

<strong>§</strong> <strong>107</strong> hat einmal eine klarere Struktur erhalten. Außerdem ist die Vorschrift um zwei<br />

Präklusionsregelungen (<strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 4) erweitert worden.<br />

Außerdem wird eine generelle Frist zur Geltendmachung einer Rüge in den Fällen<br />

eingeführt, in denen der Auftraggeber dem Unternehmen mitteilt, dass der Rüge des<br />

Unternehmens nicht abgeholfen wird. So kann frühzeitig Klarheit über die Rechtmäßigkeit<br />

des Vergabeverfahrens geschaffen werden.<br />

Bei den so genannten de-facto-Vergaben des <strong>§</strong> 101b Abs. 1 Nr. 2 ist es nicht sachgerecht,<br />

den Unternehmen eine Rügeverpflichtung aufzuerlegen. In diesen Fällen kann sofort ein<br />

Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer gestellt werden.<br />

<strong>19.</strong>2 Bedeutung der Vorschrift für das<br />

Vergabenachprüfungsverfahren


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

2575<br />

2576<br />

Mit <strong>§</strong> <strong>107</strong> <strong>GWB</strong> beginnen die das Verfahren vor der Vergabekammer verfahrensleitenden<br />

Vorschriften.<br />

<strong>§</strong> <strong>107</strong> <strong>GWB</strong> stellt mit seinen nachfolgend näher erläuterten Voraussetzungen die wohl<br />

wichtigste verfahrensrechtliche Hürde für ein erfolgreiches Vergabenachprüfungsverfahren<br />

dar. Tausende inhaltliche Entscheidungen der Vergabekammern und Vergabesenate zu <strong>§</strong><br />

<strong>107</strong> <strong>GWB</strong> dokumentieren dies eindrucksvoll.<br />

<strong>19.</strong>3 <strong>Antrag</strong> (<strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 1)<br />

2577<br />

Das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer ist ein <strong>Antrag</strong>sverfahren. Allein der<br />

<strong>Antrag</strong>steller hat es in der Hand, ein solches Nachprüfungsverfahren einzuleiten.<br />

<strong>19.</strong>3.1 Form- und Inhaltserfordernisse<br />

2578<br />

Vgl. dazu die Kommentierung zu <strong>§</strong> 108 <strong>GWB</strong>.<br />

<strong>19.</strong>3.2 <strong>Antrag</strong>stellung nicht durch "Verweisung" eines anderen<br />

Gerichtes möglich<br />

2579<br />

Die Einreichung eines Nachprüfungsantrags, und zwar gerade bei der Vergabekammer, ist<br />

gemäß den <strong>§</strong><strong>§</strong> <strong>107</strong>, 108 <strong>GWB</strong> allein Sache des <strong>Antrag</strong>stellers. Daran ist auch deshalb<br />

unabdingbar festzuhalten, weil für die Darlegungen in der Nachprüfungsantragsschrift<br />

bestimmte, (nur) für das Nachprüfungsverfahren eigentümliche Zulässigkeitsvoraussetzungen<br />

zu beachten sind (vgl. <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 und 3 sowie <strong>§</strong> 108 Abs. 2 <strong>GWB</strong> bezüglich der Darlegung<br />

der gegenüber dem Auftraggeber erfolgten Rüge). Diese Verfahrensobliegenheiten kann -<br />

wie sich von selbst versteht - nur der <strong>Antrag</strong>steller selbst erfüllen. Folglich kann ein<br />

(anderes) Gericht, das ein bei ihm eingelegtes Rechtsschutzbegehren der Sache nach als ein<br />

Begehren im Sinne des <strong>§</strong> 104 Abs. 2 Satz 1 <strong>GWB</strong> auslegt und auffasst, dieses Begehren<br />

(durch Abgabe oder Verweisung der Sache) nicht für den <strong>Antrag</strong>steller bei der<br />

Vergabekammer "einreichen" (mit allen Konsequenzen der <strong>§</strong><strong>§</strong> <strong>107</strong> ff. <strong>GWB</strong>, insbesondere des<br />

<strong>§</strong> 113 Abs. 1 Satz 1 <strong>GWB</strong>). Anders ausgedrückt: Die (gemäß <strong>§</strong> 17a Abs. 2 Satz 1 GVG<br />

ohnehin nicht zulässige) Verweisung einer Sache von einem Gericht an eine Vergabekammer<br />

(eine Verwaltungsbehörde, s. die gesetzliche Überschrift vor <strong>§</strong> 102 <strong>GWB</strong> sowie <strong>§</strong> 114 Abs. 3<br />

Satz 1 <strong>GWB</strong>) kann einer "Einreichung" des Nachprüfungsantrags bei der Vergabekammer<br />

durch den <strong>Antrag</strong>steller selbst mit Blick auf die <strong>§</strong><strong>§</strong> <strong>107</strong>, 113 Abs. 1 Satz 1 <strong>GWB</strong> nicht gleich<br />

geachtet werden (OLG Düsseldorf, B. v. 11.3.2002 - Az.: Verg 43/01).<br />

<strong>19.</strong>3.3 Rechtsfolge des <strong>Antrag</strong>s: Beginn des Nachprüfungsverfahrens<br />

(Rechtshängigkeit)<br />

<strong>19.</strong>3.3.1 Grundsatz


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

2580<br />

Die <strong>§</strong><strong>§</strong> 97 ff. <strong>GWB</strong> in der Fassung des Vergaberechtsänderungsgesetzes bestimmen nicht<br />

ausdrücklich, wann das Nachprüfungsverfahren von Rechts wegen beginnt. <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 1<br />

<strong>GWB</strong> kann aber nicht dahin ausgelegt werden, dass es für den Beginn des<br />

Nachprüfungsverfahrens außer dem der Vergabekammer zugegangenen Nachprüfungsantrag<br />

noch einer Entschließung, einer Maßnahme der <strong>Einleitung</strong> auf Seiten der Vergabekammer<br />

bedarf. Der Regelungsgehalt des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 1 <strong>GWB</strong> erschöpft sich darin, dass die<br />

Vergabekammer ohne <strong>Antrag</strong> eines Unternehmens keine Nachprüfung durchführen darf, auf<br />

<strong>Antrag</strong> aber eine Nachprüfungstätigkeit entfalten muss. Es versteht sich von selbst, dass<br />

zu dieser Nachprüfungstätigkeit, also zu der durch den Nachprüfungsantrag veranlassten<br />

Tätigkeit der Vergabekammer auch die Prüfung der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages<br />

gehört (VK Südbayern, B. v. 8.2.2002 - Az.: 41-11/01). Formell beginnt das<br />

vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren also bereits mit dem Eingang des<br />

Nachprüfungsantrages (OLG Frankfurt, B. v. 13.7.2009 - Az.: 11 Verg 1/09; OLG<br />

Naumburg, B. v. 30.5.2002 - Az.: 1 Verg 14/01). Bereits mit dem Eingang des <strong>Antrag</strong>s ist<br />

also das Nachprüfungsverfahren rechtshängig (BGH, B. v. 9.2.2004 - Az.: X ZB 44/03;<br />

OLG Düsseldorf, 14.05.2008 - Az.: VII-Verg 11/08; VK Schleswig-Holstein, B. v.<br />

31.05.2005 - Az.: VK-SH 09/05). Die Rechtshängigkeit wird also vergleichbar derjenigen im<br />

Verwaltungsprozess bereits durch den Eingang der <strong>Antrag</strong>sschrift bei der Vergabekammer<br />

begründet. Sie führt jedoch zu keinem Zuschlagsverbot, das erst durch die Zustellung des<br />

Nachprüfungsantrags ausgelöst wird (OLG Düsseldorf, 14.05.2008 - Az.: VII-Verg 11/08).<br />

<strong>19.</strong>3.3.2 Rechtshängigkeitssperre<br />

2581<br />

2582<br />

2583<br />

Eine Bindungswirkung der Rechtshängigkeit eines Nachprüfungsverfahrens (z. B. eines<br />

Bieters A, in dem der Bieter B beigeladen wird) im Verhältnis zu einem anderen<br />

Nachprüfungsverfahren (des Bieters B, in dem der Bieter A beigeladen wird), besteht<br />

nicht, weil es sich bei der Vergabekammer um eine Verwaltungsbehörde handelt und das<br />

Vergabenachprüfungsverfahren ein Verwaltungsverfahren ist, auf das die Bestimmungen des<br />

Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) entsprechend anzuwenden sind. Rechtshängigkeit<br />

einer Streitsache wird aber erst durch Erhebung einer Klage bewirkt (<strong>§</strong> 90 VwGO).<br />

Unabhängig davon gibt es nach ganz überwiegender Auffassung im Verwaltungsprozess<br />

keine Rechtshängigkeitssperre zu Lasten eines Beigeladenen. Nach Sinn und Zweck der<br />

Beiladung im verwaltungsrechtlichen Verfahren dient sie der möglichst frühzeitigen<br />

Berücksichtigung aller rechtlichen Interessen, die vom Ausgang des Verwaltungsverfahrens<br />

berührt werden können und somit der Gewährung eines möglichst effektiven Rechtsschutzes.<br />

Dem dient neben dem Ziel der Beschleunigung des Vergabeverfahrens auch die Beiladung<br />

im Nachprüfungsverfahren gemäß <strong>§</strong> 109 <strong>GWB</strong>. Schon das primäre Ziel effizienten<br />

Rechtsschutzes verbietet es aber, der Beiladung allein zur Vermeidung widersprechender<br />

Entscheidungen "eine Art Rechtshängigkeit mit der Wirkung einer Klagesperre" beizumessen<br />

(OLG Frankfurt am Main, B. v. 20.12.2000 - Az.: 11 Verg 1/00).<br />

Die Rechtshängigkeit setzt jedenfalls die Identität des Streitgegenstands voraus. Sind bei<br />

verschiedenen Nachprüfungsverfahren mehrere Bieter vorhanden, so fehlt es an der<br />

sachlichen Identität. Denn Gegenstand des Vergabenachprüfungsverfahrens ist die<br />

Feststellung der Verletzung subjektiver Rechte des jeweiligen Bieters. Bei verschiedenen<br />

<strong>Antrag</strong>stellern kann es sich nicht um die Verletzung desselben subjektiven Rechts handeln.<br />

Dass die <strong>Antrag</strong>steller letztlich das gleiche Ziel verfolgen, nämlich den Zuschlag zu erhalten,<br />

ist für die Bestimmung des Streitgegenstandes im Nachprüfungsverfahren nicht von<br />

maßgeblicher Bedeutung, weil die Vergabekammer in erster Linie die Feststellung der


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Verletzung subjektiver Rechte des jeweiligen <strong>Antrag</strong>stellers zu treffen hat. Die Beiladung in<br />

einem Nachprüfungsverfahren soll zwar der Beschleunigung und der Vermeidung<br />

widersprüchlicher Entscheidungen dienen, rechtfertigt aber nicht die Annahme einer<br />

Sperrwirkung der Rechtshängigkeit. Diesem Ziel dient es auch, wenn ein in einem<br />

Nachprüfungsverfahren Beigeladener jederzeit seine Prozessstellung wechseln kann. Dies ist<br />

beispielsweise immer dann erforderlich, wenn der Beigeladene Beanstandungen vorträgt, die<br />

sich generell auf die Ausschreibung beziehen. Außerdem kann ein Beigeladener andere<br />

Beanstandungen, die die Ausschreibung als solche betreffen, nicht beanstanden. Dafür muss<br />

der Beigeladene selbst rügen und diese zum Gegenstand eines eigenen Nachprüfungsantrages<br />

machen (VK Münster, B. v. 26.10.2007 - Az.: VK 25/07).<br />

2584<br />

Auch ein in einem Vergabenachprüfungsverfahren beigeladener Bieter kann also noch einen<br />

eigenen Nachprüfungsantrag stellen. Er handelt nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er die<br />

aufgrund der Akteneinsicht als Beigeladener erlangten Informationen zum Anlass nimmt,<br />

selbst ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten. Weder nach der ausdrücklichen gesetzlichen<br />

Regelung noch nach deren Sinn und Zweck besteht an der so erlangten Kenntnis ein<br />

Verwertungsverbot. <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> enthält keine einschränkende Bestimmung darüber,<br />

dass nur auf bestimmte Weise erlangte Informationen zum Gegenstand eines<br />

Nachprüfungsverfahrens gemacht werden könnten. Auch in zeitlicher Hinsicht besteht keine<br />

Einschränkung, jedenfalls solange das Vergabeverfahren noch nicht abgeschlossen ist (OLG<br />

Frankfurt am Main, B. v. 20.12.2000 - Az.: 11 Verg 1/00).<br />

<strong>19.</strong>3.4 Zeitliche Bedingungen für den Nachprüfungsantrag<br />

<strong>19.</strong>3.4.1 Zeitliche Ausschlussfrist<br />

<strong>19.</strong>3.4.1.1 Grundsatz: keine zeitliche Ausschlussfrist<br />

2585<br />

2586<br />

Der <strong>Antrag</strong> an die Vergabekammer unterliegt im Gegensatz zur Rügeobliegenheit des <strong>§</strong> <strong>107</strong><br />

Abs. 3 <strong>GWB</strong> grundsätzlich keinen zeitlichen Ausschlussfristen. Es bedarf ihrer auch nicht,<br />

weil die tatsächlichen Gegebenheiten eines Vergabeverfahrens, insbesondere die Gefahr des<br />

anderweitigen Zuschlags, einen auf Vergaberechtsschutz angewiesenen Bieter ohnehin zur<br />

Eile drängen. Wenn die Vergabestelle einer solchen Rüge nicht entspricht, sondern das<br />

Vergabeverfahren unverändert fortsetzt, ergibt sich - bis zur Grenze<br />

rechtsmissbräuchlicher Verwirkung - aus dem Gesetz kein Anhaltspunkt dafür, die<br />

verzögerte <strong>Einleitung</strong> eines Nachprüfungsverfahrens allein wegen des zwischenzeitlich<br />

eingetretenen Zeitablaufs für unzulässig zu halten (OLG Dresden, B. v. 25.01.2008 - Az.:<br />

WVerg 010/07; B. v. 6.6.2002 - Az.: WVerg 0004/02; OLG Frankfurt, B. v. 05.05.2008 - Az.:<br />

11 Verg 1/08; VK Brandenburg, B. v. 30.09.2008 - Az.: VK 30/08; 1. VK Bund, B. v.<br />

<strong>19.</strong>11.2008 - Az.: VK 1 - 135/08; B. v. <strong>19.</strong>11.2008 - Az.: VK 1 - 126/08; 2. VK Bund, B. v.<br />

29.03.2006 - Az.: VK 2 - 11/06; VK Düsseldorf, B. v. <strong>19.</strong>03.2007 - Az.: VK - 07/2007 – B;<br />

VK Hessen, B. v. 24.03.2004 - Az.: 69 d - VK – 09/2004; B. v. 7.8.2003 - Az.: 69 d VK -<br />

26/2003; VK Münster, B. v. 06.05.2008 - Az.: VK 4/08; VK Sachsen, B. v. 07.01.2008 - Az.:<br />

1/SVK/077-07).<br />

Auch aus dem Kontext des Vergaberechts kann – bis auf die in <strong>§</strong> 101b <strong>GWB</strong> sowie <strong>§</strong> <strong>107</strong><br />

Abs. 3 Nr. 4 <strong>GWB</strong> durch das Vergaberechtsmodernisierungsgesetz eingefügten<br />

Ausnahmen - eine solche Frist nicht hergeleitet werden. Die Annahme einer


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

ungeschriebenen Frist zur Einreichung des Nachprüfungsantrags erscheint zur weiteren<br />

Beschleunigung auch nicht unabweisbar geboten. Bei zögerlicher Einreichung des<br />

Nachprüfungsantrags riskiert der Bieter den zwischenzeitlichen Zuschlag des Auftraggebers<br />

und damit den endgültigen Verlust des Auftrags. Das schon im nationalen Vergaberecht an<br />

mehreren Stellen verankerte Beschleunigungsprinzip muss nicht unbedingt um<br />

zusätzliche Elemente erweitert werden. Eine planwidrige Lücke des <strong>GWB</strong>, die eine<br />

analoge Anwendung des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> rechtfertigen könnte, besteht nicht. Wenn der<br />

<strong>GWB</strong>-Gesetzgeber eine bestimmte Frist für den Nachprüfungsantrag gewollt hätte, hätte er<br />

sie – über die o.a. Ausnahmen hinaus - bei den Form- und Verfahrensvorschriften im 4. Teil<br />

des <strong>GWB</strong> eingefügt (OLG Düsseldorf, B. v. 08.09.2004 - Az.: VII - Verg 38/04; 1. VK Bund,<br />

B. v. <strong>19.</strong>11.2008 - Az.: VK 1 - 135/08; B. v. <strong>19.</strong>11.2008 - Az.: VK 1 - 126/08; 2. VK Bund,<br />

B. v. 29.03.2006 - Az.: VK 2 - 11/06; VK Düsseldorf, B. v. <strong>19.</strong>03.2007 - Az.: VK - 07/2007 –<br />

B; VK Sachsen, B. v. 07.01.2008 - Az.: 1/SVK/077-07; im Ergebnis ebenso Thüringer OLG,<br />

B. v. 08.05.2008 - Az.: 9 Verg 2/08; VK Münster, B. v. 06.05.2008 - Az.: VK 4/08).<br />

<strong>19.</strong>3.4.1.2 Ausnahmen<br />

<strong>19.</strong>3.4.1.2.1 De-facto-Vergaben (<strong>§</strong> 101b Abs. 2)<br />

2587<br />

Nach <strong>§</strong> 101b Abs. 2 <strong>GWB</strong> kann die Unwirksamkeit nach <strong>§</strong> 101b Absatz 1 <strong>GWB</strong> nur<br />

festgestellt werden, wenn sie im Nachprüfungsverfahren innerhalb von 30 Kalendertagen<br />

ab Kenntnis des Verstoßes, jedoch nicht später als sechs Monate nach Vertragsschluss<br />

geltend gemacht worden ist. Hat der Auftraggeber die Auftragsvergabe im Amtsblatt der<br />

Europäischen Union bekannt gemacht, endet die Frist zur Geltendmachung der<br />

Unwirksamkeit 30 Kalendertage nach Veröffentlichung der Bekanntmachung der<br />

Auftragsvergabe im Amtsblatt der Europäischen Union. Vgl. dazu die Kommentierung zu <strong>§</strong><br />

101b <strong>GWB</strong> RZ 2321.<br />

<strong>19.</strong>3.4.1.2.2 Frist des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Nr. 4<br />

2588<br />

Nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Nr. 4 ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit mehr als 15<br />

Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht<br />

abhelfen zu wollen, vergangen sind. Diese Regelung ist durch das<br />

Vergaberechtsmodernisierungsgesetz 2009 in <strong>§</strong> <strong>107</strong> <strong>GWB</strong> eingefügt worden.<br />

<strong>19.</strong>3.4.1.2.3 Fälle der Verwirkung<br />

2589<br />

Die Rechtsprechung lässt in bestimmten Fällen das Rechtsschutzbedürfnis für einen<br />

Nachprüfungsantrag entfallen, wenn zwischen der Rüge und dem Nachprüfungsantrag<br />

eine solche Zeitspanne und solche Umstände liegen, dass der Auftraggeber nicht mehr mit<br />

einem Nachprüfungsantrag rechnen musste (Verwirkung). Vgl. dazu im Einzelnen die<br />

Kommentierung RZ 2812. Im Gegensatz zu den beiden ersten Ausnahmen ist die Frist für<br />

die Unzulässigkeit nicht vorgegeben, sondern von den Umständen des Einzelfalls<br />

abhängig.


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

<strong>19.</strong>3.4.1.3 Unzulässigkeit einer Verschärfung der Voraussetzungen des<br />

Nachprüfungsantrags durch allgemeine Geschäftsbedingungen<br />

2590<br />

2591<br />

2592<br />

Eine Regelung des Inhalts, dass dann, wenn der Bieter einen seiner Ansicht nach<br />

vorliegenden Vergabeverstoß rügt und der Auftraggeber dieser Rüge widerspricht, der Bieter<br />

innerhalb von vier Wochen nach Erhalt des Widerspruchs ein Nachprüfungsverfahren<br />

einleiten muss, wenn er seine Rüge aufrechterhalten will, damit das aufwendige<br />

Verhandlungsverfahren nicht unnötig mit den sich aus der Rüge ergebenden Risiken belastet<br />

wird und der Bieter ausdrücklich mit der Abgabe seines indikativen Angebots erklärt, dass er<br />

anderenfalls eine jeweilige Rüge nicht aufrechterhält, ist eine allgemeine<br />

Geschäftsbedingung, die gemäß <strong>§</strong> 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist, wenn<br />

diese Klausel für eine Vielzahl von Vergabeverfahren vorformuliert worden ist. Die<br />

Präklusionsklausel benachteiligt die Bieter unangemessen, da sie die materiellen und<br />

prozessualen Zugangsvoraussetzungen zum Nachprüfungsverfahren verschärft. Auch<br />

wenn durch die Klausel die in <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 RegE <strong>GWB</strong> 2005 vorgesehene Regelung<br />

vorweggenommen wird, stellt die damit verbundene Verkürzung des Vergaberechtsschutzes<br />

eine wesentliche Abweichung von den Grundgedanken der geltenden gesetzlichen Regelung<br />

dar. <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> stellt Mindeststandards für die Gewährung von Rechtsschutz in<br />

Vergabeverfahren oberhalb der Schwellenwerte auf. Die Regelung ist nicht abdingbar.<br />

Dem öffentlichen Auftraggeber ist eine Verschärfung der Anforderungen durch entsprechende<br />

allgemeine Geschäftsbedingungen verwehrt (OLG Düsseldorf, B. v. 21.11.2007 - Az.: Verg<br />

32/07).<br />

Die Klausel ist zwar durch <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Nr. 4 <strong>GWB</strong> überholt. Der Tenor dieser<br />

Rechtsprechung gilt aber weiter, wenn eine kürzere Frist als die Frist des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Nr.<br />

4 <strong>GWB</strong> in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sein sollte.<br />

Geht es hingegen lediglich um die Festlegung eines Zeitpunktes, bis zu dem die<br />

Verdingungsunterlagen zumindest im Hinblick auf Unklarheiten und mögliche<br />

Vergaberechtsverstöße durchgearbeitet sein mussten – um einen Zeitpunkt also, ab dem<br />

der Auftraggeber vollumfängliche Kenntnis der Verdingungsunterlagen voraussetzen konnte<br />

und ab dem eine Fiktion der positiven Kenntnis der Verdingungsunterlagen greift, steht die<br />

Festlegung eines solchen „Stichtages“ für die abschließende Bearbeitung der<br />

Verdingungsunterlagen im Einklang mit dem geltenden Recht (VK Sachsen, B. v.<br />

24.04.2008 - Az.: 1/SVK/015-08).<br />

<strong>19.</strong>3.4.2 Wartefrist zwischen der Erklärung der Rüge und der Einreichung<br />

des Nachprüfungsantrags<br />

<strong>19.</strong>3.4.2.1 Rechtsprechung<br />

2593<br />

2594<br />

Die Rechtsprechung hierzu ist nicht einheitlich.<br />

Nach Auffassung einiger Vergabekammern (VK Baden-Württemberg, B. v. 11.04.2008 - Az.:<br />

1 VK 09/08; B. v. 11.11.2003 - Az.: 1 VK 65/03; VK Nordbayern, B. v. 3.4.2002 - Az.:<br />

320.VK-3194-07/02) dient die Rüge vorrangig dem Zweck, der Vergabestelle die Möglichkeit<br />

zur Überprüfung und gegebenenfalls Korrektur ihres eigenen Verhaltens zu geben, bevor sie<br />

mit einem Nachprüfungsantrag überzogen wird. Die Rüge ist demnach grundsätzlich vor


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

dem Nachprüfungsantrag zu erklären. Steht dem Auftraggeber insoweit der Zeitraum von<br />

Freitag Mittag bis zum Ende der Dienstzeit sowie der Montagvormittag zur Verfügung,<br />

ist dieser Zeitraum ausreichend hinsichtlich einer möglichen Überprüfung und Korrektur<br />

(VK Baden-Württemberg, B. v. 11.9.2003 - Az.: 1 VK 52/03).<br />

2595<br />

2596<br />

2597<br />

Nach Auffassung der VK Sachsen schadet einmal eine lediglich vier Stunden vor<br />

<strong>Antrag</strong>stellung bei der Vergabekammer erteilte Rüge der Zulässigkeit des <strong>Antrag</strong>s<br />

nicht, wenn sie zu normalen Geschäftszeiten bei dem Auftraggeber eingeht (1. VK Sachsen,<br />

B. v. 17.06.2004 - Az.: 1/SVK/038-04, 1/SVK/038-04G). Nach einer anderen Entscheidung<br />

ist <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong> im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend zu lesen,<br />

dass eine Rüge im Rechtssinne nur anzunehmen ist, wenn die Vergabestelle zumindest<br />

eine theoretische Chance zu einer Korrektur bekommt. Daran fehlt es, wenn zwischen<br />

dem Zugang des Rügeschreibens und dem Zugang des Nachprüfungsantrags bei der<br />

Vergabekammer lediglich ein Tag liegt (1. VK Sachsen, B. v. 27.05.2004 - Az.:<br />

1/SVK/041-04). Liegen zwar zwischen Rüge und Eingang des Nachprüfungsantrags drei<br />

Tage, besteht aber aus Sicht des <strong>Antrag</strong>sgegners keine Möglichkeit, mehr die Stellung eines<br />

Nachprüfungsantrags durch eine Abhilfeentscheidung zu vermeiden, ist diese Situation<br />

dem Fall, dass Rüge und Nachprüfungsantrag zusammenfallen, gleichzustellen (VK<br />

Baden-Württemberg, B. v. 11.04.2008 - Az.: 1 VK 09/08).<br />

Demgegenüber sieht nach der Gegenmeinung das Gesetz (<strong>GWB</strong>) eine Wartefrist zwischen<br />

der Erklärung der Rüge und der Einreichung des Nachprüfungsantrags nicht vor, so dass die<br />

Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags von der Beachtung einer solchen Wartefrist auch nicht<br />

abhängig gemacht werden kann (OLG Dresden, B. v. 17.8.2001 - Az.: WVerg 0005/01; OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 9.4.2003 - Az.: Verg 69/02; B. v. 18.7.2001 - Az.: Verg 16/01; OLG<br />

Frankfurt, B. v. 06.03.2006 - 11 Verg 11/05 und 12/05; OLG Naumburg, B. v. 25.10.2005 -<br />

Az.: 1 Verg 5/05; VK Brandenburg, B. v. 21.11.2007 - Az.: VK 45/07; 1. VK Bund, B. v.<br />

10.01.2007 – Az.: VK 1 – 151/06; 3. VK Bund, B. v. 08.11.2006 – Az.: VK 3 – 126/06; VK<br />

Düsseldorf, B. v. 13.03.2006 - Az.: VK - 08/2006 – L; VK Hamburg, B. v. 25.7.2002 - Az.:<br />

VgK FB 1/02; VK Hessen, B. v. 12.02.2008 - Az.: 69 d VK - 01/2008; 2. VK Mecklenburg-<br />

Vorpommern, B. v. 07.01.2008 - Az.: 2 VK 5/07; VK Münster, B. v. 26.08.2009 - Az.: VK<br />

11/09; B. v. 25.01.2006 - Az.: VK 23/05; B. v. <strong>19.</strong>07.2005 - Az.: VK 14/05; B. v. 18.01.2005<br />

- VK 32/04; B. v. 10.2.2004 - Az.: VK 01/04; 1. VK Sachsen, B. v. 23.12.2004 - Az.:<br />

1/SVK/129-04; B. v. 21.12.2004 - Az.: 1/SVK/112-04; B. v. 12.02.2004 - Az.: 1/SVK/164-<br />

03, 1/SVK/164-03G, B. v. 7.10.2003 - Az.: 1/SVK/111-03, B. v. 28.5.2003 - Az.: 1/SVK/046-<br />

03; VK Schleswig-Holstein, B. v. 25.04.2008 - Az.: VK-SH 04/08; B. v. 28.01.2008 - Az.:<br />

VK-SH 27/07; offen gelassen vom BayObLG, B. v. 3.7.2002 - Az.: Verg 13/02). Die<br />

Interessen des <strong>Antrag</strong>sgegners sind hinreichend dadurch geschützt, dass ein <strong>Antrag</strong>steller die<br />

Gebühren der Vergabekammer tragen muss, sofern der <strong>Antrag</strong>sgegner dem Begehren<br />

des <strong>Antrag</strong>stellers sofort nachgibt (VK Düsseldorf, B. v. 13.03.2006 - Az.: VK - 08/2006 –<br />

L).<br />

Eine Wartefrist kann auch nicht durch eine entsprechende Auslegung begründet werden.<br />

Die Auslegung liest in die Vorschrift des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong> eine Voraussetzung<br />

hinein, die deren Wortlaut nicht hergibt. Hinzu kommt, dass eine Auslegung dahingehend,<br />

dass keine Wartefrist erforderlich ist, auch dem Beschleunigungsgebot nach <strong>§</strong> 113 <strong>GWB</strong><br />

geschuldet ist. Denn sollte eine erforderliche Wartefrist zwischen der (rechtzeitigen) Rüge<br />

und dem Nachprüfungsantrag in die Vorschrift des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> hineininterpretiert<br />

werden können, müsste der Nachprüfungsantrag mangels vorhergehender Rüge als unzulässig<br />

verworfen werden, um dann nach Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen (Ablauf einer<br />

wie auch immer gearteten Wartefrist) in einem weiteren Nachprüfungsverfahren zu münden.


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Da die Rüge ihre Gültigkeit behalten und ein weiteres Nachprüfungsverfahren nicht an einem<br />

mangelnden Rechtsschutzbedürfnis scheitern würde, müsste es zwangsläufig zu einer<br />

Verzögerung um einen mindestens der Wartezeit entsprechenden Zeitraum kommen.<br />

Dies kann im Interesse aller Verfahrensbeteiligten an einem raschen Abschluss des<br />

Verfahrens nicht Sinn und Zweck der gesetzlichen Rügevorschriften und dem<br />

Beschleunigungsgebot sein (VK Schleswig-Holstein, B. v. 25.04.2008 - Az.: VK-SH 04/08).<br />

2598<br />

2599<br />

2600<br />

2601<br />

In solchen Fällen muss darüber hinaus ein <strong>Antrag</strong>steller grundsätzlich dafür Sorge tragen,<br />

dass die Rüge den Auftraggeber erreicht, bevor der Nachprüfungsantrag bei der<br />

Vergabekammer eingeht. Das bedeutet im konkreten Fall, dass die Rüge entweder per<br />

Telefax an die Vergabestelle übermittelt wird, mindestens jedoch – wie bei der <strong>Antrag</strong>sschrift<br />

– per Boten überbracht wird. Eine eventuelle überdurchschnittlich lange Postlaufzeit und der<br />

verspätete Eingang der Rüge ist ansonsten der Risikosphäre des <strong>Antrag</strong>stellers zuzurechnen<br />

(1. VK Bund, B. v. 10.01.2007 – Az.: VK 1 – 151/06; 3. VK Bund, B. v. 08.11.2006 – Az.:<br />

VK 3 – 126/06).<br />

Nach Auffassung einiger Vergabekammern kann es einem Bieter nicht zugemutet werden,<br />

nach ausgesprochener Rüge mit der <strong>Antrag</strong>stellung zuzuwarten, wenn die nach <strong>§</strong> 114 Abs. 2<br />

Satz 1 <strong>GWB</strong> irreversible Erteilung des Zuschlags unmittelbar bevorsteht oder zumindest<br />

möglich ist (VK Hessen, B. v. 12.02.2008 - Az.: 69 d VK - 01/2008; VK Münster, B. v.<br />

18.01.2005 - VK 32/04; 1. VK Bund, B. v. 30.3.2004 - Az.: VK 1 - 05/04). Vor diesem<br />

Hintergrund ist für jeden Einzelfall zu entscheiden, ob die Rüge einen ausreichenden<br />

Zeitraum vor <strong>Antrag</strong>stellung ausgesprochen wurde (2. VK Bund, B. v. 27.8.2002 - Az.: VK 2<br />

- 60/02).<br />

Die 3. VK Bund sieht es auch als zulässig an, wenn ein Bieter zeitlich deutlich vor der<br />

Rüge einen Nachprüfungsantrag stellt, und zwar ohne Begründung - zulässigerweise, da<br />

eine Begründung gemäß <strong>§</strong> 108 Abs. 1 S. 1 <strong>GWB</strong> zunächst nicht erforderlich ist, sondern<br />

„unverzüglich“ nach <strong>Antrag</strong>stellung zu erfolgen kann – und den Nachprüfungsantrag erst<br />

nach der Rüge substantiiert. Erst dann wird auch der Nachprüfungsantrag dem<br />

Auftraggeber zugestellt (3. VK Bund, B. v. 26.05.2008 - Az.: VK 3 - 59/08).<br />

Hinsichtlich der zeitlichen Reihenfolge zwischen Rüge und Nachprüfungsantrag ist also<br />

nicht auf die Stellung des Nachprüfungsantrags bei der Vergabekammer, sondern auf<br />

die Zustellung dieses <strong>Antrag</strong>s an den Auftraggeber abzustellen. Denn auch wenn der<br />

Nachprüfungsantrag bereits bei der Vergabekammer eingereicht worden ist, konnte die dem<br />

Auftraggeber vor Erhalt des <strong>Antrag</strong>s zugesandte Rüge immer noch ihren Zweck erfüllen, die<br />

Vergabestelle zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt von etwaigen Vergaberechtsverstößen in<br />

Kenntnis zu setzen und ihr so ggf. eine Korrektur zu ermöglichen (3. VK Bund, B. v.<br />

18.09.2008 – Az.: VK 3 – 122/08; B. v. 18.09.2008 - Az.: VK 3 – 119/08).<br />

<strong>19.</strong>3.4.2.2 Literatur<br />

2602<br />

• Maier, Clemens, Bedarf es einer Frist zwischen Rüge und Nachprüfungsantrag, NZBau<br />

2004, 196


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

<strong>19.</strong>3.5 <strong>Antrag</strong>sänderung<br />

2603<br />

Stellt ein <strong>Antrag</strong>steller z.B. nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor der<br />

Vergabekammer, jedoch im Rahmen nachgelassener Schriftsätze, seinen <strong>Antrag</strong> um<br />

(Änderung eines Feststellungsantrags hin zu einem <strong>Antrag</strong> gegen eine neuerliche Wertung der<br />

Vergabestelle mit verschiedenen Beanstandungen), stellt sich dies als zulässige<br />

<strong>Antrag</strong>sänderung (vgl. <strong>§</strong><strong>§</strong> 263, 264 ZPO) dar. Wenn schon während des<br />

Nachprüfungsverfahrens eine Wertung nachgeholt wird, wäre es nach Erledigung der<br />

ursprünglichen Rüge im Allgemeinen eine unnötige Förmelei, einen <strong>Antrag</strong>steller<br />

deswegen auf ein neues Nachprüfungsverfahren zu verweisen. Das gilt jedenfalls dann,<br />

wenn nach der ergänzenden Wertung eine Zuschlagsentscheidung zugunsten des gleichen<br />

Bieters zu erwarten ist und dadurch die Rechte dritter Bieter nicht berührt sind<br />

(BayObLG, B. v. 20.09.2004 - Az.: Verg 021/04).<br />

<strong>19.</strong>3.6 Rücknahme des <strong>Antrag</strong>s<br />

<strong>19.</strong>3.6.1 Grundsatz<br />

2604<br />

2605<br />

2606<br />

2607<br />

Der Nachprüfungsantrag steht zur freien Disposition des Unternehmens, das sich in dem<br />

Anspruch darauf verletzt fühlt, dass der öffentliche Auftraggeber die Bestimmungen über das<br />

Vergabeverfahren einhält. Denn gemäß <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 1 <strong>GWB</strong> findet ohne <strong>Antrag</strong> kein<br />

Nachprüfungsverfahren statt. Das schließt als selbstverständliche Folge ein, dass der<br />

<strong>Antrag</strong>steller seinen <strong>Antrag</strong> jederzeit wieder zurücknehmen kann, solange und soweit<br />

noch eine formell bestandskräftige sachliche Entscheidung über diesen <strong>Antrag</strong> aussteht.<br />

Anders verhielte es sich erst, wenn die verfahrensrechtlichen Vorschriften des Vierten Teils<br />

des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen die Möglichkeit der Rücknahme<br />

einschränkten, wie dies beispielsweise <strong>§</strong> 269 Abs. 1 ZPO für die Klagerücknahme vorsieht.<br />

Eine solche Einschränkung enthält das Gesetz jedoch nicht (BGH, B. v. 24.03.2009 - Az.:<br />

X ZB 29/08; im Ergebnis ebenso OLG Düsseldorf, B. v. 09.11.2009 - Az.: VII-Verg 35/09; B.<br />

v. 18.12.2006 - Az.: VII - Verg 51/06; OLG Frankfurt, B. v. 10.04.2008 - Az.: 11 Verg 10/07,<br />

11 Verg 13/07; OLG Karlsruhe, B. v. 11.07.2008 - Az.: 15 Verg 5/08; OLG Koblenz, B. v.<br />

08.06.2006 - Az.: 1 Verg 4 und 5/06; OLG Naumburg, B. v. 17.08.2007 - Az.: 1 Verg 5/07 –<br />

instruktive Entscheidung; OLG Schleswig-Holstein, B. v. 16.07.2009 - Az.: 1 Verg 1/09; VK<br />

Thüringen, B. v. 15.06.2006 - Az.: 360-4002.20-006/06-ESA-S).<br />

Es ist anerkannt, dass eine (teilweise) Rücknahme eines <strong>Antrag</strong>s und eine erneute<br />

Anbringung desselben <strong>Antrag</strong>s (gelegentlich bezeichnet als "Rücknahme der Rücknahme")<br />

nach den Prozessordnungen grundsätzlich ohne weiteres zulässig und nicht zu beanstanden ist<br />

(OLG Düsseldorf, B. v. 29.12.2001 - Az.: Verg 22/01).<br />

Im Verfahren vor dem Vergabesenat ist eine <strong>Antrag</strong>serweiterung analog <strong>§</strong> 264 Nr. 2 ZPO<br />

zulässig (OLG München, B. v. 12.07.2005 - Az.: Verg 008/05).<br />

Weist die Vergabekammer den <strong>Antrag</strong>steller auf Bedenken an der Zulässigkeit des<br />

eingereichten Nachprüfungsantrags hin (z. B. weil zu einer vorherigen Rüge der geltend<br />

gemachten Vergaberechtsverstöße nichts vorgetragen sei) und sieht mit Rücksicht auf diese<br />

Zulässigkeitsbedenken die Vergabekammer einstweilen von einer Zustellung des<br />

Nachprüfungsantrags an den <strong>Antrag</strong>sgegner ab, so ist dann, wenn der <strong>Antrag</strong>steller den von


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

der Vergabekammer geäußerten rechtlichen Bedenken in der Folgezeit Rechnung trägt, die<br />

Rüge nachholt und seinen <strong>Antrag</strong> "wiederholt", bei verständiger Auslegung von einer<br />

Rücknahme des ursprünglichen Nachprüfungsantrags und der Einreichung eines neuen<br />

Nachprüfungsbegehrens auszugehen (OLG Düsseldorf, B. v. 15.5.2002 - Az.: Verg 19/02).<br />

2608<br />

2609<br />

Zu den Auswirkungen einer Rücknahme auf eine eventuell schon getroffene<br />

Entscheidung der Vergabekammer vgl. die Kommentierung zu <strong>§</strong> 114.<br />

Zu der Kostenentscheidung bei <strong>Antrag</strong>srücknahme vgl. die Kommentierung zu <strong>§</strong> 128<br />

<strong>GWB</strong>.<br />

<strong>19.</strong>3.6.2 Rechtsfolge<br />

2610<br />

2611<br />

2611/1<br />

2612<br />

Mit der Rücknahme eines <strong>Antrag</strong>s als zwingende Sachentscheidungsvoraussetzung ist das<br />

betreffende Verfahren ohne Entscheidung in der Hauptsache zu beenden.<br />

Durch die Rücknahme des Nachprüfungsantrags wird die Entscheidung der<br />

Vergabekammer - auch im Kostenpunkt - wirkungslos - vgl. <strong>§</strong> 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO –<br />

(OLG Düsseldorf, B. v. 09.11.2009 - Az.: VII-Verg 35/09; OLG Frankfurt, B. v. 10.04.2008 -<br />

Az.: 11 Verg 10/07, 11 Verg 13/07; OLG Naumburg, B. v. 17.08.2007 - Az.: 1 Verg 5/07;<br />

OLG Koblenz, B. v. 08.06.2006 - Az.: 1 Verg 4 und 5/06; BayObLG, B. v. 11.05.2004 - Az.:<br />

Verg 003/04; OLG Schleswig-Holstein, B. v. 16.07.2009 - Az.: 1 Verg 1/09; VK Münster, B.<br />

v. 26.10.2007 - Az.: VK 25/07). Der Senat hat über die Kosten beider Rechtszüge zu<br />

befinden (OLG Karlsruhe, B. v. 11.07.2008 - Az.: 15 Verg 5/08; OLG Frankfurt, B. v.<br />

10.04.2008 - Az.: 11 Verg 10/07, 11 Verg 13/07; OLG Naumburg, B. v. 17.08.2007 - Az.: 1<br />

Verg 5/07; OLG Karlsruhe, B. v. 06.02.2007 - Az.: 17 Verg 5/06) und somit nur eine (neue)<br />

Kostengrundentscheidung für beide Instanzen zu treffen und den Beschwerdewert<br />

festzusetzen (OLG Naumburg, B. v. 17.08.2007 - Az.: 1 Verg 5/07; OLG Karlsruhe, B. v.<br />

06.02.2007 - Az.: 17 Verg 5/06; OLG Koblenz, B. v. 08.06.2006 - Az.: 1 Verg 4 und 5/06).<br />

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Rücknahme vor oder nach mündlicher<br />

Verhandlung vor der Vergabekammer, vor oder nach Zustellung ihrer Entscheidung,<br />

während die Beschwerdefrist läuft oder erst in der Beschwerdeinstanz erklärt wird. Mit<br />

der prozessualen Rechtslage nicht im Einklang steht ebenso wenig die Annahme, infolge<br />

Nicht-Einlegung einer Beschwerde gegen eine Entscheidung der Vergabekammer sei diese<br />

bestandskräftig geworden. Das Gegenteil ist der Fall. Der Eintritt der Bestandskraft einer<br />

Entscheidung der Vergabekammer wird nicht nur durch (fristgerechte) Einlegung des<br />

dagegen zu Gebote stehenden Rechtsmittels, sondern auch durch die (innerhalb der<br />

Rechtsmittelfrist oder auf zulässige Beschwerde im Beschwerdeverfahren erklärte)<br />

Rücknahme des Nachprüfungsantrags verhindert, die jegliche Rechtswirkungen einer<br />

zuvor ergangenen Entscheidung, namentlich auch solche des die Kosten und die<br />

Aufwendungen betreffenden Ausspruchs, beseitigt (OLG Düsseldorf, B. v. 09.11.2009 - Az.:<br />

VII-Verg 35/09).<br />

Die Rechtsprechung, wonach die einen Nachprüfungsantrag zurückweisende Entscheidung<br />

der Vergabekammer durch eine nachträglich erklärte Rücknahme des Nachprüfungsantrags<br />

insgesamt und rückwirkend wirkungslos werde, betrifft nur solche Fälle, in denen die<br />

Kostenentscheidung der Vergabekammer infolge eines Rechtsmittels noch nicht<br />

bestandskräftig geworden ist. Richtet sich das Rechtsmittel eines <strong>Antrag</strong>steller<br />

ausschließlich gegen die Festsetzung der Gebühren der Vergabekammer, aber nicht zu dem


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Gegenstandswert, der für die Berechnung der im Verfahren vor der Vergabekammer<br />

entstandenen Rechtsanwaltsgebühren maßgebend ist und für den <strong>§</strong> 50 Abs. 2 GKG<br />

entsprechend herangezogen wird, ist der Beschluss hinsichtlich des Gegenstandswerts für die<br />

Berechnung der im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen Rechtsanwaltsgebühren<br />

bestandskräftig (OLG Frankfurt, B. v. 16.02.2009 - Az.: 11 Verg 17/08).<br />

2613<br />

Von einer Entscheidung des Vergabesenats "in der Sache" ist aber auch auszugehen, wenn<br />

im nachfolgenden Beschwerdeverfahren des Senats durch näher begründeten Beschluss<br />

vorab über eine Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gemäß <strong>§</strong><br />

118 Abs. 1 Satz 3 <strong>GWB</strong> befunden wird und - erst - daraufhin die sofortige Beschwerde<br />

zurückgenommen wird. Anders als im Falle einer Zurückverweisung durch den<br />

Vergabesenat bedarf es in diesem Fall auch einer weiteren Entscheidung der Vergabekammer<br />

nicht mehr. Die sonach durch das Beschwerdeverfahren begründete Zuständigkeit des<br />

Oberlandesgerichts für die Kostenfestsetzung erstreckt sich aber auch auf die Kosten<br />

eines verbundenen Vergabenachprüfungsverfahrens. Zwar kann dieses - bei isolierter<br />

Betrachtung - nicht ins Beschwerdeverfahren gelangt sein. Aber beide Verfahren wurden von<br />

der Vergabekammer zu einem Verfahren verbunden. Beide Nachprüfungsanträge wurden von<br />

unterschiedlichen <strong>Antrag</strong>stellerinnen gestellt, die auch von verschiedenen Rechtsanwälten<br />

vertreten wurden. Die Vergabekammer hat dementsprechend auch - bis zuletzt - beide<br />

Nachprüfungsverfahren mit verschiedenen Aktenzeichen erfasst und die Akten - tatsächlich -<br />

nicht verbunden. Gleichwohl wurden die Verfahren nicht lediglich - schlicht - zu paralleler<br />

Verhandlung und Entscheidung verbunden. Vielmehr hat die Vergabekammer ihr insoweit<br />

bestehendes Ermessen dahin ausgeübt, dass es beide Nachprüfungsverfahren "zur<br />

gemeinsamen Verfahrensdurchführung und Entscheidung" zu einem rechtlich einheitlichen<br />

Verfahren verbunden hat (OLG Karlsruhe, B. v. 06.02.2007 - Az.: 17 Verg 5/06).<br />

<strong>19.</strong>3.6.3 Literatur<br />

2614<br />

• Sellmann, Christian / Augsberg, Steffen, Beteiligteninduzierte Beendigung<br />

vergaberechtlicher Nachprüfungsverfahren, NVwZ 2005, 1255<br />

<strong>19.</strong>3.7 Stufennachprüfungsverfahren<br />

2615<br />

Die Vorschriften über das Vergabenachprüfungsverfahren sehen eine stufenweise<br />

<strong>Antrag</strong>stellung im Sinne eines vorgeschalteten Auskunftsantrages und eines nachfolgenden<br />

<strong>Antrag</strong>es auf Beseitigung einer Rechtsverletzung nicht vor. Vielmehr ergibt sich aus der<br />

Zusammenschau insbesondere der <strong>§</strong> 97 Abs. 7, <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2, <strong>§</strong> 108 Abs. 1 <strong>GWB</strong>, dass der<br />

<strong>Antrag</strong>steller stets unmittelbar die Beseitigung eines ihn in seinen Rechten verletzenden<br />

Vergaberechtsverstoßes geltend machen soll (OLG Naumburg, B. v. 4.9.2001 - Az.: 1 Verg<br />

8/01).<br />

<strong>19.</strong>4 <strong>Antrag</strong>sbefugnis (<strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2)


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

<strong>19.</strong>4.1 Grundsätze<br />

2616<br />

2617<br />

2618<br />

2618/1<br />

Das in den <strong>§</strong><strong>§</strong> 102 bis 129 <strong>GWB</strong> geregelte zweistufige Nachprüfungsverfahren dient dem<br />

vergaberechtlichen Primärrechtsschutz. Nur mit ihm kann der subjektive Anspruch des<br />

Bieters auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren durch den öffentlichen<br />

Auftraggeber während eines laufenden Vergabeverfahrens durchgesetzt werden. Mit der<br />

Erteilung des Zuschlages ist demgegenüber die Erlangung von Primärrechtsschutz nicht mehr<br />

möglich, da nach <strong>§</strong> 114 Abs. 2 Satz 1 <strong>GWB</strong> ein bereits erteilter Zuschlag nicht mehr<br />

aufgehoben werden kann. Der <strong>Antrag</strong>sbefugnis nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 <strong>GWB</strong> kommt vor<br />

diesem Hintergrund für die Erlangung von Primärrechtsschutz im Vergabeverfahren<br />

eine zentrale Bedeutung zu. Ihre Ablehnung hat zur Konsequenz, dass dem betroffenen<br />

Unternehmen nur noch der Weg verbleibt, Sekundäransprüche vor den ordentlichen Gerichten<br />

einzuklagen. Vor dem Hintergrund dieser spezifischen Ausgestaltung des vergaberechtlichen<br />

Nachprüfungsverfahrens müssen die in <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 <strong>GWB</strong> genannten Voraussetzungen in<br />

einer Weise ausgelegt werden, die den betroffenen Unternehmen einen effektiven<br />

Rechtsschutz gewährleisten (BVerfG, B. v. 29.07.2004 - Az.: 2 BvR 2248/03; OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 09.02.2009 - Az.: VII-Verg 66/08; VK Münster, B. v. 18.03.2010 - Az.: VK<br />

2/10; VK Südbayern, B. v. 06.02.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-36-10/08).<br />

Eine europarechtskonforme Anwendung der in <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 <strong>GWB</strong> für die <strong>Antrag</strong>sbefugnis<br />

normierten Voraussetzungen ist nur dann gegeben, wenn jedenfalls die an einem<br />

Vergabeverfahren teilnehmenden Unternehmen sowie die durch Vergaberechtsverstöße an<br />

einer Teilnahme gehinderten Unternehmen antragsbefugt sind. Diesen droht durch die<br />

beabsichtigte Zuschlagserteilung an ein anderes Unternehmen grundsätzlich die Entstehung<br />

eines Schadens in Form eines Auftragsentgangs (BVerfG, B. v. 29.07.2004 - Az.: 2 BvR<br />

2248/03; VK Südbayern, B. v. 29.07.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-18-05/08).<br />

Auf die <strong>Antrag</strong>sbefugnis kommt es grundsätzlich nicht an, wenn ein Verfahren so<br />

fehlerhaft ist, dass eine wettbewerbsgerechte, den Anforderungen des <strong>§</strong> 97 Abs. 1 <strong>GWB</strong><br />

entsprechende Ausschreibung nicht vorliegt, so dass vergleichbare Angebote gar nicht<br />

ermittelt werden können und dem Auftragnehmer dadurch ungewöhnliche Wagnisse<br />

aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse auf die er keinen Einfluss hat und deren<br />

Einfluss auf die Preise und Fristen weder der Auftraggeber noch der Auftragnehmer im<br />

Voraus schätzen können. Eine Ausschreibung, die z.B. auf nicht mehr absehbare Zeiträume<br />

aufgebaut ist, kann auch nicht zu vergleichbaren Ergebnissen führen (VK Arnsberg, B. v.<br />

21.02.2006 - Az.: VK 29/05).<br />

Die <strong>Antrag</strong>sbefugnis ist eine von Amts wegen zu prüfende Zulässigkeitsvoraussetzung<br />

(VK Münster, B. v. 18.03.2010 - Az.: VK 2/10).<br />

<strong>19.</strong>4.2 Voraussetzungen der <strong>Antrag</strong>sbefugnis (Überblick)<br />

2619<br />

Die <strong>Antrag</strong>sbefugnis setzt – kumulativ - voraus, dass<br />

• ein antragsbefugtes Unternehmen<br />

• ein Interesse am Auftrag hat,<br />

• eine Verletzung in seinen Rechten nach <strong>§</strong> 97 Abs. 7 durch Nichtbeachtung von<br />

Vergabevorschriften geltend macht,


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

• dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein<br />

Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht und<br />

• ein allgemeines Rechtsschutzinteresse (noch) besteht.<br />

(VK Schleswig-Holstein, B. v. 14.09.2005 - Az.: VK-SH 21/05).<br />

2620<br />

Entsprechende Darlegungen dieser Tatbestandsmerkmale sind in dem Nachprüfungsantrag<br />

erforderlich. Vgl. dazu im Einzelnen die Kommentierung zu <strong>§</strong> 108 <strong>GWB</strong>.<br />

<strong>19.</strong>4.3 <strong>Antrag</strong>sbefugtes Unternehmen<br />

<strong>19.</strong>4.3.1 Begriff des Unternehmens<br />

2621<br />

Als Unternehmen sind sowohl natürliche oder juristische Personen als auch<br />

Personenvereinigungen erfasst, die durch Betätigung in der Erzeugung oder im<br />

Geschäftsverkehr aktiv am Wirtschaftsleben teilnehmen. Ergänzt wird diese Bestimmung<br />

durch das auch hier zu beachtende Erfordernis, dass sich nur solche Unternehmen am<br />

Wettbewerb beteiligen können, die sich gewerbsmäßig mit der Ausübung von Leistungen<br />

der ausgeschriebenen Art befassen (VK Schleswig-Holstein, B. v. 16.09.2005 - Az.: VK-<br />

SH 22/05). Dies ist auch nicht aus EU-rechtlicher Sicht zu beanstanden wie die Regelung in<br />

den Art. 24 lit. a) BKR oder Art. 20 Abs. 1 lit. a) LKR verdeutlichen. Nach diesen<br />

Regelungen für verwandte Bau- und Lieferleistungen kann ein Unternehmen vom<br />

Wettbewerb ausgeschlossen werden, das seine gewerbliche Tätigkeit eingestellt hat. Diese<br />

Regelungen des konkreten Vergabeverfahrens sind aber auch schon in die Betrachtung mit<br />

einzustellen, ob sich ein beschwerdeführender <strong>Antrag</strong>steller überhaupt zulässigerweise und<br />

mit der erforderlichen <strong>Antrag</strong>sbefugnis um eine Nachprüfung behaupteter Vergabeverstöße<br />

bemühen darf. Diese Regelung dient somit auch der Verhinderung von<br />

Popularbeschwerden (1. VK Sachsen, B. v. 16.5.2003 - 1/SVK/035-03).<br />

<strong>19.</strong>4.3.2 <strong>Antrag</strong>sbefugnis einer Bietergemeinschaft<br />

<strong>19.</strong>4.3.2.1 Die Rechtsprechung des EuGH<br />

2622<br />

Der Europäische Gerichtshof hat eine nationale Verfahrensvorschrift, nach der eine<br />

Klage gegen die Entscheidung der Vergabebehörde über die Vergabe eines öffentlichen<br />

Auftrags von der Gesamtheit der Mitglieder, aus denen sich eine als Bieter auftretende<br />

Gelegenheitsgesellschaft zusammensetzt, eingereicht werden muss, als zulässig erklärt<br />

(EuGH, Urteil vom 04.10.2007 - Az.: C-492/06; Urteil vom 08.09.2005 - Az.: C-129/04).<br />

Daraus kann man schließen, dass einzelne Mitglieder einer Bietergemeinschaft nicht<br />

antragsbefugt sind. Der EuGH hat gleichzeitig erklärt, dass eine nationale Regelung<br />

dergestalt, dass eines der Mitglieder einer Gelegenheitsgesellschaft ohne<br />

Rechtspersönlichkeit, die sich als solche an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen<br />

Auftrags beteiligt, aber nicht den Zuschlag erhalten hat, die Vergabeentscheidung allein<br />

gerichtlich nachprüfen lassen kann, zulässig ist (EuGH, Urteil vom 04.10.2007 - Az.: C-<br />

492/06; Urteil vom 08.09.2005 - Az.: C-129/04).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

<strong>19.</strong>4.3.2.2 Nationale Rechtsprechung<br />

2623<br />

2624<br />

2625<br />

Grundsätzlich ist eine Arbeitsgemeinschaft, deren Mitglieder zusammen ein Angebot<br />

abgeben haben, ein Unternehmen, das nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 Satz 1 <strong>GWB</strong> befugt ist, einen<br />

Nachprüfungsantrag zu stellen (OLG Düsseldorf, B. v. 18.11.2009 - Az.: VII-Verg 19/09).<br />

Bei der Arbeitsgemeinschaft handelt es sich um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (<strong>§</strong> 705<br />

BGB). Ein Wechsel im Mitgliederbestand hat danach keinen Einfluss auf den Fortbestand der<br />

mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse. Infolgedessen ist die<br />

Arbeitsgemeinschaft als solche auch nach einem Wechsel im Mitgliederbestand wirksam<br />

befugt, den Nachprüfungsantrag einzureichen (OLG Düsseldorf, B. v. 30.03.2005 - Az.: VII -<br />

Verg 101/04; VK Hessen, B. v. 25.08.2006 – Az.: 69 d VK 37/2006; B. v. 12.9.2001 - Az.: 69<br />

d VK - 30/2001; VK Nordbayern, B. v. 01.02.2008 – Az.: 21.VK – 3194 – 54/07; VK<br />

Rheinland-Pfalz, B. v. 24.05.2005 - Az.: VK 14/05).<br />

Dies gilt auch dann, wenn sich ein Mitglied der Bietergemeinschaft allein aus<br />

übergeordneten Gründen, die nicht im Vergabeverfahren oder bei den anderen Mitgliedern<br />

der Bietergemeinschaft zu suchen sind, gehindert sieht, sich an dem<br />

Nachprüfungsverfahren zu beteiligen – der Auftraggeber hat z.B. dem Mitglied in Aussicht<br />

gestellt, dass es mit einem Subunternehmer-Auftrag eventuell doch noch zum Zuge kommt,<br />

obwohl die Bietergemeinschaft den Zuschlag nicht erhalten hat –, andererseits aber deutlich<br />

macht, dass es sich weiterhin als Mitglied der Bietergemeinschaft betrachtet und an der<br />

Auftragserteilung interessiert ist. Hier würde es eine reine Förmelei darstellen, die<br />

<strong>Antrag</strong>sbefugnis zu verneinen. Mit der Gewährung effektiven Rechtschutzes, welche die<br />

zugrunde liegende EU-Richtlinie in den Vordergrund stellt, wäre ein Versagen der<br />

<strong>Antrag</strong>sbefugnis bei dieser Sachlage nicht zu vereinbaren. Im Zivilprozess würde diese<br />

Konstellation einer zulässigen gewillkürten Prozessstandschaft entsprechen (Hanseatisches<br />

OLG, B. v. 10.10.2003 - Az.: 1 Verg 2/03; 3. VK Saarland, B. v. 09.03.2007 - Az.: 3 VK<br />

01/2007).<br />

Vergleichbar ist der Fall, wenn ein Ausschreibungsverfahren gerade erst begonnen hat,<br />

die Ausschreibungsunterlagen noch nicht bekannt sind und insbesondere noch keine<br />

Angebote vorliegen; auch dann würde es hier eine reine Förmelei sein, wenn der <strong>Antrag</strong><br />

des <strong>Antrag</strong>stellers als unzulässig zurückgewiesen wird und ein <strong>Antrag</strong> der nunmehr<br />

existierenden Bietergemeinschaft unmittelbar zur <strong>Einleitung</strong> eines neuen<br />

Nachprüfungsverfahrens wegen derselben Ausschreibung führen würde. Für diese<br />

Fallkonstellation gibt es im Zivilprozess die gewillkürte Prozessstandschaft, d.h. die Befugnis,<br />

im eigenen Namen einen Prozess über ein fremdes Recht zu führen. Das ist möglich, wenn<br />

der Prozessstandschafter ein eigenes rechtsschutzwürdiges Interesse am Prozess hat sowie<br />

eine Ermächtigung durch den dahinter stehenden Rechtsinhaber nachweist. Dies ist der Fall,<br />

wenn der bisherige <strong>Antrag</strong>steller Mitglied der Bietergemeinschaft wurde und mithin weiterhin<br />

in seinen eigenen rechtlichen Interessen betroffen ist. Letztlich betreibt der <strong>Antrag</strong>steller im<br />

Einvernehmen mit der Bietergemeinschaft somit weiterhin als Partei das<br />

Nachprüfungsverfahren. Eine Entscheidung im Nachprüfungsverfahren entfaltet damit<br />

rechtskraftgleiche Wirkung auch gegenüber den übrigen Mitgliedern der Bietergemeinschaft.<br />

Wenn zivilrechtlich der Austausch einer Partei im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft<br />

möglich ist, dann muss erst recht in einem Falle, wo die zuerst tätig gewordene Partei noch im<br />

Verfahren bleibt, die Fortsetzung des Verfahrens möglich sein (3. VK Bund, B. v. 29.04.2009<br />

- Az.: VK 3 – 76/09; VK Münster, B. v. 28.05.2004 - Az.: VK 10/04).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

2626<br />

2627<br />

2628<br />

2629<br />

2630<br />

2630/1<br />

Dies gilt auch dann, wenn über das Vermögen eines Mitglieds der Bietergemeinschaft die<br />

Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung erfolgt (1. VK Sachsen, B. v. 13.9.2002 -<br />

Az.: 1/SVK/082-02). Aus dem Tatbestand, dass ein Mitglied der durch Insolvenz aufgelösten<br />

Bietergemeinschaft in das durch die Bietergemeinschaft eingereichte Angebot einschließlich<br />

der Sondervorschläge eintritt, kann eine Wettbewerbsverzerrung nicht abgeleitet werden<br />

(VK Baden-Württemberg, B. v. 23.6.2003 - Az.: 1 VK 28/03).<br />

Das Mitglied der Bietergemeinschaft kann als Gesamtrechtsnachfolger der beendeten<br />

Gesellschaft bürgerlichen Rechts auch ein wirtschaftliches und rechtliches Interesse an der<br />

Klärung der Frage haben, ob das noch rechtlich existente Angebot der Bietergemeinschaft zu<br />

Recht von der Wertung ausgenommen worden ist. Als z.B. allein verbliebene Gesellschafterin<br />

der beendeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts und deren Gesamtrechtsnachfolgerin bedarf<br />

das ehemalige Mitglied der Bietergemeinschaft keiner Übertragung des Rechts zur<br />

Prozessführung durch das einzige weitere, ohnehin aus der inzwischen beendeten<br />

Bietergemeinschaft ausgeschiedene Mitglied (OLG Düsseldorf, B. v. 24.05.2005 - Az.: VII -<br />

Verg 28/05; VK Arnsberg, B. v. 25.04.2005 - Az.: VK 3/2005).<br />

Nach Meinung des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist ganz allgemein analog dem im<br />

Prozessrecht anerkannten Institut der gewillkürten Prozessstandschaft auch im<br />

Vergabenachprüfungsverfahren der <strong>Antrag</strong>steller befugt, eine Verletzung fremder Bewerberoder<br />

Bieterrechte im eigenen Namen geltend zu machen, sofern er dazu vom Berechtigten<br />

ermächtigt worden ist und ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Durchführung<br />

des Nachprüfungsverfahrens im eigenen Namen hat. Ein schutzwürdiges Eigeninteresse an<br />

der Durchführung des Verfahrens ist annehmen, wenn die Entscheidung im<br />

Nachprüfungsverfahren Einfluss auf die eigene Rechtslage des <strong>Antrag</strong>stellers hat (OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 18.11.2009 - Az.: VII-Verg 19/09; B. v. 30.03.2005 - Az.: VII - Verg<br />

101/04; ebenso 3. VK Bund, B. v. 29.04.2009 - Az.: VK 3 – 76/09; B. v. 31.08.2005 - Az.:<br />

VK 3 - 103/05; 1. VK Hessen, B. v. 25.08.2006 – Az.: 69 d VK 37/2006).<br />

Bezieht sich ein <strong>Antrag</strong>steller im Verfahren vor der Kammer ausdrücklich darauf, einen<br />

Nachprüfungsantrag „im Namen und mit Vollmacht der Mutterunternehmen“ gestellt zu<br />

haben, ist ein formales Auftreten als „<strong>Antrag</strong>steller“ unschädlich und so auszulegen, dass die<br />

Bietergemeinschaft zulässige Beteiligte des Nachprüfungsverfahrens ist (VK Rheinland-<br />

Pfalz, B. v. 24.05.2005 - Az.: VK 14/05; im Ergebnis ebenso 2. VK Bund, B. v. 06.08.2007 -<br />

Az.: VK 2 - 75/07).<br />

Demgegenüber vertritt die VK Thüringen die Auffassung, dass für die <strong>Antrag</strong>sbefugnis<br />

einer Bietergemeinschaft die Bietergemeinschaftserklärung bzw. ein intern abgeschlossener<br />

Bietergemeinschaftsvertrag nicht genügt, sondern eine formelle Willenserklärung aller<br />

Mitglieder notwendig ist (VK Thüringen, B. v. 04.10.2004 - Az.: 360-4003.20-037/04-SLF,<br />

im Ergebnis ebenso VK Baden-Württemberg, B. v. 11.08.2009 - Az.: 1 VK 36/09; VK<br />

Nordbayern, B. v. 14.04.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 09/05).<br />

Ein einzelnes Mitglied einer Bietergemeinschaft ist nicht antragsbefugt im Sinne des <strong>§</strong><br />

<strong>107</strong> Abs. 2 <strong>GWB</strong>, da ihm das notwendige Interesse am Auftrag fehlt. Wenn sich eine<br />

Bietergemeinschaft um eine Auftragsvergabe bewirbt, ist daher nur die Bietergemeinschaft<br />

selbst dasjenige Unternehmen, das ein Interesse am Auftrag hat (OLG Düsseldorf, B. v.<br />

18.11.2009 - Az.: VII-Verg 19/09; VK Münster, B. v. 18.03.2010 - Az.: VK 1/10). Wird ein<br />

Nachprüfungsantrag zunächst eindeutig nur im Namen eines Mitglieds einer<br />

Bietergemeinschaft gestellt und macht sich die Bietergemeinschaft den Nachprüfungsantrag<br />

zu eigen, kann die darin liegende Auswechslung der Partei auf <strong>Antrag</strong>stellerseite


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

sachdienlich sein, <strong>§</strong> 263 ZPO analog. Es wäre reine Förmelei, wenn der <strong>Antrag</strong> des<br />

einzelnen Mitglieds als unzulässig zurückgewiesen würde und die Bietergemeinschaft<br />

umgehend den inhaltlich identischen Nachprüfungsantrag einreichen würde. Im Übrigen wäre<br />

auch eine gewillkürte Prozessstandschaft bei entsprechender Erklärung des einzelnen<br />

Mitglieds denkbar gewesen (VK Baden-Württemberg, B. v. 11.08.2009 - Az.: 1 VK 36/09).<br />

2631<br />

Bei der Beurteilung dieser Frage ist auch zu beachten, dass dann, wenn die<br />

Bietergemeinschaft für einen bestimmten Zeitraum eingegangen ist, sie gemäß <strong>§</strong> 723 Abs. 1<br />

BGB vor dem Ablauf der Zeit nur gekündigt werden kann, wenn ein wichtiger Grund<br />

vorliegt (VK Brandenburg, B. v. 21.12.2004 - Az.: VK 64/04).<br />

<strong>19.</strong>4.3.2.3 Verdeckte Bietergemeinschaft<br />

2632<br />

Das Zulässigkeitserfordernis „Interesse am Auftrag“ knüpft allein an die formale<br />

Beteiligung im Verfahren an. Aus verdeckten Absichten lässt sich kein relevanter<br />

Bieterschutz ableiten; deshalb kann auch ein Mitglied einer verdeckten Bietergemeinschaft<br />

keine <strong>Antrag</strong>sbefugnis aus ihrer nicht offenbarten Bieterstellung ableiten (VK<br />

Rheinland-Pfalz, B. v. 27.05.2005 - Az.: VK 15/05).<br />

<strong>19.</strong>4.3.3 <strong>Antrag</strong>sbefugnis für ein Rechtsnachfolgeunternehmen<br />

2633<br />

Verschmilzt ein Bieter mit einem anderen Unternehmen nach dem UmwG, erlischt der<br />

frühere Bieter. Das verschmolzene Unternehmen ist somit Rechtsnachfolger des früheren<br />

Bieters. Als solcher ist er legitimiert, Ansprüche aus der Bieterposition gegenüber dem<br />

Auftraggeber – insbesondere im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens – geltend zu<br />

machen (Schleswig-Holsteinisches OLG, B. v. 13.04.2006 – Az.: 1 (6) Verg 10/05; VK<br />

Hessen, B. v. 28.02.2006 - Az.: 69 d VK - 02/2006).<br />

<strong>19.</strong>4.3.4 <strong>Antrag</strong>sbefugnis für einen Nachunternehmer<br />

2634<br />

2635<br />

Ein (potentieller) Nachunternehmer, der für sein Unternehmen den Zuschlag gar nicht<br />

begehrt, kann nicht in den (in <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 Satz 2 <strong>GWB</strong> gemeinten eigenen) Aussichten auf<br />

den Zuschlag durch etwaige Vergaberechtsverstöße beeinträchtigt werden und kann somit<br />

schon im Ansatz nicht das gesetzliche <strong>Antrag</strong>serfordernis gemäß <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 Satz 2 <strong>GWB</strong><br />

erfüllen. <strong>Antrag</strong>sbefugt kann vielmehr nur der vom Nachunternehmer in Aussicht<br />

genommene Hauptauftragnehmer sein (OLG Düsseldorf, B. v. 29.10.2008 - Az.: VII-Verg<br />

35/08; B. v. 18.06.2008 - Az.: VII - Verg 23/08; B. v. 14.05.2008 - Az.: VII - Verg 27/08; B.<br />

v. 30.04.2008 - Az.: VII - Verg 23/08; B. v. 13.11.2000 - Az.: Verg 25/00; VK Baden-<br />

Württemberg, B. v. 05.06.2008 - Az.: 1 VK 16/08; 2. VK Bund, B. v. 09.08.2006 - Az.: VK 2<br />

- 77/06; B. v. 12.6.2002 - Az.: VK 2 - 32/02; VK Magdeburg, B. v. 13.2.2003 - Az.: 33-<br />

32571/07 VK 01/03 MD; VK Münster, B. v. 18.03.2010 - Az.: VK 1/10; B. v. 27.01.2010 -<br />

Az.: VK 25/09; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 27.05.2005 - Az.: VK 15/05; B. v. 24.05.2005 -<br />

Az.: VK 14/05).<br />

Dafür spricht bereits, dass gegebenenfalls ein Nachunternehmer ohne oder gar gegen den<br />

Willen des Bieters das Angebot weiterverfolgt, obwohl dieser zwischenzeitlich ein<br />

Interesse an dem Auftrag verloren hat. Allenfalls kommt in Betracht, dass - ähnlich wie<br />

bei der Bietergemeinschaft ein Mitglied - der Nachunternehmer in Prozessstandschaft für


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

den Bieter auftritt. Bedenken im Hinblick auf Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG<br />

(Rechtsmittelrichtlinie) bestehen nicht; der EuGH hat entschieden, dass sogar bei einer<br />

Bietergemeinschaft die <strong>Antrag</strong>sbefugnis als solche beschränkt und eine solche eines einzelnen<br />

Bieters durch nationales Recht ausgeschlossen werden kann, obwohl sein Interesse dasjenige<br />

eines Subunternehmers sogar übersteigt (OLG Düsseldorf, B. v. 29.10.2008 - Az.: VII-Verg<br />

35/08; B. v. 18.06.2008 - Az.: VII - Verg 23/08).<br />

2636<br />

2636/1<br />

2637<br />

2637/1<br />

Demgemäß kann einen Nachprüfungsantrag bei Grundstückskaufverträgen nur derjenige<br />

stellen, der darlegt, er habe sich bei ordnungsgemäßer Vergabe um den fraglichen Auftrag<br />

(Grundstückskaufvertrag) beworben (OLG Düsseldorf, B. v. 29.10.2008 - Az.: VII-Verg<br />

35/08; VK Münster, B. v. 27.01.2010 - Az.: VK 25/09). Das ist aber dann nicht der Fall,<br />

wenn sich ein <strong>Antrag</strong>steller während des gesamten Verfahrensverlaufs nur als Interessent<br />

für die Anmietung von Ladenflächen und Betreiber eines Verbrauchermarktes gemeldet<br />

hat (OLG Düsseldorf, B. v. 14.05.2008 - Az.: VII - Verg 27/08).<br />

Ist es das erklärte Ziel und damit der erkennbare Wille der <strong>Antrag</strong>stellerin und der mit ihr<br />

zusammenwirkenden Gesellschaften die Verhinderung der Ansiedlung eines weiteren<br />

großflächigen Lebensmitteleinzelhandels in unmittelbarer Nachbarschaft des eigenen<br />

Grundstücks und soll das zu vergebende Grundstück aber nur zur Bebauung mit einem<br />

Einkaufszentrum abgegeben werden, wenn der Bewerber einen Vollsortiment-<br />

Lebensmittelmarkt mit einer Verkaufsfläche von mindestens 1500 m² und maximal 2500<br />

m² ansiedelt - verfolgt also der Auftraggeber mit seiner Ausschreibung das<br />

bauplanungsrechtliche Ziel, dort in naher Zukunft einen großflächigen<br />

Lebensmitteleinzelhandel entstehen zu lassen -, will die <strong>Antrag</strong>stellerin das Vergabeziel<br />

nicht verwirklichen. Ihr fehlt damit die <strong>Antrag</strong>sbefugnis (VK Münster, B. v. 27.01.2010 -<br />

Az.: VK 25/09).<br />

Bei einem Investorenauswahlverfahren der öffentlichen Hand reicht zur Bejahung der<br />

<strong>Antrag</strong>sbefugnis das Interesse von nur an der Planung/Projektentwicklung und/oder den<br />

Bauarbeiten interessierten Unternehmen nicht aus. Das Interesse des<br />

Planers/Bauunternehmers ist nicht unmittelbar auf die Erlangung eines Auftrages von dem<br />

öffentlich-rechtlichen Grundstücksverkäufer, sondern von dem (potentiellen)<br />

Grundstückskäufer gerichtet. Die öffentliche Hand will den Bauauftrag nur gekoppelt mit<br />

dem Grundstückskaufvertrag vergeben; nur bei dieser Kopplung kann sie überhaupt erreichen,<br />

dass ein Bieter willens ist, derartige Bauverpflichtungen einzugehen. Das Grundstück will<br />

aber der bloße Planer/Projektentwickler/Bauunternehmer selber nicht kaufen. Eine<br />

<strong>Antrag</strong>sbefugnis ließe sich daher nur dann begründen, wenn der Betreffende diese<br />

Kopplung als vergaberechtswidrig rügen und geltend machen würde, bei getrennter<br />

Ausschreibung sich auf den Bauauftrag beworben zu haben (OLG Düsseldorf, B. v.<br />

18.06.2008 - Az.: VII - Verg 23/08; im Ergebnis ebenso VK Münster, B. v. 27.01.2010 - Az.:<br />

VK 25/09).<br />

Genauso ist der Fall zu beurteilen, wenn ein Bieter die Möglichkeit hat, in einem<br />

Vergabeverfahren ein Angebot abzugeben, dies aber nicht macht und gegen den<br />

erfolgreichen Bieter, der seinerseits Nachunternehmerleistungen ohne<br />

Ausschreibungsverfahren vergibt, ein Nachprüfungsverfahren einleitet. Dadurch, dass<br />

ein Bieter kein Angebot abgibt, bringt er deutlich zum Ausdruck, dass er kein Interesse am<br />

Auftrag hat. Im Hinblick auf den Beschleunigungsgrundsatz ist es bei dieser Sachlage nicht<br />

hinnehmbar, dass dieser Bieter nach rechtswirksamen Abschluss des Vergabeverfahrens die<br />

fristgerechte Auftragserfüllung des Bieters, der den Zuschlag erhalten hat, dadurch zu<br />

verhindern versucht, dass er nunmehr gegenüber diesem Bieter - der


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Nachunternehmerleistungen gegebenenfalls ausschreiben muss - die Möglichkeit erstreiten<br />

will, mit weiteren Verzögerungen ein Angebot für einen Teil des vergebenen Auftrags<br />

abzugeben, das er längst im abgeschlossenen Vergabeverfahren hätte abgeben können (VK<br />

Köln, B. v. 24.08.2009 - Az.: VK VOL 23/2009).<br />

<strong>19.</strong>4.3.5 <strong>Antrag</strong>sbefugnis für einen Lieferanten<br />

2638<br />

Die <strong>Einleitung</strong> eines Nachprüfungsverfahrens, einschließlich der Möglichkeit, gemäß <strong>§</strong> 115<br />

Abs. 1 <strong>GWB</strong> die Aussetzung der Vergabe zu erreichen, soll primär der Wahrung subjektiver<br />

Bieterrechte nach <strong>§</strong> 97 Abs. 7 <strong>GWB</strong> dienen und damit den Unternehmer zugleich vor der<br />

Willkür des öffentlichen Auftraggebers schützen. <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 Satz 1 ist daher dahingehend<br />

auszulegen, dass nur ein Interesse am Erhalt eines Auftrags eine <strong>Antrag</strong>sbefugnis zu<br />

begründen vermag. Das bedeutet, dass im offenen Verfahren Bieter und im nicht offenen<br />

Verfahren oder Verhandlungsverfahren darüber hinaus auch Bewerber oder Teilnehmer wie<br />

auch potenzielle Bewerber oder Teilnehmer antragsbefugt sein können. Dagegen sind<br />

Nachunternehmer bzw. Lieferanten, die allenfalls ein mittelbares Interesse am Auftrag<br />

haben, von der <strong>Antrag</strong>sbefugnis ausgenommen (OLG Düsseldorf, B. v. 06.09.2006 - Az.:<br />

VII - Verg 40/06; 2. VK Bund, B. v. 09.08.2006 - Az.: VK 2 - 77/06; VK Lüneburg, B. v.<br />

24.3.2003 - Az.: 203-VgK-07/2003).<br />

<strong>19.</strong>4.3.6 <strong>Antrag</strong>sbefugnis eines rechtmäßig gekündigten Auftragnehmers<br />

2639<br />

2639/1<br />

Kündigt der Auftraggeber einen Dienstleistungsvertrag und schreibt er die Dienstleistung neu<br />

aus, fehlt dem Nachprüfungsantrag des Bieters, der Vertragspartner des bisherigen Vertrages<br />

war, das Rechtsschutzbedürfnis, soweit er geltend macht, die Kündigung sei unwirksam. Das<br />

Nachprüfungsverfahren soll die Rechte von Bietern schützen. Es ist nicht dargelegt, dass<br />

insoweit ein Schaden droht. Hätte der Auftraggeber den gerügten Fehler nicht begangen,<br />

also von einer Ausschreibung abgesehen, hätte der Bieter keine Chance gehabt, den<br />

neuen Auftrag zu bekommen (OLG Celle, B. v. 12.05.2005 - Az.: 13 Verg 6/05).<br />

Nach Auffassung des OLG Düsseldorf ist auch der Auftragnehmer, dem gekündigt worden<br />

ist, an der Auftragsvergabe in der Regel weiterhin interessiert (OLG Düsseldorf, B. v.<br />

04.02.2009 - Az.: VII-Verg 65/08).<br />

<strong>19.</strong>4.3.7 <strong>Antrag</strong>sbefugnis eines Unternehmensverbandes<br />

2640<br />

Da die Vergabevorschriften die Regelung, Ordnung und den Schutz potentieller<br />

Vertragsbeziehungen der Auftragnehmer mit dem öffentlichen Auftraggeber bezwecken, ist<br />

das "Interesse am Auftrag" im Sinn von <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 Satz 1 <strong>GWB</strong> auf den Bewerber oder<br />

Bieter bezogen, der unmittelbar am Vertragsschluss mit dem Auftraggeber interessiert ist. Nur<br />

für solche direkten Vertragsanbahnungsbeziehungen kann sinnvollerweise untersucht werden,<br />

ob ein öffentlicher Auftraggeber in Rechte des potentiellen Vertragspartners, die diesem nach<br />

den Vergabeverfahrensregeln zustehen, verletzend eingegriffen hat. Verbände, die nur<br />

mittelbar ein "Interesse am Auftrag" haben, haben daher keine <strong>Antrag</strong>sbefugnis nach <strong>§</strong><br />

<strong>107</strong> Abs. 2 Satz 1 <strong>GWB</strong>. Dies ergibt sich überdies auch aus <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 Satz 2 <strong>GWB</strong>,<br />

wonach ein <strong>Antrag</strong>steller darzulegen hat, dass ihm durch die behauptete Verletzung der<br />

Vergaberechtsvorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Ein Verband


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

kann diesen Primärrechtsschutz, der das Nachprüfungsverfahren dominierend prägt, nicht für<br />

sich in Anspruch nehmen (VK Hessen, B. v. 26.04.2006 - Az.: 69 d VK - 15/2006).<br />

<strong>19.</strong>4.3.8 <strong>Antrag</strong>sbefugnis einer im Lauf des Vergabeverfahrens gegründeten<br />

Holding<br />

2641<br />

Ist ein <strong>Antrag</strong>steller weder im vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb als Teilnehmer<br />

aufgetreten noch hat er das erste indikative Angebot abgegeben, das Grundlage für die<br />

Verhandlungen im Verhandlungsverfahren gewesen ist und wurden auch die Bietergespräche<br />

nicht mit ihr geführt, ist also der ursprüngliche Bieter im Teilnahmewettbewerb aufgetreten<br />

und hat auch er das indikative Angebot abgegeben, so ist auch dann allein er antragsbefugt,<br />

wenn er im Laufe des Vergabeverfahrens eine Holding gründet, die das<br />

letztverbindliche Angebot abgibt (VK Schleswig-Holstein, B. v. 25.04.2008 - Az.: VK-SH<br />

04/08).<br />

<strong>19.</strong>4.3.9 <strong>Antrag</strong>sbefugnis eines zum Zeitpunkt der Verletzung der<br />

Vergabevorschriften noch nicht gegründeten Unternehmens<br />

2641/1<br />

Die <strong>Antrag</strong>sbefugnis muss zum Zeitpunkt der Verletzung der Vergabevorschriften<br />

feststellbar sein; es ist somit vom Sachstand im Zeitpunkt des Vergabeverstoßes auszugehen,<br />

soweit jedenfalls dieser Sachstand unverändert geblieben ist. Denn der Bieter hat schlüssig<br />

vorzutragen, dass durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften ihm die Chance auf<br />

Erteilung des Zuschlags genommen wurde. Liegen aber alle gerügten Vergabeverstöße vor<br />

der Gründung des <strong>Antrag</strong>stellers, konnte der <strong>Antrag</strong>steller keine reellen Chancen auf<br />

Erteilung des Zuschlags haben, weil er als juristische Person überhaupt noch nicht<br />

existierte. Mithin kommt es auch nicht darauf an, dass der Verstoß noch fortwirkte und der<br />

<strong>Antrag</strong>steller nach seiner Gründung in eigenen Rechten verletzt war. Denn auf diesen<br />

Zeitpunkt kommt es nicht an. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn sich die Sachlage bei<br />

der Vergabestelle nach diesem Zeitpunkt nochmals verändert hätte, also beispielsweise<br />

noch weitere Verstöße hinzugekommen wären (VK Münster, B. v. 18.03.2010 - Az.: VK<br />

2/10).<br />

<strong>19.</strong>4.3.10 <strong>Antrag</strong>sbefugnis eines unrechtmäßig zu einem<br />

Verhandlungsverfahren zugelassenen Bieters<br />

2642<br />

Nach Aufhebung eines Nichtoffenen Verfahrens dürfen in ein sich anschließendes<br />

Verhandlungsverfahren nur Bieter einbezogen werden, deren Angebote im ersten<br />

Vergabeverfahren nicht bereits aus formalen Gründen ausgeschlossen worden sind bzw.<br />

hätten ausgeschlossen werden müssen (vgl. im Einzelnen die Kommentierung zu <strong>§</strong> 3a VOB/A<br />

RZ 3236/1). Ein unter Verstoß gegen dieses Ergebnis einbezogener Bieter ist in Bezug<br />

auf vermeintliche Vergaberechtsverstöße im Verhandlungsverfahren nicht mehr<br />

antragsbefugt (VK Köln, B. v. 10.02.2009 - Az.: VK VOB 39/2008).<br />

<strong>19.</strong>4.3.11 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

2643<br />

• bei Fallgestaltungen, in denen unklar ist, wer letztlich Bieter werden soll,<br />

insbesondere in der Frühphase von Verhandlungen unregulierter Vergaben, wenn z.B.<br />

wenn ein "Konzern" oder eine mehr oder weniger verbindliche und konturierte<br />

Arbeitsgemeinschaft mehrerer Unternehmen Interesse bekundet haben, und wenn man<br />

eine eindeutige Zuordnung etwa nach den Grundsätzen über "unternehmensbezogene"<br />

Geschäfte nicht vornehmen kann - kann zur Gewährleistung wirksamen<br />

Rechtsschutzes eine <strong>Antrag</strong>sbefugnis jedes der beteiligten Unternehmen zu<br />

bejahen sein (OLG Düsseldorf, B. v. 18.06.2008 - Az.: VII - Verg 23/08).<br />

<strong>19.</strong>4.4 Interesse am Auftrag<br />

<strong>19.</strong>4.4.1 Weite Auslegung<br />

2644<br />

Gemäß <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 Satz 1 <strong>GWB</strong> ist im Nachprüfungsverfahren jedes Unternehmen<br />

antragsbefugt, das ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach <strong>§</strong><br />

97 Abs. 7 <strong>GWB</strong> durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Das<br />

Interesse am Auftrag ist weit auszulegen. Es liegt in der Regel vor, wenn der Bieter vor<br />

Stellung des Nachprüfungsantrages am Vergabeverfahren teilgenommen und einen<br />

Vergabeverstoß ordnungsgemäß gerügt hat (BVerfG, B. v. 29.07.2004 - Az.: 2 BvR<br />

2248/03; BGH, B. v. 10.11.2009 - Az.: X ZB 8/09; B. v. 26.09.2006 - Az.: X ZB 14/06; B. v.<br />

01.02.2005 - Az.: X ZB 27/04; OLG Brandenburg, B. v. 07.08.2008 - Az.: Verg W 11/08;<br />

OLG München, B. v. 02.08.2007 - Az.: Verg 07/07; B. v. 07.04.2006 - Az.: Verg 5/06; OLG<br />

Thüringen, B. v. 30.03.2009 - Az.: 9 Verg 12/08; VK Arnsberg, B. v. 21.08.2008 - Az.: VK<br />

16/08; B. v. 30.05.2008 – Az.: VK 10/08; B. v. 20.05.2008 - Az.: VK 09/08; B. v. 02.05.2008<br />

- Az.: VK 08/08; B. v. 01.02.2006 - Az.: VK 28/05; VK Brandenburg, B. v. 09.06.2009 - Az.:<br />

VK 24/09; 3. VK Bund, B. v. 15.05.2009 - Az.: VK 3 - 127/09; B. v. 18.09.2008 – Az.: VK 3<br />

– 122/08; B. v. 18.09.2008 - Az.: VK 3 – 119/08; VK Hessen, B. v. 28.02.2006 - Az.: 69 d<br />

VK - 02/2006; VK Münster, B. v. 15.08.2007 - Az.: VK 13/07; VK Rheinland-Pfalz, B. v.<br />

02.04.2009 - Az.: VK 9/09; VK Saarland, B. v. 02.02.2009 - Az.: 1 VK 10/2008; B. v.<br />

12.01.2009 - Az.: 1 VK 07/2008; B. v. 23.04.2007 - Az.: 3 VK 02/2007, 3 VK 03/2007; B. v.<br />

<strong>19.</strong>05.2006 - Az.: 3 VK 03/2006; 1. VK Sachsen, B. v. <strong>19.</strong>05.2009 - Az.: 1/SVK/008-09; B. v.<br />

05.05.2009 - Az.: 1/SVK/009-09; B. v. 06.04.2009 - Az.: 1/SVK/005-09; B. v. 28.10.2008 -<br />

Az.: 1/SVK/054-08; B. v. 10.10.2008 - Az.: 1/SVK/051-08; B. v. 25.06.2008 - Az.:<br />

1/SVK/029-08; B. v. 13.06.2007 - Az.: 1/SVK/039-07; B. v. 24.05.2007 - Az.: 1/SVK/029-<br />

07; B. v. 29.12.2004 - Az.: 1/SVK/123-04; B. v. 25.11.2004 - Az.: 1/SVK/110-04; VK<br />

Schleswig-Holstein, B. v. 17.09.2008 - Az.: VK-SH 10/08; VK Südbayern, B. v. 13.03.2009 -<br />

Az.: Z3-3-3194-1-02-01/09; B. v. 21.07.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-23-06/08; B. v. 26.06.2008<br />

- Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08; B. v. <strong>19.</strong>02.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-02-01/08; B. v.<br />

20.09.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-44-08/07; B. v. 12.09.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-43-08/07; B.<br />

v. 29.01.2007 - Az.: 39-12/06; B. v. 07.07.2006 - Az.: 11-04/06).<br />

<strong>19.</strong>4.4.2 Interesse am Auftrag bei fehlender Angebotsabgabe<br />

2645<br />

Das Interesse am Auftrag kann nicht bereits dann bejaht werden, wenn der <strong>Antrag</strong>steller<br />

kein Angebot abgibt und anschließend das Nachprüfungsverfahren nachdrücklich


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

betreibt und ankündigt, seine Dienste anbieten zu wollen (OLG Brandenburg, B. v.<br />

07.08.2008 - Az.: Verg W 11/08; VK Brandenburg, B. v. 09.06.2009 - Az.: VK 24/09).<br />

<strong>19.</strong>4.4.3 Interesse am Auftrag bei unterlassenem Vergabeverfahren<br />

2646<br />

2647<br />

Sofern rechtswidrig kein Vergabeverfahren durchgeführt wurde, besteht ein Interesse an<br />

dem Auftrag bei jedem Unternehmen, das an dem Vergabeverfahren teilgenommen hätte<br />

(VK Südbayern, B. v. 23.10.2001 - Az.: 32-09/01; im Ergebnis ebenso VK Arnsberg, B. v.<br />

5.8.2003 - Az.: VK 2-13/2003; VK Saarland, B. v. <strong>19.</strong>05.2006 - Az.: 3 VK 03/2006).<br />

Noch weiter geht die Auffassung, dass es sich auf die <strong>Antrag</strong>sbefugnis eines <strong>Antrag</strong>stellers<br />

nicht nachteilig auswirkt, dass er in Fällen eines unterlassenen Vergabeverfahrens am<br />

Verfahren der Auftragsvergabe weder teilgenommen noch - ausdrücklich oder stillschweigend<br />

- ein Interesse an einer Teilnahme bekundet hat, wenn der <strong>Antrag</strong>steller geltend macht, gerade<br />

durch den zur Überprüfung gestellten Vergaberechtsverstoß, der darin liegt, dass der<br />

Auftrageber die Beschaffung ohne vorherige Bekanntgabe dieses Vorhabens durchgeführt hat,<br />

an einer Teilnahme, insbesondere an der Einreichung eines Angebots oder der<br />

Bekundung eines Interesses an diesem Auftrag, gehindert ist (OLG Düsseldorf, B. v.<br />

25.01.2005 - Az.: VII - Verg 93/04).<br />

<strong>19.</strong>4.4.4 Interesse am Auftrag durch Beteiligung an einem<br />

Teilnahmewettbewerb<br />

2648<br />

Ausreichend für das nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 Satz 1 <strong>GWB</strong> darzulegende Interesse ist die erklärte<br />

Beteiligung an einem Teilnahmewettbewerb. Dadurch bekundet ein Bewerber bereits sein<br />

konkretes Interesse an dem letztlich im Rahmen des Verhandlungsverfahrens zu vergebenden<br />

Auftrag. Ansonsten würde er sich nicht am Teilnahmewettbewerb beteiligen (VK<br />

Brandenburg, B. v. 17.9.2002 - Az.: VK 50/02; 1. VK Sachsen, B. v. 10.10.2008 - Az.:<br />

1/SVK/051-08).<br />

<strong>19.</strong>4.4.5 Interesse am Auftrag auch bei nicht verlängerter Bindefrist<br />

2649<br />

2650<br />

2651<br />

Die Rechtsprechung ist insoweit nicht einheitlich.<br />

Nach einer Auffassung macht ein Bieter mit der Ablehnung der Fristverlängerung und<br />

notwendigerweise - vgl. <strong>§</strong> 146 BGB - hiermit verbunden deutlich, dass er sein Angebot<br />

nicht aufrechterhält. Dieser zivilrechtliche Vorgang hat für das Nachprüfungsverfahren zur<br />

Folge, dass ein Interesse am Auftrag im Sinne von <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 Satz 1 <strong>GWB</strong> nicht mehr<br />

gegeben ist: Es ist nicht kompatibel, einerseits eine Bindefristverlängerung abzulehnen mit<br />

der Folge des Erlöschens des eigenen Angebots, andererseits aber noch ein Interesse am<br />

Erhalt des Auftrags haben zu wollen. Zustimmung zur Fristverlängerung und Interesse<br />

am Auftrag können nur einheitlich bejaht oder verneint werden (1. VK Bund, B. v.<br />

12.11.2003 - Az.: VK 1 - <strong>107</strong>/03).<br />

In diesem Sinne argumentiert auch die VK Thüringen. Das Angebot eines Bieters ist nach<br />

dem Ablauf der Angebotsbindefrist und deren nicht erfolgten Verlängerung weder durch<br />

den Bieter, noch durch die Vergabestelle, im Rechtssinn als nicht mehr existent einzustufen.


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Der Bieter ist damit kein Verfahrensbeteiligter mehr, ihm fehlt als Voraussetzung für<br />

die <strong>Antrag</strong>sstellung die notwendige <strong>Antrag</strong>sbefugnis. Eine nachträgliche Verlängerung der<br />

Angebotsbindefrist durch den Bieter und damit die Erlangung der <strong>Antrag</strong>sbefugnis unter<br />

Beachtung des seit dem Ablauf der ursprünglichen Zuschlags/Angebotsbindefrist<br />

vergangenen Zeitraums ist angesichts des seitdem vergangenen Zeitraumes von mehr als<br />

einem Monat nicht mehr möglich (VK Thüringen, B. v. 27.03.2008 - Az.: 360-4003.20-<br />

641/2008-002-UH).<br />

2652<br />

2653<br />

2654<br />

2655<br />

Nach der Gegenmeinung könnte man zwar der Tatsache, dass ein Bieter einer<br />

Bindefristverlängerung nicht zustimmt, entnehmen, dass er kein Interesse mehr an der<br />

Durchführung des Auftrags hat. Diese Annahme ist jedoch nicht zwingend. So bringt dieser<br />

Bieter mit seinem Nachprüfungsantrag deutlich zum Ausdruck, dass er auch weiterhin<br />

ein grundsätzliches Interesse am Auftrag hat. Er hält sich damit, dass er einer<br />

Bindefristverlängerung zunächst nicht zugestimmt hatte, lediglich offen, erst nach<br />

Zuschlagserteilung darüber zu entscheiden, ob er das Vertragsangebot der Vergabestelle auf<br />

der Grundlage ihrer alten Konditionen annimmt (OLG Düsseldorf, B. v. 25.04.2007 - Az.: VII<br />

- Verg 3/07; B. v. 20.02.2007 - Az.: VII - Verg 3/07; OLG Thüringen, B. v. 30.03.2009 - Az.:<br />

9 Verg 12/08; VK Baden-Württemberg, B. v. 29.06.2009 - Az.: 1 VK 27/09; B. v. 18.10.2002<br />

- Az.: 1 VK 53/02; 2. VK Bund, B. v. 16.7.2002 - Az.: VK 2 - 50/02; VK Hamburg, B. v.<br />

18.12.2001 - Az.: VgK FB 8/01). Außerdem kann das bloße Schweigen nicht ohne weiteres<br />

als Ablehnung gedeutet werden, mit der Vergabestelle einen Vertrag zu den zunächst<br />

angebotenen Konditionen abschließen zu wollen (VK Düsseldorf, B. v. 29.04.2008 - Az.: VK<br />

- 06/2008 – B).<br />

Dies gilt auch bei einer nur kurzfristigen Verlängerung der Bindefrist im Rahmen eines<br />

Nachprüfungsverfahrens (OLG Thüringen, B. v. 30.10.2006 - Az.: 9 Verg 4/06).<br />

Betont außerdem ein <strong>Antrag</strong>steller von Anfang an, dass er die Fristverlängerung nur<br />

deshalb ablehnt, weil sie nach seiner Ansicht auf sachfremden Erwägungen beruht und<br />

unzulässig ist und lässt er keinen Zweifel daran, dass er nach wie vor an der Erteilung des<br />

Zuschlag interessiert ist, hat er auch weiterhin ein Interesse am Auftrag (OLG Naumburg, B.<br />

v. 13.5.2003 - Az.: 1 Verg 2/03).<br />

Nach einer anderen Auffassung bedeutet das Verstreichen der Bindefrist nicht, dass dem<br />

Bieter der Zuschlag nicht mehr erteilt werden darf und etwaige Vergabefehler des<br />

Auftraggebers schon aus diesem Grunde die Zuschlagschancen des Bieters nicht zu<br />

beeinträchtigen vermöchten. Die 2. VK Bund neigt dazu, das Betreiben des vor Ablauf der<br />

Bindefrist eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens durch den Bieter mit dem Ziel, seine<br />

Zuschlagschancen zu wahren, als stillschweigende Verlängerung der Bindefrist bis zum<br />

Ende des Nachprüfungsverfahrens zu werten. Denn aus Sicht eines verständigen<br />

Auftraggebers wird das Verhalten des Bieters dahin aufgefasst werden müssen, dass dieser, da<br />

er ersichtlich den Zuschlag anstrebt, sich auch bis zum Abschluss des<br />

Nachprüfungsverfahrens an sein Angebot als Grundlage für eine solche Annahmeerklärung<br />

des Auftraggebers gebunden hält. Eine gegenteilige Haltung des Bieters wäre<br />

widersprüchlich und treuwidrig (2. VK Bund, B. v. 26.02.2007 - Az.: VK 2 - 09/07; im<br />

Ergebnis ebenso VK Baden-Württemberg, B. v. 29.06.2009 - Az.: 1 VK 27/09).<br />

<strong>19.</strong>4.4.6 Interesse am Auftrag bei der Vergabe eines "aliud" im Wege einer<br />

De-facto-Vergabe


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

2656<br />

Beabsichtigt ein Auftraggeber, einen Auftrag zu erteilen, der seinem Inhalt nach mit dem<br />

Gegenstand der Ausschreibung nicht übereinstimmt, also ein "Aliud" zu verwirklichen,<br />

steht das Vergabekontrollverfahren schon deshalb zur Verfügung, weil der beabsichtigte<br />

Auftrag äußerlich als Resultat einer förmlichen Ausschreibung erteilt werden soll. Die<br />

<strong>Antrag</strong>sbefugnis eines Bieters, der rügt, der Gegenstand dieses Auftrags entspreche<br />

ausweislich der zuletzt bekundeten Vergabeabsicht des Auftraggebers nicht dem der<br />

ursprünglichen Ausschreibung, hängt aber nicht davon ab, dass der Bieter zu dieser<br />

(überholten) Ausschreibung ein konkurrenzfähiges Angebot abgegeben hat; denn wenn ein<br />

dem inhaltlich entsprechender Auftrag nunmehr ohnehin nicht mehr erteilt werden soll (was<br />

gegen den Willen der Vergabestelle auch mit einem Nachprüfungsbegehren regelmäßig nicht<br />

durchgesetzt werden kann), geht es bei der Rüge der Identitätsabweichung im<br />

vorgenannten Sinne allein noch darum, dass der Bieter darlegt, er hätte ein anderes<br />

Angebot abgegeben, wenn das Vorhaben von Anfang an mit dem Gegenstand<br />

ausgeschrieben worden wäre, wie es jetzt in Auftrag gegeben werden soll. Eine<br />

entsprechende Beteiligungsabsicht ist jedenfalls bei Bietern, die auf den zunächst<br />

ausgeschriebenen Auftragsgegenstand geboten haben, mangels konkreter entgegenstehender<br />

Anhaltspunkte ohne weiteres anzunehmen (OLG Dresden, B. v. 3.12.2003 - Az.: WVerg<br />

15/03).<br />

<strong>19.</strong>4.4.7 Interesse am Auftrag bei Übergehen der Vergabeprüfstelle oder<br />

anderer fakultativer Prüfungsinstanzen<br />

2657<br />

Es verstößt gegen Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 (Rechtsmittelrichtlinie), wenn von<br />

einem Bieter oder Bewerber, der sich an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen<br />

Auftrags beteiligt hat, angenommen wird, dass er sein Interesse an diesem Auftrag verloren<br />

hat, weil er nicht vor der <strong>Einleitung</strong> eines Nachprüfungsverfahrens im Sinne dieser<br />

Richtlinie eine Schlichtungskommission wie die Vergabeprüfstelle oder eine andere<br />

fakultative Instanz angerufen hat (EuGH, Urteil v. <strong>19.</strong>6.2003 - Az.: C-410/01).<br />

<strong>19.</strong>4.4.8 Interesse am Auftrag bei der Absicht, die Auftragsvergabe zu<br />

verhindern<br />

2658<br />

2659<br />

2660<br />

Die Rechtsprechung ist insoweit nicht einheitlich.<br />

Ist ein <strong>Antrag</strong>steller der Auffassung, dass ihm der Auftraggeber den Auftrag in einem<br />

vorangegangenen Vergabeverfahren bereits erteilt hat und dass der ausgeschriebene Auftrag<br />

deshalb überhaupt nicht, vor allem nicht anderweitig, vergeben werden darf, zielt das<br />

Begehren des <strong>Antrag</strong>stellers darauf ab, die Durchführung eines Vergabeverfahrens zu<br />

verhindern und die Aufhebung des Vergabeverfahrens erreichen. Dies ist kein<br />

Rechtsschutzziel, das mit dem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren verfolgt werden<br />

kann. Nachprüfungsverfahren haben den Zweck, dass Aufträge - ordnungsgemäß - erteilt<br />

werden, nicht, dass die Auftragserteilung verhindert wird. Bei einer solchen Konstellation<br />

fehlt das Interesse am Auftrag (OLG Brandenburg, B. v. 05.10.2004 - Az.: Verg W 12/04;<br />

VK Brandenburg, B. v. 10.09.2004 - Az.: VK 39/04; VK Schleswig-Holstein, B. v.<br />

17.09.2008 - Az.: VK-SH 10/08).<br />

Nach anderer Auffassung fehlt einem <strong>Antrag</strong>steller in solchen Fällen nicht etwa deshalb<br />

die <strong>Antrag</strong>sbefugnis, weil er zwar die Aufhebung der Ausschreibung begehrt, aber in dem


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Sinne vorträgt, dass eine Aufhebung gar nicht mehr möglich sei, weil der Zuschlag bereits an<br />

ihn erteilt worden ist. Der <strong>Antrag</strong> des <strong>Antrag</strong>stellers und der dazugehörige Tatsachenvortrag<br />

laufen gerade auf die Feststellung hinaus, das Vergabeverfahren sei – zu seinen Gunsten<br />

– beendet. Somit bliebe nur noch Raum für Fragen der Vertragserfüllung oder etwaige<br />

Schadenersatzansprüche, die zivilgerichtlich zu klären wären und nicht Inhalt eines<br />

vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens sein können. Der <strong>Antrag</strong>steller befindet sich<br />

jedoch in dem Dilemma, dass – sollte seine Rechtsauffassung zutreffen – das<br />

Nachprüfungsverfahren unzulässig wäre und falls die Auffassung des <strong>Antrag</strong>sgegners<br />

zutrifft, er sich ggf. vorhalten lassen muss, nicht rechtzeitig ein Nachprüfungsverfahren<br />

beantragt zu haben. Insoweit geht die VK Schleswig-Holstein zu Gunsten des <strong>Antrag</strong>stellers<br />

davon aus, dass das Stellen eines Nachprüfungsantrages nicht rechtsmissbräuchlich erfolgte<br />

(VK Schleswig-Holstein, B. v. 26.07.2006 - Az.: VK-SH 11/06).<br />

<strong>19.</strong>4.4.9 Interesse am Auftrag hinsichtlich eines Teiles einer de-facto-<br />

Vergabe<br />

2660/1<br />

Im Falle von de-facto-Vergaben kommt es nicht auf den formalen Bieter- oder<br />

Bewerberstatus eines <strong>Antrag</strong>stellers an, sondern auch Interessenten, die wesentliche<br />

Teilleistungen ausführen wollen, können in ihren Rechten verletzt sein. Ein Interesse am<br />

Gesamtauftrag muss ein <strong>Antrag</strong>steller in dem Zeitpunkt, in dem der öffentliche Auftraggeber<br />

sich dazu entscheidet, keine Ausschreibung durchzuführen, nicht nachweisen, weil zu diesem<br />

Zeitpunkt der tatsächliche Umfang des Auftrages nur unterstellt wird, aber jedenfalls noch<br />

nicht sicher feststeht. Denn es gibt keine Leistungsbeschreibung und keine Angebote.<br />

Ausgehend von dieser Rechtsprechung kommt es nur darauf an, dass der Auftraggeber<br />

sich entschieden hat, den Auftrag nicht auszuschreiben und stattdessen einfach nur<br />

Verhandlungen mit der Beigeladenen, also mit nur einem Unternehmen, aufgenommen<br />

hat. Ob diese Entscheidung rechtens war, muss ein potentieller Auftragnehmer, auch<br />

wenn er sich nur für einen Teilbereich bzw. für ein Linienbündel interessiert, von einer<br />

Nachprüfungsinstanz überprüfen lassen können. Der potentielle Auftragnehmer muss<br />

zwar grundsätzlich willens und in der Lage sein, solche Leistungen zu erbringen, aber er muss<br />

zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht nachweisen, ob er mit seinem Unternehmen sich allein<br />

um den Gesamtauftrag bewerben kann oder ob er sich gegebenenfalls Kooperationspartner<br />

suchen muss, um sich mit denen gemeinsam um den Gesamtauftrag zu bewerben (VK<br />

Münster, B. v. 18.03.2010 - Az.: VK 1/10).<br />

<strong>19.</strong>4.4.10 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

2661<br />

• ist die thermische Verwertung von als Abfall einzustufenden Rechenguts aus<br />

Klärwerken ausgeschrieben und will ein Bieter die Abfälle stattdessen beseitigen<br />

oder durch eine andere als eine thermische Verwertung entsorgen und zeigt er in dem<br />

Zusammenhang Interesse, bestimmte, aber nicht gesondert ausgeschriebene<br />

Transportleistungen zu erbringen und will er die entstehenden Abfälle ebenso wenig<br />

aufbereiten (trocknen), wie es durch die Ausschreibungsbedingungen gefordert ist,<br />

sondern möchte dies von dem Auftraggeber vorgenommen sehen und betrachtet er das<br />

Einholen einer gegebenenfalls erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigung nicht<br />

als eine Aufgabe des Auftragnehmers, obwohl dies zur ausgeschriebenen Leistung gehört,<br />

sondern will er die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit einer thermischen Verwertung<br />

vielmehr im Vorhinein durch den Auftraggeber geklärt haben, soll die Ausschreibung


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

damit nach den Vorstellungen des Bieters einen anderen Gegenstand und Zuschnitt<br />

haben. Es soll nicht um eine thermische Verwertung, sondern um eine Entsorgung durch<br />

Beseitigen oder eine andersartige Verwertung gehen. Damit fehlt diesem Bieter das<br />

Interesse am ausgeschriebenen Auftrag und damit die <strong>Antrag</strong>sbefugnis (OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 17.11.2008 - Az.: VII-Verg 52/08)<br />

• ein Bieter bekundet sein Interesse an dem Auftrag in prozessual ausreichender Weise z.B.<br />

durch die Abgabe des Angebots in einem vorangegangenen Vergabeverfahren, die<br />

Rüge einer nach seiner Meinung falschen Vergabeart und die <strong>Einleitung</strong> des<br />

Nachprüfungsverfahrens (OLG Düsseldorf, B. v. 16.02.2006 - Az.: VII - Verg 6/06).<br />

<strong>19.</strong>4.5 Geltendmachung der Verletzung in Rechten nach <strong>§</strong> 97 Abs. 7<br />

<strong>GWB</strong> durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften<br />

<strong>19.</strong>4.5.1 Streitgegenstand des Nachprüfungsverfahrens<br />

2662<br />

2663<br />

Das Nachprüfungsverfahren bezieht sich nicht "auf die gesamte Vergabe" in dem Sinne, dass<br />

das Nachprüfungsverfahren immer das gesamte Vergabeverfahren bis zur abschließenden<br />

Vergabe umfasst. Vielmehr ist (Streit-)Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens ein<br />

konkretes Verhalten des öffentlichen Auftraggebers (im Vergabeverfahren), das das<br />

Gesetz als "behauptete Verletzung der Vergabevorschriften" bezeichnet (<strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2<br />

Satz 2 <strong>GWB</strong>; vgl. auch <strong>§</strong> 108 Abs. 2 Halbsatz 1 <strong>GWB</strong> sowie <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong>:<br />

"gerügter Verstoß gegen Vergabevorschriften"). Die sachgerechte Erfassung des Begriffs<br />

des Streitgegenstands im Nachprüfungsverfahren muss von der zentralen Vorschrift des<br />

<strong>§</strong> 97 Abs. 7 <strong>GWB</strong> ausgehen. Danach haben die Unternehmen Anspruch darauf, dass der<br />

Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält. Um diesen Anspruch<br />

geht es im Nachprüfungsverfahren (siehe auch <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 Satz 1 <strong>GWB</strong>).<br />

Demzufolge muss der Streitgegenstand des Nachprüfungsverfahrens durch ein Verhalten des<br />

Auftraggebers (im Vergabeverfahren) gebildet werden, durch das - wirklich oder vermeintlich<br />

- bieterschützende Bestimmungen über das Vergabeverfahren verletzt werden (oder - mit<br />

anderen Worten, siehe <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 Satz 1 <strong>GWB</strong> - "nicht beachtet" werden), in Verbindung<br />

mit der "Geltendmachung" des <strong>Antrag</strong>stellers, dass gerade er durch das Verhalten des<br />

Auftraggebers in seinen Rechten nach <strong>§</strong> 97 Abs. 7 <strong>GWB</strong> verletzt wird (siehe nochmals <strong>§</strong> <strong>107</strong><br />

Abs. 2 Satz 1 <strong>GWB</strong>; siehe ferner <strong>§</strong> 114 Abs. 1 Satz 1 <strong>GWB</strong>, wonach das<br />

Nachprüfungsverfahren auf die Beseitigung einer Rechtsverletzung abzielt). Dagegen nehmen<br />

die Maßnahmen, die die Vergabekammer nach der <strong>Antrag</strong>sformulierung des <strong>Antrag</strong>stellers<br />

zur Beseitigung der Rechtsverletzung ergreifen soll, nicht zusätzlich an der Bildung des<br />

Streitgegenstands in dem hier maßgeblichen prozessualen Sinne teil; das folgt aus <strong>§</strong> 114 Abs.<br />

1 Satz 2 <strong>GWB</strong>, wonach die Vergabekammer an die Anträge nicht gebunden ist und<br />

eigenständig die geeigneten Maßnahmen auszuwählen hat, um eine Rechtsverletzung zu<br />

beseitigen (OLG Düsseldorf, B. v. 30.5.2001 - Az.: Verg 23/00).<br />

<strong>19.</strong>4.5.2 "Hineinwachsen" in eine Vergabeentscheidung nach <strong>§</strong> 97 Abs. 7<br />

2664


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Ein am Tag der Einreichung mangels einer nachprüfbaren Vergabeentscheidung des<br />

öffentlichen Auftraggebers noch unzulässiger Nachprüfungsantrag kann in die Zulässigkeit<br />

hineinwachsen (OLG Brandenburg, B. v. <strong>19.</strong>12.2002 - Az.: Verg W 9/02).<br />

<strong>19.</strong>4.5.3 Nachschieben von Vergaberechtsverletzungen<br />

2665<br />

Nur wenn eine den Maßstäben des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 <strong>GWB</strong> genügende Darlegung der Verletzung<br />

von Bieterrechten das Nachprüfungsverfahren eröffnet hat, können andere<br />

Vergaberechtsverletzungen zum Gegenstand desselben Nachprüfungsverfahrens<br />

gemacht werden, mögen diese bis dahin auch nur andeutungsweise oder gar nicht im Streit<br />

gewesen und erst im Verlaufe der Vergabenachprüfung zu Tage getreten sein. Um sich seine<br />

diesbezüglichen Rechte zu sichern, ist der <strong>Antrag</strong>steller sodann auch nicht gehalten, die<br />

zunächst zulässigerweise vorgebrachten Rügen bis zum Verfahrensende weiterzuverfolgen<br />

(OLG Frankfurt, B. v. 07.08.2007 - Az.: 11 Verg 3/07, 4/07; OLG Thüringen, B. v.<br />

26.03.2007 - Az.: 9 Verg 2/07; OLG Düsseldorf, B. v. 23.01.2008 - Az.: VII - Verg 36/07; B.<br />

v. <strong>19.</strong>07.2006 – Az.: VII – Verg 27/06).<br />

<strong>19.</strong>4.5.4 Verletzung in eigenen Rechten<br />

2666<br />

2667<br />

Die Geltendmachung einer Vergaberechtsverletzung, deren Korrektur lediglich die<br />

Rechtsposition eines Dritten verbessert und dem <strong>Antrag</strong>steller allenfalls die immaterielle<br />

Befriedigung verschafft, dass auch der von der Vergabestelle vorgesehene<br />

Zuschlagsaspirant nicht zum Zuge kommt, lässt die <strong>Antrag</strong>sbefugnis entfallen. Es ist in<br />

solchen Fällen im Rahmen der Begründetheit zu prüfen, ob das Rechtsschutzbegehren in<br />

materiellrechtlicher Hinsicht darauf abzielt, eigene vermögensrechtliche Interessen<br />

wahrzunehmen oder ausschließlich der Begünstigung eines Dritten bzw. immateriellen<br />

Interessen dient. Die Geltendmachung einer Vergaberechtsverletzung, deren Korrektur<br />

lediglich die Rechtsposition eines Dritten verbessert und dem <strong>Antrag</strong>steller allenfalls die<br />

immaterielle Befriedigung verschafft, dass auch der von der Vergabestelle vorgesehene<br />

Zuschlagsaspirant nicht zum Zuge kommt, stellt eine Form unzulässiger Rechtsausübung –<br />

auf der Ebene des materiellen Vergaberechts – dar, die einem Bieter nach dem die gesamte<br />

Rechtsordnung beherrschenden Wertungsgedanken des <strong>§</strong> 242 BGB versagt ist. Ein unter<br />

Missachtung dieses Grundsatzes eingelegter Nachprüfungsantrag ist daher als unbegründet<br />

zurückzuweisen. (OLG Thüringen, B. v. 26.03.2007 - Az.: 9 Verg 2/07; B. v. 11.01.2007 -<br />

Az.: 9 Verg 9/06; B. v. 06.12.2006 - Az.: 9 Verg 8/06; ebenso OLG München, B. v.<br />

07.08.2007 - Az.: Verg 08/07; VK Brandenburg, B. v. 29.01.2009 - Az.: VK 47/08; B. v.<br />

21.05.2008 - Az.: VK 9/08; B. v. 22.11.2007 - Az.: VK 43/07; VK Schleswig-Holstein, B. v.<br />

14.05.2008 - Az.: VK-SH 06/08; B. v. 05.07.2007 - Az.: VK-SH 13/07; B. v. 28.03.2007 –<br />

Az.: VK-SH 04/07; VK Thüringen, B. v. 24.06.2009 - Az.: 250-4002.20-3114/2009-005-<br />

SOK).<br />

Durch einen nachträglichen (zwingenden) Ausschluss eines Angebots von der Wertung<br />

mangels Eignung werden die Angebote der anderen Bewerber oder Bieter und deren<br />

subjektive Rechte nicht berührt, weshalb die Chancen auf die Zuschlagserteilung oder den<br />

Vertragsschluss der verbliebenen Bieter/Bewerber nicht geschmälert werden. Im Gegenteil:<br />

Wird nachträglich die Nichteignung eines Bewerbers z.B. im Verhandlungsverfahren<br />

festgestellt, erhöhen sich durch den dann zwingenden Ausschluss des Bewerbers von der<br />

Wertung dem Grunde nach die Chancen der verbliebenen Bewerber. Voraussetzung ist


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

allerdings ebenfalls, dass die Ausschreibung oder das Verhandlungsverfahren nicht<br />

aufgehoben werden muss (VK Schleswig-Holstein, B. v. 12.07.2007 - Az.: VK-SH 11/07).<br />

<strong>19.</strong>4.6 Drohender Schaden<br />

<strong>19.</strong>4.6.1 Begriffsinhalt (Grundsatz)<br />

2668<br />

Der in <strong>§</strong> <strong>107</strong> <strong>GWB</strong> verwendete Schadensbegriff muss unter dem Gesichtspunkt des<br />

Primärrechtsschutzes betrachtet und ausgelegt werden. Der Schaden besteht darin, dass durch<br />

den einzelnen beanstandeten Vergaberechtsverstoß die Aussichten des antragstellenden<br />

Bieters auf den Zuschlag zumindest verschlechtert worden sein können. Entscheidend für das<br />

Vorliegen einer <strong>Antrag</strong>sbefugnis und damit für die Gewährung von Primärrechtsschutz ist<br />

mithin die Eignung der gerügten Vergaberechtsverstöße, eine solche<br />

Chancenbeeinträchtigung begründen zu können (VK Arnsberg, B. v. 04.09.2009 - Az.:<br />

VK 20/09; B. v. 25.05.2009 - VK 08/09; 1. VK Bund, B. v. 10.12.2009 - Az.: VK 1 - 188/09;<br />

B. v. 02.12.2009 - Az.: VK 1 – 206/09; VK Düsseldorf, B. v. 24.11.2009 - Az.: VK – 26/2009<br />

– L; B. v. 12.11.2009 - Az.: VK – 21/2009 – L; B. v. 07.10.2009 - Az.: VK – 31/2009 – L; B.<br />

v. 08.09.2009 - Az.: VK – 17/2009 – L; B. v. 20.08.2009 - Az.: VK – 13/2009 – L; VK<br />

Münster, B. v. 15.08.2007 - Az.: VK 13/07; 3. VK Saarland, B. v. <strong>19.</strong>01.2007 - Az.: 3 VK<br />

05/2006; VK Thüringen, B. v. 09.06.2008 - Az.: 250-4002.20-1338/2008-008-ABG; B. v.<br />

09.05.2008 - Az.: 250-4003.20-971/2008-010-EF; B. v. 10.04.2008 - Az.: 360-4002.20-<br />

709/2008-003-ABG; B. v. 12.03.2008 - Az.: 360-4002.20-414/2008-001-NDH). Nicht<br />

erforderlich ist hingegen, dass der <strong>Antrag</strong>steller im Sinne einer darzulegenden Kausalität<br />

nachweisen kann, dass er bei korrekter Anwendung der Vergabevorschriften den<br />

Auftrag erhalten hätte (BVerfG, B. v. 29.07.2004 - Az.: 2 BvR 2248/03; BGH, B. v.<br />

26.09.2006 - Az.: X ZB 14/06; OLG Celle, B. v. 17.07.2009 - Az.: 13 Verg 3/09; B. v.<br />

14.09.2006 - Az.: 13 Verg 3/06; B. v. 14.09.2006 - Az.: 13 Verg 2/06; OLG Düsseldorf, B. v.<br />

<strong>19.</strong>07.2006 - Az.: VII - Verg 26/06; B. v. 16.02.2006 - Az.: VII - Verg 6/06; OLG Frankfurt,<br />

B. v. 06.03.2006 - 11 Verg 11/05 und 12/05; OLG München, B. v. 07.04.2006 - Az.: Verg<br />

05/06; OLG Rostock, B. v. 06.03.2009 - Az.: 17 Verg 1/09; Saarländisches OLG, B. v.<br />

25.07.2007 - Az.: 1 Verg 1/07; VK Arnsberg, B. v. 04.09.2009 - Az.: VK 20/09; B. v.<br />

25.05.2009 - VK 08/09; B. v. 25.03.2009 - Az.: VK 04/09; B. v. 04.11.2008 - Az.: VK 23/08;<br />

B. v. 21.08.2008 - Az.: VK 16/08; B. v. 04.08.2008 - Az.: VK 15/08; B. v. 30.05.2008 – Az.:<br />

VK 10/08; B. v. 20.05.2008 - Az.: VK 09/08; B. v. 02.05.2008 - Az.: VK 08/08; B. v.<br />

<strong>19.</strong>03.2008 - Az.: VK 07/08; B. v. 10.03.2008 - Az.: VK 05/08; B. v. 07.03.2008 - Az.: VK<br />

06/08; B. v. 22.06.2007 - Az.: VK 20/07; B. v. 21.02.2006 - Az.: VK 29/05; B. v. 01.02.2006<br />

- Az.: VK 28/05; VK Brandenburg, B. v. 30.09.2008 - Az.: VK 30/08; B. v. 12.06.2008 - Az.:<br />

VK 12/08; 1. VK Bund, B. v. 04.12.2009 - Az.: VK 1 - 203/09; B. v. 27.11.2009 - Az.: VK 1<br />

- 200/09; 2. VK Bund, B. v. 28.07.2006 - Az.: VK 2 - 50/06; B. v. 11.01.2005 - Az.: VK 2 -<br />

220/04; 3. VK Bund, B. v. 18.09.2008 – Az.: VK 3 – 122/08; B. v. 18.09.2008 - Az.: VK 3 –<br />

119/08; B. v. 20.06.2007 - Az.: VK 3 - 52/07; VK Düsseldorf, B. v. 31.10.2008 - Az.: VK –<br />

22/2008 – B; B. v. 21.10.2008 - Az.: VK – 34/2008 - B; B. v. 28.09.2007 - Az.: VK - 27/2007<br />

– B; B. v. 02.08.2007 - Az.: VK - 23/2007 – B; B. v. 02.03.2007 - Az.: VK - 05/2007 – L; B.<br />

v. 27.11.2006 - Az.: VK – 47/2006 – L; B. v. 11.08.2006 - Az.: VK - 30/2006 – L; B. v.<br />

16.02.2006 - Az.: VK - 02/2006 – L; VK Hamburg, B. v. 13.04.2007 - Az.: VgK FB 1/07;<br />

VK Hessen, B. v. 28.02.2006 - Az.: 69 d VK - 02/2006; VK Lüneburg, B. v. 04.09.2008 -<br />

Az.: VgK-29/2008; B. v. 05.03.2008 - Az.: VgK-03/2008; B. v. 18.10.2007 - Az.: VgK-<br />

40/2007; B. v. 06.09.2007 - Az.: VgK-36/2007; 2. VK Mecklenburg-Vorpommern, B. v.<br />

28.11.2008 - Az.: 2 VK 7/08; VK Münster, B. v. 26.09.2007 - Az.: VK 17/07; B. v.


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

25.09.2007 - Az.: VK 20/07; B. v. 15.08.2007 - Az.: VK 13/07; B. v. <strong>19.</strong>09.2006 - Az.: VK<br />

12/06; B. v. 25.01.2006 - Az.: VK 23/05; VK Niedersachsen, B. v. 03.07.2009 - Az.: VgK-<br />

30/2009; 3. VK Saarland, B. v. 23.04.2007 - Az.: 3 VK 02/2007, 3 VK 03/2007; B. v.<br />

12.12.2005 - Az.: 3 VK 03/2005 und 3 VK 04/2005; B. v. 27.05.2005 - Az.: 3 VK 02/2005; 1.<br />

VK Sachsen, B. v. 10.09.2009 - Az.: 1/SVK/035-09; B. v. 29.08.2008 - Az.: 1/SVK/042-08;<br />

B. v. 29.08.2008 - Az.: 1/SVK/041-08; B. v. 10.06.2008 - Az.: 1/SVK/026-08; VK<br />

Schleswig-Holstein, B. v. 23.10.2009 - Az.: VK-SH 14/09; B. v. 20.01.2009 - Az.: VK-SH<br />

17/08; B. v. 14.11.2008 - Az.: VK-SH 13/08; B. v. 14.05.2008 - Az.: VK-SH 06/08; B. v.<br />

07.05.2008 - Az.: VK-SH 05/08; B. v. 25.04.2008 - Az.: VK-SH 04/08; B. v. 28.01.2008 -<br />

Az.: VK-SH 27/07; B. v. 18.12.2007 - Az.: VK-SH 25/07; B. v. 10.10.2007 - Az.: VK-SH<br />

20/07; B. v. 06.06.2007 - Az.: VK-SH 10/07; B. v. 28.11.2006 – Az.: VK-SH 25/06; B. v.<br />

30.08.2006 - Az.: VK-SH 20/06; B. v. 28.06.2006 – Az.: VK-SH 18/06; B. v. 27.07.2006 -<br />

Az.: VK-SH 17/06; B. v. 12.06.2006 - Az.: VK-SH 12/06; B. v. 15.05.2006 - Az.: VK-SH<br />

10/06; B. v. 17.03.2006 - Az.: VK-SH 02/06; B. v. 17.01.2006 - Az.: VK-SH 32/05; B. v.<br />

05.01.2006 - Az.: VK-SH 31/05; B. v. 21.12.2005 - Az.: VK-SH 29/05; B. v. 08.07.2005 -<br />

Az.: VK-SH 18/05; VK Südbayern, B. v. 29.07.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-18-05/08; B. v.<br />

26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08; B. v. 18.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-17-04/08; B.<br />

v. 14.09.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-33-07/07; VK Thüringen, B. v. 21.04.2008 - Az.: 360-<br />

4002.20-772/2008-001-SM; B. v. 29.02.2008 - Az.: 360-4002.20-527/2008-002-NDH).<br />

2669<br />

2669/1<br />

Hat ein <strong>Antrag</strong>steller, den gerügten Vergabeverstoß zu seinen Lasten hinweggedacht,<br />

gleichwohl keine Chance darauf, sich bei der zu treffenden Vergabeentscheidung gegen seine<br />

Wettbewerber durchzusetzen, so ist er nicht antragsbefugt; denn dann kann der geltend<br />

gemachte Schaden gerade nicht auf den Vergabeverstoß zurückgeführt werden, den der<br />

<strong>Antrag</strong>steller zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens machen will (OLG Dresden, B. v.<br />

23.7.2002 - Az.: WVerg 0007/02; VK Brandenburg, B. v. 18.06.2007 - Az.: 1 VK 20/07; B.<br />

v. 11.06.2007 - Az.: 1 VK 18/07; B. v. <strong>19.</strong>01.2006 - Az.: 2 VK 76/05; VK Nordbayern, B. v.<br />

14.01.2010 - Az.: 21.VK - 3194 – 64/09; 1. VK Sachsen, B. v. 14.09.2009 - Az.: 1/SVK/042-<br />

09; VK Südbayern, B. v. 05.02.2010 - Az.: Z3-3-3194-1-66-12/09; B. v. 03.09.2009 - Az.:<br />

Z3-3-3194-1-26-05/09; B. v. 29.01.2007 - Az.: 39-12/06; B. v. 25.6.2003 - Az.: 16-04/03).<br />

Einem <strong>Antrag</strong>steller fehlt deshalb die <strong>Antrag</strong>sbefugnis insofern, als er die unzulässige<br />

Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien sowie die Wertungsmatrix wegen eines<br />

dem Wirtschaftlichkeitsgebot zuwider laufenden – weil nivellierenden – Charakters<br />

beanstandet und des weiteren den Vorwurf unzulässiger Nachverhandlungen über den<br />

Angebotspreis erhebt, wenn allein durch das insoweit angegriffene bzw. behauptete<br />

Vergabeverhalten des Auftraggebers, also bei Außerachtlassung einer etwaigen<br />

Wiederholungsbedürftigkeit des Vergabeverfahrens aus anderen Gründen, dem <strong>Antrag</strong>steller<br />

ein Schaden im Sinne einer Verschlechterung seiner Chancen auf Erhalt des ausgeschriebenen<br />

Auftrags weder entstanden sein noch entstehen kann. Dies ist dann der Fall, wenn trotz der<br />

Annahme, dass die Vergaberechtsverstöße zutreffen, die Angebotswertung zugunsten<br />

des <strong>Antrag</strong>stellers ausfällt. Hat z.B. der <strong>Antrag</strong>steller zu einem deutlich günstigeren Preis<br />

angeboten als die Beigeladene und führt dies dazu, dass der <strong>Antrag</strong>steller nach den Vorgaben<br />

für die Angebotswertung selbst bei denkbar schlechtestem Wertungsergebnis für sich selbst<br />

und denkbar bestem Wertungsergebnis für die Beigeladene die höchste Gesamtpunktzahl<br />

erzielen würde, kann aus einer Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien oder<br />

einem nivellierenden Charakter der Wertungsmatrix dem <strong>Antrag</strong>steller daher gerade kein<br />

Nachteil im Sinne einer Verschlechterung seiner Zuschlagschancen entstanden bzw. würde<br />

ihm bei Wertung des von ihm bislang vorgelegten Angebots kein solcher Nachteil entstehen.<br />

Auch etwaige Nachverhandlungen des Auftraggebers mit der Beigeladenen haben bzw. hätten<br />

sich damit nicht ausgewirkt. Folglich besteht jedenfalls insofern kein Grund für die


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Anordnung einer Überarbeitung der Wertungskriterien und die Einräumung einer<br />

erneuten Möglichkeit zur Angebotsabgabe (2. VK Bund, B. v. 21.09.2009 - Az.: VK 2 –<br />

126/09).<br />

2669/2<br />

2669/3<br />

2669/4<br />

Das OLG Düsseldorf lässt in der Beschwerdeentscheidung diese Frage ausdrücklich offen<br />

(OLG Düsseldorf, B. v. 30.11.2009 - Az.: VII-Verg 41/09).<br />

Das Fehlen hinreichender Mindestbedingungen für technische Nebenangebote kann sich<br />

nicht nachteilig auf die Zuschlagschancen eines <strong>Antrag</strong>stellers auswirken, sodass er nicht<br />

antragsbefugt ist, wenn der <strong>Antrag</strong>steller nicht von der Unterbreitung eines Nebenangebots<br />

abgehalten wurde und das von ihm gelegte Nebenangebot teurer als sein Hauptangebot<br />

war; bei dieser Konstellation kann die fehlende Wertbarkeit mangels hinreichender<br />

Mindestbedingungen keine nachteiligen Folgen für die Wertung des Angebots des<br />

<strong>Antrag</strong>stellers haben (OLG Düsseldorf, B. v. 08.12.2009 - Az.: VII-Verg 52/09).<br />

Einen grundsätzlichen schadensunabhängigen Anspruch auf Rückversetzung eines<br />

fehlerbehafteten Vergabeverfahrens hat ein Bieter nicht. Ein solcher Anspruch besteht<br />

vielmehr nur dann, wenn ansonsten realistische Chancen des Bieters auf den Zuschlag durch<br />

den jeweils konkret beanstandeten Vergabefehler ohne eine entsprechende Rückversetzung<br />

beeinträchtigt werden könnten. Wie an den Vorgaben des <strong>§</strong> <strong>107</strong> <strong>GWB</strong> deutlich wird, dient<br />

das Vergabenachprüfungsverfahren der Erlangung subjektiven Rechtsschutzes, nicht<br />

der davon gelösten Beseitigung objektiver Fehler eines Vergabeverfahrens. Dass die<br />

Vergabekammern die Möglichkeit haben, im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens<br />

Vergabefehler von Amts wegen aufzugreifen, steht dem nicht entgegen. Denn soweit<br />

überhaupt vertreten wird, dass – bei ansonsten zulässigem Nachprüfungsantrag – die<br />

Vergabekammer Vergabefehlern, die der <strong>Antrag</strong>steller nicht (substantiiert) vorgebracht hat,<br />

ggf. sogar unter Außerachtlassung der grundsätzlichen Rügeobliegenheit, nachgehen kann,<br />

muss auch dies seine Grenze finden, wo eine Benachteiligung des <strong>Antrag</strong>stellers nicht mehr<br />

ersichtlich ist (2. VK Bund, B. v. 21.09.2009 - Az.: VK 2 – 126/09).<br />

<strong>19.</strong>4.6.2 Umfang der Schadensdarlegung<br />

2670<br />

An die Schadensdarlegung sind nach ständiger Rechtsprechung keine überzogenen<br />

Anforderungen zu stellen. Sie muss lediglich schlüssig sein und ein Schaden muss<br />

denkbar sein (BVerfG, B. v. 29.07.2004 - Az.: 2 BvR 2248/03; BGH, B. v. 26.09.2006 - Az.:<br />

X ZB 14/06; B. v. 18.05.2004 - Az.: X ZB 7/04; OLG Celle, B. v. 29.10.2009 - Az.: 13 Verg<br />

8/09; B. v. 17.07.2009 - Az.: 13 Verg 3/09; B. v. 31.07.2008 - Az.: 13 Verg 3/08; OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 02.12.2009 - Az.: VII-Verg 39/09; B. v. 02.11.2009 - Az.: VII-Verg 12/09;<br />

B. v. 10.09.2009 - Az.: VII-Verg 12/09; B. v. 04.05.2009 - Az.: VII-Verg 68/08; B. v.<br />

04.02.2009 - Az.: VII-Verg 70/08; B. v. <strong>19.</strong>07.2006 - Az.: VII - Verg 26/06; OLG Frankfurt,<br />

B. v. 26.05.2009 - Az.: 11 Verg 2/09; B. v. 27.6.2003 - Az.: 11 Verg. 3/03; OLG Karlsruhe,<br />

B. v. 15.10.2008 - Az.: 15 Verg 9/08; B. v. 16.03.2007 - Az.: 17 Verg 4/07; B. v. 06.02.2007 -<br />

Az.: 17 Verg 5/06; OLG München, B. v. 07.04.2006 - Az.: Verg 05/06; OLG Rostock, B. v.<br />

06.03.2009 - Az.: 17 Verg 1/09; OLG Schleswig-Holstein, B. v. 22.05.2006 - Az.: 1 Verg<br />

5/06; VK Arnsberg, B. v. 29.01.2009 - Az.: VK 34/08; B. v. 28.01.2009 - Az.: VK 35/08; B.<br />

v. 22.12.2008 - Az.: VK 27/08; B. v. 22.06.2007 - Az.: VK 20/07; B. v. 9.4.2002 - Az.: VK 3<br />

- 03/02; LSG Nordrhein-Westfalen, B. v. <strong>19.</strong>11.2009 - Az.: L 21 KR 55/09 SFB; VK<br />

Arnsberg, B. v. 07.10.2009 - Az.: VK 23/09; B. v. 03.09.2009 - Az.: VK 19/09; VK Baden-<br />

Württemberg, B. v. 28.05.2009 - Az.: 1 VK 21/09; VK Berlin, B. v. 18.03.2009 - Az.: VK B 2<br />

30/08; VK Brandenburg, B. v. 16.12.2009 - Az.: VK 42/09; B. v. 08.09.2009 - Az.: VK


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

33/09; B. v. 25.02.2009 - Az.: VK 6/09; B. v. 16.10.2007 - Az.: VK 38/07; B. v. 18.06.2007 -<br />

Az.: 1 VK 20/07; B. v. 11.06.2007 - Az.: 1 VK 18/07; 1. VK Bund, B. v. 10.04.2007 - Az.:<br />

VK 1 - 20/07; 2. VK Bund, B. v. 30.11.2009 - Az.: VK 2 - 195/09; B. v. 14.10.2009 - Az.:<br />

VK 2 – 174/09; B. v. 15.05.2009 - Az.: VK 2 – 21/09; B. v. 16.03.2009 - Az.: VK 2 - 7/09; B.<br />

v. 10.04.2008 - Az.: VK 2 - 37/08; B. v. 08.02.2008 - VK 2 - 156/07; B. v. 28.07.2006 - Az.:<br />

VK 2 - 50/06; 3. VK Bund, B. v. 16.02.2006 - Az.: VK 3 - 03/06; VK Düsseldorf, B. v.<br />

08.09.2009 - Az.: VK – 17/2009 – L; B. v. 29.04.2009 - Az.: VK - 2/2009 – L; B. v.<br />

02.06.2008 - Az.: VK – 15/2008 – L; B. v. 21.05.2007 - Az.: VK - 13/2007 – B; 2. VK<br />

Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 07.01.2008 - Az.: 2 VK 5/07; VK Niedersachsen, B. v.<br />

04.09.2009 - Az.: VgK-37/2009; B. v. 27.08.2009 - Az.: VgK-35/2009; B. v. 07.08.2009 -<br />

Az.: VgK - 32/2009; B. v. 24.06.2009 - Az.: VgK - 28/2009; B. v. 16.03.2009 - Az.: VgK-<br />

04/2009; B. v. 24.02.2009 - Az.: VgK-57/2008; B. v. 23.02.2009 - Az.: VgK-58/2008; B. v.<br />

11.02.2009 - Az.: VgK-56/2008; B. v. 11.11.2008 - Az.: VgK-39/2008; B. v. 24.10.2008 -<br />

Az.: VgK-35/2008; 1. VK Saarland, B. v. 16.12.2009 - Az.: 1 VK 13/2009; 3. VK Saarland,<br />

B. v. 12.07.2007 - Az.: 1 VK 04/2007; B. v. <strong>19.</strong>01.2007 - Az.: 3 VK 05/2006; B. v.<br />

<strong>19.</strong>05.2006 - Az.: 3 VK 03/2006; B. v. 12.12.2005 - Az.: 3 VK 03/2005 und 3 VK 04/2005; 1.<br />

VK Sachsen, B. v. 11.12.2009 - Az.: 1/SVK/054-09; B. v. 25.11.2009 - Az.: 1/SVK/051-09;<br />

B. v. 25.09.2009 - Az.: 1/SVK/038-09; B. v. 24.09.2009 - Az.: 1/SVK/040-09; 1. VK<br />

Sachsen-Anhalt, B. v. 23.08.2005 - Az: 1 VK LVwA 31/05; VK Schleswig-Holstein, B. v.<br />

12.02.2010 - Az.: VK-SH 27/09; B. v. 11.02.2010 - Az.: VK-SH 29/09; B. v. 22.01.2010 -<br />

Az.: VK-SH 26/09; B. v. 26.11.2009 - Az.: VK-SH 22/09; B. v. 23.10.2009 - Az.: VK-SH<br />

14/09; B. v. 22.07.2009 - Az.: VK-SH 06/09; B. v. 26.05.2009 - Az.: VK-SH 04/09; B. v.<br />

27.01.2009 - Az.: VK-SH 19/08; B. v. 23.01.2009 - Az.: VK-SH 18/08; B. v. 17.09.2008 -<br />

Az.: VK-SH 10/08; B. v. 07.05.2008 - Az.: VK-SH 05/08; B. v. 25.04.2008 - Az.: VK-SH<br />

04/08; B. v. 22.04.2008 - Az.: VK-SH 03/08; B. v. 28.01.2008 - Az.: VK-SH 27/07; B. v.<br />

18.12.2007 - Az.: VK-SH 25/07; B. v. 10.10.2007 - Az.: VK-SH 20/07; B. v. 06.06.2007 -<br />

Az.: VK-SH 10/07; B. v. 28.11.2006 – Az.: VK-SH 25/06; B. v. 30.08.2006 - Az.: VK-SH<br />

20/06; B. v. 27.07.2006 - Az.: VK-SH 17/06; B. v. 28.06.2006 – Az.: VK-SH 18/06; B. v.<br />

15.05.2006 - Az.: VK-SH 10/06; B. v. 17.03.2006 - Az.: VK-SH 02/06; VK Südbayern, B. v.<br />

05.02.2010 - Az.: Z3-3-3194-1-66-12/09; B. v. 29.04.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-11-03/09; B.<br />

v. 21.04.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-09-02/09; B. v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08;<br />

B. v. 13.05.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-14-04/08; B. v. 09.05.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-13-<br />

04/08; B. v. 29.01.2007 - Az.: 39-12/06; B. v. 15.12.2006 - Az.: 34-11/06; B. v. 07.07.2006 -<br />

Az.: 11-04/06; B. v. 27.04.2006 - Az.: 04-02/06; VK Thüringen, B. v. 29.02.2008 - Az.: 360-<br />

4002.20-527/2008-002-NDH), also nicht offensichtlich ausgeschlossen sein (OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 23.12.2009 - Az.: VII-Verg 30/09; B. v. 09.02.2009 - Az.: VII-Verg 66/08;<br />

2. VK Bund, B. v. 30.10.2009 - Az.: VK 2 - 180/09; B. v. 06.10.2009 - Az.: VK 2 – 165/09;<br />

B. v. 29.09.2009 - Az.: VK 2 – 162/09; B. v. 14.09.2009 - Az.: VK 2 – 153/09; B. v.<br />

22.04.2009 - Az.: VK 2 – 24/09; B. v. 13.07.2007 - Az.: VK 2 - 66/07; B. v. 13.06.2007 - Az.:<br />

VK 2 - 51/07). Alles andere ist eine Frage der Begründetheit des <strong>Antrag</strong>s. Die Darlegung<br />

oder gar der substantiierte Nachweis, dass der <strong>Antrag</strong>steller bei einem rechtmäßigen<br />

Vergabeverfahren den Zuschlag erhalten hätte oder das er eine "echte Chance" auf den<br />

Zuschlag im Sinne des <strong>§</strong> 126 Satz 1 <strong>GWB</strong> gehabt hätte, sind somit nicht erforderlich um<br />

den Zulässigkeitsanforderungen an einen Nachprüfungsantrag zu genügen (BVerfG, B. v.<br />

29.07.2004 - Az.: 2 BvR 2248/03; BGH, B. v. 18.05.2004 - Az.: X ZB 7/04; BSG, B. v.<br />

22.04.2009 - Az.: B 3 KR 2/09 D; OLG Brandenburg, B. v. 06.10.2005 - Az.: Verg W 7/05;<br />

OLG Celle, B. v. 31.07.2008 - Az.: 13 Verg 3/08; OLG München, B. v. 07.04.2006 - Az.:<br />

Verg 05/06; Saarländisches OLG, B. v. 29.09.2004 - Az.: 1 Verg 6/04; LSG Nordrhein-<br />

Westfalen, B. v. 10.09.2009 - Az.: L 21 KR 53/09 SFB; VK Arnsberg, B. v. 22.12.2008 - Az.:<br />

VK 27/08; B. v. 21.08.2008 - Az.: VK 16/08; B. v. 30.05.2008 – Az.: VK 10/08; 2. VK Bund,<br />

B. v. 28.09.2005 - Az.: VK 2 – 111/05; B. v. 11.01.2005 - Az.: VK 2 - 220/04; VK Hessen, B.


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

v. 28.02.2006 - Az.: 69 d VK - 02/2006; VK Lüneburg, B. v. 03.11.2005 - Az.: VgK-49/2005;<br />

3. VK Saarland, B. v. 09.03.2007 - Az.: 3 VK 01/2007; B. v. 12.12.2005 - Az.: 3 VK 03/2005<br />

und 3 VK 04/2005; 2. VK Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 07.01.2008 - Az.: 2 VK 5/07;<br />

VK Rheinland-Pfalz, B. v. 8.5.2002 - Az.: VK 8/02; 1. VK Sachsen, B. v. 29.12.2004 - Az.:<br />

1/SVK/123-04; B. v. 25.11.2004 - Az.: 1/SVK/110-04; VK Schleswig-Holstein, B. v.<br />

11.02.2010 - Az.: VK-SH 29/09; B. v. 22.01.2010 - Az.: VK-SH 26/09; B. v. 26.05.2009 -<br />

Az.: VK-SH 04/09; B. v. 17.09.2008 - Az.: VK-SH 10/08; B. v. 10.10.2007 - Az.: VK-SH<br />

20/07; B. v. 06.06.2007 - Az.: VK-SH 10/07; B. v. 28.11.2006 – Az.: VK-SH 25/06; B. v.<br />

30.08.2006 - Az.: VK-SH 20/06; B. v. 13.07.2006 - Az.: VK-SH 15/06; B. v. 15.05.2006 -<br />

Az.: VK-SH 10/06; B. v. 31.01.2006 - Az.: VK-SH 33/05; B. v. 17.01.2006 - Az.: VK-SH<br />

32/05; B. v. 05.01.2006 - Az.: VK-SH 31/05; B. v. 21.12.2005 - Az.: VK-SH 29/05; B. v.<br />

08.07.2005 - Az.: VK-SH 18/05; B. v. 31.03.2005 - Az.: VK-SH 05/05; B. v. 07.03.2005 -<br />

Az.: VK-SH 03/05; VK Südbayern, B. v. 11.02.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-01-01/09; B. v.<br />

29.01.2007 - Az.: 39-12/06; VK Thüringen, B. v. 14.04.2005 - Az.: 360-4003.20-017/05-G-<br />

S). Nicht notwendig ist, dass bereits festgestellt werden kann, dass der behauptete Verstoß<br />

tatsächlich vorliegt und den behaupteten Schaden ausgelöst hat oder auszulösen droht (OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 02.12.2009 - Az.: VII-Verg 39/09).<br />

2671<br />

2672<br />

2673<br />

2674<br />

Durch diese Regelung soll einem Bieter die <strong>Einleitung</strong> eines Nachprüfungsverfahrens<br />

verwehrt sein, wenn er selbst bei ordnungsgemäß durchgeführtem Vergabeverfahren<br />

keine Aussicht auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte (OLG Naumburg, B. v. 11.6.2003<br />

- Az.: 1 Verg 06/03; VK Berlin, B. v. 10.09.2004 - Az.: VK - B 2 – 44/04; 1. VK Bund, B. v.<br />

1.7.2002 - Az.: VK 1 - 33/02; VK Düsseldorf, B. v. 24.08.2007 - Az.: VK - 24/2007 – L; B. v.<br />

21.04.2006 - Az.: VK - 16/2006 – L; B. v. <strong>19.</strong>04.2007 - Az.: VK - 10/2007 – B; B. v.<br />

13.03.2006 - Az.: VK - 08/2006 – L; VK Hessen, B. v. 24.03.2004 - Az.: 69 d - VK –<br />

09/2004; B. v. 18.6.2003 - Az.: 69 d VK - 18/2003; B. v. 9.4.2003 - Az.: 11-03/03; VK<br />

Schleswig-Holstein, B. v. 07.07.2009 - Az.: VK-SH 05/09; VK Südbayern, B. v. 29.01.2007 -<br />

Az.: 39-12/06; B. v. 15.12.2006 - Az.: 34-11/06).<br />

Eine völlig vage und pauschale Behauptung einer Rechtsverletzung reicht jedoch nicht<br />

aus (OLG Düsseldorf, B. v. 28.12.2007 - Az.: VII - Verg 40/07; B. v. <strong>19.</strong>07.2006 - Az.: VII -<br />

Verg 27/06; B. v. 23.02.2005 - Az.: VII - Verg 92/04; 1. VK Sachsen, B. v. 03.03.2008 - Az.:<br />

1/SVK/002-08; VK Münster, B. v. 25.09.2007 - Az.: VK 20/07).<br />

Macht insoweit ein <strong>Antrag</strong>steller mit dem Nachprüfungsantrag geltend, der Auftragswert sei<br />

in kollusivem Zusammenwirken des Auftraggebers mit einem Bieter willkürlich<br />

herabgesetzt worden, ist für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags dieses<br />

Vorbringen als wahr zu unterstellen, da anderenfalls dem <strong>Antrag</strong>steller die nach dem<br />

Zweck der <strong>§</strong><strong>§</strong> 102 ff. <strong>GWB</strong> einzuräumende Möglichkeit verwehrt wird, die streitige Vergabe<br />

im Rechtsweg auf ihre Wirksamkeit überprüfen zu lassen (OLG Düsseldorf, B. v. 14.04.2005<br />

- Az.: VII - Verg 93/04).<br />

Hat der Auftraggeber die Wertung der Angebote noch nicht abschließend durchgeführt<br />

und hat er unmissverständlich mitgeteilt, dass nach vorläufiger Wertung der <strong>Antrag</strong>steller<br />

auf keinen Fall den Zuschlag erhalten könne, ist damit der für die <strong>Antrag</strong>sbefugnis<br />

notwendige drohende Schaden nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 Satz 2 <strong>GWB</strong> ausreichend vorgetragen,<br />

da der <strong>Antrag</strong>steller bei Wertung nach den vorliegenden Vergabeunterlagen keine Aussicht<br />

auf den Zuschlag hat (OLG München, B. v. <strong>19.</strong>12.2007 - Az.: Verg 12/07).<br />

2675


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Sehr viel strenger fordert die 2. VK des Bundes für die <strong>Antrag</strong>sbefugnis einen kausalen<br />

Zusammenhang zwischen dem Verstoß und der Beeinträchtigung einer "echten<br />

Chance" auf den Zuschlag (2. VK Bund, B. v. 09.12.2004 - Az.: VK 2 – 118/04).<br />

2676<br />

Die Rechtsprechung stellt an die Darlegung eines drohenden Schadens in Verfahren nach<br />

der VOL/A nur geringe Anforderungen, da der Bieter mangels Submissionstermins seine<br />

eigene Wettbewerbsstellung nicht sicher beurteilen kann (1. VK Sachsen, B. v. 27.1.2003 -<br />

Az.: 1/SVK/123-02, 1/SVK/123-02G).<br />

<strong>19.</strong>4.6.3 Subjektiver Eindruck der Verletzung in eigenen Rechten<br />

2677<br />

2678<br />

2679<br />

Ein <strong>Antrag</strong>steller darf Vergaberechtsverstöße rügen, die er aus seiner Sicht der Dinge für<br />

wahrscheinlich oder möglich hält. Nur ein willkürlicher oder ins Blaue hinein, d.h. ein<br />

ohne tatsächliche Anhaltspunkte angebrachter Vortrag ist prozessual unbeachtlich (OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 08.12.2008 - Az.: VII-Verg 55/08; OLG Frankfurt, B. v. 07.08.2007 - Az.:<br />

11 Verg 3/07, 4/07; VK Südbayern, B. v. 14.09.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-33-07/07).<br />

Sind Anhaltspunkte für eine von dem <strong>Antrag</strong>steller behauptete, von vertretbaren<br />

Maßstäben abweichende Kostenermittlung des Auftraggebers vorhanden, z.B. die von<br />

der Kostenschätzung erheblich nach oben hin abweichenden Endpreise aller<br />

eingegangenen Angebote sowie die Tatsache, dass der Auftraggeber nach eigenem Vortrag<br />

die Baupreisentwicklung des Jahres 2007 bei der Kostenermittlung unterschätzt und<br />

außer Ansatz gelassen hat, genügt dies (OLG Düsseldorf, B. v. 28.12.2007 - Az.: VII - Verg<br />

40/07).<br />

Ein sachgerechter Rechtsschutz ist in vielen Fällen nicht gewährleistet, wenn nur<br />

vorgetragen werden kannte, worüber bereits Gewissheit besteht. Denn oft ist es den<br />

Betreffenden nicht möglich, sich überhaupt oder jedenfalls vor Beginn des Verfahrens eigene<br />

Kenntnis zu verschaffen. Selbst die Wahrheitspflicht der Parteien, ohne die ein geordneter<br />

Rechtsschutz im Rahmen eines förmlichen Verfahrens nicht möglich ist und die deshalb im<br />

Vergabenachprüfungsverfahren auch ohne eine <strong>§</strong> 138 Abs. 1 ZPO entsprechende Norm im 4.<br />

Teil des <strong>GWB</strong> gilt, verlangt lediglich nach subjektiver Wahrhaftigkeit und verbietet nur,<br />

Erklärungen wider besseres Wissen abzugeben. Deshalb darf im<br />

Vergabenachprüfungsverfahren behauptet werden, was der Betreffende aus seiner Sicht<br />

der Dinge für wahrscheinlich oder möglich hält (OLG Düsseldorf, B. v. 08.12.2008 - Az.:<br />

VII-Verg 55/08; VK Münster, B. v. 30.04.2009 - Az.: VK 4/09; 1. VK Sachsen, B. v.<br />

03.03.2008 - Az.: 1/SVK/002-08). So kann z.B. der <strong>Antrag</strong>steller Wertungsfehler bei der<br />

Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Angebote rügen, die angesichts des sehr kurzen<br />

Wertungszeitraumes von 2 Tagen zwischen der Abgabe der Angebote und der<br />

Entscheidung der <strong>Antrag</strong>sgegnerin nicht abwegig sind. Zudem kann nicht allein einem<br />

<strong>Antrag</strong>steller das Risiko eines substantiierten Tatsachenvortrages überbürdet werden,<br />

weil die Bieter in der Regel kaum Informationen über den tatsächlichen Ablauf der<br />

Wertung erhalten. Sie erhalten gemäß <strong>§</strong> 13 VgV nur das Ergebnis der Wertung mitgeteilt,<br />

aber keine Einzelheiten, die für einen Tatsachenvortrag verwertbar sind. Insofern ist ein<br />

sachgerechter Rechtsschutz in einem Vergabeverfahren in vielen Fällen nicht gewährleistet,<br />

wenn ein Bieter verpflichtet sein soll, sich vor Beginn des Verfahrens eigene Kenntnisse zu<br />

verschaffen, die er dann vortragen kann (VK Münster, B. v. 21.11.2007 – Az.: VK 24/07; B.<br />

v. 25.09.2007 - Az.: VK 20/07).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

<strong>19.</strong>4.6.4 Verletzung in eigenen Rechten<br />

2680<br />

<strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 <strong>GWB</strong> erfordert auch hinsichtlich des drohenden Schadens die mögliche<br />

Beeinträchtigung eigener Rechte. Das Verfahren vor der Vergabekammer ist nämlich<br />

kein objektives Beanstandungsverfahren, die Geltendmachung subjektiver Rechte Dritter<br />

(z.B. die fehlende Möglichkeit ausländischer Unternehmen, eine dem<br />

Gewerbezentralregisterauszug gleichwertige Bescheinigung ihres Heimatlandes vorlegen) ist<br />

nicht möglich (3. VK Bund, B. v. 18.01.2007 – Az.: VK 3 – 153/06; im Ergebnis ebenso VK<br />

Nordbayern, B. v. 27.02.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 04/07 - für den Fall der Forderung eines<br />

Prüfzeugnisses vom Kuratorium für Waldarbeit und Forsttechnik (KWF)).<br />

<strong>19.</strong>4.6.5 Schadensdarlegung für jeden einzelnen Verstoß<br />

2681<br />

2682<br />

Die antragstellende Partei hat für jeden einzelnen gerügten Verstoß gegen die<br />

Vergabevorschriften schlüssig und nachvollziehbar darzulegen, dass der betreffende<br />

Vergabefehler ihre Aussichten auf den Zuschlag tatsächlich beeinträchtigt hat oder dass die<br />

Zuschlagschancen zumindest verschlechtert worden sein können (OLG Düsseldorf, B. v.<br />

9.7.2003 - Az.: Verg 26/03, B. v. 16.9.2003 - Az.: VII - Verg 52/03; 1. VK Sachsen, B. v.<br />

03.03.2008 - Az.: 1/SVK/002-08).<br />

Wenn eine den Maßstäben des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 <strong>GWB</strong> genügende Darlegung der Verletzung von<br />

Bieterrechten das Nachprüfungsverfahren eröffnet hat, können andere<br />

Vergaberechtsverletzungen zum Gegenstand desselben Nachprüfungsverfahrens<br />

gemacht werden, mögen diese bis dahin auch nur andeutungsweise oder gar nicht im Streit<br />

gewesen und erst im Verlaufe der Vergabenachprüfung zutage getreten sein. Um sich seine<br />

diesbezüglichen Rechte zu sichern, ist der <strong>Antrag</strong>steller sodann auch nicht gehalten, die<br />

zunächst (zulässigerweise) vorgebrachten Rügen bis zum Verfahrensende<br />

weiterverfolgen (OLG Düsseldorf, B. v. 23.02.2005 - Az.: VII - Verg 92/04; VK Münster, B.<br />

v. 25.09.2007 - Az.: VK 20/07).<br />

<strong>19.</strong>4.6.6 Vereinbarkeit der Forderung des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 nach einem Schaden<br />

mit europäischem Recht<br />

2683<br />

2684<br />

2685<br />

Die Mitgliedstaaten müssen nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 sicherstellen, dass die<br />

nach dieser Richtlinie vorgesehenen Nachprüfungsverfahren zumindest jedem zur Verfügung<br />

stehen, der ein Interesse an einem bestimmten öffentlichen Auftrag hat oder hatte und dem<br />

durch einen behaupteten Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen<br />

Auftragswesens oder gegen die nationalen Vorschriften zur Umsetzung dieses Rechts ein<br />

Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht.<br />

Daraus ergibt sich, dass diese Vorschrift die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, die<br />

Nachprüfungsverfahren jedem zur Verfügung zu stellen, der einen bestimmten öffentlichen<br />

Auftrag erhalten will, sondern dass sie danach zusätzlich verlangen können, dass der<br />

betreffenden Person durch den behaupteten Rechtsverstoß ein Schaden entstanden ist<br />

bzw. zu entstehen droht.<br />

Es verstößt nicht gegen Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665, wenn die nach dieser Richtlinie<br />

vorgesehenen Nachprüfungsverfahren denjenigen, die einen bestimmten öffentlichen Auftrag


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

erhalten wollen, nur zur Verfügung stehen, wenn ihnen durch den von ihnen behaupteten<br />

Rechtsverstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht (EuGH, Urteil v.<br />

<strong>19.</strong>6.2003 - Az.: C-249/01, Urteil v. 12.2.2004 - Az.: C-230/02).<br />

2686<br />

Es muss aber im Rahmen des dem Bieter zur Verfügung stehenden Nachprüfungsverfahrens<br />

diesem ermöglicht werden, die Stichhaltigkeit des Ausschlussgrundes anzuzweifeln, auf<br />

dessen Grundlage die für die Nachprüfungsverfahren zuständige Instanz zu beschließen<br />

beabsichtigt, dass ihm durch die Entscheidung, deren Rechtswidrigkeit er behauptet, kein<br />

Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht (EuGH, Urteil v. <strong>19.</strong>6.2003 - Az.: C-249/01;<br />

BGH, B. v. 18.05.2004 - Az.: X ZB 7/04; OLG Düsseldorf, B. v. 27.07.2006 - Az.: VII - Verg<br />

23/06; VK Südbayern, B. v. 07.07.2006 - Az.: 11-04/06).<br />

<strong>19.</strong>4.6.7 Drohender Schaden bei fehlender Angebotsabgabe bzw. fehlender<br />

Bewerbung<br />

<strong>19.</strong>4.6.7.1 Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes<br />

2687<br />

Falls ein Unternehmen deshalb kein Angebot gelegt hat, weil es sich durch angeblich<br />

diskriminierende Spezifikationen in den Ausschreibungsunterlagen oder im Pflichtenheft<br />

gerade daran gehindert gesehen hat, die ausgeschriebene Gesamtleistung zu erbringen, ist es<br />

berechtigt, ein Nachprüfungsverfahren unmittelbar gegen diese Spezifikationen<br />

einzuleiten, noch bevor das Vergabeverfahren für den betreffenden öffentlichen Auftrag<br />

abgeschlossen ist. Zum einen kann nämlich von einem angeblich durch diskriminierende<br />

Klauseln in den Ausschreibungsunterlagen geschädigten Unternehmen als Voraussetzung<br />

dafür, mit den in der Richtlinie 89/665 vorgesehenen Nachprüfungsverfahren gegen solche<br />

Spezifikationen vorzugehen, nicht verlangt werden, im Rahmen des betreffenden<br />

Vergabeverfahrens ein Angebot zu legen, obwohl es aufgrund der genannten Spezifikationen<br />

keine Aussicht auf Erteilung des Zuschlags hat. Zum anderen geht aus dem Wortlaut von Art.<br />

2 Abs. 1 Buchstabe b) der Richtlinie 89/665 klar hervor, dass die von den Mitgliedstaaten<br />

nach dieser Richtlinie zu organisierenden Nachprüfungsverfahren u. a. gewährleisten müssen,<br />

dass "die Aufhebung rechtswidriger Entscheidungen, einschließlich der Streichung<br />

diskriminierender technischer, wirtschaftlicher oder finanzieller Spezifikationen …<br />

vorgenommen … werden kann". Es muss einem Unternehmen also möglich sein, ein<br />

Nachprüfungsverfahren unmittelbar gegen solche diskriminierenden Spezifikationen<br />

durchzuführen, ohne den Abschluss des Vergabeverfahrens abzuwarten.<br />

<strong>19.</strong>4.6.7.2 Nationale Rechtsprechung<br />

<strong>19.</strong>4.6.7.2.1 Grundsatz<br />

2688<br />

Der Unternehmer, der sich einer Angebotsabgabe enthält, vergibt sich selbst von vornherein<br />

jeglicher Möglichkeit, den Zuschlag zu erhalten und ist daher grundsätzlich nicht<br />

antragsbefugt (OLG Düsseldorf, B. v. 14.01.2009 - Az.: VII-Verg 59/08; VK Nordbayern,<br />

B. v. 30.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 41/09; B. v. 30.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 40/09;<br />

B. v. 25.11.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 38/05; B. v. 14.04.2005 - Az.: 320.VK - 3194 -


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

09/05; 1. VK Sachsen, B. v. 25.09.2009 - Az.: 1/SVK/038-09; B. v. 06.03.2009 - Az.:<br />

1/SVK/001-09).<br />

<strong>19.</strong>4.6.7.2.2 Ausnahme der Hinderung an der Angebotserstellung bzw. -abgabe<br />

durch den gerügten Fehler<br />

<strong>19.</strong>4.6.7.2.2.1 Grundsätze<br />

2689<br />

Eine <strong>Antrag</strong>sbefugnis kann trotz unterlassener Angebotsabgabe aber dann in Betracht<br />

kommen, wenn der Unternehmer gerade durch den gerügten Verfahrensfehler an der<br />

Abgabe oder sogar schon an der Erstellung des Angebots gehindert worden ist (OLG<br />

Brandenburg, B. v. 07.08.2008 - Az.: Verg W 11/08; OLG Dresden, B. v. 04.07.2008 - Az.:<br />

WVerg 3/08; OLG Düsseldorf, B. v. 17.02.2010 - Az.: VII-Verg 42/09; B. v. 25.11.2009 -<br />

Az.: VII-Verg 27/09; B. v. 14.01.2009 - Az.: VII-Verg 59/08; B. v. 28.2.2002 - Az.: Verg<br />

40/01; OLG Frankfurt, B. v. 29.05.2007 - Az.: 11 Verg. 12/06; OLG Saarland, B. v.<br />

07.05.2008 - Az.: 1 Verg 5/07; BayObLG, B. v. 20.8.2001 - Az.: Verg 11/01; VK Arnsberg,<br />

B. v. 25.11.2009 - Az.: VK 29/09; B. v. 10.08.2009 - Az.: VK 17/09; B. v. 25.05.2009 - VK<br />

08/09; VK Baden-Württemberg, B. v. 30.12.2008 - Az.: 1 VK 51/08; VK Berlin, B. v.<br />

04.05.2009 - Az.: VK - B 2 - 5/09; 1. VK Bund, B. v. 21.12.2009 - Az.: VK 1 – 212/09; B. v.<br />

26.11.2009 - Az.: VK 1 - 197/09; B. v. 10.11.2009 – Az.: VK 1 – 191/09; B. v. <strong>19.</strong>12.2008 -<br />

Az.: VK 1 - 174/08; 2. VK Bund, B. v. 04.03.2009 - Az.: VK 2 – 202/08, VK 2 – 205/08; B.<br />

v. 15.09.2008 - Az.: VK 2 – 94/08; B. v. 29.05.2008 - Az.: VK 2 – 58/08; 3. VK Bund, B. v.<br />

12.11.2009 - Az.: VK 3 - 193/09; B. v. 28.10.2009 - Az.: VK 3 - 187/09; B. v. 01.10.2009 -<br />

Az.: VK 3 - 172/09; B. v. 18.02.2009 - Az.: VK 3 - 158/08; B. v. 28.01.2008 - Az.: VK 3 -<br />

154/07; B. v. 24.01.2008 - Az.: VK 3 - 151/07; B. v. 09.01.2008 - Az.: VK 3 - 145/07; B. v.<br />

29.03.2006 - Az.: VK 3 - 15/06; VK Düsseldorf, B. v. <strong>19.</strong>03.2007 - Az.: VK - 07/2007 – B;<br />

VK Hessen, B. v. <strong>19.</strong>10.2006 - Az.: 69 d VK – 51/2006; VK Nordbayern, B. v. 30.11.2009 -<br />

Az.: 21.VK - 3194 - 41/09; B. v. 30.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 40/09; B. v. 09.07.2009 -<br />

Az.: 21.VK - 3194 - 15/09; B. v. 16.04.2008 - Az.: 21.VK - 3194 – 14/08; 3. VK Saarland, B.<br />

v. 07.09.2009 - Az.: 3 VK 01/2009; B. v. 30.11.2007 - Az.: 1 VK 05/2007; 1. VK Sachsen, B.<br />

v. 25.09.2009 - Az.: 1/SVK/038-09; B. v. 06.04.2009 - Az.: 1/SVK/005-09; B. v. 06.03.2009 -<br />

Az.: 1/SVK/001-09; B. v. 30.04.2008 - Az.: 1/SVK/020-08; B. v. 26.03.2008 - Az.:<br />

1/SVK/005-08; VK Schleswig-Holstein, B. v. 05.10.2005 - Az.: VK-SH 23/05; VK<br />

Südbayern, B. v. 21.07.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-23-06/08; B. v. 29.01.2007 - Az.: 39-12/06;<br />

B. v. 06.10.2006 - Az.: 27-08/06). Beruft er sich im Nachprüfungsverfahren hierauf, muss er<br />

zur Begründung seiner <strong>Antrag</strong>sbefugnis zunächst eine solche Verhinderung schlüssig<br />

darlegen. Soweit der Vergaberechtsfehler nicht bereits seiner Angebotskalkulation<br />

entgegengestanden hat, muss er dann weiter vortragen, welches Angebot er in einem<br />

fehlerfrei durchgeführten Vergabeverfahren abgegeben hätte. Es dürfen zwar keine<br />

überzogenen Anforderungen gestellt werden dahingehend, dass nur derjenige<br />

antragsberechtigt wäre, der den Zuschlag bekommen hätte oder bekommen würde. Auf die<br />

Darlegung des ohne Behinderung durch Verfahrensfehler beabsichtigten Angebots kann<br />

jedoch nicht verzichtet werden. Denn nur dann ist absehbar, ob der Unternehmer in der Lage<br />

und bereit gewesen ist, ein wirtschaftliches und damit zuschlagsfähiges, im Vergleich zu den<br />

Angeboten etwaiger Mitbewerber konkurrenzfähiges Angebot abzugeben (OLG Rostock, B.<br />

v. 24.9.2001 - Az.: 17 W 11/01; VK Arnsberg, B. v. 18.01.2008 - Az.: VK 01/08). Den<br />

<strong>Antrag</strong>steller trifft also eine erhöhte Darlegungs- und Begründungspflicht (2. VK Bund,<br />

B. v. 26.3.2003 - Az.: VK 2 - 06/03; VK Nordbayern, B. v. 30.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 -<br />

41/09; B. v. 30.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 40/09; 3. VK Saarland, B. v. 07.09.2009 - Az.:


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

3 VK 01/2009; B. v. 10.08.2009 - Az.: 3 VK 03/2008; 1. VK Sachsen, B. v. 25.09.2009 - Az.:<br />

1/SVK/038-09; B. v. 06.03.2009 - Az.: 1/SVK/001-09; VK Südbayern, B. v. 21.05.2007 -<br />

Az.: Z3-3-3194-1-13-04/07; B. v. 29.01.2007 - Az.: 39-12/06).<br />

2690<br />

2690/1<br />

2690/2<br />

Zur Darlegung des Schadens genügt regelmäßig die Darlegung des <strong>Antrag</strong>stellers, durch die<br />

Missachtung der Vergabevorschriften sei ihm bisher die Möglichkeit genommen worden, im<br />

Wettbewerb ein aussagekräftiges und detailliertes Angebot zur Erbringung der (noch<br />

auszuschreibenden) Leistung abzugeben. Damit sind indes andere Schadensdarlegungen<br />

nicht ausgeschlossen. In Betracht kommt vor allem die Möglichkeit, dass bei Beachtung der<br />

Vergabevorschriften durch den Auftraggeber ein anderes Angebot abgegeben worden wäre<br />

und deshalb - oder aus sonstigen Gründen - die Entscheidung des Auftraggebers anders hätte<br />

ausfallen können (BayObLG, B. v. 27.2.2003 - Az.: Verg 25/02).<br />

Das Interesse an dem Auftrag äußert sich in solchen Fällen hinreichend in seiner<br />

vorprozessualen Rüge und dem anschließenden Nachprüfungsantrag (1. VK Bund, B. v.<br />

21.12.2009 - Az.: VK 1 – 212/09; 2. VK Bund, B. v. 04.03.2009 - Az.: VK 2 – 202/08, VK 2<br />

– 205/08; 3. VK Bund, B. v. 28.10.2009 - Az.: VK 3 - 187/09).<br />

Die Erstellung eines Angebots kann nur dann gänzlich verweigert werden, wenn den<br />

Bietern wettbewerbsrelevante Informationen fehlen, die Einfluss auf das Verständnis von<br />

Art und Umfang der geforderten Leistung oder auf die Preisermittlung, mithin auf den Inhalt<br />

der Angebote haben können. Es müssen also schwerwiegende Mängel des<br />

Leistungsverzeichnisses von vornherein eine vernünftige Angebotskalkulation<br />

unmöglich machen (VK Nordbayern, B. v. 30.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 41/09; B. v.<br />

30.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 40/09).<br />

<strong>19.</strong>4.6.7.2.2.2 Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

2691<br />

• die fehlende Teilnahme eines <strong>Antrag</strong>stellers an einem Vergabeverfahren lässt seine<br />

<strong>Antrag</strong>sbefugnis auch dann nicht ohne weiteres entfallen, wenn er rügt, gerade durch<br />

den zur Überprüfung gestellten vergaberechtlichen Verstoß an der Abgabe eines<br />

Angebots gehindert worden zu sein, z.B. durch eine unterlassene<br />

Vergabebekanntmachung. Der in <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 <strong>GWB</strong> vorausgesetzten<br />

Darlegungslast eines subjektiven Interesses bzw. einer Verletzung in eigenen Rechten<br />

ist mit einem solchen Vortrag entsprochen, da eine fehlende Vergabebekanntmachung<br />

zumindest abstrakt gesehen den am Markt tätigen Unternehmen die Möglichkeit einer<br />

Wettbewerbsteilnahme entzieht (OLG Thüringen, B. v. 28.01.2004 - Az.: 6 Verg<br />

11/03; VK Lüneburg, B. v. 18.06.2004 - Az.: 203-VgK-29/2004; VK Rheinland-Pfalz,<br />

B. v. 27.05.2005 - Az.: VK 15/05)<br />

• behauptet der Auftraggeber, dass eine fehlende Angebotsabgabe mit dem Grund<br />

einer diskriminierenden Forderung des Auftraggebers nur ein Vorwand sei, um<br />

in einer „Strohmannfunktion“ für ein anderes Unternehmen, das keinen<br />

Nachprüfungsantrag stellen will, ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten, ist der<br />

Auftraggeber dafür darlegungs- und beweispflichtig (2. VK Bund, B. v. 29.05.2008 -<br />

Az.: VK 2 – 58/08)<br />

• der Bieter ist auch dann antragsbefugt, wenn er bei der rechtswidrigen<br />

Ausschreibung eines Leitfabrikates zwar in der Lage wäre dieses zu liefern, er aber<br />

daran gehindert wird, ein wirtschaftlicheres Konkurrenzprodukt anzubieten


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

(OLG München, B. v. 02.08.2007 - Az.: Verg 07/07; VK Südbayern, B. v. 21.07.2008<br />

- Az.: Z3-3-3194-1-23-06/08; B. v. 21.05.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-13-04/07)<br />

• dies gilt auch für den Fall, dass der <strong>Antrag</strong>steller ausschließlich an einer losweisen<br />

Vergabe interessiert ist, die der Auftraggeber wiederum verweigert (OLG Düsseldorf,<br />

B. v. 08.09.2004 - Az.: VII - Verg 38/04; VK Lüneburg, B. v. 25.2.2004 - Az.: 203-<br />

VgK-02/2004; 1. VK Sachsen, B. v. 27.6.2003 - Az.: 1/SVK/063-03)<br />

• dies gilt auch für den Fall, dass der <strong>Antrag</strong>steller behauptet, sich an einer<br />

Angebotsabgabe gehindert zu sehen, weil die aus seiner Sicht für eine Kalkulation<br />

maßgeblichen Versicherungssummen der zu versichernden Gebäude in den<br />

Verdingungsunterlagen nicht genannt werden (VK Lüneburg, B. v. 05.01.2006 -<br />

Az.: VgK-43/2005; B. v. 05.01.2006 - Az.: VgK-41/2005).<br />

<strong>19.</strong>4.6.7.2.3 Ausnahme des nutzlosen Aufwands<br />

<strong>19.</strong>4.6.7.2.3.1 Grundsätze<br />

2692<br />

Darüber hinaus sieht ein Teil der Rechtsprechung auch in solchen Fällen die<br />

<strong>Antrag</strong>sbefugnis als gegeben an, in denen der antragstellenden Partei zwar an sich eine<br />

Angebotsabgabe möglich gewesen wäre, sich aber bei verständiger Betrachtung die<br />

Ausarbeitung eines Angebots angesichts der reklamierten - und als zutreffend zu<br />

unterstellenden - Beanstandungen des Vergabeverfahrens als ein nutzloser Aufwand<br />

darstellen würde (OLG Düsseldorf, B. v. 25.11.2009 - Az.: VII-Verg 27/09; B. v. 14.01.2009<br />

- Az.: VII-Verg 59/08; B. v. 9.7.2003 - Az.: Verg 26/03; OLG Frankfurt, B. v. 29.05.2007 -<br />

Az.: 11 Verg. 12/06; OLG Thüringen, B. v. 06.06.2007 - Az.: 9 Verg 3/07; VK Arnsberg, B.<br />

v. 26.05.2009 - VK 14/09; B. v. 25.05.2009 - VK 08/09; VK Brandenburg, B. v. 14.05.2007 -<br />

Az.: 2 VK 14/07; 3. VK Bund, B. v. 28.01.2008 - Az.: VK 3 - 154/07; B. v. 24.01.2008 - Az.:<br />

VK 3 - 151/07; B. v. 09.01.2008 - Az.: VK 3 - 145/07; B. v. 29.03.2006 - Az.: VK 3 - 15/06;<br />

B. v. 09.06.2005 - Az.: VK 3 - 49/05; VK Düsseldorf, B. v. 15.08.2008 - Az.: VK – 18/2008 –<br />

L; B. v. 23.05.2008 - Az.: VK - 7/2008 – L; B. v. 02.05.2008 - Az.: VK - 10/2008 – L; B. v.<br />

<strong>19.</strong>03.2007 - Az.: VK - 07/2007 – B; VK Hessen, B. v. <strong>19.</strong>10.2006 - Az.: 69 d VK – 51/2006;<br />

VK Nordbayern, B. v. 30.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 41/09; B. v. 30.11.2009 - Az.: 21.VK<br />

- 3194 - 40/09; im Ergebnis ebenso 2. VK Bund, B. v. 29.07.2009 - Az.: VK 2 – 87/09; B. v.<br />

22.08.2008 - Az.: VK 2 – 73/08; B. v. 07.03.2008 - Az.: VK 2 – 13/08; 1. VK Sachsen, B. v.<br />

25.09.2009 - Az.: 1/SVK/038-09; B. v. 06.04.2009 - Az.: 1/SVK/005-09; B. v. 26.03.2008 -<br />

Az.: 1/SVK/005-08; VK Südbayern, B. v. 21.07.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-23-06/08). Dem<br />

liegt die Erwägung zugrunde, dass es weder gerechtfertigt noch zumutbar ist, von dem<br />

<strong>Antrag</strong>steller zur Darlegung seiner <strong>Antrag</strong>sbefugnis die Erstellung und Einreichung eines<br />

Angebots zu verlangen, dessen Grundlagen in den Ausschreibungsbedingungen er im<br />

Vergabenachprüfungsverfahren als rechtswidrig bekämpft, so dass bei einem Erfolg des<br />

Nachprüfungsbegehrens die zur Angebotserstellung aufgewendete Zeit und Mühe als<br />

unnötig vertan erscheinen muss. Außerdem könnten auf andere Art und Weise an der<br />

Angebotsabgabe interessierte Unternehmen ansonsten einen gegebenenfalls tatsächlich<br />

vorliegenden Vergabefehler nicht überprüfen lassen, ohne sehenden Auges ein<br />

möglicherweise zeit- und kostenaufwendiges Angebot zu erstellen, das wertlos wäre, weil es<br />

den Vorgaben der Ausschreibungsunterlagen nicht entspricht (OLG Dresden, B. v.<br />

04.07.2008 - Az.: WVerg 3/08; 2. VK Bund, B. v. 8.10.2003 - Az.: VK 2 - 78/03; 3. VK<br />

Bund, B. v. 28.01.2008 - Az.: VK 3 - 154/07; B. v. 24.01.2008 - Az.: VK 3 - 151/07; B. v.


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

09.06.2005 - Az.: VK 3 - 49/05; VK Nordbayern, B. v. 30.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 -<br />

41/09; B. v. 30.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 40/09).<br />

<strong>19.</strong>4.6.7.2.3.2 Produktvorgabe<br />

2693<br />

2694<br />

2695<br />

Trägt ein Unternehmen vor, dass es als Bewerber von der Abgabe eines zuschlagsfähigen<br />

Angebots gerade durch die vergaberechtswidrige Verwendung eines Leitproduktes<br />

abgehalten worden ist, muss es ausnahmsweise auch ohne ein solches Angebot als<br />

antragsbefugt angesehen werden; denn es ist ihm nicht zuzumuten, um jeden Preis ein<br />

Angebot abzugeben, nur um das für die <strong>Antrag</strong>sbefugnis nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 <strong>GWB</strong><br />

erforderliche Interesse am Auftrag zu dokumentieren. Müsste aber wegen des geltend<br />

gemachten Vergabeverstoßes eine produktneutrale Neuausschreibung erfolgen, so könnte der<br />

<strong>Antrag</strong>steller mit einem Hauptangebot in den Kreis derjenigen Angebote kommen, die für<br />

eine Zuschlagserteilung ernsthaft in Betracht zu ziehen sind (OLG München, B. v. 02.08.2007<br />

- Az.: Verg 07/07; BayObLG, B. v. 15.09.2004 - Az.: Verg 026/03; OLG Frankfurt, B. v.<br />

28.10.2003 - Az.: 11 Verg 9/03; B. v. 10.08.2009 - Az.: VK 17/09; VK Lüneburg, B. v.<br />

12.05.2005 - Az.: VgK-15/2005; VK Nordbayern, B. v. 09.07.2009 - Az.: 21.VK - 3194 -<br />

15/09; VK Südbayern, B. v. 21.07.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-23-06/08; B. v. 29.01.2007 - Az.:<br />

39-12/06; B. v. 21.05.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-13-04/07).<br />

Wirkt sich die Produktvorgabe – z.B. hinsichtlich einer Netzwerkmanagementsoftware -<br />

dahingehend aus, dass dadurch eventuell auch eine losweise Ausschreibung ausgeschlossen<br />

wird, rechtfertigt es dieser Umstand, dass sich eine im Rahmen eines förmlichen<br />

Vergabeverfahrens erfolgte Produktvorgabe für die Hersteller/Lieferanten von<br />

Alternativprodukten im Ergebnis wie eine de-facto-Vergabe auswirkt, grundsätzlich<br />

nicht, die Produktvorgabe aus dem Vergabeverfahren „herauszulösen“ und als isolierte<br />

de-facto-Vergabe zu interpretieren mit der Folge, dass sie gesondert und gegebenenfalls<br />

sogar ohne Beachtung der Rügeobliegenheit nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> zum Gegenstand eines<br />

Vergabenachprüfungsverfahrens gemacht werden könnte. Hersteller/Lieferanten von<br />

Alternativprodukten haben die Möglichkeit, die Vergaberechtswidrigkeit der von der<br />

Vergabestelle gewählten Ausgestaltung der Ausschreibung unter Verweis darauf, dass gemäß<br />

<strong>§</strong><strong>§</strong> 97 Abs. 3 <strong>GWB</strong>, 5 Nr. 1 VOL/A eine losweise Vergabe geboten sei, in einem<br />

Nachprüfungsverfahren geltend zu machen (2. VK Bund, B. v. 09.08.2006 - Az.: VK 2 -<br />

77/06).<br />

Ein Schaden für einen Bieter ist aber dann zu verneinen, als er als Vergaberechtsfehler die<br />

"Empfehlung" eines Systems in der Leistungsbeschreibung angreift. Durch diese<br />

"Empfehlung" kommt nur eine Verletzung z.B. des <strong>§</strong> 8 Nr. 3 Abs. 4 VOL/A in Betracht,<br />

wonach eine Beschreibung technischer Merkmale nicht die Wirkung haben darf, dass<br />

bestimmte Unternehmen oder Erzeugnisse bevorzugt oder ausgeschlossen werden.<br />

Zielsetzung dieser Vorschrift ist es, eine Verengung oder sogar Ausschaltung des<br />

Wettbewerbs durch eine einseitige Orientierung des öffentlichen Auftraggebers zu verhindern<br />

und die Chancengleichheit der Bewerber zu wahren. Um einen Schaden durch die Verletzung<br />

dieser Vorschrift geltend machen zu können, müssen sich in irgendeiner Weise die durch eine<br />

einseitige Orientierung des Auftraggebers ausgelösten Wirkungen als Nachteil bei dem Bieter<br />

realisiert haben. Diese Nachteile sind bei dem Bieter jedoch nicht festzustellen, wenn er<br />

von dieser Empfehlung unbeeindruckt ein auf einem anderen System basierendes Angebot<br />

abgegeben hat (2. VK Bund, B. v. 8.8.2003 - Az.: VK 2 - 52/03). Ändert hingegen der<br />

Auftraggeber im Laufe des Vergabeverfahrens die Leistungsbeschreibung dahin, dass ein<br />

ganz konkretes Produkt vorgegeben wird, entspricht das auf einem anderen System


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

beruhende Angebot des Bieters nicht mehr den vom Auftraggeber aufgestellten<br />

Anforderungen. Da folglich ein Zuschlag zu Gunsten dieses Angebotes aussichtslos ist, haben<br />

sich die - angesichts der ursprünglichen Leistungsbeschreibung als realistisch einzuschätzende<br />

Chancen - auf einen Zuschlag verschlechtert (2. VK Bund, B. v. 8.8.2003 - Az.: VK 2 -<br />

52/03).<br />

<strong>19.</strong>4.6.7.2.3.3 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

2696<br />

• trägt ein <strong>Antrag</strong>steller vor, dass er von einer Angebotsabgabe gerade durch die seiner<br />

Ansicht nach fehlerhafte Aufteilung der Leistung in Lose abgehalten worden ist,<br />

geht die Rechtsprechung davon aus, dass es einem Beteiligten am Vergabeverfahren<br />

nicht zuzumuten ist, um jeden Preis ein Angebot abzugeben, nur um das Interesse<br />

an einen Auftrag zu dokumentieren (3. VK Bund, B. v. 15.05.2009 - Az.: VK 3 -<br />

127/09; 3. VK Saarland, B. v. 07.09.2009 - Az.: 3 VK 01/2009; 1. VK Sachsen, B. v.<br />

7.2.2003 - Az.: 1/SVK/007-03)<br />

<strong>19.</strong>4.6.7.2.4 Ausnahme bei Teilnahmewettbewerben<br />

2697<br />

2698<br />

2699<br />

Die gleichen Überlegungen wie für die Angebotserstellung bzw. Angebotsabgabe gelten<br />

für den Teilnahmeantrag bei einem Teilnahmewettbewerb (OLG Düsseldorf, B. v.<br />

01.08.2005 - Az.: VII - Verg 41/05; OLG Thüringen, B. v. 06.06.2007 - Az.: 9 Verg 3/07; VK<br />

Brandenburg, B. v. 22.09.2008 - Az.: VK 27/08; 3. VK Bund, B. v. 09.06.2005 - Az.: VK 3 -<br />

49/05; 3. VK Saarland, B. v. 30.11.2007 - Az.: 1 VK 05/2007).<br />

Auch ist in solchen Fällen ein <strong>Antrag</strong>steller nicht gehalten, unmittelbar nach<br />

Kenntnisnahme der Ausschreibung einen rudimentären oder improvisierenden<br />

Teilnahmeantrag zu stellen, da er erwarten muss, dass der Auftraggeber ihn darauf wegen<br />

Nichterfüllens der Mindestvoraussetzungen vom weiteren Verfahren ausschließen wird. Des<br />

Weiteren ist auch die Darlegung, welchen Teilnahmeantrag der potenzielle Bieter bei einer<br />

fehlerfreien Ausschreibung abgegeben hätte, im Nachprüfungsverfahren nicht erforderlich (3.<br />

VK Bund, B. v. 09.06.2005 - Az.: VK 3 - 49/05).<br />

Den <strong>Antrag</strong>steller trifft bei Nichtabgabe eines Teilnahmeantrags jedoch ebenfalls eine<br />

erhöhte Darlegungs- und Begründungspflicht, um das erforderliche Interesse am<br />

Auftrag nachzuweisen (3. VK Saarland, B. v. 30.11.2007 - Az.: 1 VK 05/2007; 1. VK<br />

Sachsen, B. v. 06.04.2009 - Az.: 1/SVK/005-09; VK Südbayern, B. v. 18.06.2007 - Az.: Z3-<br />

3-3194-1-22-05/07; B. v. 29.01.2007 - Az.: 39-12/06). Dies kann er z.B. durch Anforderung<br />

der Vergabeunterlagen, durch eine Rüge und durch einen Nachprüfungsantrag dokumentieren<br />

(1. VK Sachsen, B. v. 06.04.2009 - Az.: 1/SVK/005-09).<br />

<strong>19.</strong>4.6.7.2.5 Ausnahme des Absehens von einer Angebotsabgabe bei<br />

Rechtmäßigkeit der angegriffenen Vergabebedingung<br />

2700<br />

Die <strong>Antrag</strong>sbefugnis besteht darüber hinaus, wenn und soweit die antragstellende Partei bei<br />

einer Rechtmäßigkeit der von ihr angegriffenen Vergabebedingung von der Abgabe<br />

eines Angebots absehen würde. In Betracht kommen hier Fälle, in denen sich der


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Nachprüfungsantrag gegen eine Anforderung (z. B. die Genehmigung einer<br />

Restabfallbehandlungsanlage) richtet, die der <strong>Antrag</strong>steller nicht erfüllt. Auch dann hat die<br />

antragstellende Partei ein berechtigtes Interesse daran, die Rechtmäßigkeit der - von ihr nicht<br />

einzuhaltenden - Vergabebedingung zur Überprüfung zu stellen, ohne zuvor ein Angebot<br />

abgeben zu müssen, das bei einem Misserfolg des Nachprüfungsbegehrens keinerlei Aussicht<br />

auf den Zuschlag haben würde und bei dem sich folglich der mit der Angebotsangabe<br />

verbundene Aufwand ebenfalls als nutzlos vertan erweisen würde (OLG Düsseldorf, B. v.<br />

9.7.2003 - Az.: Verg 26/03).<br />

<strong>19.</strong>4.6.7.2.6 Ausnahme der de-facto-Vergabe<br />

2701<br />

2702<br />

Hat eine Vergabestelle durch Nichtdurchführung eines den gesetzlichen Vorschriften<br />

entsprechenden Vergabeverfahrens jegliche Förmlichkeit unterlassen, können auch keine<br />

allzu hohen Anforderungen an das Vorliegen der Voraussetzungen des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 Satz 2<br />

<strong>GWB</strong> gestellt werden. In solchen Fällen ist die Abgabe eines Angebotes zur Zulässigkeit<br />

eines Vergabenachprüfungsverfahrens nicht notwendig (1. VK Bund, B. v. 12.12.2002 -<br />

Az.: VK 1 - 83/02; VK Magdeburg, B. v. 6.6.2002 - Az.: 33-32571/07 VK 05/02 MD; im<br />

Ergebnis ebenso VK Baden-Württemberg, B. v. 14.03.2005 - Az.: 1 VK 5/05; VK Münster,<br />

B. v. 26.09.2007 - Az.: VK 17/07).<br />

Man kann auch nicht verlangen, dass ein Unternehmen in einem von ihm nicht als<br />

vergaberechtskonform angesehenen Marktpreiserkundungsverfahren ein Angebot<br />

abgeben muss. Dies indiziert nicht, dass er in einem weiteren förmlichen Vergabeverfahren<br />

kein Angebot abgeben wird. Im Gegenteil geht sein Interesse dahin, vor einem –<br />

vergaberechtskonform - beabsichtigten Vertragsschluss auf jeden Fall mit einem Angebot<br />

präsent zu sein. Durch die bloße Nichtbeteiligung am Marktpreiserkundungsverfahren kann<br />

nicht unterstellt werden, dass das Unternehmen lediglich die Durchführung eines späteren<br />

förmlichen Vergabeverfahrens behindern will, da er selbst kein weiteres Angebot mehr<br />

abgeben will, zumal wenn der Auftraggeber das Marktpreiserkundungsverfahren nicht für die<br />

bloße Vorstufe eines förmlichen Vergabeverfahrens hält (VK Düsseldorf, B. v. 12.09.2006 -<br />

Az.: VK - 37/2006 – L).<br />

<strong>19.</strong>4.6.7.2.7 Umfang der <strong>Antrag</strong>sbefugnis<br />

2703<br />

Die <strong>Antrag</strong>sbefugnis beschränkt sich in solchen Fällen auf die Geltendmachung der<br />

Vergabefehler, die - entweder einzeln oder kumulativ - kausal für den Entschluss der<br />

Nichtbeteiligung gewesen sein können (3. VK Bund, B. v. 09.01.2008 - Az.: VK 3 - 145/07)<br />

und die die Anordnung einer Aufhebung des Verfahrens oder die Wiederholung der<br />

bisherigen Verfahrensschritte rechtfertigen können. Vergaberechtsfehler im Verlauf des<br />

weiteren Verfahrens können nur Bieter rügen, die ein Angebot abgegeben haben, nicht jedoch<br />

andere <strong>Antrag</strong>steller, da ihnen daraus kein Schaden erwachsen kann (VK Schleswig-Holstein,<br />

B. v. 05.10.2005 - Az.: VK-SH 23/05).<br />

<strong>19.</strong>4.6.7.2.8 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

2704<br />

• die Pauschalierung einzelner Leistungspositionen, deren Umfang im Verhältnis zum<br />

Gesamtumfang des Auftrags als geringfügig anzusehen ist, hindert ein interessiertes


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Unternehmen nicht an der Abgabe eines Angebots, wenn der Preis insgesamt<br />

kalkulierbar bleibt (VK Berlin, B. v. 04.05.2009 - Az.: VK - B 2 - 5/09)<br />

• es kann von einem Unternehmen weder verlangt werden, ein zeit- und kostenintensives<br />

Angebot zu erarbeiten, das allein den Preis als einziges zulässiges Zuschlagskriterium<br />

berücksichtigt, noch ein Angebot in Unkenntnis der den Zuschlagskriterien<br />

zugeordneten Gewichtungen zu erstellen. Die Kalkulation eines Angebots unter<br />

Anwendung der (unzulässigen) Kriterien wäre ein nutzloser Aufwand, zumal noch<br />

erschwerend hinzu kam, dass der <strong>Antrag</strong>steller die Gewichtung der Kriterien nicht kannte.<br />

Bei Anwendung nur des Preises als Zuschlagkriterium hätte er in Kauf nehmen müssen,<br />

ein nicht aussichtsreiches Angebot einzureichen. Wenn aber ein Unternehmen erkennt,<br />

dass es durch einen Vergaberechtsverstoß in den veröffentlichten Vergabebedingungen<br />

gehindert oder in seinen Aussichten erheblich beeinträchtigt wird, ein chancenreiches<br />

Angebot einzureichen, ist es nicht gehalten, ein aus seiner Sicht sinnloses Angebot<br />

einzureichen (OLG Düsseldorf, B. v. 14.01.2009 - Az.: VII-Verg 59/08)<br />

• ein drohender Schaden im Sinn von <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 <strong>GWB</strong> liegt nicht vor, wenn sich ein<br />

Unternehmen nicht an einer europaweiten Ausschreibung beteiligt und sich - nach<br />

Aufhebung dieser Ausschreibung - auch nicht an einem Verfahren nach <strong>§</strong> 127 Abs. 2<br />

SGB V beteiligt (VK Brandenburg, B. v. 12.06.2008 - Az.: VK 12/08)<br />

• wenn die Vergabestelle die Übernahme von Abfällen zur Verwertung ausschreibt,<br />

muss ein Unternehmen, welches die Verwertung für abfallrechtlich fehlerhaft hält,<br />

kein Angebot abgeben. Die Abgabe eines Angebotes gerichtet auf die Beseitigung der<br />

Abfälle würde sich als nutzloser Aufwand darstellen, da es von der Vergabestelle nicht<br />

gewertet würde (VK Düsseldorf, B. v. 15.08.2008 - Az.: VK – 18/2008 – L)<br />

• ihr Interesse am Auftrag hat die <strong>Antrag</strong>stellerin zwar nicht durch die Unterbreitung eines<br />

Angebotes dargelegt. Sie hat jedoch geltend gemacht, in ihren Rechten nach <strong>§</strong> 97 Abs. 7<br />

<strong>GWB</strong> dadurch verletzt zu sein, dass der <strong>Antrag</strong>sgegner als Eignungsvoraussetzung die<br />

im Verhältnis der Fa. Microsoft zu ihren Händlern verliehene Qualifizierung als<br />

„LAR“ aufgestellt hat und die <strong>Antrag</strong>stellerin diese Einstufung nicht aufweist. Eine<br />

Angebotsabgabe durch die <strong>Antrag</strong>stellerin wäre deshalb von vorne herein aussichtslos und<br />

ihr deshalb als überflüssiger Aufwand nicht zumutbar (VK Düsseldorf, B. v. 23.05.2008 -<br />

Az.: VK - 7/2008 – L)<br />

• die Vorgehensweise, kein Angebot zu den angegriffenen Bedingungen abzugeben, ist<br />

angesichts des erheblichen Preisvorsprungs auf der Grundlage von Bruttoangeboten,<br />

den das Umsatzsteuerprivileg nach <strong>§</strong> 4 Nr. 11 b UStG der ASt verschafft,<br />

nachvollziehbar. Dem steht nicht entgegen, dass der Preis nur mit einem Gewicht von 50<br />

% in die Wertung eingeht, denn die ASt hatte keinen Anlass, davon auszugehen, sie werde<br />

ihren preislichen Nachteil auf qualitativer Ebene gegenüber der Bg als dem größten<br />

deutschen Postdienstleister ohne weiteres kompensieren können. Soweit die Ag darauf<br />

verweist, die ASt habe nur darüber spekulieren können, dass die Bg sich überhaupt an der<br />

Ausschreibung beteiligen werde, kann dies nicht überzeugen. Denn die Änderung des<br />

Wertungsmaßstabs konnte allein den Sinn haben, die umsatzsteuerliche Privilegierung<br />

eines Bieters zu berücksichtigen; als dieser privilegierte Bieter kam allein die Bg ernsthaft<br />

in Betracht, mit deren Angebot überdies schon angesichts der Dimension des Auftrags zu<br />

rechnen war. Dass die ASt die Auffassung vertritt, tatsächlich greife das steuerliche<br />

Privileg des <strong>§</strong> 4 Nr. 11 b UStG wegen der Europarechtswidrigkeit dieser Vorschrift nicht<br />

zugunsten der Bg durch, ändert nichts daran, dass die ASt davon ausgehen musste, die Ag<br />

werde sich dieser Ansicht nicht anschließen. Die ASt konnte bereits aus diesem Grunde<br />

nicht erwarten, dass im Rahmen der Wertung der Preisvorteil der Bg durch ein<br />

Hinzurechnen der Mehrwertsteuer seitens der Ag eliminiert werden würde. Die<br />

Nichtabgabe eines Angebots steht daher im vorliegenden Falle der Bejahung eines


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Interesses der ASt am Auftrag nicht entgegen (2. VK Bund, B. v. 07.03.2008 - Az.: VK 2<br />

– 13/08)<br />

• die fehlende Teilnahme eines <strong>Antrag</strong>stellers an einem Vergabeverfahren lässt seine<br />

<strong>Antrag</strong>sbefugnis jedoch nicht ohne weiteres entfallen, wenn er rügt, gerade durch den zur<br />

Überprüfung gestellten vergaberechtlichen Verstoß an der Abgabe eines Angebots<br />

gehindert worden zu sein. Den <strong>Antrag</strong>steller trifft bei Nichtabgabe eines Angebots<br />

jedoch eine erhöhte Darlegungs- und Begründungspflicht, um das erforderliche<br />

Interesse am Auftrag nachzuweisen. Dieser Darlegungs- und Begründungspflicht ist der<br />

<strong>Antrag</strong>steller nach Auffassung der Vergabekammer in diesem Verfahren nicht<br />

nachgekommen. Die bloßen, unsubstanziierten Hinweise auf das Urteil des BGH vom<br />

14.12.1976 - Az. 251/73, oder dass sich der Monopolvermittler nicht um die<br />

Preistransparenz kümmert und das PAngV, sowie der preisblinden Vermittlung der<br />

Dienstleistung, aber auch die stark einseitige Vorteilsgewährung für die<br />

kostenpflichtig listenden Firmengruppen (VBA und Kfz-Innung) genügen dieser<br />

Pflicht nicht (VK Südbayern, B. v. 18.06.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-22-05/07)<br />

• im Reinigungsbereich ermöglicht auch ein geltend gemachter Vergaberechtsverstoß,<br />

nämlich die Einschränkung des Wettbewerbs durch das Zusammenspiel des<br />

Wertungskriteriums „Preis“ mit den Vorgaben einer „Richtleistung“ und eines<br />

„Richtpreises“, durchaus die Abgabe eines aussichtsreichen Angebotes, wenn die<br />

entsprechenden Richtwerte beachtet werden. Von den Vorgaben wird jedes Unternehmen<br />

betroffen. Die vom Auftraggeber gesetzten Rahmenbedingungen führen dazu, dass alle<br />

anbietenden Unternehmen Wettbewerbselemente wie Preis und Leistung nicht in der<br />

Bandbreite einsetzen können, wie sie es ohne die Vorgaben gegebenenfalls täten.<br />

Derartige Beschränkungen setzt der Auftraggeber aber direkt oder indirekt in<br />

jedem Wettbewerbsverfahren. Auch eine Wertungsmethode, die dem Preis eine sehr<br />

geringe Gewichtung zuweist, hindert die Unternehmen daran, dieses Wettbewerbselement<br />

weiter zur Geltung zu bringen wie eine sehr hohe Gewichtung des Preises andere<br />

Unternehmen daran hindert, Qualitätsunterschiede voll zur Geltung zu bringen. Die<br />

Anforderung bestimmter technischer Merkmale kann Unternehmen daran hindern, ihre<br />

jeweiligen Fertigungsmethoden, Beschaffungswege, Fortentwicklungen etc. optimal in<br />

den Wettbewerb einzubringen. Das Erfordernis der Angebotsabgabe als Beleg des<br />

Interesses am Auftrag würde also praktisch aufgegeben, wenn bereits dann eine<br />

<strong>Antrag</strong>stellung ohne Angebotsabgabe zugelassen würde, wenn der <strong>Antrag</strong>steller<br />

geltend macht, bei anderen, vergaberechtskonformen Wettbewerbsbedingungen ein<br />

optimaleres, aussichtsreicheres Angebot abgeben zu können, ohne dass die<br />

Chancenlosigkeit eines eigenen Angebotes dargelegt werden könnte. Es würde gleichfalls<br />

dem Beschleunigungsgebot widersprechen, wenn ein <strong>Antrag</strong>steller zunächst versuchen<br />

könnte, für sich optimalere Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, bevor er überhaupt ein<br />

Angebot abgibt (VK Düsseldorf, B. v. 02.05.2008 - Az.: VK - 10/2008 – L)<br />

• ein Bieter kann bei Reinigungsausschreibungen auch nicht geltend machen, dass ihm<br />

durch die Angebotserstellung ein unzumutbarer Aufwand entstünde, ohne dass<br />

dieser – aufgrund der geltend gemachten Nivellierung des Wettbewerbes durch die<br />

<strong>Antrag</strong>sgegnerin - in irgendeiner Form wettbewerbserheblich würde. Der Umfang, in<br />

dem die Anbieter Preisangaben für die einzelnen Objekte zu machen hatten, entspricht<br />

dem bei der Ausschreibung von Reinigungsdienstleistungen absolut Üblichen. Weiterer<br />

Aufwand war bei der Angebotserstellung nicht gefordert. Die Wettbewerbsbedingungen<br />

der <strong>Antrag</strong>sgegnerin waren auch nicht so gehalten, dass der Aufwand, den die Bieter zu<br />

leisten hatten, nämlich Preise zu kalkulieren, für die Angebotsbewertung völlig<br />

unerheblich würde. Die <strong>Antrag</strong>sgegnerin beabsichtigt, die angebotenen Preise miteinander<br />

zu vergleichen und sie hat den Bietern einen Spielraum eröffnet, der unterschiedliche<br />

Angebotspreise nicht ausschließt. Die <strong>Antrag</strong>sgegnerin trägt zwar sinngemäß vor, dass


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

keines der zu erwartenden Angebote höhere Preise aufweisen würde als sie sich durch<br />

einfache Multiplikation der niedrigsten von der <strong>Antrag</strong>sgegnerin zugelassenen Preis- und<br />

Leistungswerte ergeben würden, gibt hierfür aber keine nachvollziehbare Begründung ab.<br />

Das bloße Bestreiten der Sachgerechtigkeit der von der <strong>Antrag</strong>sgegnerin angesetzten<br />

Richtwerte als untere Grenzen reicht nicht aus, da es sich bei der <strong>Antrag</strong>stellerin um ein<br />

Fachunternehmen handelt. Die Argumentation der <strong>Antrag</strong>stellerin wäre nur dann<br />

schlüssig, wenn sie anhand von Musterberechnungen der üblichen stündlichen<br />

Reinigungsleistung(en) sowie der üblichen Kostenansätze (Sozialabgaben, bezahlte<br />

Ausfallzeiten, allgemeine Betriebskosten, Wagnis etc.) dargelegt hätte, dass die von der<br />

<strong>Antrag</strong>sgegnerin angesetzten Richtwerte einschließlich des von der <strong>Antrag</strong>sgegnerin<br />

geöffneten Spielraumes von 20% unter den vorgegebenen Leistungsansatz eine derartige<br />

Überauskömmlichkeit darstellen, dass jeder normal kalkulierende Betrieb ohne weiteres<br />

die jeweils niedrigsten Preise anbieten könnte. Dies hat die <strong>Antrag</strong>stellerin nicht<br />

vorgetragen und es liegt auch nicht als offenkundig auf der Hand. Auch die abgegebenen<br />

Angebote dokumentieren eine Bandbreite bei den angebotenen Preisen von mehreren<br />

tausend Euro pro Objekt und belegen deshalb nicht, dass noch die untersten Richtwerte<br />

der <strong>Antrag</strong>sgegnerin für alle Wettbewerbsteilnehmer eine überauskömmliche Kalkulation<br />

ermöglicht hätten. Es verbleibt demnach in dem vorliegenden Verfahren bei der<br />

Anforderung, dass die <strong>Antrag</strong>stellerin ihr Interesse am Auftrag durch ein eigenes Angebot<br />

hätte dokumentieren müssen, was sie jedoch unterlassen hat (VK Düsseldorf, B. v.<br />

02.05.2008 - Az.: VK - 10/2008 – L)<br />

• wirken sich die beanstandeten Regelungen der Verdingungsunterlagen unmittelbar<br />

auf die Planbarkeit der einzusetzenden Ressourcen und auf die Kalkulation des<br />

Angebotspreises aus, kann die Erstellung eines Angebots auf unsicherer<br />

Kalkulationsgrundlage einem Bieter nicht zugemutet werden. Er würde sich nämlich<br />

damit dem Risiko aussetzen, im Fall der Zuschlagserteilung an ein Angebot gebunden zu<br />

sein, das er so gar nicht abgeben wollte. Er muss auch nicht ein Angebot unter Vorbehalt<br />

und damit ein von vornherein mit dem Risiko eines Ausschlussgrundes behaftetes<br />

Angebot abgegeben (3. VK Bund, B. v. 28.01.2008 - Az.: VK 3 - 154/07; B. v.<br />

24.01.2008 - Az.: VK 3 - 151/07)<br />

• die <strong>Antrag</strong>sbefugnis scheitert nicht schon daran, dass der <strong>Antrag</strong>steller keine<br />

Bewerbung abgegeben hat und somit formal betrachtet am<br />

Ausschreibungsverfahren nicht teilnimmt. Denn er rügt die aus seiner Sicht<br />

vergaberechtlich unzulässige Art und Weise der Ausschreibung (Gesamtvergabe<br />

gemischter Beratungsleistungen statt einer losweisen Ausschreibung des Teilbereichs<br />

Rechtsberatung), die ihn gerade an einer Teilnahme gehindert habe, weil er sich zu einer<br />

Erbringung der verlangten wirtschaftlichen und technischen Beratung außer Stande sehe.<br />

In derartigen Fällen ist ein Unternehmen nicht gehalten, einen aus seiner Sicht<br />

sinnlosen Teilnahmeantrag zu stellen (OLG Thüringen, B. v. 06.06.2007 - Az.: 9 Verg<br />

3/07)<br />

• ist die <strong>Antrag</strong>stellerin ein Unternehmen, das ausweislich seines „track record“ als<br />

Beratungsunternehmen im Bereich der Privatisierung öffentlicher Unternehmen tätig ist<br />

wobei es unerheblich ist, ob die <strong>Antrag</strong>stellerin dem Auftraggeber als in diesem Bereich<br />

tätiges Unternehmen bekannt ist – und erlangt die <strong>Antrag</strong>stellerin erst am letzten Tag<br />

der Frist für die Abgabe eines Teilnahmeantrages Kenntnis von der Ausschreibung,<br />

ist sie daher an der Abgabe eines Teilnahmeantrages gehindert, wenn dessen<br />

Ausarbeitung die Vorlage vielfältiger Nachweise u.a. bezüglich ihrer fachlichen Eignung,<br />

zu wesentlichen Privatisierungsprojekten der letzten drei Jahre sowie Erklärungen zur<br />

personellen Kapazität zur Erledigung des Auftrages erfordert und in der verbliebenen Zeit<br />

nicht mehr möglich ist (3. VK Bund, B. v. 09.06.2005 - Az.: VK 3 - 49/05)


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

• trägt ein Unternehmen vor, dass es als Bewerber von der Abgabe eines<br />

zuschlagsfähigen Angebots gerade durch die vergaberechtswidrige Verwendung<br />

eines Leitproduktes abgehalten worden ist, muss es ausnahmsweise auch ohne ein<br />

solches Angebot als antragsbefugt angesehen werden; denn es ist ihm nicht zuzumuten,<br />

um jeden Preis ein Angebot abzugeben, nur um das für die <strong>Antrag</strong>sbefugnis nach <strong>§</strong> <strong>107</strong><br />

Abs. 2 <strong>GWB</strong> erforderliche Interesse am Auftrag zu dokumentieren. Müsste aber wegen<br />

des geltend gemachten Vergabeverstoßes eine produktneutrale Neuausschreibung<br />

erfolgen, so könnte der <strong>Antrag</strong>steller mit einem Hauptangebot in den Kreis derjenigen<br />

Angebote kommen, die für eine Zuschlagserteilung ernsthaft in Betracht zu ziehen sind<br />

(BayObLG, B. v. 15.09.2004 - Az.: Verg 026/03; OLG Frankfurt, B. v. 28.10.2003 - Az.:<br />

11 Verg 9/03; VK Südbayern, B. v. 29.01.2007 - Az.: 39-12/06).<br />

<strong>19.</strong>4.6.8 Drohender Schaden bei fehlender Angebotsabgabe für ein Los<br />

2705<br />

Bewirbt sich ein Bieter mit seinem Angebot nur für einzelne Lose und trägt er auch weder<br />

vor noch ist sonst ersichtlich, dass er an der Abgabe eines Angebotes hinsichtlich der anderen<br />

Lose gehindert gewesen sei, fehlt ihm für diese Lose die <strong>Antrag</strong>sbefugnis (VK Thüringen,<br />

B. v. 9.9.2003, Az.: 216-403.20-015/03-GTH).<br />

<strong>19.</strong>4.6.9 Drohender Schaden bei Angebotsabgabe für ein oder mehrere Lose<br />

2706<br />

2707<br />

2708<br />

Gibt ein Unternehmen bei einer losweisen Ausschreibung ein Angebot für alle Lose ab und ist<br />

das Angebot für ein Los wegen fehlender Preise auszuschließen, besteht noch eine<br />

<strong>Antrag</strong>sbefugnis für die übrigen Lose (VK Südbayern, B. v. 27.8.2003 - Az.: 33-07/03).<br />

Ein drohender Schaden kann nicht pauschal mit dem Argument in Abrede gestellt<br />

werden, dass ein <strong>Antrag</strong>steller nur an einem Einzellos interessiert ist, also nicht in der<br />

Lage ist, ein Gesamtangebot abzugeben. Nach <strong>§</strong> 97 Abs. 3 <strong>GWB</strong> sind mittelständische<br />

Interessen vornehmlich durch Teilung des Auftrags in Lose zu berücksichtigen. Auch aus <strong>§</strong> 5<br />

VOL/A ergibt sich die grundsätzliche Pflicht zur Losbildung. Hierbei wird als<br />

selbstverständlich davon ausgegangen, dass der Auftraggeber hierdurch entstehende<br />

Mehrkosten und einen Mehraufwand in Kauf zu nehmen hat (VK Baden-Württemberg, B. v.<br />

14.03.2005 - Az.: 1 VK 5/05).<br />

Ein (möglicher) Schaden einer antragstellenden Bietergemeinschaft kann nicht daraus<br />

hergeleitet werden, dass sich die einzelnen Mitglieder dieser Bietergemeinschaft bei<br />

einem kleineren Loszuschnitt allein um den Auftrag hätten bewerben können, wenn die<br />

einzelnen Mitglieder der Bietergemeinschaft nicht <strong>Antrag</strong>steller sind. Dann können sie nicht<br />

geltend machen, ihnen ist durch den Loszuschnitt – weil sie sich nicht einzeln bewerben<br />

konnten – ein Schaden entstanden. Dazu bedarf es einer <strong>Antrag</strong>stellung durch die einzelnen<br />

Mitglieder der Bietergemeinschaft selbst (3. VK Bund, B. v. 12.07.2005 - Az.: VK 3 – 67/05).<br />

<strong>19.</strong>4.6.10 Drohender Schaden trotz Angebotsabgabe<br />

2709<br />

Die Gefahr eines drohenden Schadens wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Bieter<br />

trotz der gerügten Verstöße ein Angebot abgegeben hat. Aus der Tatsache, dass der Bieter


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

seine Chance, den Auftrag zu bekommen, auf jeden Fall durch die fristgerechte Abgabe eines<br />

Angebots wahren will, kann nicht abgeleitet werden, dass eine Schadensgefahr nicht bestehe<br />

(VK Düsseldorf, B. v. 22.10.2003 - Az.: VK - 29/2003 – L; 1. VK Hessen, B. v. 31.03.2008 -<br />

Az.: 69 d VK - 9/2008; 2. VK Hessen, B. v. 26.04.2007 - Az.: 69d VK - 08/2007). Wäre z. B.<br />

die Ausschreibung im Sinne des Bieters eindeutiger formuliert worden, in Lose aufgeteilt und<br />

die materiellen Anforderungen ebenfalls im Sinne des Bieters angemessen, so hätte er<br />

möglicherweise anders und möglicherweise besser kalkulieren können. Eine Verbesserung<br />

der Zuschlagsaussichten bei Vermeidung der vorgetragenen Verstöße wäre daher<br />

durchaus vorstellbar (1. VK Bund, B. v. 21.9.2001 - Az.: VK 1 - 33/01; im Ergebnis ebenso<br />

1. VK Bund, B. v. 25.4.2002 - Az.: VK 1 - 11/02, VK 1 - 13/02, VK 1 - 15/02).<br />

2710<br />

2711<br />

2712<br />

Es unterliegt allein der unternehmerischen Entscheidung eines <strong>Antrag</strong>stellers, ob er sich auch<br />

trotz einer den Anforderungen des <strong>§</strong> 8 VOL/A nicht entsprechenden Ausschreibung am<br />

Vergabeverfahren beteiligt und er damit - für den Fall, dass er mit seinem<br />

Nachprüfungsantrag nicht durchdringt, - das Risiko eingeht, entweder ein nicht<br />

wettbewerbsfähiges Angebot abzugeben oder - im Falle der Zuschlagserteilung - die<br />

Angebotssumme zu gering kalkuliert zu haben. Die mögliche Verwirklichung eines der<br />

beiden zuvor genannten Risiken (Abgabe eines nicht konkurrenzfähigen oder nicht<br />

auskömmlichen Angebots) führt auch dazu, dass dem <strong>Antrag</strong>steller möglicherweise ein<br />

Schaden zu entstehen droht (2. VK Hessen, B. v. 26.04.2007 - Az.: 69 d VK - 08/2007).<br />

Einer Angebotsabgabe kann auch nach Treu und Glauben (<strong>§</strong><strong>§</strong> 242, 133 BGB) nicht die<br />

Bedeutung eines bewussten Verzichtes auf alle etwa vorher gemachten Beanstandungen<br />

beigelegt werden. Ein derartiger Verzicht muss vielmehr ausdrücklich erklärt bzw. sich<br />

eindeutig aus den sonstigen Umständen ergeben (1. VK Hessen, B. v. 31.03.2008 - Az.: 69 d<br />

VK - 9/2008).<br />

Ist das Rechtsschutzziel eines Bieters, eine Ausschreibung nicht nach PZN, sondern nach<br />

Wirkstoffen oder Wirkstoffgruppen vorzunehmen, liegt die Beeinträchtigung der<br />

Zuschlagschancen darin, dass sie gehindert ist, im Rahmen einer nach PZN<br />

durchgeführten Ausschreibung überhaupt ein Angebot abzugeben. Hinzu kommt, dass<br />

der Bieter im Rahmen der von ihm begehrten Ausschreibung, vorausgesetzt er erhält für<br />

einzelne Wirkstoffe oder Wirkstoffgruppen den Zuschlag, ein höheres Auftragsvolumen<br />

erreichen kann als bei einer Ausschreibung nach PZN. Dieser zumindest hypothetischen<br />

Chance des Bieters kann nicht entgegengehalten werden, die Ärzte würden aufgrund ihrer<br />

Therapiefreiheit über die Bedarfsdeckung entscheiden, weshalb der Abschluss<br />

wirkstoffbezogener Rahmenvereinbarungen mit dem Bieter keinen Einfluss auf das<br />

Bestellverhalten der Ärzte hätte und damit auch die Zuschlagschancen des Bieters nicht<br />

verbessert würden. Diese Einwand setzt voraus, dass die Krankenkassen keine Möglichkeiten<br />

hätten, das Bestellverhalten der Ärzte - zumindest teilweise - auf die durch<br />

Rahmenvereinbarungen begünstigten Präparate zu lenken. Hieran bestehen jedoch bereits<br />

aufgrund des im Sozialrecht geltenden Wirtschaftlichkeitsgebots (<strong>§</strong> 12 Abs. 1 SGB V),<br />

dem auch die Ärzte als Leistungserbringer unterliegen, erhebliche Zweifel, so dass<br />

zumindest die Möglichkeit eines drohenden Schadens im Sinne des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 <strong>GWB</strong><br />

hier nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann. Außerdem ist zu berücksichtigen,<br />

dass trotz der Sprechstundenbedarfsvereinbarung, die im Rahmen der Sprechstundenbedarfs<br />

bestellte Kontrastmittel von einer Preisprüfung ausnimmt, eine Preisprüfung dieser<br />

Bestellungen im Rahmen der Gesamtwirtschaftlichkeitsprüfung einer Arztpraxis<br />

vorgenommen werden kann. Die in der Sprechstundenbedarfsvereinbarung geregelte<br />

Ausnahme von einer Preisprüfung gilt lediglich für die einzelne Bestellung. Damit kann –<br />

zumindest in einem begrenzten Rahmen – das Bestellverhalten der Ärzte zugunsten der durch


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Rahmenvereinbarungen erfassten Präparate beeinflusst werden (1. VK Bund, B. v. 17.04.2009<br />

- Az.: VK 1 - 35/09).<br />

<strong>19.</strong>4.6.11 Drohender Schaden bei einem aufgrund der Rangstelle<br />

chancenlosen Angebot<br />

2713<br />

2714<br />

2715<br />

2716<br />

2717<br />

2718<br />

Die Rechtsprechung ist insoweit nicht einheitlich.<br />

Die 2. Vergabekammer des Bundes vertritt die Auffassung, dass auch bei dem teuersten<br />

Angebot nicht von vornherein auszuschließen ist, dass bei einer erneuten Entscheidung, bei<br />

der alle Zuschlagskriterien gewertet werden, dieses Angebot in den Kreis derjenigen<br />

Angebote kommt, die für eine Zuschlagserteilung ernsthaft in Betracht zu ziehen sind. Für die<br />

<strong>Antrag</strong>sbefugnis ist das ausreichend (2. VK Bund, B. v. 23.5.2002 - Az.: VK 2 - 18/02).<br />

Ist ein Angebot in der Wirtschaftlichkeitsbewertung auf dem letzten Rang platziert, trägt<br />

aber der Bieter vor, aufgrund der unzureichenden Kalkulationsangaben des<br />

Auftraggebers nur eine "vorsichtige" Kalkulation ihres Angebots vorgenommen zu haben,<br />

ist nicht auszuschließen, dass der Bieter ohne den behaupteten Verstoß gegen<br />

Vergaberecht ein besseres Angebot abgegeben und somit bessere Chancen auf den<br />

Zuschlag gehabt hätte (2. VK Bund, B. v. 10.04.2008 - Az.: VK 2 - 37/08).<br />

Ist nicht gänzlich ausgeschlossen, dass ein Bieter trotz des nicht preislich günstigsten<br />

Angebots nicht doch noch für den Zuschlag in Frage kommen kann, z.B. weil der<br />

Zuschlag nicht auf das preislich günstigste sondern auf das unter Beachtung mehrerer<br />

Kriterien wirtschaftlichste Angebot erteilt werden soll, hat der Bieter zumindest eine<br />

Chance auf den Zuschlag. Dies ist für die Darlegung der <strong>Antrag</strong>sbefugnis im Sinn von <strong>§</strong> <strong>107</strong><br />

<strong>GWB</strong> ausreichend (1. VK Bund, B. v. 31.08.2009 - Az.: VK 1 - 152/09; VK Südbayern, B. v.<br />

10.06.2005 - Az.: 20-04/05; B. v. 10.05.2005 - Az.: 12-03/05).<br />

Auch die 3. VK Bund bejaht die <strong>Antrag</strong>sbefugnis eines Bieters, selbst wenn der<br />

punktemäßige Vorsprung des Angebots des erstplatzierten Bieters nach der derzeitigen<br />

Wertung uneinholbar sein sollte. Zur Begründung seiner <strong>Antrag</strong>sbefugnis muss ein<br />

<strong>Antrag</strong>steller nämlich lediglich geltend machen, dass sich seine Zuschlagschancen z.B.<br />

aufgrund der fehlerhaften Wertung des <strong>Antrag</strong>sgegners zumindest verschlechtert haben<br />

könnten. Dies ist dann der Fall, wenn sich der <strong>Antrag</strong>steller u.a. gerade darauf beruft, dass<br />

die Wertung der Angebotspreise durch den Auftraggeber vergabefehlerhaft war und der<br />

erstplatzierte Bieter nicht den tariflichen Vorgaben entsprochen habe (3. VK Bund, B. v.<br />

08.01.2008 - Az.: VK 3 - 148/07).<br />

Ähnlich argumentiert die VK Schleswig-Holstein. Liegt das Angebot eines Bieters auf einem<br />

wirtschaftlich aussichtslosen Rang, lässt dies die <strong>Antrag</strong>sbefugnis grundsätzlich entfallen, da<br />

auf einem abgeschlagenen Platz in der Bieterreihenfolge liegende <strong>Antrag</strong>steller (auch bei<br />

Wegfall der für den Zuschlag vorgesehenen Bieter) keine realistische Aussicht auf eine<br />

Zuschlagserteilung haben. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die Position des<br />

<strong>Antrag</strong>stellers durch die unterstellten Vergaberechtsverstöße hervorgerufen worden ist,<br />

wobei substantiiert dazulegen ist, warum der behauptete Vergabefehler sich nicht nur<br />

auf das Angebot des <strong>Antrag</strong>stellers auswirkt, sondern auf alle vor ihr liegenden<br />

Angebote. Trägt der <strong>Antrag</strong>steller gerade vor, dass kein Bieter durch die gerügten<br />

Vergaberechtsverstöße vernünftig kalkulieren kann und somit alle Angebote nicht<br />

wirtschaftlich miteinander vergleichbar wären, besteht in diesem Fall die Möglichkeit, dass


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

der aussichtslose Platz des <strong>Antrag</strong>stellers aufgrund der fehlenden<br />

Kalkulationsmöglichkeiten gegeben ist. Davon wären auch alle vor ihm liegenden Angebote<br />

betroffen, so dass die Chance auf einen Zuschlag nach einem Einholen neuer Angebote und<br />

einer neuen Bewertung gewahrt würde. Insofern ist der <strong>Antrag</strong>steller antragsbefugt (VK<br />

Schleswig-Holstein, B. v. 07.07.2009 - Az.: VK-SH 05/09; B. v. 17.09.2008 - Az.: VK-SH<br />

10/08).<br />

2719<br />

2720<br />

2721<br />

2722<br />

Nach einer insoweit anderen Auffassung ist die <strong>Antrag</strong>sbefugnis zu verneinen, wenn der<br />

Bieter keine Anhaltspunkte dafür liefert, inwieweit sein Angebot auf Grund anderer<br />

genannter Wertungskriterien wirtschaftlich günstiger sein soll als das mit dem<br />

geringsten Preis, sodass davon auszugehen ist, dass das niedrigste Angebot auch das<br />

wirtschaftlichste ist (VK Berlin, B. v. 15.09.2004 - Az.: VK - B 2 – 47/04) bzw. wenn ein aus<br />

der jeweils plausibel behaupteten Rechtsverletzung folgender wirtschaftlicher Nachteil<br />

offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist (VK<br />

Lüneburg, B. v. 04.03.2005 - Az.: VgK-03/2005) bzw. wenn – unterstellt, der <strong>Antrag</strong>steller<br />

erhält im Rahmen eines VOF-Verfahrens die jeweils höchstmögliche Punktzahl bei allen<br />

gerügten Punkten – er dennoch auf einem abgeschlagenen Wertungsrang liegt (VK Berlin, B.<br />

v. 10.09.2004 - Az.: VK - B 2 – 44/04) bzw. wenn dem Angebot des <strong>Antrag</strong>stellers mehrere<br />

andere preisgünstigere Angebote vorgehen, bei denen keine Ausschlussgründe vorliegen.<br />

Es erscheint in solchen Fällen ausgeschlossen, dass alle diese Angebote auszuschließen wären<br />

bzw. dass ein hoher preislicher Nachteil des Angebots des <strong>Antrag</strong>stellers im Vergleich zu den<br />

anderen Angeboten durch die Bewertung des Angebots nach weiteren Zuschlagskriterien<br />

(z.B. Qualität und Zuschlagfrist) hätte kompensiert werden können (VK Baden-Württemberg,<br />

B. v. 28.05.2009 - Az.: 1 VK 21/09; B. v. 05.01.2009 - Az.: 1 VK 63/08; 1. VK Brandenburg,<br />

B. v. 18.06.2007 - Az.: 1 VK 20/07; B. v. 11.06.2007 - Az.: 1 VK 18/07; B. v. 06.12.2006 -<br />

Az.: 1 VK 51/06; 3. VK Bund, B. v. 04.05.2005 - Az.: VK 3 – 22/05; VK Schleswig-Holstein,<br />

B. v. 05.07.2007 - Az.: VK-SH 13/07; B. v. 31.01.2006 - Az.: VK-SH 33/05). Die<br />

<strong>Antrag</strong>sbefugnis eines Bieters ist nur dann trotz einer aussichtslosen Position in der<br />

Wertungsreihenfolge zu bejahen, wenn diese Position durch die unterstellten<br />

Vergaberechtsverstöße hervorgerufen worden ist (VK Schleswig-Holstein, B. v. 05.07.2007<br />

- Az.: VK-SH 13/07).<br />

Bei Verfahrensfehlern des Auftraggebers (zu knappe Frist, unvollständiges<br />

Leistungsverzeichnis) kann der <strong>Antrag</strong>steller geltend machen, er wäre bei ausreichender Frist,<br />

vollständigem Leistungsverzeichnis und Ortsbesichtigung mit Architekten in der Lage<br />

gewesen, ein vollständiges Angebot abzugeben und entsprechend knapp zu kalkulieren, so<br />

dass sein Angebot wettbewerbsfähig und preisgünstig gewesen wäre (2. VK Bund, B. v.<br />

10.7.2002 - Az.: VK 2 - 24/02).<br />

Ähnlich argumentiert das OLG Düsseldorf (B. v. 24.3.2004 - Az.: Verg 7/04). Danach fehlt<br />

einem <strong>Antrag</strong>steller auch dann nicht die <strong>Antrag</strong>sbefugnis, wenn sein Angebot wegen<br />

Unvollständigkeit auszuschließen ist, sofern der Bieter eine fehlende<br />

Ordnungsgemäßheit der Ausschreibungsbedingungen (z. B. unzulässig hohe Verwendung<br />

von Wahlpositionen) geltend macht. Denn durch diesbezügliche Mängel werden die<br />

Bieterrechte eines <strong>Antrag</strong>stellers unabhängig davon verletzt, ob sein - auf die<br />

vergaberechtswidrig gestaltete Ausschreibung - abgegebenes Angebot wertbar ist oder nicht.<br />

Nach ständiger Rechtsprechung des OLG Thüringen (B. v. 15.7.2003 - Az.: 6 Verg 7/03)<br />

fehlt einem Vergabeprüfungsantrag das in <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 <strong>GWB</strong> vorausgesetzte<br />

Rechtsschutzbedürfnis, wenn der <strong>Antrag</strong>steller im Falle einer Neubewertung seines<br />

Angebots mit dem Erhalt des Zuschlags oder zumindest der Verbesserung der


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Zuschlagschancen nicht rechnen darf (im Ergebnis ebenso Saarländisches OLG, B. v.<br />

06.04.2005 - Az.: 1 Verg 1/05; 2. VK Bund, B. v. 06.08.2004 - Az.: VK 2 – 94/04).<br />

2723<br />

2724<br />

Nach Auffassung des OLG Düsseldorf ist die <strong>Antrag</strong>sbefugnis eines Bieters zu bejahen,<br />

der bei einer Reinigungsausschreibung das niedrigste Angebot abgegeben hat, vom<br />

Auftraggeber aber wegen einer erheblichen Unterschreitung von Stundenrichtwerten<br />

ausgeschlossen wird und hilfsweise die Neuausschreibung und damit eine zweite Chance<br />

fordert (OLG Düsseldorf, B. v. 27.02.2008 - Az.: VII-Verg 41/07).<br />

Die 2. VK Bund überträgt die Rechtsprechung zum drohenden Schaden bei einem aufgrund<br />

formaler Angebotsfehler chancenlosen Angebot und der Chance auf Abgabe eines neuen<br />

Angebots für den Fall, dass alle Angebote ausgeschlossen werden müssen, auch auf die<br />

Fallkonstellation, dass ein Bieter mit seinem Angebot auf einem wirtschaftlich<br />

aussichtslosen Platz liegt, aber nicht auszuschließen ist, dass der Bieter eine neue<br />

Chance zur Angebotsabgabe erhält, weil die Ausschreibung z.B. wegen inhaltlicher<br />

Mängel neu gestartet werden muss (2. VK Bund, B. v. 26.05.2009 - Az.: VK 2 – 30/09; 3.<br />

VK Bund, B. v. 23.11.2009 - Az.: VK 3 - 199/09; B. v. 06.04.2009 - Az.: VK 3 – 49/09).<br />

<strong>19.</strong>4.6.12 Drohender Schaden bei einem aufgrund formaler Angebotsfehler<br />

chancenlosen Angebot<br />

<strong>19.</strong>4.6.12.1 Rechtsprechung<br />

<strong>19.</strong>4.6.12.1.1 Grundsätze<br />

2725<br />

Der Umstand, dass das Angebot eines Bieters ausgeschlossen werden darf oder muss, mag<br />

zwar die Feststellung rechtfertigen, dass der Bieter durch den begründeten Ausschluss von der<br />

Wertung nicht betroffen und deshalb insoweit nicht in seinen Rechten verletzt ist (VK<br />

Brandenburg, B. v. 16.12.2009 - Az.: VK 42/09; 1. VK Sachsen, B. v. 16.12.2009 - Az.:<br />

1/SVK/057-09, 1/SVK/057-09-G; VK Südbayern, B. v. 05.02.2010 - Az.: Z3-3-3194-1-66-<br />

12/09). Dieser Umstand nimmt dem Bieter jedoch nicht das sich aus <strong>§</strong> 97 Abs. 7 <strong>GWB</strong><br />

ergebende Recht darauf, dass auch die Auftragsvergabe an einen der anderen Bieter<br />

unterbleibt. Der Meinung, die das insbesondere im Hinblick auf das Recht auf<br />

Gleichbehandlung in Zweifel zieht, kann nicht beigetreten werden (BGH, B. v 26.09.2006 -<br />

Az.: X ZB 14/06; OLG Brandenburg, B. v. <strong>19.</strong>01.2009 - Az.: Verg W 2/09; OLG Celle, B. v.<br />

02.10.2008 - Az.: 13 Verg 4/08; B. v. 22.05.2008 - Az.: 13 Verg 1/08; B. v. 13.12.2007 - Az.:<br />

13 Verg 10/07; OLG Düsseldorf, B. v. 08.12.2009 - Az.: VII-Verg 52/09; B. v. 14.04.2008 -<br />

Az.: VII-Verg 19/08; B. v. 12.03.2008 - Az.: VII - Verg 56/07; OLG Frankfurt, B. v.<br />

07.08.2007 - Az.: 11 Verg 3/07, 4/07; B. v. <strong>19.</strong>12.2006 - Az.: 11 Verg 7/06; OLG Karlsruhe,<br />

B. v. 06.02.2007 - Az.: 17 Verg 5/06; OLG Koblenz, B. v. 03.04.2008 - Az.: 1 Verg 1/08; B.<br />

v. 04.07.2007 - Az.: 1 Verg 3/07; OLG München, B. v. 29.09.2009 - Az.: Verg 12/09; B. v.<br />

08.05.2009 - Az.: Verg 06/09; B. v. 29.11.2007 - Az.: Verg 13/07; B. v. 23.11.2006 - Az.:<br />

Verg 16/06; OLG Naumburg, B. v. 02.07.2009 - Az.: 1 Verg 2/09; OLG Rostock, B. v.<br />

16.01.2008 - Az.: 17 Verg 3/07; Thüringer OLG, B. v. 31.08.2009 - Az.: 9 Verg 6/09; VK<br />

Arnsberg, B. v. 30.11.2009 - Az.: VK 32/09; B. v. 22.01.2009 - Az.: VK 32/08; B. v.<br />

15.01.2009 - Az.: VK 31/08; B. v. 15.01.2009 - Az.: VK 30/08; VK Baden-Württemberg, B.<br />

v. 29.06.2009 - Az.: 1 VK 27/09; B. v. 12.12.2008 - Az.: 1 VK 50/08; B. v. 05.11.2008 - Az.:<br />

1 VK 42/08; B. v. 06.10.2008 - Az.: 1 VK 35/08; B. v. 16.06.2008 - Az.: 1 VK 18/08; VK


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Berlin, B. v. 06.03.2009 - Az.: VK – B 2 - 32/08; VK Brandenburg, B. v. 16.12.2009 - Az.:<br />

VK 42/09; B. v. <strong>19.</strong>12.2008 - Az.: VK 40/08; 1. VK Bund, B. v. 09.09.2009 - Az.: VK 1 –<br />

158/09; B. v. 03.09.2009 - Az.: VK 1 – 155/09; B. v. 09.10.2008 - VK 1 - 123/08; B. v.<br />

29.07.2008 - Az.: VK 1 - 78/08; B. v. 22.02.2008 - Az.: VK 1 - 4/08; B. v. 14.02.2008 - Az.:<br />

VK 1 - 12/08; B. v. 14.02.2008 - Az.: VK 1 - 9/08; 2. VK Bund, B. v. 14.10.2009 - Az.: VK 2<br />

– 174/09; B. v. 22.04.2009 - Az.: VK 2 – 24/09; B. v. 24.10.2008 - Az.: VK 2 – 109/08; 3.<br />

VK Bund, B. v. 04.11.2009 - Az.: VK 3 - 190/09; B. v. 17.12.2008 - Az.: VK 3 - 167/08; B.<br />

v. 18.09.2008 - Az.: VK 3 – 119/08; B. v. 20.06.2007 - Az.: VK 3 - 55/07; B. v. 08.05.2007 -<br />

Az.: VK 3 - 37/07; B. v. 03.05.2007 - Az.: VK 3 - 31/07; B. v. 12.12.2006 - Az.: VK 3 -<br />

141/06; VK Düsseldorf, B. v. <strong>19.</strong>04.2007 - Az.: VK - 10/2007 – B; VK Hessen, B. v.<br />

17.08.2009 - Az.: 69 d VK – 25/2009; B. v. 30.07.2008 - Az.: 69 d VK - 34/2008, B. v.<br />

08.07.2008 - Az.: 69 d VK - 29/2008; B. v. 31.03.2008 - Az.: 69 d VK - 9/2008; VK Köln, B.<br />

v. 10.02.2009 - Az.: VK VOB 39/2008; VK Lüneburg, B. v. 21.07.2008 - Az.: VgK-25/2008;<br />

VK Münster, B. v. 27.01.2010 - Az.: VK 25/09; B. v. 13.02.2008 - Az.: VK 29/07; VK<br />

Nordbayern, B. v. 25.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 – 52/09; B. v. 01.04.2008 - Az.: 21.VK -<br />

3194 - 09/08; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 07.12.2007 - Az.: VK 39/07; B. v. 08.11.2007 - Az.:<br />

VK 43/07; 1. VK Sachsen, B. v. 16.12.2009 - Az.: 1/SVK/057-09, 1/SVK/057-09-G; B. v.<br />

14.09.2009 - Az.: 1/SVK/042-09; B. v. <strong>19.</strong>05.2009 - Az.: 1/SVK/008-09; B. v. 05.05.2009 -<br />

Az.: 1/SVK/009-09; B. v. 23.02.2009 - Az.: 1/SVK/003-09; B. v. 10.10.2008 - Az.:<br />

1/SVK/051-08; B. v. 29.08.2008 - Az.: 1/SVK/042-08; B. v. 29.08.2008 - Az.: 1/SVK/041-<br />

08; B. v. 24.04.2008 - Az.: 1/SVK/015-08; B. v. 16.01.2008 - Az.: 1/SVK/084-07; B. v.<br />

17.12.2007 - Az.: 1/SVK/073-07; 1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 31.07.2008 - Az.: 1 VK<br />

LVwA 04/08; B. v. 22.01.2008 - Az.: 1 VK LVwA 32/07; B. v. <strong>19.</strong>12.2007 - Az.: 1 VK<br />

LVwA 28/07; B. v. 21.09.2007 - Az: 1 VK LVwA 18/07; VK Schleswig-Holstein, B. v.<br />

22.07.2009 - Az.: VK-SH 06/09; VK Südbayern, B. v. 05.02.2010 - Az.: Z3-3-3194-1-66-<br />

12/09; B. v. 09.05.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-13-04/08; B. v. 07.12.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-<br />

49-10/07; B. v. 15.12.2006 - Az.: 34-11/06).<br />

2726<br />

<strong>§</strong> 97 Abs. 2 <strong>GWB</strong> weist nämlich das Recht auf Gleichbehandlung und den Anspruch auf<br />

Einhaltung der sonstigen Bestimmungen über das Vergabeverfahren jedem durch deren<br />

Missachtung betroffenen Teilnehmer an einem solchen Verfahren zu. Eine<br />

Einschränkung danach, wie das eigene Angebot beschaffen ist, oder danach, ob der betroffene<br />

Bieter seinerseits Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten hat, sieht das Gesetz<br />

nicht vor. Da es allein Sache des öffentlichen Auftraggebers ist, einen Bedarf zur Beschaffung<br />

auszuschreiben und die Bedingungen festzulegen, die ergänzend zu den auf gesetzlicher<br />

Grundlage bestehenden Regeln in dem ausgeschriebenen Verfahren zu beachten sind, und der<br />

öffentliche Auftraggeber nicht das Recht hat, über die Handlungsfreiheit am Auftrag<br />

interessierter Unternehmen zu verfügen, ist ein Bieter schon nicht verpflichtet, (nur) mit<br />

einem der Ausschreibung entsprechenden Angebot hervorzutreten. Nur weil er Interesse am<br />

Auftrag hat und er angesichts des den öffentlichen Auftraggeber verpflichtenden <strong>§</strong> 25 VOL/A<br />

2006 bzw. <strong>§</strong> 25 VOB/A 2006 lediglich dann damit rechnen kann, in dem eingeleiteten<br />

Vergabeverfahren Erfolg zu haben, wenn sein Angebot der Ausschreibung entspricht, ist ein<br />

Bieter gehalten, ein solches Angebot abzugeben, oder "muss" er, wie sich z.B. <strong>§</strong> 21 Nr. 1<br />

VOL/A ausdrückt, den Vorgaben des öffentlichen Auftraggebers genügen. Auch ein<br />

zeitliches Ende des bei eigener Betroffenheit durch <strong>§</strong> 97 Abs. 7 <strong>GWB</strong> gewährten<br />

subjektiven Rechts lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Der Anspruch auf<br />

Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren besteht deshalb bis zu dem<br />

das eingeleitete Vergabeverfahren beendenden Verhalten des öffentlichen Auftraggebers<br />

fort und schließt insbesondere seine Beachtung auch bei dessen abschließender<br />

Entscheidung ein (BGH, B. v 26.09.2006 - Az.: X ZB 14/06; OLG Brandenburg, B. v.<br />

<strong>19.</strong>01.2009 - Az.: Verg W 2/09; OLG Düsseldorf, B. v. 08.12.2009 - Az.: VII-Verg 52/09; B.


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

v. 14.04.2008 - Az.: VII-Verg 19/08; OLG Frankfurt, B. v. 07.08.2007 - Az.: 11 Verg 3/07,<br />

4/07; OLG Karlsruhe, B. v. 06.02.2007 - Az.: 17 Verg 5/06; OLG Koblenz, B. v. 03.04.2008 -<br />

Az.: 1 Verg 1/08; B. v. 04.07.2007 - Az.: 1 Verg 3/07; OLG München, B. v. 29.09.2009 - Az.:<br />

Verg 12/09; B. v. 29.11.2007 - Az.: Verg 13/07; B. v. 23.11.2006 - Az.: Verg 16/06; OLG<br />

Naumburg, B. v. 02.07.2009 - Az.: 1 Verg 2/09; OLG Rostock, B. v. 16.01.2008 - Az.: 17<br />

Verg 3/07; Thüringer OLG, B. v. 31.08.2009 - Az.: 9 Verg 6/09; VK Arnsberg, B. v.<br />

30.11.2009 - Az.: VK 32/09; B. v. 22.01.2009 - Az.: VK 32/08; B. v. 15.01.2009 - Az.: VK<br />

31/08; B. v. 15.01.2009 - Az.: VK 30/08; VK Baden-Württemberg, B. v. 29.06.2009 - Az.: 1<br />

VK 27/09; VK Berlin, B. v. 06.03.2009 - Az.: VK – B 2 - 32/08; VK Brandenburg, B. v.<br />

16.12.2009 - Az.: VK 42/09; B. v. <strong>19.</strong>12.2008 - Az.: VK 40/08; 1. VK Bund, B. v. 09.09.2009<br />

- Az.: VK 1 – 158/09; B. v. 03.09.2009 - Az.: VK 1 – 155/09; B. v. 09.10.2008 - VK 1 -<br />

123/08; B. v. 29.07.2008 - Az.: VK 1 - 78/08; B. v. 22.02.2008 - Az.: VK 1 - 4/08; B. v.<br />

14.02.2008 - Az.: VK 1 - 12/08; B. v. 14.02.2008 - Az.: VK 1 - 9/08; 2. VK Bund, B. v.<br />

14.10.2009 - Az.: VK 2 – 174/09; B. v. 22.04.2009 - Az.: VK 2 – 24/09; B. v. 24.10.2008 -<br />

Az.: VK 2 – 109/08; B. v. 27.03.2007 - Az.: VK 2 – 18/07; B. v. 29.12.2006 – Az.: VK 2 –<br />

131/06; B. v. 29.12.2006 – Az.: VK 2 – 128/06; B. v. 29.12.2006 – Az.: 2 VK – 125/06; 3.<br />

VK Bund, B. v. 04.11.2009 - Az.: VK 3 - 190/09; B. v. 17.12.2008 - Az.: VK 3 - 167/08; B.<br />

v. 18.09.2008 – Az.: VK 3 – 122/08; B. v. 18.09.2008 - Az.: VK 3 – 119/08; B. v. 03.05.2007<br />

- Az.: VK 3 - 31/07; B. v. <strong>19.</strong>03.2007 - Az.: VK 3 – 16/07; ; B. v. 12.12.2006 - Az.: VK 3 -<br />

141/06; VK Düsseldorf, B. v. 29.03.2007 - Az.: VK - 08/2007 – B; VK Hessen, B. v.<br />

17.08.2009 - Az.: 69 d VK – 25/2009; B. v. 30.07.2008 - Az.: 69 d VK - 34/2008, B. v.<br />

08.07.2008 - Az.: 69 d VK - 29/2008; B. v. 31.03.2008 - Az.: 69 d VK - 9/2008; VK Köln, B.<br />

v. 10.02.2009 - Az.: VK VOB 39/2008; VK Lüneburg, B. v. 21.07.2008 - Az.: VgK-25/2008;<br />

VK Münster, B. v. 27.01.2010 - Az.: VK 25/09; B. v. 13.02.2008 - Az.: VK 29/07; VK<br />

Nordbayern, B. v. 25.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 – 52/09; B. v. 01.04.2008 - Az.: 21.VK -<br />

3194 - 09/08; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 07.12.2007 - Az.: VK 39/07; B. v. 08.11.2007 - Az.:<br />

VK 43/07; 1. VK Sachsen, B. v. 14.09.2009 - Az.: 1/SVK/042-09; B. v. 10.10.2008 - Az.:<br />

1/SVK/051-08; B. v. 29.08.2008 - Az.: 1/SVK/042-08; B. v. 29.08.2008 - Az.: 1/SVK/041-<br />

08; B. v. 24.04.2008 - Az.: 1/SVK/015-08; B. v. 16.01.2008 - Az.: 1/SVK/084-07; B. v.<br />

24.05.2007 - Az.: 1/SVK/029-07; B. v. 11.01.2007 - Az.: 1/SVK/116-06; 1. VK Sachsen-<br />

Anhalt, B. v. 31.07.2008 - Az.: 1 VK LVwA 04/08; B. v. 22.01.2008 - Az.: 1 VK LVwA<br />

32/07; B. v. <strong>19.</strong>12.2007 - Az.: 1 VK LVwA 28/07; B. v. 17.04.2007 - Az.: 1 VK LVwA<br />

04/07; VK Schleswig-Holstein, B. v. 10.10.2007 – Az.: VK-SH 20/07; VK Südbayern, B. v.<br />

09.05.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-13-04/08; B. v. 07.12.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-49-10/07).<br />

2727<br />

Das kann auch nicht mit dem Hinweis in Zweifel gezogen werden, der<br />

Gleichbehandlungsgrundsatz gebe keinen Anspruch auf "Gleichheit im Unrecht". Eine<br />

Gleichbehandlung im Unrecht, die zu einer Fehlerwiederholung bei der Rechtsanwendung<br />

führen würde und deshalb auch aus Art. 3 GG nicht hergeleitet werden kann, kann nämlich<br />

nur in Frage stehen, soweit mit dem Nachprüfungsantrag erstrebt wird, bei dem eigenen<br />

Angebot möge der gegebene Ausschlusstatbestand ebenfalls unberücksichtigt bleiben. Wenn<br />

und soweit der das Nachprüfungsverfahren betreibende Bieter hingegen deutlich macht, dass<br />

er sich dagegen wendet, dass sich der öffentliche Auftraggeber zugunsten eines anderen<br />

Bieters ohne Beachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren, insbesondere der<br />

beim eigenen Angebot zu Recht angewandten Wertung, entscheidet, kann es jedoch nur am<br />

Interesse an der im Nachprüfungsverfahren nachgesuchten Entscheidung oder an der eigenen<br />

Betroffenheit durch die Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren fehlen.<br />

Wie die vorstehenden Ausführungen ergeben, kann aber sowohl die Darlegung der<br />

Voraussetzung des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 Satz 2 <strong>GWB</strong> gelingen als auch die Verletzung in eigenen<br />

Rechten festzustellen sein, wenn geltend gemacht werden kann und wird bzw. sich bei<br />

der Nachprüfung des Vergabeverfahrens ergibt, dass bei Beachtung der Bestimmungen


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

das eingeleitete Vergabeverfahren auch nicht mit der Auftragsvergabe an einen anderen<br />

Bieter abgeschlossen werden darf, weil die Angebote der anderen Bieter, soweit sie der<br />

öffentliche Auftraggeber nicht schon ausgeschlossen hat, ebenfalls von der Wertung<br />

ausgeschlossen werden müssen (BGH, B. v 26.09.2006 - Az.: X ZB 14/06; OLG<br />

Brandenburg, B. v. <strong>19.</strong>01.2009 - Az.: Verg W 2/09; OLG Celle, B. v. 02.10.2008 - Az.: 13<br />

Verg 4/08; B. v. 22.05.2008 - Az.: 13 Verg 1/08; B. v. 13.12.2007 - Az.: 13 Verg 10/07; OLG<br />

Frankfurt, B. v. 07.08.2007 - Az.: 11 Verg 3/07, 4/07; B. v. <strong>19.</strong>12.2006 - Az.: 11 Verg 7/06;<br />

OLG Koblenz, B. v. 03.04.2008 - Az.: 1 Verg 1/08; OLG München, B. v. 29.09.2009 - Az.:<br />

Verg 12/09; B. v. 29.11.2007 - Az.: Verg 13/07; B. v. 23.11.2006 - Az.: Verg 16/06; OLG<br />

Naumburg, B. v. 02.07.2009 - Az.: 1 Verg 2/09; Thüringer OLG, B. v. 31.08.2009 - Az.: 9<br />

Verg 6/09; VK Arnsberg, B. v. 30.11.2009 - Az.: VK 32/09; B. v. 22.01.2009 - Az.: VK<br />

32/08; B. v. 15.01.2009 - Az.: VK 31/08; B. v. 15.01.2009 - Az.: VK 30/08; VK Baden-<br />

Württemberg, B. v. 29.06.2009 - Az.: 1 VK 27/09; VK Brandenburg, B. v. 16.12.2009 - Az.:<br />

VK 42/09; B. v. <strong>19.</strong>12.2008 - Az.: VK 40/08; 1. VK Bund, B. v. 09.09.2009 - Az.: VK 1 –<br />

158/09; B. v. 03.09.2009 - Az.: VK 1 – 155/09; B. v. 09.10.2008 - VK 1 - 123/08; B. v.<br />

29.07.2008 - Az.: VK 1 - 78/08; B. v. 22.02.2008 - Az.: VK 1 - 4/08; B. v. 14.02.2008 - Az.:<br />

VK 1 - 12/08; B. v. 14.02.2008 - Az.: VK 1 - 9/08; B. v. 14.09.2007 - Az.: VK 1 - 101/07; B.<br />

v. 31.08.2007 - Az.: VK 1 - 92/07; 2. VK Bund, B. v. 14.10.2009 - Az.: VK 2 – 174/09; B. v.<br />

22.04.2009 - Az.: VK 2 – 24/09; B. v. 24.10.2008 - Az.: VK 2 – 109/08; B. v. 29.12.2006 –<br />

Az.: VK 2 – 131/06; B. v. 29.12.2006 – Az.: VK 2 – 128/06; B. v. 29.12.2006 – Az.: 2 VK –<br />

125/06; 3. VK Bund, B. v. 04.11.2009 - Az.: VK 3 - 190/09; B. v. 17.12.2008 - Az.: VK 3 -<br />

167/08; B. v. 20.06.2007 - Az.: VK 3 - 55/07; ; B. v. 08.05.2007 - Az.: VK 3 - 37/07; B. v.<br />

03.05.2007 - Az.: VK 3 - 31/07; B. v. 29.01.2007 – Az.: VK 3 – 04/07; B. v. 18.01.2007 -<br />

Az.: VK 3 - 150/06; VK Düsseldorf, B. v. <strong>19.</strong>04.2007 - Az.: VK - 10/2007 – B; B. v.<br />

29.03.2007 - Az.: VK - 08/2007 – B; VK Hessen, B. v. 17.08.2009 - Az.: 69 d VK – 25/2009;<br />

B. v. 30.07.2008 - Az.: 69 d VK - 34/2008, B. v. 08.07.2008 - Az.: 69 d VK - 29/2008; B. v.<br />

31.03.2008 - Az.: 69 d VK - 9/2008; VK Köln, B. v. 10.02.2009 - Az.: VK VOB 39/2008;<br />

VK Lüneburg, B. v. 21.07.2008 - Az.: VgK-25/2008; VK Münster, B. v. 27.01.2010 - Az.:<br />

VK 25/09; B. v. 13.02.2008 - Az.: VK 29/07; VK Nordbayern, B. v. 25.11.2009 - Az.: 21.VK<br />

- 3194 – 52/09; B. v. 01.04.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 09/08; B. v. 24.01.2008 - Az.: 21.VK -<br />

3194 - 52/07; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 07.12.2007 - Az.: VK 39/07; B. v. 08.11.2007 - Az.:<br />

VK 43/07; 1. VK Sachsen, B. v. 14.09.2009 - Az.: 1/SVK/042-09; B. v. <strong>19.</strong>05.2009 - Az.:<br />

1/SVK/008-09; B. v. 05.05.2009 - Az.: 1/SVK/009-09; B. v. 10.10.2008 - Az.: 1/SVK/051-<br />

08; B. v. 29.08.2008 - Az.: 1/SVK/042-08; B. v. 29.08.2008 - Az.: 1/SVK/041-08; B. v.<br />

24.04.2008 - Az.: 1/SVK/015-08; B. v. 16.01.2008 - Az.: 1/SVK/084-07; B. v. 17.12.2007 -<br />

Az.: 1/SVK/073-07; B. v. 24.05.2007 - Az.: 1/SVK/029-07; B. v. 11.01.2007 - Az.:<br />

1/SVK/116-06; 1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 22.01.2008 - Az.: 1 VK LVwA 32/07; B. v.<br />

<strong>19.</strong>12.2007 - Az.: 1 VK LVwA 28/07; B. v. 21.09.2007 - Az: 1 VK LVwA 18/07; B. v.<br />

17.04.2007 - Az.: 1 VK LVwA 04/07; VK Südbayern, B. v. 07.12.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-<br />

49-10/07; B. v. 15.12.2006 - Az.: 34-11/06; mit einer anderen Begründung im Ergebnis<br />

ebenso OLG Thüringen, B. v. 26.03.2007 - Az.: 9 Verg 2/07; vgl. insoweit die<br />

Kommentierung RZ 2657).<br />

2728<br />

2729<br />

Dies gilt auch dann, wenn ein Bewerber geltend macht, dass alle Teilnahmeanträge in<br />

einem Verhandlungsverfahren ausgeschlossen werden müssen (VK Hessen, B. v.<br />

30.07.2008 - Az.: 69 d VK - 34/2008; 1. VK Sachsen, B. v. 10.10.2008 - Az.: 1/SVK/051-08).<br />

Dies gilt auch dann, wenn der Auftraggeber deutlich macht, dass eine<br />

Zuschlagsentscheidung allein auf der Grundlage des Preises nicht in Betracht kommt,<br />

sondern qualitative Gesichtspunkte erhebliches Gewicht haben und ein Bieter geltend<br />

macht, sein Angebot sei in qualitativer Hinsicht jenem des Bieters, der den Zuschlag


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

erhalten soll, überlegen. In solchen Fällen erscheint es auf der Grundlage eines solchen<br />

Vortrages nicht ausgeschlossen, dass er im Rahmen einer neuen Angebotsrunde Erfolg haben<br />

könnte. Eine Beeinträchtigung seiner Zuschlagschancen kann daher nicht von vornherein<br />

ausgeschlossen werden (2. VK Bund, B. v. 24.10.2008 - Az.: VK 2 – 109/08).<br />

2730<br />

2731<br />

2732<br />

Dies gilt auch dann, wenn sich ein Bieter darauf beruft, dass das ausgeschriebene<br />

Leitfabrikat vergaberechtswidrig in einem Widerspruch zu den in den jeweiligen LV-<br />

Positionen beschriebenen technischen Anforderungen steht und daher untauglich ist und<br />

der Zuschlag deshalb auch nicht auf das Angebot des zum Zuschlag vorgesehenen Bieter<br />

ergehen darf, weil dieser gerade das Leitfabrikat angeboten hat; sollte sich der Vorwurf als<br />

richtig erweisen, müssen alle Bieter dazu aufgefordert werden, nach Korrektur des<br />

Leistungsverzeichnisses in diesem Punkt ein neues Angebot abzugeben. Der Bieter hätte<br />

demnach eine neue Chance, den Zuschlag zu erhalten, sodass seine <strong>Antrag</strong>sbefugnis insoweit<br />

zu bejahen ist (3. VK Bund, B. v. 27.10.2008 - Az.: VK 3 - 134/08).<br />

Das gilt auch bei einer verspäteten Einreichung eines Angebots durch den <strong>Antrag</strong>steller.<br />

Denn der aus formalen Gründen, wie (auch) einer Überschreitung der Angebotsfrist, an sich<br />

gebotene Ausschluss eines Angebots ist rechtlich unerheblich, wenn der betroffene<br />

<strong>Antrag</strong>steller nach (teilweiser) Aufhebung des Vergabeverfahrens Gelegenheit hat und<br />

erhalten muss, ein neues Angebot einzureichen und dabei den geltendgemachten<br />

Ausschlussgrund zu vermeiden (OLG Düsseldorf, B. v. 14.04.2008 - Az.: VII-Verg 19/08).<br />

Eine vergaberechtlich unzulässigerweise nachträglich gebildete Bietergemeinschaft ist<br />

keine Teilnehmerin am Verhandlungsverfahren und kann insoweit keine Rechte im Sinne<br />

der <strong>§</strong> 97 Abs. 2 <strong>GWB</strong> (Gleichbehandlung) und <strong>§</strong> 97 Abs. 7 <strong>GWB</strong> (Verletzung subjektiver<br />

Rechte im Zusammenhang mit der Durchführung des Verhandlungsverfahrens) geltend<br />

machen (VK Hessen, B. v. 30.07.2008 - Az.: 69 d VK - 34/2008).<br />

<strong>19.</strong>4.6.12.1.2 Gleichwertigkeit<br />

<strong>19.</strong>4.6.12.1.2.1 Allgemeines<br />

2733<br />

2734<br />

Nicht endgültig geklärt hat der Bundesgerichtshof, in welchen Fällen ein Anspruch auf<br />

Gleichbehandlung besteht, ob z.B. Fehler auf der gleichen Wertungsstufe des <strong>§</strong> 25 VOB/A<br />

2006 bzw. <strong>§</strong> 25 VOL/A 2006 gleichwertig sind oder ob alle Fehler eines Angebots gleich zu<br />

behandeln sind.<br />

Nach Auffassung des OLG Koblenz kommt es nicht darauf an, dass die Angebotsmängel<br />

"identisch oder gleichartig, d.h. ob sie im wesentlichen gleich sind". Es ist notwendig,<br />

aber auch ausreichend, dass die Mängel gleichwertig sind, also auf der Rechtsfolgeseite<br />

denselben Stellenwert haben und deshalb dieselbe Konsequenz, wie etwa den<br />

zwingenden Angebotsausschluss, nach sich ziehen müssen. Es wäre nicht mit <strong>§</strong> 97 Abs. 2<br />

<strong>GWB</strong> zu vereinbaren, einerseits ein Angebot mit Hinweis auf eine zwingende<br />

Ausschlussnorm aus der Wertung zu nehmen und anderseits den Zuschlag auf ein Angebot zu<br />

erteilen, dem ebenfalls der Makel eines zwingenden Ausschlussgrundes anhaftet (OLG<br />

Koblenz, B. v. 04.07.2007 - Az.: 1 Verg 3/07; VK Baden-Württemberg, B. v. 06.10.2008 -<br />

Az.: 1 VK 35/08; B. v. 16.06.2008 - Az.: 1 VK 18/08; VK Berlin, B. v. 06.03.2009 - Az.: VK<br />

– B 2 - 32/08; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 07.12.2007 - Az.: VK 39/07; B. v. 08.11.2007 - Az.:<br />

VK 43/07).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

2735<br />

2736<br />

Auch nach Auffassung des OLG Düsseldorf ist nicht mehr zu verlangen, dass die anderen<br />

Angebote an einem gleichartigen Mangel leiden, sondern es reicht aus, dass die anderen<br />

Angebote derart mangelbehaftet sind, dass sie zwingend auszuschließen sind (OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 12.03.2008 - Az.: VII - Verg 56/07; 1. VK Bund, B. v. 09.09.2009 - Az.:<br />

VK 1 – 158/09).<br />

Solche Angebote, die vergaberechtlich an dem beanstandeten oder einem gleichwertigen<br />

Mangel leiden, sind vergaberechtlich gleich zu behandeln, das heißt, aus dem<br />

übereinstimmend vorliegenden Mangel jener Angebote sind vergaberechtlich dieselben<br />

Konsequenzen zu ziehen. Die Feststellung formeller und materieller Mängel von<br />

Angeboten setzt jedoch eine Angebotsprüfung durch den Auftraggeber voraus.<br />

Verspätet eingegangene Angebote erreichen dieses Stadium nicht, weil sie aufgrund der<br />

Tatsache der Fristüberschreitung unberücksichtigt bleiben müssen und für das weitere<br />

Vergabeverfahren keine Rolle spielen. Der Ausschluss dieser Angebote erfolgt aufgrund der<br />

Ordnungsfunktion der gesetzten Frist und der sich hieraus ergebenden Selbstbindung des<br />

öffentlichen Auftraggebers und nicht wegen eines Mangels im Angebot, sodass die<br />

Rechtsprechung zur Gleichwertigkeit von Angebotsmängeln keine Anwendung findet.<br />

Im Interesse der gebotenen Gleichbehandlung aller im Verfahren verbliebenen Bieter<br />

muss der öffentliche Auftraggeber jede Fristversäumung ernst nehmen und daraus die<br />

notwendigen Konsequenzen ziehen. Denn es gibt kein taugliches Abgrenzungsmerkmal,<br />

welche Fristversäumung harmlos und daher zu vernachlässigen sein könnte und ab welchem<br />

Zeitmaß eine Fristversäumung nicht mehr unberücksichtigt gelassen werden darf (OLG<br />

Brandenburg, B. v. <strong>19.</strong>01.2009 - Az.: Verg W 2/09; VK Brandenburg, B. v. <strong>19.</strong>12.2008 - Az.:<br />

VK 40/08).<br />

<strong>19.</strong>4.6.12.1.2.2 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

2737<br />

• es ist von einer Gleichwertigkeit der Mängel dann auszugehen, wenn alle Angebote<br />

unter ausschlussrelevanten Mängeln des Nachweises der Eignung leiden (1. VK<br />

Sachsen, B. v. 23.02.2009 - Az.: 1/SVK/003-09)<br />

• die Kammer schließt sich insoweit der Auffassung der 1. Vergabekammer des Freistaates<br />

Sachsen an, wonach von einem gleichwertigen Mangel in Auslegung der Entscheidung<br />

des BGH immer dann auszugehen ist, wenn die Angebote sämtlicher konkurrierender<br />

Bieter auf der gleichen oder einer früheren Wertungsstufe auszuschließen sind (1.<br />

VK Sachsen-Anhalt, B. v. 31.07.2008 - Az.: 1 VK LVwA 04/08)<br />

• hinsichtlich der Gleichwertigkeit des Mangels hält die erkennende Vergabekammer<br />

an ihrer Auffassung im Beschluss vom 13.04.2006 (Az.:1/SVK/028-06), im Beschluss<br />

vom 09.11.2006 (1/SVK/095-06) und im Beschluss vom 03.01.2007 (1/SVK/111-06) fest,<br />

dass ein Mangel dann gleichwertig ist, wenn das Angebot des Bieters auf der gleichen<br />

Wertungsstufe auszuschließen ist. Sie ist der Ansicht, dass eine Vergabestelle in<br />

Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes auf jeder Wertungsstufe den gleichen Maßstab an<br />

die Wertung der abgegeben Angebote zu legen hat (VK Sachsen, B. v. 16.01.2008 - Az.:<br />

1/SVK/084-07)<br />

• hinsichtlich der Gleichwertigkeit des Mangels hält die erkennende Vergabekammer<br />

an ihrer Auffassung im Beschluss vom 13.04.2006 (Az.:1/SVK/028-06), im Beschluss<br />

vom 09.11.2006 (1/SVK/095-06) und im Beschluss vom 03.01.2007 (1/SVK/111-06) fest,<br />

dass ein Mangel dann gleichwertig ist, wenn das Angebot des Bieters auf der gleichen<br />

Wertungsstufe auszuschließen ist. Sie ist der Ansicht, dass eine Vergabestelle in


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes auf jeder Wertungsstufe den gleichen Maßstab an<br />

die Wertung der abgegeben Angebote zu legen hat (1. VK Sachsen, B. v. 17.12.2007 -<br />

Az.: 1/SVK/073-07)<br />

• hinsichtlich des Erfordernisses der Gleichwertigkeit des Mangels schließt sich die<br />

Kammer der Auffassung des OLG Frankfurt an, wonach von gleichwertigen Mängeln in<br />

Auslegung der Entscheidung des BGH immer dann auszugehen ist, wenn an ihr<br />

Vorliegen dieselben rechtlichen Folgen geknüpft sind. Dies ist hier der Fall, da sowohl<br />

das Angebot der <strong>Antrag</strong>stellerin als auch das der Beigeladenen sowie das des bereits durch<br />

den <strong>Antrag</strong>sgegner im Vergabeverfahren ausgeschlossenen dritten Bieters im Rahmen<br />

der formellen Prüfung auszuschließen sind (1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 22.01.2008 -<br />

Az.: 1 VK LVwA 32/07; B. v. <strong>19.</strong>12.2007 - Az.: 1 VK LVwA 28/07; B. v. 21.09.2007 -<br />

Az: 1 VK LVwA 18/07)<br />

• fehlende bzw. unvollständige Eignungsnachweise für Nachunternehmer stellen einen<br />

gleichwertigen Mangel im Vergleich zu Angeboten dar, welche wegen fehlender bzw.<br />

unvollständiger Referenzen d.h. ebenfalls wegen fehlenden bzw. unvollständigen<br />

Eignungsnachweisen ausgeschlossen werden müssen. Die VOB/A knüpft an das<br />

Vorliegen dieser Mängel dieselben rechtlichen Folgen, nämlich den Ausschluss des<br />

Bieters nach <strong>§</strong> 25 Nr. 2 Abs.1 VOB/A. Es fehlt daher nicht an der Gleichwertigkeit der<br />

geltend gemachten Mängel, weil die VOB/A an ihr Vorliegen dieselben rechtlichen<br />

Folgen knüpft (VK Düsseldorf, B. v. <strong>19.</strong>04.2007 - Az.: VK - 10/2007 – B)<br />

• dennoch ist es denkbar, dass dem <strong>Antrag</strong>steller durch die behauptete Verletzung der<br />

Vergabevorschriften ein Schaden zu entstehen droht, da die Ag auf kein Angebot den<br />

Zuschlag erteilen darf: Kein Bieter hat nämlich die o.g. Eignungsnachweise vorgelegt,<br />

so dass alle Bieter zwingend auszuschließen sind. Bei Fortbestehen des Bedarfs, wovon<br />

hier auszugehen ist, kommt somit die Aufhebung dieser Ausschreibung gemäß <strong>§</strong><strong>§</strong> 26 Nr. 1<br />

a), Nr. 5 VOL/A und die Durchführung eines erneuten Vergabeverfahrens in Betracht. Die<br />

ASt hat die Chance, sich hieran mit einem neuen, zuschlagsfähigen Angebot zu beteiligen.<br />

Dass sie bei ordnungsgemäßer Vorgehensweise der Ag bessere Chancen hat, den<br />

Auftrag egal in welchem Vergabeverfahren zu erhalten, reicht für einen „Schaden“<br />

i.S.d. <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 <strong>GWB</strong> aus (3. VK Bund, B. v. 12.12.2006 - Az.: VK 3 - 141/06)<br />

• einem <strong>Antrag</strong>steller, dessen Angebot zwingend vom Vergabeverfahren auszuschließen ist,<br />

kann nur dann ein Schaden i.S.d. <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 <strong>GWB</strong> drohen, wenn alle übrigen<br />

Angebote ebenfalls hätten ausgeschlossen werden müssen, aber dennoch eines dieser<br />

auszuschließenden Angebote den Zuschlag erhalten soll. Der „Schaden“ des<br />

<strong>Antrag</strong>stellers besteht in diesem Fall darin, dass sich seine Aussichten auf den Zuschlag<br />

durch das vergaberechtswidrige Verhalten der Vergabestelle, nicht sämtliche Angebote<br />

auszuschließen, verschlechtert haben, weil die in Betracht kommende Aufhebung der<br />

Ausschreibung unterbleibt und damit ebenso eine Neuausschreibung, in welcher der<br />

<strong>Antrag</strong>steller eine zweite Zuschlagschance erhielte (3. VK Bund, B. v. 08.05.2007 - Az.:<br />

VK 3 - 37/07)<br />

• die Bgl. ist die einzige Bieterin, die die streitige Ausführungsbeschreibung mit<br />

Angebotsabgabe vorgelegt hat. Die ASt trägt diesbezüglich vor, dass das Angebot der<br />

Bgl. ebenfalls mit Mängeln behaftet ist, an deren Vorliegen dieselben rechtlichen<br />

Konsequenzen geknüpft sind wie an das Fehlen der Ausführungsbeschreibung, nämlich<br />

der zwingende Ausschluss des Angebots. Im Fall des Ausschlusses des Angebots der<br />

Bgl. wäre aber kein einziges den Ausschreibungsbedingungen entsprechendes<br />

Angebot abgegeben worden und es käme eine Aufhebung der Ausschreibung in<br />

Betracht. In diesem Fall hätte die ASt bei einem sich anschließenden Vergabeverfahren<br />

eine neue Zuschlagschance. Dies reicht aus, um die <strong>Antrag</strong>sbefugnis im Sinne des <strong>§</strong><br />

<strong>107</strong> Abs. 2 Satz 2 <strong>GWB</strong> zu bejahen (3. VK Bund, B. v. 20.06.2007 - Az.: VK 3 - 55/07)


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

• die <strong>Antrag</strong>sbefugnis scheitert nicht daran, dass ein Angebot wegen fehlender<br />

Verpflichtungserklärungen eines Nachunternehmers einen Ausschlussgrund verwirklicht<br />

habe. Solche erst nachträglich geltend gemachten Ausschlussgründe stellen zum einen die<br />

<strong>Antrag</strong>sbefugnis nicht in Frage, sondern sind regelmäßig erst für die Begründetheit des<br />

<strong>Antrag</strong>s von Bedeutung. Zum anderen erscheint es nicht von vornherein<br />

ausgeschlossen, dass es zu einer Aufhebung der Ausschreibung kommen könnte,<br />

sofern auch alle anderen Angebote sich als mangelhaft erweisen und ein Zuschlag im<br />

laufenden Verfahren auf unveränderter Grundlage deshalb nicht erteilt werden darf. In<br />

diesem Falle hat der Bieter 1. die Chance, mit einem neuen Angebot zum Zuge zu<br />

kommen (2. VK Bund, B. v. 03.07.2007 - Az.: VK 2 - 45/07, VK 2 - 57/07)<br />

• der BGH hat entschieden, dass es auf den Grund für den zwingenden Ausschluss<br />

anderer Bieter nicht ankommt, der Gleichbehandlungsgrundsatz also auch dann verletzt<br />

ist, wenn die Angebote aller weiteren Bieter (nur) aufgrund unterschiedlicher<br />

gleichwertiger Mängel zwingend ausgeschlossen werden müssen. Dieser Auffassung<br />

schließt sich der Senat an. Auch wenn ein Bieter wegen Mängeln seines Angebots an sich<br />

von dem weiteren Vergabeverfahren auszuschließen wäre, so besteht sein Anspruch auf<br />

Gleichbehandlung fort oder lebt wieder auf, wenn auch alle sonstigen Bieter im Ergebnis<br />

auszuschließen wären. Eine Gleichartigkeit des Ausschlussgrundes (Mangelidentität)<br />

ist nicht zu verlangen. Denn, falls der Auftraggeber an der Vergabe festhält, wovon<br />

regelmäßig ausgegangen werden kann, und nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände<br />

geschaffen werden können, wird aller Voraussicht nach ein neues Vergabeverfahren<br />

durchzuführen sein, und der Bieter erhält eine neue Chance auf den Zuschlag, die ihm<br />

nicht dadurch genommen werden darf, dass die Vergabestelle einen anderen ebenfalls<br />

auszuschließenden Bieter vergaberechtswidrig berücksichtigen will (OLG Karlsruhe, B. v.<br />

06.02.2007 - Az.: 17 Verg 5/06)<br />

• die Kammer schließt sich der Auffassung der 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen<br />

an, wonach von einem gleichwertigen Mangel in Auslegung der Entscheidung des BGH<br />

immer dann auszugehen ist, wenn die Angebote sämtlicher konkurrierender Bieter<br />

auf der gleichen oder einer früheren Wertungsstufe auszuschließen sind (1. VK<br />

Sachsen-Anhalt, B. v. 17.04.2007 - Az.: 1 VK LVwA 04/07)<br />

• die VK Sachsen ist der Ansicht, dass eine Vergabestelle in Anwendung des<br />

Gleichheitsgrundsatzes auf jeder Wertungsstufe den gleichen Maßstab an die Wertung der<br />

abgegeben Angebote zu legen hat. Ein gleichwertiger Mangel liegt im Umkehrschluss<br />

auch dann vor, wenn das Angebot des sich auf die Gleichbehandlung berufenen Bieters<br />

auf einer späteren Wertungsstufe auszuschließen ist, Angebote andere Bieter hingegen<br />

bereits auf einer vorherigen Wertungsstufe auszuschließen sind. Insofern ist der Begriff<br />

gleichwertig als "mindestens" gleichwertig zu definieren (1. VK Sachsen, B. v.<br />

24.05.2007 - Az.: 1/SVK/029-07; B. v. 11.01.2007 – Az.: 1/SVK/116-06)<br />

• die VK Sachsen geht bei der Feststellung der Gleichwertigkeit davon aus, dass ein<br />

gleichwertiger Mangel dann vorliegt, wenn er auf der gleichen Wertungsstufe dem<br />

Grunde nach festzustellen ist. Dies ist vorliegend gegeben. Beide Angebote hätten nach<br />

den eigenen Vorgaben des Auftraggebers zwingend entsprechend <strong>§</strong> 25 Abs. 2 a) VOL/A<br />

vom weiteren Vergabeverfahren also auf der gleichen Wertungsstufe ausgeschlossen<br />

werden müssen (1. VK Sachsen, B. v. 24.05.2007 - Az.: 1/SVK/029-07; B. v. 11.01.2007<br />

– Az.: 1/SVK/116-06)<br />

<strong>19.</strong>4.6.12.1.3 Ausschluss der „zweiten Chance“


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

2738<br />

Es kommt dann nicht darauf an, ob das Vergabeverfahren als solches möglicherweise an<br />

einem schwerwiegenden Mangel hinsichtlich der fehlenden Bekanntgabe von<br />

Unterkriterien und deren Gewichtung leidet, wenn das Angebot eines <strong>Antrag</strong>stellers<br />

nicht lediglich mit einem „lokalen“ Mangel behaftet, sondern mit einem gewichtigen<br />

Verstoß gegen Grundsätze des Vergabeverfahrens. Denn Aufträge werden gemäß <strong>§</strong> 97<br />

Abs. 4 <strong>GWB</strong> nur an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben. Ist<br />

aber die entsprechende Vertrauensbasis im Sinne der Zuverlässigkeit des <strong>Antrag</strong>stellers durch<br />

das Verschweigen der Unterauftragsvergaben in diesem Vergabeverfahren erschüttert, ist<br />

diese Situation so schwerwiegend, dass dem <strong>Antrag</strong>steller keine „zweite Chance“ in der<br />

Weise einzuräumen ist, dass er sich in einem wiederholten Abschnitt des<br />

Verhandlungsverfahrens mit einem neuen – nun korrekten – Angebot um den Zuschlag<br />

bewerben kann. Dem <strong>Antrag</strong>steller ist zu Recht die Zuverlässigkeit für den<br />

streitgegenständlichen Auftrag generell, also auch für ein zweites Vergabeverfahren,<br />

abgesprochen worden (3. VK Bund, B. v. 06.04.2009 - Az.: VK 3 – 49/09).<br />

<strong>19.</strong>4.6.12.1.4 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

2739<br />

• die Tatsache einer verspäteten Einreichung eines Angebotes ist für die<br />

<strong>Antrag</strong>sbefugnis unerheblich, wenn ein <strong>Antrag</strong>steller Gelegenheit erhalten muss<br />

oder kann, ein neues Angebot einzureichen und dabei diesen Ausschlussgrund zu<br />

vermeiden (VK Hessen, B. v. 17.08.2009 - Az.: 69 d VK – 25/2009)<br />

• ist das Angebot eines <strong>Antrag</strong>sstellers ggf. wegen fehlender Erklärungen bzw.<br />

Nachweise auszuschließen, steht dies der <strong>Antrag</strong>sbefugnis des <strong>Antrag</strong>stellers<br />

jedenfalls im Hinblick auf den Vergaberechtsverstoß der unzulässigen<br />

Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien nicht entgegen. Denn ein<br />

solcher Verstoß muss zu einer Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in den<br />

Zeitpunkt vor Angebotsabgabe führen und würde es dem <strong>Antrag</strong>steller<br />

ermöglichen, nach erneuter Angebotsaufforderung ein wertbares Angebot<br />

abzugeben (1. VK Bund, B. v. 09.10.2008 - VK 1 - 123/08)<br />

• ein Angebot, das von vornherein vergaberechtlich nicht zuschlagsfähig ist, darf<br />

den Zuschlag nicht erhalten, so dass dem betroffenen Bieter kein Schaden entstehen<br />

oder drohen kann. Diesem Bieter fehlt die <strong>Antrag</strong>sbefugnis (VK Lüneburg, B. v.<br />

26.06.2008 - Az.: VgK-23/2008; B. v. 16.06.2008 - Az.: VgK-21/2008)<br />

• ein Schaden kann einem Unternehmen nach einhelliger Auffassung nur dann<br />

entstehen, wenn das betreffende Angebot bei ordnungsgemäß durchgeführtem<br />

Vergabeverfahren eine wenn auch nur theoretische Chance auf den Zuschlag hat<br />

bzw. gehabt hätte. Ist es gänzlich ausgeschlossen, dass auf ein bestimmtes Angebot<br />

der Zuschlag erteilt werden wird, so ist ein Schadenseintritt im vorgenannten Sinne<br />

auf Seiten des nämlichen Bieters selbst bei erwiesenen Vergabefehlern nicht möglich.<br />

Auf ein Angebot, das infolge des Vorliegens von Ausschlussgründen<br />

ordnungsgemäß vom Vergabeverfahren ausgeschlossen worden ist, kann auch<br />

bei Feststellung von Verfahrensverstößen der Zuschlag nicht erteilt werden (VK<br />

Berlin, B. v. 27.03.2007 - Az.: VK - B 1 - 6/07)<br />

• andererseits ist hier jedoch ausschlaggebend, dass ein Angebot, das von vornherein<br />

vergaberechtlich nicht zuschlagsfähig ist, den Zuschlag nicht erhalten darf, so dass<br />

dem betroffenen Bieter kein Schaden entstehen oder drohen kann. Die <strong>Antrag</strong>stellerin<br />

hat demnach ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis nicht darlegen können,<br />

da ihr Angebot zwingend auszuschließen war, sie also bei vergaberechtskonformer


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Angebotswertung keine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte (VK Lüneburg, B. v.<br />

16.07.2007 - Az.: VgK-30/2007)<br />

• das Angebot des <strong>Antrag</strong>stellers hat aber auch bei Hinwegdenken des geltend<br />

gemachten Fehlers keine Chance auf den Zuschlag, weil es nach den Bestimmungen<br />

des <strong>§</strong> 25 VOB/A zwingend von der Vergabe auszuschließen ist. Der <strong>Antrag</strong>steller ist<br />

nicht antragsbefugt, weil er zum Vertragsschluss mit der <strong>Antrag</strong>sgegnerin<br />

richtigerweise nicht in Betracht kommt und er deshalb kein Interesse an der<br />

Nachprüfung des Vergabeverfahrens geltend machen kann (VK Düsseldorf, B. v.<br />

21.05.2007 - Az.: VK - 13/2007 – B)<br />

• Voraussetzung für die <strong>Antrag</strong>sbefugnis nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 <strong>GWB</strong> ist, dass das<br />

antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung<br />

entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die<br />

<strong>Antrag</strong>stellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich die Möglichkeit<br />

eines solchen Schadens ergibt. Auf der anderen Seite scheidet eine <strong>Antrag</strong>sbefugnis<br />

nach der obergerichtlichen Rechtsprechung jedoch dann aus, wenn das Angebot<br />

des <strong>Antrag</strong>stellers aus vergaberechtlichen Gründen zwingend ausgeschlossen<br />

werden muss und den Zuschlag nicht erhalten darf, so dass dem betroffenen<br />

Bieter kein Schaden entstehen oder drohen kann (VK Lüneburg, B. v. 26.04.2007 -<br />

Az.: VgK-16/2007)<br />

<strong>19.</strong>4.6.12.1.5 Rechtsprechung vor der Klarstellung durch den BGH<br />

2740<br />

2741<br />

Diese Rechtsprechung wird soweit dargestellt, wie sie der Rechtsprechung des BGH<br />

vereinbar ist.<br />

Einige Vergabesenate und Vergabekammern bejahten schon vor der Klarstellung durch den<br />

BGH eine <strong>Antrag</strong>sbefugnis für den Fall, dass der öffentliche Auftraggeber bei Beachtung des<br />

als verletzt gerügten Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht nur das Angebot des<br />

antragstellenden Bieters, sondern gleichermaßen auch das alleine in der Wertung<br />

verbliebene Angebot des beigeladenen Bieters hätte ausschließen und ein neues<br />

Vergabeverfahren hätte durchführen müssen. An dem bei Beachtung des<br />

Gleichbehandlungsgrundsatzes erforderlich werdenden neuen Vergabeverfahren hätte sich<br />

der das Nachprüfungsverfahren betreibende Bieter sodann beteiligen und ein neues<br />

Angebot abgeben können. Die damit verbundene Chance, für die ausgeschriebenen<br />

Leistungen letztlich doch noch den Zuschlag zu erhalten, wird einem <strong>Antrag</strong>stellerin durch<br />

den gerügten Vergabefehler der Missachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zunächst<br />

einmal genommen worden. Daraus resultiert für den <strong>Antrag</strong>steller ausnahmsweise die<br />

Befugnis im Sinne von <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 <strong>GWB</strong>, trotz der mangelnden Zuschlagsfähigkeit des<br />

eigenen Angebots die Verletzung des Gleichbehandlungsgebots im<br />

Vergabenachprüfungsverfahren geltend zu machen (KG Berlin, B. v. 15.04.2004 - Az.: 2<br />

Verg 22/03; OLG Düsseldorf, B. v. 16.05.2006 - Az.: VII - Verg 19/06; B. v. 07.03.2006 –<br />

Az.: VII – Verg 98/05; B. v. 14.10.2005 - Az.: VII - Verg 40/05; B. v. 22.09.2005 - Az.: Verg<br />

48/05, Verg 50/05; B. v. 28.07.2005 - Az.: VII - Verg 45/05; B. v. 18.07.2005 - Az.: VII -<br />

Verg 39/05; B. v. 04.07.2005 - Az.: VII - Verg 35/05; B. v. 25.05.2005 - Az.: VII - Verg<br />

08/05; B. v. 27.04.2005 - Az.: VII - Verg 23/05; B. v. 16.02.2005 - Az.: VII - Verg 74/04; B.<br />

v. 15.12.2004 - Az.: VII - Verg 47/04; B. v. 8.5.2002 - Az.: Verg 4/02, B. v. 30.7.2003 - Az.:<br />

Verg 20/03, B. v. 29.4.2003 - Az.: Verg 22/03; BayObLG, B. v. 02.08.2004 - Verg 016/04; B.<br />

v. 1.3.2004 - Az.: Verg 2/04; OLG Frankfurt, B. v. 06.03.2006 - 11 Verg 11/05 und 12/05; B.<br />

v. 23.12.2005 - Az.: 11 Verg 13/05; B. v. 21.04.2005 - Az.: 11 Verg 1/05; Schleswig-


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Holsteinisches OLG, B. v. 31.03.2006 - Az.: 1 Verg 3/06; VK Arnsberg, B. v. 14.10.2004 -<br />

Az.: VK 1 - 21/2004; 1. VK Brandenburg, B. v. 30.05.2005 - Az.: VK 27/05; 1. VK Bund, B.<br />

v. 20.04.2006 - Az.: VK 1 - 19/06; B. v. 14.07.2005 - Az.: VK 1 - 50/05; B. v. 03.06.2005 -<br />

Az.: VK 1 – 47/05; VK Düsseldorf, B. v. 11.08.2006 - Az.: VK - 30/2006 – L; B. v.<br />

24.11.2005 - Az.: VK - 39/2005 – L; VK Lüneburg, B. v. 10.03.2005 - Az.: VgK-04/2005;<br />

VK Münster, B. v. 13.12.2005 - Az.: VK 24/05; B. v. 20.04.2005 - Az.: VK 6/05; VK<br />

Nordbayern, B. v. 24.02.2006 - Az.: 21.VK - 3194 -; VK Saarland, B. v. 01.03.2005 - Az.: 1<br />

VK 01/2005).<br />

2742<br />

2743<br />

Dies gilt auch bei einem Teilnahmewettbewerb, wenn zwar die Beschwerde z.B. mangels<br />

Nachweis der Eignungsforderungen materiell aussichtslos ist, die Beschwerde aber unter<br />

Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes dazu führt, dass der Teilnahmewettbewerb aufgehoben<br />

und erneut begonnen werden muss (OLG Düsseldorf, B. v. 06.07.2005 - Az.: VII - Verg<br />

22/05).<br />

Die für die <strong>Antrag</strong>sbefugnis dargestellten Fragen und Entscheidungen gelten auch dann,<br />

wenn sich erst im Nachprüfungsverfahren herausstellt, dass das Angebot von der<br />

Wertung auszuschließen ist (3. VK Bund, B. v. 29.07.2005 - Az.: VK 3 – 76/05).<br />

<strong>19.</strong>4.6.12.2 Literatur<br />

2744<br />

• Boesen, Arnold / Upleger, Martin, Die <strong>Antrag</strong>sbefugnis eines <strong>Antrag</strong>stellers bei<br />

zwingendem Ausschlussgrund, NZBau 2005, 672<br />

• Dittmann, Kerstin, "Ansprüche eines zu Recht ausgeschlossenen Bieters", VergabeR<br />

2008, 339<br />

• Franßen, Gregor / Pottschmidt, Axel, Wider den amtswegigen „Rechtsschutz“ gegen den<br />

rechtsschutzsuchenden Bieter, NZBau 2004, 587<br />

• Irmer, Wolfram, Ausschluss vom Vergabeverfahren, <strong>Antrag</strong>sbefugnis im<br />

Nachprüfungsverfahren und Pflicht zur Beteiligung des ausgeschlossenen Bieters im<br />

neuen Vergabeverfahren – Zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26. September<br />

2006 – X ZB 14/06 -, VergabeR 2007, 141<br />

• Müller-Wrede, Malte / Greb, Klaus, Bieter müssen sich rechtstreu verhalten - OLG<br />

Naumburg stärkt öffentliche Auftraggeber, Behörden Spiegel Februar 2006, 22<br />

<strong>19.</strong>4.6.13 Drohender Schaden bei Abgabe eines bewusst nicht<br />

zuschlagsfähigen Angebotes<br />

2745<br />

Die <strong>Antrag</strong>sbefugnis entfällt auch dann nicht, wenn der <strong>Antrag</strong>steller ein völlig von der<br />

Leistungsbeschreibung abweichendes Angebot abgegeben hat, sofern er nachvollziehbar<br />

vorträgt, dass er sich zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe in einer - zumindest aus seiner Sicht<br />

- unauflösbaren Zwickmühle befand und sich deshalb an der Abgabe eines<br />

ordnungsgemäßen Hauptangebotes gehindert sah (1. VK Bund, B. v. 15.10.2002 - Az.: VK 2 -<br />

64/02).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

<strong>19.</strong>4.6.14 Drohender Schaden, wenn eine erfolgreiche Rüge zur<br />

Ausschreibung der Aufhebung führt<br />

2746<br />

2747<br />

2748<br />

Führt eine erfolgreiche Rüge nicht zur Zuschlagserteilung, sondern lediglich zur<br />

Aufhebung der Ausschreibung, weil kein Angebot eingegangen wäre, das den<br />

Ausschreibungsbedingungen entspricht, steht dies der Rügebefugnis im Grundsatz nicht<br />

entgegen, weil die Bestimmungen über die Aufhebung der Ausschreibung neben einem<br />

Schutz der Bieter vor einer nutzlosen Erstellung zeit- und kostenintensiver Angebote auch der<br />

Diskriminierungsabwehr dienen (VK Lüneburg, B. v. 7.11.2003 - Az.: 203-VgK-32/2003).<br />

Wäre die Ausschreibung zwingend aufzuheben, bestünde nämlich für den <strong>Antrag</strong>steller<br />

grundsätzlich die Möglichkeit, sich an einem anschließenden neuen Vergabeverfahren zu<br />

beteiligen und so den Auftrag doch noch zu erhalten (BGH, B. v. 26.09.2006 - Az.: X ZB<br />

14/06; OLG Dresden, B. v. 9.1.2004 - Az.: WVerg 16/03; 2. VK Bund, B. v. 07.03.2008 -<br />

Az.: VK 2 – 13/08; 1. VK Sachsen, B. v. 18.11.2004 - Az.: 1/SVK/108-04). Die danach<br />

grundsätzlich in Betracht kommende Rügebefugnis setzt jedoch nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 Satz 2<br />

<strong>GWB</strong> substantiierten Vortrag voraus, dass der <strong>Antrag</strong>steller sich in einem anschließenden<br />

neuen Vergabeverfahren beteiligen werde und dort aufgrund seiner wettbewerblichen<br />

Situation und der grundsätzlichen Annahmefähigkeit seines bisherigen Angebots Aussicht auf<br />

den Zuschlag besitzen würde (OLG Thüringen, B. v. 24.10.2002 - Az.: 6 Verg 5/02).<br />

Es ist durchaus mit <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 Satz 2 <strong>GWB</strong> vereinbar, darauf abzustellen, ob der<br />

Vortrag des um Nachprüfung nachsuchenden Bieters ergibt, dass er im Fall eines<br />

ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens bessere Chancen auf den Zuschlag haben könnte<br />

als in dem beanstandeten Verfahren. Denn ein Schaden droht bereits dann, wenn die<br />

Aussichten dieses Bieters auf die Erteilung des Auftrags zumindest verschlechtert worden<br />

sein können. Das ist nicht nur der Fall, wenn dies für den Zuschlag in dem eingeleiteten und<br />

zur Nachprüfung gestellten Vergabeverfahren zutrifft. Denn es ist die tatsächliche Erteilung<br />

des Auftrags, welche die Vermögenslage von Bietern beeinflusst, nicht der Umstand, in<br />

welchem Vergabeverfahren sie erfolgt. <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 <strong>GWB</strong> lässt auch nicht erkennen, dass<br />

für die <strong>Antrag</strong>sbefugnis allein auf die Möglichkeit abzustellen sein könnte, den<br />

ausgeschriebenen Auftrag gerade in dem eingeleiteten und zur Nachprüfung gestellten<br />

Vergabeverfahren zu erhalten. Nach seinem Wortlaut muss vielmehr ganz allgemein ein<br />

(drohender) Schaden dargelegt werden, für den die behauptete Verletzung von<br />

Vergabevorschriften kausal ist. Es genügt deshalb, wenn nach dem Vorbringen des das<br />

Nachprüfungsverfahren betreibenden Bieters möglich erscheint, dass er ohne den<br />

behaupteten Vergaberechtsverstoß den Bedarf, dessentwegen die Ausschreibung erfolgt<br />

ist, gegen Entgelt befriedigen kann. Das ist regelmäßig auch der Fall, wenn das<br />

eingeleitete Vergabeverfahren nicht ohne weiteres durch Zuschlag beendet werden darf,<br />

und zur Bedarfsdeckung eine Neuausschreibung in Betracht kommt (BGH, B. v.<br />

26.09.2006 - Az.: X ZB 14/06).<br />

Dass im Voraus nicht abzusehen ist, ob die darin liegende Chance eine realistische<br />

Aussicht darstellt, den Auftrag zu erhalten, und sich eine solche Chance keinesfalls<br />

zwangsläufig für den betreffenden Bieter auftun muss, etwa weil der öffentliche Auftraggeber<br />

möglicherweise ein Verhandlungsverfahren ohne Beteiligung dieses Bieters durchführen<br />

kann, ist angesichts der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts<br />

unerheblich. Denn hiernach reicht schon die Möglichkeit einer Verschlechterung der<br />

Aussichten des den Nachprüfungsantrag stellenden Bieters infolge der Nichtbeachtung von<br />

Vergabevorschriften aus (BGH, B. v. 26.09.2006 - Az.: X ZB 14/06).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

2749<br />

Die <strong>Antrag</strong>sbefugnis für ein auf Aufhebung eines Vergabeverfahrens gerichtetes<br />

Nachprüfungsverfahren kann einem <strong>Antrag</strong>steller auch dann nicht abgesprochen werden,<br />

wenn er schlüssig vorträgt, warum seiner Auffassung nach im konkreten Fall das dem<br />

öffentlichen Auftraggeber durch <strong>§</strong> 26 VOL/A eingeräumte Ermessen ausnahmsweise zu<br />

Gunsten einer Aufhebung auf Null reduziert ist (VK Lüneburg, B. v. 4.9.2003 - Az.: 203-<br />

VgK-16/2003).<br />

<strong>19.</strong>4.6.15 Drohender Schaden bei der Rüge der Anwendung der<br />

fehlerhaften Verdingungsordnung<br />

2750<br />

2751<br />

2752<br />

2752/1<br />

Die Rechtsprechung hierzu ist nicht einheitlich.<br />

Rügt ein <strong>Antrag</strong>steller die Wahl einer falschen Verdingungsordnung (Anwendung der VOF<br />

statt der VOL), muss der <strong>Antrag</strong>steller darlegen, dass er bei der nach seiner Auffassung nach<br />

richtigen Ausschreibung ein anderes, aussichtsreicheres Angebot vorgelegt hätte. Ansonsten<br />

fehlt die <strong>Antrag</strong>sbefugnis (OLG Thüringen, B. v. 08.05.2008 - Az.: 9 Verg 2/08; B. v.<br />

16.1.2002 - Az.: 6 Verg 7/01).<br />

Demgegenüber vertritt die 2. VK Bund (B. v. 26.9.2003 - Az.: VK 2 - 66/03) die Auffassung,<br />

dass sich ein Verfahrenswechsel (von VOF zu VOL) nicht nachteilig auf die<br />

Wettbewerbsposition der Bieter auswirkt. Auch wenn durch eine Erweiterung des<br />

Bieterkreises die Zuschlagschancen sinken, kann daraus kein Schaden abgeleitet werden.<br />

Denn ausweislich der Zielsetzungen des Vergaberechts sind die Bieter im Vergabeverfahren<br />

nicht vor Wettbewerb bzw. vor Wettbewerbern zu schützen. Durch die<br />

Vergaberechtsvorschriften - deren Einhaltung im Nachprüfungsverfahren durchgesetzt<br />

werden sollen - ist vielmehr zu erreichen, dass auf das wirtschaftlichste Angebot der Auftrag<br />

erteilt wird. Hierfür ist es gerade erforderlich, dass durch einen möglichst großen Bieterkreis<br />

zwischen den einzelnen Anbietern intensiver Wettbewerb herrscht.<br />

Hat die Vergabestelle die Ausschreibung fehlerhaft nicht nach den Vorschriften der<br />

VOL/A, sondern der VOB/A durchgeführt, wirkt sich dieser Verstoß nicht zu Lasten<br />

der <strong>Antrag</strong>stellerin aus, weil sich die Vorschriften der VOB/A und VOL/A in den<br />

streitgegenständlichen Problemen des Verstoßes gegen die Pflicht zur produktneutralen<br />

Ausschreibung und des Ausschlusses eines Angebotes wegen der fehlenden Übereinstimmung<br />

mit den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses nicht grundlegend unterscheiden (OLG<br />

München, B. v. 05.11.2009 - Az.: Verg 15/09).<br />

<strong>19.</strong>4.6.16 Drohender Schaden bei der Rüge der Anwendung einer<br />

fehlerhaften Vergabeart<br />

<strong>19.</strong>4.6.16.1 Rechtsprechung des BGH<br />

2752/2<br />

Nach Auffassung des BGH droht ein Schaden droht bereits dann, wenn die Aussichten dieses<br />

Bieters auf die Erteilung des Auftrags zumindest verschlechtert worden sein können. Das ist<br />

nicht nur der Fall, wenn dies für den Zuschlag in dem eingeleiteten und zur Nachprüfung<br />

gestellten Vergabeverfahren zutrifft. Denn es ist die tatsächliche Erteilung des Auftrags,<br />

welche die Vermögenslage von Bietern beeinflusst, nicht der Umstand, in welchem


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Vergabeverfahren sie erfolgt. <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 <strong>GWB</strong> lässt auch nicht erkennen, dass für die<br />

<strong>Antrag</strong>sbefugnis allein auf die Möglichkeit abzustellen sein könnte, den ausgeschriebenen<br />

Auftrag gerade in dem eingeleiteten und zur Nachprüfung gestellten Vergabeverfahren zu<br />

erhalten. Nach seinem Wortlaut muss vielmehr ganz allgemein ein (drohender) Schaden<br />

dargelegt werden, für den die behauptete Verletzung von Vergabevorschriften kausal ist. Es<br />

genügt deshalb, wenn es nach dem Vorbringen des das Nachprüfungsverfahren<br />

betreibenden Bieters möglich erscheint, dass er ohne den behaupteten<br />

Vergaberechtsverstoß den Bedarf, dessentwegen die Ausschreibung erfolgt ist, gegen<br />

Entgelt befriedigen kann. Das ist regelmäßig auch der Fall, wenn das eingeleitete<br />

Vergabeverfahren nicht ohne weiteres durch Zuschlag beendet werden darf, und zur<br />

Bedarfsdeckung eine Neuausschreibung in Betracht kommt. Dass im Voraus nicht<br />

abzusehen ist, ob die darin liegende Chance eine realistische Aussicht darstellt, den Auftrag<br />

zu erhalten, und sich eine solche Chance keinesfalls zwangsläufig für den betreffenden Bieter<br />

auftun muss, ist angesichts der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unerheblich.<br />

Denn hiernach reicht schon die Möglichkeit einer Verschlechterung der Aussichten des den<br />

Nachprüfungsantrag stellenden Bieters infolge der Nichtbeachtung von Vergabevorschriften<br />

aus. Eine solche Verschlechterung kommt auch dann in Betracht, wenn über die<br />

Zulässigkeit eines Verhandlungsverfahrens Streit herrscht. Das Verhandlungsverfahren<br />

unterscheidet sich grundsätzlich vom offenen Verfahren, weil der öffentliche<br />

Auftraggeber im offenen Verfahren den Auftrag nur gemäß dem Inhalt eines der<br />

innerhalb der Angebotsfrist abgegebenen Gebote erteilen darf, während im<br />

Verhandlungsverfahren der Inhalt der Gebote jeweils verhandelbar ist. Wird das<br />

Verhandlungsverfahren zu Unrecht gewählt, ist deshalb jeder Bieter der ansonsten<br />

nicht gegebenen Gefahr ausgesetzt, im Rahmen von Nachverhandlungen von einem<br />

Mitbewerber unterboten zu werden. Bereits dies kann seine Zuschlagschancen<br />

beeinträchtigen (BGH, B. v. 10.11.2009 - Az.: X ZB 8/09; 1. VK Sachsen, B. v. 15.01.2010<br />

- Az.: 1/SVK/068-09).<br />

<strong>19.</strong>4.6.16.2 Rechtsprechung vor der Grundsatzentscheidung des BGH<br />

2753<br />

2754<br />

Wird die Verletzung der Pflicht zur Ausschreibung im offenen Verfahren gerügt, ist die<br />

Darlegung des drohenden Schadens unproblematisch, wenn gar nicht ausgeschrieben<br />

wurde oder der Auftraggeber sich von vornherein nur an einen begrenzten Kreis von<br />

Unternehmen gewandt hat, so dass der <strong>Antrag</strong>steller von der beabsichtigten<br />

Auftragserteilung selbst oder den maßgeblichen Bedingungen sowie den Wertungskriterien<br />

nicht oder doch zumindest so spät erfahren hat, dass er sich an dem Wettbewerb nicht mit<br />

einem Erfolg versprechenden Angebot beteiligen konnte (Thüringer OLG, B. v.<br />

08.05.2008 - Az.: 9 Verg 2/08; 2. VK Bund, B. v. <strong>19.</strong>07.2004 - Az.: VK 2 – 79/04; B. v.<br />

<strong>19.</strong>07.2004 - Az.: VK 2 – 76/04; VK Düsseldorf, B. v. 24.06.2008 - Az.: VK – 19/2008 – B;<br />

VK Schleswig-Holstein, B. v. 23.01.2009 - Az.: VK-SH 18/08).<br />

Ein <strong>Antrag</strong>steller kann sich auch in bestimmten Fällen darauf berufen, ihm sei es nicht<br />

zuzumuten, einen Vertrag einzugehen, der ohne die Durchführung des gesetzlich<br />

vorgegebenen Vergabeverfahrens abgeschlossen wird und daher nichtig sei. Verträge, die<br />

ohne die Durchführung eines vorgeschriebenen Vergabeverfahrens geschlossen wurden, sind<br />

nicht allein deshalb nichtig. Die Nichtigkeitsfolge ordnet vielmehr <strong>§</strong> 13 S. 6 VgV für den Fall<br />

an, dass der öffentliche Auftraggeber in einem den <strong>§</strong><strong>§</strong> 97 ff. <strong>GWB</strong> unterliegenden<br />

Vergabeverfahren den Zuschlag unter Missachtung der in <strong>§</strong> 13 VgV geregelten<br />

Vorabinformationspflichten erteilt. Die Vorschrift gilt nach der Rechtsprechung des BGH<br />

entsprechend, wenn in einem an sich dem Geltungsbereich der <strong>§</strong><strong>§</strong> 97 ff. <strong>GWB</strong>


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

unterliegenden Verfahren zwar rechtswidrig kein förmliches Vergabeverfahren<br />

durchgeführt wurde, aber die faktische Auftragsvergabe wie hier zur Beteiligung<br />

mehrerer Unternehmen, zu verschiedenen Angeboten und zu einer Auswahl des<br />

öffentlichen Auftraggebers geführt hat. Erweist sich also die Auffassung des <strong>Antrag</strong>stellers<br />

von der Anwendbarkeit der <strong>§</strong><strong>§</strong> 97 ff. <strong>GWB</strong> als richtig, wovon bei der Prüfung der<br />

<strong>Antrag</strong>sbefugnis auszugehen ist, und würde die Vergabestelle ihr den Zuschlag unter<br />

Verletzung der Informationspflicht an die anderen Bieter erteilen, wäre der entsprechende<br />

Vertrag tatsächlich nichtig. Dass einem <strong>Antrag</strong>steller hieraus, insbesondere wenn einer der<br />

unterlegenen Bieter sich hierauf erst berufen würde, nachdem der Vertrag schon einige Zeit<br />

zur Durchführung gelangt war, Schäden erwachsen könnten, liegt nahe. Wenn eine<br />

Vergabestelle z.B. vor <strong>Einleitung</strong> des Nachprüfungsverfahrens auch die Geltung von <strong>§</strong> 13<br />

VgV ausdrücklich in Abrede gestellt hat, kann auch nicht ohne Weiteres davon ausgegangen<br />

werden, sie werde die Informationspflicht – quasi ohne Anerkennung einer Rechtspflicht –<br />

gleichwohl erfüllen. Damit wird ein drohender Schaden behauptet, der nicht Folge einer<br />

Verschlechterung der Zuschlagschancen, sondern vielmehr gerade der – rechtswidrigen<br />

– Zuschlagserteilung ist. Dass ein solcher drohender Schaden aber nicht geeignet sein<br />

soll, die <strong>Antrag</strong>sbefugnis zu begründen, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen, das<br />

lediglich auf einen durch die Vergaberechtsverletzung entstandenen Schaden abstellt<br />

(Thüringer OLG, B. v. 08.05.2008 - Az.: 9 Verg 2/08).<br />

2755<br />

2755/1<br />

2756<br />

Andererseits liegt trotz - unterstellter - falscher Wahl der Vergabeart dann keinen Schaden<br />

vor, wenn der <strong>Antrag</strong>steller die Möglichkeit hatte, an dem Vergabeverfahren<br />

teilzunehmen, und auch ein Angebot abgegeben hat. Die Zuschlagschancen werden durch<br />

eine - unterstellte - falsche Wahl der Vergabeart nicht verschlechtert (VK Baden-<br />

Württemberg, B. v. 01.09.2009 - Az.: 1 VK 46/09; B. v. 16.01.2009 - Az.: 1 VK 65/08; VK<br />

Bremen, B. v. 18.6.2003 - Az.: VK 08/03; 1. VK Bund, B. v. 13.11.2002 - Az.: VK 1 - 87/02;<br />

3. VK Bund, B. v. 20.11.2009 - Az.: VK 3 - 202/09; VK Hessen, B. v. 30.03.2009 - Az.: 69 d<br />

VK - 66/2008; 1. VK Sachsen, B. v. 11.08.2006 - Az.: 1/SVK/073-06; VK Schleswig-<br />

Holstein, B. v. 23.01.2009 - Az.: VK-SH 18/08; im Ergebnis wohl ebenso Thüringer OLG, B.<br />

v. 08.05.2008 - Az.: 9 Verg 2/08; VK Arnsberg, B. v. 08.02.2006 - Az.: VK 01/06 – bezogen<br />

auf den Zeitpunkt der Zulassung zum Teilnahmewettbewerb bei einem Nichtoffenen<br />

Verfahren; 2. VK Bund, B. v. <strong>19.</strong>11.2003 - Az.: VK 2 - 114/03; VK Schleswig-Holstein, B. v.<br />

23.01.2009 - Az.: VK-SH 18/08). Nach Auffassung der VK Hessen gilt dies auch, wenn der<br />

<strong>Antrag</strong>steller die Möglichkeit hatte, an dem Vergabeverfahren teilzunehmen, und kein<br />

Angebot abgegeben hat (VK Hessen, B. v. 30.03.2009 - Az.: 69 d VK - 66/2008).<br />

Dies folgt auch nicht aus <strong>§</strong> 101 b Abs. 1 <strong>GWB</strong>. Dieser Bestimmung ist, entsprechend der<br />

bisherigen Rechtsprechung, lediglich zu entnehmen, dass ein Unternehmen, das sich wegen<br />

einer „de-facto-Vergabe“ nicht an einem Wettbewerb beteiligen konnte und bei dem<br />

deshalb ein Schaden vorliegt, die Durchführung eines Vergabeverfahrens entsprechend dem<br />

<strong>GWB</strong> verlangen kann (VK Baden-Württemberg, B. v. 01.09.2009 - Az.: 1 VK 46/09).<br />

Etwas offener ist die Rechtsprechung, dass der Bieter, der an einem Verhandlungsverfahren<br />

teilgenommen und ein Angebot abgegeben hat und der nunmehr rügt, statt der Freihändigen<br />

Vergabe sei die Öffentliche Ausschreibung geboten gewesen, zur Darlegung seiner<br />

<strong>Antrag</strong>sbefugnis vortragen muss, dass er im Falle einer Öffentlichen Ausschreibung ein<br />

anderes und chancenreicheres Angebot abgegeben haben würde oder dass das<br />

Verhandlungsverfahren sonst wie für seine aussichtslose Position im Bieterfeld ursächlich<br />

gewesen ist (OLG Düsseldorf, B. v. 04.05.2009 - Az.: VII-Verg 68/08; B. v. 25.5.2002 - Az.:<br />

5 Verg/02; OLG Koblenz, B. v. 04.02.2009 - Az.: 1 Verg 4/08; Thüringer OLG, B. v.<br />

08.05.2008 - Az.: 9 Verg 2/08; VK Baden-Württemberg, B. v. 16.01.2009 - Az.: 1 VK 65/08;


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

1. VK Bund, B. v. 20.08.2008 - Az.: VK 1 - 111/08; B. v. 11.03.2004 - Az.: VK 1 - 151/03; 2.<br />

VK Bund, B. v. 22.08.2008 - Az.: VK 2 – 73/08; 1. VK Sachsen, B. v. 26.06.2009 - Az.:<br />

1/SVK/024-09; B. v. 11.08.2006 - Az.: 1/SVK/073-06; VK Schleswig-Holstein, B. v.<br />

23.01.2009 - Az.: VK-SH 18/08).<br />

2757<br />

2758<br />

2759<br />

2760<br />

2761<br />

2762<br />

Eine Möglichkeit hierfür kann darin gesehen werden, dass im Falle eines Offenen<br />

Verfahrens die Vergabestelle entsprechend den Vorschriften der VOL/A gemäß <strong>§</strong> 9a VOL/A<br />

in den Verdingungsunterlagen oder in der Vergabebekanntmachung alle Zuschlagskriterien<br />

hätte angeben müssen, deren Verwendung sie vorsieht und möglichst in der Reihenfolge der<br />

ihnen zuerkannten Bedeutung. Hat die Vergabestelle bei der "Angebotsaufforderung" nur die<br />

Funktionen und Leistungen beschrieben, die sie für erforderlich hält, hat den Bietern aber<br />

keine Hinweise zu der Bewertung ihrer Angebote aufgezählt und schon gar keine Reihenfolge<br />

der Wertungskriterien festgelegt und hat die Vergabestelle mit allen Bietern<br />

Nachverhandlungen geführt, die in einem Verfahren nach dem Abschnitt 2 der VOL/A (<strong>§</strong> 24<br />

VOL/A) unstatthaft sind, ist die <strong>Antrag</strong>sbefugnis zu bejahen (VK Münster, B. v. 24.6.2002 -<br />

Az.: VK 03/02).<br />

Nach Auffassung des OLG Celle hingegen genügt dann, wenn ein Bieter geltend macht, in<br />

seinen Rechten dadurch verletzt zu sein, dass der Auftraggeber auf seine Rügen hin das<br />

Vergabeverfahren nicht aufgehoben hat, dieser Vortrag den Anforderungen des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2<br />

S. 2 <strong>GWB</strong>. Das Unterlassen einer zwingend gebotenen Aufhebung des<br />

Vergabeverfahrens stellt eine Verletzung der Bieterrechte im Sinn des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2<br />

<strong>GWB</strong> i. V. m. <strong>§</strong> 97 Abs. 7 <strong>GWB</strong> dar. Liegen die behaupteten Verstöße vor und besteht<br />

der Bedarf beim Auftraggeber fort, so ist die Neuausschreibung Folge der Aufhebung.<br />

Der Bieter hätte die Chance, sich an der erneuten Ausschreibung mit einem dieser<br />

Ausschreibung entsprechenden Angebot zu beteiligen. So ist es zum Beispiel durchaus<br />

möglich, dass der Bieter ein erneutes Angebot im offenen Verfahren (nochmals)<br />

preislich überarbeitet oder sein Angebot aus anderen (Preis- oder Wertungs-)Gründen<br />

besser abschneidet als das der Mitbietenden. Daher ist es zumindest nicht ausgeschlossen,<br />

dass ihm durch das Absehen von einer Aufhebung der Ausschreibung ein Schaden zu<br />

entstehen droht. Auf die Frage, ob der Bieter den Zuschlag auch bei vergaberechtskonformer<br />

Ausschreibung erhalten hätte, kommt es dagegen nicht an (OLG Celle, B. v. 17.07.2009 - Az.:<br />

13 Verg 3/09; im Ergebnis ebenso VK Niedersachsen, B. v. 21.08.2009 - Az.: VgK-43/2009;<br />

B. v. 21.08.2009 - Az.: VgK-42/2009).<br />

Das OLG Celle sieht in seiner Auffassung einen Widerspruch insbesondere zur<br />

Rechtsprechung des OLG Koblenz (vgl. die Kommentierung RZ 2748) und hat deshalb die<br />

Frage dem BGH zur Entscheidung vorgelegt. Der BGH hat die Frage inzwischen im<br />

Sinnen des OLG Celle entschieden (vgl. die Kommentierung RZ 2752/1).<br />

Die 1. VK des Bundes (B. v. 2.7.2002 - Az.: VK 1 - 31/02) betrachtet hingegen die Wahl des<br />

Verhandlungsverfahrens als einen Vorteil für ein Unternehmen, wenn es die Möglichkeit zu<br />

einer Preisreduzierung nach Angebotsabgabe genutzt hat.<br />

Auch nach Auffassung der VK Schleswig-Holstein (B. v. 23.01.2009 - Az.: VK-SH 18/08)<br />

eröffnen sich durch die größere Flexibilität des Verhandlungsverfahrens gegenüber dem<br />

offenen Verfahren sogar größere Möglichkeiten der Angebotsgestaltung.<br />

Auch die Argumentation, im Rahmen eines offenen Verfahrens die Möglichkeit zu haben,<br />

sich nach Partnern für eine Bietergemeinschaft umzusehen, um so ihr Angebot in<br />

qualitativer und preislicher Hinsicht zu verbessern, begründet keine Rügebefugnis nach <strong>§</strong> <strong>107</strong>


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Abs. 2 <strong>GWB</strong> hinsichtlich einer fehlerhaften Vergabeart, da auch im Rahmen einer<br />

freihändigen Vergabe die Möglichkeit besteht, das Angebot in gleicher Weise durch die<br />

Einbindung von Subunternehmern zu optimieren (1. VK Bund, B. v. 20.08.2008 - Az.:<br />

VK 1 - 111/08).<br />

2763<br />

2764<br />

Ein Bieter, der an einem streitgegenständlichen Vergabeverfahren nicht teilgenommen<br />

hat, kann sich ebenso nicht mit Erfolg darauf berufen, ihm drohe infolge der gewählten<br />

Verfahrensart bereits dadurch ein Schaden, dass er sich gegen eine Nichteinbeziehung<br />

in den Bieterkreis – unbeschadet der beschwerlicheren und riskanteren Möglichkeit des<br />

verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes - nicht effektiv zur Wehr setzen könne,<br />

während er im offenen Verfahren stets ein Angebot abgeben könne. Der Auftraggeber hat<br />

es nicht in der Hand, durch die Wahl des Verfahrens dem Bieter den nach <strong>§</strong><strong>§</strong> 104 ff. <strong>GWB</strong><br />

vorgesehenen Rechtsschutz abzuschneiden und ihn dadurch faktisch an der Abgabe eines<br />

Angebotes zu hindern (OLG Düsseldorf, B. v. 16.02.2006 - Az.: VII - Verg 6/06).<br />

Ein Bieter kann auch nicht damit gehört werden, eine Beteiligung an dem tatsächlich<br />

durchgeführten Verfahren sei ihm nicht zumutbar gewesen, weil der Auftraggeber bereits<br />

durch die Wahl einer falschen Verfahrensart zum Ausdruck gebracht habe, dass er nicht<br />

gewillt sei, die Vorschriften des 4. Teils des <strong>GWB</strong> zu beachten. Der allgemeine Hinweis auf<br />

die fehlende Rechtstreue eines Auftraggebers enthebt ihn nicht von der Obliegenheit, im<br />

Einzelnen darzulegen, inwieweit der gerügte Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf<br />

einen Zuschlag eingeschränkt hat. Dieses folgt schon aus dem Charakter des<br />

Vergabenachprüfungsverfahrens, das gerade nicht im Sinne einer allgemeinen<br />

Rechtsmäßigkeitskontrolle darauf angelegt ist, alle denkbaren Vergaberechtsverstöße<br />

aufzuspüren und abzustellen (OLG Düsseldorf, B. v. 16.02.2006 - Az.: VII - Verg 6/06).<br />

<strong>19.</strong>4.6.17 Drohender Schaden bei einem Teilnahmewettbewerb<br />

2765<br />

2766<br />

2767<br />

Die Rechtsprechung ist insoweit nicht einheitlich.<br />

Ein Schaden ist dann dargelegt, wenn sich aus dem Sachvortrag schlüssig und<br />

nachvollziehbar ergibt, dass durch die gerügten Vergaberechtsverstöße unter anderem die<br />

Aussichten eines <strong>Antrag</strong>stellers auf eine Berücksichtigung seiner Bewerbung in einem<br />

Teilnahmewettbewerb beeinträchtigt sein können oder dass die Chancen seiner Bewerbung<br />

zumindest verschlechtert worden sind. Dies ist bereits dann der Fall, wenn ein Teilnehmer<br />

an einem Teilnahmewettbewerb, der einem Verhandlungsverfahren vorgeschaltet ist, alle<br />

vom Auftraggeber geforderten Eignungsnachweise erbracht hat und der Bewerber mit<br />

hoher Wahrscheinlichkeit in das Verhandlungsverfahren einzubeziehen gewesen wäre<br />

(VK Brandenburg, B. v. 30.7.2002 - Az.: VK 38/02).<br />

Nach einer anderen Auffassung hat ein <strong>Antrag</strong>steller die Darlegungs- und Beweislast<br />

dafür, inwieweit durch die Wahl des Nichtoffenen Verfahrens anstelle eines Offenen<br />

Verfahrens mit europaweiter Bekanntmachung seine Leistungs- und<br />

Angebotsmöglichkeiten eingeschränkt oder negativ beeinflusst worden sein könnten. Der<br />

Auftraggeber muss im Rahmen eines Offenen Verfahrens anlässlich der 2. Wertungsstufe<br />

ebenfalls die Eignung des Bieters bzw. Bewerbers überprüfen. Die VK Schleswig-Holstein<br />

vermag jedoch hinsichtlich des Schadens keinen Unterschied darin zu erkennen, ob eine<br />

Bewerbung im Stadium der Teilnahmewettbewerbs eines Nichtoffenen Verfahrens oder<br />

(erst) auf der 2. Wertungsstufe eines Offenen Verfahrens ausgeschieden wird (VK


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Schleswig-Holstein, B. v. 23.01.2009 - Az.: VK-SH 18/08; B. v. 28.11.2006 – Az.: VK-SH<br />

25/06).<br />

2768<br />

2769<br />

Im Regelfall dürfte der <strong>Antrag</strong>steller, der den Teilnahmewettbewerb unter Teilnahme<br />

einer Vielzahl von Bewerbern passiert hat, gerade kein Interesse haben, dass eine<br />

Neuwertung der Teilnahmeanträge bzw. eine Wiederholung des Teilnahmewettbewerbs<br />

stattfindet. Es sind jedoch auch im Einzelfall Fallkonstellationen denkbar, in denen sich der<br />

<strong>Antrag</strong>steller gerade in zulässiger Weise auf eine Rechtsverletzung im Sinne des <strong>§</strong> 97 Abs. 7<br />

<strong>GWB</strong> beruft, deren Feststellung die Neuwertung oder gar Aufhebung eines<br />

Teilnahmewettbewerbs erfordert. In diesen Fällen ist in besonders sorgfältiger Art und<br />

Weise die <strong>Antrag</strong>sbefugnis und damit die Darstellung der subjektiven Rechtsverletzung zu<br />

prüfen. Die <strong>Antrag</strong>sbefugnis ist dann beispielsweise zu bejahen, wenn schlüssig<br />

vorgetragen wird, das Vergabeverfahren ist auf einen anderen Bieter zugeschnitten, der<br />

jedoch die Voraussetzungen des Teilnahmewettbewerbs nicht erfüllt hat (1. VK Sachsen,<br />

B. v. 14.04.2008 - Az.: 1/SVK/013-08).<br />

Anderer Auffassung ist die VK Bund. Denn zum einen führt die Beseitigung des geltend<br />

gemachten Vergaberechtsverstoßes der falschen Verfahrensart z.B. durch Aufhebung dazu,<br />

dass sich ein Bewerber – bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht – an einem neuen<br />

Vergabeverfahren mit einem neuen Angebot beteiligen und dabei Ausschlussgründe<br />

vermeiden kann. Zum andern verbieten die unterschiedlichen Funktionen von Auswahl<br />

bzw. Auswahlkriterien im Teilnahmewettbewerb einerseits und Eignungsprüfung bzw. -<br />

kriterien im offenen Verfahren andererseits die Annahme, dass die Ermittlung der<br />

geeigneten Bieter im Rahmen der Eignungsprüfung in einem offenen Verfahren<br />

zwangsläufig zu demselben Ergebnis kommt wie die Auswahl der Bewerber für die<br />

Angebotsphase im Teilnahmewettbewerb. Denn die für den Teilnahmewettbewerb<br />

aufgestellten Auswahlkriterien dienen ihrem Sinn und Zweck nach gerade nicht nur dazu<br />

festzustellen, ob ein Bieter grundsätzlich geeignet ist, den fraglichen Auftrag auszuführen,<br />

sondern darüber hinaus dazu, aus einer Vielzahl von Bewerbern diejenigen – nach Bewertung<br />

des Auftraggebers besser geeigneten – auszuwählen, die zur Angebotsabgabe aufgefordert<br />

werden. Diesem Verständnis folgend haben die Auftraggeber auch keine materielle<br />

Eignungsprüfung hinsichtlich des grundsätzlichen Ob’s der Eignung durchgeführt, sondern<br />

allenfalls eine Abstufung unter den Bewerbern nach Maß des Mehr oder Weniger an Eignung.<br />

Für ein offenes Verfahren müssten die Auftraggeber dagegen bestimmen, welche<br />

unternehmensbezogenen Voraussetzungen erforderlich sind, damit ein Bieter in der Lage ist,<br />

den fraglichen Auftrag auszuführen; insbesondere für die Ermittlung qualitativer Unterschiede<br />

hinsichtlich der Eignung ist hier kein Raum (1. VK Bund, B. v. <strong>19.</strong>11.2008 - Az.: VK 1 -<br />

135/08; B. v. <strong>19.</strong>11.2008 - Az.: VK 1 - 126/08).<br />

<strong>19.</strong>4.6.18 Drohender Schaden bei nicht EU-weiter Bekanntmachung<br />

2770<br />

Soweit ein <strong>Antrag</strong>steller beanstandet, die Ausschreibung habe nicht nur national veröffentlicht<br />

werden dürfen, sondern sei darüber hinaus im Supplement zum EG-Amtsblatt bekannt zu<br />

machen gewesen, ist eine daraus resultierende Benachteiligung des <strong>Antrag</strong>stellers nicht<br />

vorgetragen. Sie ist mit Rücksicht darauf, dass der <strong>Antrag</strong>steller die Bekanntmachung zur<br />

Kenntnis genommen und sich sodann am Vergabeverfahren beteiligt hat, auch nicht<br />

ersichtlich (VK Brandenburg, B. v. 03.04.2009 - Az.: VK 8/09; B. v. 15.9.2003 - Az.: VK<br />

57/03; im Ergebnis ebenso OLG Düsseldorf, B. v. 11.02.2009 - Az.: VII-Verg 69/08; OLG<br />

Koblenz, B. v. 08.12.2008 - Az.: 1 Verg 4/08).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

2771<br />

2772<br />

Dem steht im Ergebnis gleich, wenn keine (formelle) Ausschreibung erfolgt ist und dem<br />

interessierten Unternehmen eine Teilnahme an anderweitig eingeleiteten<br />

Verhandlungen mit dem Ziel eines Vertragsschlusses ermöglicht worden ist. Kommt es<br />

nicht zum Abschluss mit diesem Unternehmen, kann der behauptete Schaden nicht auf der<br />

fehlenden Bekanntgabe beruhen (VK Brandenburg, B. v. 03.04.2009 - Az.: VK 8/09).<br />

Begründet ein Bieter einen drohenden Schaden ausschließlich damit, dass ihm wegen der<br />

nicht EU-weiten Ausschreibung der Rechtsschutz durch ein Verfahren bei der<br />

Vergabekammer entzogen werde, da er sich nicht effektiv gegen den Ausschluss seines<br />

Angebots wehren könne, mag sich dies bei <strong>Antrag</strong>sstellung so darstellen; hat sich das<br />

Verfahren jedoch mittlerweile bis zur Beschlussfassung fortentwickelt, hat die<br />

Vergabekammer also trotz der Tatsache, dass es sich vorliegend nur um eine öffentliche<br />

Ausschreibung handelt, ein Nachprüfungsverfahren durchgeführt wegen Bejahung der<br />

Auftraggebereigenschaft und Erreichens des EU-Schwellenwerts ohne Ausnahme, ist dieser<br />

Aspekt erledigt (1. VK Sachsen, B. v. 23.1.2004 - Az.: 1/SVK/160-03).<br />

<strong>19.</strong>4.6.19 Drohender Schaden bei nicht EU-weiter Ausschreibung<br />

2773<br />

2774<br />

2775<br />

Die Rechtsprechung ist insoweit nicht einheitlich.<br />

Nach einer Auffassung kann sich ein <strong>Antrag</strong>steller nicht auf eine unterbliebene<br />

europaweite Ausschreibung berufen, wenn er trotz des von dem öffentlichen<br />

Auftraggeber gewählten fehlerhaften Verfahrens der öffentlichen Ausschreibung statt des<br />

Offenen Verfahrens ein Angebot vorlegt und er auch nicht vorträgt, dass er im Falle einer<br />

ordnungsgemäßen Ausschreibung ein inhaltlich anderes Leistungsangebot mit besseren<br />

Aussichten auf eine Zuschlagserteilung abgegeben hätte (OLG Düsseldorf, B. v.<br />

18.10.2006 - Az.: VII – Verg 35/06; 3. VK Bund, B. v. 02.03.2010 – Az.: VK 3 - 12/10; VK<br />

Münster, B. v. 4.12.2003 - Az.: VK 21/03).<br />

Nach einer anderen Auffassung steht bei einer unterlassenen EU-weiten Ausschreibung<br />

die Beteiligung eines Bieters der Annahme eines Schadens nicht entgegen, wenn sich das<br />

vom Auftraggeber durchgeführte Verfahren nur rudimentär an die Regelungen des 2.<br />

Abschnittes der VOL/A anlehnt, keine Eignungsprüfung anhand vorzulegender<br />

Angaben/Unterlagen vorgenommen wurde und es keine für die Bieter erkennbare<br />

Festlegung auf eine Verfahrensart mit entsprechend transparenter Dokumentation in<br />

der Vergabeakte gab. Die Durchführung eines europaweiten Verfahrens unter Beachtung der<br />

Regelungen des 2. Abschnittes der VOL/A stellt für den Bieter nicht nur eine Formalität dar,<br />

sondern hat direkte, nicht vorhersehbare Auswirkungen auf die Chancen der Bieter. Aufgrund<br />

der Unwägbarkeiten der Chancen aller Bieter im Falle dass der Auftraggeber durch<br />

Veröffentlichung deutlich gemacht hätte, dass überhaupt ein Wettbewerb durchgeführt wird,<br />

er weiter eine Eignungsprüfung durchgeführt hätte und die Bieter sich auf eine bestimmte<br />

Verfahrensart und ggf. mitgeteilte Wertungskriterien bei der Gestaltung ihres Angebotes<br />

hätten einstellen können, kann in keiner Weise die Aussage getroffen werden, dass dem Bieter<br />

eine vollwertige Chance auf den Vertragsschluss geboten gewesen wäre. Der Auftraggeber<br />

hat nicht nur formale Anforderungen nicht erfüllt, die ein Unternehmen, das ein Angebot<br />

abgeben konnte, überhaupt nicht in seinen Wettbewerbschancen berühren würden, sondern<br />

auch wesentliche Bestandteile des reglementierten Vergabeverfahrens außer Acht gelassen,<br />

die auf die Beurteilung des Unternehmens und die Bewertung der Angebote Einfluss haben<br />

können (VK Düsseldorf, B. v. 27.04.2006 - Az.: VK - 12/2006 - L).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

2776<br />

Ein Bieter wird durch das Unterlassen einer europaweiten Ausschreibung nicht gehindert,<br />

sich im Rahmen der vergaberechtswidrigerweise lediglich national durchgeführten<br />

öffentlichen Ausschreibung am Vergabeverfahren zu beteiligen. Er ist damit - ebenso wie<br />

die anderen Bieter im streitbefangenen Verfahren - deutlich besser gestellt als die<br />

potenziellen Konkurrenten in den anderen EU-Mitgliedsstaaten, die mangels<br />

europaweiter Bekanntmachung vom Vergabeverfahren gar nicht informiert wurden. Die<br />

Beeinträchtigung der Rechte des <strong>Antrag</strong>stellers wie auch der übrigen Bieter im<br />

Vergabeverfahren liegt jedoch darin begründet, dass ihnen durch das Unterlassen der<br />

europaweiten Ausschreibung zugleich die Wahrnehmung des Primärrechtsschutzes<br />

nach dem 4. Teil des <strong>GWB</strong> zumindest deutlich erschwert wird (VK Arnsberg, B. v.<br />

04.11.2008 - Az.: VK 23/08; VK Lüneburg, B. v. 10.10.2006 - Az.: VgK-23/2006). Dies<br />

kann sich z.B. in der Tatsache manifestieren, dass der Auftraggeber den Auftrag bereits<br />

vergeben hat, ohne die Bieter 14 Tage vorab über den bevorstehenden Zuschlag zu<br />

informieren, weil er sich an die Vorgabe des <strong>§</strong> 13 VgV nicht gebunden fühlt (VK Lüneburg,<br />

B. v. 10.10.2006 - Az.: VgK-23/2006).<br />

<strong>19.</strong>4.6.20 Drohender Schaden bei losweiser Ausschreibung<br />

2777<br />

Werden mehrere Lose mit dem Vorbehalt der Einzellosvergabe ausgeschrieben und wendet<br />

sich der <strong>Antrag</strong>steller nicht gegen die Entscheidung der Vergabestelle, von dem Vorbehalt<br />

Gebrauch zu machen, sondern nur gegen die vorgesehene Zuschlagserteilung hinsichtlich<br />

eines bestimmten Loses, so fehlt es ihm an der <strong>Antrag</strong>sbefugnis, wenn er dieses Los nicht<br />

angeboten hat und auch nicht behauptet, daran gehindert gewesen zu sein (OLG Koblenz, B.<br />

v. 8.2.2001 - Az.: 1 Verg 5/00).<br />

<strong>19.</strong>4.6.21 Drohender Schaden bei nicht losweiser Ausschreibung<br />

2778<br />

2779<br />

Bei komplexen Projektmanagementleistungen ist einem interessierten Unternehmen die<br />

Beteiligung an einer Bietergemeinschaft grundsätzlich zuzumuten. Auf jeden Fall muss<br />

ein Bieter die Gründe dafür vortragen, warum ihm eine Beteiligung an einer<br />

Bietergemeinschaft nicht zuzumuten ist (VK Thüringen, B. v. 16.02.2007 - Az.: 360-4003.20-<br />

402/2007-001-UH).<br />

Schreibt eine Vergabestelle Leistungen aus, ohne sie in Lose aufzuteilen, ist ein Bieter<br />

durch die fehlende Aufteilung in Lose allein nicht beschwert ist, wenn er selbst dadurch<br />

nicht an einer Angebotsabgabe gehindert wird, weil er die die gesamte abgeforderte<br />

Leistung erbringen kann. Damit fehlt es an einer Kausalität der Ausgestaltung der Vergabe<br />

ohne Lose für die behauptete Rechtsverletzung (VK Nordbayern, B. v. 16.04.2008 - Az.:<br />

21.VK - 3194 – 14/08).<br />

<strong>19.</strong>4.6.22 Drohender Schaden bei fehlende Bezeichnung der<br />

Vergabekammer in den Verdingungsunterlagen<br />

2780<br />

Wenn ein <strong>Antrag</strong>steller die fehlende Bezeichnung der Vergabekammer in den<br />

Verdingungsunterlagen rügt, erscheint unter keinem Blickwinkel heraus ein drohender<br />

Schaden denkbar, wenn der <strong>Antrag</strong>steller den Weg zur zuständigen Vergabekammer<br />

gefunden hat und die Vergabekammer auf <strong>Antrag</strong> des <strong>Antrag</strong>stellers das


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Nachprüfungsverfahren eingeleitet hat (VK Schleswig-Holstein, B. v. 17.09.2008 - Az.:<br />

VK-SH 10/08).<br />

<strong>19.</strong>4.6.23 Drohender Schaden und Information nach <strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong><br />

2781<br />

Zur Notwendigkeit der Kausalität zwischen drohendem Schaden und einer unzureichenden<br />

Information nach <strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong> vgl. die Kommentierung zu <strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong> RZ 2271.<br />

<strong>19.</strong>4.6.24 Drohender Schaden bei Verlängerung der Zuschlags- und<br />

Bindefrist<br />

2782<br />

Allein durch die Verlängerung der Zuschlags- und Bindungsfrist wird ein <strong>Antrag</strong>steller<br />

nicht in seinen Rechten verletzt. Eine Verlängerung der Frist stellt keinen Verstoß gegen<br />

den Gleichbehandlungs- und Wettbewerbsgrundsatz dar, wenn der Auftraggeber allen für die<br />

Vergabe noch in Betracht kommenden Bietern die Möglichkeit gibt, weiterhin am<br />

Vergabeverfahren teilzunehmen. Solange sie nicht ausgeschlossen werden, haben die Bieter<br />

keinen Anspruch auf einen Abschluss des Vergabeverfahrens zum vorgesehenen Zeitpunkt,<br />

wenn die Verlängerung keinen Einfluss auf die Leistungszeiten hat (OLG Naumburg, B. v.<br />

13.5.2003 - Az.: 1 Verg 2/03).<br />

<strong>19.</strong>4.6.25 Drohender Schaden bei zu kurzen Angebotsfristen<br />

2783<br />

2784<br />

2785<br />

Bei zu kurzen Angebotsfristen führt die bloße Verletzung der Formvorschrift nicht<br />

regelmäßig zur Aufhebung des Vergabeverfahrens. Vielmehr muss ein Bieter, der sich auf<br />

eine Rechtsverletzung beruft, geltend machen und entsprechend darlegen, dass er durch die<br />

zu kurz bemessene Frist einen Schaden erlitten hat (2. VK Bund, B. v. 17.4.2003 - Az.:<br />

VK 2 - 16/03).<br />

In einer späteren Entscheidung stellt die Vergabekammer jedoch nur noch darauf ab, dass<br />

durch die nicht ausreichend bemessene Frist ebenfalls das Bestehen bzw. Drohen eines<br />

Schadens zu Lasten des Bieters zumindest nicht ausgeschlossen ist. Es ist zumindest nicht<br />

absolut fern liegend, dass der Bieter bei ausreichender Möglichkeit zur Angebotserstellung<br />

ein besseres Angebot erstellt hätte, das nicht auszuschließen gewesen wäre und damit eine<br />

Chance auf einen Zuschlag gehabt hätte (2. VK Bund, B. v. 8.8.2003 - Az.: VK 2 - 52/03).<br />

Beteiligt sich jedoch ein Bieter fristgerecht mit einem Angebot an der Ausschreibung, so<br />

entsteht ihm – abgesehen von besonderen Umständen - aus der angeblich zu kurzen<br />

Angebotsfrist kein Nachteil (1. VK Bund, B. v. 09.05.2007 - Az.: VK 1 - 26/07).<br />

<strong>19.</strong>4.6.26 Drohender Schaden bei Verletzung der Dokumentationspflicht<br />

<strong>19.</strong>4.6.26.1 Allgemeines<br />

2786<br />

Eine fehlende Dokumentation und Transparenz führt nicht zwangsläufig zu einem zugunsten<br />

eines <strong>Antrag</strong>stellers im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens wirkenden Rechtsverstoß mit


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Auswirkungen auf das Vergabeverfahren; die Dokumentation ist nicht Selbstzweck,<br />

sondern sie hat eine "dienende" Funktion (VK Hessen, B. v. 29.5.2002 - Az.: 69 d VK -<br />

15/2002; 1. VK Sachsen, B. v. 08.01.2010 - Az.: 1/SVK/059-09; B. v. 10.06.2008 - Az.:<br />

1/SVK/026-08; B. v. 14.04.2008 - Az.: 1/SVK/013-08). Das Fehlen eines Vergabevermerks<br />

ist für die materielle Rechtmäßigkeit einer Vergabeentscheidung ohne Bedeutung (VK<br />

Münster, B. v. 30.03.2007 – Az.: VK 04/07; B. v. 10.2.2004 - Az.: VK 01/04; 1. VK Sachsen,<br />

B. v. 14.04.2008 - Az.: 1/SVK/013-08).<br />

2787<br />

2788<br />

2789<br />

Ein <strong>Antrag</strong>steller kann also allein aus der Verletzung der Dokumentationspflicht keine<br />

Ansprüche herleiten. Zum einen kann z. B. eine detaillierte Begründung der Wertung im<br />

Laufe des Nachprüfungsverfahrens sowohl schriftsätzlich als auch in der mündlichen<br />

Verhandlung nachgeholt werden. Zum anderen ist zusätzlich erforderlich, dass der<br />

<strong>Antrag</strong>steller für jeden einzelnen gerügten Vergaberechtsverstoß darlegt, dass ihm durch ihn<br />

ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht (<strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 <strong>GWB</strong>). Es bedarf also<br />

der Einzelprüfung aller gerügten Vergaberechtsverstöße mit Blick auf die Kausalität (OLG<br />

Celle, B. v. 11.02.2010 - Az.: 13 Verg 16/09; OLG Düsseldorf, B. v. 31.07.2007 - Az.: VII -<br />

Verg 25/07; B. v. 11.07.2007 - Az.: VII - Verg 10/07; B. v. 17.3.2004 - Az.: VII - Verg 1/04;<br />

OLG Frankfurt, B. v. 16.08.2006 - Az.: 11 Verg 3/06; OLG München, B. v. 17.01.2008 - Az.:<br />

Verg 15/07; B. v. 28.04.2006 - Az.: Verg 6/06; BayObLG, B. v. 20.8.2001 - Az.: Verg 9/01;<br />

1. VK Bund, B. v. 06.06.2007 - Az.: VK 1 - 38/07; B. v. 09.05.2007 - Az.: VK 1 - 26/07; 2.<br />

VK Bund, B. v. 13.07.2005 - Az.: VK 2 – 75/05; B. v. 24.9.2003 - Az.: VK 2 - 76/03; VK<br />

Nordbayern, B. v. 28.01.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 55/08; B. v. 26.02.2008 - Az.: 21.VK -<br />

3194 - 02/08; 1. VK Sachsen, B. v. 08.01.2010 - Az.: 1/SVK/059-09; B. v. 10.06.2008 - Az.:<br />

1/SVK/026-08; B. v. 14.04.2008 - Az.: 1/SVK/013-08; VK Schleswig-Holstein, B. v.<br />

22.07.2009 - Az.: VK-SH 06/09; B. v. 20.01.2009 - Az.: VK-SH 17/08; B. v. 07.05.2008 -<br />

Az.: VK-SH 05/08).<br />

Wird außerdem ein (vermeintlicher) Verstoß gegen eine vergaberechtliche Vorschrift nicht<br />

(rechtzeitig) gerügt und ist daher präkludiert, so kann sich eine auf gerade diesen<br />

Gesichtspunkt beziehende fehlende Dokumentation und Transparenz nicht (mehr)<br />

auswirken, d. h. sie teilt das Schicksal des präkludierten (etwaigen) Verstoßes und ist<br />

ebenfalls nicht mehr Gegenstand der Nachprüfung; sie ist quasi ebenfalls "präkludiert" (VK<br />

Hessen, B. v. 29.5.2002 - Az.: 69 d VK - 15/2002).<br />

Nach Auffassung der 2. VK Brandenburg führen gravierende Dokumentationsmängel im<br />

Ergebnis dazu, dass das Vergabeverfahren ab dem Zeitpunkt, in dem die Dokumentation<br />

unzureichend ist, fehlerbehaftet ist und insoweit zu wiederholen ist (2. VK Brandenburg,<br />

B. v. 14.09.2006 - Az.: 2 VK 36/06; im Ergebnis ebenso OLG Frankfurt, B. v. 16.08.2006 -<br />

Az.: 11 Verg 3/06).<br />

<strong>19.</strong>4.6.26.2 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

2790<br />

• ein Bieter kann seinen Nachprüfungsantrag allerdings nur dann auf eine fehlende<br />

oder unzureichende Dokumentation stützen, wenn sich die diesbezüglichen<br />

Mängel gerade auch auf seine Rechtsstellung im Vergabeverfahren nachteilig<br />

ausgewirkt haben können. Wendet sich der <strong>Antrag</strong>steller mit seinem<br />

Nachprüfungsbegehren gegen die Angebotswertung, kann er sich in diesem<br />

Zusammenhang auf eine fehlerhafte Dokumentation nur insoweit berufen, als diese<br />

gerade in Bezug auf die Wertung des Angebots unzureichend ist, d. h. die


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Angebotswertung anhand des Vergabevermerks nicht oder nur unzureichend<br />

nachvollzogen werden kann (OLG Celle, B. v. 11.02.2010 - Az.: 13 Verg 16/09)<br />

• der Bieter kann seinen Nachprüfungsantrag nur dann auf eine fehlende oder<br />

unzureichende Dokumentation stützen, wenn sich die diesbezüglichen Mängel<br />

gerade auch auf seine Rechtsstellung im Vergabeverfahren nachteilig ausgewirkt<br />

haben könnten (OLG Frankfurt, B. v. 08.12.2009 - Az.: 11 Verg 6/09; VK<br />

Nordbayern, B. v. 18.09.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 43/08)<br />

• unterlässt es ein Auftraggeber, einen Vergabevermerk anzufertigen, in dem er in<br />

transparenter Weise begründet, weshalb Angebote für die Versorgung mit wieder<br />

verwendbaren Hilfsmitteln jeweils nur für ein gesamtes Bundesland und nicht<br />

für kleinere Regionen zugelassen werden sollen, kann sich ein Bieter auch mit<br />

Erfolg auf die mangelhafte Dokumentation des Vergabeverfahrens berufen, da<br />

sich die diesbezüglichen Mängel auf ihre Rechtsstellung im Vergabeverfahren<br />

nachteilig ausgewirkt haben können, wenn z.B. der Bieter vorträgt, dass er in seiner<br />

Eigenschaft als mittelständisches Unternehmen bei einem kleinerem Zuschnitt der<br />

mit dem Versorgungsangebot abzudeckenden Gebiete weitere Angebote abgegeben<br />

hätte bzw. sein Angebot anders gestaltet hätte sowie bei der Zulassung von<br />

Bietergemeinschaften zumindest auch für das Bundesland Hessen ein Angebot<br />

abgegeben hätte (1. VK Bund, B. v. 09.05.2007 - Az.: VK 1 - 26/07)<br />

<strong>19.</strong>4.6.27 Drohender Schaden bei vorzeitiger Angebotsöffnung in einem<br />

Verhandlungsverfahren<br />

2791<br />

Die Vorschrift des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 <strong>GWB</strong> wird nicht dadurch in relevanter Weise verletzt,<br />

dass die Angebote - in einem Verhandlungsverfahren - vorzeitig geöffnet werden. Den<br />

<strong>Antrag</strong>stellern ist kein Schaden daraus erwachsen, dass die Frist nicht eingehalten worden ist,<br />

sondern dass die Angebote bereits vorher geöffnet wurden, wenn, nachdem die<br />

letztverbindlichen Angebote sämtlicher Bieter eingegangen waren, weitere Angebote nicht zu<br />

erwarten und sind auch tatsächlich innerhalb der Frist nicht eingereicht worden. Die<br />

<strong>Antrag</strong>steller können demgemäß aus einer behaupteten verfrühten Eröffnung der Angebote<br />

nichts zu ihren Gunsten herleiten (Hanseatisches OLG, B. v. 10.10.2003 - Az.: 1 Verg 2/03).<br />

<strong>19.</strong>4.6.28 Drohender Schaden bei einer Verdachtsrüge<br />

2792<br />

2793<br />

Gemäß <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 Satz 1 <strong>GWB</strong> ist ein Unternehmen nur antragsbefugt, wenn es ein<br />

Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinem Recht auf Einhaltung der<br />

Vergabebestimmungen geltend macht. Dabei hat es auch darzulegen, dass ihm durch die<br />

behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu<br />

entstehen droht. Was insoweit dem Bieter an Substantiierung anheim zu geben ist, lässt<br />

sich nicht generell sagen, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, u. a. davon,<br />

inwieweit schon die Vorabinformation den Bieter zum Vortrag imstande gesetzt hat.<br />

Dabei ist es möglich, dass einem Bieter aufgrund der Mitteilung nach <strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong> es nicht<br />

möglich ist, einen Vergabeverstoß darlegen. Dies allein erlaubt ihm jedoch nicht, ohne<br />

Weiteres ins Blaue hinein die Nachprüfung zu beantragen. Vielmehr ist er verpflichtet,<br />

sich im zumutbaren Rahmen die notwendigen Informationen zu beschaffen, um zunächst<br />

einmal zu prüfen, ob überhaupt ein Vergaberechtsverstoß vorlag und dann gegebenenfalls


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

einen konkreten Fehler im Verfahren aufzuzeigen. Zu denken war z. B. an eine mit kurzer<br />

Frist versehene Aufforderung an die Auftraggeber, ihr Einzelheiten der Wertung mitzuteilen.<br />

Der <strong>Antrag</strong>steller hätte auch Akteneinsicht beantragen können.<br />

2794<br />

2795<br />

Hat ein <strong>Antrag</strong>steller, statt die ihm zumutbaren Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen, auf<br />

bloßen Verdacht hin die Nachprüfung beantragt, weit vor Ablauf der Frist nach <strong>§</strong> 13<br />

VgV bzw. 101a <strong>GWB</strong>, fehlt für ein solches Verhalten die <strong>Antrag</strong>sbefugnis, die verlangt wird,<br />

um unnötige Nachprüfungsverfahren zu vermeiden (OLG Düsseldorf, B. v. 30.7.2003 - Az.:<br />

Verg 41/03).<br />

Nach Auffassung der Vergabekammer Brandenburg muss die Vergabekammer, wenn sie<br />

nach Einsicht in die Vergabeakte feststellt, dass der Anfangsverdacht für eine zunächst<br />

„ins Blaue“ erhobene Rüge vorliegt, z.B. der Abstand des für den Zuschlag vorgesehenen<br />

Angebotes tatsächlich deutlich, d.h. mehr als 10 % unter dem nächsten Angebot liegt, in<br />

Anwendung des Untersuchungsgrundsatzes, <strong>§</strong> 110 Abs. 1 <strong>GWB</strong>, den Sachverhalt<br />

aufklären, d.h. den <strong>Antrag</strong> als zulässig annehmen und prüfen, auch wenn sich später dessen<br />

Unbegründetheit herausstellt. Eine Zurückweisung des Nachprüfungsantrages in Kenntnis<br />

eines möglichen Verstoßes gegen das Vergaberecht zulasten eines Bieters stellt eine<br />

unzulässige Verkürzung der Rechtsposition des <strong>Antrag</strong>stellers dar (2. VK Brandenburg,<br />

B. v. 10.11.2006 - Az.: 2 VK 44/06).<br />

<strong>19.</strong>4.6.29 Drohender Schaden bei Unmöglichkeit der Leistungserbringung<br />

durch den Bieter<br />

<strong>19.</strong>4.6.29.1 Grundsatz<br />

2796<br />

Hat ein <strong>Antrag</strong>steller ein Angebot abgegeben, das keine Aussicht auf den Zuschlag hat, fehlt<br />

ihm die <strong>Antrag</strong>sbefugnis mit der Folge, dass er zulässigerweise kein Nachprüfungsverfahren<br />

betreiben kann. Gleiches muss gelten, wenn die antragstellende Partei außer Stande ist, die<br />

vom öffentlichen Auftraggeber nachgefragte Leistung zu erbringen. Mangels<br />

Leistungsfähigkeit hat sie nämlich auch in einem solchen Fall von vornherein keinerlei<br />

Aussicht auf den betreffenden Auftrag (OLG Düsseldorf, B. v. 3.12.2003 - Az.: VII - Verg<br />

37/03).<br />

<strong>19.</strong>4.6.29.2 Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

2797<br />

• Festlegung einer Müllverbrennungsanlage, auf die ein Bieter keinen Zugriff hat, als<br />

Ort der Leistungserbringung (OLG Düsseldorf, B. v. 3.12.2003 - Az.: VII - Verg<br />

37/03).<br />

<strong>19.</strong>4.6.30 Drohender Schaden bei Ankündigung des Auftraggebers,<br />

entsprechend dem <strong>Antrag</strong> eines <strong>Antrag</strong>stellers zu verfahren


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

2798<br />

Eine Klaglosstellung eines <strong>Antrag</strong>stellers in einem Nachprüfungsverfahren ist erst dann<br />

anzunehmen, wenn der Auftraggeber den beanstandeten Vergaberechtsverstoß bereits<br />

tatsächlich beseitigt hat, etwa durch eine erneute Angebotswertung unter Berücksichtigung<br />

des Begehrens des <strong>Antrag</strong>stellers bzw. der Rechtsauffassung der Vergabekammer. Die reine<br />

Ankündigung eines Auftraggebers, er werde die Entscheidung der Kammer<br />

respektieren, reicht insoweit nicht aus (VK Schleswig-Holstein, B. v. 26.10.2004 - Az.:<br />

VK-SH 26/04).<br />

<strong>19.</strong>4.6.31 Drohender Schaden bei Zusage des Auftraggebers, die<br />

Vergabeentscheidung zu überprüfen und einen Auftrag nicht vor einem<br />

bestimmten Datum zu erteilen<br />

2799<br />

2800<br />

Teilt der Auftraggeber einem Beschwerdeführer mit, aufgrund der Rüge seine<br />

Vorgehensweise zu überprüfen und kündigt er an, vor einem bestimmten Datum keinen<br />

Auftrag zu erteilen sowie rechtzeitig vorher den Beschwerdeführer zu informieren,<br />

schließt dies eine Rechtsbeeinträchtigung des Beschwerdeführers aus (Hanseatisches OLG<br />

Bremen, B. v. 05.03.2007 - Az.: Verg 4/2007). Nach Auffassung der VK Bremen ist der<br />

entsprechende <strong>Antrag</strong> unbegründet und nicht unzulässig (VK Bremen, B. v. 01.03.2007 - Az.:<br />

VK 01/07).<br />

Diese Rechtsprechung ist dann nicht konsequent, wenn man die Meinung vertritt, dass eine<br />

Zusage des Auftraggebers zur Verlängerung der Frist des <strong>§</strong> 101a rechtlich unbeachtlich<br />

ist; vgl. im Einzelnen die Kommentierung zu <strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong> RZ 2288.<br />

<strong>19.</strong>4.6.32 Drohender Schaden eines tarifgebundenen Bieters bei Forderung<br />

nach einer Tariftreueerklärung<br />

2801<br />

2802<br />

Der Zweck der – u.a. auf das Tariftreuegesetz (TariftG) NRW gestützten - Forderung nach<br />

Abgabe einer Tariftreueerklärung durch die Bieter liegt in der Absicht begründet,<br />

tarifgebundene Bieter vor den Angeboten solcher Bieter zu schützen, die durch<br />

Tarifverträge nicht gebunden und deshalb häufig in der Lage sind, deren Angebote zu<br />

unterbieten. Das entspricht auch dem Schutzzweck des Tariftreuegesetzes. Ein Bieter<br />

unterfällt dem mit der Forderung einer Tariftreueerklärung von den <strong>Antrag</strong>sgegnern<br />

bezweckten Schutz, wenn er tarifgebunden ist. Ein tarifgebundener Bieter kann deshalb<br />

durch eine solche Forderung in seinen Bieterrechten auch nicht verletzt sein. Er ist<br />

deswegen nicht antragsbefugt im Sinne von <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 Satz 1 <strong>GWB</strong>. Aus diesem Grund<br />

- und zwar weil ein Bieter dadurch allein begünstigt wird - kommt es im Streitfall auch nicht<br />

darauf an, ob die Forderung einer Tariftreueerklärung gegen den Grundsatz der<br />

Dienstleistungsfreiheit in Art. 49 EG (früher Art. 59 EGV) verstößt. Gleiches gilt für<br />

behauptete Verstöße gegen die nationale Gesetzgebungszuständigkeit (durch den Erlass des<br />

TariftG NRW), gegen den Grundsatz der negativen Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG)<br />

sowie gegen das Tarifvertragsgesetz des Bundes (OLG Düsseldorf, B. v. 06.12.2004 - Az.:<br />

VII - Verg 79/04).<br />

Trägt ein Bieter jedoch schlüssig vor, dass er bei aus seiner Sicht<br />

vergaberechtskonformer Gestaltung der Verdingungsunterlagen ohne Verpflichtung<br />

zur Einhaltung einer Tariftreue durch den partiellen Einsatz von externen, nicht<br />

tarifgebundenen Nachunternehmern in der Lage gewesen wäre, ein preislich niedrigeres


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

und daher konkurrenzfähigeres Angebot zu kalkulieren und damit eine bessere Chance<br />

auf den Zuschlag gehabt hätte, genügt ein solcher Vortrag den Anforderungen an eine<br />

Darlegung der <strong>Antrag</strong>sbefugnis gemäß <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 <strong>GWB</strong>. Die diesbezüglichen<br />

Anforderungen an die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden. Die Frage, ob die<br />

Forderung einer Tariftreueerklärung tatsächlich vergaberechtswidrig ist und ob der<br />

<strong>Antrag</strong>steller eine daraus resultierende Rechtsverletzung und einen eigenen Schaden geltend<br />

machen kann, bleibt der Prüfung der Begründetheit des Nachprüfungsantrags vorbehalten<br />

(VK Lüneburg, B. v. 15.05.2008 - Az.: VgK-12/2008).<br />

<strong>19.</strong>4.6.33 Drohender Schaden bei Aufhebung der Ausschreibung und<br />

Beteiligung an einem anschließenden Vergabeverfahren<br />

2803<br />

Gibt ein Bieter nach der Mitteilung des Auftraggebers über die Aufhebung der<br />

Ausschreibung ein Angebot für ein nachfolgendes Vergabeverfahren ab, hindert dies<br />

nicht seine <strong>Antrag</strong>sbefugnis bezüglich einer Überprüfung der Rechtmäßigkeit der<br />

Aufhebungsentscheidung (VK Schleswig-Holstein, B. v. 10.02.2005 - VK-SH 02/05).<br />

<strong>19.</strong>4.6.34 Drohender Schaden bei Aufhebung der Ausschreibung und<br />

Verzicht auf eine Auftragsvergabe<br />

2804<br />

Der in <strong>§</strong> <strong>107</strong> <strong>GWB</strong> verwendete Schadensbegriff muss unter dem Gesichtspunkt des<br />

Primärrechtsschutzes betrachtet und ausgelegt werden. An die Schadensdarlegung i.S.v. <strong>§</strong><br />

<strong>107</strong> Abs. 2 Satz 2 <strong>GWB</strong> sind zwar nach höchstrichterlicher Rechtsprechung keine<br />

überzogenen Anforderungen zu stellen. Sie muss lediglich schlüssig, und ein Schaden<br />

muss denkbar sein. Ist ein Bieter zwar das letzte im Verfahren verbliebene Unternehmen,<br />

mit dem ein Auftraggeber zuletzt noch in Verhandlungen über die Auftragsvergabe stand, so<br />

dass er sich durchaus Hoffnung auf den streitgegenständlichen Auftrag machen konnte, spielt<br />

keine Rolle, wenn der Auftraggeber nicht mehr beabsichtigt, die „ausgeschriebene“<br />

Leistung zu vergeben. Hat ein <strong>Antrag</strong>steller - den gerügten Vergabeverstoß hinweggedacht -<br />

gleichwohl keine Chance darauf, den begehrten Auftrag zu erhalten, so ist er nicht<br />

antragsbefugt; denn dann kann der geltend gemachte Schaden gerade nicht auf den<br />

Vergabeverstoß zurückgeführt werden, den der <strong>Antrag</strong>steller zum Gegenstand des<br />

Nachprüfungsverfahrens machen will. Unterstellt, der Auftraggeber hätte rechtswidrig<br />

gehandelt, als er das Vergabeverfahren aufhob, und damit den Bieter in seinen Rechten aus <strong>§</strong><br />

97 <strong>GWB</strong> verletzte, kann ihm trotzdem kein Schaden drohen: Selbst bei hinweggedachter<br />

Aufhebungsentscheidung nämlich hätte der Bieter angesichts des aufgegebenen<br />

Vergabewillens auf Seiten des Auftraggebers keinen Anspruch auf Erteilung des<br />

Auftrags. Er kann nicht mehr für die Auftragserteilung in Frage kommen, weil der<br />

Auftraggeber endgültig von seinem bekannt gemachten Vergabevorhaben Abstand<br />

genommen hat (VK Schleswig-Holstein, B. v. 04.02.2008 - Az.: VK-SH 28/07).<br />

<strong>19.</strong>4.6.35 Drohender Schaden bei einem VOF-Verfahren<br />

2805<br />

Da die Darlegung eines drohenden Schadens in einem VOF-Verfahren, insbesondere<br />

wenn die eigene Wettbewerbsstellung nicht mitgeteilt und die ausgewählten Büros nicht<br />

benannt werden, eher hypothetischen Sinn hat, dürfen die Anforderungen an diese<br />

Darlegung nicht zu hoch angesetzt werden. Dies gilt umso mehr als der Bewerber in


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Verfahren nach der VOF keinerlei greifbare Anhaltspunkte hat, wie er im<br />

Wettbewerberfeld positioniert ist und wie seine theoretische Zuschlagschance aussieht (1. VK<br />

Sachsen, B. v. 11.04.2005 - Az.: 1/SVK/030-05; B. v. 03.12.2004 - Az.: 1/SVK/104-04,<br />

1/SVK/104-04G).<br />

2806<br />

Ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Nachprüfungsantrag besteht im Anschluss an einen<br />

Architektenwettbewerb auch dann, wenn der Auslober und öffentliche Auftraggeber noch<br />

keine Verhandlungen mit den Preisträgern – entsprechend den Wettbewerbsbedingungen -<br />

aufgenommen hat, der Auftraggeber aber klar äußert, dass er in die<br />

Verhandlungsgespräche auch solche Preisträger einbeziehen will, die aus<br />

vergaberechtlichen Gründen zwingend von den Verhandlungsgesprächen auszuschließen<br />

sind. Der Schaden besteht zunächst darin, dass gemäß <strong>§</strong> 5 Abs. 2 c VOF der Auftraggeber alle<br />

Preisträger des Wettbewerbes zur Teilnahme an den Verhandlungen auffordern muss und<br />

wird, d.h. auch den erstplatzierten Preisträger, der aufgrund eines schwerwiegenden<br />

Vergabefehlers ( Verletzung des Gleichbehandlungs- und des Transparenzgrundsatzes) im<br />

Wettbewerbsverfahren belassen wurde, obwohl er eigentlich hätte ausgeschlossen werden<br />

müssen. Es ist zwar richtig, dass auch der 2. Preisträger am späteren<br />

Verhandlungsverfahren teilnehmen darf. Seine Chancen im nachfolgenden<br />

Verhandlungsverfahren auf eine Auftragserteilung sind jedoch (de facto) als<br />

Zweitplatzierter in erheblichem Maße geringer als die des Erstprämierten.<br />

Preisgerichtsentscheidung und Empfehlung haben für den Auslober ein erhebliches<br />

Gewicht; schließlich ist dies ja Sinn und Zweck der Durchführung eines solchen<br />

Wettbewerbes. Einer eindeutigen Entscheidung/Empfehlung eines Preisgerichts in einem<br />

Wettbewerbsverfahren kommt eine nicht leugbare Bedeutung und ein nicht zu<br />

vernachlässigendes Gewicht zu; über beide kann sich der Auslober im sich anschließenden<br />

Verhandlungsverfahren nicht ohne weiteres hinwegsetzen. Ungeachtet dessen, dass bei einer<br />

derartigen Empfehlung des Preisgerichts der 1. Preisträger immer die besseren Chancen<br />

haben wird (rein faktisch, nicht rechtlich), werden die Chancen des zweiten Preisträgers,<br />

den Auftrag zu erhalten, letztlich schon dadurch beeinträchtigt, dass er bei Ausschluss des<br />

vergaberechtsfehlerhaft Erstplatzierten weniger Mitbewerber hätte (1. VK Saarland, B. v.<br />

20.02.2008 - Az.: 1 VK 07/2007).<br />

<strong>19.</strong>4.6.36 Drohender Schaden bei einer Preisgerichtsentscheidung im Sinn<br />

von <strong>§</strong> 661 Abs. 2 BGB<br />

2807<br />

2808<br />

Die <strong>Antrag</strong>sbefugnis fehlt, wenn im Rahmen eines Wettbewerbsverfahrens nach der<br />

VOF Wertungsfehler des Preisgerichts geltend gemacht werden. Eine<br />

Preisrichterentscheidung ist grundsätzlich nicht gerichtlich auf ihre sachliche Richtigkeit hin<br />

überprüfbar. Nachprüfbar sind nur schwerwiegende Verfahrensmängel, die sich offensichtlich<br />

auf die Entscheidung ausgewirkt haben (VG Meiningen, B. v. 16.01.2007 - Az.: 2 E 613/06<br />

Me; 1. VK Bund, B. v. 01.09.2005 - Az.: VK 1 – 98/05; anderer Auffassung im Ergebnis 1.<br />

VK Saarland, B. v. 20.02.2008 - Az.: 1 VK 07/2007; 1. VK Sachsen, B. v. <strong>19.</strong>08.2005 - Az.:<br />

1/SVK/096-05). Ein schwerwiegender Verfahrensfehler liegt vor, wenn das Preisgericht bei<br />

seiner Entscheidung eine grundlegende, die Gestaltung des Bauvorhabens maßgeblich<br />

prägende Forderung der Auslobung nicht beachtet hat (VG Meiningen, B. v. 16.01.2007 -<br />

Az.: 2 E 613/06 Me).<br />

Vgl. dazu im Einzelnen die Kommentierung zu <strong>§</strong> 25 VOF RZ 8448.


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

<strong>19.</strong>4.6.37 Drohender Schaden und begrenzte Akteneinsicht<br />

2809<br />

Ein aus Wettbewerbsgründen notwendig eingeschränktes Akteneinsichtsrecht eines<br />

Bieters und Mitbewerbers hat Auswirkungen darauf, welche Anforderungen an den<br />

Vortrag eines <strong>Antrag</strong>sstellers zu stellen sind, soll er doch hinsichtlich des<br />

Tatbestandsmerkmals „<strong>Antrag</strong>sbefugnis“ u. a. darlegen müssen (und können), dass ihm durch<br />

die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu<br />

entstehen droht. Es sind daher nur geringe Anforderungen an die<br />

Zulässigkeitsvoraussetzungen der Darlegung eines mit der Verletzung von<br />

Vergabevorschriften entstandenen oder drohenden Schadens zu stellen. Dieser<br />

Zulässigkeitsvoraussetzung ist bereits dann genügt, wenn mit dem <strong>Antrag</strong> schlüssig<br />

vorgetragen wird, dass infolge der behaupteten Rechtsverletzung ein Schaden entstanden ist<br />

oder zu entstehen droht; nicht erforderlich ist, dass bereits festgestellt werden kann, dass der<br />

behauptete Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften tatsächlich vorliegt und den<br />

behaupteten Schaden ausgelöst hat oder auszulösen droht, der Nachprüfungsantrag also in der<br />

Sache selbst begründet ist (VK Thüringen, B. v. 06.12.2005 - Az.: 360-4003.20-026/05-SLZ).<br />

<strong>19.</strong>4.6.38 Drohender Schaden des Auftraggebers bei der Möglichkeit, einen<br />

Auftrag im Verhandlungsverfahren zu vergeben<br />

2810<br />

Bekämpft der Auftraggeber mit einer Beschwerde die Entscheidung der Vergabekammer,<br />

wonach Angebote aus Gründen der Gleichbehandlung zu werten sind, während die<br />

Vergabestelle der Auffassung ist, wegen fehlender wertbarer Angebote das<br />

Vergabeverfahren aufheben und ohne öffentliche Vergabebekanntmachung zu einem<br />

Verhandlungsverfahren übergehen zu können, ist der Auftraggeber durch die<br />

Entscheidung der Vergabekammer beschwert und hat an einer abändernden Entscheidung<br />

ein Rechtsschutzinteresse (OLG Düsseldorf, B. v. 14.10.2005 - Az.: VII - Verg 40/05).<br />

<strong>19.</strong>4.6.39 Drohender Schaden bei einem unschlüssigen Nachprüfungsantrag<br />

2811<br />

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein Bieter immer dann keinen<br />

Anspruch auf Einhaltung der Vergabebestimmungen im Sinne des <strong>§</strong> 97 Abs. 7 <strong>GWB</strong>, wenn<br />

sein Angebot zwingend vom Vergabeverfahren auszuschließen ist. Ist das Angebot eines<br />

Bieters zwingend auszuschließen, kann der Fortgang des Vergabeverfahrens seine<br />

Interessen nicht mehr berühren, und der Bieter kann auch nicht in seinen Rechten nach<br />

<strong>§</strong> 97 Abs. 7 <strong>GWB</strong> verletzt sein. Nichts anderes gilt, wenn ein Bieter vom<br />

Vergabeverfahren ausgeschlossen wurde und dieser Ausschluss schon aufgrund des<br />

eigenen Vortrags im Nachprüfungsverfahren nicht schlüssig beanstandet wird. Denn<br />

auch in diesem Fall vermag der Fortgang des Vergabeverfahrens die Interessen des<br />

ausgeschlossenen Bieters nicht mehr zu berühren, da schon der eigene Vortrag des Bieters<br />

nicht geeignet ist, die Vergabekammer dazu zu veranlassen, eine durch den Ausschluss vom<br />

Vergabeverfahren eingetretene Rechtsverletzung des ausgeschlossenen Bieters festzustellen.<br />

Auch eine Berufung auf den Untersuchungsgrundsatz (<strong>§</strong> 110 Abs. 1 <strong>GWB</strong>) scheidet<br />

insoweit aus, da dieser die Vergabekammer nur dann zu weiterer Aufklärung verpflichtet,<br />

wenn der Vortrag der Beteiligten hinreichenden Anlass zur Prüfung bietet. Legt ein Bieter<br />

aber nicht schlüssig dar, dass sein Angebot nicht auszuschließen ist, besteht keine<br />

Verpflichtung der Vergabekammer zu amtsseitiger Untersuchung, ob nicht doch ein die<br />

Mindestanforderungen erfüllendes Angebot vorliegt. In diesem Fall trägt vielmehr der


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

<strong>Antrag</strong>steller nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungslast dafür, dass er ein den<br />

Mindestanforderungen entsprechendes Angebot eingereicht hat (1. VK Bund, B. v.<br />

27.07.2006 - Az.: VK 1 - 58/06).<br />

<strong>19.</strong>4.6.40 Drohender Schaden bei einem Rahmenvertrag mit mehreren<br />

Wirtschaftsteilnehmern<br />

2812<br />

Ein „Schaden“ wird in der Regel zwar nur demjenigen Unternehmen entstehen oder drohen,<br />

das selbst nicht für den Zuschlag vorgesehen ist. Im Fall eines Rahmenvertrags mit<br />

mehreren Wirtschaftsteilnehmern kann ein Bieter z.B. in verschiedenen Losen, in denen er<br />

für den Zuschlag vorgesehen ist, nur einer von mehreren Rahmenvertragspartnern pro Los<br />

sein. Ein Schaden ist dann zu bejahen, wenn der Bieter gerade diese Vertragsgestaltung,<br />

nämlich die Eröffnung eines zweiten Wettbewerbs um den Einzelvertragsschluss aus<br />

bestimmten Gründen für vergaberechtswidrig hält. Ein Schaden entfällt auch nicht<br />

deshalb, weil der Bieter für die verschiedenen Lose nicht die preislich günstigsten Angebote<br />

unter den ausgewählten Bietern abgegeben hat, wenn nämlich in der Rahmenvereinbarung<br />

"Maximalpreise" zu kalkulieren waren und der Bieter vorträgt, aufgrund des vorgegebenen<br />

zweiten Wettbewerbs bei der Kalkulation der Preise für die Rahmenvereinbarung anders<br />

kalkuliert zu haben als bei einem Einzelvertrag mit Endpreisen. Damit ist ein möglicher<br />

Schaden durch eine Vergaberechtsverletzung nicht ausgeschlossen (2. VK Bund, B. v.<br />

08.02.2008 - VK 2 - 156/07).<br />

<strong>19.</strong>4.6.41 Drohender Schaden durch Verletzung von <strong>§</strong> 25a VOL/A bei<br />

Ausschreibungen über nachrangige Dienstleistungen im Sinn von Anhang I<br />

B VOL/A<br />

2813<br />

Auf Ausschreibungen über nachrangige Dienstleistungen im Sinn von Anhang I B der<br />

VOL/A sind gemäß <strong>§</strong> 1a Nr. 2 Abs. 2 VOL/A, 2. Abschnitt, die Bestimmungen der<br />

Basisparagraphen der VOL/A sowie der <strong>§</strong><strong>§</strong> 8a, 28a VOL/A anzuwenden. Durch die<br />

behauptete Verletzung von <strong>§</strong> 25a Nr. 2 VOL/A kann einem Bieter bereits deshalb kein<br />

Schaden drohen im Sinn von <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 <strong>GWB</strong>, weil <strong>§</strong> 25a VOL/A auf Aufträge über<br />

nachrangige Dienstleistungen nicht anwendbar ist (3. VK Bund, B. v. 16.06.2008 - Az.:<br />

VK 3 - 65/08).<br />

<strong>19.</strong>4.6.42 Drohender Schaden bei einem drohenden Ausschluss aus einem<br />

Wettbewerblichen Dialog<br />

2814<br />

Für die Darlegung eines drohenden Schadens in einem Verfahren des Wettbewerblichen<br />

Dialogs genügt es, dass der <strong>Antrag</strong>steller den Ausschluss von den weiteren<br />

Vergabeverhandlungen annehmen muss, z.B. durch eine Fristsetzung des Auftraggebers<br />

zur Überarbeitung seines Lösungsvorschlages. Der <strong>Antrag</strong>steller befürchtet, seinen neuen<br />

Lösungsvorschlag im weiteren Vergabeverfahren nicht in gleichem Maße wie die<br />

verbliebenen Bieter auf die Vorstellungen des Auftraggebers ausrichten zu können und damit<br />

eine Verschlechterung seiner Chancen auf die Auftragserteilung. Das Interesse des<br />

<strong>Antrag</strong>stellers richtet sich darauf, den drohenden Verlust der Auftragserteilung infolge<br />

der Fristsetzung des Auftraggebers durch das Nachprüfungsverfahren noch abwenden<br />

zu können. Dass der <strong>Antrag</strong>steller mit der Erarbeitung eines neuen Lösungsvorschlages nicht


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

fristgemäß begonnen haben soll, berechtigt entgegen der Ansicht des Auftraggebers nicht<br />

dazu, ihm das Rechtsschutzbedürfnis abzusprechen. Sich unter den von ihm als<br />

vergaberechtswidrig angegriffenen Bedingungen weiter zu beteiligen, erschien ihm nicht<br />

zumutbar. Er konnte sich davon, weil er keinen den Anforderungen entsprechenden<br />

Lösungsvorschlag hätte abgeben können, keinen Erfolg versprechen, sondern nur bei<br />

Teilnahme unter in seinem Sinne veränderten Bedingungen, die herbeizuführen das<br />

beschrittene Nachprüfungsverfahren die Möglichkeit bietet (VK Brandenburg, B. v.<br />

08.04.2009 - Az.: VK 17/09).<br />

<strong>19.</strong>4.7 Rechtsschutzinteresse<br />

2815<br />

Neben der <strong>Antrag</strong>sbefugnis - die für das Vergabenachprüfungsverfahren eine spezielle<br />

Ausprägung des bei sämtlichen Rechtsschutzverfahren geltende Erfordernis eines<br />

Rechtsschutzbedürfnisses ist (KG Berlin, B. v. 15.04.2004 - Az.: 2 Verg 22/03; OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 05.04.2006 - Az.: VII - Verg 8/06; B. v. 16.02.2006 - Az.: VII - Verg 6/06;<br />

B. v. 14.5.2001 - Az.: Verg 19/01; VK Baden-Württemberg, B. v. 13.10.2005 - Az.: 1 VK<br />

59/05; B. v. <strong>19.</strong>04.2005 - Az.: 1 VK 11/05; 2. VK Brandenburg, B. v. <strong>19.</strong>01.2006 - Az.: 2 VK<br />

76/05; VK Münster, B. v. 28.05.2004 - Az.: VK 10/04) - muss der <strong>Antrag</strong>steller noch ein<br />

allgemeines Rechtsschutzinteresse an dem Vergabenachprüfungsverfahren haben. Dieses<br />

Rechtsschutzinteresse besteht in bestimmten Fällen nicht mehr.<br />

<strong>19.</strong>4.7.1 Fehlendes Rechtsschutzinteresse durch ein zweites anhängiges<br />

Verfahren<br />

2816<br />

Einem <strong>Antrag</strong>steller fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn er z. B. aufgrund eines noch<br />

laufenden Beschwerdeverfahrens beim Oberlandesgericht ausreichend geschützt ist.<br />

Dies ist der Fall, wenn die im neuen Vergabenachprüfungsverfahren vorgebrachten<br />

Argumente Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Oberlandesgericht sind (1. VK<br />

Sachsen, B. v. 4.6.2002 - Az.: 1/SVK/050-02).<br />

<strong>19.</strong>4.7.2 Fehlendes Rechtsschutzinteresse nach einem ersten<br />

Nachprüfungsverfahren<br />

2816/1<br />

Liegt zwischen zwei Vergabenachprüfungsverfahren eine neue Vergabeentscheidung des<br />

Auftraggebers, gegen die den Bietern wiederum eine Rechtsschutzmöglichkeit zusteht,<br />

wobei in der neuen Vergabeentscheidung neue Tatsachen bzw. Umstände zu sehen sind, die<br />

in einem weiteren Verfahren zur Überprüfung gestellt werden können, ist daher kein Verstoß<br />

gegen den Grundsatz der Prozessökonomie bzw. das Beschleunigungsgebot in der<br />

erneuten Anrufung der Vergabekammer zu sehen und ebenso wenig ein<br />

rechtsmissbräuchliches oder widersprüchliches Verhalten der <strong>Antrag</strong>stellerin, das zu einem<br />

fehlenden Rechtsschutzinteresse führen könnte (VK Baden-Württemberg, B. v. 31.07.2009 -<br />

Az.: 1 VK 30/09).<br />

<strong>19.</strong>4.7.3 Fehlendes Rechtsschutzinteresse eines <strong>Antrag</strong>s gegen eine<br />

Aufhebungsentscheidung nach einer neuen Ausschreibung


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

2817<br />

2818<br />

2819<br />

Die Rechtsprechung ist insoweit nicht einheitlich.<br />

Einem gegen die Aufhebung einer Ausschreibung gestellten, auf die Fortführung des<br />

aufgehobenen Verfahrens gerichteten Nachprüfungsantrag fehlt das Rechtsschutzbedürfnis,<br />

wenn vor <strong>Antrag</strong>stellung die Vergabestelle den Auftrag neu ausgeschrieben hatte, der<br />

<strong>Antrag</strong>steller die Neuausschreibung aber nicht als verfahrensfehlerhaft gerügt und<br />

dementsprechend auch nicht mit einem Nachprüfungsantrag beanstandet hat. Denn nur mit<br />

einem Nachprüfungsantrag hinsichtlich des zweiten Vergabeverfahrens kann ein Bieter<br />

wirksam verhindern, dass dort ein irreparabler Zuschlag erteilt wird, den dann auch eine<br />

Vergabekammer nach <strong>§</strong> 114 Abs. 2 S. 1 <strong>GWB</strong> nicht mehr revidieren könnte (1. VK Sachsen,<br />

B. v. 10.05.2006 - Az.: 1/SVK/037-06; B. v. 09.05.2006 - Az.: 1/SVK/035-06; B. v.<br />

02.09.2005 - Az.: 1/SVK/108-05). Inzwischen hat die VK Sachsen diese Rechtsprechung<br />

aufgegeben (1. VK Sachsen, B. v. 11.12.2009 - Az.: 1/SVK/054-09).<br />

Nach einer anderen Auffassung kann die Unzulässigkeit eines Nachprüfungsantrags<br />

grundsätzlich nicht aus dem Verhalten in einem anderen Vergabeverfahren hergeleitet<br />

werden. Gegenstand dieser Nachprüfung ist das ursprüngliche Vergabeverfahren; dieses<br />

bildet auch den Maßstab für die Zulässigkeitsprüfung. Jedenfalls kann es für die Zulässigkeit<br />

eines Nachprüfungsantrages nicht im Sinne einer Verfahrensvoraussetzung darauf ankommen,<br />

ob die Art und Weise der Rechtsverfolgung von der Nachprüfungsinstanz als zweckmäßig<br />

oder konsequent angesehen wird oder nicht. Es fällt in die Risikosphäre eines<br />

<strong>Antrag</strong>stellers, falls er keinen sicheren Weg der Rechtsverfolgung wählt; dies macht die<br />

Rechtsgewährung hinsichtlich des unter Umständen mit Unwägbarkeiten verbundenen<br />

Rechtsbegehrens jedoch nicht entbehrlich. Schließlich ist die Zulässigkeit eines<br />

Nachprüfungsantrags bzw. einer sofortigen Beschwerde auch nicht davon abhängig, ob der<br />

<strong>Antrag</strong>steller bzw. Beschwerdeführer die Möglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes<br />

überhaupt oder gar in optimaler Weise ausnutzt. Dem gegenüber fällt es in die Risikosphäre<br />

des öffentlichen Auftraggebers, wenn er denselben Auftrag mehrfach ausschreibt.<br />

Zivilrechtlich ist selbst ein doppelter Vertragsschluss nicht zu beanstanden. Es ist – z.B. im<br />

Bereich der Planungs- und Bauüberwachungsleistungen von Architekten oder Ingenieuren –<br />

sogar vorstellbar, dass zwei Unternehmen die gleichen Leistungen ausführen und dem<br />

Auftraggeber dann mehrere Planentwürfe vorliegen bzw. eine doppelte Bauüberwachung<br />

stattfindet. Darauf kommt es aber nicht an. Vergaberechtlich ist – bis auf Fälle der<br />

missbräuchlichen Parallelausschreibung – eine zweifache Ausschreibung zulässig, weil die<br />

Frage des tatsächlichen Bedarfs bzw. der Zweckmäßigkeit und Sinnhaftigkeit der<br />

Ausschreibung grundsätzlich nur haushaltsrechtlich von Bedeutung sind und das<br />

Vergaberecht lediglich die Art und Weise und die Spielregeln einer Ausschreibung regelt.<br />

Will der Auftraggeber den Auftrag nur einmal erteilen, so muss er gewärtigen, bei<br />

Aufhebung bzw. Verzicht im zweiten Vergabeverfahren berechtigten<br />

Schadenersatzforderungen eines oder mehrerer Bieter oder Bewerber ausgesetzt zu sein<br />

(OLG Naumburg, B. v. 17.05.2006 - Az.: 1 Verg 3/06; im Ergebnis ebenso VK Brandenburg,<br />

B. v. 14.12.2007 - Az.: VK 50/07; VK Südbayern, B. v. 06.10.2006 - Az.: 26-08/06). Im<br />

Ergebnis vergleichbar argumentiert die VK Köln für den Fall eines<br />

Feststellungsverfahrens (VK Köln, B. v. 03.01.2007 – Az.: VK VOB 44/2006).<br />

<strong>19.</strong>4.7.4 Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses im Nachprüfungsverfahren<br />

2820<br />

Das Rechtsschutzbedürfnis kann im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens wegfallen, wenn<br />

z. B. die Vergabestelle den Vergabeverstoß einräumt und den <strong>Antrag</strong>steller klaglos stellt.<br />

Dann fehlt es dem Nachprüfungsantrag nunmehr an dem entsprechenden


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Rechtschutzinteresse. Die Weiterverfolgung dieses <strong>Antrag</strong>s führt zur <strong>Antrag</strong>sabweisung<br />

(VK Arnsberg, B. v. 11.4.2001 - Az.: VK 3 - 02/2001).<br />

<strong>19.</strong>4.7.5 Verwirkung des Rechtsschutzbedürfnisses für ein<br />

Nachprüfungsverfahren<br />

<strong>19.</strong>4.7.5.1 Allgemeines<br />

2821<br />

2822<br />

Ein Recht ist nach dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (<strong>§</strong> 242 BGB)<br />

grundsätzlich dann verwirkt, wenn der Berechtigte es über längere Zeit nicht geltend<br />

gemacht und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und nach dem gesamten<br />

Verhalten des Berechtigten einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft<br />

nicht geltend machen wird. Mit der Verwirkung soll die illoyal verspätete Geltendmachung<br />

von Rechten gegenüber dem Verpflichteten ausgeschlossen werden. Dabei ist das Verhalten<br />

des Berechtigten nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Auf die subjektive<br />

Willensrichtung des Berechtigten kommt es nicht an. Verwirkung kann auch gegen den<br />

Willen des Berechtigten und selbst dann eintreten, wenn der Berechtigte keine Kenntnis von<br />

seiner Berechtigung hat. In dieser Hinsicht kommt der rechtliche Unterschied zwischen der<br />

Verwirkung und einem stillschweigenden Verzicht zum Ausdruck. Die Frage, ob ein Recht<br />

verwirkt ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, wobei der Art und<br />

Bedeutung des Anspruchs, der Intensität des vom Berechtigten geschaffenen<br />

Vertrauenstatbestandes und dem Ausmaß der Schutzbedürftigkeit des Verpflichteten<br />

besondere Bedeutung zukommen. Dieser allgemeine, aus <strong>§</strong> 242 BGB abgeleitete Grundsatz<br />

gilt auch im Vergaberecht (OLG Brandenburg, B. v. 15.09.2009 - Az.: Verg W 13/08; OLG<br />

Karlsruhe, B. v. 13.06.2008 - Az.: 15 Verg 3/08; VK Baden-Württemberg, B. v. 13.08.2009 -<br />

Az.: 1 VK 31/09; B. v. 31.07.2009 - Az.: 1 VK 30/09; B. v. 16.01.2009 - Az.: 1 VK 65/08;<br />

VK Münster, B. v. 25.06.2009 - Az.: VK 7/09; im Ergebnis ebenso OLG Celle, B. v.<br />

29.10.2009 - Az.: 13 Verg 8/09; 2. VK Bund, B. v. 28.03.2008 - Az.: VK 2 – 28/08; 3. VK<br />

Bund, B. v. 18.02.2009 - Az.: VK 3 - 158/08; 1. VK Sachsen, B. v. 05.05.2009 - Az.:<br />

1/SVK/009-09; B. v. 06.03.2009 - Az.: 1/SVK/001-09).<br />

Das Rechtsschutzbedürfnis für ein Nachprüfungsverfahren kann also auch im<br />

Vergaberecht durch Zeitablauf und das Verhalten des <strong>Antrag</strong>stellers gemäß <strong>§</strong> 242 BGB<br />

verwirkt werden (OLG Brandenburg, B. v. 15.09.2009 - Az.: Verg W 13/08; OLG Celle, B.<br />

v. 29.10.2009 - Az.: 13 Verg 8/09; OLG Düsseldorf, B. v. 26.05.2008 - Az.: VII - Verg 14/08;<br />

B. v. 18.06.2008 - Az.: VII - Verg 23/08; B. v. 30.04.2008 - Az.: VII - Verg 23/08; B. v.<br />

<strong>19.</strong>07.2006 - Az.: VII - Verg 26/06; OLG Karlsruhe, B. v. 13.06.2008 - Az.: 15 Verg 3/08;<br />

OLG Naumburg, B. v. 05.12.2008 - Az.: 1 Verg 9/08; VK Baden-Württemberg, B. v.<br />

13.08.2009 - Az.: 1 VK 31/09; B. v. 16.01.2009 - Az.: 1 VK 65/08; B. v. 18.03.2004 - Az.: 1<br />

VK 07/04; 1. VK Brandenburg, B. v. 30.09.2008 - Az.: VK 30/08; B. v. 21.11.2005 - Az.: 1<br />

VK 67/05; 1. VK Bund, B. v. <strong>19.</strong>11.2008 - Az.: VK 1 - 135/08; B. v. <strong>19.</strong>11.2008 - Az.: VK 1<br />

- 126/08; B. v. 01.02.2007 - Az.: VK 1 - 154/06; 2. VK Bund, B. v. 28.03.2008 - Az.: VK 2 –<br />

28/08; B. v. 29.03.2006 - Az.: VK 2 - 11/06; VK Köln, B. v. 01.04.2008 - Az.: VK VOB<br />

3/2008; VK Münster, B. v. 06.05.2008 - Az.: VK 4/08; VK Sachsen, B. v. 06.03.2009 - Az.:<br />

1/SVK/001-09; B. v. 07.01.2008 - Az.: 1/SVK/077-07; 2. VK Sachsen-Anhalt, B. v.<br />

03.07.2008 - VK 2 LVwA LSA - 05/08). Im Einzelfall kann daher ein Verstoß gegen Treu<br />

und Glauben (<strong>§</strong> 242 BGB) angenommen werden, wenn zum Einen ein <strong>Antrag</strong>steller<br />

zwischen dem vermeintlichen Vergabeverstoß der Vergabestelle und dem später eingelegten<br />

Nachprüfungsantrag längere Zeit verstreichen lässt (Zeitmoment) und außerdem die


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Vergabestelle aus diesem Verhalten den Schluss ziehen durfte, dass mit rechtlichen<br />

Einwänden des späteren <strong>Antrag</strong>stellers nicht mehr gerechnet werden müsse, sie darauf<br />

vertraut und sich im Weiteren darauf eingerichtet hat (Umstandsmoment) (VK Köln, B. v.<br />

01.04.2008 - Az.: VK VOB 3/2008; 1. VK Sachsen, B. v. 13.08.2009 - Az.: 1/SVK/034-09,<br />

1/SVK/034-09G; B. v. 06.03.2009 - Az.: 1/SVK/001-09; im Ergebnis ebenso OLG Celle, B.<br />

v. 29.10.2009 - Az.: 13 Verg 8/09; OLG Düsseldorf, B. v. 18.06.2008 - Az.: VII - Verg 23/08;<br />

B. v. 30.04.2008 - Az.: VII - Verg 23/08; VK Münster, B. v. 06.05.2008 - Az.: VK 4/08).<br />

2823<br />

2824<br />

2825<br />

Dies kann der Fall sein, wenn z. B. von der Kenntnis des Vergabeverstoßes bis zur<br />

Beantragung des Nachprüfungsverfahrens mehr als 3 oder 4 Monate vergehen. Zwar<br />

existieren für die Beantragung eines Nachprüfungsverfahrens keine Fristen. Dennoch gilt<br />

auch für das Nachprüfungsverfahren, dass eine späte Klageerhebung gegen Treu und<br />

Glauben verstoßen kann, wenn der Rechtschutz Begehrende erst dann Rechtmittel einlegt,<br />

wenn der Gegner und die sonstigen Beteiligten nicht mehr mit einem Verfahren rechnen<br />

(OLG Brandenburg, B. v. 15.09.2009 - Az.: Verg W 13/08 - bejaht für eine Frist von 12 bzw.<br />

5 Monaten; OLG Dresden, B. v. 11.9.2003 - Az.: WVerg 07/03; OLG Düsseldorf, B. v.<br />

<strong>19.</strong>07.2006 - Az.: VII - Verg 26/06 – abgelehnt für eine Frist von zwei Monaten; OLG<br />

Frankfurt, B. v. 07.09.2004 - Az.: 11 Verg 11/04 und 12/04; Thüringer OLG, B. v. 08.05.2008<br />

- Az.: 9 Verg 2/08 - abgelehnt für eine Frist von zwei Monaten; VK Baden-Württemberg,<br />

B. v. 16.01.2009 - Az.: 1 VK 65/08 – abgelehnt für eine Frist von drei Monaten; 1. VK<br />

Brandenburg, B. v. 30.09.2008 - Az.: VK 30/08 – abgelehnt für einen Zeitraum von etwa<br />

sechs Wochen; B. v. 21.11.2005 - Az.: 1 VK 67/05; 1. VK Bund, B. v. <strong>19.</strong>11.2008 - Az.: VK<br />

1 - 135/08; B. v. <strong>19.</strong>11.2008 - Az.: VK 1 - 126/08 – jeweils abgelehnt für eine Frist von zwei<br />

Monaten; 2. VK Bund, B. v. 28.03.2008 - Az.: VK 2 – 28/08 - bejaht für eine Frist von<br />

sechs bzw. acht Monaten; VK Lüneburg, B. v. 17.05.2005 - Az.: VgK-16/2005 für eine<br />

Frist von mehr als 10 Monaten; VK Münster, B. v. 06.05.2008 - Az.: VK 4/08 – abgelehnt<br />

für eine Frist von 7 Monaten -; 1. VK Sachsen, B. v. 08.07.2004 - Az.: 1/SVK/042-04; B. v.<br />

15.7.2003 - Az.: 1/SVK/092-03 für eine Frist von 14 Monaten; 2. VK Sachsen-Anhalt, B. v.<br />

03.07.2008 - VK 2 LVwA LSA - 05/08 – abgelehnt für eine Frist von drei Monaten; VK<br />

Schleswig-Holstein, B. v. 02.02.2005 - Az.: VK-SH 01/05). Ausschlaggebend ist hierbei,<br />

inwieweit der Rechtsschutz Suchende die zur Begründung seines Rechtsmittels angeführten<br />

Tatsachen kennt, ob Rechte Dritte durch dieses Verfahren betroffen sind und das<br />

zwischenzeitliche Verhalten der Beteiligten (1. VK Brandenburg, B. v. 21.11.2005 - Az.: 1<br />

VK 67/05; 2. VK Bund, B. v. 13.11.2002 - Az.: VK 2 - 78/02).<br />

Die Anwendung des Grundsatzes der Verwirkung ist auch im Vergaberecht nicht auf die<br />

Fälle beschränkt, in denen der Berechtigte Kenntnis von seinem Recht hatte (OLG<br />

Karlsruhe, B. v. 13.06.2008 - Az.: 15 Verg 3/08).<br />

Die <strong>Einleitung</strong> des Nachprüfungsverfahrens ist jedoch nicht ohne weiteres wegen<br />

widersprüchlichen Verhaltens gemäß <strong>§</strong> 242 BGB unzulässig, wenn z.B. ein Bieter in einem<br />

nicht-förmlichen Vergabeverfahren ein Angebot abgegeben hat und nunmehr, nachdem sein<br />

Angebot unberücksichtigt geblieben ist, geltend macht, der Auftraggeber habe<br />

vergaberechtsfehlerhaft kein Vergabeverfahren durchgeführt. Widersprüchliches Verhalten<br />

ist missbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen<br />

worden ist oder wenn andere bestimmte Umstände die Rechtsausübung treuwidrig<br />

erscheinen lassen. Notwendig ist daher, dass der Auftraggeber darauf vertrauen durfte,<br />

dass das Unternehmen seine Schutzansprüche nicht mehr geltend machen wird. Ein solcher<br />

Vertrauenstatbestand könnte nur dann angenommen werden, wenn der Bieter trotz positiver<br />

Kenntnis von dem Erfordernis eines förmlichen Vergabeverfahrens ein Angebot eingereicht<br />

und von der Rüge des Vergabefehler abgesehen hat und dem Auftraggeber dies bekannt war


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

(OLG Düsseldorf, B. v. <strong>19.</strong>07.2006 - Az.: VII - Verg 26/06; B. v. 27.10.2004 - Az.: VII -<br />

Verg 41/04; im Ergebnis ebenso VK Münster, B. v. 06.05.2008 - Az.: VK 4/08; VK Sachsen,<br />

B. v. 07.01.2008 - Az.: 1/SVK/077-07).<br />

2826<br />

2827<br />

Wird ein potenzieller Bieter erst durch ein anonymes Schreiben auf einen Vergabevorgang<br />

aufmerksam, ist ihm die Möglichkeit zu einer Überprüfung des anonymen Schreibens<br />

zuzubilligen. Ihm steht außerdem eine Überlegungsfrist zu, durch einen Nachprüfungsantrag<br />

um Rechtsschutz nachzusuchen. Außerdem kann sich der potenzielle Bieter zu dem Zweck,<br />

Aufschluss über die zweckmäßige Vorgehensweise zu erhalten, zunächst an den<br />

Auftraggeber wenden. Auch die entsprechende Antwort darf der potenzielle Bieter<br />

abwarten. Bei dieser Sachlage kann von einer Verwirkung des Rechtsschutzes nicht<br />

gesprochen werden, wenn vom Zugang des anonymen Schreibens bei dem potenziellen Bieter<br />

bis zur Anbringung des Nachprüfungsantrags nahezu zwei Monate verstreichen (OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 25.01.2005 - Az.: VII - Verg 93/04).<br />

Verschiebt sich aus internen Gründen im Zuständigkeitsbereich des Auftraggebers (z.B.<br />

ein Regierungswechsel) der Zuschlag um mehrere Wochen, darf ein Bieter, schon allein<br />

um die Aussichten eines Nachprüfungsantrages abschätzen zu können (z.B. an welcher Stelle<br />

der Wertung er überhaupt liegt), mit seiner Entscheidung über die <strong>Einleitung</strong> eines<br />

Nachprüfungsverfahrens bis zum Erhalt der <strong>§</strong> 13 VgV-Mitteilung warten. Letztlich kann<br />

die im Bereich des Auftraggebers entstandene Verzögerung dem Bieter deshalb nicht<br />

nachteilig angerechnet werden (2. VK Bund, B. v. 29.03.2006 - Az.: VK 2 - 11/06).<br />

<strong>19.</strong>4.7.5.2 Verwirkung bei de-facto-Vergaben<br />

2828<br />

2829<br />

2830<br />

Eine Verwirkung bei de-facto-Vergaben ist nicht generell ausgeschlossen (VK Köln, B. v.<br />

01.04.2008 - Az.: VK VOB 3/2008; im Ergebnis ebenso OLG Celle, B. v. 29.10.2009 - Az.:<br />

13 Verg 8/09; VK Münster, B. v. 06.05.2008 - Az.: VK 4/08).<br />

Nach einer anderen Auffassung kommt eine Verwirkung des Nachprüfungsrechts nach<br />

den Grundsätzen von Treu und Glauben (<strong>§</strong> 242 BGB) bei einer de-facto-Vergabe nicht<br />

in Betracht. Durch die Beteiligung am Vergabeverfahren entsteht zwischen dem öffentlichen<br />

Auftraggeber und Bewerbern oder Bietern eine vorvertragliche Sonderbeziehung, die in<br />

materiell-rechtlicher und prozessualer Hinsicht gegenseitige Verhaltenspflichten,<br />

insbesondere die Pflicht zur Loyalität und Rücksichtnahme, erzeugt. Erfolgt die<br />

Auftragsvergabe in einem ungeregelten Vergabeverfahren, verhindert indes der öffentliche<br />

Auftraggeber, dass darauf bezogene Verhaltenspflichten der betroffenen Bieter zur<br />

Entstehung gelangen können und der Vorwurf einer gegen die Grundsätze von Treu und<br />

Glauben verstoßenden Pflichtverletzung mit Erfolg erhoben werden kann. Eine einseitige<br />

Anwendung der auf Treu und Glauben beruhenden Verhaltenspflichten zu Lasten des<br />

Bieters ist mit dem Normzweck des <strong>§</strong> 242 BGB nicht zu vereinbaren (OLG Düsseldorf, B.<br />

v. 02.10.2008 – Az.: VII – Verg 25/08).<br />

Gleicher Auffassung ist die VK Hessen. Der Gesetzgeber hat keine Frist für die Stellung<br />

eines Nachprüfungsantrages vorgesehen. Diese gesetzliche Regelung ist grundsätzlich<br />

interessengerecht, da die Interessen der Vergabestelle durch die Rügeobliegenheit des<br />

Bieters nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong>, die Interessen der Bieter durch das zweiwöchige<br />

Zuschlagsverbot des <strong>§</strong> 13 VgV gewahrt sind. Zwischen der Angebotsabgabe und der<br />

Versendung der Mitteilung nach <strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong> bzw. <strong>§</strong> 13 VgV ist es Sache der Vergabestelle,<br />

das Verfahren zu beschleunigen. Anders als in Fällen einer de-facto-Vergabe mit


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

vorangegangenen Verhandlungen oder der Aufhebung einer Ausschreibung weicht die<br />

vorliegende Konstellation von der Leitvorstellung des Gesetzgebers nicht ab. Es fehlt also<br />

bereits an einer atypischen, die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben<br />

rechtfertigenden Interessenlage (2. VK Hessen, B. v. 26.04.2007 - Az.: 69 d VK - 08/2007).<br />

<strong>19.</strong>4.7.5.3 Kein Verstoß gegen europäisches Recht<br />

2831<br />

Die Verwirkung verstößt nicht gegen europäisches Recht. Sie verstößt insbesondere<br />

nicht gegen die Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.<br />

Dezember 2007 zur Änderung der Richtlinie 89/665/EWG und 92/13/EWG des Rates im<br />

Hinblick auf die Verbesserung der Wirksamkeit der Nachprüfungsverfahren bezüglich der<br />

Vergabe öffentlicher Aufträge (Rechtsmittelrichtlinie), nach deren Art. 1 (1) Abs. 3 die<br />

Mitgliedsstaaten die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass<br />

hinsichtlich der in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/18/EG fallenden Aufträge die<br />

Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber wirksam und vor allem möglichst rasch auf<br />

Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder<br />

gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, nachgeprüft werden<br />

können. Allerdings hat der EuGH auf der Grundlage dieser bereits in der alten<br />

Rechtsmittelrichtlinie enthaltenen Vorschrift entschieden, dass einem Bieter die<br />

Ausübung seiner Rechte, die ihm nach dem Gemeinschaftsrecht zustehen, nicht<br />

praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden dürfen. Die Annahme<br />

der Verwirkung führt aber nicht zu einer nach den eben genannten Grundsätzen unzulässigen<br />

Einschränkung der Rechte der <strong>Antrag</strong>stellerin, wenn dieser z.B. seit sieben Monaten die<br />

Möglichkeit offen stand, die Vergabekammer zwecks Überprüfung der Entscheidung des<br />

Auftraggebers anzurufen. Abgesehen davon ist zu berücksichtigen, dass der Europäische<br />

Gerichtshof auch dem Grundsatz der Rechtssicherheit, einem seit langem allgemein<br />

anerkannten Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, eine hohe Bedeutung beimisst. Der<br />

Grundsatz der Rechtssicherheit soll auch die Beständigkeit der Rechtsverhältnisse<br />

gewährleisten. Hiervon geht auch die Rechtsmittelrichtlinie vom 11. Dezember 2007 aus.<br />

Diese führt im 25. Erwägungsgrund aus: „Die Notwendigkeit, für Rechtssicherheit<br />

hinsichtlich der Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber und der Auftraggeber zu<br />

sorgen, erfordert ferner die Festlegung einer angemessenen Mindestverjährungsfrist für<br />

Nachprüfungen, in denen die Unwirksamkeit eines Vertrags festgestellt werden kann“. Im 27.<br />

Erwägungsgrund heißt es in Satz 2: „Aus Gründen der Rechtssicherheit ist die<br />

Geltendmachung der Unwirksamkeit eines Vertrages auf einen bestimmten Zeitraum<br />

beschränkt. Dementsprechend eröffnet Art. 2 f (1) der Rechtsmittelrichtlinie den<br />

Mitgliedstaaten die Möglichkeit, dass eine Nachprüfung jedenfalls vor Ablauf einer<br />

Frist von mindestens sechs Monaten beantragt werden muss, gerechnet ab dem Tag, der<br />

auf den Tag folgt, an dem der Vertrag geschlossen wurde. Der vom Bundeskabinett am 21.<br />

Mai 2008 beschlossene Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts sieht<br />

eine Umsetzung dieser Richtlinienbestimmung in <strong>§</strong> 101b Abs. 2 vor. Danach kann die<br />

Unwirksamkeit eines im Wege einer de-facto-Vergabe erteilten Auftrags nur festgestellt<br />

werden, wenn sie im Nachprüfungsverfahren innerhalb von dreißig Kalendertagen ab<br />

Kenntnis des Verstoßes, jedoch nicht später als sechs Monate nach Vertragsschluss<br />

geltend gemacht worden ist (OLG Karlsruhe, B. v. 13.06.2008 - Az.: 15 Verg 3/08).<br />

<strong>19.</strong>4.7.5.4 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

2832<br />

• hat bei einer de-facto-Vergabe der <strong>Antrag</strong>steller frühzeitig Kenntnis von der<br />

beabsichtigten Vergabe erlangt, kommt eine Verwirkung des Rechts auf<br />

Nachprüfung solange nicht in Betracht, wie ein Auftrag schon mangels<br />

Einhaltung der kommunalrechtlichen Vertretungsvorschriften nicht wirksam<br />

zustande gekommen ist (OLG Celle, B. v. 29.10.2009 - Az.: 13 Verg 8/09)<br />

• wenn der <strong>Antrag</strong>steller im Vorfeld des Vertragsschlusses geäußert hat, er sehe<br />

keine Ausschreibungspflicht, jedoch später noch rechtzeitig rügt, es bestünde eine<br />

Ausschreibungspflicht, ist hierin nicht notwendigerweise ein treuwidriges<br />

widersprüchliches Verhalten zu sehen. Es ist dem potentiellen Bieter, der u.U.<br />

laienhafte Kenntnisse des Vergaberechts hat, zuzugestehen, seine<br />

Rechtsmeinung, -insbesondere bei komplexeren Fragen des Vergaberechtsauch<br />

zu seinen Gunsten zu ändern. Die Rechtsordnung sanktioniert nicht jedes<br />

widersprüchliche Verhalten ohne weiteres, indem sie dagegen den Einwand der<br />

Verwirkung oder des "venire contra factum proprium" zulässt.<br />

Rechtsmissbräuchlich wird ein solches Vorgehen eines Bieters erst, wenn die<br />

Vergabestelle aufgrund besonderer Umstände auf einen entsprechenden<br />

Rügeverzicht des Bieters vertrauen durfte (1. VK Sachsen, B. v. 13.08.2009 - Az.:<br />

1/SVK/034-09, 1/SVK/034-09G)<br />

• hat ein Bieter seine erste Rüge ausdrücklich zurückgenommen und darüber<br />

hinaus erklärt, sich dem von dem Auftraggeber angekündigtem<br />

Verhandlungsverfahren unterwerfen zu wollen, kann diese Erklärung nur als<br />

Zusage verstanden werden, rechtlich nicht mehr gegen die Durchführung des<br />

Verhandlungsverfahrens - und die ihm notwendiger Weise voraus gehende<br />

Aufhebung des Nichtoffenen Verfahrens - vorgehen zu wollen. Dies wird dadurch<br />

unterstützt, dass der Bieter im Folgenden am Verhandlungsverfahren<br />

teilgenommen und im August 2008 ein Endangebot abgegeben hat. Daher war es<br />

rechtsmissbräuchlich im Sinne eines Verstoßes gegen der Grundsatz von Treu und<br />

Glauben aus <strong>§</strong> 242 BGB, dass der Bieter unter dem 17.10.2008 erneut die<br />

Aufhebung des Nichtoffenen Verfahrens als vergaberechtswidrig gerügt hat, auch<br />

wenn der Bieter von dem Umstand, dass der Zuschlag nicht auf sein Angebot,<br />

sondern auf das eines anderen Bieters erteilt werden sollte, aus der Presse erfahren<br />

hat und erst danach gemäß <strong>§</strong> 13 VgV informiert wurde. Vergaberechtlich<br />

bewirkt eine treuwidrig erhobene Rüge die Unzulässigkeit eines hierauf<br />

gestützten Nachprüfungsantrages (VK Köln, B. v. 10.02.2009 - Az.: VK VOB<br />

39/2008)<br />

• zwar ist anerkannt, dass ein widersprüchliches Verhalten seitens eines Bieters,<br />

der auf der einen Seite einen Vergaberechtsverstoß (z.B. das Unterlassen eines<br />

öffentlichen Aufrufs zum Wettbewerb) rügt und zum Gegenstand eines<br />

Nachprüfungsantrags macht, diesen Fehler jedoch auf der anderen Seite selbst<br />

bewusst ausnutzt (z.B. durch Führen von auf vergaberechtswidrigen Abschluss<br />

gerichtete Verhandlungen), zum Ausschluss des Nachprüfungsrechts führen kann.<br />

Einen allgemeinen Grundsatz, dass nur derjenige Rechte geltend machen<br />

kann, der sich selbst rechtstreu verhalten hat, gibt es jedoch nicht. Darüber<br />

hinaus muss vielmehr bei dem Auftraggeber ein schützenswertes Vertrauen<br />

bestehen, was durch die Wortverbindung Treu und Glauben in <strong>§</strong> 242 BGB zum<br />

Ausdruck gebracht wird (3. VK Bund, B. v. 18.02.2009 - Az.: VK 3 - 158/08)<br />

• selbst wenn man letzteres anders sehen wollte, dürfte das Schreiben jedoch zu spät<br />

gekommen zu sein, um eine Verwirkung zu verhindern, denn Ende Oktober<br />

waren bereits nahezu fünf Monate seit der Versendung der Bieterinformation<br />

vergangen. Wie Art. 2 f Abs. 1 Buchst. a der reformierten


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG verdeutlicht, können dem über die<br />

Auftragsvergabe informierten Bieter im Interesse der Rechtssicherheit<br />

wesentlich kürze Entscheidungsfristen zugemutet werden (2. VK Bund, B. v.<br />

28.03.2008 - Az.: VK 2 – 28/08)<br />

• die ASt hat jedoch ihr – hier unterstelltes - <strong>Antrag</strong>srecht verwirkt. Denn die Ag<br />

durfte nach den Umständen darauf vertrauen, dass die ASt die Mitte 2007 erfolgte<br />

Veräußerung der Liegenschaft an die Bg zu 1. nicht mehr im Februar 2008 mit<br />

einem Nachprüfungsantrag anfechten werde. Dieses Vertrauen wurde dadurch<br />

begründet, dass die ASt bereits am 7. Juni 2007 seitens der Ag von der<br />

vorgenommenen Veräußerung des Grundstücks informiert worden war, dennoch<br />

mehr als acht Monate bis zur Stellung des Nachprüfungsantrages<br />

verstreichen ließ und diesen auch nicht etwa rechtzeitig angekündigt oder ihn<br />

sich zumindest ausdrücklich vorbehalten hatte (2. VK Bund, B. v. 28.03.2008 -<br />

Az.: VK 2 – 28/08)<br />

• unter den besonderen Umständen des Streitfalles reicht ein Zeitraum von<br />

sieben Monaten für die Annahme der Verwirkung aus. Denn die<br />

<strong>Antrag</strong>stellerin hat im April / Mail 2007 einen Vertrauenstatbestand von<br />

erheblicher Intensität dahingehend gesetzt, dass sie aus der Vergabe des Auftrags<br />

an die Beigeladenen keine Rechte mehr ableiten wolle. Die <strong>Antrag</strong>stellerin hat<br />

durch ihre Äußerungen gegenüber der <strong>Antrag</strong>sgegnerin in der Besprechung vom<br />

28. März 2007 sowie durch ihr nachfolgendes Verhalten, insbesondere die<br />

Hinnahme des Schreibens der <strong>Antrag</strong>sgegnerin vom 25. Mai 2007 ohne jede<br />

weitere Reaktion sowie das Hinwirken auf die Übernahme des X.-Marktes<br />

durch die <strong>Antrag</strong>sgegnerin bzw. die Beigeladenen im April/Mai 2007, den<br />

Eindruck erweckt, dass sie keine weiteren Einwände gegen die Vergabe des<br />

Auftrages an die Beigeladenen erheben werde und die Sache für sie nunmehr<br />

erledigt sei (OLG Karlsruhe, B. v. 13.06.2008 - Az.: 15 Verg 3/08)<br />

• ein Recht kann nur verwirken, wenn der Inhaber von diesem Recht über einen<br />

längeren Zeitraum keinen Gebrauch gemacht hat, was voraussetzt, dass er sein<br />

Recht kannte. Aus den Gesamtumständen schließt die Kammer, dass der<br />

<strong>Antrag</strong>stellerin im Jahre 2006, als sich die <strong>Antrag</strong>sgegnerin für das Konzept der<br />

Beigeladenen entschied, nicht bewusst war, dass ihr ein Recht auf Nachprüfung<br />

zustand. Denn weder der <strong>Antrag</strong>stellerin noch den anderen<br />

Verfahrensbeteiligten kann unterstellt werden, dass sie zu dem Zeitpunkt<br />

bereits definitiv wussten, dass es sich um einen vergabepflichtigen Vorgang<br />

handelte. Erst im Sommer 2007, nach der Ahlhorn-Entscheidung des OLG<br />

Düsseldorf, kann eine solche Kenntnis bei den Beteiligten mit großer<br />

Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Legt man diesen Zeitpunkt zugrunde,<br />

so ist die Zeitspanne von ca. sechs Monaten bis zur Ausübung des Rechts im März<br />

2008 immer noch nicht wesentlich überschritten (VK Münster, B. v. 06.05.2008 -<br />

Az.: VK 4/08)<br />

• als Orientierungshilfe für die Bemessung der Zeitspanne, in dem der<br />

<strong>Antrag</strong>steller sein Recht nicht ausgeübt hat, ohne dass es zur Verwirkung<br />

kommt, kann die Richtlinie 2007/66/ EG vom 11.12.2007 dienen. Dort wird für<br />

die vorliegende Sachverhaltskonstellation, also für den Fall einer de facto Vergabe,<br />

eine Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Vertragsschluss bestimmt.<br />

Überträgt man dies auf die vorliegende Fallgestaltung, so ist jedenfalls der Ablauf<br />

von sieben Monaten nach Vertragsschluss noch als vertretbar anzusehen.<br />

Insofern führt jedenfalls das Verstreichenlassen dieses Zeitraums für sich<br />

genommen nicht zur Verwirkung (VK Münster, B. v. 06.05.2008 - Az.: VK 4/08)


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

• hat die <strong>Antrag</strong>stellerin den Abschluss der vorgenannten Verträge am 31.07.2003<br />

gegenüber der <strong>Antrag</strong>sgegnerin erstmals am 18.01.2008, also nach rund 4 ½<br />

Jahren, als vergaberechtswidrig gerügt und dann am <strong>19.</strong>02.2008 einen<br />

Nachprüfungsantrag gestellt, muss bei einer verständigen Betrachtung die<br />

<strong>Antrag</strong>sgegnerin nach so langer Zeit nicht mehr mit einer Rüge und einem<br />

späteren Nachprüfungsantrag rechnen, zumal unter den vorliegenden<br />

Umständen. Die <strong>Antrag</strong>sbefugnis ist verwirkt (VK Köln, B. v. 01.04.2008 - Az.:<br />

VK VOB 3/2008)<br />

• durch eine Beteiligung an einer informellen Markterkundung und die darauf<br />

folgende Abgabe eines Angebotes verwirkt ein Bieter nicht sein Recht auf<br />

Nachprüfung des Vergabeverfahrens (2. VK Brandenburg, B. v. 08.03.2007 - Az.:<br />

2 VK 4/07)<br />

• aus dem Umstand, dass sich ein <strong>Antrag</strong>steller trotz vorangegangener Rüge<br />

mit mehreren Angeboten an der Ausschreibung beteiligt, ergibt sich keine<br />

Verwirkung des <strong>Antrag</strong>srechts. Insbesondere die Beteiligung an der<br />

Ausschreibung mit einem Angebot vermag nicht zur Verwirkung des<br />

<strong>Antrag</strong>srechts zu führen, da hierdurch kein Vertrauenstatbestand auf Seiten des<br />

Auftraggebers begründet wird. Denn mit der Rüge ist der Auftraggeber über<br />

den aus der Sicht des <strong>Antrag</strong>stellers bestehenden Vergabeverstoß informiert<br />

und muss mit einem Nachprüfungsverfahren rechnen. Wenn in derartigen<br />

Fällen der Auftraggeber das beanstandete Verhalten nicht korrigiert, kann er nicht<br />

darauf vertrauen, dass der Bieter nach Abgabe eines Angebots die von ihm im<br />

vorhinein gerügten Vergabeverstöße nicht mehr im Wege des<br />

Nachprüfungsverfahrens geltend macht (1. VK Bund, B. v. 01.02.2007 - Az.: VK<br />

1 - 154/06)<br />

• macht ein Bieter die vermeintlich fehlerhafte Aufhebung der Ausschreibung<br />

des ersten Vergabeverfahrens erst nach Erhalt des Absageschreibens wieder<br />

geltend und wendet sich an die Vergabekammer, nachdem er zweieinhalb<br />

Monate nach Erhebung der Rüge abgewartet hat, die Aufhebung der<br />

Ausschreibung durch die Vergabekammer überprüfen zu lassen und auf diese<br />

Weise das ursprüngliche Vergabeverfahren zur Fortführung zu bringen, wobei<br />

neue Tatsachen in diesem Zeitraum nicht bekannt geworden sind, die für die Frage<br />

der Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Ausschreibung relevant sind und hat sich<br />

der Bieter vielmehr in dieser Zeit auf das neue Vergabeverfahren eingelassen,<br />

sich mit einem vorbehaltlosen Angebot hieran beteiligt und dessen Ausgang<br />

abgewartet, hat der Bieter durch dieses Verhalten den Vergaberechtsschutz wegen<br />

treuwidrigen Verhaltens verwirkt. Sie hat mit ihrem Verhalten im neuen<br />

Vergabeverfahren einen Vertrauenstatbestand gegenüber dem Auftraggeber<br />

geschaffen, der es ihr nunmehr versagt, sich auf vermeintliche Fehler im<br />

Zusammenhang mit der Aufhebung der Ausschreibung und den Voraussetzungen<br />

für das neue Vergabeverfahren zu berufen (1. VK Brandenburg, B. v. 21.11.2005 -<br />

Az.: 1 VK 67/05)<br />

<strong>19.</strong>4.7.5.5 Literatur<br />

2833<br />

• Haak, Sandra / Böke, Carsten, Rechtzeitig reagieren - Verwirkung des<br />

Rechtsschutzes bei Grundstücksgeschäften, Behörden Spiegel Juli 2008, 20


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

<strong>19.</strong>4.8 Erledigung der <strong>Antrag</strong>sbefugnis<br />

2834<br />

In dem Moment, in dem der Auftraggeber selbst, ohne die Maßnahme der Vergabekammer<br />

zur Beseitigung der Rechtsverletzung abzuwarten, sein beanstandetes Verhalten aufgibt,<br />

wodurch - isoliert gesehen - die bisher durch das beanstandete Verhalten verursachte<br />

Beeinträchtigung der Chancen des <strong>Antrag</strong>stellers auf den Zuschlag beseitigt wird, ist der<br />

Streitgegenstand des Nachprüfungsverfahrens erledigt. Bei dieser Beurteilung bleibt es<br />

auch dann, wenn der Auftraggeber nicht nur sein bisher angegriffenes Verhalten aufgibt,<br />

sondern außerdem eine neue Verhaltensweise im Vergabeverfahren ergreift, die wiederum die<br />

Zuschlagschancen des (bisherigen) <strong>Antrag</strong>stellers beeinträchtigt. Denn es ist nicht<br />

selbstverständlich, dass durch die neue Verhaltensweise des Auftraggebers der (bisherige)<br />

<strong>Antrag</strong>steller wiederum in seinen Rechten auf Einhaltung der Bestimmungen über das<br />

Vergabeverfahren (und zwar in denselben Rechten wie vorher) verletzt wird; vielmehr muss<br />

der <strong>Antrag</strong>steller eine erneute Rechtsverletzung geltend machen.<br />

<strong>19.</strong>4.9 Rechtsmissbrauch der <strong>Antrag</strong>sbefugnis<br />

2835<br />

Ein Nachprüfungsantrag ist rechtsmissbräuchlich, wenn ein <strong>Antrag</strong>steller die Rücknahme<br />

des Nachprüfungsantrages davon abhängig macht, dass ihm entweder der Betrieb eines<br />

Ladens im zu errichtenden Einkaufszentrum oder die Zahlung einer Entschädigungssumme<br />

(zahlbar durch Einräumung eines Kaufpreisnachlasses auf ein Grundstück in Spanien)<br />

zugesichert werde. Dieser Tatbestand erfüllt die Voraussetzungen des <strong>§</strong> 125 Abs. 2 Nr. 3<br />

<strong>GWB</strong>; die Absicht, sich das "Klagerecht" abkaufen zu lassen, führt zur Unzulässigkeit<br />

des Nachprüfungsantrages (OLG Düsseldorf, B. v. 14.05.2008 - Az.: VII - Verg 27/08; VK<br />

Baden-Württemberg, B. v. 16.01.2009 - Az.: 1 VK 65/08).<br />

<strong>19.</strong>4.10 <strong>Antrag</strong>sbefugnis auch bereits vor Erhalt der Information nach<br />

<strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong> (<strong>§</strong> 13 VgV)<br />

2836<br />

Der <strong>Antrag</strong>sbefugnis steht auch nicht entgegen, wenn ein <strong>Antrag</strong>steller den<br />

Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer bereits vor Erhalt des<br />

Informationsschreibens gemäß <strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong> (<strong>§</strong> 13 VgV) stellt. Die in <strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong> (<strong>§</strong> 13<br />

VgV) geregelte Informationspflicht dient lediglich dazu, auch solchen beim Zuschlag nicht<br />

berücksichtigten Bietern den Primärrechtsschutz vor der Vergabekammer zu ermöglichen, die<br />

bislang im Zuge des Verfahrens entweder keine Kenntnis über vermeintliche<br />

Vergaberechtsverstöße erlangt haben oder deren Rügen durch den Auftraggeber nicht<br />

abgeholfen oder beantwortet wurden. Ebenso wie jedoch ein Bieter, der vor Erhalt des<br />

Informationsschreibens positive Kenntnis von vermeintlichen Vergaberechtsmängeln im<br />

Sinne des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong> erlangt, mit seiner Rüge nicht bis zum Erhalt des<br />

Informationsschreibens warten darf, ist ein Bieter umgekehrt nicht gehindert, schon vor Erhalt<br />

des Informationsschreibens die Vergabekammer anzurufen, wenn seiner Rüge nach seiner<br />

Auffassung nicht abgeholfen wurde (VK Lüneburg, B. v. 24.9.2003 - Az.: 203-VgK-<br />

17/2003). Es ist regelmäßig sachgerecht, dass die von einem Bieter, dessen Angebot eine<br />

Chance auf den Zuschlag hat, gerügten und vom Auftraggeber nicht abgestellten<br />

Vergaberechtsverstöße möglichst bald zum Gegenstand eines Nachprüfungsverfahren<br />

gemacht werden, damit gegebenenfalls noch vor der Wertung der Angebote die geeigneten


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Maßnahmen zur Beseitigung der Rechtsverletzungen getroffen werden können (OLG Celle,<br />

B. v. 18.12.2003 - Az.: 13 Verg 22/03).<br />

<strong>19.</strong>4.11 <strong>Antrag</strong>sbefugnis bei mangelhafter Information nach <strong>§</strong> 101a<br />

<strong>GWB</strong> (<strong>§</strong> 13 VgV) eines anderen Bieters<br />

2837<br />

<strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong> (<strong>§</strong> 13 VgV) bezweckt den Rechtsschutz des einzelnen Bieters insoweit, als<br />

dieser vom Vertragsschluss mit einem seiner Konkurrenten nicht überrascht wird und gem. <strong>§</strong><br />

114 Abs. 2 Satz 1 <strong>GWB</strong> von jeglicher Vergabeprüfung ausgeschlossen wird. Die Vorschrift<br />

will in der Schlussphase des Wettbewerbs alle daran beteiligten Bieter hinsichtlich der<br />

Auftraggeberentscheidung auf dem Laufenden halten, um so die Möglichkeit des<br />

vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes zu bewahren. Individuellen<br />

Rechtsschutzcharakter hat <strong>§</strong> 97 Abs. 7 <strong>GWB</strong> zunächst in Bezug auf alle Bieter. Soweit jedoch<br />

die Vergabestelle einzelne Bieter vorab informiert hat, ist der Rechtsschutzzweck gegenüber<br />

diesen Vergabebeteiligten erfüllt. Dies hat nicht nur zur Folge, dass einer Rüge die materielle<br />

Grundlage entzogen ist, es fehlt dem korrekt informierten Beteiligten auch die Befugnis,<br />

aus der Unterrichtung anderer Bieter "Gewinn zu schlagen". Wie <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 <strong>GWB</strong><br />

zeigt, ist das Vergabeprüfungsverfahren nur demjenigen eröffnet, der durch den<br />

Vergaberechtsverstoß selbst geschädigt sein kann. Der Gesetzgeber hat das<br />

Vergabeüberprüfungsverfahren jedenfalls im Kern zu einem subjektiv-bieterbezogenen<br />

Kontrollinstrument ausgestaltet, das nicht zur Erhebung von Popularklagen taugt. Hat die<br />

Vergabestelle die Informations- und Beteiligungspflichten gegenüber einem <strong>Antrag</strong>steller<br />

ordnungsgemäß erfüllt, indem sie diesen über die Absicht, das Angebot eines anderen Bieters<br />

anzunehmen, unterrichtet und die vorgeschriebene Frist bis zur Erteilung des Zuschlags<br />

eingehalten, ist der <strong>Antrag</strong>steller im Stande, seine Interessen, insbesondere im Wege des<br />

Rechtsschutzes nach <strong>§</strong><strong>§</strong> 97 ff. <strong>GWB</strong>, uneingeschränkt wahrzunehmen. Dass die<br />

Vergabestelle die Beteiligung anderer Bieter unterlassen hat, vermag allenfalls deren<br />

Rechte, nicht jedoch die des <strong>Antrag</strong>stellers zu verletzen. Dieser kann sich daher nicht<br />

auf eine daraus resultierende Nichtigkeitsfolge berufen (OLG Thüringen, B. v. 16.7.2003 -<br />

Az.: 6 Verg 3/03).<br />

<strong>19.</strong>4.12 <strong>Antrag</strong>sbefugnis bei Zusage der Vergabestelle, den Zuschlag<br />

erst ab einem bestimmten Datum zu erteilen<br />

2838<br />

Dem Nachprüfungsantrag fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der<br />

Auftraggeber bestätigt, dass eine ausführliche Stellungnahme auf die Rüge erfolgen und<br />

vor einem bestimmten Datum kein Zuschlag erteilt wird. <strong>§</strong> 101b <strong>GWB</strong> (<strong>§</strong> 13 S. 5 und S. 6<br />

VgV) verwehrt der Vergabestelle unter Androhung der Nichtigkeitsfolge, dass ein Vertrag vor<br />

Ablauf der Frist des <strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong> (<strong>§</strong> 13 VgV) geschlossen wird, nicht aber einen Abschluss<br />

nach Ablauf dieser Frist. Mit einem Zuwarten über diese Frist hinaus riskiert der<br />

<strong>Antrag</strong>steller, dass der Zuschlag erteilt wird und er die Möglichkeit des Primärrechtschutzes<br />

verliert. Wäre der <strong>Antrag</strong>steller in dieser Situation verpflichtet, mit seinem<br />

Nachprüfungsantrag zu warten, müsste er einseitig das Risiko tragen, dass die<br />

Vergabestelle die von ihr erteilte Bestätigung auch einhält. Schon das nicht unerhebliche<br />

Risiko, lediglich auf den Sekundärrechtsschutz verwiesen zu werden, ist unter Abwägung der<br />

widerstreitenden Interessen nicht zumutbar. Dem Nachteil der Vergabestelle, der daraus folgt,<br />

dass sie nicht mehr ausführlich auf die Rüge antworten kann und sich der Überprüfung im<br />

Vergabenachprüfungsverfahren stellen muss, wiegt gegenüber dem möglichen Verlust des


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

wirksamen Primärrechtsschutzes auf Seiten des <strong>Antrag</strong>stellers geringer. Zudem besteht auch<br />

nach <strong>Einleitung</strong> des Nachprüfungsverfahrens weiterhin die Möglichkeit, dass sich der<br />

<strong>Antrag</strong>steller durch eine ausführliche Stellungnahme der Vergabestelle von der Richtigkeit<br />

der Position der Vergabestelle überzeugen lässt und den <strong>Antrag</strong> zurücknimmt (VK Berlin, B.<br />

v. 29.06.2004 - Az.: VK - B 1 – 24/04).<br />

<strong>19.</strong>4.13 <strong>Antrag</strong>sbefugnis bei dem Rechtsschutzziel, eine<br />

Marktansprache vollständig zu verhindern<br />

2839<br />

Das gänzliche Unterlassen einer Marktansprache kann im Nachprüfungsverfahren<br />

grundsätzlich nicht als Rechtsschutzziel verfolgt werden. Das Nachprüfungsverfahren soll<br />

die Rechte von Bietern schützen. Wenn der Auftraggeber den beanstandeten Fehler nicht<br />

begangen hätte, also keine Ausschreibung durchgeführt hätte, bestünde keine denkbare<br />

Chance, als Bieter aufzutreten und einen Auftrag zu bekommen. Die zumindest denkbare<br />

Chance auf einen Vertragsschluss ist jedoch die Voraussetzung für die Gewährung von<br />

Primärrechtsschutz (VK Düsseldorf, B. v. 15.08.2008 - Az.: VK – 18/2008 – L).<br />

<strong>19.</strong>4.14 Literatur<br />

2840<br />

• Antweiler, Clemens, <strong>Antrag</strong>sbefugnis und <strong>Antrag</strong>sfrist für Nachprüfungsanträge von<br />

Nichtbewerbern und Nichtbietern, VergabeR 2004, 702<br />

• Bultmann, Peter Friedrich / Hölzl Franz Josef, Die Entfesselung der <strong>Antrag</strong>sbefugnis,<br />

NZBau 2004, 651<br />

• Glahs, Heike, Die <strong>Antrag</strong>sbefugnis im Vergabenachprüfungsverfahren, NZBau 2004, 544<br />

• Wichmann, Alexander, Die <strong>Antrag</strong>sbefugnis des Subunternehmers im vergaberechtlichen<br />

Nachprüfungsverfahren, Dissertation, Baden-Baden, 2005<br />

<strong>19.</strong>5 Rüge (<strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3)<br />

<strong>19.</strong>5.1 Vergaberechtsmodernisierungsgesetz 2009<br />

<strong>19.</strong>5.1.1 Allgemeines<br />

2841<br />

2842<br />

<strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 hat einmal eine klarere Struktur erhalten. Außerdem ist die Vorschrift um<br />

zwei Präklusionsregelungen (<strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 5) erweitert worden.<br />

<strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 verpflichtet nach der alten Fassung die Unternehmen, erkannte Verstöße<br />

unverzüglich zu rügen. Dies gilt auch für aufgrund der Vergabebekanntmachung erkennbare<br />

Verstöße. Diese Rügeobliegenheit hat zu einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten geführt. Die<br />

Änderung erweitert die Vorschrift. Auch erkennbare Verstöße in der<br />

Leistungsbeschreibung sollen unverzüglich, spätestens bis zum Ablauf der Angebotsfrist<br />

gerügt werden. Damit bekommt der öffentliche Auftraggeber auch in diesen Fällen eher die


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Gelegenheit, etwaige Verfahrensfehler zu beheben und so im Interesse aller Beteiligten<br />

unnötige Nachprüfungsverfahren zu vermeiden (3. VK Bund, B. v. 02.03.2010 – Az.: VK 3 -<br />

12/10).<br />

2843<br />

2844<br />

Außerdem wird eine generelle Frist zur Geltendmachung einer Rüge in den Fällen<br />

eingeführt, in denen der Auftraggeber dem Unternehmen mitteilt, dass der Rüge des<br />

Unternehmens nicht abgeholfen wird. So kann frühzeitig Klarheit über die Rechtmäßigkeit<br />

des Vergabeverfahrens geschaffen werden.<br />

Bei den so genannten de-facto-Vergaben des <strong>§</strong> 101b Abs. 1 Nr. 2 ist es nicht sachgerecht,<br />

den Unternehmen eine Rügeverpflichtung aufzuerlegen. In diesen Fällen kann sofort ein<br />

Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer gestellt werden.<br />

<strong>19.</strong>5.1.2 Literatur<br />

2844/1<br />

• Gass, Janka / Willenbruch, Klaus, Neue Fristen: Chancen und Risiken - Worauf beim<br />

neuen Vergaberecht zu achten ist, Behörden Spiegel Februar 2010, 21<br />

• Jaeger, Wolfgang, Neuerungen zur Rügeobliegenheit (<strong>§</strong> <strong>107</strong> III <strong>GWB</strong>) durch das<br />

Vergaberechtsmodernisierungsgesetz, NZBau 2009, 558<br />

<strong>19.</strong>5.2 Sinn und Zweck der Rüge<br />

2845<br />

Die als Präklusionsregel ausgestattete Vorschrift des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 soll nach den<br />

Vorstellungen des Gesetzgebers unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben der<br />

<strong>Einleitung</strong> unnötiger Nachprüfungsverfahren durch Spekulation mit Vergabefehlern<br />

entgegenwirken. Sobald ein Bieter einen Verfahrensverstoß erkennt, soll er ihn gegenüber<br />

dem Auftraggeber unverzüglich (vgl. <strong>§</strong> 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) rügen, damit jener den<br />

Fehler korrigieren und damit ein Nachprüfungsverfahren vermieden werden kann (OLG<br />

Celle, B. v. 11.02.2010 - Az.: 13 Verg 16/09; OLG München, B. v. 02.03.2009 - Az.: Verg<br />

01/09; B. v. 17.09.2007 - Az.: Verg 10/07; B. v. 02.08.2007 - Az.: Verg 07/07; OLG<br />

Naumburg, B. v. 05.12.2008 - Az.: 1 Verg 9/08; B. v. 04.01.2005 - Az.: 1 Verg 25/04;<br />

BayObLG, B. v. 22.1.2002 - Az.: Verg 18/01; OLG Rostock, B. v. 06.03.2009 - Az.: 17 Verg<br />

1/09; OLG Thüringen, B. v. 30.03.2009 - Az.: 9 Verg 12/08; LSG Hessen, B. v. 15.12.2009 -<br />

Az.: L 1 KR 337/09 ER Verg; VK Baden-Württemberg, B. v. 05.10.2009 - Az.: 1 VK 53/09;<br />

VK Brandenburg, B. v. 07.04.2008 - Az.: VK 7/08; 2. VK Bund, B. v. 14.10.2009 - Az.: VK<br />

2 – 174/09; B. v. 16.03.2009 - Az.: VK 2 - 7/09; B. v. 15.09.2008 - Az.: VK 2 - 91/08; 1. VK<br />

Hessen, B. v. 05.11.2009 - Az.: 69 d VK – 39/2009; B. v. 09.10.2009 - Az.: 69 d VK –<br />

36/2009; B. v. 31.03.2008 - Az.: 69 d VK - 9/2008; VK Niedersachsen, B. v. 15.01.2010 -<br />

Az.: VgK-74/2009; B. v. 08.07.2009 - Az.: VgK-29/2009; B. v. 03.07.2009 - Az.: VgK-<br />

30/2009; B. v. 17.04.2009 - Az.: VgK-12/2009; VK Nordbayern, B. v. 12.08.2009 - Az.:<br />

21.VK - 3194 – 29/09; B. v. 28.01.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 63/08; B. v. 21.07.2008 - Az.:<br />

21.VK - 3194 - 27/08; 1. VK Sachsen, B. v. 03.03.2008 - Az.: 1/SVK/002-08; 1. VK<br />

Sachsen-Anhalt, B. v. 05.05.2008 - Az.: 1 VK LVwA 03/08; 2. VK Sachsen-Anhalt, B. v.<br />

15.01.2008 - Az.: VK 2 LVwA LSA – 28/07; VK Schleswig-Holstein, B. v. 14.11.2008 - Az.:<br />

VK-SH 13/08; VK Südbayern, B. v. 29.07.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-27-05/09; B. v.<br />

12.06.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-20-05/09; B. v. 13.03.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-02-01/09; B.<br />

v. 16.01.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-46-12/09; B. v. 18.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-17-04/08).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

2845/1<br />

An diesen Zielsetzungen der Rüge hat sich auch durch die Neufassung des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3<br />

<strong>GWB</strong> im Rahmen des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts nichts geändert<br />

(OLG Celle, B. v. 11.02.2010 - Az.: 13 Verg 16/09).<br />

<strong>19.</strong>5.3 Inhalt der Rügepflicht<br />

2846<br />

2847<br />

Die Vorschrift des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> trägt einen Doppelcharakter; sie beinhaltet einerseits<br />

eine Zulässigkeitsvoraussetzung für den Nachprüfungsantrag, stellt aber andererseits eine<br />

materielle Präklusionsregel dar (1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 05.05.2008 - Az.: 1 VK<br />

LVwA 03/08; VK Südbayern, B. v. 16.01.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-46-12/09; B. v.<br />

18.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-17-04/08; B. v. 8.11.2001 - Az.: 35-09/01; im Ergebnis<br />

ebenso für die materielle Präklusion OLG Karlsruhe, B. v. 06.02.2007 - Az.: 17 Verg 7/06;<br />

VK Niedersachsen, B. v. 24.02.2009 - Az.: VgK-57/2008; B. v. 23.02.2009 - Az.: VgK-<br />

58/2008; B. v. 11.02.2009 - Az.: VgK-56/2008).<br />

Die Rügepflicht ist inhaltslos, wenn man davon ausgeht, dass bei Vergaberechtsverstößen,<br />

jedenfalls soweit sie sich in den bekannt gegebenen Rahmenbedingungen des Wettbewerbes<br />

niederschlagen, statt der Vorgabe durch die Vergabestelle die nach den vergaberechtlichen<br />

Vorschriften "richtige" Bedingung als gesetzt gilt. Dies wiederum führt zu<br />

unterschiedlichem Angebotsverhalten der Bieter, je nachdem, ob sie die<br />

Vergaberechtswidrigkeit einer Vorgabe erkennen und sie gar nicht erst einhalten oder nicht.<br />

Es liegt auf der Hand, dass ein derartiges Ersetzen einer vergaberechtswidrigen Vorgabe<br />

durch die einschlägige gesetzliche Regelung mit den vergaberechtlichen Grundsätzen<br />

der Transparenz und Gleichbehandlung nicht zu vereinbaren ist (VK Düsseldorf, B. v.<br />

21.10.2008 - Az.: VK – 34/2008 – B).<br />

<strong>19.</strong>5.4 Rechtsnatur der Rüge<br />

2848<br />

2849<br />

2850<br />

2851<br />

Die Rechtsnatur der Rüge ist in der Rechtsprechung umstritten.<br />

Nach einer Auffassung ist die Rüge kein Rechtsgeschäft, insbesondere keine einseitige<br />

empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie ist vielmehr eine verfahrensrechtliche<br />

Erklärung, eine Zulässigkeits- und Zugangsvoraussetzung für das<br />

Nachprüfungsverfahren, bei der die Voraussetzungen für wirksame Verfahrenshandlungen<br />

vorliegen müssen (VK Münster, B. v. <strong>19.</strong>09.2006 - Az.: VK 12/06; B. v. 24.09.2004 - Az.:<br />

VK 24/04).<br />

Ihrer Rechtsnatur nach ist die rechtzeitige Rüge im Vergabeverfahren erkannter oder<br />

erkennbarer Verstöße gegen Vergabevorschriften gegenüber dem Auftraggeber eine<br />

Obliegenheit. Erfolgt die Rüge nicht rechtzeitig, wird der darauf bezogene <strong>Antrag</strong> als<br />

unzulässig zurückgewiesen, d.h. der Anspruch auf Nachprüfung geht in diesem Punkt<br />

verloren (Saarländisches OLG, B. v. 09.11.2005 - Az.: 1 Verg 4/05).<br />

Anderer Auffassung ist das OLG München. Eine Rüge stellt eine empfangsbedürftige<br />

Willenserklärung dar, die wie jede andere derartige Willenserklärung gemäß <strong>§</strong> 133 BGB so<br />

auszulegen ist, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter<br />

Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen muss (OLG München, B. v. 26.06.2007 - Az.:


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Verg 6/07; VK Hessen, B. v. 05.11.2009 - Az.: 69 d VK – 39/2009; B. v. <strong>19.</strong>03.2009 - Az.: 69<br />

d VK – 05/2009).<br />

<strong>19.</strong>5.5 Beachtung von Amts wegen<br />

2852<br />

2853<br />

Die Rüge ist eine von Amts wegen zu beachtende Sachentscheidungsvoraussetzung,<br />

bedarf also keiner Rüge eines anderen Beteiligten (OLG Dresden, B. v. 8.11.2002 - Az.:<br />

WVerg 0018/02; 2. VK Hessen, B. v. 26.04.2007 - Az.: 69 d VK - 08/2007; 1. VK Sachsen,<br />

B. v. 29.12.2004 - Az.: 1/SVK/123-04VK Schleswig-Holstein, B. v. 23.07.2004 - Az.: VK-<br />

SH 21/04).<br />

Ein Nachprüfungsverfahren ist auch im VOF-Verfahren nicht ohne Rüge zulässig (VK<br />

Arnsberg, B. v. 8.7.2003 - Az.: VK 3-12/2003).<br />

<strong>19.</strong>5.6 Isolierte Zulässigkeitsprüfung für jeden gerügten<br />

Vergaberechtsverstoß<br />

2854<br />

2855<br />

2856<br />

2857<br />

Der Gesetzgeber hat den Parteien eine unverzügliche Rügepflicht auferlegt und sie zudem<br />

dem Beschleunigungs- und Förderungsgebot unterworfen, damit möglichst in einem<br />

Beschwerdeverfahren sämtliche Punkte ohne Verzögerung abgehandelt und damit die<br />

durch ein Nachprüfungsverfahren bedingten Investitionshemmnisse möglichst gering gehalten<br />

werden. Daher muss ein <strong>Antrag</strong>steller alle eventuellen Vergabeverstöße rügen. Macht er<br />

dies nicht, können diese eventuellen Vergabeverstöße in einem späteren Verfahren nicht mehr<br />

gerügt werden (2. VK Bund, B. v. 18.7.2002 - Az.: VK 2 - 40/02).<br />

Die Rügeobliegenheit verlangt also, dass jeder einzelne (wirklich geschehene oder<br />

vermutliche) Vergaberechtsverstoß, den der <strong>Antrag</strong>steller zum Gegenstand der Nachprüfung<br />

machen will, gerügt werden muss (OLG Dresden, B. v. 21.10.2005 - Az.: WVerg 0005/05;<br />

1. VK Bund, B. v. 26.2.2003 - Az.: VK 1 - 07/03; 1. VK Sachsen, B. v. 25.11.2009 - Az.:<br />

1/SVK/051-09).<br />

Die Tatbestandsmerkmale des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> müssen daher auch für jeden gerügten<br />

Vergaberechtsverstoß gesondert dargelegt und geprüft werden (OLG Düsseldorf, B. v.<br />

23.01.2008 - Az.: VII - Verg 36/07; B. v. <strong>19.</strong>07.2006 - Az.: VII - Verg 27/06; OLG<br />

Naumburg, B. v. 05.12.2008 - Az.: 1 Verg 9/08; OLG Rostock, B. v. 06.03.2009 - Az.: 17<br />

Verg 1/09; 3. VK Bund, B. v. 02.03.2010 – Az.: VK 3 - 12/10; B. v. 29.04.2009 - Az.: VK 3 –<br />

85/09; B. v. 06.07.2007 - Az.: VK 3 - 58/07; B. v. 12.12.2006 - Az.: VK 3 - 141/06; VK<br />

Düsseldorf, B. v. 07.10.2009 - Az.: VK – 31/2009 – L; 1. VK Sachsen, B. v. 25.11.2009 -<br />

Az.: 1/SVK/051-09; VK Schleswig-Holstein, B. v. 08.01.2009 - Az.: VK-SH 14/08; B. v.<br />

03.12.2008 - Az.: VK-SH 12/08). Werden mehrere Rügen erhoben, ist also für jede dieser<br />

Rügen gesondert zu prüfen, ob sie zulässig ist (OLG Celle, B. v. 31.07.2008 - Az.: 13 Verg<br />

3/08; OLG Naumburg, B. v. 05.12.2008 - Az.: 1 Verg 9/08; 3. VK Bund, B. v. 02.03.2010 –<br />

Az.: VK 3 - 12/10; 1. VK Sachsen, B. v. 25.11.2009 - Az.: 1/SVK/051-09; VK Schleswig-<br />

Holstein, B. v. 08.01.2009 - Az.: VK-SH 14/08; B. v. 03.12.2008 - Az.: VK-SH 12/08; VK<br />

Südbayern, B. v. 13.03.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-02-01/09).<br />

Das gilt auch dann, wenn das Nachprüfungsverfahren aufgrund eines nicht den<br />

Anforderungen des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2, 3 <strong>GWB</strong> genügenden <strong>Antrag</strong>s eingeleitet worden ist. Die


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Tatbestandsmerkmale des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2, 3 <strong>GWB</strong> müssen für jeden einzelnen<br />

Vergaberechtsverstoß gesondert dargelegt und geprüft werden. Fehlen sie im Hinblick auf die<br />

ursprünglich geltend gemachten Rügen, so ändern „nachgeschobene“ Rügen nichts daran,<br />

dass der <strong>Antrag</strong> insoweit unzulässig bleibt. Der <strong>Antrag</strong> kann in diesem Fall aber teilweise,<br />

nämlich soweit es um die neue Rüge geht, zulässig werden. Dem stehen die Vorschriften<br />

des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2, 3 <strong>GWB</strong> nicht entgegen. Ihnen - und auch <strong>§</strong> 108 <strong>GWB</strong> - ist nicht zu<br />

entnehmen, dass in einem erst während des Nachprüfungsverfahrens eingereichten Schriftsatz<br />

vorgebrachte Rügen bei der Zulässigkeitsprüfung unberücksichtigt bleiben müssen. Für diese<br />

Auffassung spricht, dass es dem Beschleunigungsgebot zuwiderliefe, den Bieter wegen<br />

erst während des Nachprüfungsverfahrens erkannter Vergaberechtsverstöße auf ein<br />

neues Nachprüfungsverfahren zu verweisen, wenn die Rügen im Übrigen zulässig,<br />

insbesondere so rechtzeitig vorgebracht worden sind, dass sie in dem laufenden<br />

Nachprüfungsverfahren ohne Verzögerung beschieden werden können. Soweit das OLG<br />

Düsseldorf die Ansicht vertreten hat, nur wenn eine den Maßstäben des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2 <strong>GWB</strong><br />

genügende Darlegung der Verletzung von Bieterrechten das Nachprüfungsverfahren eröffnet<br />

habe, könnten andere, erst im Laufe des Nachprüfungsverfahrens zutage getretene<br />

Vergaberechtsverletzungen zum Gegenstand desselben Nachprüfungsverfahrens gemacht<br />

werden, tritt das OLG Celle dem aus den vorgenannten Gründen nicht bei (OLG Celle, B. v.<br />

08.03.2007 - Az.: 13 Verg 2/07; B. v. 12.05.2005 - Az.: 13 Verg 5/05; ebenso OLG Frankfurt,<br />

B. v. 08.12.2009 - Az.: 11 Verg 6/09; OLG Koblenz, B. v. 26.10.2005 - Az.: 1 Verg 4/05;<br />

OLG Thüringen, B. v. 26.03.2007 - Az.: 9 Verg 2/07; VK Brandenburg, B. v. 22.11.2007 -<br />

Az.: VK 43/07; 1. VK Bund, B. v. 09.10.2008 - VK 1 - 123/08; VK Nordbayern, B. v.<br />

15.01.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 49/07; 1. VK Sachsen, B. v. 10.06.2008 - Az.: 1/SVK/026-<br />

08; B. v. 03.03.2008 - Az.: 1/SVK/002-08; B. v. 15.05.2007 - Az.: 1/SVK/028-07; B. v.<br />

07.05.2007 – Az.: 1/SVK/027-07; B. v. 16.11.2006 - Az.: 1/SVK/097-06).<br />

2858<br />

Infolge dieser differenzierten Zulässigkeitsprüfung können verschiedene<br />

Vergaberechtsverstöße, die ein <strong>Antrag</strong>steller geltend macht, bereits auf der<br />

Zulässigkeitsebene getrennte Wege gehen, und zwar in beide Richtungen: ein<br />

Nachprüfungsantrag, dem bezüglich einer Beanstandung eine rechtzeitige Rüge zugrunde<br />

liegt und der damit insoweit zulässig ist, berechtigt nicht zum Vorbringen weiterer Verstöße<br />

im Nachprüfungsverfahren, die bereits im Vorfeld im Sinne von <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> erkannt,<br />

aber nicht gerügt wurden; insoweit wäre die Unzulässigkeit gegeben. In gleicher Weise gilt<br />

aber auch, dass ein Vergabefehler, der erst im Nachprüfungsverfahren für den <strong>Antrag</strong>steller<br />

offenbar wird und daher zulässigerweise ohne Rüge eingebracht wird, nicht dadurch<br />

unzulässig wird, dass der ursprüngliche Nachprüfungsantrag auf einen Verstoß gestützt wird,<br />

mit dem der <strong>Antrag</strong>steller nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> präkludiert ist. Der Grundsatz der<br />

isolierten Zulässigkeitsprüfung für die geltend gemachten Vergaberechtsverstöße kann<br />

sich eben in zweierlei Richtung, zu Gunsten des <strong>Antrag</strong>stellers oder zu seinen Lasten,<br />

auswirken (OLG Frankfurt, B. v. 08.12.2009 - Az.: 11 Verg 6/09; 3. VK Bund, B. v.<br />

25.10.2006 - Az.: VK 3 - 114/06; VK Schleswig-Holstein, B. v. 03.12.2008 - Az.: VK-SH<br />

12/08; VK Südbayern, B. v. 13.03.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-02-01/09).<br />

<strong>19.</strong>5.7 Keine Pflicht zu mehrfachen Rügen<br />

2859<br />

<strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong> schreibt lediglich vor, dass unverzüglich zu rügen ist, sagt aber<br />

nicht, dass - wenn schon eine rechtzeitige Rüge vorliegt - nach Erhalt z. B. der Mitteilung<br />

nach <strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong> ein weiteres Mal zu rügen ist. Die Notwendigkeit zu einer erneuten Rüge<br />

ergäbe sich lediglich dann, wenn nach Erhalt der Mitteilung ein anderer Sachverhalt


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

beanstandet würde als beim ersten Mal (1. VK Bund, B. v. 2.6.2003 - Az.: VK 1 - 39/03; 2.<br />

VK Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 28.11.2008 - Az.: 2 VK 7/08).<br />

<strong>19.</strong>5.8 Konsequenzen einer Rügepräklusion<br />

2860<br />

2860/1<br />

Eine Rügepräklusion hat nicht nur die verfahrensrechtliche Konsequenz, dass ein auf<br />

diesen Vergaberechtsverstoß gestützter Nachprüfungsantrag (insoweit) unzulässig wäre. Die<br />

verfahrensrechtliche Unanfechtbarkeit hat vielmehr auch zur Folge, dass die an sich<br />

vergaberechtswidrige Vorgehensweise (z.B. Verlagerung der Bekanntgabe der geforderten<br />

Eignungsnachweise von der Bekanntmachung in die Verdingungsunterlagen) im Verhältnis<br />

zu einem Bieter, der seiner Rügeobliegenheit nicht nachgekommen ist, als<br />

vergaberechtskonform fingiert wird (OLG Koblenz, B. v. 03.04.2008 - Az.: 1 Verg 1/08; B.<br />

v. 07.11.2007 - Az.: 1 Verg 6/07; VK Arnsberg, B. v. 18.01.2008 - Az.: VK 01/08; 1. VK<br />

Sachsen, B. v. 25.11.2009 - Az.: 1/SVK/051-09; anderer Auffassung VK Düsseldorf, B. v.<br />

21.01.2009 - Az.: VK – 43/2008 – L).<br />

Folge der Rügepräklusion ist also der Verlust des Anspruches auf Überprüfung eines<br />

bestimmten Tuns oder Unterlassens des <strong>Antrag</strong>sgegners (VK Hessen, B. v. 09.10.2009 -<br />

Az.: 69 d VK – 36/2009).<br />

<strong>19.</strong>5.9 Vereinbarkeit einer Präklusionsregel mit dem EU-Recht<br />

2861<br />

2861/1<br />

2862<br />

Die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Einlegung von Rechtsbehelfen<br />

genügt grundsätzlich dem sich aus der Richtlinie 89/665 ergebenden Effektivitätsgebot, da<br />

sie ein Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit ist. Zudem steht<br />

außer Zweifel, dass durch Sanktionen wie die Präklusion gewährleistet werden kann, dass<br />

rechtswidrige Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber nach ihrer Bekanntgabe an die<br />

Betroffenen so rasch wie möglich angefochten und berichtigt werden, was ebenfalls mit<br />

den Zielen der Richtlinie 89/665 und mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit in Einklang<br />

steht (EuGH, Urteil v. 28.01.2010 - Az.: C-456/08; Urteil v. 28.01.2010 - Az.: C-406/08;<br />

Urteil v. 11.10.2007 – Az.: C-246/01; Urteil v. 12.12.2002 - Az.: C-470/99, Urteil v.<br />

27.2.2003 - Az.: C-327/00; OLG Düsseldorf, B. v. 14.05.2008 - Az.: VII-Verg 11/08; 2. VK<br />

Bund, B. v. 28.01.2008 - Az.: VK 2 – 162/07; VK Thüringen, B. v. 25.11.2008 - Az.: 250-<br />

4003.20-5545/2008-032-GRZ). Außerdem ist die vollständige Verwirklichung der mit der<br />

Rechtsmittelrichtlinie verfolgten Ziele gefährdet, wenn Bewerber und Bieter in jedem<br />

Stadium des Vergabeverfahrens Verstöße gegen die Regeln über die Auftragsvergabe<br />

rügen und dadurch den öffentlichen Auftraggeber zwingen könnten, das gesamte Verfahren<br />

erneut durchzuführen, um den Verstoß zu beheben (EuGH, Urteil v. 28.01.2010 - Az.: C-<br />

456/08; Urteil v. 11.10.2007 – Az.: C-246/01).<br />

Dieses Ziel der zügigen Behandlung muss im nationalen Recht unter Beachtung der<br />

Erfordernisse der Rechtssicherheit verwirklicht werden. Zu diesem Zweck müssen die<br />

Mitgliedstaaten eine Fristenregelung schaffen, die hinreichend genau, klar und<br />

vorhersehbar ist, damit der Einzelne seine Rechte und Pflichten kennen kann (EuGH, Urteil<br />

v. 28.01.2010 - Az.: C-456/08; Urteil v. 28.01.2010 - Az.: C-406/08).<br />

Jedoch dürfen nationale Ausschlussfristen einschließlich der Art und Weise ihrer<br />

Anwendung nicht als solche die Ausübung der Rechte, die dem Betroffenen gegebenenfalls<br />

nach dem Gemeinschaftsrecht zustehen, praktisch unmöglich machen oder übermäßig


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

erschweren (EuGH, Urteil v. 28.01.2010 - Az.: C-456/08; Urteil v. 28.01.2010 - Az.: C-<br />

406/08; Urteil v. 11.10.2007 – Az.: C-246/01; OLG München, B. v. 04.04.2008 - Az.: Verg<br />

04/08; VK Thüringen, B. v. 25.11.2008 - Az.: 250-4003.20-5545/2008-032-GRZ).<br />

2863<br />

2864<br />

Damit steht auch die grundsätzliche Vereinbarkeit der Vergabevorschrift des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs.<br />

3 Satz 1 <strong>GWB</strong> mit dem Gemeinschaftsvergaberecht fest (OLG Naumburg, B. v.<br />

04.01.2005 - Az.: 1 Verg 25/04; im Ergebnis für das alte Recht auch OLG Koblenz, B. v.<br />

18.9.2003 - Az.: 1 Verg 4/03; 3. VK Bund, B. v. 16.12.2004 - Az.: VK 3 – 212/04; 1. VK<br />

Sachsen, B. v. 23.12.2004 - Az.: 1/SVK/129-04; VK Thüringen, B. v. 25.11.2008 - Az.: 250-<br />

4003.20-5545/2008-032-GRZ).<br />

Dies gilt auch für die Vergabevorschrift des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 2 <strong>GWB</strong> – altes Recht -<br />

(EuGH, Urteil v. 11.10.2007 - Az.: C-246/01; Hanseatisches OLG Bremen, B. v. 18.05.2006 -<br />

Az.: Verg 3/2005; OLG München, B. v. 04.04.2008 - Az.: Verg 04/08).<br />

<strong>19.</strong>5.10 Unzulässigkeit von "vorsorglichen" Rügen<br />

2865<br />

2866<br />

2867<br />

Die Rechtsprechung ist insoweit nicht einheitlich.<br />

Nach einer Auffassung besteht zwar dann noch keine Rügeverpflichtung, wenn die<br />

Vergabeentscheidung noch nicht gefallen ist und ein Bieter noch keine Absage erhalten hat.<br />

Dem Bieter kann es jedoch nicht zum Nachteil gereichen, dass er bereits vor der<br />

Vergabeentscheidung auf einen Vergaberechtsverstoß hinweist, zumal die Rügeverpflichtung<br />

engen zeitlichen Vorgaben unterliegt und unverzüglich erfolgen soll (1. VK Sachsen, B. v.<br />

10.09.2003 - Az.: 1/SVK/<strong>107</strong>-03).<br />

Nach einer anderen Auffassung sieht das Vergaberecht eine "vorsorgliche Rüge"<br />

künftigen fehlerhaften Handelns des Auftraggebers nicht vor. Der Gesetzeswortlaut<br />

knüpft die Rügepflicht vielmehr an einen vollzogenen und vom Rechtsschutz suchenden<br />

Bieter im Vergabeverfahren erkannten Vergabefehler an. Das entspricht Sinn und Zweck der<br />

Regelung. Daran gemessen geht eine vorsorgliche Rüge, die aufschiebend bedingt eine noch<br />

gar nicht vollzogene Vergabemaßnahme beanstandet, von vornherein ins Leere (VK<br />

Brandenburg, B. v. 21.11.2005 - Az.: 1 VK 67/05; B. v. 18.06.2004 - Az.: VK 22/04; B. v.<br />

21.04.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-09-02/09; VK Hessen, B. v. 02.12.2004 - Az.: 69 d VK –<br />

72/2004; 1. VK Sachsen, B. v. 08.06.2006 - Az.: 1/SVK/050-06). Der öffentliche<br />

Auftraggeber ist schon aufgrund der bestehenden Vorschriften zur Einhaltung der<br />

Vergaberegeln verpflichtet. Er muss dazu nicht erst durch eine vorsorgliche Rüge<br />

angehalten werden. Es ist ihm aufgrund der Gesetzesbestimmungen ebenfalls bekannt, dass<br />

ein benachteiligter Bieter einen Vergabeverstoß im Wege eines Nachprüfungsverfahrens<br />

beanstanden kann. Auch insoweit bedarf es keiner vorsorglichen Rüge im laufenden<br />

Vergabeverfahren. Die kritische, mit dem Risiko eines unnötigen Nachprüfungsverfahrens<br />

belastete Verfahrenssituation, die durch die gesetzliche Rügepflicht unter dem Gesichtspunkt<br />

von Treu und Glauben entlastet werden soll, entsteht erst dann, wenn eine (vermeintlich)<br />

fehlerhafte Maßnahme stattgefunden hat. Nur in diesem Fall besteht für die<br />

Vergabestelle Anlass zur gezielten Selbstkontrolle und ggf. Selbstkorrektur und für den<br />

Bieter die Versuchung, die Auswirkungen des Fehlers zunächst abzuwarten und einen<br />

Nachprüfungsantrag erst dann zu stellen, wenn seine Spekulation auf einen günstigen<br />

Verfahrensausgang nicht aufgeht, die Gelegenheit des Auftraggebers zur zeitsparenden<br />

Selbstkorrektur jedoch verstrichen ist. Eine vorsorgliche Rüge könnte diesen<br />

situationsbezogenen Interessenausgleich zwischen Auftraggeber und Bieter nicht


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

schaffen und wäre daher mit Sinn und Zweck der Gesetzesregelung unvereinbar (OLG<br />

Koblenz, B. v. 18.9.2003 - Az.: 1 Verg 4/03; VK Hessen, B. v. 02.12.2004 - Az.: 69 d VK –<br />

72/2004).<br />

2868<br />

2869<br />

2870<br />

Die strengen Anforderungen, die das Vergaberecht an die Rügepflicht stellt, sprechen also<br />

gegen eine Vorverlagerung der <strong>Antrag</strong>sbefugnis auf den Zeitpunkt der Willensbildung. Wenn<br />

sich eine Rechtsverletzung i. S. d. <strong>§</strong> 97 Abs. 2 <strong>GWB</strong> schon aus internen Überlegungen der<br />

Vergabestelle ergeben könnte, deren Realisierung ungewiss ist, so müsste der Bieter schon<br />

diese Überlegungen unverzüglich rügen, wenn er von ihnen Kenntnis erlangt. Dies hätte zur<br />

Folge, dass der Bieter selbst bei widerstreitenden internen Überlegungen der Vergabestelle<br />

vorsorglich eine Rüge erheben und gegebenenfalls ein Nachprüfungsverfahren einleiten<br />

müsste, obwohl er nicht wissen kann, ob die vergaberechtswidrigen Überlegungen in eine<br />

entsprechende Entscheidung der Vergabestelle münden oder – im Falle einer demokratischen<br />

Willensbildung – sich die Befürworter einer vergaberechtswidrigen Entscheidung durchsetzen<br />

werden. Auch im Interesse des Bieters muss das Nachprüfungsrecht und die Rügepflicht<br />

daher auf solche Rechtsverletzungen beschränkt bleiben, die bereits vorliegen oder<br />

zumindest formell angekündigt wurden (OLG Naumburg, B. v. 03.11.2005 - Az.: 1 Verg<br />

9/05). Interne Vorüberlegungen, interne alternative Konzepte oder vergleichende<br />

Betrachtungen usw. stellen noch keinen Vergaberechtsverstoß dar (VK Münster, B. v.<br />

05.04.2006 - Az.: VK 5/06).<br />

Ein Nachprüfungsantrag kann sich auch nur gegen ein bestimmtes, nach außen<br />

gerichtetes Tun oder Unterlassen der Vergabestelle in einem konkreten<br />

Vergabeverfahren richten. Ankündigungen oder Absichtserklärungen sind nicht<br />

angreifbar. Ein Nachprüfungsantrag, der sich gegen einen internen Akt der Willensbildung<br />

richtet, geht ins Leere. Dem entsprechend geht auch eine "Rüge", die bereits im Vorfeld des<br />

konkreten Vergabeverfahrens erhoben wird, ins Leere (VK Düsseldorf, B. v. 24.08.2007 -<br />

Az.: VK - 24/2007 – L; B. v. <strong>19.</strong>04.2007 - Az.: VK - 10/2007 – B; VK Nordbayern, B. v.<br />

04.10.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 41/07; VK Südbayern, B. v. 21.04.2009 - Az.: Z3-3-3194-<br />

1-09-02/09). Die Zulassung einer solchen vorbeugenden Rüge wäre auch mit dem<br />

Charakter des Nachprüfungsverfahrens, Primärrechtsschutz für begangene<br />

Vergaberechtsverstöße und keinen vorbeugenden Rechtsschutz zu gewähren, nicht zu<br />

vereinbaren (OLG Düsseldorf, B. v. 04.05.2009 - Az.: VII-Verg 68/08).<br />

Auch wird die Obliegenheit zur Rüge eines vermeintlich vergaberechtswidrigen<br />

Ausschlusses des eigenen Angebotes wegen fehlender Eignungsnachweise durch ein bloßes<br />

Aufklärungsersuchen der Vergabestelle, welches auf einen beabsichtigten künftigen<br />

Ausschluss schließen lässt, noch nicht begründet (OLG Naumburg, B. v. 02.07.2009 - Az.:<br />

1 Verg 2/09).<br />

<strong>19.</strong>5.11 Verdachtsrüge<br />

2871<br />

Dem Bieter ist nicht zuzumuten, in jedem Verfahrensstadium das Verhältnis zur<br />

Vergabestelle durch Verdachtsrügen zu belasten; erst aufgrund besonderer Umstände ist er<br />

zur Erhebung einer Rüge verpflichtet (OLG Düsseldorf, B. v. 30.4.2002 - Az.: Verg 3/02;<br />

BayObLG, B. v. 3.7.2002 - Az.: Verg 13/02; VK Berlin, B. v. 29.06.2004 - Az.: VK - B 1 –<br />

24/04; VK Brandenburg, B. v. 25.02.2005 - Az.: VK 4/05; B. v. 25.02.2005 - Az.: VK 3/05;<br />

3. VK Bund, B. v. 08.01.2010 - Az.: VK 3 – 229/09; VK Schleswig-Holstein, B. v.<br />

31.01.2006 - Az.: VK-SH 33/05).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

2872<br />

2873<br />

2874<br />

2875<br />

So stellt z.B. ein vermeintlich fehlerhaftes Angebot eines anderen Bieters noch keinen<br />

gemäß <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> zu rügenden Vergabeverstoß dar, sondern erst eine Entscheidung<br />

oder eine Maßnahme der Vergabestelle, durch die dieses vermeintlich fehlerhafte<br />

Angebot dem des Bieters vorgezogen wird (VK Schleswig-Holstein, B. v. 31.01.2006 - Az.:<br />

VK-SH 33/05).<br />

Dem Bieter soll auch nicht die Pflicht auferlegt werden, das Vergabeverfahren laufend auf<br />

seine Rechtmäßigkeit hin zu kontrollieren (2. VK Bund, B. v. 4.9.2002 - Az.: VK 2 - 58/02).<br />

Selbst ein rechtlicher Verdacht, dass die Vergabestelle einen Vergaberechtsverstoß begangen<br />

hat, lässt die Rügeobliegenheit erst entstehen, wenn sich der Verdacht, etwa durch Einholung<br />

weiterer Informationen, zur ausreichenden Gewissheit verdichtet (BayObLG, B. v.<br />

23.10.2003 - Az.: Verg 13/03; VK Schleswig-Holstein, B. v. 31.01.2006 - Az.: VK-SH<br />

33/05).<br />

Zur Unverzüglichkeit einer Verdachtsrüge vgl. die Kommentierung RZ 3053.<br />

<strong>19.</strong>5.12 Rüge gegen eigene Rechtsverletzung<br />

2875/1<br />

Ein Unternehmer ist nicht nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> verpflichtet, den bieterschützenden<br />

Verstoß in Bezug auf einen Mitbewerber zu rügen. Er kann sogar auf einen erkannten<br />

Fehler spekulieren, der sich möglicherweise zu seinen Gunsten auswirken könnte. Die<br />

Vorschrift des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> soll nur verhindern, dass er bei einer solchen Spekulation,<br />

die schief geht, nicht später die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einfordern darf<br />

(Schleswig-Holsteinisches OLG, B. v. 09.03.2010 - Az.: 1 Verg 4/09).<br />

<strong>19.</strong>5.13 Entbehrlichkeit der Rüge<br />

2876<br />

Angesichts des Zwecks der Vorschrift des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> sind Ausnahmen von dem<br />

Gebot der unverzüglichen Rüge als Zulässigkeitsvoraussetzung für den Nachprüfungsantrag<br />

nur unter engen Voraussetzungen zuzugestehen (VK Schleswig-Holstein, B. v. 14.11.2008<br />

- Az.: VK-SH 13/08).<br />

<strong>19.</strong>5.13.1 Vergaberechtsmodernisierungsgesetz 2009<br />

2877<br />

2878<br />

Bei den so genannten De-facto-Vergaben des <strong>§</strong> 101b Abs. 1 Nr. 2 <strong>GWB</strong> ist es nicht<br />

sachgerecht, den Unternehmen eine Rügeverpflichtung aufzuerlegen. In diesen Fällen kann<br />

sofort ein Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer gestellt werden.<br />

Dementsprechend gilt nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 2 <strong>GWB</strong> die Rügeverpflichtung nicht bei einem<br />

<strong>Antrag</strong> auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages nach <strong>§</strong> 101b Abs. 1 Nr. 2 <strong>GWB</strong>.<br />

Die Neuregelung des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes 2009 übernimmt im Kern<br />

die schon bisher bestehende Rechtsprechung.


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

<strong>19.</strong>5.13.2 Rechtsprechung nach dem Vergaberechtsmodernisierungsgesetz<br />

2009<br />

2878/1<br />

Ein öffentlicher Auftraggeber, der sich bewusst außerhalb der Vorschriften der <strong>§</strong><strong>§</strong> 97 ff.<br />

<strong>GWB</strong> über ein geregeltes Vergabeverfahren bewegen will und insoweit jede Verpflichtung,<br />

ein solches Vergabeverfahren durchzuführen, ablehnt, kann sich nicht mit Erfolg auf die<br />

Verletzung von Obliegenheiten durch den Bieter berufen, die nur bei einer Anwendung<br />

gerade dieser Vorschriften gelten (1. VK Bund, B. v. 21.12.2009 - Az.: VK 1 – 212/09; VK<br />

Münster, B. v. 18.03.2010 - Az.: VK 1/10).<br />

<strong>19.</strong>5.13.3 Rechtsprechung vor dem Vergaberechtsmodernisierungsgesetz<br />

2009<br />

<strong>19.</strong>5.13.3.1 Allgemeines<br />

2879<br />

2880<br />

Bei de-facto-Vergaben, bei denen also der öffentliche Auftraggeber kein Vergabeverfahren<br />

durchführt, entfällt die Rügepflicht zwangsläufig (OLG Brandenburg, B. v. 15.09.2009 -<br />

Az.: Verg W 13/08; OLG Celle, B. v. 29.10.2009 - Az.: 13 Verg 8/09; OLG Düsseldorf, B. v.<br />

02.11.2009 - Az.: VII-Verg 12/09; B. v. 04.02.2009 - Az.: VII-Verg 65/08; B. v. 02.10.2008 –<br />

Az.: VII – Verg 25/08; B. v. 26.05.2008 - Az.: VII - Verg 14/08; B. v. 06.02.2008 - Az.: VII -<br />

Verg 37/07; B. v. 13.06.2007 - Az.: VII - Verg 2/07; B. v. 23.05.2007 - Az.: VII - Verg 50/06;<br />

B. v. 21.06.2006 - Az.: VII - Verg 17/06; BayObLG, B. v. 27.2.2003 - Az.: Verg 25/02; OLG<br />

Naumburg, B. v. 03.11.2005 - Az.: 1 Verg 9/05; VK Arnsberg, B. v. 15.11.2005 - Az.: VK<br />

20/2005; VK Baden-Württemberg, B. v. 07.03.2008 - Az.: 1 VK 1/08; B. v. 14.03.2005 - Az.:<br />

1 VK 5/05; VK Brandenburg, B. v. 22.05.2008 - Az.: VK 11/08; B. v. 08.03.2007 - Az.: 2 VK<br />

4/07; 2. VK Bund, B. v. 28.03.2008 - Az.: VK 2 – 28/08; B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 -<br />

123/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 120/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 117/07, B. v.<br />

15.11.2007 - Az.: VK 2 - 114/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 108/07, B. v. 15.11.2007 -<br />

Az.: VK 2 - 105/07; B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 102/07; 3. VK Bund, B. v. 18.02.2009 -<br />

Az.: VK 3 - 158/08; B. v. 20.01.2009 - Az.: VK 3 – 191/08; B. v. 20.01.2009 - Az.: VK 3 –<br />

188/08; B. v. 20.01.2009 - Az.: VK 3 – 185/08; B. v. 15.08.2008 - Az.: VK 3 – <strong>107</strong>/08; VK<br />

Düsseldorf, B. v. 24.06.2008 - Az.: VK – 19/2008 – B; B. v. 31.10.2008 - Az.: VK – 22/2008<br />

– B; B. v. 02.08.2007 - Az.: VK - 23/2007 – B; B. v. 12.09.2006 - Az.: VK - 37/2006 – L; VK<br />

Hamburg (FB), B. v. 27.04.2006 - Az.: VgK FB 2/06; VK Hessen, B. v. 27.04.2007 - Az.: 69<br />

d VK – 11/2007; VK Köln, B. v. 09.03.2006 - Az.: VK VOL 34/2005; VK Lüneburg, B. v.<br />

10.10.2006 - Az.: VgK-23/2006; VK Magdeburg, B. v. 6.6.2002 - Az.: 33-32571/07 VK<br />

05/02 MD; VK Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 08.05.2007 - Az.: 3 VK 04/07; VK<br />

Münster, B. v. 25.06.2009 - Az.: VK 7/09; B. v. 06.05.2008 - Az.: VK 4/08; B. v. 26.09.2007<br />

- Az.: VK 17/07; B. v. <strong>19.</strong>06.2007 - Az.: VK 12/07; B. v. <strong>19.</strong>09.2006 - Az.: VK 12/06; B. v.<br />

24.6.2002 - Az.: VK 03/02; VK Saarland, B. v. 24.10.2008 - Az.: 3 VK 02/2008; B. v.<br />

<strong>19.</strong>05.2006 - Az.: 3 VK 03/2006; 1. VK Sachsen, B. v. 06.03.2009 - Az.: 1/SVK/001-09; B. v.<br />

09.09.2008 - Az.: 1/SVK/046-08; B. v. 29.08.2008 - Az.: 1/SVK/042-08; B. v. 29.08.2008 -<br />

Az.: 1/SVK/041-08; B. v. 26.03.2008 - Az.: 1/SVK/005-08; 1. VK Sachsen-Anhalt, B. v.<br />

22.02.2008 - Az: 1 VK LVwA 30/07; VK Schleswig-Holstein, B. v. 14.05.2008 - Az.: VK-<br />

SH 06/08; VK Südbayern, B. v. 03.04.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-49-12/08).<br />

Schon die Vorschrift des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong> (alte Fassung) setzte ihrem Wortlaut<br />

nach ein „Vergabeverfahren“ voraus, an dem es aber bei einer De-facto-Vergabe gerade


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

fehlt. Darüber hinaus ist die Präklusionsregelung des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> eine Ausprägung<br />

von Treu und Glauben, wonach effektiver Bieterrechtsschutz und Auftraggeberinteresse in ein<br />

ausgewogenes Verhältnis gesetzt werden sollen. Es handelt sich um eine Ausprägung des<br />

vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses zwischen Bieter und Auftraggeber im förmlichen<br />

Vergabeverfahren. An einem derartigen vorvertraglichen Vertrauensverhältnis fehlt es<br />

aber gerade bei einer de-facto-Vergabe. Schließlich ist es Sinn und Zweck der Rüge, dem<br />

Auftraggeber im laufenden Vergabeverfahren Gelegenheit zu geben, von einem Unternehmen<br />

angenommene Vergaberechtsverstöße noch im laufenden Verfahren zu beseitigen. Dieser<br />

Zweck ist jedoch nur im Rahmen eines förmlichen Vergabeverfahrens zu erreichen. Bei einer<br />

de-facto-Vergabe kann er nicht realisiert werden. Aus diesen Gründen besteht bei defacto-Vergaben<br />

keine Rügeverpflichtung (VK Baden-Württemberg, B. v. 07.03.2008 - Az.: 1<br />

VK 1/08; VK Hessen, B. v. 27.04.2007 - Az.: 69 d VK – 11/2007; VK Schleswig-Holstein, B.<br />

v. 14.05.2008 - Az.: VK-SH 06/08; im Ergebnis ebenso OLG Düsseldorf, B. v. 06.02.2008 -<br />

Az.: VII - Verg 37/07).<br />

2881<br />

2882<br />

2883<br />

Führt jedoch der Auftraggeber kein Vergabeverfahren durch und ist der Unternehmer über<br />

diesen Umstand seit langem fortlaufend unterrichtet, ist es dem <strong>Antrag</strong>steller ohne<br />

weiteres möglich und zumutbar, dies gegenüber der Vergabestelle geltend zu machen. In<br />

diesen Fällen besteht auch ein Vertrauensverhältnis zwischen Vergabestelle und<br />

Unternehmen. In diesem Ausnahmefall besteht auch bei einer "De-facto-Vergabe" eine<br />

Rügepflicht (OLG Naumburg, B. v. 02.03.2006 - Az.: 1 Verg 1/06; 1. VK Sachsen, B. v.<br />

29.08.2008 - Az.: 1/SVK/042-08; B. v. 29.08.2008 - Az.: 1/SVK/041-08; 1. VK Sachsen-<br />

Anhalt, B. v. 23.12.2005 - Az.: 1 VK LVwA 43/05).<br />

Diese Rechtsprechung kann vom Sinn und Zweck her auch auf die Neuregelung des<br />

Vergabemodernisierungsgesetzes angewendet werden.<br />

Nach Auffassung des OLG Düsseldorf ist hingegen vom Grundsatz her eine aus <strong>§</strong> 242 BGB<br />

abgeleitete Rügeobliegenheit zu Lasten desjenigen Bieters, der sich in Kenntnis der<br />

Erforderlichkeit eines regulären Vergabeverfahrens an einer De-facto-Vergabe beteiligt, ohne<br />

den Auftraggeber auf den Rechtsverstoß hinzuweisen, zu verneinen. Dadurch würde nicht<br />

nur die Nichtanwendbarkeit des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> auf de-facto-Vergaben unterlaufen,<br />

sondern eine einseitige Belastung der Bieterseite bei gleichzeitiger Privilegierung des<br />

öffentlichen Auftraggebers bewirkt, die schon deswegen nicht gerechtfertigt ist, weil der<br />

öffentliche Auftraggeber und nicht der Bieter der verantwortliche Normadressat für die<br />

Beachtung des Vergaberechts ist. Im konkreten Einzelfall ist bei der Prüfung des Bestehens<br />

einer aus Treu und Glauben abzuleitenden Rügeobliegenheit vielmehr auch das<br />

Verhalten des öffentlichen Auftraggebers zu würdigen. Bestreitet dieser die<br />

Notwendigkeit eines geregelten Vergabeverfahrens noch im Nachprüfungsverfahren, kann<br />

dem Bieter zugute gehalten werden, hiervon ebenfalls nicht ausgegangen zu sein. Stellt sich<br />

also der öffentliche Auftraggeber auf den Standpunkt, zu einer Direktvergabe berechtigt<br />

gewesen zu sein, ist es ein nicht zu rechtfertigender Wertungswiderspruch, den<br />

Nachprüfungsantrag unter Hinweis auf eine Beanstandungsobliegenheit als<br />

rechtsmissbräuchlich zurückzuweisen, während der öffentliche Auftraggeber sich gegen die<br />

Einhaltung der Vergabevorschriften entschieden hat und von dieser Entscheidung auch im<br />

Nachprüfungsverfahren nicht abrückt (OLG Düsseldorf, B. v. 26.05.2008 - Az.: VII - Verg<br />

14/08; B. v. <strong>19.</strong>07.2006 - Az.: VII - Verg 26/06; VK Düsseldorf, B. v. 31.10.2007 - Az.: VK -<br />

31/2007 – L; B. v. 02.08.2007 - Az.: VK - 23/2007 – B; VK Münster, B. v. 26.09.2007 - Az.:<br />

VK 17/07; 1. VK Sachsen, B. v. 29.08.2008 - Az.: 1/SVK/042-08; B. v. 29.08.2008 - Az.:<br />

1/SVK/041-08; B. v. 26.03.2008 - Az.: 1/SVK/005-08; VK Südbayern, B. v. 03.04.2009 -<br />

Az.: Z3-3-3194-1-49-12/08).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

2884<br />

Zur Frage der Verwirkung des Nachprüfungsrechts nach den Grundsätzen von Treu und<br />

Glauben (<strong>§</strong> 242 BGB) bei einer de-facto-Vergabe vgl. die Kommentierung RZ 2579.<br />

<strong>19.</strong>5.13.3.2 Subjektive Überzeugung eines <strong>Antrag</strong>stellers über eine Direktvergabe<br />

2885<br />

Der Grundsatz, dass eine Rügeverpflichtung bei einer Direktvergabe nicht besteht, ist auch<br />

dann anwendbar, wenn der <strong>Antrag</strong>steller seine Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft<br />

hat und aus nachvollziehbaren Gründen subjektiv davon überzeugt sein darf, dass kein<br />

Wettbewerbsverfahren beabsichtigt ist (VK Düsseldorf, B. v. 31.10.2008 - Az.: VK –<br />

22/2008 – B).<br />

<strong>19.</strong>5.13.3.3 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

2886<br />

• wird ein weitgehend ungeregeltes Vergabeverfahren durchgeführt und wird der<br />

<strong>Antrag</strong>steller durch den Abschluss von notariellen Verträgen in Bezug auf die<br />

Vergabeentscheidung vor vollendete Tatsachen gestellt, kann er eine effektive<br />

Rüge infolgedessen nicht anbringen. Im Fall einer derartigen Direktvergabe ist der<br />

<strong>Antrag</strong>steller von der Rügeobliegenheit nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> befreit (OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 02.10.2008 – Az.: VII – Verg 25/08)<br />

• es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong> nicht eingreift,<br />

wenn die Rüge zum Gegenstand hat, dass ein geregeltes Vergabeverfahren überhaupt<br />

nicht durchgeführt worden ist. Nichts anderes gilt dann, wenn ein geregeltes<br />

Vergabeverfahren zwar eingeleitet worden ist, wenn es sich aber um ein<br />

Verhandlungsverfahren ohne öffentliche Vergabebekanntmachung handelt und<br />

der potenzielle Auftragnehmer, der die Rüge erhebt, nicht zu den für das<br />

Verhandlungsverfahren ausgewählten Bietern zählt. <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong><br />

greift nach seinem Wortlaut in einem solchen Fall nicht ein. Ein Unternehmen, das an<br />

einem Verhandlungsverfahren nicht beteiligt wird, kann den Vergaberechtsverstoß<br />

nicht „im Vergabeverfahren“ erkennen. Gegen eine Rügepflicht in einem solchen Fall<br />

spricht ferner, dass es ohne ein Vergabeverfahren, an dem das Unternehmen sich<br />

beteiligen kann, an einem Pflichtenverhältnis fehlt, dem eine Rügeobliegenheit<br />

entnommen werden könnte (OLG Celle, B. v. 08.12.2005 - Az.: 13 Verg 2/05).<br />

<strong>19.</strong>5.13.4 Vergaben, die nicht nach dem rechtlich gebotenen<br />

Vergabeverfahren durchgeführt werden<br />

2887<br />

2888<br />

Die Rechtsprechung ist insoweit nicht einheitlich.<br />

Die zu den echten de-facto-Verfahren, also den Verfahren, bei denen jegliches förmliches<br />

Verfahren unterblieb, vertretene Auffassung, dass die Rügepflicht entfällt, gilt in gleichem<br />

Maße auch für die sonstigen Auftragsvergaben, die nicht nach dem rechtlich gebotenen<br />

Vergabeverfahren durchgeführt wurden, dass also z. B. eine europaweite Ausschreibung<br />

vergaberechtswidrig unterbleibt oder ein VOF-Verfahren statt eines VOL-Verfahrens


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

durchgeführt wurde (Saarländisches OLG, B. v. 20.09.2006 - Az.: 1 Verg 3/06; VK Baden-<br />

Württemberg, B. v. 27.6.2003 - Az.: 1 VK 29/03).<br />

2889<br />

2890<br />

2891<br />

2891/1<br />

Anders als bei der vergleichsweise eindeutig richtigen Wahl von VOB/A für Bauleistungen<br />

oder VOL/A für Dienstleistungen ist die richtige Wahl zwischen VOF und VOL/A bei<br />

Dienstleistungen nicht aus dem Inhalt der Ausschreibung zu erkennen. Denn hier ergibt<br />

sich die richtige Wahl des Vergabeverfahrens aus der richtigen Bewertung des Anteils<br />

der geistig-schöpferischen Anforderungen an den Auftrag. Das ist nicht aus den<br />

Anforderungen allein zu erkennen, sondern eher dem, was der Auftraggeber dann akzeptiert –<br />

ein am Markt verfügbares Standard-Produkt oder tatsächlich eine geistig-schöpferische<br />

Leistung. Eine Rüge des falschen Verfahrens ist nicht erforderlich (2. VK Brandenburg, B. v.<br />

21.02.2007 - Az.: 2 VK 58/06).<br />

Die Erwägungen zur fehlenden Notwendigkeit einer Rüge erscheinen nicht nur dann als<br />

zutreffend, wenn der Auftraggeber einen Wettbewerb gänzlich unterlassen hat und nur ein<br />

Unternehmen überhaupt zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert hat. Auch wenn durchaus<br />

ein Wettbewerbsverfahren durchgeführt wird, der Auftraggeber aber der Auffassung<br />

ist, hierzu jedenfalls nicht nach der Vorschrift aus <strong>§</strong> 97 Abs. 1 <strong>GWB</strong> verpflichtet zu sein,<br />

kann nichts anderes gelten (VK Düsseldorf, B. v. 31.10.2007 - Az.: VK - 31/2007 – L).<br />

Nach einer anderen Auffassung ist angesichts der Tatsache, dass der Auftraggeber ein zwar<br />

nicht europaweites, aber immerhin öffentliches und damit förmliches Vergabeverfahren<br />

durchgeführt hat, die Rüge auch im Gegensatz zur Situation bei echten de-facto-Vergaben,<br />

denen überhaupt kein förmliches Vergabeverfahren vorausgeht, nicht entbehrlich (OLG<br />

Brandenburg, B. v. 15.09.2009 - Az.: Verg W 13/08; 3. VK Bund, B. v. 14.11.2007 - Az.: VK<br />

3 - 124/07; VK Lüneburg, B. v. 10.10.2006 - Az.: VgK-23/2006).<br />

In einem geregelten – wenngleich gegebenenfalls falschen - Vergabeverfahren folgt die<br />

Obliegenheit der Rüge letztlich aus dem Gebot der Rücksichtnahme und der Loyalität.<br />

Dieses Gebot hat zur Grundlage, dass durch die Anforderung der Ausschreibungs- oder<br />

Teilnahmeunterlagen zwischen dem Auftraggeber und dem Bewerber ein vorvertragliches<br />

Schuldverhältnis entsteht, in welchem die Grundsätze von Treu und Glauben Rechte und<br />

Pflichten entstehen lassen. Vergibt der Auftrageber den Auftrag hingegen de-facto, also ohne<br />

geregeltes Verfahren, verhindert dieses Vorgehen das Entstehen eines vorvertragliches<br />

Schuldverhältnisses. Bei einem wie auch immer gearteten geregelten Verfahren ist also die<br />

Rüge nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> unverzichtbar (OLG Brandenburg, B. v. 15.09.2009 - Az.:<br />

Verg W 13/08).<br />

<strong>19.</strong>5.13.5 Vergaberechtsverstöße, die während eines laufenden<br />

Vergabenachprüfungsverfahrens bekannt werden<br />

2892<br />

2893<br />

Die Rechtsprechung hierzu ist nicht einheitlich.<br />

<strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong> ist nach seinem Wortlaut und Sinn nur auf "im Vergabeverfahren",<br />

aber nicht auf erst "im Nachprüfungsverfahren" erkannte Vergaberechtsverstöße anwendbar.<br />

Es besteht deshalb in der Rechtsprechung grundsätzlich Einvernehmen, dass die<br />

Rügeobliegenheit für solche Vergaberechtsfehler entfällt, die der antragstellenden Partei<br />

erst während des laufenden Vergabenachprüfungsverfahrens bekannt werden (BGH, B.<br />

v. 26.09.2006 - Az.: X ZB 14/06; KG Berlin, B. v. 21.12.2009 - Az.: 2 Verg 11/09; B. v.<br />

13.03.2008 - Az.: 2 VERG 18/07; OLG Brandenburg, B. v. 20.03.2007 - Az.: Verg W 12/06;


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

OLG Celle, B. v. 10.01.2008 - Az.: 13 Verg 11/07; B. v. 08.03.2007 - Az.: 13 Verg 2/07; B.<br />

v. 12.05.2005 - Az.: 13 Verg 5/05; OLG Düsseldorf, B. v. 02.11.2009 - Az.: VII-Verg 12/09;<br />

B. v. 14.10.2009 - Az.: VII-Verg 9/09; B. v. 10.09.2009 - Az.: VII-Verg 12/09; B. v.<br />

11.02.2009 - Az.: VII-Verg 69/08; B. v. 09.02.2009 - Az.: VII-Verg 66/08; B. v. 08.12.2008 -<br />

Az.: VII-Verg 55/08; B. v. 21.05.2008 - Az.: VII - Verg 19/08; B. v. 28.04.2008 - Az.: VII -<br />

Verg 1/08; B. v. <strong>19.</strong>07.2006 - Az.: VII - Verg 27/06; B. v. 16.11.2005 - Az.: VII - Verg 59/05;<br />

B. v. 23.02.2005 - Az.: VII - Verg 92/04; B. v. 21.02.2005 - Az.: VII - Verg 91/04; B. v.<br />

16.02.2005 - Az.: VII - Verg 74/04; B. v. 8.5.2002 - Az.: Verg 4/02, B. v. 25.5.2002 - Az.: 5<br />

Verg/02; OLG Frankfurt, B. v. 07.08.2007 - Az.: 11 Verg 3/07, 4/07; B. v. 21.04.2005 - Az.:<br />

11 Verg 1/05; B. v. 02.11.2004 - Az.: 11 Verg. 16/04; OLG Karlsruhe, B. v. 15.10.2008 - Az.:<br />

15 Verg 9/08; OLG München, B. v. 02.08.2007 - Az.: Verg 07/07; OLG Naumburg, B. v.<br />

05.12.2008 - Az.: 1 Verg 9/08; Schleswig-Holsteinisches OLG, B. v. 05.04.2005 - Az.: 6<br />

Verg 1/05; VK Baden-Württemberg, B. v. 01.09.2009 - Az.: 1 VK 46/09; B. v. 13.08.2009 -<br />

Az.: 1 VK 31/09; B. v. 20.05.2009 - Az.: 1 VK 18/09; B. v. <strong>19.</strong>05.2009 - Az.: 1 VK 19/09; B.<br />

v. 26.09.2008 - Az.: 1 VK 33/08; B. v. 16.08.2005 - Az.: 1 VK 48/05; VK Berlin, B. v.<br />

24.07.2007 - Az.: VK B 1 - 19/07; VK Brandenburg, B. v. <strong>19.</strong>01.2010 - Az.: VK 47/09; B. v.<br />

vom 03.04.2008 - Az.: VK 4/08; B. v. 22.11.2007 - Az.: VK 43/07; B. v. 16.10.2007 - Az.:<br />

VK 38/07; B. v. 13.03.2007 - Az.: 1 VK 7/07; B. v. 21.02.2007 - Az.: 2 VK 58/06; 1. VK<br />

Bund, B. v. 27.11.2009 - Az.: VK 1 - 194/09; B. v. 09.10.2008 - VK 1 - 123/08; B. v.<br />

20.08.2008 - Az.: VK 1 - 111/08; 2. VK Bund, B. v. 24.10.2008 - Az.: VK 2 – 109/08; B. v.<br />

03.07.2007 - Az.: VK 2 - 45/07, VK 2 - 57/07; B. v. 28.09.2005 - Az.: VK 2 – 120/05; 3. VK<br />

Bund, B. v. 21.08.2009 - Az.: VK 3 - 154/09; B. v. 18.09.2008 – Az.: VK 3 – 122/08; B. v.<br />

18.09.2008 - Az.: VK 3 – 119/08; B. v. 14.04.2008 - Az.: VK 3 - 38/08; B. v. 06.07.2007 -<br />

Az.: VK 3 - 58/07; B. v. 12.12.2006 - Az.: VK 3 - 141/06; B. v. 25.10.2006 - Az.: VK 3 -<br />

114/06; VK Düsseldorf, B. v. 02.03.2007 - Az.: VK - 05/2007 – L; VK Hessen, B. v.<br />

02.12.2004 - Az.: 69 d VK – 72/2004; B. v. 1.9.2003 - Az.: 69 d VK - 44/2003; VK<br />

Lüneburg, B. v. 01.02.2008 - Az.: VgK-48/2007; B. v. 30.06.2006 - Az.: VgK-13/2006; VK<br />

Münster, B. v. 25.01.2006 - Az.: VK 23/05; VK Nordbayern, B. v. 15.01.2008 - Az.: 21.VK -<br />

3194 - 49/07; B. v. 04.10.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 30/05; VK Rheinland-Pfalz, B. v.<br />

24.02.2005 - Az.: VK 28/04; 1. VK Saarland, B. v. 12.07.2007 - Az.: 1 VK 04/2007; 3. VK<br />

Saarland, B. v. 09.03.2007 - Az.: 3 VK 01/2007; 1. VK Sachsen, B. v. 14.09.2009 - Az.:<br />

1/SVK/042-09; B. v. 26.06.2009 - Az.: 1/SVK/024-09; B. v. 10.06.2008 - Az.: 1/SVK/026-<br />

08; B. v. 14.04.2008 - Az.: 1/SVK/013-08; B. v. 03.03.2008 - Az.: 1/SVK/002-08; B. v.<br />

17.09.2007 - Az.: 1/SVK/058-07; B. v. 24.05.2007 - Az.: 1/SVK/029-07; B. v. 15.05.2007 -<br />

Az.: 1/SVK/028-07; B. v. 07.05.2007 – Az.: 1/SVK/027-07; B. v. 10.04.2007 – Az.:<br />

1/SVK/020-07; B. v. 31.01.2007 - Az.: 1/SVK/124-06; B. v. 16.11.2006 - Az.: 1/SVK/097-<br />

06; B. v. 10.11.2006 - Az.: 1/SVK/096-06; B. v. 09.11.2006 - Az.: 1/SVK/095-06; B. v.<br />

11.08.2006 - Az.: 1/SVK/073-06; B. v. 21.03.2006 - Az.: 1/SVK/012-06; B. v. 09.12.2005 -<br />

Az.: 1/SVK/141-05; B. v. 29.11.2005 - Az.: 1/SVK/137-05; B. v. 05.09.2005 - Az.:<br />

1/SVK/104-05; B. v. 12.05.2005 - Az.: 1/SVK/038-05; 2. VK Sachsen-Anhalt, B. v.<br />

23.07.2008 - Az.: VK 2 LVwA LSA - 07/08; VK Schleswig-Holstein, B. v. 11.02.2010 - Az.:<br />

VK-SH 29/09; B. v. 20.01.2009 - Az.: VK-SH 17/08; B. v. 03.12.2008 - Az.: VK-SH 12/08,<br />

B. v. 17.01.2006 - Az.: VK-SH 32/05; VK Südbayern, B. v. 02.12.2005 - Az.: Z3-3-3194-1-<br />

48-10/05; B. v. 28.10.2005 - Az.: Z3-3-3194-1-44-09/05; B. v. 21.09.2004, Az.: 120.3-<br />

3194.1-54-08/04; B. v. 25.6.2003 - Az.: 16-04/03; VK Thüringen, B. v. 07.02.2006 - Az.:<br />

360-4002.20-063/05-EF-S). Einer gesonderten Rüge bedarf es nach <strong>Einleitung</strong> eines<br />

Nachprüfungsverfahrens nicht mehr (OLG Düsseldorf, B. v. 21.05.2008 - Az.: VII - Verg<br />

19/08; VK Düsseldorf, B. v. 11.08.2006 - Az.: VK - 30/2006 – L; B. v. 30.9.2002 - Az.: VK -<br />

26/2002 - L).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

2894<br />

2895<br />

2896<br />

2897<br />

2898<br />

Dies gilt auch für den Fall, dass ein <strong>Antrag</strong>steller erst im Laufe eines<br />

Nachprüfungsverfahrens von einem Verstoß gegen Vergabevorschriften positive<br />

Kenntnis erlangt - und sei es dadurch, dass sich bei ihm erst in diesem Verfahren die hierzu<br />

erforderliche rechtliche Wertung vollzieht (OLG Düsseldorf, B. v. 08.12.2008 - Az.: VII-Verg<br />

55/08; B. v. 2.8.2002 - Az.: Verg 25/02; B. v. 05.09.2005 - Az.: 1/SVK/104-05; VK Münster,<br />

B. v. 28.06.2007 - Az.: VK 10/07; 1. VK Sachsen, B. v. 10.04.2007 – Az.: 1/SVK/020-07).<br />

Das gilt auch dann, wenn das Nachprüfungsverfahren aufgrund eines nicht den<br />

Anforderungen des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 2, 3 <strong>GWB</strong> genügenden <strong>Antrag</strong>s eingeleitet worden ist.<br />

Vgl. dazu im Einzelnen die Kommentierung RZ 2848.<br />

Nach einer anderen Auffassung ist zwar eine Rüge entbehrlich, soweit ein Unternehmen erst<br />

im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens Kenntnis von weiteren Vergaberechtsverstößen<br />

erhält. Auch in diesen Fällen ist es indes erforderlich, den erkannten<br />

Vergaberechtsverstoß unmittelbar und unverzüglich vor der Vergabekammer oder<br />

gegebenenfalls im Beschwerdeverfahren geltend zu machen (OLG Celle, B. v. 10.01.2008<br />

- Az.: 13 Verg 11/07; B. v. 08.03.2007 - Az.: 13 Verg 2/07; OLG München, B. v. 02.08.2007<br />

- Az.: Verg 07/07; VK Brandenburg, B. v. vom 03.04.2008 - Az.: VK 4/08; B. v. 22.11.2007 -<br />

Az.: VK 43/07; VK Lüneburg, B. v. 01.02.2008 - Az.: VgK-48/2007; VK Sachsen, B. v.<br />

10.06.2008 - Az.: 1/SVK/026-08; B. v. 17.09.2007 - Az.: 1/SVK/058-07; B. v. 15.05.2007 -<br />

Az.: 1/SVK/028-07; B. v. 07.05.2007 – Az.: 1/SVK/027-07; B. v. 29.11.2005 - Az.:<br />

1/SVK/137-05; 2. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 23.07.2008 - Az.: VK 2 LVwA LSA - 07/08;<br />

VK Schleswig-Holstein, B. v. 03.12.2008 - Az.: VK-SH 12/08; B. v. 05.07.2007 - Az.: VK-<br />

SH 13/07). Hierzu besteht z.B. Gelegenheit auch noch im Rahmen eines<br />

Schriftsatznachlasses. Wird dies unterlassen und der (vermeintliche) Vergabeverstoß entgegen<br />

<strong>§</strong> 117 Abs. 2 <strong>GWB</strong> auch nicht im Rahmen der Beschwerdebegründung, sondern erst in einem<br />

weiteren Schriftsatz gerügt, fehlt es an einer unverzüglichen Geltendmachung des<br />

(vermeintlichen) Verfahrensfehlers. Zwar ist auch im Beschwerdeverfahren neuer Vortrag<br />

nach Ablauf der Beschwerdefrist zulässig. Die Grenze ist jedoch dort zu ziehen, wo sich die<br />

neu vorgetragenen Tatsachen und Beweismittel auf Vergaberechtsverstöße beziehen, die nicht<br />

Gegenstand der Beschwerdebegründung waren, die aber schon vor der Vergabekammer<br />

hätten gerügt werden müssen (OLG Frankfurt, B. v. 02.11.2004 - Az.: 11 Verg. 16/04; B. v.<br />

24.06.2004 - Az.: 11 Verg 15/04; VK Hessen, B. v. 28.06.2005 - Az.: 69 d VK - 07/2005; B.<br />

v. 02.12.2004 - Az.: 69 d VK – 72/2004; VK Thüringen, B. v. 07.02.2006 - Az.: 360-4002.20-<br />

063/05-EF-S).<br />

Sowohl das Verfahren vor der Vergabekammer als auch das Verfahren der sofortigen<br />

Beschwerde ist von dem Grundsatz größtmöglicher Beschleunigung bestimmt, was in den<br />

extrem kurzen Fristen des vierten Teils des <strong>GWB</strong> bis zur Entscheidung zum Ausdruck<br />

kommt. Andererseits besteht während des laufenden Nachprüfungsverfahrens vor der<br />

Vergabekammer - anders als vor dessen <strong>Einleitung</strong> - nicht mehr die Möglichkeit für die<br />

Vergabestelle, einem gerügten Vergaberechtsverstoß abzuhelfen und damit ein<br />

Nachprüfungsverfahren zu vermeiden. Angesichts dessen ist in Bezug auf den Zeitpunkt der<br />

Geltendmachung des Vergaberechtsverstoßes während des laufenden<br />

Nachprüfungsverfahrens ein etwas großzügigerer Maßstab als vor dessen <strong>Einleitung</strong><br />

vertretbar. Der Verstoß muss so rechtzeitig geltend gemacht werden, dass durch ihn das<br />

Verfahren und die das Verfahren abschließende Entscheidung nicht verzögert werden<br />

(VK Schleswig-Holstein, B. v. 03.12.2008 - Az.: VK-SH 12/08).<br />

Das OLG Düsseldorf lehnt diese Auffassung ausdrücklich ab. Die Entstehung einer<br />

Rügeobliegenheit im Nachprüfungsverfahren bedarf - schon aus verfassungsrechtlichen


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Gründen - einer eindeutigen Rechtsgrundlage, die in <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong> nicht<br />

vorhanden ist. Die Geltendmachung im Nachprüfungsverfahren erkannter<br />

Vergaberechtsverstöße unterliegt nur der in <strong>§</strong> 113 Abs. 2 Satz 1 <strong>GWB</strong> normierten<br />

Verfahrensförderungspflicht und einer danach in Betracht kommenden Präklusion (OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 10.09.2009 - Az.: VII-Verg 12/09; B. v. 09.02.2009 - Az.: VII-Verg 66/08).<br />

<strong>19.</strong>5.13.6 Vergaberechtsverstöße, die während des laufenden<br />

Vergabenachprüfungsverfahrens entstehen<br />

2899<br />

<strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong> ist nach seinem Wortlaut und Sinn nur auf "im Vergabeverfahren",<br />

aber nicht auf erst "im Nachprüfungsverfahren" erkannte Vergaberechtsverstöße anwendbar.<br />

Dies muss erst recht gelten, wenn die den Vergaberechtsverstoß begründenden<br />

Tatsachen – z.B. die Eintragung von Gebrauchsmustern – erst im Laufe des<br />

Nachprüfungsverfahrens entstehen (1. VK Bund, B. v. 05.03.2007 - Az.: VK 1 – 139/06).<br />

<strong>19.</strong>5.13.7 Festhalten der Vergabestelle an der Entscheidung (Förmelei)<br />

2900<br />

2901<br />

Ein Zweck der Rügepflicht besteht darin zu verhindern, dass Mängel des Vergabeverfahrens,<br />

die die Vergabestelle bei unverzüglicher Rüge durch den Bieter selbst hätte korrigieren<br />

können, zum Gegenstand eines regelmäßig mit erheblichen Verzögerungen verbundenen<br />

Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer gemacht werden. Mithin ist eine Rüge<br />

entbehrlich, wenn die Vergabestelle zu erkennen gibt, dass sie von vornherein und<br />

unumstößlich an ihrer Entscheidung festhalten wird. In einer solchen Situation wäre ein<br />

Festhalten an der Rügepflicht eine von vornherein aussichtslose und mit den Geboten von<br />

Treu und Glauben unvereinbare Förmelei (OLG Dresden, B. v. 21.10.2005 - Az.: WVerg<br />

0005/05; OLG Düsseldorf, B. v. 29.04.2009 - Az.: VII-Verg 76/08; B. v. 26.05.2008 - Az.:<br />

VII - Verg 14/08; B. v. 16.02.2005 - Az.: VII - Verg 74/04; OLG Frankfurt, B. v. 15.07.2008<br />

- Az.: 11 Verg 4/08; OLG Karlsruhe, B. v. 06.02.2007 - Az.: 17 Verg 7/06; OLG<br />

Saarbrücken, B. v. 29.5.2002 - Az.: 5 Verg 1/01; BayObLG, B. v. 23.10.2003 - Az.: Verg<br />

13/03; VK Arnsberg, B. v. 13.07.2009 - Az.: VK 16/09; B. v. 01.02.2006 - Az.: VK 28/05;<br />

VK Berlin, B. v. 18.03.2009 - Az.: VK B 2 30/08; VK Brandenburg, B. v. 12.09.2007 - Az.:<br />

VK 36/07; VK Hannover, B. v. 6.6.2003 - Az.: 26045 - VgK - 24/2002; VK Mecklenburg-<br />

Vorpommern, B. v. 08.05.2007 - Az.: 3 VK 04/07; VK Nordbayern, B. v. 04.10.2007 - Az.:<br />

21.VK - 3194 - 41/07; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 12.04.2005 - Az.: VK 11/05; B. v.<br />

24.02.2005 - Az.: VK 28/04; 1. VK Sachsen, B. v. 06.04.2009 - Az.: 1/SVK/005-09; B. v.<br />

24.05.2007 - Az.: 1/SVK/029-07; VK Südbayern, B. v. 21.04.2004 - Az.: 24-04/04; VK<br />

Schleswig-Holstein, B. v. 14.11.2008 - Az.: VK-SH 13/08).<br />

Gibt ein Auftraggeber zu erkennen, dass er auch auf eine Rüge hin sein Verhalten nicht<br />

ändern werde, bedarf es einer Rüge nicht. Bittet z. B. ein <strong>Antrag</strong>steller den Auftraggeber,<br />

der Mitteilung der Vergabeentscheidung den Vergabevermerk - und ein eventuell erstelltes<br />

Sachverständigengutachten - beizufügen, um auf diese Weise zu verhindern, dass aufgrund<br />

nicht gewährter Akteneinsicht die unterliegende Partei gezwungen wäre, nur deshalb ein<br />

Nachprüfungsverfahren in Gang zu setzen, um die Vergabeentscheidung nachvollziehen zu<br />

können, bringt der <strong>Antrag</strong>steller bereits vor Zugang der Mitteilung von der<br />

Vergabeentscheidung dem Auftraggeber gegenüber zum Ausdruck, dass er eine unbegründete<br />

Vergabeentscheidung nicht akzeptieren und ein Nachprüfungsverfahren einleiten wird.<br />

Kommt der Auftraggeber dieser Bitte nicht nach, muss der <strong>Antrag</strong>steller davon ausgehen,<br />

dass ihm der Auftraggeber die Gründe für seine Entscheidung nicht mitteilen und dies auch


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

nicht auf eine Rüge hin tun wird. Ist danach eine Rüge der Vergabeentscheidung entbehrlich,<br />

darf der <strong>Antrag</strong>steller die Vergabekammer direkt anrufen (OLG Karlsruhe, B. v.<br />

06.02.2007 - Az.: 17 Verg 7/06; OLG Brandenburg, B. v. 2.12.2003 - Az.: Verg W 6/03; VK<br />

Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 08.05.2007 - Az.: 3 VK 04/07; VK Baden-Württemberg, B.<br />

v. 03.05.2004 - Az.: 1 VK 14/04; VK Nordbayern, B. v. 28.01.2009 - Az.: 21.VK - 3194 -<br />

63/08).<br />

2902<br />

2903<br />

2904<br />

2905<br />

2906<br />

Dafür reicht es aber nicht, dass eine Vergabestelle sich mit aus ihrer Sicht guten Gründen<br />

im Vergabeverfahren positioniert und die getroffene Entscheidung im anschließenden<br />

Nachprüfungsverfahren verteidigt. So wird etwa nirgends bezweifelt, dass selbst eine von<br />

der Vergabestelle als abschließend erachtete Auswahlentscheidung zugunsten eines<br />

bestimmten Bieters, von der die Mitbieter nach <strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong> bzw. <strong>§</strong> 13 VgV in Kenntnis<br />

gesetzt werden, als Zugangsvoraussetzung eines nachfolgenden Nachprüfungsverfahrens<br />

jedenfalls im Grundsatz die vorherige Rüge des antragstellenden Konkurrenten erfordert, der<br />

diese Auswahlentscheidung für rechtswidrig hält. Nicht jede Entscheidung einer<br />

Vergabestelle ist daher allein deshalb, weil sie getroffen ist, auch unumstößlich (OLG<br />

Dresden, B. v. 21.10.2005 - Az.: WVerg 0005/05; VK Arnsberg, B. v. 13.07.2009 - Az.: VK<br />

16/09; VK Schleswig-Holstein, B. v. 14.11.2008 - Az.: VK-SH 13/08).<br />

Die Beantwortung der Frage, ob die Rügepflicht eine mit den Geboten von Treu und Glauben<br />

unvereinbare Förmelei darstellt, hängt nicht von der Anwendung eines allgemein gültigen<br />

Rechtssatzes, sondern von einer Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls ab (OLG<br />

Koblenz, B. v. 18.9.2003 - Az.: 1 Verg 4/03; 1. VK Sachsen, B. v. 24.05.2007 - Az.:<br />

1/SVK/029-07).<br />

Dies kann z.B. der Fall sein, wenn die Vergabestelle bereits die Rüge eines anderen Bieters<br />

gegen den selben Verstoß erkennbar endgültig als unberechtigt zurückgewiesen hat. Die<br />

bloße Vermutung, eine Rüge werde erfolglos sein, genügt dagegen nicht (VK Arnsberg, B.<br />

v. 13.07.2009 - Az.: VK 16/09). Auch die Überzeugung, der Auftraggeber habe bereits<br />

"unvermeidbare Tatsachen" mitgeteilt und damit zum Ausdruck gebracht, jeder<br />

Widerspruch sei von vornherein sinnlos, macht die Rüge nicht entbehrlich. Allein die<br />

Tatsache, dass ein Auftraggeber z.B. mit der Vorabinformation das Ergebnis eines<br />

Entscheidungsfindungsprozesses mitgeteilt hat, rechtfertigt nicht den Schluss auf eine<br />

Unabänderlichkeit dieser Entscheidung. Dies gilt auch dann, wenn der Auftraggeber im<br />

Nachprüfungsverfahren seine Vergabeentscheidung verteidigt (VK Nordbayern, B. v.<br />

28.01.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 63/08; B. v. 04.10.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 41/07).<br />

Sinn und Zweck der Rügeobliegenheit ist es, der Vergabestelle Gelegenheit zu geben, die<br />

gerügten Verstöße unverzüglich im noch laufenden Vergabeverfahren abzustellen. Ist es<br />

bereits zu einem (nichtigen) Vertragsschluss gekommen, besteht für die Vergabestelle eine<br />

solche Korrekturmöglichkeit ohnedies nicht mehr, so dass das Festhalten an einer<br />

Rügeobliegenheit für diesen Fall auf eine bloße Förmelei hinausläuft (OLG Frankfurt, B. v.<br />

10.07.2007 - Az.: 11 Verg 5/07).<br />

Erkennt der Bieter, dass ein Vergaberechtsverstoß droht und rügt er erfolglos eine<br />

bevorstehende Handlung des Auftraggebers als vergaberechtswidrig, wird dem<br />

Rügeerfordernis Genüge getan. Ändert der Auftraggeber seine Auffassung auf eine solche<br />

vorsorgliche Rüge nicht, ist der Bieter nicht gehalten, das der Rüge nicht abhelfende<br />

Verhalten erneut zu beanstanden. Dies würde eine sinnlose Förmelei darstellen (OLG<br />

Brandenburg, B. v. <strong>19.</strong>02.2008 - Az.: Verg W 22/07).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

<strong>19.</strong>5.13.8 Sukzessiv nachgeschobene Zuschlagsversagungsgründe<br />

2907<br />

2908<br />

2909<br />

Will man in den Fällen - sukzessiv - nachgeschobener Zuschlagsversagungsgründe nach<br />

dem Zeitpunkt der Information im Sinn von <strong>§</strong> 13 VgV die Zulässigkeit mangels<br />

entsprechender Rüge verneinen, ist eine Überprüfung der Berechtigung eines solchen<br />

Nachschiebens von vornherein der Beschwerde entzogen, was einerseits zu einer<br />

Rechtswegversagung auf Seiten des <strong>Antrag</strong>stellers und andererseits auf Seiten des<br />

Auftraggebers zu einer Ermunterung zur Rückhaltung von Informationen im Rahmen der<br />

Mitteilung nach <strong>§</strong> 13 VgV mit der Absicht, diese nach und nach bis zum Zeitpunkt der<br />

Zuschlagserteilungsmöglichkeit zu offenbaren, führt (VK Hessen, B. v. 25.08.2004 - Az.: 69<br />

d - VK – 52/2004; im Ergebnis ebenso VK Arnsberg, B. v. 01.02.2006 - Az.: VK 28/05).<br />

Eine separate und nochmalige Rüge nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong> ist entbehrlich, wenn der<br />

Auftraggeber seine Auswahlentscheidung über den im Vorinformationsschreiben schon<br />

genannten Grund hinaus auf weitere, neue Gesichtspunkte stützt und der <strong>Antrag</strong>steller bei<br />

nochmaliger Rüge dieser nachgeschobenen Begründungen aber befürchten muss, dass die<br />

vierzehntägige Schutzfrist des <strong>§</strong> 13 VgV ohne sofortige Einschaltung der<br />

Vergabekammer abzulaufen droht.<br />

Diese Rechtsprechung ist durch <strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong>, der die Information über die Gründe<br />

fordert, überholt.<br />

<strong>19.</strong>5.13.9 Drohender Verlust des Primärrechtsschutzes<br />

2910<br />

2911<br />

2912<br />

Erhält ein <strong>Antrag</strong>steller erst einen Tag vor der möglichen Zuschlagserteilung positive<br />

Kenntnis von dem möglichen Vergaberechtsverstoß, kann selbst unter Anlegung eines in<br />

Anbetracht der drohenden Zuschlagserteilung strengen Maßstabes jedenfalls wegen der<br />

zuzugestehenden Reaktions- und Überlegungszeit von dem <strong>Antrag</strong>steller eine Rüge noch am<br />

selben Tag nicht erwartet werden, da ihm trotz der dem Vergabeverfahren eigenen kurzen<br />

Rügefristen eine ausreichende Reaktions- und Überlegungszeit zugestanden werden muss,<br />

innerhalb derer er die Qualität ihrer Argumente überprüfen und nach juristischen und auch<br />

betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten eine Entscheidung über die Aussichten eines<br />

Nachprüfungsantrags treffen kann (VK Rheinland-Pfalz, B. v. 14.06.2005 - Az.: VK 16/05).<br />

Nach einer tendenziell anderen Auffassung kann ein Festhalten an der Rügeobliegenheit<br />

zweieinhalb Tage vor Ablauf der Zuschlagsfrist nicht als überflüssige Förmelei bezeichnet<br />

werden. Unter diesem Gesichtspunkt kann die Rügepflicht des Bieters nur ausnahmsweise<br />

entfallen. Das wäre dann anzunehmen, wenn der Auftraggeber von vornherein eindeutig zu<br />

erkennen gegeben hätte, dass er unumstößlich an seiner Entscheidung festhalten wird, er also<br />

unter keinen Umständen, auch nicht auf Rüge eines Bieters hin, gewillt ist, einen<br />

vorliegenden Vergaberechtsverstoß abzustellen. Steht der Ablauf der Frist zweieinhalb Tage<br />

bevor, ist der <strong>Antrag</strong>steller verpflichtet, eine beschleunigte Form der Einlegung der Rüge<br />

zu wählen, um dem Gebot der Unverzüglichkeit zu genügen (1. VK Brandenburg, B. v.<br />

21.12.2005 - Az.: 1 VK 79/05).<br />

Auch ein unmittelbar bevorstehender Zuschlag, der einen Tag nach Eingang des<br />

Nachprüfungsantrags möglich gewesen wäre, vermag die Entbehrlichkeit einer Rüge nicht<br />

zu begründen. Sinn und Zweck der Rügeobliegenheit werden ausgehöhlt, wenn man bei<br />

solchen Fallkonstellationen auf die Einhaltung der Rügeobliegenheit gänzlich verzichtet. Die<br />

14-Tage-Frist des <strong>§</strong> 13 VgV ist eine (ausreichend bemessene) Frist, innerhalb der ein


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

(potenzieller) <strong>Antrag</strong>steller eine vorgesehene Zuschlagsentscheidung mit dem Ziel der<br />

Abänderung rügen kann und bei unterbliebener Abänderung noch rechtzeitig einen das<br />

Zuschlagsverbot des <strong>§</strong> 13 VgV perpetuierenden Nachprüfungsantrag stellen kann. Diese vom<br />

Gesetzgeber gewollte Abfolge von Rüge, möglicher Abhilfe und Nachprüfungsantrag als<br />

ultima ratio kann vom <strong>Antrag</strong>steller nicht dadurch umgangen werden, dass er mit<br />

seinem Nachprüfungsantrag bis zum letzten Tag des Ablaufs der 14-Tage-Frist des <strong>§</strong> 13<br />

VgV wartet (1. VK Bund, B. v. 26.08.2004 - Az.: VK 1 – 165/04; im Ergebnis ebenso VK<br />

Hessen, B. v. 09.10.2009 - Az.: 69 d VK – 36/2009).<br />

<strong>19.</strong>5.13.10 Rügepflicht bei verschiedenen Verfahrensabschnitten<br />

2913<br />

Erhebt ein Bieter z.B. innerhalb der Angebotsfrist – erfolglos – Rüge gegen eine fehlerhafte<br />

Leistungsbeschreibung, so macht dies gleichwohl nach Fortführung des<br />

Vergabeverfahrens und Bekanntgabe der beabsichtigten Zuschlagerteilung die Rüge der<br />

vermeintlich fehlerhaften Wertung der Hauptangebote nicht entbehrlich (VK Schleswig-<br />

Holstein, B. v. 31.03.2005 - Az.: VK-SH 05/05).<br />

<strong>19.</strong>5.13.11 Erneute Rügepflicht bei Wiederholung von<br />

Verfahrensabschnitten<br />

2914<br />

Die vollständige Wiederholung eines Verfahrensabschnitts verpflichtet nicht nur die<br />

Vergabestelle, sondern alle Verfahrensbeteiligten, die maßgeblichen Vergabevorschriften<br />

nochmals in vollem Umfang zu beachten. Das bedeutet für den Bieter, dass er für einen im<br />

zweiten Durchgang entdeckten Vergabeverstoß auch seine aus <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong><br />

folgende Obliegenheit zur unverzüglichen Rüge neu beachten muss (OLG Koblenz, B. v.<br />

18.9.2003 - Az.: 1 Verg 4/03).<br />

<strong>19.</strong>5.13.12 Ausschluss einer Spekulationsmöglichkeit des Bieters<br />

2915<br />

2916<br />

2917<br />

Die Rechtsprechung hierzu ist nicht einheitlich.<br />

Die Rügepflicht des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> bezweckt vordringlich, der Spekulation<br />

entgegenzuwirken, dass sich ein frühzeitig erkannter Vergabefehler möglicherweise zu<br />

Gunsten des Unternehmens auswirken mag. Insoweit soll das Unternehmen gehindert sein,<br />

die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens prüfen zu lassen, wenn es erkennt, dass seine<br />

Spekulation nicht aufgeht. Besteht diese Gefahr nicht, da eine Spekulation der<br />

<strong>Antrag</strong>stellerin auf einen aus ihrer Sicht günstigen Ausgang des Vergabeverfahrens nach Lage<br />

der Dinge ausgeschlossen war, ist es in solchen Fällen im Wege einer teleologischen<br />

Reduktion des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> gerechtfertigt, von einer ausdrücklichen Rüge<br />

gegenüber der Vergabestelle abzusehen, sofern der <strong>Antrag</strong>steller in der Frist des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3<br />

<strong>GWB</strong> unmittelbar das Nachprüfungsverfahren einleitet (OLG Saarbrücken, B. v. 29.5.2002 -<br />

Az.: 5 Verg 1/01, B. v. 8.7.2003 - Az.: 5 Verg 5/02; VK Berlin, B. v. 01.11.2004 - Az.: VK -<br />

B 2 – 52/04).<br />

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz hingegen ist der Wegfall jeglicher Erfolg<br />

versprechenden Spekulationsmöglichkeit des Bieters kein Grund, unter dem Gesichtspunkt<br />

von Treu und Glauben oder durch eine Auslegung der Rügevorschrift nach ihrem Sinn und


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Zweck den Bieter von seiner Pflicht zur unverzüglichen Rüge zu entbinden. Auch Sinn<br />

und Zweck der Rügevorschrift gebieten bei dieser Fallkonstellation keine von ihrem Wortlaut<br />

abweichende Auslegung. Die ratio legis besteht nicht allein darin, das Vergabeverfahren<br />

von Spekulationen der Bieter mit aufgetretenen Vergabeverstößen freizuhalten. Ziel der<br />

Bestimmung ist vielmehr auch, der Vergabestelle eine möglichst frühzeitige Selbstkontrolle<br />

und -korrektur und auf diese Weise die Vermeidung zeitraubender Nachprüfungsverfahren zu<br />

ermöglichen. Dabei bedingt der eine Gesetzeszweck nicht den anderen (OLG Koblenz, B. v.<br />

18.9.2003 - Az.: 1 Verg 4/03).<br />

<strong>19.</strong>5.13.13 Gefährdung kartellrechtlicher Ermittlungen<br />

2918<br />

Der Bieter kann und muss regelmäßig davon ausgehen, dass der Auftraggeber bei<br />

Hinweisen auf Submissionsabsprachen anderer Bieter ein erhebliches eigenes Interesse<br />

an der Aufklärung des Sachverhalts hat, und dass er deshalb den Erfolg etwaiger<br />

Ermittlungen durch das Kartellamt nicht gefährdet. Die Rüge ist also in solchen Fällen nicht<br />

entbehrlich (OLG Celle, B. v. 02.09.2004 - Az.: 13 Verg 14/04).<br />

<strong>19.</strong>5.13.14 Berufung eines Beschwerdeführers auf die ihm bekannte Rüge<br />

eines Dritten<br />

2919<br />

2920<br />

Zwar ist die unverzügliche Rüge Voraussetzung für das Nachprüfungsverfahren. Diese Rüge<br />

ist jedoch nicht Selbstzweck. Es wäre unnötige Förmelei, von einem <strong>Antrag</strong>steller zu<br />

erwarten, dass er eine ihm bekannte, von einem Dritten erhobene und von der<br />

Vergabestelle nicht abgestellte Rüge wiederholt. Die Rüge soll nämlich dem Auftraggeber<br />

ermöglichen, der Beanstandung abzuhelfen und so unnötige Nachprüfungsverfahren zu<br />

vermeiden. Diese Funktion kann auch die Rüge eines Dritten erfüllen (OLG Celle, B. v.<br />

15.12.2005 - Az.: 13 Verg 14/05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 05.01.2006 - Az.: VK-SH<br />

31/05).<br />

Die Rügeobliegenheit entfällt nicht dadurch, dass ein anderer Bieter seinerseits einen<br />

Nachprüfungsantrag gestellt hatte. Eine Rüge kann nur ausnahmsweise entbehrlich sein,<br />

wenn die Vergabestelle bereits die Rüge eines anderen Bieters gegen denselben Verstoß<br />

erkennbar endgültig als unberechtigt zurückgewiesen hat (VK Nordbayern, B. v.<br />

28.01.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 63/08).<br />

<strong>19.</strong>5.13.15 Unzumutbare Forderungen des Auftraggebers<br />

2921<br />

Auf eine unzumutbare Forderung kann ein Ausschluss eines Bieters nicht gestützt<br />

werden. Dann kann ein diesbezüglicher Nachprüfungsantrag aber auch nicht unzulässig<br />

mangels Rüge sein. Wenn eine Forderung unzumutbar und tatsächlich nicht zu rechtfertigen<br />

ist, kann auch keine Rügepflicht seitens des Bieters zu einem früheren Zeitpunkt als dem<br />

Informationszeitpunkt bestehen. Für rechtlich umstrittene oder zweifelhafte Forderungen in<br />

den Verdingungsunterlagen kann eine positive Kenntnis, die zur unverzüglichen Rüge<br />

verpflichtet, nicht angenommen werden, so dass es in diesem Zusammenhang auch nicht<br />

darauf ankommt, ob ein <strong>Antrag</strong>steller als erfahrener Anbieter in Vergabeverfahren z.B. um<br />

die Problematik fehlender Erklärungen wissen muss, zumal wenn er regelmäßig anwaltlich<br />

beraten ist (VK Arnsberg, B. v. 07.09.2005 - Az.: VK 16/2005).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

<strong>19.</strong>5.13.16 Rügepflicht auch hinsichtlich solcher Vergaberechtsverstöße, die<br />

ein Bieter für irreparabel hält<br />

2922<br />

Keine generelle Entbehrlichkeit einer Rüge ergibt sich allein daraus, dass der Bewerber<br />

einen Verfahrensverstoß für irreparabel hält. Denn es sollte der Vergabestelle Gelegenheit<br />

gegeben werden, diese Frage - aufgrund entsprechender Rüge - selbst zu beurteilen. Dies<br />

muss umso mehr gelten, wenn der Beschwerdeführer selbst von einer Nichtigkeit des erteilten<br />

Zuschlags ausgeht, sodass die Zuschlagserteilung erst recht einer (erstmaligen)<br />

Ausschreibung nicht im Wege gestanden hätte (OLG Karlsruhe, B. v. 06.02.2007 - Az.: 17<br />

Verg 7/06).<br />

<strong>19.</strong>5.13.17 Rügepflicht auch für schwerwiegende Vergaberechtsverstöße<br />

2923<br />

Auch bei vermeintlichen Vergaberechtsverstößen, die sehr schwer wiegen, ist die Rüge<br />

nicht verzichtbar. Eine andere Sichtweise ist mit dem Sinn und Zweck des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3<br />

<strong>GWB</strong> nicht vereinbar. Der Gesetzgeber sieht in dieser Vorschrift eine Präklusionsregel unter<br />

dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben, durch die effektiver Bieterrechtsschutz und<br />

Auftraggeberinteresse in ein ausgewogenes Verhältnis gesetzt werden sollen. Ein Anbieter<br />

soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Geschützt wird das öffentliche Interesse an<br />

einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens. Bewerber oder Bieter sollen<br />

Verfahrensverstöße im Vergabeverfahren in einer Weise mitteilen, die der Vergabestelle eine<br />

Korrektur im frühestmöglichen Stadium erlaubt. Dementsprechend soll auch die<br />

Vergabekammer nicht mit Mängeln des Vergabeverfahrens befasst werden, die im Fall einer<br />

rechtzeitigen Rüge möglicherweise schon durch die Vergabestelle hätten korrigiert werden<br />

können (VK Brandenburg, B. v. 27.03.2008 - Az.: VK 5/08; 1. VK Sachsen, B. v. 26.06.2009<br />

- Az.: 1/SVK/024-09).<br />

<strong>19.</strong>5.13.18 Aufhebung der Ausschreibung<br />

2924<br />

Mit Blick darauf, dass nach der einheitlichen Rechtsprechung auch die Aufhebung einer<br />

Ausschreibung in einem Vergabenachprüfungsverfahren angegriffen werden kann (vgl. die<br />

Kommentierung zu <strong>§</strong> 102 <strong>GWB</strong> RZ 2367), ist eine entsprechende Rüge erforderlich.<br />

<strong>19.</strong>5.13.19 Ersetzung der Rüge durch Kenntnis der Vergabestelle von<br />

Vergabeverstößen<br />

2925<br />

Eine Kenntnis der Vergabestelle von möglichen Rechtsverstößen ersetzt nicht eine<br />

ausdrückliche Rüge seitens des Bieters. Nach dem Charakter der Rügeverpflichtung entbindet<br />

eine etwaige Kenntnis von Rügetatbeständen der Vergabestelle den Bieter nicht von seiner<br />

Pflicht, ausdrücklich zu rügen und Abhilfe der erkannten Verstöße zu fordern (VK Baden-<br />

Württemberg, B. v. 8.7.2002 - Az.: 1 VK 30/02).


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<strong>19.</strong>5.13.20 Rügepflicht auch bei voraussichtlicher Erfolglosigkeit wegen<br />

einer bestimmten Rechtsprechung<br />

2925/1<br />

Die Rüge ist auch dann nicht entbehrlich, wenn sie nach der bisherigen Rechtsprechung<br />

der Vergabesenate voraussichtlich fruchtlos geblieben wäre. Das Nachprüfungsverfahren<br />

dient der Sicherung der subjektiven Rechte des Bieters (<strong>§</strong> 97 Abs. 7 <strong>GWB</strong>). Der Bieter ist<br />

verpflichtet, die Voraussetzungen dieser Sicherung zu schaffen, indem er den<br />

Auftraggeber frühzeitig auf (vermeintliche) Mängel hinweist und deutlich macht, dass<br />

er aus dem (vermeintlichen) Verstoß Konsequenzen zu ziehen gedenke. Der<br />

Auftraggeber, der für eine zügige Durchführung des Verfahrens zu sorgen hat, wird auf diese<br />

Weise in die Lage versetzt, frühzeitig die gerügten Mängel einer Prüfung zu unterziehen und<br />

seinerseits gegebenenfalls Korrekturen vorzunehmen (OLG Brandenburg, B. v. 15.09.2009 -<br />

Az.: Verg W 13/08).<br />

<strong>19.</strong>5.14 Zeitliche Abhängigkeiten zwischen der Erklärung der Rüge<br />

und der Einreichung des Nachprüfungsantrags<br />

2926<br />

2927<br />

2928<br />

2929<br />

Die Rechtsprechung hierzu ist nicht einheitlich.<br />

Nach Auffassung der VK Nordbayern (B. v. 3.4.2002 - Az.: 320.VK-3194-07/02) dient die<br />

Rüge vorrangig dem Zweck, der Vergabestelle die Möglichkeit zur Überprüfung und<br />

gegebenenfalls Korrektur ihres eigenen Verhaltens zu geben, bevor sie mit einem<br />

Nachprüfungsantrag überzogen wird. Die Rüge ist demnach grundsätzlich vor dem<br />

Nachprüfungsantrag zu erklären (ebenso VK Baden-Württemberg, B. v. 28.05.2009 - Az.: 1<br />

VK 22/09; 1. VK Bund, B. v. 16.06.2006 - Az.: VK 1 - 34/06; VK Hessen, B. v. 10.7.2002 -<br />

Az.: 69 d VK - 28/2002; 2. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 15.01.2008 - Az.: VK 2 LVwA LSA –<br />

28/07).<br />

Demgegenüber sieht nach einer anderen Meinung das Gesetz (<strong>GWB</strong>) eine Wartefrist<br />

zwischen der Erklärung der Rüge und der Einreichung des Nachprüfungsantrags nicht vor, so<br />

dass die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags von der Beachtung einer solchen Wartefrist<br />

auch nicht abhängig gemacht werden kann (OLG Dresden, B. v. 17.8.2001 - Az.: WVerg<br />

0005/01; OLG Düsseldorf (B. v. 18.7.2001 - Az.: Verg 16/01; VK Baden-Württemberg, B. v.<br />

7.3.2003 - Az.: 1 VK 06/03, 1 VK 11/03; VK Hamburg, B. v. 25.7.2002 - Az.: VgK FB 1/02;<br />

VK Hessen, B. v. 09.10.2009 - Az.: 69 d VK – 36/2009; VK Münster, B. v. 30.04.2009 - Az.:<br />

VK 4/09; VK Schleswig-Holstein, B. v. 20.01.2009 - Az.: VK-SH 17/08; offen gelassen vom<br />

BayObLG, B. v. 3.7.2002 - Az.: Verg 13/02).<br />

Hinzu kommt, dass eine derartige Auslegung auch dem Beschleunigungsgebot nach <strong>§</strong> 113<br />

<strong>GWB</strong> geschuldet ist. Denn sollte eine erforderliche Wartefrist zwischen der (rechtzeitigen)<br />

Rüge und dem Nachprüfungsantrag in die Vorschrift des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong><br />

hineininterpretiert werden können, müsste der Nachprüfungsantrag mangels vorhergehender<br />

Rüge als unzulässig verworfen werden, um dann nach Erfüllung der<br />

Zulässigkeitsvoraussetzungen (Ablauf einer wie auch immer gearteten Wartefrist) in einem<br />

weiteren Nachprüfungsverfahren zu münden. Da die Rüge ihre Gültigkeit behalten und ein<br />

weiteres Nachprüfungsverfahren nicht an einem mangelnden Rechtsschutzbedürfnis scheitern<br />

würde, müsste es zwangsläufig zu einer Verzögerung um einen mindestens der Wartezeit<br />

entsprechenden Zeitraum kommen. Dies kann im Interesse aller Verfahrensbeteiligten an<br />

einem raschen Abschluss des Verfahrens nicht Sinn und Zweck der gesetzlichen


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Rügevorschriften und des Beschleunigungsgebotes sein (VK Schleswig-Holstein, B. v.<br />

20.01.2009 - Az.: VK-SH 17/08).<br />

2930<br />

2931<br />

2932<br />

2933<br />

Nach Auffassung der 2. VK Bund kann es einem Bieter nicht zugemutet werden, nach<br />

ausgesprochener Rüge mit der <strong>Antrag</strong>stellung zuzuwarten, wenn die nach <strong>§</strong> 114 Abs. 2 Satz 1<br />

<strong>GWB</strong> irreversible Erteilung des Zuschlags unmittelbar bevorsteht oder zumindest<br />

möglich ist. Vor diesem Hintergrund ist für jeden Einzelfall zu entscheiden, ob die Rüge<br />

einen ausreichenden Zeitraum vor <strong>Antrag</strong>stellung ausgesprochen wurde (2. VK Bund, B. v.<br />

27.8.2002 - Az.: VK 2 - 60/02).<br />

Hat außerdem die Vergabestelle bereits zum Zeitpunkt der Rüge praktisch keine<br />

Möglichkeit mehr, ein Nachprüfungsverfahren noch zu verhindern, kann ebenfalls von<br />

dem Erfordernis der Gewährung von "Reaktionszeit" abgesehen werden (2. VK Bund, B. v.<br />

24.6.2003 - Az.: VK 2 - 46/03).<br />

Unabhängig von der Frage, welche Zeitspanne zwischen Nachprüfungsantrag und Rüge noch<br />

als hinreichend anzusehen ist, erfüllt eine Rügeerhebung erst nach Stellung des<br />

Nachprüfungsantrags jedenfalls nicht die Voraussetzungen des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1<br />

<strong>GWB</strong>, da dies Sinn und Zweck der Rüge widerspräche. Die Regelung in <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong><br />

zielt in erster Linie darauf ab, dem Auftraggeber Gelegenheit zu geben, einen erkannten<br />

Vergabefehler so schnell wie möglich zu beseitigen und dadurch unnötige<br />

Nachprüfungsverfahren zu vermeiden. Ein weiteres Ziel der gesetzlichen<br />

Rügeobliegenheit ist es, dem Bieter die Möglichkeit zu nehmen, auf einen von ihm<br />

erkannten Vergabefehler zu spekulieren, indem er die Rüge erst dann erhebt, wenn sich<br />

dieser Fehler nicht zu seinen Gunsten auswirkt. Der vorgenannten Zielrichtung der<br />

Vermeidung von Nachprüfungsverfahren liefe es zuwider, wenn die Rüge gemäß <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs.<br />

3 <strong>GWB</strong> auch nach Einreichung des Nachprüfungsantrags erhoben werden könnte, da dann<br />

eine Abhilfe im Sinne der Vermeidung eines Nachprüfungsverfahren nicht mehr möglich<br />

wäre. Hierdurch würde auch die nach dem Gesetzeszweck ausdrücklich gewollte<br />

Abhilfemöglichkeit des Auftraggebers vor <strong>Einleitung</strong> eines Nachprüfungsverfahrens<br />

weitgehend in das Belieben des antragstellenden Bieters gestellt, indem dieser nach Belieben<br />

entscheiden könnte ob er zuerst das Nachprüfungsverfahren einleitet oder erst die Rüge<br />

erhebt. Der abweichenden Auffassung, die einen Nachprüfungsantrag vor Rügeerhebung<br />

zulässt, wenn der Bieter zu diesem Zeitpunkt mit seiner Rüge noch nicht präkludiert ist,<br />

ist nicht zuzustimmen. Die vorgenannte Auffassung stellt nur auf einen Teil des<br />

Gesetzeszwecks ab, nämlich der Verhinderung einer Spekulation mit einem erkannten<br />

Vergabefehler, während sie den vorrangigen Gesetzeszweck - die Abhilfemöglichkeit des<br />

Auftraggebers im Sinne einer Vermeidung von Nachprüfungsverfahren - außer Acht lässt<br />

(VK Baden-Württemberg, B. v. 28.05.2009 - Az.: 1 VK 22/09; 1. VK Bund, B. v. 16.06.2006<br />

- Az.: VK 1 - 34/06; 2. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 15.01.2008 - Az.: VK 2 LVwA LSA –<br />

28/07).<br />

Demgegenüber vertritt das OLG Düsseldorf die Auffassung, dass ein <strong>Antrag</strong>steller, der –<br />

ohne zuvor der Rügeobliegenheit nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 S. 1 <strong>GWB</strong> nachgekommen zu sein –<br />

einen Nachprüfungsantrag stellt, die Rüge im Allgemeinen am selben Tag, spätestens<br />

aber innerhalb einer Frist von ein bis zwei Tagen danach gegenüber dem Auftraggeber<br />

aussprechen muss, um seiner Rügeobliegenheit noch zu genügen. Die Einreichung eines<br />

Nachprüfungsantrags markiert den Zeitpunkt, in dem sich der <strong>Antrag</strong>steller fest entschlossen<br />

hat, einen erkannten Vergaberechtsverstoß auf dem Rechtsweg zu bekämpfen und in dem er<br />

sich seiner Sache so sicher ist, dass er dafür auch erhebliche Kostenrisiken einzugehen bereit<br />

ist. Bei dem darin zum Ausdruck kommenden Grad an Gewissheit und Entschlossenheit


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

besteht keine Veranlassung, dem <strong>Antrag</strong>steller weitere Vorbereitungs- oder<br />

Überlegungsfristen für die Erhebung einer Rüge zu konzedieren. Ausweislich eines<br />

Nachprüfungsantrags sind die Erkenntnis eines Rechtsverstoßes und die Absicht, dagegen<br />

vorzugehen, gereift. Der Vergaberechtsverstoß liegt für den <strong>Antrag</strong>steller gewissermaßen „auf<br />

der Hand“. Bei einer derartigen Verdichtung muss der <strong>Antrag</strong>steller von der Einreichung des<br />

Nachprüfungsantrags an in der Regel sofort handeln und die Rüge aussprechen, dies aber<br />

spätestens innerhalb von zwei Tagen danach tun, wenn die Rüge noch als unverzüglich gelten<br />

soll (OLG Düsseldorf, B. v. 05.12.2006 - Az.: VII - Verg 56/06; im Ergebnis ebenso OLG<br />

München, B. v. 07.08.2007 - Az.: Verg 08/07; VK Münster, B. v. 30.04.2009 - Az.: VK<br />

4/09).<br />

<strong>19.</strong>5.15 Form der Rüge<br />

<strong>19.</strong>5.15.1 Telefonische Rüge<br />

2934<br />

Für die Rüge schreibt <strong>§</strong> <strong>107</strong> <strong>GWB</strong> keine besondere Form vor; grundsätzlich sind daher auch<br />

telefonische Rügen ausreichend (OLG Düsseldorf, B. v. 29.03.2006 - Az.: VII - Verg 77/05;<br />

Thüringer OLG, B. v. 31.08.2009 - Az.: 9 Verg 6/09; VK Baden-Württemberg, B. v.<br />

29.06.2009 - Az.: 1 VK 27/09; VK Brandenburg, B. v. 14.09.2006 - Az.: 2 VK 36/06; B. v.<br />

25.10.2002 - Az.: VK 51/02; 1. VK Bund, B. v. 09.02.2005 - Az.: VK 2 - 03/05; 2. VK Bund,<br />

B. v. 08.06.2006 - Az.: VK 2 - 114/05; VK Münster, B. v. 28.06.2007 - Az.: VK 10/07; VK<br />

Niedersachsen, B. v. 07.08.2009 - Az.: VgK - 32/2009; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 25.4.2003 -<br />

Az.: VK 5/03; 1. VK Sachsen, B. v. 17.12.2007 - Az.: 1/SVK/073-07; B. v. 24.05.2007 - Az.:<br />

1/SVK/029-07; B. v. 25.6.2001 - Az.: 1/SVK/48-01; VK Südbayern, B. v. 12.06.2009 - Az.:<br />

Z3-3-3194-1-20-05/09; B. v. 16.07.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-28-06/07).<br />

<strong>19.</strong>5.15.2 Rüge per Fax<br />

2935<br />

Die Rüge kann auch per Fax eingelegt werden (BGH, B. v. 9.2.2004 - Az.: X ZB 44/031;<br />

VK Bund, B. v. 12.2.2003 - Az.: VK 1 - 03/03).<br />

<strong>19.</strong>5.15.3 Mündliche Rüge<br />

2936<br />

Es ergibt sich weder aus dem Wortlaut des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> noch aus Sinn und Zweck der<br />

Vorschrift, dass die Rüge immer schriftlich erfolgen muss. Wenn sie unbestritten mündlich<br />

gegenüber Vertretern des Auftraggebers erfolgt, die in der Lage sind, die Beanstandungen<br />

auszuräumen, ist das ausreichend (OLG Dresden, B. v. 21.10.2005 - Az.: WVerg 0005/05;<br />

OLG Düsseldorf, B. v. 06.03.2008 - Az.: VII - Verg 53/07; B. v. 31.10.2007 - Az.: VII – Verg<br />

24/07; Thüringer OLG, B. v. 31.08.2009 - Az.: 9 Verg 6/09; VK Baden-Württemberg, B. v.<br />

<strong>19.</strong>05.2004 - Az.: 1 VK 25/04, B. v. 29.11.2002 - Az.: 1 VK 62/02; 2. VK Bund, B. v.<br />

08.06.2006 - Az.: VK 2 - 114/05; 3. VK Bund, B. v. 08.01.2010 - Az.: VK 3 – 229/09; VK<br />

Münster, B. v. 13.02.2008 - Az.: VK 29/07; B. v. 28.06.2007 - Az.: VK 10/07; B. v.<br />

<strong>19.</strong>09.2006 - Az.: VK 12/06; 1. VK Sachsen, B. v. 01.06.2006 - Az.: 1/SVK/045-06; B. v.<br />

18.6.2003 - Az.: 1/SVK/042-03, B. v. 10.9.2003 - Az.: 1/SVK/<strong>107</strong>-03; VK Südbayern, B. v.<br />

12.06.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-20-05/09; B. v. 21.04.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-09-02/09).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

<strong>19.</strong>5.15.4 Rüge per E-Mail<br />

2937<br />

Rügt ein <strong>Antrag</strong>steller mittels E-Mail Vergabeverstöße, kann der Nachprüfungsantrag in<br />

zulässiger Weise hierauf gestützt werden (Thüringer OLG, B. v. 31.08.2009 - Az.: 9 Verg<br />

6/09; 1. VK Bund, B. v. 8.1.2004 - Az.: VK 1 - 117/03; VK Münster, B. v. <strong>19.</strong>09.2006 - Az.:<br />

VK 12/06).<br />

<strong>19.</strong>5.16 Unterschriftserfordernis<br />

2938<br />

Die Rüge gemäß <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> ist an keine Form gebunden. Sie muss lediglich für die<br />

Auftraggeberseite eindeutig erkennen lassen, wer sich gegen den Verfahrensablauf wendet,<br />

in welchem Sachverhalt der Verfahrensverstoß gegen Vergaberecht gesehen wird, dass die<br />

Änderung dieses Sachverhaltes ernsthaft, also auch mit der Bereitschaft, gegebenenfalls ein<br />

Nachprüfungsverfahren einzuleiten, begehrt wird. Bei einer fehlenden Unterschrift ist dies<br />

nicht eindeutig der Fall, da der Auftraggeber z. B. nicht eindeutig erkennen kann, von wem<br />

die "Rüge" stammt, ob sie ernstlich gemeint ist usw. Der Auftraggeber ist aber verpflichtet,<br />

zur Beseitigung des Zweifels beizutragen (Hinweis, Rückfrage usw.).<br />

<strong>19.</strong>5.17 Wahl des Versandweges der Rüge<br />

<strong>19.</strong>5.17.1 Grundsatz<br />

2939<br />

Im Allgemeinen ist den Anforderungen des <strong>§</strong> 121 Abs. 1 Satz 2 BGB genügt, wenn die<br />

Erklärung unverzüglich abgesandt wird. Unerwartete Verzögerungen bei der Übermittlung<br />

der Erklärung hat der Absender nicht zu verantworten. In der Regel ist die Wahl des<br />

einfachen Postweges ausreichend und eine schnellere Übermittlung, insbesondere durch<br />

Telegramm, nicht erforderlich (VK Schleswig-Holstein, B. v. 22.04.2008 - Az.: VK-SH<br />

03/08). Der Absender kann ein Verzögerungsrisiko aber nur insoweit auf den Empfänger<br />

abwälzen, als die Verzögerung seinem Einfluss entzogen ist. Eine schuldhafte Verzögerung<br />

kann deshalb vorliegen, wenn der Bieter bei mehreren möglichen Übermittlungswegen<br />

denjenigen wählt, der im Einzelfall erkennbar nicht geeignet, umständlich oder unzuverlässig<br />

ist. Nur solche Risiken, die der Absender nicht beherrschen oder beeinflussen kann, können<br />

ihn von seiner Verantwortung für eine unverzügliche Information des Empfängers entlasten.<br />

Denn zu den Pflichten des Absenders gehört im Rahmen des <strong>§</strong> 121 Abs. 1 Satz 2 BGB<br />

auch die Wahl des richtigen Versandweges (OLG Naumburg, B. v. 25.01.2005 - Az.: 1<br />

Verg 22/04; VK Brandenburg, B. v. 21.12.2005 - Az.: 1 VK 79/05).<br />

<strong>19.</strong>5.17.2 Pflicht zur Wahl des schnellsten Weges<br />

2940<br />

Eine schuldhafte Verzögerung liegt vor, wenn der Bieter nicht diejenige Form der<br />

Übermittlung wählt, die im Einzelfall geboten ist, um den berechtigten Interessen der<br />

anderen Beteiligten des Vergabeverfahrens an einer möglichst schnellen Klärung<br />

vermeintlicher Vergabefehler Rechnung zu tragen. Für die Rechtzeitigkeit und die damit<br />

verbundene Frage, ob ein Unternehmen die Rüge schuldhaft verzögert hat, kommt es immer<br />

auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an. Dabei sind die Gesamtumstände des<br />

Vergabevorgangs zu beachten. Dazu gehört neben der internen Abstimmung auf Seiten des


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Unternehmens auch die Interessenlage des Auftraggebers. Es kann deshalb geboten sein, eine<br />

Rüge nicht auf dem einfachen Postwege, sondern per Telefax oder in einer anderen<br />

beschleunigten Form zu übermitteln (z. B. Eilbrief, Bote, elektronische Post). Ein solcher<br />

Fall ist jedenfalls dann gegeben, wenn seit dem Zugang von Informationen, aus denen<br />

letztlich auf den vermeintlichen Vergabemangel annähernd zwei Wochen vergangen sind,<br />

wenn außerdem der Ablauf der Frist des <strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong> bzw. <strong>§</strong> 13 Satz 5 VgV bei<br />

Absendung der Rügeschrift kurz bevorsteht und anzunehmen ist, dass die Übermittlung per<br />

Post zu einer Verzögerung des Zugangs der Rügeschrift um mehrere Tage führen wird.<br />

Unter diesen Umständen stellt die Wahl des einfachen Postweges eine schuldhafte<br />

Verzögerung dar (OLG Naumburg, B. v. 25.01.2005 - Az.: 1 Verg 22/04; VK Schleswig-<br />

Holstein, B. v. 22.04.2008 - Az.: VK-SH 03/08; im Ergebnis ebenso 3. VK Bund, B. v.<br />

01.10.2009 - Az.: VK 3 - 172/09).<br />

2941<br />

Noch weiter geht die 2. VK Sachsen-Anhalt. Aufgrund der kurzen Fristen, die im<br />

Vergabeverfahren gelten, muss die Rüge im Regelfall binnen 1 bis 5 Tagen erfolgen und<br />

zwar auf dem schnellstmöglichen Weg, gegebenenfalls per Fax oder Telefon (2. VK<br />

Sachsen-Anhalt, B. v. 10.06.2009 - Az.: VK 2 LVwA LSA – 13/09).<br />

<strong>19.</strong>5.18 Rüge durch Übersendung eines Nachprüfungsantrags an den<br />

Auftraggeber<br />

2942<br />

2943<br />

2944<br />

Die Rechtsprechung ist insoweit nicht einheitlich.<br />

Übermittelt der Bieter dem Auftraggeber lediglich den bei der Vergabekammer gestellten<br />

Nachprüfungsantrag nahezu zeitgleich, kann diese Übermittlung des Nachprüfungsantrags<br />

nicht als eine den vergaberechtlichen Anforderungen gerecht werdende Rüge angesehen<br />

werden. Eine vergaberechtskonforme Rüge im Sinne des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> muss mindestens<br />

den Vergabeverstoß bezeichnen und die Aufforderung an den Auftraggeber enthalten, den<br />

Vergabeverstoß zu beseitigen. Diesen Voraussetzungen wird jedenfalls die Übermittlung<br />

eines Nachprüfungsantrags an den Auftraggeber, der unmittelbar danach auch der<br />

Vergabekammer übermittelt wird, nicht gerecht. Bei Zugrundelegung eines objektiven<br />

Empfängerhorizonts kann der Auftraggeber diese Benachrichtigung nicht als Aufforderung<br />

des Bieters verstehen, den Vergabeverstoß seinerseits zu beseitigen. Das Verhalten des<br />

Bieters muss sich für den Auftraggeber vielmehr als bloße Unterrichtung über den von<br />

dem Bieter eingeschlagenen Rechtsweg darstellen (1. VK Bund, B. v. 25.11.2003 - Az.: VK<br />

1 - 115/03; 3. VK Bund, B. v. 25.08.2004 - Az.: VK 3 – 149/04; 1. VK Sachsen, B. v.<br />

23.12.2004 - Az.: 1/SVK/129-04).<br />

Nach einer anderen Auffassung wird in der Übermittlung des Nachprüfungsantrags an<br />

den <strong>Antrag</strong>sgegner eine gleichzeitige Rüge gesehen, wenn z.B. bei Vorschaltung einer Rüge<br />

der effektive Rechtsschutz in Gefahr gerät. Doch wird auch in diesem Fall verlangt, die<br />

Rüge wegen der anderen Zielrichtung zumindest in einem kurzen zeitlichen Abstand<br />

nachzuholen (OLG München, B. v. 07.08.2007 - Az.: Verg 08/07).<br />

<strong>19.</strong>5.19 Anforderungen an die Person des Rügenden (<strong>Antrag</strong>stellers)


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

<strong>19.</strong>5.<strong>19.</strong>1 Allgemeines<br />

2945<br />

2946<br />

2947<br />

2948<br />

Bei der <strong>Einleitung</strong> des Nachprüfungsverfahrens bei der Vergabekammer muss der<br />

interessierte Bieter namentlich benannt sein. Dieser Grundsatz ist auch auf die Rüge<br />

anzuwenden, weil sie Zugangsvoraussetzung für das Nachprüfungsverfahren ist (VK<br />

Lüneburg, B. v. 17.05.2005 - Az.: VgK-16/2005). Deshalb sind die zu <strong>§</strong> 164 BGB<br />

entwickelten Grundsätze insoweit weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden<br />

(OLG Brandenburg, B. v. 28.11.2002 - Az.: Verg W 8/02).<br />

Es muss also offen und erkennbar sein, für welchen Bieter eine Rüge erhoben wird. Ist<br />

dies nicht der Fall und wird erst zu einem späteren Zeitpunkt offen gelegt, dass eine Rüge<br />

auch für einen Dritten eingelegt werden sollte, kann die Rüge verspätet sein (3. VK Bund, B.<br />

v. <strong>19.</strong>07.2005 - Az.: VK 3 – 58/05). Ist z.B. ein Schreiben ausdrücklich als Rüge<br />

bezeichnet und lässt klar erkennen, dass es von der Handwerkskammer im Auftrag<br />

eines Bieters verfasst wurde, indem z.B. der Unterzeichner Bezug nimmt auf ein Telefonat,<br />

das er „im Auftrag“ des Bieters mit einem Mitarbeiter geführt habe, um Klarheit über die<br />

Ausschlussgründe zu erlangen, und erwähnt er die Bitte des Bieters, unterstützend für ihn<br />

tätig zu werden, kann es nicht zweifelhaft sein, dass die Handwerkskammer als<br />

Vertreterin des Bieters mit dessen Vollmacht handelt (2. VK Bund, B. v. 30.05.2007 -<br />

Az.: VK 2 - 39/07).<br />

Die Einhaltung der Rügeverpflichtung des <strong>Antrag</strong>stellers gemäß <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> setzt<br />

voraus, dass die Rüge eine gewisse Verbindlichkeit haben muss. Dies ist nur erfüllt, wenn sie<br />

durch jemanden erfolgt, der im Verhältnis zum Auftraggeber als entscheidender<br />

Ansprechpartner gilt oder von diesem zur Rüge bevollmächtigt wurde (1. VK Sachsen, B.<br />

v. 23.5.2001 - Az.: 1/SVK/34-01).<br />

Ein Rügeschreiben nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong>, das äußerlich im Namen eines tatsächlich<br />

existierenden, aber nicht als Bieter am Vergabeverfahren beteiligten Unternehmens gefertigt<br />

wird, kann nach dem Rechtsgedanken der "falsa demonstratio" dem "richtigen" Bieter<br />

zugeordnet werden, wenn die Auslegung des Schreibens ergibt, dass die Beanstandung für<br />

diesen kraft seiner als Bieter im Vergabeverfahren erworbenen Rechtsstellung erhoben<br />

werden sollte, und die Vergabestelle dies auch so verstanden hat (OLG Dresden, B. v.<br />

11.9.2003 - Az.: WVerg 07/03).<br />

<strong>19.</strong>5.<strong>19.</strong>2 Rüge einer Bietergemeinschaft<br />

2949<br />

Eine schon bestehende Bietergemeinschaft, die im Verlaufe eines Vergabeverfahrens<br />

einen Vergabeverstoß erkennt, hat einheitlich, vertreten durch das hierzu berufene<br />

Mitglied oder durch jedes einzelne Mitglied zu rügen (VK Baden-Württemberg, B. v.<br />

11.08.2009 - Az.: 1 VK 36/09; 2. VK Bund, B. v. 29.12.2006 - Az.: VK 2 - 128/06; 1. VK<br />

Sachsen, B. v. 10.06.2008 - Az.: 1/SVK/026-08; B. v. 24.05.2007 - Az.: 1/SVK/029-07; B. v.<br />

01.06.2006 - Az.: 1/SVK/045-06; B. v. 09.05.2006 - Az.: 1/SVK/036-06). Es stellt keine reine<br />

Förmelei dar, dass für eine wirksame Rüge auch der Partner einer Bietergemeinschaft zu<br />

rügen hat, auch wenn es sich bei dem Partner um eine 100%-ige Tochterfirma handelt und die<br />

Geschäftsführer identisch sind. Die Rechtsform wurde gezielt gewählt, um in den Genuss der<br />

damit verbundenen Vorteile zu gelangen, womit auch die rechtliche Verpflichtung<br />

korrespondiert, den Obliegenheit nachzukommen, die beide Partner betreffen (VK Baden-<br />

Württemberg, B. v. 13.10.2005 - Az.: 1 VK 59/05; 1. VK Sachsen, B. v. 01.06.2006 - Az.:<br />

1/SVK/045-06).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

2950<br />

2951<br />

2952<br />

2953<br />

2953/1<br />

Danach ist eine nicht ausdrücklich im Namen der Bietergemeinschaft erhobene Rüge<br />

eines einzelnen Mitglieds einer Bietergemeinschaft der Bietergemeinschaft zuzurechnen,<br />

wenn das Mitglied mit Erklärung der Arbeitsgemeinschaft ermächtigt wurde, als<br />

geschäftsführendes Mitglied die Arbeitsgemeinschaftsmitglieder gegenüber dem<br />

Auftraggeber rechtsverbindlich zu vertreten (VK Nordbayern, B. v. 12.10.2006 - Az.:<br />

21.VK - 3194 - 25/06; im Ergebnis ebenso 3. VK Saarland, B. v. 09.03.2007 - Az.: 3 VK<br />

01/2007). Der Auftraggeber muss sich darauf verlassen können, dass die einmal<br />

gegründete Bietergemeinschaft vom Zeitpunkt der Angebotsabgabe bis zur<br />

Zuschlagserteilung existiert. Daran ist sowohl der Auftraggeber als auch die in der<br />

Bietergemeinschaft vereinigten Bieter gebunden (3. VK Saarland, B. v. 09.03.2007 - Az.: 3<br />

VK 01/2007).<br />

Eine Bietergemeinschaft, die sich erst kurz vor Angebotsabgabefrist bildet, muss auch<br />

dann noch einmal selbst rügen, wenn einzelne ihrer Mitglieder bereits zu einer Zeit<br />

gerügt haben, als die Bietergemeinschaft noch nicht bestand. Sie kann sich nicht erst im<br />

Nachprüfungsverfahren auf diese Rügen beziehen und sich diese zu eigen machen. Rügen der<br />

ursprünglichen Einzelunternehmen wachsen der Bietergemeinschaft nicht automatisch zu. Die<br />

Bietergemeinschaft unterscheidet sich rechtlich von dem Einzelunternehmen - es besteht<br />

keine rechtliche Identität - ; die Vergabestelle muss wissen, welche Rügen ggfls. noch aktuell<br />

sind, auf die sie sich einstellen muss (1. VK Sachsen, B. v. 24.05.2007 - Az.: 1/SVK/029-07).<br />

Anderer Auffassung ist insoweit die VK Hessen. Danach ist im Wege der Auslegung zu<br />

entscheiden, ob die Rüge der Bietergemeinschaft zuzurechnen ist. Anhaltspunkte können<br />

sein das Verständnis des Auftraggebers von dem Rügenden und die Formulierung des<br />

Rügeschreibens (2. VK Hessen, B. v. 26.04.2007 - Az.: 69 d VK - 08/2007).<br />

Bei der Rüge einer Bietergemeinschaft müssen also objektive Umstände vorliegen, aus<br />

denen die Vergabestelle einen Hinweis entnehmen kann, dass eine Zurechenbarkeit der<br />

Rüge zu der Bietergemeinschaft besteht (VK Baden-Württemberg, B. v. 11.08.2009 - Az.: 1<br />

VK 36/09; 2. VK Bund, B. v. 29.12.2006 - Az.: VK 2 - 128/06; VK Hessen, B. v. 18.2.2002 -<br />

Az.: 69 d VK - 49/2001; 1. VK Sachsen, B. v. 10.06.2008 - Az.: 1/SVK/026-08; B. v.<br />

01.06.2006 - Az.: 1/SVK/045-06; B. v. 09.05.2006 - Az.: 1/SVK/036-06; B. v. 08.07.2004 -<br />

Az.: 1/SVK/044-04).<br />

Das EuG ist für ein Konsortium anderer Auffassung. Da das betroffene Konsortium<br />

niemals Rechtspersönlichkeit besessen hatte und die vorübergehende Struktur des<br />

Konsortiums in Bezug auf seine Mitglieder transparent ist, müssen gemäß Art. 230 EG<br />

beide Gesellschaften als Adressaten der angefochtenen Entscheidung angesehen werden.<br />

Als Adressatin der angefochtenen Entscheidung konnte die Klägerin diese daher unter den<br />

Voraussetzungen des Art. 230 EG anfechten (EuG, Urteil v. <strong>19.</strong>03.2010 - Az.: T-50/05).<br />

<strong>19.</strong>5.<strong>19.</strong>3 Anforderungen an den Nachweis einer Bevollmächtigung<br />

2954<br />

<strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> ist eine Vorschrift des öffentlichen Rechts. Die Rüge ist eine bloße<br />

Kritik oder auch ein Hinweis gegenüber der Vergabestelle. Soweit man überhaupt von<br />

einer Rechtsfolge der Rüge sprechen kann, kommt allenfalls in Betracht, dass die Rüge eine<br />

Zulässigkeitsvoraussetzung für das Nachprüfungsverfahren ist. Hierbei handelt es sich um<br />

eine öffentlich-rechtliche Rechtsfolge. Weitere - insbesondere zivilrechtliche - Rechtsfolgen<br />

der Rüge sind nicht ersichtlich. Die zivilrechtlichen Bestimmungen über Rechtsgeschäfte


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

können zwar auch im öffentlichen Recht Anwendung finden, jedoch nur bei Fehlen spezieller<br />

Vorschriften. Dies ist für den Nachweis einer Bevollmächtigung nicht der Fall, da im<br />

Verwaltungsrecht die Interessen an einer Sicherheit und Klarheit über die Bevollmächtigung<br />

hinreichend durch <strong>§</strong> 14 Abs. 1 Satz 3 VwVfG gewahrt werden (VK Baden-Württemberg, B.<br />

v. 21.12.2004 - Az.: 1 VK 83/04; 1. VK Bund, B. v. 5.9.2001 - Az.: VK 1 - 23/01; 3. VK<br />

Saarland, B. v. 09.03.2007 - Az.: 3 VK 01/2007).<br />

2955<br />

Auf die Rüge nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> ist deshalb die Vorschrift des <strong>§</strong> 174 Satz 1 BGB<br />

(Vollmachtsurkunde) weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden (OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 5.12.2001 - Az.: Verg 32/01; VK Baden-Württemberg, B. v. 21.12.2004 -<br />

Az.: 1 VK 83/04; 3. VK Saarland, B. v. 09.03.2007 - Az.: 3 VK 01/2007; im Ergebnis ebenso<br />

VK Lüneburg, B. v. 05.01.2006 - Az.: VgK-43/2005; B. v. 05.01.2006 - Az.: VgK-41/2005;<br />

1. VK Sachsen, B. v. 10.06.2008 - Az.: 1/SVK/026-08; VK Schleswig-Holstein, B. v.<br />

05.01.2006 - Az.: VK-SH 31/05).<br />

<strong>19.</strong>5.20 Adressat der Rüge<br />

<strong>19.</strong>5.20.1 Auftraggeber<br />

2956<br />

2957<br />

Die Rüge muss nach dem eindeutigen Wortlaut des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong> gegenüber<br />

dem Auftraggeber erklärt werden (OLG Düsseldorf, B. v. 8.10.2003 - Az.: VII - Verg 49/03;<br />

VK Brandenburg, B. v. 08.09.2004 - Az.: VK 33/04; VK Münster, B. v. 16.02.2005 - Az.: VK<br />

36/04).<br />

Dies ist bei einer fernmündlichen Rüge nur sichergestellt, wenn sich der Bieter an den<br />

zur Vertretung der Vergabestelle berufenen Vertreter wendet, der zur Abhilfe der<br />

beanstandeten Fehler in der Lage ist (VK Brandenburg, B. v. 09.02.2005 - VK 86/04).<br />

<strong>19.</strong>5.20.2 Vom Auftraggeber beauftragte Dritte<br />

2958<br />

Die Frage, ob auch dann von einer Rüge gegenüber dem Adressaten "Auftraggeber"<br />

gesprochen werden kann, wenn sie unstreitig nicht gegenüber diesem, sondern gegenüber<br />

einem vom Auftraggeber beauftragten Dritten ausgesprochen wurde, hängt entscheidend<br />

davon ab, ob ein fachkundiges Bieterunternehmen aus der Bekanntmachung, den<br />

Ausschreibungsunterlagen und/oder den sonstigen Umständen entnehmen durfte, dass die<br />

vom Auftraggeber eingeräumte Vertretungsvollmacht des Dritten auch die<br />

Entgegennahme einer etwaigen, für die <strong>Einleitung</strong> eines Nachprüfungsverfahrens<br />

unabdingbare Rüge umfasste. Ein <strong>Antrag</strong>steller darf jedoch zumindest dann nicht davon<br />

ausgehen, dass der beauftragte Dritte zur Entgegennahme der Rüge befugt ist, wenn die<br />

Rüge die Beauftragung des Dritten mit der Durchführung des Vergabeverfahrens selbst<br />

betrifft, weil der Bieter in diesen Fällen nicht sicher sein kann, dass der Dritte diese Rüge<br />

auch an den Auftraggeber weitergibt. Betrifft die Rüge jedoch nicht die Einschaltung des<br />

Dritten an sich, ist auf den Einzelfall abzustellen (VK Südbayern, B. v. 6.5.2002 - Az.: 12-<br />

04/02).<br />

2959


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Ist in den Ausschreibungsunterlagen eindeutig der Auftraggeber als Ansprechstelle<br />

benannt, muss auch die Rüge dem Auftraggeber gegenüber ausgesprochen werden (OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 8.10.2003 - Az.: VII - Verg 49/03).<br />

2960<br />

2961<br />

2962<br />

Es reicht zur Wahrung der Rügefrist aus, wenn die Rüge bei dem vom Auftraggeber mit der<br />

Durchführung der Ausschreibung beauftragten Ingenieur- bzw. Architekturbüro erhoben<br />

wird (VK Baden-Württemberg, B. v. 29.06.2009 - Az.: 1 VK 27/09; VK Brandenburg, B. v.<br />

7.5.2002 - Az.: VK 14/02).<br />

Eine Rüge nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong> kann auch bei einem vom Auftraggeber<br />

eingeschalteten Ingenieurbüro erfolgen, wenn dessen bisherige Handlungen dem<br />

Auftraggeber zuzurechnen waren. Dies ist der Fall, wenn das Ingenieurbüro im<br />

Außenverhältnis zu den Bietern nahezu allein aufgetreten ist, z. B. bei LV-Anfragen,<br />

Federführung beim Bietergespräch bei diesem, Fertigung des Absageschreibens nach <strong>§</strong> 13<br />

VgV auf Kopfbogen des Ingenieurbüros (1. VK Sachsen, B. v. 12.6.2003 - Az.: 1/SVK/054-<br />

03).<br />

Arbeiten mehrere Dritte für den öffentlichen Auftraggeber, ist zu klären, wer die mit der<br />

Durchführung des Vergabeverfahrens zuständige Stelle ist; gibt es hierbei eine eindeutige<br />

Zuordnung, kann die Rüge gegenüber den übrigen Dritten nicht wirksam erhoben werden<br />

(VK Hessen, B. v. 26.3.2003 - Az.: 69 d VK - 13/2003).<br />

<strong>19.</strong>5.20.3 Rüge mit nicht eindeutiger Bezeichnung des Adressaten<br />

2963<br />

Weist das Rügeschreiben die Erklärung "Einspruch/Beantragung einer Nachprüfung des<br />

Verfahrens bei der zuständigen Vergabekammer " und am Ende den Satz "Zu dem bereits<br />

erhobenen Einspruch beantragt die xxx GmbH hiermit gleichermaßen eine Nachprüfung des<br />

Verfahrens bei der zuständigen Vergabekammer" auf, muss die Vergabestelle den<br />

vorgetragenen Einwand prüfen und gegebenenfalls den Vergabefehler korrigieren. Sie<br />

darf sich nicht auf den Standpunkt stellen, dass sie nicht angesprochen ist, sondern nur die<br />

Vergabekammer (OLG Celle, B. v. <strong>19.</strong>8.2003 - Az.: 13 Verg 20/03).<br />

<strong>19.</strong>5.20.4 Rüge durch Einreichung eines Nachprüfungsantrags bei der<br />

Vergabekammer<br />

2964<br />

2965<br />

Die Einreichung eines Nachprüfungsantrags bei der Vergabekammer kann nicht als Rüge<br />

im Sinne von <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> gesehen werden. Dies ergibt sich bereits aus Sinn und<br />

Zweck des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong>. Diese Regelung dient unter dem Gesichtspunkt von Treu und<br />

Glauben zur Vermeidung unnötiger Nachprüfungsverfahren. Erkennt der Unternehmer Fehler<br />

im Vergabeverfahren, muss er durch die Rüge dem Auftraggeber Gelegenheit geben, diese<br />

Fehler zu korrigieren Aus diesem Grund muss die Rüge gegenüber der Vergabestelle und<br />

nicht gegenüber der Vergabekammer erfolgen (VK Brandenburg, B. v. 13.12.2006 - Az.: 1<br />

VK 53/06).<br />

Aufgrund der fehlenden Rüge hat die Vergabestelle keine Gelegenheit, die Vorwürfe<br />

außerhalb eines Nachprüfungsverfahrens zu prüfen und ggf. abzuhelfen. Aufgrund der<br />

Präklusionsregelung des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong> ist der <strong>Antrag</strong> daher unzulässig (OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 05.12.2006 - Az.: VII - Verg 56/06; VK Baden-Württemberg, B. v. 8.7.2002


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

- Az.: 1 VK 30/02, VK Brandenburg, B. v. 13.12.2006 - Az.: 1 VK 53/06; VK Lüneburg, B.<br />

v. 8.11.2002 - Az.: 24/02; VK Nordbayern, B. v. 27.6.2001, Az.: 320.VK-3194-20/01).<br />

<strong>19.</strong>5.20.5 Rüge durch Einreichung eines Nachprüfungsantrags bei der<br />

Vergabeprüfstelle<br />

2966<br />

2967<br />

2968<br />

Dem Sinn und Zweck der Rügepflicht gemäß <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> kann neben der<br />

unmittelbaren Rüge gegenüber dem Auftraggeber auch eine Anrufung der<br />

Vergabeprüfstelle gemäß <strong>§</strong> 103 Abs. 2 <strong>GWB</strong> gerecht werden. Aufgabe der<br />

Vergabeprüfstelle ist es nämlich gerade, die Vergabestelle gegebenenfalls anzuweisen,<br />

rechtswidrige Maßnahmen aufzuheben und rechtmäßige Maßnahmen zu treffen, sowie die<br />

Beteiligten zu beraten und streitschlichtend tätig zu werden. Da die Vergabeprüfstelle<br />

verpflichtet ist, an sie gerichtete Anträge zumindest zu prüfen, wird sie den jeweiligen<br />

Auftraggeber um eine entsprechende Stellungnahme zu bitten haben, so dass die<br />

Vergabestelle mit hinlänglicher Wahrscheinlichkeit Kenntnis von der Rüge des Bieters erhält.<br />

Zudem liegt in einer Anrufung der Vergabeprüfstelle insoweit ein Vorteil gegenüber einer<br />

direkten Rüge gegenüber der Vergabestelle, als hierbei durch die Sachkompetenz der<br />

Vergabeprüfstelle als unparteiischem Dritten eher ein Ausgleich zwischen den Beteiligten<br />

herbeigeführt werden kann, als bei einer rein bilateralen Auseinandersetzung zwischen Bieter<br />

und Vergabestelle. Eingedenk dessen wäre die Forderung nach einer weiteren direkten<br />

Rüge des Bieters gegenüber der <strong>Antrag</strong>sgegnerin damit reine Förmelei (VK Schleswig-<br />

Holstein, B. v. <strong>19.</strong>01.2005 - Az.: VK-SH 37/04).<br />

Ausgehend von Sinn und Zweck der Rüge ist die 3. VK Bund ebenfalls dieser Meinung, und<br />

zwar insbesondere dann, wenn es sich bei der Vergabeprüfstelle und dem Auftraggeber<br />

um dieselbe Rechtsperson handelt (3. VK Bund, B. v. 16.03.2007 - Az.: VK 3 – 13/07).<br />

Im Vergaberechtsmodernisierungsgesetz sind die Vergabeprüfstellen zwar aus der<br />

gesetzlichen Regelung herausgefallen. Dies bedeutet aber – auch nach der Begründung zum<br />

Vergaberechtsmodernisierungsgesetz - nicht, dass öffentliche Auftraggeber keine<br />

Vergabeprüfstellen mehr einsetzen dürfen. Existieren also weiterhin Vergabeprüfstellen,<br />

hat diese Rechtsprechung weiterhin Bestand.<br />

<strong>19.</strong>5.20.6 Rüge durch die bloße Abgabe eines vom Ausschreibungsinhalt<br />

abweichenden Angebots<br />

2969<br />

In der bloßen Abgabe eines vom Ausschreibungsinhalt abweichenden Angebots liegt<br />

nicht ohne Weiteres eine schlüssige Rügeerklärung i.S.d. <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong>. An eine<br />

solche Rüge sind zwar im formalen Sinne keine hohen Anforderungen zu stellen. Gleichwohl<br />

muss - auch und gerade vom Empfängerhorizont des Auftraggebers - zweifelsfrei zu erkennen<br />

sein, dass der Bieter ein bestimmtes Verhalten der Vergabestelle mit dem Ziel der<br />

Fehlerkorrektur konkret als vergaberechtswidrig angreifen will. Einen derartigen Inhalt kann<br />

der Angebotserklärung nicht beigemessen werden (OLG Dresden, B. v. 11.09.2006 - Az.:<br />

WVerg 13/06; VK Brandenburg, B. v. 07.11.2007 - Az.: VK 42/07; VK Sachsen, B. v.<br />

09.02.2009 - Az.: 1/SVK/071-08).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

<strong>19.</strong>5.21 Notwendigkeit des Zugangs der Rüge<br />

2970<br />

2971<br />

2971/1<br />

2972<br />

2973<br />

2974<br />

Die Rüge ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung; sie muss dem Auftraggeber also<br />

auch spätestens mit Ablauf dieser Frist zugegangen sein, sonst ist die Rüge als verspätet<br />

und der <strong>Antrag</strong> als unzulässig zu betrachten (VK Hessen, B. v. 02.12.2004 - Az.: 69 d VK –<br />

72/2004; 1. VK Sachsen, B. v. 16.11.2006 - Az.: 1/SVK/097-06; B. v. 11.11.2005 - Az.:<br />

1/SVK/130-05; B. v. 5.3.2002 - Az.: 1/SVK/009-02).<br />

Zugegangen ist eine Willenserklärung, wenn sie so in den Bereich des Empfängers<br />

gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt<br />

der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Vollendet ist der Zugang dann, wenn die<br />

Kenntnisnahme durch den Empfänger möglich und nach der Verkehrsanschauung zu<br />

erwarten ist (Thüringer OLG, B. v. 31.08.2009 - Az.: 9 Verg 6/09; 1. VK Sachsen, B. v.<br />

16.11.2006 - Az.: 1/SVK/097-06; B. v. 08.06.2006 - Az.: 1/SVK/050-06). Eine<br />

Kenntnisnahme ist nach der Verkehrsanschauung nicht zu erwarten, wenn ein Telefax um ca.<br />

23.00 Uhr, außerhalb der üblichen Bürozeiten, zugeht (VK Sachsen, B. v. 16.11.2006 - Az.:<br />

1/SVK/097-06). Dies gilt auch, wenn der Bieter eine Rüge nachmittags telefonisch avisiert<br />

(VK Hessen, B. v. 02.12.2004 - Az.: 69 d VK – 72/2004). Rügen, die nach Dienstschluss bei<br />

der Vergabestelle eingehen, sind der Vergabestelle erst am nächsten Arbeitstag<br />

zugegangen (OLG Dresden, B. v. 11.09.2006 - Az.: WVerg 13/06; 1. VK Sachsen, B. v.<br />

24.05.2007 - Az.: 1/SVK/029-07; B. v. 16.11.2006 - Az.: 1/SVK/097-06; B. v. 08.06.2006 -<br />

Az.: 1/SVK/050-06).<br />

Eine vergaberechtliche Rüge ist in der Regel nicht mehr unverzüglich im Sinne des <strong>§</strong> <strong>107</strong><br />

Abs. 3 S. 1 <strong>GWB</strong> a.F. erhoben, wenn sie in dem kurz vor Ablauf der Angebotsfrist bei<br />

der Vergabestelle eingegangenen Angebot des Bieters an „versteckter Stelle“ enthalten<br />

ist. Der Bieter kann dann nämlich nicht damit rechnen, dass die Rüge der Vergabestelle<br />

bereits bei der Angebotsöffnung im Submissionstermin, sondern erst im Verlauf der<br />

üblicherweise mehrere Tage späteren Angebotsprüfung zur Kenntnis gelangt (Thüringer<br />

OLG, B. v. 31.08.2009 - Az.: 9 Verg 6/09).<br />

Verzögerungen im Postlauf stellen nur dann kein Verschulden des Rügenden dar, wenn die<br />

Adressierung korrekt erfolgte und der Absender sich darauf verlassen konnte, dass die<br />

normalen Postlaufzeiten eingehalten werden (1. VK Sachsen, B. v. 5.3.2002 - Az.:<br />

1/SVK/009-02).<br />

Ungeachtet der Formulierung des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 S. 1 <strong>GWB</strong> liegt die Beweislast hinsichtlich<br />

des Zugangs des Rügeschreibens als empfangsbedürftige Willenserklärung beim<br />

<strong>Antrag</strong>steller. Dieser beruft sich in der Regel auf den Zugang der Rüge und hat es als<br />

einziger in der Hand, durch entsprechende Vorkehrungen wie z.B. der Versendung per<br />

Einschreiben mit Rückschein oder der Übermittlung per Boten, den Erhalt des<br />

Rügeschreibens zu beweisen, während es der Auftraggeberseite grundsätzlich unmöglich<br />

sein dürfte, den Gegenbeweis anzutreten (1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 31.03.2005 - Az.: 1<br />

VK LVwA 04/05).<br />

Der so genannte OK-Vermerk im Sendebericht des Absenders eines Telefaxschreibens<br />

begründet weder den vollen Beweis noch einen Anscheinsbeweis dafür, dass das<br />

Telefaxschreiben auch tatsächlich zugegangen ist. Allerdings rechtfertigt die hohe<br />

Zuverlässigkeit bei der Übermittlung von Telefaxnachrichten, dass demjenigen, der sich auf<br />

den Nichtzugang eines ordnungsgemäß abgesandten Schreibens beruft, höhere<br />

Anforderungen hinsichtlich des Bestreitens des Zugangs aufzuerlegen sind (OLG


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Thüringen, B. v. 9.9.2002 - Az.: 6 Verg 4/02 - zu einem Schreiben nach <strong>§</strong> 13 VgV; 2. VK<br />

Bund, B. v. 03.04.2006 - Az.: VK 2 - 14/06). Trägt ein Auftraggeber außer der pauschalen<br />

Behauptung des Nichtzugangs des Rügeschreibens keine weiteren Tatsachen vor, ist vom<br />

Zugang des Rügeschreibens bei dem Auftraggeber auszugehen (1. VK Bund, B. v. 12.2.2003<br />

- Az.: VK 1 - 03/03; 2. VK Bund, B. v. 03.04.2006 - Az.: VK 2 - 14/06).<br />

<strong>19.</strong>5.22 Notwendiger Inhalt der Rüge (Verstoß gegen<br />

Vergabebestimmungen)<br />

<strong>19.</strong>5.22.1 Grundsatz: Geringe Anforderungen<br />

2975<br />

2976<br />

Was die inhaltlichen Anforderungen an eine Rüge angeht, fordert <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong><br />

lediglich die Angabe von Verstößen gegen Vergabevorschriften. Im Sinne der Gewährung<br />

effektiven Rechtsschutzes sind an die Rüge daher nur geringe Anforderungen zu stellen<br />

(OLG München, B. v. 05.11.2009 - Az.: Verg 15/09; Thüringer OLG, B. v. 30.03.2009 - Az.:<br />

9 Verg 12/08; B. v. 29.08.2008 - Az.: 9 Verg 5/08; LSG Hessen, B. v. 15.12.2009 - Az.: L 1<br />

KR 337/09 ER Verg; VK Arnsberg, B. v. 10.09.2004 - Az.: VK 1 - 15/2004; VK Baden-<br />

Württemberg, B. v. 29.06.2009 - Az.: 1 VK 27/09; B. v. 28.05.2009 - Az.: 1 VK 21/09; B. v.<br />

30.03.2007 - Az.: 1 VK 06/07; VK Brandenburg, B. v. 01.02.2010 - Az.: VK 1/10; B. v.<br />

21.11.2007 - Az.: VK 45/07; B. v. 11.09.2006 - Az.: 2 VK 34/06, 1 VK 35/06; B. v.<br />

16.12.2004 - Az.: VK 70/04; 1. VK Bund, B. v. 30.07.2008 - Az.: VK 1 - 90/08; B. v.<br />

29.07.2008 - Az.: VK 1 - 78/08; B. v. 16.06.2006 - Az.: VK 1 - 34/06; 2. VK Bund, B. v.<br />

16.03.2009 - Az.: VK 2 - 7/09; 3. VK Bund, B. v. 08.01.2010 - Az.: VK 3 – 229/09; VK<br />

Hamburg, B. v. 03.11.2005 - Az.: VK BSU-3/05; VK Hessen, B. v. 30.03.2009 - Az.: 69 d<br />

VK - 66/2008; 2. VK Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 07.01.2008 - Az.: 2 VK 5/07; 1. VK<br />

Sachsen, B. v. 24.01.2008 - Az.: 1/SVK/087-07; B. v. 24.05.2007 - Az.: 1/SVK/029-07; B. v.<br />

15.05.2007 - Az.: 1/SVK/028-07; B. v. 14.03.2007 - Az.: 1/SVK/006-07; B. v. 31.01.2007 -<br />

Az.: 1/SVK/124-06; B. v. 26.06.2006 – Az.: 1/SVK/071-06; VK Südbayern, B. v. 13.03.2009<br />

- Az.: Z3-3-3194-1-02-01/09; B. v. 29.05.2006 - Az.: 09-04/06).<br />

Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass der Bewerber explizit das Wort "Rüge"<br />

verwendet (OLG Frankfurt, B. v. 02.03.2007 - Az.: 11 Verg 15/06; OLG München, B. v.<br />

05.11.2009 - Az.: Verg 15/09; B. v. 29.09.2009 - Az.: Verg 12/09; Thüringer OLG, B. v.<br />

31.08.2009 - Az.: 9 Verg 6/09; B. v. 30.03.2009 - Az.: 9 Verg 12/08; B. v. 29.08.2008 - Az.: 9<br />

Verg 5/08; LSG Hessen, B. v. 15.12.2009 - Az.: L 1 KR 337/09 ER Verg; VK Baden-<br />

Württemberg, B. v. 29.06.2009 - Az.: 1 VK 27/09; B. v. 28.05.2009 - Az.: 1 VK 21/09; VK<br />

Brandenburg, B. v. 01.02.2010 - Az.: VK 1/10; B. v. 21.11.2007 - Az.: VK 45/07; B. v.<br />

11.09.2006 - Az.: 2 VK 34/06, 1 VK 35/06; B. v. 05.04.2006 - Az.: 1 VK 3/06; B. v.<br />

08.09.2005 - Az.: 1 VK 51/05; B. v. 05.04.2005 - Az.: VK 9/05; B. v. 16.12.2004 - Az.: VK<br />

70/04; 2. VK Bund, B. v. 16.03.2009 - Az.: VK 2 - 7/09; 3. VK Bund, B. v. 08.01.2010 - Az.:<br />

VK 3 – 229/09; VK Hessen, B. v. 17.08.2009 - Az.: 69 d VK – 25/2009; B. v. 16.07.2004 -<br />

Az.: 69 d - VK – 39/2004; VK Münster, B. v. 30.04.2009 - Az.: VK 4/09; B. v. 28.06.2007 -<br />

Az.: VK 10/07; B. v. 16.02.2005 - Az.: VK 36/04; 1. VK Sachsen, B. v. 31.01.2007 - Az.:<br />

1/SVK/124-06; B. v. 21.02.2006 - Az.: 1/SVK/004-06; B. v. 21.04.2004 - Az.: 1/SVK/029-<br />

04; VK Südbayern, B. v. 29.05.2006 - Az.: 09-04/06; B. v. 17.7.2003 - Az.: 24-06/03; VK<br />

Thüringen, B. v. 01.08.2008 - Az.: 250-4003.20-1952/2008-015-GRZ) oder exakt einzelne<br />

Normen des Vergaberechts benennt, die er als verletzt ansieht (OLG Dresden, B. v.<br />

21.10.2005 - Az.: WVerg 0005/05; LSG Hessen, B. v. 15.12.2009 - Az.: L 1 KR 337/09 ER


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Verg; VK Brandenburg, B. v. 01.02.2010 - Az.: VK 1/10; B. v. 21.11.2007 - Az.: VK 45/07;<br />

B. v. 11.09.2006 - Az.: 2 VK 34/06, 1 VK 35/06; B. v. 05.04.2006 - Az.: 1 VK 3/06; B. v.<br />

08.09.2005 - Az.: 1 VK 51/05; B. v. 18.06.2004 - Az.: VK 22/04; 3. VK Bund, B. v.<br />

08.01.2010 - Az.: VK 3 – 229/09; VK Nordbayern, B. v. 30.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 -<br />

41/09; B. v. 30.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 40/09; 1. VK Sachsen, B. v. 03.03.2008 - Az.:<br />

1/SVK/002-08; B. v. 31.01.2007 - Az.: 1/SVK/124-06; B. v. 21.04.2004 - Az.: 1/SVK/029-<br />

04; VK Südbayern, B. v. 29.05.2006 - Az.: 09-04/06).<br />

<strong>19.</strong>5.22.2 Erfordernis der konkreten Darlegung des Verstoßes und des<br />

Abhilfeverlangens<br />

2977<br />

Die Rüge muss jedoch objektiv und vor allem auch gegenüber dem Auftraggeber (in der<br />

Rolle eines „verständigen Dritten“ - OLG Düsseldorf, B. v. 31.10.2007 - Az.: VII – Verg<br />

24/07; VK Baden-Württemberg, B. v. 28.05.2009 - Az.: 1 VK 21/09; 2. VK Bund, B. v.<br />

16.03.2009 - Az.: VK 2 - 7/09; 2. VK Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 28.11.2008 - Az.: 2<br />

VK 7/08; 1. VK Sachsen, B. v. 11.12.2009 - Az.: 1/SVK/054-09 - ) deutlich sein und von<br />

diesem so verstanden werden, welcher Sachverhalt aus welchem Grund als Verstoß<br />

angesehen wird und dass es sich nicht nur um die Klärung etwaiger Fragen, um einen<br />

Hinweis, eine Bekundung des Unverständnisses oder der Kritik z. B. über den Inhalt der<br />

Ausschreibung oder Verfahrensabläufe und Entscheidungen o.ä. handelt, sondern dass der<br />

Bieter von der Vergabestelle erwartet und bei ihr erreichen will, dass der<br />

(vermeintliche) Verstoß behoben wird (KG Berlin, B. v. 20.08.2009 - Az.: 2 Verg 4/09;<br />

OLG Brandenburg, B. v. 17.02.2005 - Az.: Verg W 11/04; OLG Celle, B. v. 10.01.2008 -<br />

Az.: 13 Verg 11/07; OLG Dresden, B. v. 21.10.2005 - Az.: WVerg 0005/05; OLG Düsseldorf,<br />

B. v. 23.01.2008 - Az.: VII - Verg 36/07; B. v. 31.10.2007 - Az.: VII – Verg 24/07; B. v.<br />

29.03.2006 - Az.: VII - Verg 77/05; B. v. 14.3.2003 - Az.: Verg 14/03; OLG Frankfurt, B. v.<br />

08.12.2009 - Az.: 11 Verg 6/09; B. v. 02.03.2007 - Az.: 11 Verg 15/06; B. v. 24.06.2004 -<br />

Az.: 11 Verg 15/04; OLG München, B. v. 26.06.2007 - Az.: Verg 6/07; Thüringer OLG, B. v.<br />

31.08.2009 - Az.: 9 Verg 6/09; B. v. 30.03.2009 - Az.: 9 Verg 12/08; B. v. 29.08.2008 - Az.: 9<br />

Verg 5/08; LSG Hessen, B. v. 15.12.2009 - Az.: L 1 KR 337/09 ER Verg; VK Baden-<br />

Württemberg, B. v. 13.08.2009 - Az.: 1 VK 37/09; B. v. 13.08.2009 - Az.: 1 VK 31/09; B. v.<br />

28.07.2009 - Az.: 1 VK 42/09; B. v. 28.05.2009 - Az.: 1 VK 21/09; B. v. 06.04.2009 - Az.: 1<br />

VK 13/09; B. v. 07.11.2007 - Az.: 1 VK 43/07; B. v. 30.03.2007 - Az.: 1 VK 06/07; B. v.<br />

<strong>19.</strong>03.2007 - Az.: 1 VK 07/07, 08/07; B. v. 18.10.2005 - Az.: 1 VK 62/05; B. v. 15.08.2005 -<br />

Az.: 1 VK 47/05; VK Berlin, B. v. 05.11.2009 - Az.: VK - B 2 – 35/09; B. v. 18.03.2009 -<br />

Az.: VK B 2 30/08; VK Brandenburg, B. v. 01.02.2010 - Az.: VK 1/10; B. v. 17.12.2009 -<br />

Az.: VK 21/09; B. v. 21.11.2007 - Az.: VK 45/07; B. v. 13.03.2007 - Az.: 1 VK 7/07; B. v.<br />

05.04.2006 - Az.: 1 VK 3/06; B. v. 08.09.2005 - Az.: 1 VK 51/05; B. v. 05.04.2005 - Az.: VK<br />

9/05; B. v. 09.02.2005 - VK 86/04; B. v. 16.12.2004 - Az.: VK 70/04; B. v. 18.06.2004 - Az.:<br />

VK 22/04; 1. VK Bund, B. v. 30.07.2008 - Az.: VK 1 - 90/08; B. v. 29.07.2008 - Az.: VK 1 -<br />

78/08; B. v. 16.06.2006 - Az.: VK 1 - 34/06; 2. VK Bund, B. v. 16.03.2009 - Az.: VK 2 -<br />

7/09; 3. VK Bund, B. v. 09.06.2005 - Az.: VK 3 - 49/05; VK Düsseldorf, B. v. <strong>19.</strong>03.2007 -<br />

Az.: VK - 07/2007 – B; VK Hamburg, B. v. 03.11.2005 - Az.: VK BSU-3/05; VK Hessen, B.<br />

v. 05.11.2009 - Az.: 69 d VK – 39/2009; B. v. 09.10.2009 - Az.: 69 d VK – 36/2009; B. v.<br />

17.08.2009 - Az.: 69 d VK – 25/2009; B. v. 30.03.2009 - Az.: 69 d VK - 66/2008; B. v.<br />

<strong>19.</strong>03.2009 - Az.: 69 d VK – 05/2009; B. v. <strong>19.</strong>02.2009 - Az.: 69 d VK – 01/2009; B. v.<br />

14.12.2006 – Az.: 69 d VK 62/2006; B. v. 05.10.2004 - Az.: 69 d - VK – 56/2004; B. v.<br />

16.07.2004 - Az.: 69 d - VK – 39/2004; B. v. 30.03.2004 - Az.: 69 d - VK - 08/2004; B. v.<br />

11.03.2004 - Az.: 69 d - VK – 06/2004; B. v. 26.3.2003 - Az.: 69 d VK - 13/2003; 2. VK<br />

Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 28.11.2008 - Az.: 2 VK 7/08; B. v. 07.01.2008 - Az.: 2 VK


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

5/07; VK Münster, B. v. 30.04.2009 - Az.: VK 4/09; B. v. 28.06.2007 - Az.: VK 10/07; B. v.<br />

16.02.2005 - Az.: VK 36/04; VK Nordbayern, B. v. 30.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 41/09;<br />

B. v. 30.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 40/09; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 12.04.2005 - Az.:<br />

VK 11/05; 3. VK Saarland, B. v. <strong>19.</strong>01.2007 - Az.: 3 VK 05/2006; 1. VK Sachsen, B. v.<br />

11.12.2009 - Az.: 1/SVK/054-09; B. v. 26.06.2009 - Az.: 1/SVK/024-09; B. v. 06.04.2009 -<br />

Az.: 1/SVK/005-09; B. v. 24.01.2008 - Az.: 1/SVK/087-07; B. v. 17.12.2007 - Az.:<br />

1/SVK/073-07; B. v. 15.05.2007 - Az.: 1/SVK/028-07; B. v. 07.12.2006 - Az.: 1/SVK/100-<br />

06; B. v. 26.06.2006 – Az.: 1/SVK/071-06; B. v. 21.02.2006 - Az.: 1/SVK/004-06; B. v.<br />

16.4.2003 - Az.: 1/SVK/027-03; B. v. 21.04.2004 - Az.: 1/SVK/029-04; 2. VK Sachsen-<br />

Anhalt, B. v. 03.07.2008 - VK 2 LVwA LSA - 05/08; VK Südbayern, B. v. 12.06.2009 - Az.:<br />

Z3-3-3194-1-20-05/09; VK Thüringen, B. v. 01.08.2008 - Az.: 250-4003.20-1952/2008-015-<br />

GRZ).<br />

2978<br />

2979<br />

Der Bieter bzw. Bewerber muss den Vergabeverstoß und die Aufforderung an den<br />

öffentlichen Auftraggeber, den Verstoß abzuändern, konkret darlegen. Beide<br />

Tatsachenvorträge sind - auch bei wenig restriktiver Auslegung - unverzichtbare<br />

Bestandteile der Rüge (OLG München, B. v. 02.08.2007 - Az.: Verg 07/07; LSG Hessen, B.<br />

v. 15.12.2009 - Az.: L 1 KR 337/09 ER Verg; VK Arnsberg, B. v. 13.07.2009 - Az.: VK<br />

16/09; VK Berlin, B. v. 18.03.2009 - Az.: VK B 2 30/08; VK Baden-Württemberg, B. v.<br />

28.05.2009 - Az.: 1 VK 21/09; VK Brandenburg, B. v. 17.12.2009 - Az.: VK 21/09; B. v.<br />

29.01.2009 - Az.: VK 47/08; B. v. 12.11.2008 - Az.: VK 35/08; 1. VK Bund, B. v. 29.07.2008<br />

- Az.: VK 1 - 78/08; VK Hamburg, B. v. 21.4.2004 - Az.: VgK FB 1/04; VK Nordbayern, B.<br />

v. 21.07.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 27/08; 1. VK Sachsen, B. v. 26.06.2006 – Az.:<br />

1/SVK/071-06; B. v. 7.5.2002 - Az.: 1/SVK/035-02). Nur schlichte Fragen nach Inhalt und<br />

Begründung einer Ausschlussentscheidung und allgemeine Ankündigungen, man werde<br />

das nicht hinnehmen, erfüllen den Rügetatbestand grundsätzlich nicht (OLG Dresden, B. v.<br />

17.8.2001 - Az.: WVerg 0005/01; B. v. 07.12.2006 - Az.: 1/SVK/100-06; VK Baden-<br />

Württemberg, B. v. 28.05.2009 - Az.: 1 VK 21/09).<br />

An die Pflicht zur Substantiierung sind aber keine übertriebenen Anforderungen zu stellen (2.<br />

VK Bund, B. v. 4.9.2002 - Az.: VK 2 - 58/02). Eine Rüge ist auch dann ausreichend<br />

substantiiert, wenn das rügende Unternehmen eine konkrete Tatsache benennt, aus<br />

welcher sich der Verdacht eines Vergaberechtsverstoßes ergibt. Eine andere Auffassung<br />

würde einen effektiven Rechtschutz für den Bieter verhindern. Denn bis zur <strong>Einleitung</strong><br />

eines Nachprüfungsverfahrens ist der Bieter bzw. Bewerber mangels eigener<br />

Zugriffsmöglichkeit auf die Vergabeakten auf die Informationen durch den Auftraggeber<br />

angewiesen. Erst im Nachprüfungsverfahren kann er mit Hilfe der Akteneinsicht den<br />

Vergaberechtsverstoß genauer konkretisieren oder auch, wenn die Akteneinsicht einen<br />

ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens ergibt, den Nachprüfungsantrag zurücknehmen.<br />

Dem steht nicht entgegen, dass eine Rügeverpflichtung erst nach konkreter Kenntnis<br />

derjenigen Tatsachen besteht, welche einen Vergaberechtsverstoß begründen können.<br />

Konkrete Kenntnis bedeutet im Rahmen der Rügeverpflichtung, dass der Bieter bzw.<br />

Bewerber die den Verstoß begründenden Tatsachen kennt und aus diesen auf den<br />

Vergabeverstoß schließen kann. Kenntnis bedeutet aber nicht, dass ihm der<br />

Vergaberechtsverstoß bis in alle Einzelheiten bekannt ist. Würde man der letzt genannten<br />

Ansicht folgen, wäre dem Bieter eine Rüge in vielen Fällen nicht möglich. Vor der genauen<br />

Kenntnis aller Einzelheiten wäre seine Rüge unzulässig. Zur Erlangung der genauen Kenntnis<br />

ist er aber auf den Auftraggeber angewiesen. Dieser könnte durch eine verzögerte oder<br />

verweigerte Information eine Rüge und einen Nachprüfungsantrag verhindern (OLG<br />

München, B. v. 26.06.2007 - Az.: Verg 6/07; VK Südbayern, B. v. 13.03.2009 - Az.: Z3-3-<br />

3194-1-02-01/09).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

2980<br />

2981<br />

Die Rüge muss keine detaillierte rechtliche Würdigung enthalten, sie darf aber andererseits<br />

nicht völlig pauschal und undifferenziert sein (OLG Düsseldorf, B. v. 23.01.2008 - Az.:<br />

VII - Verg 36/07; OLG Frankfurt, B. v. 08.12.2009 - Az.: 11 Verg 6/09; OLG München, B. v.<br />

07.08.2007 - Az.: Verg 08/07, B. v. 02.08.2007 - Az.: Verg 07/07; OLG Naumburg, B. v.<br />

14.12.2004 - Az.: 1 Verg 17/04; VK Brandenburg, B. v. 17.12.2009 - Az.: VK 21/09; B. v.<br />

12.11.2008 - Az.: VK 35/08; B. v. 07.04.2008 - Az.: VK 7/08; 3. VK Bund, B. v. 08.01.2010<br />

- Az.: VK 3 – 229/09; VK Niedersachsen, B. v. 08.01.2010 - Az.: VgK-68/2009; VK<br />

Nordbayern, B. v. 30.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 41/09; B. v. 30.11.2009 - Az.: 21.VK -<br />

3194 - 40/09; VK Südbayern, B. v. 29.07.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-27-05/09; B. v.<br />

13.03.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-02-01/09).<br />

An einer wirksamen Rüge fehlt es daher, wenn diese entweder objektiv nicht als solche<br />

erkennbar ist oder von der Vergabestelle nicht als solche erkannt werden konnte oder<br />

musste, wobei von der Sicht eines verständigen Dritten auszugehen ist. Eine Rüge muss klar<br />

und deutlich in der Weise formuliert sein, dass die Vergabestelle die Erklärung des Bieters<br />

unter Berücksichtigung aller Umstände als solche und als Aufforderung verstehen muss, den<br />

beanstandeten Verstoß zu beseitigen (1. VK Sachsen, B. v. 15.05.2007 - Az.: 1/SVK/028-07;<br />

B. v. 26.06.2006 – Az.: 1/SVK/071-06; B. v. 21.04.2004 - Az.: 1/SVK/029-04; VK Hessen,<br />

B. v. 17.08.2009 - Az.: 69 d VK – 25/2009; B. v. <strong>19.</strong>02.2009 - Az.: 69 d VK – 01/2009; B. v.<br />

14.12.2006 – Az.: 69 d VK 62/2006; B. v. 26.3.2003 - Az.: 69 d VK - 13/2003; VK<br />

Nordbayern, B. v. 30.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 41/09; B. v. 30.11.2009 - Az.: 21.VK -<br />

3194 - 40/09).<br />

<strong>19.</strong>5.22.3 Einzelfallbewertung und Beispiele<br />

2982<br />

2983<br />

2984<br />

Ob eine inhaltlich ausreichende Rüge vorliegt, kann jeweils nur im Einzelfall entschieden<br />

werden.<br />

Mit der Rüge, es ist kein Aspekt vorstellbar, unter dem das Angebot eines <strong>Antrag</strong>stellers nicht<br />

das wirtschaftlich günstigste ist, liegt kein zulässiger Nachprüfungsantrag vor, weil der<br />

<strong>Antrag</strong>steller damit eine Rechtsverletzung "ins Blaue hinein" geltend macht. Der<br />

Nachprüfungsantrag enthält keine hinreichenden Anhaltspunkte für den behaupteten<br />

Wertungsfehler (OLG München, B. v. 07.08.2007 - Az.: Verg 08/07; OLG Celle, B. v.<br />

08.03.2007 - Az.: 13 Verg 2/07). Dasselbe gilt, wenn der Bieter geltend macht, nach seinen<br />

Erfahrungen im Zusammenhang mit anderen Ausschreibungsverfahren gebe es auf<br />

Seiten der Bieter allgemeine Unsicherheiten im Umgang mit Verpflichtungserklärungen<br />

und es hätten sich in jüngster Zeit die Entscheidungen zur Problematik der<br />

Verpflichtungserklärungen gehäuft (VK Thüringen, B. v. 23.03.2007 - Az.: 360-4002.20-<br />

874/2007 - 002-SÖM).<br />

Der bloße Hinweis, dass es sich offenbar um ein Missverständnis handele und vorsorglich<br />

Widerspruch angemeldet werde, genügt den Rügeanforderungen nicht. Etwaige Schreiben<br />

an andere Stellen als die Vergabestelle (z.B. politische Beamte oder auch Vergabekammer)<br />

sind für die Erfüllung der Rügepflicht unbeachtlich (VK Hessen, B. v. 11.03.2004 - Az.:<br />

69 d - VK – 06/2004; 2. VK Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 28.11.2008 - Az.: 2 VK 7/08).<br />

Es liegt auch in der Risikosphäre des Bieters, wenn er seine Rüge unpräzise und „am<br />

Thema vorbei“ formuliert und so im Ergebnis dessen eine für ihn unzureichende<br />

Reaktion auf die Rüge erhält (1. VK Sachsen, B. v. 06.04.2009 - Az.: 1/SVK/005-09).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

2984/1<br />

2984/2<br />

2985<br />

2985/1<br />

2985/2<br />

2985/3<br />

2985/4<br />

Der Vortrag, dass das eigene Angebot das wirtschaftlichste gewesen sein müsse, weil<br />

diesem die Mindestsätze der HOAI zugrunde gelegt worden seien, ist nicht geeignet, einen<br />

Vergabeverstoß substantiiert geltend zu machen, sondern stellt eine reine Mutmaßung dar.<br />

Aus dem Umstand, dass das eigene Angebot mit den Mindestsätzen der HOAI kalkuliert<br />

wurde, kann nach Auffassung der Kammer nicht folgen, dass das Angebot der Firma xxx<br />

wegen eines Verstoßes gegen öffentliches Preisrecht vom Vergabeverfahrens auszuschließen<br />

sei oder die <strong>Antrag</strong>sgegnerin eine fehlerhafte Wertung vorgenommen habe. Es sind<br />

verschiedene Gründe denkbar, weshalb ein Mitbieter ein wirtschaftlicheres Angebot<br />

abgegeben hat (VK Baden-Württemberg, B. v. 05.10.2009 - Az.: 1 VK 53/09).<br />

Eine bloße rechtliche Beurteilung des Verhaltens der Vergabestelle durch einen Bieter<br />

reicht regelmäßig allein nicht aus, um daraus eine Rüge abzuleiten. Vielmehr muss die<br />

Vergabestelle aufgrund der Ausführungen des Unternehmens konkret erkennen können,<br />

welches Verhalten er aus welchen Gründen beanstandet (VK Hessen, B. v. <strong>19.</strong>03.2009 - Az.:<br />

69 d VK – 05/2009).<br />

Auch der bloßen Anfrage, ob die Bewertungsmatrix schon feststeht, kann nicht der<br />

notwendige Inhalt einer Rüge beigemessen werden (Thüringer OLG, B. v. 29.08.2008 - Az.: 9<br />

Verg 5/08).<br />

Die Formulierung „grobe Wettbewerbsverzerrung“ zeigt mit aller Deutlichkeit, dass der<br />

Bieter von einem gravierenden Vergaberechtsverstoß ausgeht; dies genügt (OLG München,<br />

B. v. 29.09.2009 - Az.: Verg 12/09).<br />

Sehr weit geht das Thüringer OLG. Vermerkt ein Bieter im Angebot nur, dass das<br />

Leitfabrikat nicht mehr hergestellt wird, besteht für eine bloße Begründung dafür, warum<br />

nicht das Leitfabrikat, sondern eine Alternative angeboten und auch die Zweifelsregelung<br />

ausgeschlossen wurde, keinerlei Veranlassung. Der betroffene Verkehrskreis wird einen<br />

Vergaberechtsverstoß sehen, wenn ein ausgeschriebenes Produkt überhaupt nicht hergestellt<br />

wird und die Mitteilung eines solchen Sachverhalts natürlich als Rüge und auch als<br />

Abhilfeverlangen und nicht als Erläuterung der Motive für ein konkretes Angebot<br />

verstehen. Ein verständiger Empfänger muss den Vermerk damit als Rüge auslegen<br />

(Thüringer OLG, B. v. 31.08.2009 - Az.: 9 Verg 6/09).<br />

Der Hinweis darauf, dass unklar sei, was mit der bundesweiten Zustellkompetenz<br />

gemeint sei, lässt weder unmittelbar noch mittelbar den Schluss darauf zu, dass der<br />

<strong>Antrag</strong>steller die Forderung selbst als vergabewidrig ansieht, sondern er vielmehr lediglich<br />

eine Aufklärung der Unklarheit erwartet (VK Hessen, B. v. <strong>19.</strong>02.2009 - Az.: 69 d VK –<br />

01/2009).<br />

Eine den Anforderungen des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong> entsprechende Rüge muss erkennen<br />

lassen sein, welcher Sachverhalt aus welchem Grund als Verstoß gegen Vergabevorschriften<br />

angesehen wird. Zwar sind an Form und Inhalt einer Rüge keine besonders hohen<br />

Anforderungen zustellen, jedoch muss bei der Rüge, dass der maßgebliche Schwellenwert<br />

gem. <strong>§</strong> 2 VgV überschritten wird beispielsweise der Hinweis darauf enthalten sein, dass<br />

dies wegen der Einbeziehung auch der Optionsleistungen (<strong>§</strong> 3 Abs. 6 VgV) der Fall<br />

gewesen ist. Allein die Feststellung, die ausgeschriebenen Dienstleistungen würden „den<br />

Schwellenwert des Gesamtauftrages von 206.000,00 Euro“ überschreiten, lässt nicht<br />

erkennen, aufgrund welcher Berechnung im Einzelnen dies der Fall sein soll (VK<br />

Hessen, B. v. 30.03.2009 - Az.: 69 d VK - 66/2008).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

2986<br />

2987<br />

2988<br />

2989<br />

2990<br />

2991<br />

Ist ein Bieter nach seiner Auffassung durch fehlende Pläne an der Ausarbeitung eines<br />

Angebots gehindert, muss er in der Rüge zumindest den kausalen Zusammenhang zur<br />

später behaupteten Unvollständigkeit des Hauptangebotes darlegen (VK Hessen, B. v.<br />

20.10.2004 - Az.: 69 d - VK – 62/2004).<br />

Sehr gering sind die Anforderungen an den notwendigen Inhalt einer Rüge, wenn dem<br />

Auftraggeber schon durch den Vorhalt eines Einspruches und das Begehren, Gründe<br />

der Absage zu erfahren, klar sein kann und muss, dass die Entscheidung beanstandet wird<br />

und eine Anrufung der Kammer droht (VK Baden-Württemberg, B. v. <strong>19.</strong>05.2004 - Az.: 1<br />

VK 25/04).<br />

Ein wiederholter und nachdrücklicher Hinweis auf einen großen Preisunterschied erfüllt<br />

die inhaltlichen Anforderungen an eine Rüge, wenn der Bieter darauf hinweist, dass ein so<br />

großer Preisunterschied der einzelnen Bieter nicht möglich sei. Der mit dem Vergaberecht<br />

vertraute Auftraggeber muss davon ausgehen, dass ein <strong>Antrag</strong>steller mit dieser Formulierung<br />

auf die fehlende Auskömmlichkeit abzielt (1. VK Sachsen, B. v. 10.9.2003 - Az.: 1/SVK/<strong>107</strong>-<br />

03).<br />

Spiegelt die Art und Weise der Rüge in ihrer vermeintlichen Pauschalität nur die<br />

Undifferenziertheit der auftraggeberseitigen Information wider, hat also z.B. ein<br />

Auftraggeber einen Bieter lediglich darüber informiert, dass sein Angebot auf der Grundlage<br />

der bekannt gegebenen Auftragskriterien nicht die höchste Punktzahl erhalten hat, kann der<br />

Auftraggeber bieterseitig keine weitergehenden Darlegungen erwarten (OLG Naumburg,<br />

B. v. 31.03.2008 - Az.: 1 Verg 1/08; 1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 22.11.2007 - Az: 1 VK<br />

LVwA 24/07).<br />

Das Beifügen des Entwurfs der <strong>Antrag</strong>sschrift kann für das Vorliegen einer Rüge<br />

ausreichen, wenn wegen der knappen Zeit bis zur vorgesehenen Zuschlagserteilung keine zu<br />

großen Anforderungen an die Rüge gestellt werden dürfen und der Inhalt der angeblichen<br />

Verfahrensverstöße sich jedenfalls aus der beigefügten <strong>Antrag</strong>sschrift ergibt, in der die<br />

einzelnen Verstöße gegen Regeln des Vergaberechts konkret benannt wurden. Auf eventuelle<br />

Anlagen zum Entwurf des Nachprüfungsantrags, die erst durch die Vergabekammer zugestellt<br />

werden sollten, kommt es nicht wesentlich an, wenn sich die angeblichen Verfahrensfehler<br />

bereits aus der <strong>Antrag</strong>sschrift selbst ergeben (VK Brandenburg, B. v. 26.2.2003 - Az.: VK<br />

77/02).<br />

Die Rechtsprechung verkennt hierbei nicht, dass sich der Bieter gerade in einem VOL –<br />

Verfahren in einer misslichen Situation befindet. Aus dem Vorabinformationsschreiben<br />

des <strong>§</strong> 13 VgV kann er regelmäßig nicht erkennen, warum sein Angebot nicht zum Zuge<br />

gekommen ist, da es meist mehr oder weniger lapidar heißt, dass ein wirtschaftlich<br />

günstigeres Angebot vorgelegen habe. Akteneinsicht in diesem Verfahrensstadium wird<br />

nicht gewährt, so dass der Bieter auf eigene Recherchen angewiesen ist und nicht immer in<br />

der Lage sein wird, den eigentlich bedenklichen Punkt, wie etwa einen ungewöhnlich<br />

niedrigen Preis eines Angebots, zu entdecken. Auf der anderen Seite ist aber auch kein<br />

Grund dafür ersichtlich, dass der Bieter Anspruch auf die Durchführung eines<br />

Nachprüfungsverfahrens haben soll, wenn ihm Anhaltspunkte für einen Vergabeverstoß<br />

fehlen. Allein die Tatsache, dass er den Zuschlag trotz früherer Auftragsdurchführung nicht<br />

erhalten soll, reicht keineswegs aus (OLG München, B. v. 07.08.2007 - Az.: Verg 08/07).<br />

Diese Rechtsprechung ist mit der Einführung des <strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong>, der die Nennung der<br />

Gründe – also mehrerer Gründe – fordert, in der Regel gegenstandslos.


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

2991/1<br />

2991/2<br />

2991/3<br />

2991/4<br />

Wird von dem <strong>Antrag</strong>steller in der Rüge formuliert, dass er davon ausgeht, dass die<br />

Beigeladene die Voraussetzungen, die in der Ausschreibung genannt wurden, nicht erfüllt,<br />

weil er weiter davon ausgeht, dass die Beigeladene zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe<br />

keine genehmigte Umladestation in jedem Landkreis vorweisen konnte, handelt es sich<br />

in diesem Verfahren nicht um eine Rüge „ins Blaue hinein“, sondern um fundierte<br />

Kenntnisse des <strong>Antrag</strong>stellers um die Müllsituation in den Landkreisen des<br />

<strong>Antrag</strong>sgegners (VK Südbayern, B. v. 29.07.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-27-05/09).<br />

Stehen die Rügen unter dem Vorbehalt der vorherigen Beantwortung von Fragen und<br />

der Klärung von einzelnen Punkten und kann damit der Auftraggeber davon ausgehen, dass<br />

die <strong>Antrag</strong>stellerin es ihm überlässt, zunächst die Fragen zu beantworten bzw. die strittigen<br />

Punkte zu klären und dann erst eine entsprechende Rüge erheben bzw. gelten lassen will,<br />

stehen damit die jeweiligen Rügen unter einer Bedingung. Dies widerspricht jedoch dem<br />

Sinn und Zweck und der erforderlichen Eindeutigkeit einer Rüge. Unklar bleibt, ob und<br />

in welchem Umfang die <strong>Antrag</strong>stellerin die jeweils angedrohten bzw. erhobenen Rügen<br />

aufrechterhalten will, wenn die Vergabestelle zwar ihre Fragen beantwortet oder die<br />

Klarstellung herbeiführt, dies aber überhaupt nicht oder nicht in vollem Umfang im Sinne der<br />

<strong>Antrag</strong>stellerin erledigt. Damit wäre eine erneute Überprüfung des Verhaltens der<br />

Vergabestelle - nämlich ihrer Antworten bzw. Stellungnahme – durch die <strong>Antrag</strong>stellerin<br />

erforderlich und eine erneute Willensbildung durch die <strong>Antrag</strong>stellerin erforderlich, ob sie die<br />

Rügen aufrechterhält bzw. in welchem Umfang. Damit sind die Rügen sogar vorsorglich<br />

erhoben worden. Derartige „Vorratsrügen“ sind jedoch nicht zulässig. Eine vorsorgliche<br />

Rüge kann nämlich den situationsbezogenen Interessenausgleich zwischen Auftraggeber und<br />

Bieter nicht schaffen und ist daher mit dem Sinn und Zweck der Gesetzesregelung<br />

unvereinbar (VK Hessen, B. v. 05.11.2009 - Az.: 69 d VK – 39/2009).<br />

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, wenn der <strong>Antrag</strong>steller den einzelnen<br />

Punkten den generellen Obersatz vorangesellt hat, dass er die nachstehenden Fragen als<br />

Rügen im Sinne des Vergaberechts nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> erhebt. Dadurch wird der<br />

Widerspruch nicht aufgelöst. Im Gegenteil: Er selbst bezeichnet denselben Sachverhalt bzw.<br />

dieselbe Formulierung gleichzeitig als Frage und als Rüge. Dies widerspricht jedoch bereits<br />

vom Wortlaut her einer für den Empfänger notwendigen eindeutigen und klaren Erklärung.<br />

(VK Hessen, B. v. 05.11.2009 - Az.: 69 d VK – 39/2009).<br />

In einer Mitteilung, der Bieter komme beim Auftraggeber gern zu einem klärenden<br />

Gespräch vorbei, kommt eine Rüge nicht zum Ausdruck, zumal wenn sich aus dem<br />

Sachverhalt ergibt, dass er auf diese Weise erreichen wollte, eine Klärung bezüglich der<br />

eingereichten Kalkulationsunterlagen herbeizuführen und sich der Bieter im Zeitpunkt der<br />

Rüge noch nicht sicher war, dass eine (vermeintlich) fehlerhafte Angebotswertung durch den<br />

Auftraggeber abschließend stattgefunden hatte (VK Brandenburg, B. v. 01.02.2010 - Az.: VK<br />

1/10).<br />

<strong>19.</strong>5.22.4 „Forderung“ nach einer Änderung der Vergabeentscheidung<br />

2992<br />

Dass eine Vergabestelle gegenüber einem Bewerber bzw. Bieter einer von diesem geäußerten<br />

Bitte um Änderung einer Vergabeentscheidung nicht nachkommen muss, sondern dies<br />

einer – ausdrücklich so genannten - Forderung bedarf, wäre dem zwischen den Beteiligten<br />

bestehenden Vertrauens- und Kooperationsverhältnis in höchstem Maße abträglich und<br />

ist von der die Rügepflicht betreffenden gesetzgeberischen Motivation nicht abgedeckt (VK<br />

Hessen, B. v. 30.03.2004 - Az.: 69 d - VK - 08/2004).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

<strong>19.</strong>5.22.5 " Letzte Chance" für den Auftraggeber<br />

2993<br />

2994<br />

2995<br />

Die Frage, ob Inhalt der Rüge auch sein muss, dass der Vergabestelle mit der Rüge die letzte<br />

Chance zur Fehlerkorrektur gegeben wird, ist umstritten.<br />

Nach einer Auffassung ist für eine Rüge im Sinne des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> unabdingbar, dass<br />

der Bewerber der Vergabestelle unmissverständlich deutlich macht, dass ihr hiermit die letzte<br />

Chance gegeben wird, den vorgetragenen Verstoß gegen Vergaberecht zu korrigieren (OLG<br />

Brandenburg, B. v. 17.02.2005 - Az.: Verg W 11/04; VK Brandenburg, B. v. 01.02.2010 -<br />

Az.: VK 1/10; B. v. 16.12.2004 - Az.: VK 70/04; B. v. 18.11.2004 - Az.: VK 66/04; VK<br />

Lüneburg, B. v. 17.10.2003 - Az.: 203-VgK-23/2003; VK Magdeburg, B. v. 27.8.2003 - Az.:<br />

33-32571/07 VK 13/03 MD; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 14.5.2002 - Az.: VK 11/02, B. v.<br />

25.4.2003 - Az.: VK 5/03; VK Südbayern, B. v. 29.05.2006 - Az.: 09-04/06; B. v. 6.5.2002 -<br />

Az.: 12-04/02, anders B. v. 17.7.2003 - Az.: 24-06/03). Dieses Erfordernis folgt<br />

unmittelbar aus dem Sinn und Zweck der Rügepflicht, wie ihn auch der Gesetzgeber in<br />

der Regierungsbegründung zum Ausdruck gebracht hat. Zweck der Rügepflicht ist es<br />

demnach, der Vergabestelle Anlass und Gelegenheit zu geben, einen Verstoß gegen<br />

Vergabevorschriften nach nochmaliger Überprüfung ihrer Entscheidungen im<br />

Vergabeverfahren zu erkennen und ihn zu korrigieren, ohne dass es des regelmäßig mit<br />

erheblichen Verzögerungen verbundenen Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer<br />

bedarf. Dementsprechend muss die Rüge hinreichend deutlich erkennen lassen, dass ein<br />

bestimmtes - vom Bieter näher zu bezeichnendes - Verhalten als vergaberechtswidrig getadelt<br />

und Abhilfe erwartet wird (VK Südbayern, B. v. 29.05.2006 - Az.: 09-04/06).<br />

Das KG Berlin (B. v. 22.8.2001 - Az.: KartVerg 03/01) teilt diese Ansicht nicht. Eine solche<br />

Forderung ergibt sich weder aus dem Gesetz, noch aus der Begründung des<br />

Regierungsentwurfs (BT-Drs. 13/9340 S. 17 zu RegE <strong>§</strong> 117). Danach muss der Bieter der<br />

Vergabestelle zwar Gelegenheit geben, den Fehler zu beheben. Davon, ihr die<br />

Inanspruchnahme von Rechtsschutz für den Fall der Nichtabhilfe zudrohen, ist dort aber nicht<br />

die Rede. Diese Forderung lässt sich auch nicht aus Sinn und Zweck der<br />

Rügeobliegenheit ableiten. Dieser erschöpft sich darin, der Vergabestelle die Beanstandung<br />

aufzuzeigen. Die von der Vergabestelle getroffene Unterscheidung zwischen Rügen im<br />

Rechtssinne (<strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong>) und sonstigen Beanstandungsschreiben ("<br />

Meckerschreiben"), die die Bieter häufig an die Vergabestelle adressierten, ohne dass die<br />

Absender ernsthaft das Verhalten der Vergabestelle im Vergabeverfahren angreifen wollten,<br />

führt nicht weiter. Ob sich ein Anliegen als erheblich oder unerheblich darstellt, ist eine<br />

Frage, die von Art und Inhalt der Beanstandung abhängt und nicht davon, ob der<br />

Beschwerdeführer die umgehende Anrufung der VK in Aussicht stellt oder nicht.<br />

<strong>19.</strong>5.22.6 Androhung der Anrufung der Vergabekammer<br />

2996<br />

Mangels eines gesetzlichen Anhaltspunktes ist nicht zu fordern, dass auch das finale<br />

Element einer Anrufung der Vergabekammer in Aussicht gestellt werden muss (OLG<br />

München, B. v. 05.11.2009 - Az.: Verg 15/09; B. v. 29.09.2009 - Az.: Verg 12/09; 1. VK<br />

Sachsen, B. v. 10.4.2002 - Az.: 1/SVK/23-02, 1/SVK/23-02G).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

<strong>19.</strong>5.22.7 Anforderungen an die Rüge bei einem "nachprüfungserfahrenen"<br />

Bieter<br />

2997<br />

Bei der Frage, welche Anforderungen inhaltlich an eine Rüge zu stellen sind, ist auch die<br />

Persönlichkeit des <strong>Antrag</strong>stellers zu beachten. Handelt es sich um eine Firma, die bereits<br />

mehrfach Partei von Nachprüfungsverfahren war, ist dies allein zwar keinesfalls eine<br />

vorwerfbare Tatsache, aber die von dem <strong>Antrag</strong>steller aus diesen Nachprüfungsverfahren<br />

gewonnenen Kenntnisse beeinflussen maßgeblich die Anforderungen, die an Qualität und<br />

Unverzüglichkeit des Rügevortrags zu stellen sind: Der Geschäftsführer der <strong>Antrag</strong>stellerin<br />

ist, auch ohne anwaltliche Beratung, in der Lage, ein Vergabeverfahren aus rechtlicher Sicht<br />

zu bewerten und dessen Kosten abzuschätzen. Dies gilt umso mehr, wenn es um die<br />

Bewertung von Nebenangeboten gilt. Eine Rüge kann ferner ohne Kosten oder weitere<br />

Rechtsfolgen angebracht werden, auch dann, wenn zum Zeitpunkt der Rüge noch keine<br />

abschließende Meinungsbildung erfolgt ist (1. VK Sachsen, B. v. 16.4.2003 - Az.:<br />

1/SVK/027-03).<br />

<strong>19.</strong>5.22.8 Keine Notwendigkeit eines Dialogs mit dem Auftraggeber<br />

2998<br />

Zwar ist Sinn der Rügeverpflichtung, dass dem Auftraggeber die Möglichkeit eingeräumt<br />

wird, Abhilfe zu schaffen. Ist aber nach dem Antwortschreiben des Auftraggebers<br />

deutlich, dass dieser zu einer Abhilfe nicht bereit ist, ist in einem solchen Fall der<br />

Bewerber nicht verpflichtet, in einen Dialog mit der Vergabestelle einzutreten. Vielmehr<br />

hat er jetzt die Entscheidung zu treffen, ob er einen Nachprüfungsantrag stellen oder auf ihn<br />

aus welchen Gründen auch immer verzichten will. Dem Auftraggeber ist diese Folge auch<br />

bewusst, weil das rügende Unternehmen im Rügeschreiben ja bereits für den Fall der<br />

Nichtabhilfe die Stellung eines Nachprüfungsantrages angedroht hat. Wird den Rügen nicht<br />

abgeholfen, kann der Auftraggeber daher nicht damit rechnen, dass der rügende Bieter<br />

ihm nochmals vor der zu treffenden Entscheidung über die Durchführung eines<br />

Nachprüfungsverfahrens antwortet. Dies kann er auch deshalb nicht, weil der Bieter in<br />

aller Regel wegen des drohenden Zuschlags unter einem erheblichen Zeitdruck steht (OLG<br />

München, B. v. 26.06.2007 - Az.: Verg 6/07; VK Berlin, B. v. 18.03.2009 - Az.: VK B 2<br />

30/08).<br />

<strong>19.</strong>5.22.9 Anforderungen an ein Erwiderungsschreiben des Bieters auf eine<br />

Antwort des Auftraggebers zu einer Rüge<br />

2999<br />

2999/1,2<br />

Die inhaltlichen Anforderungen an eine Rüge muss auch ein Erwiderungsschreiben des<br />

Bieters erfüllen, das auf eine aus Sicht des Bieters unbefriedigende Antwort des<br />

Auftraggebers auf eine erste Rüge ergeht (VK Brandenburg, B. v. 16.12.2004 - Az.: VK<br />

70/04).<br />

Enthält also die Antwort der Vergabestelle auf eine Rüge nach Auffassung des<br />

<strong>Antrag</strong>stellers weitere Vergabeverstöße, müssen diese ebenfalls gerügt werden, falls<br />

hierauf der Nachprüfungsantrag gestützt werden soll (VK Hessen, B. v. 09.10.2009 - Az.: 69<br />

d VK – 36/2009).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

<strong>19.</strong>5.22.10 Notwendige Kongruenz zwischen Rüge und Rechtsschutzziel im<br />

Nachprüfungsverfahren<br />

2999/1<br />

2999/2<br />

Die vom Bieter erhobene zulässige Rüge betreffend die Wertung seines Angebots kann<br />

einem Nachprüfungsantrag nicht zum Erfolg verhelfen, der nicht auf die Wiederholung<br />

der Wertung, sondern auf Neudurchführung des Vergabeverfahrens insgesamt abzielt<br />

(OLG Brandenburg, B. v. 15.09.2009 - Az.: Verg W 13/08).<br />

Rügt ein Bieter eine unzureichende Information nach <strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong> und erteilt der<br />

Auftraggeber daraufhin nähere Auskünfte, die dazu führen, dass der Bieter im<br />

Nachprüfungsverfahren Wertungsfehler angreift, ist die Rügepflicht nicht erfüllt, wenn der<br />

Bieter nach seiner Auffassung sich aus der Aufklärung ergebende Wertungsfehler nicht<br />

ebenfalls unverzüglich rügt. Der Gegenstand der Rüge und der Gegenstand des<br />

Nachprüfungsantrags müssen identisch sein (1. VK Sachsen, B. v. 25.09.2009 - Az.:<br />

1/SVK/038-09). Der Bieter ist deshalb präkludiert, soweit er Wertungsfehler beanstandet<br />

(OLG Frankfurt, B. v. 08.12.2009 - Az.: 11 Verg 6/09).<br />

<strong>19.</strong>5.22.11 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

3000<br />

• Rügen sind jedenfalls dann unzureichend, wenn sie nur „ins Blaue hinein“ erhobene<br />

Vorwürfe enthalten, denen keinerlei konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für einen<br />

möglichen Vergaberechtsverstoß zugrund liegen. Rügen dürfen nicht lediglich völlig<br />

pauschal und indifferenziert sein. Maßstab für die Anforderungen an den<br />

inhaltlichen Gehalt einer Rüge kann aber stets nur der Grad der Kenntnis des<br />

Bieters von der dem geltend gemachten Vergaberechtsverstoß zugrunde<br />

liegenden Tatsachenlage sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Bieter, wie in<br />

der Regel alle Bieter in einem Vergabeverfahren, zu den Submissionsterminen<br />

lediglich Kenntnis von der ungeprüften Angebotssumme der Konkurrenten erhält.<br />

Ferner erhalten die Bieter gem. <strong>§</strong> 22 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A Kenntnis darüber, ob und<br />

von wem Nebenangebote eingereicht worden sind. Über den Inhalt der<br />

Nebenangebote der Konkurrenz erhalten die Bieter im Zuge des<br />

Vergabeverfahrens keine Kenntnis. Selbst im Rahmen eines<br />

Nachprüfungsverfahrens wird im Zuge der Akteneinsicht gem. <strong>§</strong> 111 <strong>GWB</strong> kein<br />

Einblick in die Originalangebote gewährt. Auch ist zu berücksichtigen, wenn sich<br />

ein <strong>Antrag</strong>steller nicht auf eine pauschale Anfechtung der Nebenangebote<br />

beschränkt hat, sondern seine Vermutung im Rügeschreiben vielmehr<br />

ausdrücklich auf den ihm bekannten Preisabstand zwischen den Hauptangeboten<br />

zweier Bieter gestützt und unter ausführlicher Darlegung der vom Auftraggeber<br />

festgelegten Anforderungen an den Gleichwertigkeitsnachweis für Nebenangebote<br />

seine Bedenken gegen eine Berücksichtigung von Nebenangeboten im erforderlichen<br />

kostenreduzierenden Wertumfang von über xxxxxx Euro geltend gemacht (VK<br />

Niedersachsen, B. v. 08.01.2010 - Az.: VgK-68/2009)<br />

• insbesondere im Bereicht der VOL/A dürfen die Rüge- und<br />

Darlegungsobliegenheiten eines <strong>Antrag</strong>stellers, wenn es um Vergabeverstöße geht,<br />

die sich ausschließlich in der Sphäre der Vergabestelle abspielen oder das<br />

Angebot eines Mitbewerbers betreffen, nicht so hoch angesetzt werden, denn von<br />

solchen Umständen, hat der Bieter typischerweise keine Kenntnis und kann sie bei<br />

gewöhnlichem Verfahrensverlauf auch nicht haben; infolgedessen kann ihm nicht


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

generell abverlangt werden, hierzu konkrete Behauptungen aufzustellen. Etwas<br />

anderes zu verlangen hieße, die Gewährleistung eines sachgerechten<br />

Rechtsschutzes in vielen ähnlich gelagerten Fällen in Frage zu stellen (1. VK<br />

Sachsen, B. v. 25.11.2009 - Az.: 1/SVK/051-09)<br />

• eine Rüge ist dann ausreichend substantiiert, wenn der Bieter konkrete Tatsachen<br />

benennt, aus welchen sich der Verdacht eines Vergaberechtsverstoßes ergibt. Im<br />

Vergabenachprüfungsverfahren darf auch behauptet werden, was der Betreffende<br />

aus seiner Sicht der Dinge für wahrscheinlich oder möglich hält. Nur eine<br />

willkürliche, aufs Geradewohl oder ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung ist<br />

allerdings unzulässig und damit unbeachtlich. Zugleich soll der Vergabestelle die<br />

Möglichkeit gegeben werden, eigene Fehler frühzeitig zu erkennen und zu korrigieren,<br />

um so ebenfalls Nachprüfungsverfahren zu vermeiden. In der Rüge muss daher zum<br />

Ausdruck kommen, dass der Rügende den Gegner auffordert, den vermeintlichen<br />

Vergaberechtsverstoß abzustellen (VK Berlin, B. v. 18.03.2009 - Az.: VK B 2<br />

30/08)<br />

• weist ein <strong>Antrag</strong>steller auf die nach seiner Auffassung defizitäre Gestaltung des<br />

Wertungssystems durchgängig in jedem seiner Schreiben an die Auftraggeberin<br />

hin, ist es vor diesem Hintergrund nicht erforderlich, dass der <strong>Antrag</strong>steller auf<br />

jede neue, der Präzisierung dienende Information zum Wertungssystem eine<br />

erneute Rüge gegenüber der Auftraggeberin ausspricht, wenn dieses System aus<br />

Sicht des <strong>Antrag</strong>stellers defizitär bleibt. Insofern ist ausreichend, dass der<br />

<strong>Antrag</strong>steller deutlich macht, dass er seine Kritik aufrechterhält (VK Niedersachsen,<br />

B. v. 22.10.2009 - Az.: VgK-49/2009)<br />

• die ASt hat lediglich pauschal angegriffen, dass die VSt "ca."-Angaben in Verbindung<br />

mit Mindestforderungen verwendet habe, ohne dass sie substantiiert geltend gemacht<br />

hat, in welchen Positionen sie hier an einer Kalkulation und Angebotsabgabe<br />

gehindert gewesen sei. Für eine substantiierte Rüge hätte es der Darlegung<br />

bedurft, in welchen konkreten Positionen die ASt andere Fabrikate/Typen<br />

angeboten hätte, wenn die jeweilige Leistung ohne den Zusatz "ca."<br />

ausgeschrieben gewesen wäre (VK Nordbayern, B. v. 21.07.2008 - Az.: 21.VK -<br />

3194 - 27/08)<br />

• wird ein Verstoß gegen die Produktneutralität der Ausschreibung gerügt, ist<br />

zumindest das Leitfabrikat zu nennen, welches der Ausschreibung zugrunde<br />

liegen soll. Ist das Leitfabrikat nicht ausdrücklich im Leistungsverzeichnis benannt,<br />

müssen Angaben dazu erfolgen, welches Leitfabrikat an welchen Stellen verdeckt<br />

in der Leistungsbeschreibung enthalten sein soll. Nur dann, wenn diese Punkte<br />

offen gelegt werden, ist dem Auftraggeber eine Prüfung und mögliche Heilung des<br />

Verstoßes möglich (OLG München, B. v. 02.08.2007 - Az.: Verg 07/07; VK<br />

Nordbayern, B. v. 21.07.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 27/08)<br />

<strong>19.</strong>5.23 Positive Kenntnis des <strong>Antrag</strong>stellers von einem Verstoß gegen<br />

Vergabebestimmungen und fehlende unverzügliche Rüge gegenüber<br />

dem Auftraggeber (<strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 1)<br />

<strong>19.</strong>5.23.1 Positive Kenntnis von einem Verstoß gegen<br />

Vergabebestimmungen


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

<strong>19.</strong>5.23.1.1 Rechtsprechung des EuGH zur positiven Kenntnis<br />

3000/1<br />

Allein der Umstand, dass ein Bewerber oder Bieter erfährt, dass seine Bewerbung oder<br />

sein Angebot zurückgewiesen worden ist, versetzt ihn nicht in die Lage, wirksam mit<br />

einem Nachprüfungsantrag dagegen vorzugehen. Solche Informationen genügen für einen<br />

Bewerber oder Bieter nicht, um gegebenenfalls einen anfechtbaren Rechtsverstoß erkennen zu<br />

können. Ein betroffener Bewerber oder Bieter kann sich erst dann darüber klar werden, ob<br />

etwa ein Verstoß gegen die anwendbaren Vorschriften vorliegt und die <strong>Einleitung</strong> eines<br />

Nachprüfungsverfahrens angebracht ist, nachdem er von den Gründen in Kenntnis gesetzt<br />

worden ist, aus denen seine Bewerbung oder sein Angebot in dem Verfahren zur<br />

Vergabe eines öffentlichen Auftrags abgelehnt wurde. Daraus folgt, dass das Ziel der<br />

Rechtsmittelrichtlinie, das Bestehen wirksamer Nachprüfungsmöglichkeiten bei Verstößen<br />

gegen die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge sicherzustellen, nur dann<br />

erreicht werden kann, wenn die Fristen, die für die <strong>Einleitung</strong> der Nachprüfung<br />

vorgeschrieben sind, erst ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnen, zu dem der Kläger von<br />

dem geltend gemachten Verstoß gegen die genannten Vorschriften Kenntnis erlangt hat<br />

oder hätte erlangen müssen (EuGH, Urteil v. 28.01.2010 - Az.: C-406/08).<br />

<strong>19.</strong>5.23.1.2 Grundsätze nach nationalem Recht<br />

3001<br />

Nach der Vorschrift des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 ist der Nachprüfungsantrag unzulässig,<br />

soweit der <strong>Antrag</strong>steller den gerügten Verstoß gegen Vergabebestimmungen bereits im<br />

Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber nicht<br />

unverzüglich gerügt hat. Erforderlich ist dabei die positive Kenntnis von dem<br />

Rechtsverstoß. Zur Kenntnis gehört zum einen das Wissen von denjenigen Tatsachen, aus<br />

denen sich der geltend gemachte Vergabefehler ergibt; notwendig ist außerdem die<br />

zumindest laienhafte rechtliche Wertung, dass es sich in dem betreffenden Punkt um ein<br />

rechtlich zu beanstandendes Vergabeverfahren handelt (BGH, B. v. 26.09.2006 - Az.: X<br />

ZB 14/06; OLG Brandenburg, B. v. 15.09.2009 - Az.: Verg W 13/08; OLG Celle, B. v.<br />

13.12.2007 - Az.: 13 Verg 10/07; B. v. 05.07.2007 - Az.: 13 Verg 8/07; OLG Dresden, B. v.<br />

23.04.2009 - Az.: WVerg 0011/08; OLG Düsseldorf, B. v. 02.11.2009 - Az.: VII-Verg 12/09;<br />

B. v. 10.09.2009 - Az.: VII-Verg 12/09; B. v. 04.05.2009 - Az.: VII-Verg 68/08; B. v..<br />

11.02.2009 - Az.: VII-Verg 64/08; B. v. 08.12.2008 - Az.: VII-Verg 55/08; B. v. 27.02.2008 -<br />

Az.: VII-Verg 41/07; B. v. 23.01.2008 - Az.: VII - Verg 31/07; B. v. 13.06.2007 - Az.: VII -<br />

Verg 2/07; B. v. 02.05.2007 - Az.: VII - Verg 1/07; B. v. 05.12.2006 - Az.: VII - Verg 56/06;<br />

B. v. 27.07.2006 - Az.: VII - Verg 23/06; B. v. <strong>19.</strong>07.2006 - Az.: VII - Verg 27/06; B. v.<br />

08.09.2005 - Az.: Verg 35/04; B. v. 16.02.2005 - Az.: VII - Verg 74/04; OLG Frankfurt, B. v.<br />

15.07.2008 - Az.: 11 Verg 4/08; B. v. 10.06.2008 - Az.: 11 Verg 3/08; OLG Koblenz, B. v.<br />

03.04.2008 - Az.: 1 Verg 1/08; OLG München, B. v. 16.04.2009 - Az.: Verg 03/09; B. v.<br />

13.04.2007 - Az.: Verg 01/07; BayObLG, B. v. 15.09.2004 - Az.: Verg 026/03, B. v. 9.3.2004<br />

- Az.: Verg 20/03; OLG Naumburg, B. v. 29.10.2009 - Az.: 1 Verg 5/09; B. v. 18.07.2006 -<br />

Az.: 1 Verg 4/06; OLG Rostock, B. v. 06.03.2009 - Az.: 17 Verg 1/09; OLG Thüringen, B. v.<br />

30.03.2009 - Az.: 9 Verg 12/08; B. v. 16.1.2002 - Az.: 6 Verg 7/01; LSG Nordrhein-<br />

Westfalen, B. v. 06.08.2009 - Az.: L 21 KR 52/09 SFB; VK Arnsberg, B. v. 02.05.2008 - Az.:<br />

VK 08/08; B. v. 10.01.2008 - Az.: VK 42/07; B. v. 08.08.2006 - Az.: VK 21/06; B. v.<br />

31.07.2006 - Az.: VK 20/06; B. v. 13.06.2006 - Az.: VK 10/06; B. v. 10.03.2006 - Az.: VK<br />

03/06; VK Baden-Württemberg, B. v. 10.09.2009 - Az.: 1 VK 49/09; B. v. 20.05.2009 - Az.:<br />

1 VK 18/09; B. v. 11.04.2008 - Az.: 1 VK 09/08; B. v. 30.03.2007 - Az.: 1 VK 06/07; B. v.<br />

<strong>19.</strong>03.2007 - Az.: 1 VK 07/07, 08/07; B. v. 13.02.2006 - Az.: 1 VK 1/06; B. v. 18.10.2005 -<br />

Az.: 1 VK 62/05; B. v. 05.09.2005 - Az.: 1 VK 51/05; VK Berlin, B. v. 02.06.2009 - Az.: VK


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

B 2 - 12/09; B. v. 20.04.2009 - Az.: VK - B 2 - 10/09; VK Brandenburg, B. v. 17.12.2009 -<br />

Az.: VK 21/09; B. v. 29.01.2009 - Az.: VK 47/08; B. v. <strong>19.</strong>12.2008 - Az.: VK 40/08; B. v.<br />

vom 03.04.2008 - Az.: VK 4/08; B. v. 28.01.2008 - Az.: VK 59/07; B. v. 22.11.2007 - Az.:<br />

VK 43/07; B. v. 11.09.2006 - Az.: 2 VK 34/06, 1 VK 35/06; B. v. 21.12.2005 - Az.: 1 VK<br />

79/05; B. v. 08.09.2004 - Az.: VK 33/04; 1. VK Bund, B. v. 05.03.2010 - Az.: VK 1 - 16/10;<br />

B. v. 05.03.2007 - Az.: VK 1 – 139/06; B. v. 03.01.2007 - Az.: VK 1 - 142/06; B. v.<br />

14.07.2005 - Az.: VK 1 - 50/05; 2. VK Bund, B. v. 15.05.2009 - Az.: VK 2 – 21/09; B. v.<br />

16.09.2008 - Az.: VK 2 – 97/08; B. v. 10.04.2008 - Az.: VK 2 - 37/08; B. v. 15.11.2007 - Az.:<br />

VK 2 - 123/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 120/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 117/07,<br />

B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 114/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 108/07, B. v.<br />

15.11.2007 - Az.: VK 2 - 105/07; B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 102/07; B. v. 13.07.2007 -<br />

Az.: VK 2 - 66/07; B. v. 13.06.2007 - Az.: VK 2 - 51/07; B. v. 15.03.2007 - Az.: VK 2 –<br />

12/07; B. v. 03.04.2006 - Az.: VK 2 - 14/06; B. v. 29.03.2006 - Az.: VK 2 - 11/06; B. v.<br />

28.02.2006 - Az.: VK 2 - 154/04; B. v. 26.01.2006 - Az.: VK 2 - 165/05 – instruktives<br />

Beispiel für die notwendige Abwägung; B. v. 28.09.2005 - Az.: VK 2 – 120/05; B. v.<br />

06.06.2005 - Az.: VK 2 - 33/05; B. v. 20.05.2005 - Az.: VK 2 – 30/05; B. v. 17.03.2005 - Az.:<br />

VK 2 - 09/05; B. v. 8.8.2003 - Az.: VK 2 - 52/03; 3. VK Bund, B. v. 26.05.2008 - Az.: VK 3 -<br />

59/08; B. v. 08.01.2008 - Az.: VK 3 - 148/07; B. v. 14.11.2007 - Az.: VK 3 - 124/07; B. v.<br />

06.07.2007 - Az.: VK 3 - 58/07; B. v. 07.08.2006 - Az.: VK 3 - 93/06; B. v. 07.08.2006 - Az.:<br />

VK 3 - 78/06; B. v. 07.06.2006 - Az.: VK 3 - 33/06; VK Düsseldorf, B. v. 28.01.2010 - Az.:<br />

VK - 37/2009 – B; B. v. 24.11.2009 - Az.: VK – 26/2009 – L; B. v. 12.11.2009 - Az.: VK –<br />

21/2009 – L; B. v. 07.10.2009 - Az.: VK – 31/2009 – L; B. v. 08.09.2009 - Az.: VK –<br />

17/2009 – L; B. v. 20.08.2009 - Az.: VK – 13/2009 – L; B. v. 29.04.2009 - Az.: VK - 2/2009<br />

– L; B. v. 21.01.2009 - Az.: VK – 43/2008 – L; B. v. 31.10.2008 - Az.: VK – 22/2008 – B; B.<br />

v. 15.08.2008 - Az.: VK – 18/2008 – L; B. v. 26.06.2008 - Az.: VK - 23/2008 – L; B. v.<br />

02.06.2008 - Az.: VK – 15/2008 – L; B. v. 23.05.2008 - Az.: VK - 7/2008 – L; B. v.<br />

28.09.2007 - Az.: VK - 27/2007 – B; B. v. 24.08.2007 - Az.: VK - 24/2007 – L; B. v.<br />

02.08.2007 - Az.: VK - 23/2007 – B; B. v. 24.04.2007 - Az.: VK - 11/2007 – L; B. v.<br />

<strong>19.</strong>04.2007 - Az.: VK - 10/2007 – B; B. v. 29.03.2007 - Az.: VK - 08/2007 – B; B. v.<br />

27.11.2006 - Az.: VK – 47/2006 – L; B. v. 11.08.2006 - Az.: VK - 30/2006 – L; B. v.<br />

26.05.2006 - Az.: VK - 22/2006 – L; B. v. 02.05.2006 - Az.: VK - 17/2006 – B; B. v.<br />

27.04.2006 - Az.: VK - 12/2006 - L; B. v. 16.02.2006 - Az.: VK - 02/2006 – L; B. v.<br />

28.11.2005 - Az.: VK - 40/2005 – B; VK Hessen, B. v. 17.08.2009 - Az.: 69 d VK – 25/2009;<br />

B. v. <strong>19.</strong>03.2009 - Az.: 69 d VK – 05/2009; B. v. 31.03.2008 - Az.: 69 d VK - 9/2008; B. v.<br />

14.02.2005 - Az.: 69 d VK - 90/2004; B. v. 5.5.2003 - Az.: 69 d VK - 16/2003; VK Lüneburg,<br />

B. v. 27.10.2006 - Az.: VgK-26/2006; B. v. 10.10.2006 - Az.: VgK-23/2006; B. v. 08.05.2006<br />

- Az.: VgK-07/2006; B. v. 10.03.2006 - Az.: VgK-06/2006; B. v. 07.06.2005 - Az.: VgK-<br />

21/2005; B. v. 26.05.2005 - Az.: VgK-20/2005; 2. VK Mecklenburg-Vorpommern, B. v.<br />

28.11.2008 - Az.: 2 VK 7/08; B. v. 07.01.2008 - Az.: 2 VK 5/07; VK Münster, B. v.<br />

09.10.2009 - Az.: VK 19/09; B. v. 26.08.2009 - Az.: VK 11/09; B. v. 12.05.2009 - Az.: VK<br />

5/09; B. v. 13.02.2008 - Az.: VK 29/07; B. v. 28.06.2007 - Az.: VK 10/07; B. v. 30.03.2007 –<br />

Az.: VK 04/07; B. v. 05.04.2006 - Az.: VK 5/06; B. v. 25.01.2006 - Az.: VK 23/05; B. v.<br />

10.2.2004 - Az.: VK 01/04; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 12.04.2005 - Az.: VK 11/05; 1. VK<br />

Sachsen, B. v. <strong>19.</strong>05.2009 - Az.: 1/SVK/008-09; B. v. 25.06.2008 - Az.: 1/SVK/029-08; B. v.<br />

03.03.2008 - Az.: 1/SVK/002-08; B. v. 17.12.2007 - Az.: 1/SVK/073-07; B. v. 10.04.2007 –<br />

Az.: 1/SVK/020-07; B. v. 09.11.2006 - Az.: 1/SVK/095-06; B. v. 21.03.2006 - Az.:<br />

1/SVK/012-06; B. v. 06.04.2005 - Az.: 1/SVK/022-05; B. v. 31.01.2005 - Az.: 1/SVK/144-<br />

04; 1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 05.05.2008 - Az.: 1 VK LVwA 03/08; B. v. 07.03.2006 - Az:<br />

1 VK LVwA 01/06; B. v. 23.12.2005 - Az.: 1 VK LVwA 43/05; B. v. 09.12.2005 – Az.: 1<br />

VK LVwA 42/05; B. v. 17.03.2005 - Az: 1 VK LVwA 02/05; 2. VK Sachsen-Anhalt, B. v.<br />

13.04.2006 - Az.: VK 2-LVwA LSA 7/06; VK Schleswig-Holstein, B. v. 22.01.2010 - Az.:


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

VK-SH 26/09; B. v. 22.07.2009 - Az.: VK-SH 06/09; B. v. 07.07.2009 - Az.: VK-SH 05/09;<br />

B. v. 20.01.2009 - Az.: VK-SH 17/08; B. v. 03.12.2008 - Az.: VK-SH 12/08; B. v. 17.09.2008<br />

- Az.: VK-SH 10/08; B. v. 14.05.2008 - Az.: VK-SH 06/08; B. v. 05.07.2007 - Az.: VK-SH<br />

13/07; B. v. 28.03.2007 – Az.: VK-SH 04/07; B. v. 12.06.2006 - Az.: VK-SH 12/06; B. v.<br />

21.12.2005 - Az.: VK-SH 29/05; VK Südbayern, B. v. 06.05.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-14-<br />

04/09; B. v. 12.06.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-20-05/09; B. v. 29.04.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-<br />

11-03/09; B. v. 13.03.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-02-01/09; B. v. 16.01.2009 - Az.: Z3-3-3194-<br />

1-46-12/09; B. v. 23.11.2006 - Az.: 32-10/06; B. v. 02.12.2005 - Az.: Z3-3-3194-1-48-10/05;<br />

B. v. 28.10.2005 - Az.: Z3-3-3194-1-44-09/05; B. v. 11.08.2005 - Az.: 35-07/05; B. v.<br />

22.07.2005 - Az.: 26-05/05; B. v. 13.07.2005 - Az.: 31-06/05; B. v. 03.05.2005 - Az.: 15-<br />

03/05; B. v. 03.02.2005 - Az.: 79-12/04; B. v. 14.12.2004 - Az.: 70-10/04; B. v. 14.12.2004 -<br />

Az.: 69-10/04; B. v. 14.12.2004 - Az.: 68-10/04; B. v. <strong>19.</strong>10.2004, Az.: 120.3-3194.1-60-<br />

08/04; ähnlich OLG Bremen, B. v. 03.04.2007 - Az.: Verg 2/07).<br />

3002<br />

3003<br />

Das OLG Koblenz fasst in einer älteren Entscheidung die Voraussetzungen einer Kenntnis<br />

dahingehend zusammen, dass von einer Kenntnis des Vergabeverstoßes in der Regel nur<br />

gesprochen werden kann, wenn dem Bieter einerseits die den Verstoß begründenden<br />

Tatsachen bekannt sind und andererseits diese Tatsachen jedenfalls bei objektiver<br />

Wertung einen Mangel des Vergabeverfahrens darstellen (OLG Koblenz, B. v.<br />

31.05.2006 - Az.: 1 Verg 3/06).<br />

Verschiedene Vergabesenate und Vergabekammern lassen das Wissen um einen<br />

Sachverhalt, der aus subjektiver Sicht des Bieters den Schluss auf einen<br />

Vergaberechtsverstoß erlaubt, und der es bei vernünftiger Betrachtung als gerechtfertigt<br />

erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden, genügen (OLG<br />

Celle, B. v. 05.07.2007 - Az.: 13 Verg 8/07; OLG Karlsruhe, B. v. 09.03.2007 - Az.: 17 Verg<br />

3/07; B. v. 06.02.2007 - Az.: 17 Verg 7/06; OLG München, B. v. 23.06.2009 - Az.: Verg<br />

08/09; B. v. 02.03.2009 - Az.: Verg 01/09; B. v. 17.09.2007 - Az.: Verg 10/07; VK Arnsberg,<br />

B. v. 20.05.2009 - VK 11/09; VK Baden-Württemberg, B. v. 10.09.2009 - Az.: 1 VK 49/09;<br />

B. v. 26.08.2009 - Az.: 1 VK 43/09; B. v. 21.08.2009 - Az.: 1 VK 40/09; B. v. 28.05.2009 -<br />

Az.: 1 VK 21/09; B. v. 13.02.2006 - Az.: 1 VK 1/06; VK Hessen, B. v. 09.10.2009 - Az.: 69 d<br />

VK – 36/2009; B. v. 21.04.2008 - Az.: 69 d VK - 15/2008; VK Lüneburg, B. v. 04.09.2008 -<br />

Az.: VgK-29/2008; B. v. 21.07.2008 - Az.: VgK-25/2008; B. v. 30.06.2008 - Az.: VgK-<br />

07/2008; B. v. 26.06.2008 - Az.: VgK-23/2008; B. v. 15.05.2008 - Az.: VgK-12/2008; B. v.<br />

05.03.2008 - Az.: VgK-03/2008; B. v. 01.02.2008 - Az.: VgK-48/2007; B. v. 18.10.2007 -<br />

Az.: VgK-40/2007; B. v. 06.09.2007 - Az.: VgK-36/2007; B. v. 26.06.2007 - Az.: VgK-<br />

29/2007; B. v. 12.06.2007 - Az.: VgK-23/2007; B. v. 08.06.2007 - Az.: VgK-24/2007; B. v.<br />

17.04.2007 - Az.: VgK-11/2007; B. v. 23.02.2007 - Az.: VgK-06/2007; B. v. 11.01.2007 -<br />

Az.: VgK-36/2006; B. v. 11.12.2006 - Az.: VgK-31/2006; B. v. 10.10.2006 - Az.: VgK-<br />

23/2006; B. v. 11.08.2005 - Az.: VgK-33/2005; B. v. <strong>19.</strong>04.2005 - Az.: VgK-11/2005; VK<br />

Niedersachsen, B. v. 15.01.2010 - Az.: VgK-74/2009; B. v. 16.11.2009 - Az.: VgK-62/2009;<br />

B. v. 22.10.2009 - Az.: VgK-49/2009; B. v. 04.09.2009 - Az.: VgK-37/2009; B. v. 27.08.2009<br />

- Az.: VgK-35/2009; B. v. 07.08.2009 - Az.: VgK - 32/2009; B. v. 08.07.2009 - Az.: VgK-<br />

29/2009; B. v. 03.07.2009 - Az.: VgK-30/2009; B. v. 24.06.2009 - Az.: VgK - 28/2009; B. v.<br />

23.04.2009 - Az.: VgK-10/2009; B. v. 17.04.2009 - Az.: VgK-12/2009; B. v. 16.03.2009 -<br />

Az.: VgK-04/2009; B. v. 24.02.2009 - Az.: VgK-57/2008; B. v. 23.02.2009 - Az.: VgK-<br />

58/2008; B. v. 11.02.2009 - Az.: VgK-56/2008; B. v. 11.11.2008 - Az.: VgK-39/2008; B. v.<br />

24.10.2008 - Az.: VgK-35/2008; B. v. vom 16.10.2008 - Az.: VgK-30/2008; VK Nordbayern,<br />

B. v. 10.02.2010 - Az.: 21.VK - 3194 - 01/10; B. v. 26.08.2009 - Az.: 21.VK - 3194 – 30/09;<br />

B. v. 12.08.2009 - Az.: 21.VK - 3194 – 29/09; B. v. 28.01.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 63/08;<br />

VK Rheinland-Pfalz, B. v. 07.12.2007 - Az.: VK 39/07; VK Sachsen, B. v. 25.06.2008 - Az.:


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

1/SVK/029-08; B. v. 24.04.2008 - Az.: 1/SVK/015-08; 1. VK Sachsen-Anhalt, B. v.<br />

12.09.2008 - Az: 1 VK LVwA 11/08; B. v. 05.05.2008 - Az.: 1 VK LVwA 03/08; B. v.<br />

07.03.2006 - Az: 1 VK LVwA 01/06; B. v. 23.12.2005 - Az.: 1 VK LVwA 43/05; B. v.<br />

23.08.2005 - Az: 1 VK LVwA 31/05; B. v. 31.03.2005 - Az.: 1 VK LVwA 04/05; B. v.<br />

17.03.2005 - Az: 1 VK LVwA 02/05; 2. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 10.06.2009 - Az.: VK 2<br />

LVwA LSA – 13/09; B. v. 23.07.2008 - Az.: VK 2 LVwA LSA - 07/08; VK Südbayern, B. v.<br />

18.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-17-04/08).<br />

3004<br />

3005<br />

3006<br />

3007<br />

Das "erkannt haben" ist ein subjektiver, innerer Vorgang, der sich zunächst "im Kopf" (von<br />

den die Unterlagen prüfenden Personen) abspielt und sich erst durch Akten- oder<br />

Gesprächsnotizen oder durch sonstige Indizien, die zwanglos den Schluss auf das<br />

Erkannthaben zulassen, nach außen objektiviert und damit als Beleg für die Feststellung, ob<br />

und wann der Verstoß positiv erkannt wurde, dienen kann, sofern ein <strong>Antrag</strong>steller nicht<br />

selbst einräumt, den Verstoß zu einem evtl. früheren Zeitpunkt erkannt zu haben (OLG<br />

Naumburg, B. v. 18.07.2006 - Az.: 1 Verg 4/06; VK Arnsberg, B. v. 10.01.2008 - Az.: VK<br />

42/07; VK Brandenburg, B. v. 22.11.2007 - Az.: VK 43/07; B. v. 24.09.2004 - VK 49/04; VK<br />

Hessen, B. v. 20.2.2002 - Az.: 69 d VK - 47/2001; VK Sachsen, B. v. 24.04.2008 - Az.:<br />

1/SVK/015-08; VK Schleswig-Holstein, B. v. 03.12.2008 - Az.: VK-SH 12/08; B. v.<br />

05.07.2007 - Az.: VK-SH 13/07; B. v. 28.03.2007 – Az.: VK-SH 04/07).<br />

Für das Erkennen im Sinne des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong> ist nicht auf den Zeitpunkt<br />

abzustellen, in dem einem Bieter klar wird, dass seine Bemühungen um Abgabe eines<br />

Angebots endgültig gescheitert sind. Zu diesem Zeitpunkt hat er vielmehr erkannt, dass der<br />

Vergaberechtsverstoß bei ihm zu einem Schaden geführt hat, weil ihm die Möglichkeit<br />

genommen wird, z. B. wegen der Losgröße oder der zu kurzen Angebotsfrist am<br />

Vergabeverfahren teilzunehmen. <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong> stellt aber auf das Erkennen des<br />

Vergaberechtsverstoßes ab, nicht auf das Erkennen des Schadens (1. VK Bund, B. v.<br />

7.1.2004 - Az.: VK 2 - 137/03).<br />

Die Kenntnis selbst kann nur auf einer direkten Aussage der Vergabestelle gegenüber dem<br />

<strong>Antrag</strong>steller beruhen, z. B. Festlegung in einem Bietergespräch, Informationen aus dem<br />

Bietergespräch, Vorinformation gemäß <strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong> (VK Thüringen, B. v. 13.11.2002 - Az.:<br />

216-402.20-057/02-EF-S).<br />

Die erforderliche Kenntnis muss bereits vor <strong>Einleitung</strong> des Nachprüfungsverfahrens<br />

erlangt worden sein; denn nach der Rechtsprechung erstreckt sich die Rügeobliegenheit nicht<br />

auf Vergaberechtsverstöße, die dem <strong>Antrag</strong>steller erst im Nachprüfungsverfahren bekannt<br />

geworden sind (OLG Düsseldorf, B. v. 13.6.2001 - Az.: Verg 2/01-2).<br />

<strong>19.</strong>5.23.1.3 Zweifel an der Rechtslage<br />

3008<br />

Bei Zweifeln an der Rechtslage ist positive Kenntnis bereits ausgeschlossen (OLG Celle,<br />

B. v. 13.12.2007 - Az.: 13 Verg 10/07; B. v. 05.07.2007 – Az.: 13 Verg 8/07; OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 04.05.2009 - Az.: VII-Verg 68/08; B. v. 08.12.2008 - Az.: VII-Verg 55/08;<br />

B. v. 27.02.2008 - Az.: VII-Verg 41/07; B. v. 27.07.2006 - Az.: VII - Verg 23/06; B. v.<br />

<strong>19.</strong>07.2006 - Az.: VII - Verg 27/06; B. v. 16.11.2005 - Az.: VII - Verg 59/05; B. v.<br />

16.02.2005 - Az.: VII - Verg 74/04; OLG Frankfurt, B. v. 15.07.2008 - Az.: 11 Verg 4/08; B.<br />

v. 10.06.2008 - Az.: 11 Verg 3/08; OLG Naumburg, B. v. 03.09.2009 - 1 Verg 4/09; B. v.<br />

18.07.2006 - Az.: 1 Verg 4/06; VK Berlin, B. v. 02.06.2009 - Az.: VK B 2 - 12/09; VK<br />

Brandenburg, B. v. 28.01.2008 - Az.: VK 59/07; 1. VK Bund, B. v. 03.01.2007 - Az.: VK 1 -


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

142/06; B. v. 14.07.2005 - Az.: VK 1 - 50/05; 2. VK Bund, B. v. 15.05.2009 - Az.: VK 2 –<br />

21/09; B. v. 16.09.2008 - Az.: VK 2 – 97/08; B. v. 15.09.2008 - Az.: VK 2 – 94/08; B. v.<br />

29.03.2006 - Az.: VK 2 - 11/06; VK Düsseldorf, B. v. 27.11.2006 - Az.: VK – 47/2006 – L;<br />

B. v. 11.08.2006 - Az.: VK - 30/2006 – L; B. v. 26.05.2006 - Az.: VK - 22/2006 – L; B. v.<br />

27.04.2006 - Az.: VK - 12/2006 - L; B. v. 16.02.2006 - Az.: VK - 02/2006 – L; 2. VK<br />

Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 28.11.2008 - Az.: 2 VK 7/08; B. v. 07.01.2008 - Az.: 2 VK<br />

5/07; VK Münster, B. v. 26.08.2009 - Az.: VK 11/09; B. v. 05.04.2006 - Az.: VK 5/06; 1. VK<br />

Saarland, B. v. 20.02.2008 - Az.: 1 VK 07/2007; 1. VK Sachsen, B. v. 24.09.2009 - Az.:<br />

1/SVK/040-09; B. v. 03.03.2008 - Az.: 1/SVK/002-08; VK Schleswig-Holstein, B. v.<br />

20.01.2009 - Az.: VK-SH 17/08; VK Südbayern, B. v. 23.11.2006 - Az.: 32-10/06; B. v.<br />

02.12.2005 - Az.: Z3-3-3194-1-48-10/05; B. v. 28.10.2005 - Az.: Z3-3-3194-1-44-09/05).<br />

Denn es soll dem Bieter nicht zugemutet werden, in jedem Verfahrensstadium das Verhältnis<br />

zur Vergabestelle durch Verdachtsrügen zu belasten (Schleswig-Holsteinisches OLG, B.<br />

v. 05.04.2005 - Az.: 6 Verg 1/05; VK Berlin, B. v. 29.06.2004 - Az.: VK - B 1 – 24/04; VK<br />

Brandenburg, B. v. 21.12.2005 - Az.: 1 VK 79/05; VK Düsseldorf, B. v. 11.08.2006 - Az.:<br />

VK - 30/2006 – L; B. v. 26.05.2006 - Az.: VK - 22/2006 – L; B. v. 27.04.2006 - Az.: VK -<br />

12/2006 – L; B. v. 16.02.2006 - Az.: VK - 02/2006 – L; 2. VK Mecklenburg-Vorpommern, B.<br />

v. 07.01.2008 - Az.: 2 VK 5/07; VK Münster, B. v. 28.06.2007 - Az.: VK 10/07; B. v.<br />

24.1.2002 - Az.: VK 24/01; 1. VK Saarland, B. v. 20.02.2008 - Az.: 1 VK 07/2007; VK<br />

Südbayern, B. v. 13.07.2005 - Az.: 31-06/05; B. v. 14.12.2004 - Az.: 70-10/04; B. v.<br />

14.12.2004 - Az.: 69-10/04; B. v. 14.12.2004 - Az.: 68-10/04; B. v. 17.02.2004 - Az.: 03-<br />

01/04).<br />

<strong>19.</strong>5.23.1.4 Vermutungen bzw. fahrlässige bzw. grob fahrlässige Unkenntnis<br />

3009<br />

Vermutungen reichen nicht aus (OLG Celle, B. v. 13.12.2007 - Az.: 13 Verg 10/07; B. v.<br />

05.07.2007 - Az.: 13 Verg 8/07; OLG Düsseldorf, B. v. 02.11.2009 - Az.: VII-Verg 12/09; B.<br />

v. 10.09.2009 - Az.: VII-Verg 12/09; B. v. 04.05.2009 - Az.: VII-Verg 68/08; B. v.<br />

08.12.2008 - Az.: VII-Verg 55/08; B. v. 27.02.2008 - Az.: VII-Verg 41/07; B. v. 27.07.2006 -<br />

Az.: VII - Verg 23/06; B. v. <strong>19.</strong>07.2006 - Az.: VII - Verg 27/06; OLG Frankfurt, B. v.<br />

15.07.2008 - Az.: 11 Verg 4/08; B. v. 10.06.2008 - Az.: 11 Verg 3/08; Saarländisches OLG,<br />

B. v. 23.11.2005 - Az.: 1 Verg 3/05; OLG Thüringen, B. v. 30.03.2009 - Az.: 9 Verg 12/08;<br />

VK Arnsberg, B. v. 10.01.2008 - Az.: VK 42/07; VK Berlin, B. v. 02.06.2009 - Az.: VK B 2 -<br />

12/09; VK Brandenburg, B. v. vom 03.04.2008 - Az.: VK 4/08; B. v. 28.01.2008 - Az.: VK<br />

59/07; B. v. 22.11.2007 - Az.: VK 43/07; B. v. 11.09.2006 - Az.: 2 VK 34/06, 1 VK 35/06; 1.<br />

VK Bund, B. v. 05.03.2007 - Az.: VK 1 – 139/06; 2. VK Bund, B. v. 15.05.2009 - Az.: VK 2<br />

– 21/09; B. v. 10.04.2008 - Az.: VK 2 - 37/08; B. v. 29.03.2006 - Az.: VK 2 - 11/06; 3. VK<br />

Bund, B. v. 27.10.2008 - Az.: VK 3 - 134/08; VK Düsseldorf, B. v. 27.11.2006 - Az.: VK –<br />

47/2006 – L; B. v. 11.08.2006 - Az.: VK - 30/2006 – L; 2. VK Mecklenburg-Vorpommern, B.<br />

v. 28.11.2008 - Az.: 2 VK 7/08; B. v. 07.01.2008 - Az.: 2 VK 5/07; VK Münster, B. v.<br />

26.08.2009 - Az.: VK 11/09; B. v. 12.05.2009 - Az.: VK 5/09; B. v. 05.04.2006 - Az.: VK<br />

5/06; B. v. 25.01.2006 - Az.: VK 23/05; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 07.12.2007 - Az.: VK<br />

39/07; 1. VK Saarland, B. v. 20.02.2008 - Az.: 1 VK 07/2007; 1. VK Sachsen, B. v.<br />

24.09.2009 - Az.: 1/SVK/040-09; B. v. 03.03.2008 - Az.: 1/SVK/002-08; B. v. 10.04.2007 –<br />

Az.: 1/SVK/020-07; VK Schleswig-Holstein, B. v. 05.07.2007 - Az.: VK-SH 13/07; B. v.<br />

28.03.2007 – Az.: VK-SH 04/07; B. v. 12.06.2006 - Az.: VK-SH 12/06; VK Südbayern, B. v.<br />

23.11.2006 - Az.: 32-10/06; B. v. 02.12.2005 - Az.: Z3-3-3194-1-48-10/05; B. v. 28.10.2005 -<br />

Az.: Z3-3-3194-1-44-09/05); eben so wenig schadet grob fahrlässige Unkenntnis von dem<br />

Vergabefehler (OLG Düsseldorf, B. v. 27.02.2008 - Az.: VII-Verg 41/07; B. v. 27.07.2006 -<br />

Az.: VII - Verg 23/06; B. v. <strong>19.</strong>07.2006 - Az.: VII - Verg 27/06; B. v. 16.11.2005 - Az.: VII -


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Verg 59/05; OLG Frankfurt, B. v. 15.07.2008 - Az.: 11 Verg 4/08; B. v. 10.06.2008 - Az.: 11<br />

Verg 3/08; OLG Thüringen, B. v. 30.03.2009 - Az.: 9 Verg 12/08; VK Arnsberg, B. v.<br />

02.05.2008 - Az.: VK 08/08; B. v. 08.08.2006 - Az.: VK 21/06; B. v. 31.07.2006 - Az.: VK<br />

20/06; VK Brandenburg, B. v. vom 03.04.2008 - Az.: VK 4/08; B. v. 28.01.2008 - Az.: VK<br />

59/07; B. v. 22.11.2007 - Az.: VK 43/07; 1. VK Bund, B. v. 05.03.2007 - Az.: VK 1 –<br />

139/06; 2. VK Bund, B. v. 15.05.2009 - Az.: VK 2 – 21/09; B. v. 10.04.2008 - Az.: VK 2 -<br />

37/08; B. v. 29.03.2006 - Az.: VK 2 - 11/06; B. v. 28.09.2005 - Az.: VK 2 – 120/05; B. v.<br />

06.06.2005 - Az.: VK 2 - 33/05; B. v. 20.05.2005 - Az.: VK 2 – 30/05; B. v. 17.03.2005 - Az.:<br />

VK 2 - 09/05; VK Düsseldorf, B. v. 27.11.2006 - Az.: VK – 47/2006 – L; B. v. 02.05.2006 -<br />

Az.: VK - 17/2006 – B; 2. VK Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 28.11.2008 - Az.: 2 VK<br />

7/08; B. v. 07.01.2008 - Az.: 2 VK 5/07; VK Münster, B. v. 26.08.2009 - Az.: VK 11/09; B.<br />

v. 12.05.2009 - Az.: VK 5/09; B. v. 05.04.2006 - Az.: VK 5/06; B. v. 25.01.2006 - Az.: VK<br />

23/05; 1. VK Saarland, B. v. 20.02.2008 - Az.: 1 VK 07/2007; 1. VK Sachsen, B. v.<br />

24.09.2009 - Az.: 1/SVK/040-09; B. v. 03.03.2008 - Az.: 1/SVK/002-08; B. v. 10.04.2007 –<br />

Az.: 1/SVK/020-07; VK Schleswig-Holstein, B. v. 05.07.2007 - Az.: VK-SH 13/07; B. v.<br />

28.03.2007 – Az.: VK-SH 04/07; B. v. 12.06.2006 - Az.: VK-SH 12/06; VK Südbayern, B. v.<br />

23.11.2006 - Az.: 32-10/06; B. v. 11.08.2005 - Az.: 35-07/05; B. v. 22.07.2005 - Az.: 26-<br />

05/05; B. v. 13.07.2005 - Az.: 31-06/05; B. v. 03.02.2005 - Az.: 79-12/04) bzw. fahrlässige<br />

Unkenntnis von dem Vergabefehler (OLG Frankfurt, B. v. 15.07.2008 - Az.: 11 Verg 4/08;<br />

B. v. 10.06.2008 - Az.: 11 Verg 3/08; OLG Naumburg, B. v. 08.09.2005 - Az.: 1 Verg 10/05;<br />

OLG Thüringen, B. v. 30.03.2009 - Az.: 9 Verg 12/08; VK Arnsberg, B. v. 02.05.2008 - Az.:<br />

VK 08/08; B. v. 08.08.2006 - Az.: VK 21/06; B. v. 31.07.2006 - Az.: VK 20/06; B. v.<br />

13.06.2006 - Az.: VK 10/06; VK Brandenburg, B. v. vom 03.04.2008 - Az.: VK 4/08; B. v.<br />

28.01.2008 - Az.: VK 59/07; B. v. 22.11.2007 - Az.: VK 43/07; 2. VK Mecklenburg-<br />

Vorpommern, B. v. 28.11.2008 - Az.: 2 VK 7/08; B. v. 07.01.2008 - Az.: 2 VK 5/07; 1. VK<br />

Saarland, B. v. 20.02.2008 - Az.: 1 VK 07/2007; 1. VK Sachsen, B. v. 03.03.2008 - Az.:<br />

1/SVK/002-08; B. v. 10.04.2007 – Az.: 1/SVK/020-07; VK Schleswig-Holstein, B. v.<br />

05.07.2007 - Az.: VK-SH 13/07; B. v. 28.03.2007 – Az.: VK-SH 04/07; VK Südbayern, B. v.<br />

02.12.2005 - Az.: Z3-3-3194-1-48-10/05; B. v. 28.10.2005 - Az.: Z3-3-3194-1-44-09/05).<br />

3010<br />

Die „Annahme“ eines Vergaberechtsverstoßes steht bloßen Vermutungen über die<br />

Rechtslage sehr nahe und bedeutet keine positive Kenntnis (OLG Düsseldorf, B. v.<br />

<strong>19.</strong>07.2006 - Az.: VII - Verg 27/06; 2. VK Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 28.11.2008 -<br />

Az.: 2 VK 7/08; B. v. 07.01.2008 - Az.: 2 VK 5/07; 1. VK Sachsen, B. v. <strong>19.</strong>05.2009 - Az.:<br />

1/SVK/008-09).<br />

<strong>19.</strong>5.23.1.5 Keine Obliegenheit zur Kenntnisverschaffung<br />

3011<br />

Es besteht keine Obliegenheit, sich die gem. <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> maßgeblichen Kenntnisse<br />

durch eigene Nachforschungen zu verschaffen (OLG Dresden, B. v. 23.04.2009 - Az.:<br />

WVerg 0011/08; OLG Düsseldorf, B. v. 08.12.2008 - Az.: VII-Verg 55/08; B. v. 21.05.2008 -<br />

Az.: VII - Verg 19/08; B. v. 27.07.2006 - Az.: VII - Verg 23/06; B.. v. <strong>19.</strong>07.2006 - Az.: VII -<br />

Verg 27/06; OLG München, B. v. 23.06.2009 - Az.: Verg 08/09; OLG Thüringen, B. v.<br />

30.03.2009 - Az.: 9 Verg 12/08; LSG Nordrhein-Westfalen, B. v. 06.08.2009 - Az.: L 21 KR<br />

52/09 SFB; VK Baden-Württemberg, B. v. 8.1.2002 - Az.: 1 VK 46/01; VK Brandenburg, B.<br />

v. 28.01.2008 - Az.: VK 59/07; 1. VK Bund, B. v. <strong>19.</strong>11.2008 - Az.: VK 1 - 135/08; B. v.<br />

05.03.2007 - Az.: VK 1 – 139/06; B. v. 03.01.2007 - Az.: VK 1 - 142/06; 2. VK Bund, B. v.<br />

10.04.2008 - Az.: VK 2 - 37/08; B. v. 15.03.2007 - Az.: VK 2 – 12/07; B. v. 06.06.2005 - Az.:<br />

VK 2 - 33/05; B. v. 20.05.2005 - Az.: VK 2 – 30/05; B. v. 17.03.2005 - Az.: VK 2 - 09/05; 3.<br />

VK Bund, B. v. 18.09.2008 – Az.: VK 3 – 122/08; B. v. 18.09.2008 - Az.: VK 3 – 119/08;


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

VK Düsseldorf, B. v. 27.11.2006 - Az.: VK – 47/2006 – L; VK Münster, B. v. 12.05.2009 -<br />

Az.: VK 5/09; 1. VK Saarland, B. v. 20.02.2008 - Az.: 1 VK 07/2007; 1. VK Sachsen, B. v.<br />

<strong>19.</strong>05.2009 - Az.: 1/SVK/008-09; B. v. 05.05.2009 - Az.: 1/SVK/009-09; B. v. 25.06.2008 -<br />

Az.: 1/SVK/029-08; VK Schleswig-Holstein, B. v. 05.07.2007 - Az.: VK-SH 13/07; B. v.<br />

28.03.2007 – Az.: VK-SH 04/07; B. v. 12.06.2006 - Az.: VK-SH 12/06; VK Südbayern, B. v.<br />

23.11.2006 - Az.: 32-10/06; B. v. 14.12.2004 - Az.: 70-10/04; B. v. 14.12.2004 - Az.: 69-<br />

10/04; B. v. 14.12.2004 - Az.: 68-10/04; B. v. <strong>19.</strong>10.2004, Az.: 120.3-3194.1-60-08/04).<br />

3012<br />

Anderer Auffassung ist insoweit – allerdings in einem Sonderfall - die VK Düsseldorf. Zur<br />

Behebung von Zweifeln z.B. über die Eignung des Bieters, der für den Zuschlag<br />

vorgesehen ist, ist die Einholung von Informationen bei dem Auftraggeber geeignet, dies<br />

kann auch unverzüglich ohne weiteres erfolgen. Das Zuwarten, ob ein anderer Mitbieter<br />

ein Nachprüfungsverfahren einleitet und ob auf dem Wege einer Beiladung vertiefte<br />

Kenntnisse über die Eignung des ausgewählten Bieters gewonnen werden können, stellt<br />

kein geeignetes Mittel dar, um etwaige Zweifel zu beheben. Falls der Auftraggeber keine<br />

oder eine aus Sicht des <strong>Antrag</strong>stellers seine Zweifel bestätigende Auskunft erteilt, muss der<br />

<strong>Antrag</strong>steller, wiederum unverzüglich, eine Beanstandung aussprechen oder unverzüglich<br />

direkt den Nachprüfungsantrag erheben (VK Düsseldorf, B. v. 22.12.2005 - Az.: VK -<br />

53/2005 – L).<br />

<strong>19.</strong>5.23.1.6 Kenntnis ab Einholung von Rechtsrat<br />

3013<br />

3014<br />

3015<br />

3016<br />

3017<br />

Wenn der Bieter bei seiner laienhaften Wertung zunächst nur den Verdacht hat, ein<br />

bestimmtes Verhalten des Auftraggebers könne als Vergaberechtsverstoß zu beurteilen sein,<br />

und er deshalb Rechtsrat einholt, beginnt die Kenntnis vom Vergaberechtsverstoß und<br />

damit die Rügeobliegenheit erst mit Zugang des einen Vergaberechtsfehler<br />

diagnostizierenden Rechtsrates (VK Berlin, B. v. 02.06.2009 - Az.: VK B 2 - 12/09; 2. VK<br />

Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 28.11.2008 - Az.: 2 VK 7/08; B. v. 07.01.2008 - Az.: 2 VK<br />

5/07; 1. VK Sachsen, B. v. 1.10.2002 - Az.: 1/SVK/084-02; im Ergebnis ebenso OLG Celle,<br />

B. v. 05.07.2007 - Az.: 13 Verg 8/07; 2. VK Bund, B. v. 10.04.2008 - Az.: VK 2 - 37/08).<br />

Von positiver Kenntnis ohne Rechtsrat ist nur dann auszugehen, wenn der Bieter den<br />

Fehler auf der Laienebene offensichtlich als solchen erkannt hat. Davon kann allerdings<br />

nur ausgegangen werden, wenn beim <strong>Antrag</strong>steller über grundsätzliches vergaberechtliches<br />

Wissen ausgegangen werden kann und die Rechtslage eindeutig ist (VK Arnsberg, B. v.<br />

28.1.2004 - Az.: VK 1-30/2003).<br />

Eine einschlägige Rechtskenntnis allgemeiner Vergabegrundsätze kann den Bietern<br />

grundsätzlich abverlangt werden. Dazu gehört zum Beispiel, dass der Auftraggeber die<br />

Verpflichtung hat, im Verhandlungsverfahren die Eignung der Bewerber bereits vor<br />

Aufforderung zur Angebotsabgabe zu prüfen (VK Detmold, B. v. 27.2.2003 - Az.: VK.11-<br />

48/02).<br />

Eine positive Kenntnis ist bei objektiv eindeutigen Verstößen etwa aufgrund einer<br />

gefestigten Rechtsprechung sehr viel eher anzunehmen, als bei nicht eindeutig geklärten<br />

Rechtsfragen (VK Schleswig-Holstein, B. v. 05.07.2007 - Az.: VK-SH 13/07).<br />

Positiv erkannt hat ein <strong>Antrag</strong>steller den Vergaberechtsverstoß einer nicht europaweit<br />

durchgeführten Ausschreibung spätestens aufgrund der mitgeteilten<br />

Submissionsergebnisse dann, wenn er – z.B. durch eine Mitteilung des Auftraggebers –


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

weiß, dass sämtliche in der Submission verlesenen Preise deutlich über dem<br />

Schwellenwert liegen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hat ein <strong>Antrag</strong>steller, wie auch alle<br />

anderen Bieter mit dieser Kenntnis, positive Kenntnis davon, dass der Auftraggeber gegen die<br />

Pflicht zur Durchführung eines europaweiten Vergabeverfahrens verstoßen hat (VK<br />

Lüneburg, B. v. 10.10.2006 - Az.: VgK-23/2006).<br />

3018<br />

3019<br />

3020<br />

3021<br />

3022<br />

Für die Kenntnis des konkreten von einem Bieter geltend zu machenden<br />

Vergaberechtsverstoßes bedarf es für ein fachkundiges Unternehmen in der Regel nicht<br />

der vorherigen Konsultation eines Rechtsanwaltes (3. VK Saarland, B. v. 10.08.2009 -<br />

Az.: 3 VK 03/2008; VK Schleswig-Holstein, B. v. 05.07.2007 - Az.: VK-SH 13/07; B. v.<br />

12.06.2006 - Az.: VK-SH 12/06; VK Lüneburg, B. v. 20.8.2002 - Az.: 203-VgK-12/2002).<br />

Ein Bieter ist nicht verpflichtet, eine Rüge "ins Blaue hinein" auszusprechen, er darf<br />

hinsichtlich der Rüge selbstverständlich auf das Informationsschreiben der Vergabestelle<br />

warten. Wenn aber dieses Informationsschreiben dann einen Inhalt hat, den der Bieter ab<br />

Eröffnung der Angebote befürchten musste (nämlich der Zuschlag auf ein Angebot mit<br />

einem deutlich niedrigeren Preis), obliegt es dem Bieter, unverzüglich eine Rüge zu erheben<br />

und nicht noch eine Besprechung mit einem Rechtsanwalt abzuwarten (VK Bremen, B. v.<br />

16.7.2003 - Az.: VK 12/03).<br />

Haben sowohl der <strong>Antrag</strong>sgegner als auch der <strong>Antrag</strong>steller eine vergaberechtliche<br />

Vorschrift in ihrer Tragweite noch nicht zur Kenntnis genommen und ist diese<br />

Vorschrift erst mit der letzten Vergaberechtsänderung aufgenommen und ist - soweit<br />

ersichtlich - noch keine Rechtsprechung dazu vorhanden, kann davon ausgegangen<br />

werden, dass der <strong>Antrag</strong>steller den vorliegenden Vergaberechtsverstoß nicht erkannt hat<br />

(VK Münster, B. v. 30.03.2007 – Az.: VK 04/07).<br />

Ein <strong>Antrag</strong>steller ist nicht präkludiert, wenn er das Fehlen von objektiven, nicht<br />

diskriminierenden Kriterien für die Teilnehmerauswahl bei einer Vielzahl von generell<br />

geeigneten Bewerbern in der Bekanntmachung nicht beanstandet. Jedenfalls in Bezug auf<br />

die VOL/A ergibt sich diese Pflicht nicht unmittelbar aus den nationalen vergaberechtlichen<br />

Vorschriften, da insoweit die entsprechenden Vorschriften der europäischen<br />

Vergabekoordinierungsrichtlinie nicht umgesetzt worden sind. Die Herleitung der Pflicht des<br />

Auftraggebers zur Festlegung solcher objektiven über die generellen Eignungskriterien<br />

hinausgehenden Auswahlbedingungen setzt somit über die Kenntnis vergaberechtlicher<br />

Vorschriften hinaus auch allgemein- und europarechtliche Kenntnisse voraus, deren<br />

Vorhandensein bei einem durchschnittlichen Unternehmen nicht ohne weiteres anzunehmen<br />

ist. In der VOB/A sind zwar die einschlägigen Vorschriften der<br />

Vergabekoordinierungsrichtlinie im Jahr 2006 in das nationale Recht umgesetzt worden (<strong>§</strong> 8<br />

Nr. 6 VOB/A). Dennoch erschließt sich der Anwendungsbereich dieser Regelung nicht ohne<br />

weiteres. Insbesondere gibt es auch noch keine gefestigte Rechtsprechung zu der Frage,<br />

wie objektive, auftragsbezogene Auswahlkriterien zur Eignung der Bieter beschaffen<br />

sein müssen, um den Anforderungen der Regelung zu genügen (1. VK Bund, B. v.<br />

31.07.2007 - Az.: VK 1 - 65/07; B. v. 14.06.2007 - Az.: VK 1 - 50/07).<br />

Gibt es zu einer vergaberechtlichen Streitfrage eine bestimmte herrschende Meinung<br />

(z.B. der Anwendung des Vergaberechts auf städtebauliche Verträge), und schafft erst eine<br />

Entscheidung des EuGH Klarheit, kann auch bei anwaltlicher Beratung eines Bieters nicht<br />

angenommen werden, dass der Bieter insoweit positive Kenntnis eines Vergabeverstoßes<br />

hat (OLG Düsseldorf, B. v. 13.06.2007 - Az.: VII - Verg 2/07).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

3023<br />

3024<br />

3025<br />

An einer Kenntnis der rechtlichen Relevanz der Tatsachen, die einen Vergaberechtsverstoß<br />

begründen, fehlt es auch bei Großunternehmen insbesondere dann, wenn die Rechtslage<br />

schwierig ist (OLG Bremen, B. v. 03.04.2007 - Az.: Verg 2/07; 1. VK Sachsen, B. v.<br />

17.12.2007 - Az.: 1/SVK/073-07).<br />

Ähnlich argumentiert das OLG Frankfurt. Ist nämlich für eine Rüge die Kenntnis der<br />

vergaberechtlichen Rechtsprechung erforderlich, die herausgearbeitet hat, dass der<br />

Auftraggeber Eignungsanforderungen grundsätzlich in der Bekanntmachung festlegen muss<br />

und diese in den Verdingungsunterlagen nur noch konkretisieren darf und kommt die<br />

erforderliche Wertung hinzu, ob die in der Bekanntmachung enthaltenen Angaben überhaupt<br />

konkretisierungsfähig sind, kann ein derartiges Wissen bei einem Unternehmen nicht<br />

ohne weiteres unterstellt werden, nur weil es ein großes Bauunternehmen mit eigener<br />

Rechtsabteilung ist, das ständig an Ausschreibungen für Bauleistungen teilnimmt (OLG<br />

Frankfurt, B. v. 15.07.2008 - Az.: 11 Verg 4/08; B. v. 10.06.2008 - Az.: 11 Verg 3/08).<br />

Ein pharmazeutischer Unternehmer, der in der Ausschreibung eines Wirkstoffes, welcher<br />

Gegenstand offener Patentstreitigkeiten ist, einen Vergabeverstoß sieht, und dem die<br />

Patentstreitigkeiten bekannt sind, erlangt mit der Bekanntmachung der Ausschreibung<br />

auch Kenntnis von dem seiner Meinung bestehenden Vergabeverstoß. Er ist daher<br />

verpflichtet, diesen Verstoß unverzüglich zu rügen. Auch ist der Umgang mit der<br />

patentrechtlichen Problematik bei Arzneimitteln für einen Hersteller von Generika<br />

derart existentiell, dass es nicht einer zusätzlichen anwaltlichen Beratung bedarf, um zu<br />

wissen, dass Verstöße gegen Patentrechte zu Schadensersatzansprüchen des Originators<br />

führen können (LSG Baden-Württemberg, B. v. 23.01.2009 - Az.: L 11 WB 5971/08).<br />

<strong>19.</strong>5.23.1.7 Treuwidriges Sich-Verschließen vor der Erkenntnis eines<br />

Vergabeverstoßes<br />

3026<br />

Die positive Kenntnis kann auch in dem Fall anerkannt werden, in welchem der<br />

Kenntnisstand des <strong>Antrag</strong>stellers in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht einen solchen Grad<br />

erreicht hat, dass ein weiteres Verharren in Unkenntnis als ein mutwilliges Sich-<br />

Verschließen vor der Erkenntnis eines Vergaberechtsverstoßes gewertet werden muss<br />

(BGH, B. v. 26.09.2006 - Az.: X ZB 14/06; B. v. 01.02.2005 - Az.: X ZB 27/04; OLG<br />

Dresden, B. v. 23.04.2009 - Az.: WVerg 0011/08; OLG Düsseldorf, B. v. 02.11.2009 - Az.:<br />

VII-Verg 12/09; B. v. 10.09.2009 - Az.: VII-Verg 12/09; B. v. 04.05.2009 - Az.: VII-Verg<br />

68/08; B. v.. 11.02.2009 - Az.: VII-Verg 64/08; B. v. 08.12.2008 - Az.: VII-Verg 55/08; B. v.<br />

<strong>19.</strong>07.2006 - Az.: VII - Verg 27/06; B. v. 16.02.2005 - Az.: VII - Verg 74/04; B. v. 5.12.2001<br />

- Az.: Verg 32/01; OLG Frankfurt, B. v. 15.07.2008 - Az.: 11 Verg 4/08; OLG München, B.<br />

v. 23.06.2009 - Az.: Verg 08/09; B. v. 16.04.2009 - Az.: Verg 03/09; OLG Naumburg, B. v.<br />

14.12.2004 - Az.: 1 Verg 17/04; Saarländisches OLG, B. v. 20.09.2006 - Az.: 1 Verg 3/06;<br />

OLG Thüringen, B. v. 30.03.2009 - Az.: 9 Verg 12/08; VK Baden-Württemberg, B. v.<br />

28.05.2009 - Az.: 1 VK 21/09; VK Brandenburg, B. v. 28.01.2008 - Az.: VK 59/07; B. v.<br />

22.11.2007 - Az.: VK 43/07; 1. VK Bund, B. v. 05.03.2007 - Az.: VK 1 – 139/06; B. v.<br />

03.01.2007 - Az.: VK 1 - 142/06; 2. VK Bund, B. v. 16.09.2008 - Az.: VK 2 – 97/08; B. v.<br />

15.09.2008 - Az.: VK 2 – 94/08; B. v. 10.04.2008 - Az.: VK 2 - 37/08; B. v. 15.03.2007 - Az.:<br />

VK 2 – 12/07; B. v. 29.03.2006 - Az.: VK 2 - 11/06; B. v. 06.06.2005 - Az.: VK 2 - 33/05; B.<br />

v. 20.05.2005 - Az.: VK 2 – 30/05; B. v. 17.03.2005 - Az.: VK 2 - 09/05; B. v. 22.10.2003 -<br />

Az.: VK 2 - 86/03; VK Düsseldorf, B. v. 07.10.2009 - Az.: VK – 31/2009 – L; B. v.<br />

27.11.2006 - Az.: VK – 47/2006 – L; VK Hessen, B. v. 17.08.2009 - Az.: 69 d VK – 25/2009;<br />

VK Münster, B. v. 09.10.2009 - Az.: VK 19/09; B. v. 12.05.2009 - Az.: VK 5/09; B. v.


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

05.04.2006 - Az.: VK 5/06; B. v. 25.01.2006 - Az.: VK 23/05; VK Niedersachsen, B. v.<br />

15.01.2010 - Az.: VgK-74/2009; B. v. 03.07.2009 - Az.: VgK-30/2009; VK Sachsen, B. v.<br />

<strong>19.</strong>05.2009 - Az.: 1/SVK/008-09; B. v. 05.05.2009 - Az.: 1/SVK/009-09; B. v. 25.06.2008 -<br />

Az.: 1/SVK/029-08; B. v. 24.04.2008 - Az.: 1/SVK/015-08; VK Schleswig-Holstein, B. v.<br />

22.01.2010 - Az.: VK-SH 26/09; B. v. 22.07.2009 - Az.: VK-SH 06/09; B. v. 20.01.2009 -<br />

Az.: VK-SH 17/08; B. v. 03.12.2008 - Az.: VK-SH 12/08; B. v. 05.07.2007 - Az.: VK-SH<br />

13/07; B. v. 12.06.2006 - Az.: VK-SH 12/06; B. v. 31.01.2006 - Az.: VK-SH 33/05; B. v.<br />

05.10.2005 - Az.: VK-SH 23/05 – instruktives Beispiel; B. v. 31.03.2005 - Az.: VK-SH<br />

05/05; VK Südbayern, B. v. 12.06.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-20-05/09; B. v. 06.05.2009 - Az.:<br />

Z3-3-3194-1-14-04/09; B. v. 18.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-17-04/08; B. v. 23.11.2006 -<br />

Az.: 32-10/06; B. v. 11.08.2005 - Az.: 35-07/05; B. v. 22.07.2005 - Az.: 26-05/05; B. v.<br />

14.12.2004 - Az.: 70-10/04; B. v. 14.12.2004 - Az.: 69-10/04; B. v. 14.12.2004 - Az.: 68-<br />

10/04; B. v. <strong>19.</strong>10.2004, Az.: 120.3-3194.1-60-08/04; B. v. 31.10.2002 - Az.: 42-10/02).<br />

3027<br />

3028<br />

3028/1<br />

3029<br />

3030<br />

An ein mutwilliges Sich-Verschließen vor der Erkenntnis des Rechtsverstoßes sind strenge<br />

und vom Auftraggeber darzulegende Anforderungen zu richten (OLG Dresden, B. v.<br />

23.04.2009 - Az.: WVerg 0011/08; OLG Düsseldorf, B. v. <strong>19.</strong>07.2006 - Az.: VII - Verg<br />

27/06; 2. VK Bund, B. v. 10.04.2008 - Az.: VK 2 - 37/08; 1. VK Sachsen, B. v. <strong>19.</strong>05.2009 -<br />

Az.: 1/SVK/008-09; B. v. 05.05.2009 - Az.: 1/SVK/009-09; VK Schleswig-Holstein, B. v.<br />

22.07.2009 - Az.: VK-SH 06/09).<br />

Dies ist etwa dann der Fall, wenn anzunehmen ist, dass sich ein Vergaberechtsfehler bei<br />

Durcharbeiten der Verdingungsunterlagen und Erstellen des Angebots einem<br />

verständigen Bieter geradezu aufdrängt und der Bieter diesen nicht unverzüglich rügt (VK<br />

Schleswig-Holstein, B. v. 22.07.2009 - Az.: VK-SH 06/09).<br />

Das ist auch dann der Fall, wenn wenn der <strong>Antrag</strong>steller weder auf das ihm übersandte<br />

Ergebnis der Submission – aus dem erkennbar ist, dass er Mindestbieter war - noch auf den<br />

Ablauf der Bindefrist reagiert (VK Südbayern, B. v. 06.05.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-14-<br />

04/09).<br />

Ein mutwilliges Verschließen kann noch nicht in der individuellen "Abarbeitung" von<br />

Schriftverkehr durch intern zuständige Mitarbeiter gesehen werden, jedenfalls solange<br />

nicht, wie nicht organisationsbedingt geradezu zwangsläufig größere zeitliche Lücken in der<br />

Kenntnisnahme von Schriftstücken oder anderen Sachverhalten eintreten müssen. Aus der<br />

allgemeinen Förderungspflicht der am Vergabeverfahren Beteiligten ergibt sich nicht die<br />

Anforderung, alle mit dem Vergabeverfahren im Zusammenhang stehenden erkennbaren<br />

Umstände sofort zur Kenntnis zu nehmen und darauf zu reagieren im Sinne einer die sonstige<br />

Arbeitsorganisation suspendierenden "Allzuständigkeit" aller in Frage kommenden Personen,<br />

sobald es sich um eine öffentliche Auftragsvergabe handelt. Das Abwarten, bis ein<br />

Mitarbeiter nach zwei Tagen dienstlicher Abwesenheit die in seinem Zuständigkeitsbereich<br />

angefallenen Schriftstücke zur Kenntnis nimmt, kann noch nicht als organisatorisch<br />

vorgegebenes "mutwilliges Verschließen" angesehen werden; insbesondere, wenn jegliche<br />

Anzeichen dafür fehlen, dass eine planmäßige verzögerte Bearbeitung von Schriftverkehr bei<br />

der <strong>Antrag</strong>stellerin betrieben würde und - im Gegenteil - der zuständige Bearbeiter nach<br />

Rückkehr sofort von dem Informationsschreiben Kenntnis genommen und auch umgehend<br />

anwaltlichen Rat gesucht hat (VK Düsseldorf, B. v. 30.9.2003 - Az.: VK - 25/2003 – B; im<br />

Ergebnis ebenso OLG Düsseldorf, B. v. <strong>19.</strong>07.2006 - Az.: VII - Verg 27/06).<br />

Die 2. VK des Bundes hingegen spricht sich in den Fällen, in denen z.B. urlaubsbedingt eine<br />

Rüge bei dem Bieter „liegen bleibt“, für ein „mutwilliges Verschließen“ aus. Dieses setzt


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

nicht etwa voraus, dass der Bieter sich mit dem möglichen Verstoß bereits befasst hat und<br />

sich nur gegen die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen sperrt. Es kann vielmehr auch<br />

und gerade dann angenommen werden, wenn der Bieter es vorwerfbar versäumt, die<br />

Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass er Kenntnis von Vergabeverstößen erlangen<br />

kann. Ein solches organisatorisch bedingtes mutwilliges Sich-Verschließen ist zu<br />

bejahen, wenn ein Bieter nicht dafür gesorgt hat, dass auch während längerer<br />

Abwesenheiten des zuständigen Bearbeiters eine Überprüfung der in dessen<br />

Zuständigkeitsbereich fallenden Vergabeverfahren stattfindet. Die Möglichkeit hierzu hat<br />

er nämlich: So kann er für eine Vertretungsregelung und eine hinreichende Unterrichtung und<br />

Schulung des Vertreters sorgen, auf einer Erreichbarkeit des Sachbearbeiters während<br />

längerer Abwesenheit bestehen oder die Anweisung treffen können, dass ein fachlich<br />

versierter externer Berater sich mit solchen Angelegenheiten befasst, wenn der Sachbearbeiter<br />

nicht erreichbar ist. Wenn der Bieter keine dieser nahe liegenden Möglichkeiten ergreift,<br />

sondern der Vorgang während des Urlaubs schlichtweg unbearbeitet bleibt, stellt dies einen<br />

organisatorischen Mangel dar, der den Vorwurf mutwilligen Sich-Verschließens vor der<br />

Erkenntnis eines Vergabefehlers begründet. Die erst nach Rückkehr des Sachbearbeiters<br />

eingeleitete Prüfung und Rüge ist deshalb verspätet (2. VK Bund, B. v. 26.01.2006 - Az.: VK<br />

2 - 165/05; VK Hessen, B. v. 17.08.2009 - Az.: 69 d VK – 25/2009).<br />

3031<br />

3032<br />

3032/1<br />

Nach Auffassung der VK Brandenburg obliegt dann, wenn eine objektive Betrachtung bei<br />

lebensnaher Beurteilung nur den Schluss zulässt, dass ein <strong>Antrag</strong>steller den geltend<br />

gemachten Vergaberechtsverstoß bereits zu einem bestimmten (früheren) Zeitpunkt<br />

erkannt oder sich mutwillig der Erkenntnis verschlossen hat, es ihm – wie sich auch aus <strong>§</strong><br />

108 Abs. 2 <strong>GWB</strong> ableiten lässt -, dies zu entkräften. Für die den zugrunde liegenden<br />

Tatsachen trägt er die Darlegungs- und Beweislast. Denn es soll im Rahmen des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3<br />

Satz 1 <strong>GWB</strong> verhindert werden, dass der Bieter auf einen erkannten Fehler spekuliert, weil er<br />

sich möglicherweise zu seinen Gunsten auswirken könnte (VK Brandenburg, B. v. 24.09.2004<br />

- VK 49/04).<br />

Ein mutwilliges Sichverschließen vor der Kenntnis eines Vergaberechtsverstoßes liegt<br />

auch dann vor, wenn sich Beschwerdeführer und Auftraggeber seit Jahren aus dem<br />

Aufgabengebiet kennen, dem Beschwerdeführer der beanstandete Vergabevorgang<br />

bekannt ist und der Beschwerdeführer kein Angebot in einem formellen<br />

Vergabeverfahren abgegeben hat (OLG Karlsruhe, B. v. 06.02.2007 - Az.: 17 Verg 7/06).<br />

Ist einem Bieter die Neigung kommunaler Auftraggeber bekannt, die Mitbenutzung des<br />

Erfassungssystems durch den/die Systembetreiber im Hinblick auf die Entgeltregelung<br />

zwischen der Kommune und dem Dienstleister - aus ihrer Sicht - vergaberechtswidrig zu<br />

regeln, ist es zumindest als mutwilliges Sichverschließen anzusehen, wenn der Bieter die<br />

Vergabeunterlagen zunächst lediglich unter dem Aspekt der „Leistbarkeit“ prüft und<br />

erst später beginnt, sich Klarheit über mögliche Rechtsverstöße zu verschaffen. Ein<br />

Bieter kommt nicht umhin zu bemerken, dass auch in den vorliegenden<br />

Vergabeunterlagen sinngemäß Regelungen vorhanden waren, die er bereits in der<br />

Vergangenheit als vergaberechtswidrig angesehen hatte. Diese Umstände wurden<br />

aufgrund des organisatorischen Vorgehens des Bieters jedoch erst ab einem bestimmten,<br />

intern festgelegten Datum unter dem Gesichtspunkt der Vergaberechtswidrigkeit behandelt<br />

und unter anschließender Inanspruchnahme einer Überlegungs - und Beratungsfrist erst später<br />

gegenüber dem Auftraggeberbeanstandet. Dies erscheint in Ansehung des konkreten<br />

Gegenstandes der Beanstandung nicht mehr als unverzüglich (VK Düsseldorf, B. v.<br />

07.10.2009 - Az.: VK – 31/2009 – L)


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

3033<br />

Ein mutwilliges Sichverschließen vor der Kenntnis eines Vergaberechtsverstoßes liegt<br />

auch dann vor, wenn der Bieter bei ordnungsgemäßem Vorgehen spätestens bei Abfassung<br />

des Angebotes hätte feststellen müssen, dass nur ein Hersteller z.B. für die Herstellung von<br />

Türbändern im Gussverfahren in Betracht kommt und der Bieter diese Erkenntnis nur<br />

deshalb nicht zu diesem Zeitpunkt gewinnt, weil er bei Erstellung des Angebotes die Vorgabe<br />

des Auftraggebers betreffend „gegossen“ ohne vorherige Rückfrage und ohne jeglichen<br />

Hinweis vergaberechtswidrig vollständig ignoriert und sich bei Benennung eines anderen<br />

Herstellerunternehmens sich nicht vorher vergewissert, dass dieser Hersteller auch das<br />

Gussverfahren anwendet. Erstellt der Bieter unter Außerachtlassung der im<br />

Leistungsverzeichnis unmissverständlich gestellten Anforderungen sein Angebot nicht<br />

ordnungsgemäß und hätte er bei gebotener Sorgfalt die tatsächlichen Umstände<br />

feststellen müssen, die nach seiner Auffassung einen Verstoß gegen Vergabevorschriften<br />

begründen, dann verschließt er sich treuwidrig der Erkenntnis eines Vergabeverstoßes.<br />

Rügt er diesen Vergabeverstoß erst später, ist ein darauf gestützter Nachprüfungsantrag<br />

insoweit gemäß <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong> unzulässig (OLG Brandenburg, B. v. 14.12.2007 -<br />

Az.: Verg W 21/07).<br />

<strong>19.</strong>5.23.1.8 Positive Kenntnis durch eine Bearbeitung der Verdingungsunterlagen<br />

3034<br />

3035<br />

3035/1<br />

Allein die - auch intensive - Befassung mit der Leistungsbeschreibung trägt nicht den<br />

sicheren Schluss, ein Bieter hätte z.B. die Mehrdeutigkeit einer Leistungsbeschreibung schon<br />

bei dieser Gelegenheit erkannt (OLG Düsseldorf, B. v. 28.1.2004 - Az.: Verg 35/03; VK<br />

Schleswig-Holstein, B. v. 22.07.2009 - Az.: VK-SH 06/09; VK Südbayern, B. v. 23.11.2006 -<br />

Az.: 32-10/06).<br />

Den Bieter trifft auch keine Pflicht zur sofortigen Prüfung der ihm zugesandten<br />

Verdingungsunterlagen. Dies würde ansonsten bedeuten, dass derjenige Bieter, der sich<br />

vorsichtshalber die Unterlagen sehr früh zuschicken lässt, damit er auf jeden Fall die<br />

Abgabefrist einhalten kann, zu einer Rüge nicht mehr in der Lage wäre, wohingegen derjenige<br />

Bieter, welcher sich die Unterlagen erst sehr spät zusenden lässt, noch rügen könnte. Dies ist<br />

nicht der Sinn des Gesetzes. Das Gesetz will weder den erst spät handelnden Bieter<br />

bevorzugen noch generell das Risiko einer unzutreffenden Ausschreibung auf den Bieter<br />

verlagern. In erster Linie ist der Auftraggeber aufgerufen, die Verdingungsunterlagen<br />

rechtmäßig auszugestalten. Der Bieter ist nicht der Kontrolleur des Auftraggebers (OLG<br />

Dresden, B. v. 23.04.2009 - Az.: WVerg 0011/08; OLG München, B. v. 05.11.2009 - Az.:<br />

Verg 15/09; B. v. 02.03.2009 - Az.: Verg 01/09; BayObLG, B. v. 15.09.2004 - Az.: Verg<br />

026/03; OLG Naumburg, B. v. 03.09.2009 - 1 Verg 4/09; VK Baden-Württemberg, B. v.<br />

29.06.2009 - Az.: 1 VK 27/09; 1. VK Brandenburg, B. v. 14.05.2007 - Az.: 2 VK 14/07; VK<br />

Sachsen, B. v. 05.05.2009 - Az.: 1/SVK/009-09; B. v. 09.11.2006 - Az.: 1/SVK/095-06; VK<br />

Schleswig-Holstein, B. v. 22.07.2009 - Az.: VK-SH 06/09; VK Südbayern, B. v. 23.11.2006 -<br />

Az.: 32-10/06). Es reicht also nicht aus, dass ein Bieter aufgrund der bereits übersandten<br />

Unterlagen die abstrakte Möglichkeit der Kenntnisnahme ihres Inhaltes hatte. Ein Bieter<br />

bestimmt selbst, wann er sich mit den Angebotsunterlagen inhaltlich auseinandersetzt. Er ist<br />

nicht verpflichtet, die Angebotsunterlagen unmittelbar nach Eintreffen derselben auch<br />

nur zu sichten (VK Sachsen-Anhalt, B. v. 12.09.2008 - Az: 1 VK LVwA 11/08).<br />

Der Bieter ist bei Empfang der Ausschreibungsunterlagen nicht dazu verpflichtet,<br />

unverzüglich die Unterlagen auf Fehler durchzuschauen; dies umso weniger, als die<br />

Vergabestelle gar keine europaweite Ausschreibung in die Wege geleitet hatte, so dass<br />

eine Rügeverpflichtung gemäß <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> gar nicht bestand. Wenn die


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Vergabestelle pflichtwidrig nicht europaweit ausschreibt, kann sich der Bieter in seinen<br />

Handlungen zunächst darauf verlassen. Von einem Bieter kann nicht verlangt werden, dass<br />

er schlauer zu sein hat als die Vergabestelle. Der Auftraggeber kann sich daher nicht darauf<br />

berufen, dass der Bieter trotz der nationalen Ausschreibung unverzüglich nach Erkennen des<br />

Verstoßes diesen hätte rügen müssen. Dies wäre nur dann zu fordern, wenn der Bieter bereits<br />

während des Vergabeverfahrens erkannt hätte, dass ein Verstoß gegen die Pflicht zur<br />

europaweiten Ausschreibung vorlag (OLG München, B. v. 05.11.2009 - Az.: Verg 15/09).<br />

3036<br />

3037<br />

3038<br />

3039<br />

3040<br />

Bei der Bearbeitung der Angebote in den Verdingungsunterlagen festgestellte Fehler<br />

sind unverzüglich nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 zu rügen (VK Nordbayern, B. v.<br />

16.01.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 43/06; B. v. 23.05.2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 16/06; B. v.<br />

09.05.2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 13/06; 3. VK Saarland, B. v. 10.08.2009 - Az.: 3 VK<br />

03/2008; VK Sachsen, B. v. 09.11.2006 - Az.: 1/SVK/095-06), spätestens bei<br />

Angebotsabgabe (OLG München, B. v. 02.03.2009 - Az.: Verg 01/09; Thüringer OLG, B. v.<br />

31.08.2009 - Az.: 9 Verg 6/09).<br />

Erkennt der Bieter bereits bei der Bearbeitung des Angebotes, dass z.B. Angaben bezüglich<br />

der Eventualpositionen in die Wertung mit einfließen und kann er aus den ihm übersandten<br />

Unterlagen zweifelsfrei entnehmen, wie viel Bedarfspositionen eingestellt sind und in<br />

welchem Verhältnis sie zu dem Gesamtauftrag stehen, ist eine Rüge hinsichtlich der<br />

Eventualpositionen, die zwei Monate nach Angebotsabgabe erfolgt, erheblich verspätet<br />

(VK Brandenburg, B. v. 10.06.2004 - Az.: VK 21/04).<br />

In einem Ausnahmefall (der Bieter erkennt beim Durcharbeiten der<br />

Leistungsbeschreibung, dass nur er zur Ausführung des Auftrags in der Lage ist) bejaht<br />

die Rechtsprechung jedoch positive Kenntnis durch eine Befassung mit der<br />

Leistungsbeschreibung (1. VK Bund, B. v. 04.02.2004 - Az.: VK 1 – 143/03).<br />

Positive Kenntnis von (vermeintlichen) Vergabefehlern liegt stets dann vor, wenn beim<br />

Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses Ungenauigkeiten festgestellt werden (1. VK<br />

Sachsen-Anhalt, B. v. 23.08.2005 - Az: 1 VK LVwA 31/05; VK Schleswig-Holstein, B. v.<br />

12.06.2006 - Az.: VK-SH 12/06; B. v. 21.12.2005 - Az.: VK-SH 29/05).<br />

Für die Bewertung einer bekannt gegebenen Gewichtung der Zuschlagskriterien als<br />

nicht ausreichend aussagekräftig kommt es nur darauf an, ob der Bieter sich aufgrund der<br />

gegebenen Informationen im Stande sieht, ein wettbewerbsfähiges Angebot zu erstellen,<br />

oder nicht. Es ist regelmäßig ohne rechtliche Beratung möglich und zumutbar zu<br />

entscheiden, ob an Hand der mitgeteilten Zuschlagskriterien und Unterkriterien sowie ihres<br />

Verhältnisses zueinander erkennbar wird, worauf es dem Auftraggeber ankommt. Gleiches<br />

gilt für die Bewertung, ob die vorgenommenen Einstufungen für die Punkteverteilung für<br />

einen branchen- und fachkundigen Bieter, an den sich die Verdingungsunterlagen<br />

wenden, eindeutig verständlich sind oder nicht. Insoweit mag die Kenntnis der<br />

einschlägigen Rechtsprechung hilfreich sein, notwendig ist sie nicht, denn der Maßstab der<br />

Verständlichkeit ist kein juristischer, sondern eben der Empfängerhorizont eines<br />

fachkundigen Bieters. Die Notwendigkeit einer rechtlichen Beratung ergibt sich regelmäßig<br />

nach dem Erkennen des vermeintlichen Vergabeverstoßes. Dann sind die Erfolgsaussichten<br />

einer entsprechenden Rüge, ggfs. die zu fordernden Abhilfemaßnahmen und das weitere<br />

Vorgehen unter Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen zu prüfen; hierfür<br />

wird dem Bieter die Rügefrist zugebilligt (OLG Naumburg, B. v. 25.09.2008 - Az.: 1 Verg<br />

3/08).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

3041<br />

3042<br />

3043<br />

3044<br />

3045<br />

Ähnlich argumentiert die VK Schleswig-Holstein. Hat ein Bieter die<br />

Verdingungsunterlagen Ende Juli erhalten, wird er selbst unter Berücksichtigung von<br />

Urlaubszeiten etwa ab der zweiten Augusthälfte mit der Angebotsbearbeitung begonnen<br />

haben. Eine Angebotsbearbeitung ist jedoch ohne Kenntnis der Wertungskriterien<br />

ausgeschlossen. Die Bedeutung der Wertungskriterien war dem Bieter als fachkundigem<br />

Unternehmen bekannt. Es ist davon auszugehen, dass der Bieter positive Kenntnis der von<br />

ihm gerügten Wertungskriterien - auch im Sinne eines Erkennens der Bedeutung dieser<br />

Kriterien - etwa ab der zweiten Augusthälfte gehabt hat. Mag auch der genaue Tag der<br />

Kenntniserlangung nicht feststellbar sein, so ist eine Rüge vom 11. September jedenfalls<br />

nicht mehr als unverzüglich anzusehen (VK Schleswig-Holstein, B. v. 03.12.2008 - Az.:<br />

VK-SH 12/08).<br />

Soweit ein Bieter bei „Ca.“-Angaben zu den Produktabmessungen in der<br />

Leistungsbeschreibung die Angabe von Toleranzgrenzen vermisst, weil er für die Erstellung<br />

seines eigenen Angebotes auf eine eigenmächtige Definition zurückgreifen und damit den<br />

Ausschluss seines Angebots besorgen muss, liegt ein möglicher Vergabeverstoß aus seiner<br />

Sicht auf der Hand und begründet eine Rügeobliegenheit (OLG Naumburg, B. v.<br />

25.09.2008 - Az.: 1 Verg 3/08).<br />

Für die Beanstandung eines Bieters, ihm würden mit den Vergabeunterlagen Angaben<br />

abverlangt, die objektiv nicht möglich und deshalb vergabewidrig seien, beginnt die<br />

Rügefrist des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 <strong>GWB</strong> spätestens mit dem Beginn der<br />

Ausarbeitung des eigenen Angebots, weil der Bieter jedenfalls zu diesem Zeitpunkt den aus<br />

seiner Sicht rügebedürftigen Inhalt der Ausschreibung festgestellt hat und ihn dann gegenüber<br />

dem Auftraggeber nicht mehr unbeanstandet lassen darf (VK Baden-Württemberg, B. v.<br />

29.06.2009 - Az.: 1 VK 27/09; VK Sachsen, B. v. 09.02.2009 - Az.: 1/SVK/071-08).<br />

Sowohl für die Bewertung einer Diskriminierung als auch für die Einschätzung eines<br />

Kalkulationsrisikos als ein solches, das die normalen vertraglichen unternehmerischen<br />

Risiken übersteigt, kommt es allein auf das Wissen und die Erfahrungen eines<br />

branchenkundigen Bieters an, nicht etwa auf die Hinzuziehung von externem technischen,<br />

wirtschaftlichen oder juristischen Sachverstand. Entscheidend ist insoweit eine erste<br />

Durchsicht der Verdingungsunterlagen durch einen fachkundigen Mitarbeiter. Eine<br />

vorherige Durchsicht der Verdingungsunterlagen lediglich durch eine Bürokraft eines<br />

verbundenen Unternehmens in formaler Hinsicht auf Vollständigkeit der Formulare und<br />

Eindeutigkeit der Bewerbungsbedingungen verschafft hingegen noch keine Kenntnis von<br />

materiellen vermeintlichen Vergabeverstößen (OLG Naumburg, B. v. 05.12.2008 - Az.: 1<br />

Verg 9/08).<br />

Trägt ein <strong>Antrag</strong>steller vor, die Verdingungsunterlagen erst zu einem bestimmten Zeitpunkt<br />

erhalten zu haben und legt er zum Nachweis Auszüge seines PC-geführten Postbuches vor, so<br />

entspricht eine postalische Beförderungsdauer von z.B. 12 Tagen nicht der gemeinhin<br />

üblichen Beförderungsdauer von Postsendungen, andererseits können derartige<br />

Zeitspannen aber auch nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Im Rahmen einer derartigen<br />

Sachverhaltskonstellation, bei der sich der Auftraggeber darauf beruft, die Rüge sei nicht<br />

rechtzeitig erfolgt, obliegt dem Auftraggeber die Darlegung weiterer Tatsachen im<br />

Nachprüfungsverfahren. Wird hierzu nicht weiter vorgetragen, ist zugunsten des<br />

<strong>Antrag</strong>stellers davon auszugehen, dass er die Verdingungsunterlagen erst später erhalten hat<br />

(1. VK Bund, B. v. 24.03.2004 - Az.: VK 1 - 135/03).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

<strong>19.</strong>5.23.1.9 Positive Kenntnis durch eine Vorinformation z.B. nach <strong>§</strong> 17a VOL/A<br />

3045/1<br />

3045/2<br />

Ein Interessent kann sich in dem Fall, in welchem er im Vertrauen auf den<br />

unverbindlichen Charakter der Vorinformation von einem Vorgehen hiergegen mittels<br />

Rüge und ggfs. Nachprüfungsantrag absieht, mit den Präklusionsvorschriften des <strong>§</strong> <strong>107</strong><br />

Abs. 3 <strong>GWB</strong> konfrontiert sehen, da eben nicht ganz eindeutig ist, ob die Vorinformation<br />

mit den dort getroffenen Regelungen bereits Gegenstand der Rüge zu sein hat mit ggfs.<br />

anschließendem Nachprüfungsverfahren. Es ist daher nachvollziehbar, dass aus dieser<br />

Befürchtung heraus bereits aufgrund der Vorinformation Handlungsbedarf gesehen wurde. Es<br />

liegt im Übrigen auch im wohlverstandenen Interesse eines öffentlichen Auftraggebers,<br />

möglichst schnell Klarheit über die Vergaberechtskonformität seiner geplanten<br />

Ausschreibung zu erlangen. Dies ist auch erklärtes Ziel des<br />

Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes, das wiederum konterkariert würde, wenn man die<br />

Vorinformation als eine dem eigentlichen Vergabeverfahren vorgelagerte Stufe einer<br />

Überprüfbarkeit entziehen wollte (3. VK Bund, B. v. 25.02.2010 – Az.: VK 3 - 9/10).<br />

Vgl. dazu auch die Kommentierung zu <strong>§</strong> 102 <strong>GWB</strong> Rdn. 2362/1.<br />

<strong>19.</strong>5.23.1.10 Positive Kenntnis bei einem fachkundigen Unternehmen<br />

3046<br />

Dass eine positive Kenntnis vorliegt, lässt sich nicht schon daraus ableiten, dass ein<br />

<strong>Antrag</strong>steller erhebliche praktische Erfahrung mit einschlägigen<br />

Ausschreibungsverfahren des Auftraggebers hat. Denn aus der lediglich praktischen<br />

Beteiligung an einschlägigen öffentlichen Vergabeverfahren kann nicht gefolgert werden, der<br />

<strong>Antrag</strong>steller habe z.B. die Ergänzungsbedürftigkeit von Bewertungskriterien als<br />

vergaberechtswidrig gewertet (1. VK Bund, B. v. 03.01.2007 - Az.: VK 1 - 142/06; B. v.<br />

30.05.2006 - Az.: VK 1 - 31/06; anderer Ansicht VK Südbayern, B. v. 18.06.2008 - Az.: Z3-<br />

3-3194-1-17-04/08) oder z.B. rechtliche Detailfragen beherrscht, welche die<br />

Zuschlagskriterien betreffen (OLG Düsseldorf, B. v. 21.05.2008 - Az.: VII - Verg 19/08).<br />

<strong>19.</strong>5.23.1.11 Positive Kenntnis bei einer mehrstufigen Vergabeentscheidung<br />

3047<br />

Vollzieht sich z.B. auf Seiten einer kommunalen Vergabestelle der Prozess zur Auswahl<br />

eines Bieters in einem Verhandlungsverfahren in mehreren aufeinander aufbauenden<br />

Stufen (z.B. Verabschiedung einer Beschlussvorlage durch die Verwaltungsspitze der<br />

<strong>Antrag</strong>sgegnerin und spätere Beschlussfassung des Stadtrats hierüber), so wird die<br />

Rügeobliegenheit des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> nicht erst durch den Abschluss des<br />

Auswahlverfahrens auf der letzten Stufe bestimmt, sondern bereits durch zur Kenntnis<br />

des Bieters gelangtes fehlerhaftes Vergabeverhalten auf der früheren Stufe ausgelöst<br />

(OLG Dresden, B. v. 21.10.2005 - Az.: WVerg 0005/05; anderer Auffassung 2. VK<br />

Sachsen-Anhalt, B. v. 23.07.2008 - Az.: VK 2 LVwA LSA - 07/08).<br />

<strong>19.</strong>5.23.1.12 Positive Kenntnis bei unzureichend beantworteten Fragen<br />

3048<br />

Trägt ein <strong>Antrag</strong>steller vor, der Auftraggeber habe ihm in der Phase der<br />

Angebotserarbeitung seine Fragen zu den Ausschreibungsunterlagen nicht oder nicht<br />

hinreichend beantwortet und er habe daher bei der Kalkulation des Angebotspreises


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

aufgrund der Unklarheiten und Widersprüche sicherheitshalber in verschiedenen<br />

Positionen einen Mehraufwand einberechnen müssen, hat er diese behaupteten<br />

Vergaberechtsverstöße nicht unverzüglich im Sinne des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> gerügt, wenn<br />

die Rüge nicht spätestens zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe erfolgt ist (1. VK Bund, B.<br />

v. 29.07.2008 - Az.: VK 1 - 78/08).<br />

<strong>19.</strong>5.23.1.13 Zurechnung der Kenntnis von eventuellen Vergabefehlern aus einem<br />

anderen Verfahren bei Personenidentität auf Seiten des Beschwerdeführers<br />

3049<br />

Rügt ein <strong>Antrag</strong>steller Vergabefehler, die aufgrund einer Personenidentität dem <strong>Antrag</strong>steller<br />

schon aus einem anderen - zeitlich vorhergehenden - Vergabenachprüfungsverfahren bekannt<br />

sind, ist für Erfüllung der Rügevoraussetzungen im zweiten - nachfolgenden - Verfahren auf<br />

die frühere Kenntnis oder die frühere Erkennbarkeit abzustellen (1. VK Bund, B. v.<br />

9.10.2002 - Az.: VK 1 - 77/02).<br />

<strong>19.</strong>5.23.1.14 Beweislast und Umkehr der Beweislast für die Kenntnis<br />

3050<br />

3051<br />

Die tatsächlichen Voraussetzungen einer Verletzung der Rügeobliegenheit hat - wie sich aus<br />

dem Wortlaut des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong> ergibt - im Streitfall der Auftraggeber<br />

nachzuweisen (BGH, B. v. 01.02.2005 - Az.: X ZB 27/04; OLG Düsseldorf, B. v.. 11.02.2009<br />

- Az.: VII-Verg 64/08; B. v. 05.05.2008 - Az.: VII - Verg 5/08; B. v. 28.04.2008 - Az.: VII -<br />

Verg 1/08; B. v. 5.12.2001 - Az.: Verg 32/01; OLG Naumburg, B. v. 03.09.2009 - 1 Verg<br />

4/09; B. v. 18.07.2006 - Az.: 1 Verg 4/06; VK Berlin, B. v. 24.07.2007 - Az.: VK B 1 - 19/07;<br />

B. v. 15.02.2006 - Az.: VK - B 1 - 63/05; 1. VK Brandenburg, B. v. 14.05.2007 - Az.: 2 VK<br />

14/07; 2. VK Bund, B. v. 10.04.2008 - Az.: VK 2 - 37/08; B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 -<br />

123/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 120/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 117/07, B. v.<br />

15.11.2007 - Az.: VK 2 - 114/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 108/07, B. v. 15.11.2007 -<br />

Az.: VK 2 - 105/07; B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 102/07; 3. VK Bund, B. v. 08.01.2008 -<br />

Az.: VK 3 - 148/07; VK Düsseldorf, B. v. <strong>19.</strong>03.2007 - Az.: VK - 07/2007 – B; B. v.<br />

02.03.2007 - Az.: VK - 05/2007 – L; B. v. 27.11.2006 - Az.: VK – 47/2006 – L; B. v.<br />

27.04.2006 - Az.: VK - 12/2006 - L; 2. VK Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 28.11.2008 -<br />

Az.: 2 VK 7/08; B. v. 07.01.2008 - Az.: 2 VK 5/07; VK Münster, B. v. 09.10.2009 - Az.: VK<br />

19/09; B. v. 12.05.2009 - Az.: VK 5/09; B. v. 13.02.2008 - Az.: VK 29/07; B. v. 28.06.2007 -<br />

Az.: VK 10/07; B. v. 05.04.2006 - Az.: VK 5/06; B. v. 25.01.2006 - Az.: VK 23/05; B. v.<br />

21.12.2005 - Az.: VK 25/05; B. v. 10.2.2004 - Az.: VK 01/04; VK Südbayern, B. v.<br />

29.04.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-11-03/09; B. v. 23.11.2006 - Az.: 32-10/06; B. v. 03.02.2005 -<br />

Az.: 79-12/04; B. v. 14.12.2004 - Az.: 70-10/04; B. v. 14.12.2004 - Az.: 69-10/04; B. v.<br />

14.12.2004 - Az.: 68-10/04; B. v. <strong>19.</strong>10.2004, Az.: 120.3-3194.1-60-08/04).<br />

Die Tatsache, dass es sich dabei um Umstände aus der Sphäre des <strong>Antrag</strong>stellers<br />

handelt, steht dieser Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nicht entgegen. Sie hat<br />

allerdings zur Folge, dass der <strong>Antrag</strong>steller auf den — nach Lage der Dinge ernsthaft in<br />

Betracht kommenden — Vorwurf des Auftraggebers, den Vergabefehler zu einem bestimmten<br />

(früheren) Zeitpunkt erkannt zu haben, substanziiert erwidern und angeben muss, wann er<br />

stattdessen erstmals Kenntnis von dem Vergabeverstoß erlangt haben will. Diesen<br />

Sachvortrag hat der Auftraggeber sodann zu widerlegen. Für Beigeladene gilt Entsprechendes<br />

(2. VK Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 28.11.2008 - Az.: 2 VK 7/08; B. v. 07.01.2008 -<br />

Az.: 2 VK 5/07).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

3052<br />

3053<br />

Die praktische Umsetzung des Nachweises der Kenntnis eines Vergabeverstoßes in einem<br />

zu diesem Punkt streitigen Nachprüfungsverfahren muss, da niemand die Gedanken eines<br />

anderen Menschen verifizieren kann, an der objektiven Tatsachenlage anknüpfen. Lässt<br />

diese bei lebensnaher Beurteilung nur den Schluss zu, dass der <strong>Antrag</strong>steller den geltend<br />

gemachten Vergaberechtsverstoß bereits zu einem bestimmten (frühen) Zeitpunkt erkannt<br />

(oder sich mutwillig der Erkenntnis verschlossen) hatte, so obliegt es ihm - wie sich auch aus<br />

<strong>§</strong> 108 Abs. 2 <strong>GWB</strong> ableiten lässt -, dies zu entkräften (1. VK Bund, B. v. 06.06.2007 - Az.:<br />

VK 1 - 38/07; VK Münster, B. v. 10.2.2004 - Az.: VK 01/04; VK Schleswig-Holstein, B. v.<br />

03.12.2008 - Az.: VK-SH 12/08; B. v. 05.07.2007 - Az.: VK-SH 13/07). Für die dem<br />

zugrunde liegenden Tatsachen trägt er die Darlegungs- und Beweislast (VK Schleswig-<br />

Holstein, B. v. 05.07.2007 - Az.: VK-SH 13/07). Das bedeutet: Bleibt bei eindeutig für<br />

Kenntnis sprechender Faktenlage offen, ob die vom <strong>Antrag</strong>steller dagegen<br />

vorgebrachten Tatsachen zutreffen oder nicht, ist beim Vorliegen der übrigen<br />

Voraussetzungen des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong> Rügepräklusion anzunehmen (OLG<br />

Koblenz, B. v. 5.6.2003 - Az.: 1 Verg. 2/03; OLG Naumburg, B. v. 18.07.2006 - Az.: 1 Verg<br />

4/06; 1. VK Bund, B. v. 06.06.2007 - Az.: VK 1 - 38/07; VK Schleswig-Holstein, B. v.<br />

05.07.2007 - Az.: VK-SH 13/07).<br />

Der bloße zeitliche Abstand beispielsweise zwischen Ausschreibung, Erhalt der<br />

Vergabeunterlagen und Rüge sagt jedoch nichts aus über den Zeitpunkt der<br />

tatsächlichen Kenntnisnahme und der rechtlichen Würdigung des gerügten Verstoßes.<br />

Mutmaßungen, dass der <strong>Antrag</strong>steller den gerügten Verstoß als solchen schon zu einem<br />

früheren Zeitpunkt erkannt habe und damit präkludiert sei, die nicht auf annähernd sicheren<br />

Grundlagen beruhen, reichen für eine Präkludierung nicht aus (VK Südbayern, B. v.<br />

23.11.2006 - Az.: 32-10/06).<br />

<strong>19.</strong>5.23.1.15 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

3054<br />

• haben sich ein <strong>Antrag</strong>steller bzw. die Verfahrensbevollmächtigten offensichtlich<br />

bereits mit dem Inhalt der Leistungsbeschreibung und den vergaberechtlichen<br />

Anforderungen an eine Leistungsbeschreibung befasst, so dass sich mit den<br />

nachfolgenden nunmehr konkreten Ausführungen des Auftraggebers der Schluss auf<br />

die mit dem Nachprüfungsantrag geltend gemachten Vergabeverstöße aufdrängen<br />

musste, waren die mithin unmittelbar nach Erhalt des Schreibens des<br />

Auftraggebers erkannten Vergabeverstöße unverzüglich zu rügen. Die erst vier<br />

Tage später kurze Zeit nach Ablauf der Angebotsfrist erhobene Rüge wird der<br />

gemäß <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 <strong>GWB</strong> gebotenen Unverzüglichkeit nicht gerecht;<br />

der <strong>Antrag</strong>steller hätte seine Rüge bei dieser Sachverhaltskonstellation spätestens<br />

innerhalb von ein bis drei Tagen nach Kenntniserlangung erheben müssen (1. VK<br />

Bund, B. v. 05.03.2010 - Az.: VK 1 - 16/10)<br />

• erhält ein Bieter die Mitteilung über ein Verhandlungsverfahren ohne<br />

Teilnahmewettbewerb gemäß <strong>§</strong> 3a Nr. 1 Abs. 5 lit. a VOL/A und kennt der Bieter<br />

z.B. aus einem vorangegengenen Nachprüfungsverfahren die übrigen Bieter und<br />

ist der Bieter anwaltlich beraten, so ist für die Unverzüglichkeit der Rüge auf den<br />

Zeitpunkt der Mitteilung über ein Verhandlungsverfahren ohne<br />

Teilnahmewettbewerb gemäß <strong>§</strong> 3a Nr. 1 Abs. 5 lit. a VOL/A abzustellen (VK<br />

Arnsberg, B. v. 21.12.2009 - Az.: VK 41/09)<br />

• es bedarf einer sowohl juristischen wie mathematischen Einschätzung, um<br />

überhaupt zu erkennen, dass sich bei manchen Wertungsmethoden Fehler dadurch


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

ergeben können, dass die den Bietern bekannt gegebenen Gewichtungen tatsächlich<br />

nicht wirksam bzw. verändert werden. Beanstandet der Bieter, dass außer der<br />

prozentualen Gewichtung der Wertungskriterien auch die Rechenmethode den<br />

Bietern hätte bekannt gegeben werden müssen, so ist diese Beanstandung nicht<br />

zwingend innerhalb der Angebotsabgabefrist vorzubringen (VK Düsseldorf, B. v.<br />

20.08.2009 - Az.: VK – 13/2009 – L)<br />

• soweit die <strong>Antrag</strong>sgegnerin und die Beigeladene die Auffassung vertreten, die<br />

<strong>Antrag</strong>stellerin habe aufgrund der Beantwortung von Bieteranfragen darauf schließen<br />

können, dass andere interessierte Unternehmen vorhanden seien und offenbar ein<br />

anderes Verständnis vom Inhalt der geforderten Leistung gehabt hätten, kann dies<br />

keine Rügepflicht zu diesem Zeitpunkt begründen. Das mögliche Verständnis<br />

anderer Unternehmen vom Inhalt der Vergabeunterlagen und deren<br />

Angebotsabgabe und –gestaltung stellt keinen Vergabefehler der<br />

<strong>Antrag</strong>sgegnerin dar, den die <strong>Antrag</strong>stellerin hätte rügen können (VK Düsseldorf, B.<br />

v. 20.08.2009 - Az.: VK – 13/2009 – L)<br />

• die Rüge einer Regelung in einem abzuschließenden Vertrag als<br />

vergaberechtswidrig mag darauf schließen lassen, dass der Bieter den Vertragstext<br />

auch im Übrigen zur Kenntnis genommen hat, ohne Hinzutreten weiterer Umstände<br />

aber nicht, dass er dessen Vergaberechtswidrigkeit im Übrigen ebenfalls erkannt<br />

hat. Dann ist das Recht, in einem anderen Vergabeverfahren zunächst ungerügt<br />

gebliebene Vertragsklauseln zu beanstanden, weder nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong><br />

noch unter dem Gesichtspunkt einer Verwirkung ausgeschlossen (OLG Dresden, B. v.<br />

23.04.2009 - Az.: WVerg 0011/08)<br />

• von der Vorgabe eines Leitfabrikats hat ein <strong>Antrag</strong>steller als fachkundiges<br />

Unternehmen spätestens im Zuge der Angebotserstellung positive Kenntnis und<br />

kann und muss diese Vorgabe spätestens mit Angebotsabgabe rügen (VK<br />

Niedersachsen, B. v. 16.03.2009 - Az.: VgK-04/2009)<br />

• eine fehlende Kenntnis im Sinn von <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong> hinsichtlich eines<br />

Verstoßes gegen ein Gebrauchsmusterrecht ist auszuschließen, wenn die<br />

Eintragung des Gebrauchsmusters gerade im Hinblick auf Aufträge wie den<br />

streitgegenständlichen erfolgt ist, der <strong>Antrag</strong>steller als kleineres, spezialisiertes<br />

Unternehmen einen guten Überblick über ihre Gebrauchsmuster haben dürfte und<br />

durch die ausdrückliche Frage im Angebotsblatt, ob bezüglich des<br />

Ausschreibungsgegenstandes gewerbliche Schutzrechte bestehen, die Aufmerksamkeit<br />

des <strong>Antrag</strong>stellers in besonderem Maße auf diesen Punkt gelenkt wurde (2. VK Bund,<br />

B. v. 15.09.2008 - Az.: VK 2 – 91/08)<br />

• ein Bieter, der mehrfach vorbehaltlos seine Zustimmung zu einer<br />

Bindefristverlängerung abgibt, kann zu einem späteren Zeitpunkt mit<br />

vergaberechtlichen Einwendungen, die auf der Bindefristverlängerung beruhen<br />

nicht mehr gehört werden. Der Vortrag, die Vergabestelle beabsichtige ein Angebot<br />

zu bezuschlagen, das sowohl aufgrund einer Verschiebung des ursprünglichen<br />

Bauzeitraums wesentlich vom Ausschreibungsgegenstand abweiche als auch aufgrund<br />

extrem gestiegener Rohstoffpreise unauskömmlich sei, ist somit entsprechend <strong>§</strong> <strong>107</strong><br />

Abs. 3, Satz 1 <strong>GWB</strong> präkludiert (VK Sachsen, B. v. 15.05.2007 - Az.: 1/SVK/028-07;<br />

B. v. 07.05.2007 – Az.: 1/SVK/027-07).<br />

• ist einem Bieter die streitige Leistungsbeschreibung schon seit Jahren aus<br />

vorangegangenen Vergabeverfahren bekannt und ist nach Kenntnis des Bieters<br />

der Text von einem interessierten Unternehmen vorformuliert und in die<br />

Ausschreibungen "eingeschleust" worden mit dem Ziel, sich durch Verengung des<br />

Wettbewerbs eine Alleinstellung am Markt zu verschaffen und ist der Bieter<br />

außerdem der Ansicht, dass ein bestimmtes Eignungsmerkmal (z.B. das


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Nachweismerkmal der "neutralen Prüfanstalt") erkennbar unsinnig und nicht<br />

berücksichtigungsfähig ist, kann bei diesem Wissensstand kein Hindernis<br />

bestehen, noch vor Angebotsabgabe mit entsprechenden Rügen an die<br />

Vergabestelle heranzutreten (OLG Koblenz, B. v. 03.04.2008 - Az.: 1 Verg 1/08)<br />

• Mängel in den Ausschreibungsunterlagen, die spätestens beim Erstellen des<br />

Angebots erkennbar sind, sind mit einer entsprechenden Rüge unverzüglich zu<br />

beanstanden (VK Nordbayern, B. v. 16.01.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 43/06)<br />

• eine rechtliche Verpflichtung eines <strong>Antrag</strong>stellers, sich die - über einen etwa<br />

bestehenden Verdacht hinaus - zur Erhebung der Rüge erforderlichen<br />

Tatsachenkenntnisse durch eigenes Tun zu verschaffen und/oder bislang<br />

ungewisse rechtliche Bedenken durch Einholen anwaltlichen Rechtsrats zu erhärten,<br />

besteht grundsätzlich nicht. Eine Ausnahme hiervon mag in dem Fall anerkannt<br />

werden, in welchem der Kenntnisstand des <strong>Antrag</strong>stellers in tatsächlicher oder<br />

rechtlicher Hinsicht einen solchen Grad erreicht hat, dass ein weiteres Verharren in<br />

Unkenntnis als ein mutwilliges Sich-Verschließen vor der Erkenntnis eines<br />

Vergaberechtsverstoßes gewertet werden muss (OLG Düsseldorf, B. v. 5.12.2001 -<br />

Az.: Verg 32/01)<br />

• positive Kenntnis ist auch dann nicht anzunehmen, wenn ein Sachverhalt rechtlich<br />

nicht eindeutig als Fehler qualifiziert werden kann, etwa bei unklarer Rechtslage.<br />

Das Gesetz verlangt grundsätzlich keine Untersuchungs- oder Prüfungspflicht (VK<br />

Baden-Württemberg, B. v. 24.8.2001 - Az.: 1 VK 20/01)<br />

• werden bei einem Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses Ungenauigkeiten<br />

festgestellt, liegt positive Kenntnis vor (VK Baden-Württemberg, B. v. 28.05.2009 -<br />

Az.: 1 VK 21/09; VK Lüneburg, B. v. 28.8.2001 - Az.: 203-VgK-17/2001)<br />

• bei einer Vorstellung, dass die vermutlich angebotene Produkte nicht den<br />

Anforderungen des Leistungsverzeichnisses entsprechen und der Vorstellung<br />

eines Vergaberechtsverstoßes liegt positive Kenntnis vor (VK Düsseldorf, B. v.<br />

10.7.2003 - Az.: VK - 18/2003 - L)<br />

<strong>19.</strong>5.23.1.16 Literatur<br />

3055<br />

• Maier, Clemens, Zur Frage des Nachweises der positiven Kenntnis bzw. der<br />

Erkennbarkeit von Verfahrensverstößen als Bedingung des Entstehens der<br />

Rügeobliegenheit nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong>, VergabeR 2004, 176<br />

<strong>19.</strong>5.23.2 Entscheidende Person<br />

3055/1<br />

Entscheidend ist die Kenntnis der natürlichen Personen, die befugt sind, für ein<br />

Unternehmen im konkreten Vergabeverfahren verbindliche Erklärungen abzugeben,<br />

also insbesondere diejenigen, die ein Angebot rechtsverbindlich unterschreiben können (VK<br />

Baden-Württemberg, B. v. 20.05.2009 - Az.: 1 VK 18/09).<br />

<strong>19.</strong>5.23.3 Unverzüglichkeit der Rüge


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

<strong>19.</strong>5.23.3.1 Rechtsprechung des EuGH zum Merkmal der Unverzüglichkeit der<br />

Rüge<br />

3055/2<br />

3055/3<br />

3055/4<br />

3055/5<br />

3055/6<br />

Die Rechtsmittelrichtlinie steht einer nationalen Bestimmung entgegen, auf deren<br />

Grundlage ein nationales Gericht einen Nachprüfungsantrag, der auf die Feststellung eines<br />

Verstoßes gegen die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge oder auf die<br />

Erlangung von Schadensersatz wegen Verstoßes gegen diese Vorschriften gerichtet ist, in<br />

Anwendung des nach Ermessen beurteilten Kriteriums der Unverzüglichkeit der<br />

Verfahrenseinleitung wegen Fristversäumnis zurückweisen kann (EuGH, Urteil v.<br />

28.01.2010 - Az.: C-406/08).<br />

Die Rechtsmittelrichtlinie gebietet dem nationalen Gericht, unter Gebrauch seines Ermessens<br />

die Frist für die Verfahrenseinleitung so zu verlängern, dass für den Kläger eine Frist<br />

sichergestellt ist, die derjenigen entspricht, über die er verfügt hätte, wenn die von der<br />

anwendbaren innerstaatlichen Regelung vorgesehene Frist zu dem Zeitpunkt zu laufen<br />

begonnen hätte, zu dem er von dem Verstoß gegen die Vorschriften über die Vergabe<br />

öffentlicher Aufträge Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Sollten die<br />

innerstaatlichen Bestimmungen über die Fristen für die Verfahrenseinleitung nicht im<br />

Einklang mit der Rechtsmittelrichtlinie ausgelegt werden können, muss das nationale<br />

Gericht sie unangewendet lassen, damit das Gemeinschaftsrecht in vollem Umfang<br />

Anwendung findet und die Rechte, die es dem Einzelnen verleiht, geschützt werden<br />

(EuGH, Urteil v. 28.01.2010 - Az.: C-406/08).<br />

Auch der Wortlaut einer Vorschrift, wonach ein <strong>Antrag</strong> auf Nachprüfung „so früh wie<br />

möglich und jedenfalls innerhalb von drei Monaten“ zu stellen ist, enthält eine<br />

Unsicherheit. Es ist nicht auszuschließen, dass die nationalen Gerichte auf der Grundlage<br />

einer solchen Bestimmung einen <strong>Antrag</strong> bereits vor Ablauf der Dreimonatsfrist wegen<br />

Fristversäumnis zurückweisen können, wenn sie der Ansicht sind, dass der <strong>Antrag</strong> nicht „so<br />

früh wie möglich“ im Sinne dieser Bestimmung gestellt wurde. Die Länge einer<br />

Ausschlussfrist ist für den Betroffenen nicht vorhersehbar, wenn sie in das Ermessen des<br />

zuständigen Gerichts gestellt wird. Somit wird mit einer nationalen Vorschrift, die eine<br />

solche Frist vorsieht, die Rechtsmittelrichtlinie nicht wirksam umgesetzt (EuGH, Urteil v.<br />

28.01.2010 - Az.: C-456/08).<br />

Damit verstößt <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Nr. 1 <strong>GWB</strong> gegen europäisches Recht. Die zu <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3<br />

Nr. 1 ergangene Rechtsprechung ist letztlich obsolet und <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Nr. 1 <strong>GWB</strong> bis zu<br />

einer Neuregelung nicht mehr anwendbar.<br />

Eine Regelung, wonach das Gericht eine Frist für einen <strong>Antrag</strong> auf Nachprüfung<br />

verlängern kann („es sei denn, das Gericht hält eine Verlängerung dieser Frist für<br />

gerechtfertigt“), ist an sich, losgelöst von ihrem Kontext, im Rahmen der Umsetzung der<br />

Rechtsmittelrichtlinie zulässig. Auf einem Gebiet wie dem der öffentlichen Aufträge, auf dem<br />

die Verfahren komplex und die Sachverhalte sehr unterschiedlich sein können, kann es im<br />

Interesse einer geordneten Rechtspflege liegen, die Befugnis zur Verlängerung von<br />

Rechtsbehelfsfristen aus Gründen der Billigkeit auf die nationalen Gerichte zu übertragen.<br />

Jedoch ist die vorgesehene richterliche Befugnis zur Verlängerung der Frist für den<br />

Nachprüfungsantrag nicht geeignet, die Lücken zu schließen, die diese Bestimmung<br />

hinsichtlich der Klarheit und Bestimmtheit aufweist, die nach der Rechtsmittelrichtlinie<br />

für die Regelung über die Fristen erforderlich sind. Selbst unter Berücksichtigung dieser<br />

Befugnis zur Fristverlängerung kann der betroffene Bewerber oder Bieter aufgrund der<br />

Verpflichtung, Nachprüfungsanträge so früh wie möglich zu stellen, nicht mit


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Gewissheit absehen, welche Frist bei der <strong>Antrag</strong>stellung zu beachten sein wird (EuGH,<br />

Urteil v. 28.01.2010 - Az.: C-456/08).<br />

<strong>19.</strong>5.23.3.2 Nationale Rechtsprechung nach der Entscheidung des EuGH<br />

3055/7<br />

3055/8<br />

Die VK Nordbayern lässt die Frage ausdrücklich offen (VK Nordbayern, B. v. 10.02.2010<br />

- Az.: 21.VK - 3194 - 01/10).<br />

Die 1 VK Bund lehnt die Übertragung der Rechtsprechung des EuGH auf <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3<br />

Satz 1 Nr. 1 <strong>GWB</strong> ab. <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 <strong>GWB</strong> regelt nicht die Ausschlussfrist für<br />

das Nachprüfungsverfahren selbst, sondern nur die Anforderungen an die<br />

Rügeobliegenheit als Zulässigkeitsvoraussetzung und damit, ob die<br />

Zulässigkeitsvoraussetzung vorliegt oder nicht. Im Übrigen ist der Begriff der<br />

Unverzüglichkeit im deutschen Recht definiert (als „ohne schuldhaftes Zögern“ im Sinne<br />

des <strong>§</strong> 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) und zudem aufgrund einer ausgeprägten Rechtsprechung<br />

zu <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 <strong>GWB</strong> bzw. <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong> a.F. weitergehend<br />

konkretisiert worden, so dass es gerade nicht im Ermessen der Nachprüfungsinstanz<br />

steht, ob eine Rüge unverzüglich vorgenommen wurde oder nicht (1. VK Bund, B. v.<br />

05.03.2010 - Az.: VK 1 - 16/10).<br />

<strong>19.</strong>5.23.3.3 Nationale Rechtsprechung vor der Entscheidung des EuGH<br />

<strong>19.</strong>5.23.3.3.1 Allgemeine Bestimmung des Merkmals der Unverzüglichkeit<br />

3056<br />

Zur Bestimmung des Merkmals der Unverzüglichkeit ist auf <strong>§</strong> 121 Abs. 1 BGB<br />

zurückzugreifen. Danach ist das Merkmal der Unverzüglichkeit dann erfüllt, wenn ohne<br />

schuldhaftes Zögern gehandelt wird (OLG Brandenburg, B. v. 20.03.2007 - Az.: Verg W<br />

12/06; OLG Celle, B. v. 10.01.2008 - Az.: 13 Verg 11/07; B. v. 08.03.2007 - Az.: 13 Verg<br />

2/07; OLG Düsseldorf, B. v. 04.05.2009 - Az.: VII-Verg 68/08; B. v. 17.11.2008 - Az.: VII-<br />

Verg 49/08; B. v. 21.11.2007 - Az.: Verg 32/07; B. v. 05.12.2006 - Az.: VII - Verg 56/06;<br />

OLG Frankfurt, B. v. 05.05.2008 - Az.: 11 Verg 1/08; OLG München, B. v. 13.04.2007 - Az.:<br />

Verg 01/07; B. v. 28.02.2007 – Az.: Verg 01/07; OLG Naumburg, B. v. 25.01.2005 - Az.: 1<br />

Verg 22/04; OLG Rostock, B. v. 06.03.2009 - Az.: 17 Verg 1/09; Saarländisches OLG, B. v.<br />

09.11.2005 - Az.: 1 Verg 4/05; Schleswig-Holsteinisches OLG, B. v. 09.03.2010 - Az.: 1<br />

Verg 4/09; OLG Thüringen, B. v. 31.08.2009 - Az.: 9 Verg 6/09; B. v. 30.03.2009 - Az.: 9<br />

Verg 12/08; VK Arnsberg, B. v. 15.01.2009 - Az.: VK 31/08; B. v. 15.01.2009 - Az.: VK<br />

30/08; B. v. 29.12.2006 - Az.: VK 31/06; B. v. 13.06.2006 - Az.: VK 10/06; VK Baden-<br />

Württemberg, B. v. 10.09.2009 - Az.: 1 VK 49/09; B. v. 01.09.2009 - Az.: 1 VK 46/09; B. v.<br />

26.08.2009 - Az.: 1 VK 43/09; B. v. 29.06.2009 - Az.: 1 VK 27/09; B. v. 28.05.2009 - Az.: 1<br />

VK 21/09; B. v. 26.09.2008 - Az.: 1 VK 33/08; B. v. 30.04.2008 - Az.: 1 VK 12/08; B. v.<br />

11.04.2008 - Az.: 1 VK 09/08; B. v. 13.10.2005 - Az.: 1 VK 59/05; VK Berlin, B. v.<br />

20.04.2009 - Az.: VK - B 2 - 10/09; B. v. 24.07.2007 - Az.: VK B 1 - 19/07; B. v. 27.03.2007<br />

- Az.: VK - B 1 - 6/07; B. v. 09.02.2006 - Az.: VK - B 1 - 02/06; VK Brandenburg, B. v.<br />

23.06.2009 - Az.: VK 26/09; B. v. 09.02.2009 - Az. VK 5/09; B. v. 21.05.2008 - Az.: VK<br />

9/08; B. v. vom 03.04.2008 - Az.: VK 4/08; B. v. 30.01.2008 - Az.: VK 56/07, VK 58/07; B.<br />

v. 28.01.2008 - Az.: VK 59/07; B. v. 15.01.2008 – Az.: VK 52/07; B. v. 21.11.2007 - Az.: VK<br />

45/07; B. v. 11.09.2006 - Az.: 2 VK 34/06, 1 VK 35/06; B. v. 07.04.2006 - Az.: 1 VK 13/06;<br />

B. v. 05.04.2006 - Az.: 1 VK 3/06; B. v. 14.09.2005 - Az.: 1 VK 55/05; B. v. 08.09.2005 -


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Az.: 1 VK 51/05; B. v. 16.12.2004 - Az.: VK 70/04; B. v. 18.11.2004 - Az.: VK 66/04; 1. VK<br />

Bund, B. v. 05.03.2010 - Az.: VK 1 - 16/10; 3. VK Bund, B. v. 08.05.2007 - Az.: VK 3 -<br />

37/07; VK Düsseldorf, B. v. 28.01.2010 - Az.: VK - 37/2009 – B; B. v. 24.11.2009 - Az.: VK<br />

– 26/2009 – L; B. v. 12.11.2009 - Az.: VK – 21/2009 – L; B. v. 07.10.2009 - Az.: VK –<br />

31/2009 – L; B. v. 08.09.2009 - Az.: VK – 17/2009 – L; B. v. 20.08.2009 - Az.: VK –<br />

13/2009 – L; B. v. 29.04.2009 - Az.: VK - 2/2009 – L; B. v. 21.01.2009 - Az.: VK – 43/2008<br />

– L; B. v. 31.10.2008 - Az.: VK – 22/2008 – B; B. v. 15.08.2008 - Az.: VK – 18/2008 – L; B.<br />

v. 26.06.2008 - Az.: VK - 23/2008 – L; B. v. 02.06.2008 - Az.: VK – 15/2008 – L; B. v.<br />

23.05.2008 - Az.: VK - 7/2008 – L; B. v. 28.09.2007 - Az.: VK - 27/2007 – B; B. v.<br />

24.08.2007 - Az.: VK - 24/2007 – L; B. v. 02.08.2007 - Az.: VK - 23/2007 – B; B. v.<br />

26.06.2007 - Az.: VK - 18/2007 – B; B. v. 24.04.2007 - Az.: VK - 11/2007 – L; B. v.<br />

<strong>19.</strong>04.2007 - Az.: VK - 10/2007 – B; B. v. 29.03.2007 - Az.: VK - 08/2007 – B; B. v.<br />

<strong>19.</strong>03.2007 - Az.: VK - 07/2007 – B; B. v. 27.11.2006 - Az.: VK – 47/2006 – L; B. v.<br />

02.05.2006 - Az.: VK - 17/2006 – B; B. v. 11.01.2006 - Az.: VK - 50/2005 – L; B. v.<br />

28.11.2005 - Az.: VK - 40/2005 – B; B. v. <strong>19.</strong>10.2005 - Az.: VK - 29/2005 - L; B. v.<br />

01.09.2005 - Az.: VK - 16/2005 - L, VK - 16/2005 - Z; VK Münster, B. v. 14.01.2010 - Az.:<br />

VK 26/09; B. v. 09.10.2009 - Az.: VK 19/09; B. v. 30.04.2009 - Az.: VK 4/09; VK<br />

Nordbayern, B. v. 26.08.2009 - Az.: 21.VK - 3194 – 30/09; B. v. 28.01.2009 - Az.: 21.VK -<br />

3194 - 63/08; B. v. 18.09.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 43/08; B. v. 07.07.2008 - Az.: 21.VK -<br />

3194 - 31/08; B. v. 18.07.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 27/07; 3. VK Saarland, B. v. 05.10.2007<br />

- Az.: 3 VK 09/2007; B. v. 23.04.2007 - Az.: 3 VK 02/2007, 3 VK 03/2007; 1. VK Sachsen,<br />

B. v. 15.01.2010 - Az.: 1/SVK/068-09; B. v. 08.01.2010 - Az.: 1/SVK/059-09; B. v.<br />

<strong>19.</strong>05.2009 - Az.: 1/SVK/008-09; B. v. 10.10.2008 - Az.: 1/SVK/051-08; B. v. 28.07.2008 -<br />

Az.: 1/SVK/037-08; B. v. 25.06.2008 - Az.: 1/SVK/029-08; B. v. 30.04.2008 - Az.:<br />

1/SVK/020-08; B. v. 21.04.2008 - Az.: 1/SVK/021-08, 1/SVK/021-08-G; B. v. 14.04.2008 -<br />

Az.: 1/SVK/013-08; B. v. 07.03.2008 - Az.: 1/SVK/003-08; B. v. 24.01.2008 - Az.:<br />

1/SVK/087-07; B. v. 16.01.2008 - Az.: 1/SVK/084-07; B. v. 17.12.2007 - Az.: 1/SVK/074-<br />

07; B. v. 17.12.2007 - Az.: 1/SVK/073-07; B. v. 17.09.2007 - Az.: 1/SVK/058-07; B. v.<br />

13.06.2007 - Az.: 1/SVK/039-07; B. v. 15.03.2007 - Az.: 1/SVK/007-07; B. v. 05.02.2007 -<br />

Az.: 1/SVK/125-06; B. v. 07.12.2006 - Az.: 1/SVK/100-06; B. v. 10.11.2006 - Az.:<br />

1/SVK/096-06; B. v. 09.11.2006 - Az.: 1/SVK/095-06; B. v. 20.09.2006 - Az.: 1/SVK/085-<br />

06; B. v. 18.08.2006 - Az.: 1/SVK/077-06; B. v. 11.08.2006 - Az.: 1/SVK/073-06; B. v.<br />

<strong>19.</strong>07.2006 - Az.: 1/SVK/060-06; B. v. <strong>19.</strong>07.2006 - Az.: 1/SVK/059-06; B. v. 26.06.2006 –<br />

Az.: 1/SVK/071-06; B. v. 08.06.2006 - Az.: 1/SVK/050-06; B. v. 05.04.2006 - Az.:<br />

1/SVK/027-06; B. v. 16.03.2005 - Az.: 1/SVK/014-05; B. v. 14.03.2005 - Az.: 1/SVK/011-<br />

05; B. v. 14.02.2006 - Az.: 1/SVK/005-06, 1/SVK/005-06G; B. v. 26.01.2006 - Az.:<br />

1/SVK/159-05; B. v. 17.01.2006 - Az.: 1/SVK/151-05; B. v. 28.12.2005 - Az.: 1/SVK/147-<br />

05; B. v. 09.12.2005 - Az.: 1/SVK/141-05; B. v. 02.12.2005 - Az.: 1/SVK/138-05; B. v.<br />

29.11.2005 - Az.: 1/SVK/137-05; B. v. 11.11.2005 - Az.: 1/SVK/130-05; B. v. 03.11.2005 -<br />

Az.: 1/SVK/125-05; B. v. 05.09.2005 - Az.: 1/SVK/104-05; B. v. <strong>19.</strong>08.2005 - Az.:<br />

1/SVK/096-05; B. v. 23.08.2005 - Az.: 1/SVK/098-05; B. v. 25.07.2005 - Az.: 1/SVK/084-<br />

05, 1/SVK/084-05G; B. v. 16.06.2005 - Az.: 1/SVK/056-05; B. v. 31.05.2005 - Az.:<br />

1/SVK/046-05; B. v. 12.05.2005 - Az.: 1/SVK/038-05; B. v. 06.04.2005 - Az.: 1/SVK/022-<br />

05; B. v. 24.02.2005 - Az.: 1/SVK/005-05; B. v. 24.02.2005 - Az.: 1/SVK/004-05; B. v.<br />

21.02.2005 - Az.: 1/SVK/008-05; B. v. 11.02.2005 - Az.: 1/SVK/128-04; B. v. 08.02.2005 -<br />

Az.: 1/SVK/003-05; B. v. 29.12.2004 - Az.: 1/SVK/123-04; 1. VK Sachsen-Anhalt, B. v.<br />

31.03.2005 - Az.: 1 VK LVwA 04/05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 27.01.2009 - Az.: VK-<br />

SH 19/08; B. v. 20.01.2009 - Az.: VK-SH 17/08; B. v. 03.12.2008 - Az.: VK-SH 12/08; B. v.<br />

17.09.2008 - Az.: VK-SH 10/08; B. v. 17.09.2008 - Az.: VK-SH 10/08; B. v. 14.05.2008 -<br />

Az.: VK-SH 06/08; B. v. 07.05.2008 - Az.: VK-SH 05/08; B. v. 25.04.2008 - Az.: VK-SH<br />

04/08; B. v. 12.06.2006 - Az.: VK-SH 12/06; B. v. 10.01.2006 - Az.: VK-SH 30/05; B. v.


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

05.10.2005 - Az.: VK-SH 23/05; B. v. 16.09.2005 - Az.: VK-SH 22/05; VK Südbayern, B. v.<br />

12.06.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-20-05/09; B. v. 13.03.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-02-01/09; B.<br />

v. 11.02.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-01-01/09; B. v. 16.01.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-46-12/09;<br />

B. v. 18.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-17-04/08; B. v. 09.05.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-13-<br />

04/08; B. v. 07.12.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-49-10/07; B. v. 14.09.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-<br />

33-07/07; B. v. <strong>19.</strong>06.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-18-05/07; B. v. <strong>19.</strong>12.2006 - Az.: Z3-3-3194-<br />

1-35-11/06; B. v. 06.04.2006 - Az.: 06-03/06; B. v. 24.11.2005 - Az.: Z3-3-3194-1-42-09/05;<br />

VK Thüringen, B. v. 04.11.2009 - Az.: 250-4002.20-5693/2009-013-SM; B. v. 05.05.2009 -<br />

Az.: 250-4002.20-2398/2009-002-ABG; B . v. 09.04.2009 - Az.: 250-4002.20-1786/2009-<br />

002-GRZ; B. v. 17.03.2009 - Az.: 250-4003.20-650/2009-003-EF; B. v. 17.02.2009 - Az.:<br />

250-4002.20-7190/2008-043-EF; B. v. 12.01.2009 - Az.: 250-4003.20-6372/2008-007-IK; B.<br />

v. 18.12.2008 - Az.: 250-4003.20-5944/2008-030-J; B. v. 08.05.2008 - Az.: 250-4002.20-<br />

899/2008-006-G; B. v. 27.03.2008 - Az.: 360-4003.20-641/2008-002-UH; B. v. 26.02.2008 -<br />

Az.: 360-4002.20-396/2008-003-G). Dies bedeutet für die Rüge gemäß <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1<br />

<strong>GWB</strong>, dass sie so bald zu erklären ist, als es dem <strong>Antrag</strong>steller unter Berücksichtigung der für<br />

die Prüfung und Begründung der Rüge notwendigen Zeit möglich und zumutbar ist (OLG<br />

Celle, B. v. 10.01.2008 - Az.: 13 Verg 11/07; OLG Düsseldorf, B. v. 05.09.2007 - Az.: VII –<br />

Verg 19/07; B. v. 05.12.2006 - Az.: VII - Verg 56/06; VK Baden-Württemberg, B. v.<br />

10.09.2009 - Az.: 1 VK 49/09; B. v. 01.09.2009 - Az.: 1 VK 46/09; B. v. 26.08.2009 - Az.: 1<br />

VK 43/09; B. v. 11.04.2008 - Az.: 1 VK 09/08; VK Berlin, B. v. 27.03.2007 - Az.: VK - B 1 -<br />

6/07; 1. VK Brandenburg, B. v. 21.05.2008 - Az.: VK 9/08; B. v. vom 03.04.2008 - Az.: VK<br />

4/08; B. v. 30.01.2008 - Az.: VK 56/07, VK 58/07; B. v. 28.01.2008 - Az.: VK 59/07; B. v.<br />

15.01.2008 – Az.: VK 52/07; B. v. 21.11.2007 - Az.: VK 45/07; B. v. 11.09.2006 - Az.: 2 VK<br />

34/06, 1 VK 35/06; B. v. 14.09.2005 - Az.: 1 VK 55/05; B. v. 08.09.2005 - Az.: 1 VK 51/05;<br />

1. VK Bund, B. v. 05.03.2010 - Az.: VK 1 - 16/10; VK Düsseldorf, B. v. 28.01.2010 - Az.:<br />

VK - 37/2009 – B; B. v. 24.11.2009 - Az.: VK – 26/2009 – L; B. v. 12.11.2009 - Az.: VK –<br />

21/2009 – L; B. v. 07.10.2009 - Az.: VK – 31/2009 – L; B. v. 08.09.2009 - Az.: VK –<br />

17/2009 – L; B. v. 20.08.2009 - Az.: VK – 13/2009 – L; B. v. 29.04.2009 - Az.: VK - 2/2009<br />

– L; B. v. 21.01.2009 - Az.: VK – 43/2008 – L; B. v. 31.10.2008 - Az.: VK – 22/2008 – B; B.<br />

v. 15.08.2008 - Az.: VK – 18/2008 – L; B. v. 26.06.2008 - Az.: VK - 23/2008 – L; B. v.<br />

02.06.2008 - Az.: VK – 15/2008 – L; B. v. 23.05.2008 - Az.: VK - 7/2008 – L; B. v.<br />

28.09.2007 - Az.: VK - 27/2007 – B; B. v. 24.08.2007 - Az.: VK - 24/2007 – L; B. v.<br />

02.08.2007 - Az.: VK - 23/2007 – B; B. v. 26.06.2007 - Az.: VK - 18/2007 – B; B. v.<br />

24.04.2007 - Az.: VK - 11/2007 – L; B. v. <strong>19.</strong>04.2007 - Az.: VK - 10/2007 – B; B. v.<br />

29.03.2007 - Az.: VK - 08/2007 – B; B. v. <strong>19.</strong>03.2007 - Az.: VK - 07/2007 – B; B. v.<br />

27.11.2006 - Az.: VK – 47/2006 – L; B. v. 01.09.2005 - Az.: VK - 16/2005 - L, VK - 16/2005<br />

– Z; VK Hamburg, B. v. 03.11.2005 - Az.: VK BSU-3/05; VK Münster, B. v. 09.10.2009 -<br />

Az.: VK 19/09; VK Nordbayern, B. v. 18.07.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 27/07; B. v.<br />

02.12.2004 - Az.: 320.VK - 3194 - 47/04; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 07.12.2007 - Az.: VK<br />

39/07; 1. VK Sachsen, B. v. 25.06.2008 - Az.: 1/SVK/029-08; B. v. 30.04.2008 - Az.:<br />

1/SVK/020-08; B. v. 07.03.2008 - Az.: 1/SVK/003-08; B. v. 24.01.2008 - Az.: 1/SVK/087-<br />

07; B. v. 17.12.2007 - Az.: 1/SVK/074-07; B. v. 17.09.2007 - Az.: 1/SVK/058-07; B. v.<br />

10.11.2006 - Az.: 1/SVK/096-06; B. v. 20.09.2006 - Az.: 1/SVK/085-06; B. v. 18.08.2006 -<br />

Az.: 1/SVK/077-06; B. v. 11.08.2006 - Az.: 1/SVK/073-06; B. v. <strong>19.</strong>07.2006 - Az.:<br />

1/SVK/060-06; B. v. <strong>19.</strong>07.2006 - Az.: 1/SVK/059-06; B. v. 16.03.2005 - Az.: 1/SVK/014-<br />

05; B. v. 14.03.2005 - Az.: 1/SVK/011-05; B. v. 14.02.2006 - Az.: 1/SVK/005-06,<br />

1/SVK/005-06G; B. v. 26.01.2006 - Az.: 1/SVK/159-05; B. v. 17.01.2006 - Az.: 1/SVK/151-<br />

05; B. v. 28.12.2005 - Az.: 1/SVK/147-05; B. v. 09.12.2005 - Az.: 1/SVK/141-05; B. v.<br />

02.12.2005 - Az.: 1/SVK/138-05; B. v. 29.11.2005 - Az.: 1/SVK/137-05; B. v. 11.11.2005 -<br />

Az.: 1/SVK/130-05; B. v. 03.11.2005 - Az.: 1/SVK/125-05; B. v. 05.09.2005 - Az.:<br />

1/SVK/104-05; B. v. 23.08.2005 - Az.: 1/SVK/098-05; B. v. 25.07.2005 - Az.: 1/SVK/084-


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

05, 1/SVK/084-05G; B. v. 31.05.2005 - Az.: 1/SVK/046-05; B. v. 12.05.2005 - Az.:<br />

1/SVK/038-05; B. v. 24.02.2005 - Az.: 1/SVK/005-05; B. v. 24.02.2005 - Az.: 1/SVK/004-<br />

05; B. v. 21.02.2005 - Az.: 1/SVK/008-05; B. v. 11.02.2005 - Az.: 1/SVK/128-04; B. v.<br />

08.02.2005 - Az.: 1/SVK/003-05; B. v. 29.12.2004 - Az.: 1/SVK/123-04; VK Schleswig-<br />

Holstein, B. v. 20.01.2009 - Az.: VK-SH 17/08; B. v. 17.09.2008 - Az.: VK-SH 10/08; B. v.<br />

14.05.2008 - Az.: VK-SH 06/08; B. v. 07.05.2008 - Az.: VK-SH 05/08; B. v. 25.04.2008 -<br />

Az.: VK-SH 04/08; B. v. 16.09.2005 - Az.: VK-SH 22/05; VK Südbayern, B. v. 12.06.2009 -<br />

Az.: Z3-3-3194-1-20-05/09; B. v. 13.03.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-02-01/09; B. v. 11.02.2009<br />

- Az.: Z3-3-3194-1-01-01/09; VK Thüringen, B. v. 04.11.2009 - Az.: 250-4002.20-<br />

5693/2009-013-SM; B. v. 11.06.2009 - Az.: 250-4002.20-2532/2009-002-SOK; B. v.<br />

05.05.2009 - Az.: 250-4002.20-2398/2009-002-ABG; B . v. 09.04.2009 - Az.: 250-4002.20-<br />

1786/2009-002-GRZ; B. v. 17.02.2009 - Az.: 250-4002.20-7190/2008-043-EF; B. v.<br />

12.01.2009 - Az.: 250-4003.20-6372/2008-007-IK; B. v. 18.12.2008 - Az.: 250-4003.20-<br />

5944/2008-030-J; B. v. 14.08.2008 - Az.: 250-4002.20-1923/2008-014-GRZ; B. v.<br />

01.08.2008 - Az.: 250-4003.20-1952/2008-015-GRZ; B. v. 27.03.2008 - Az.: 360-4003.20-<br />

641/2008-002-UH; B. v. 08.05.2008 - Az.: 250-4002.20-899/2008-006-G; B. v. 26.02.2008 -<br />

Az.: 360-4002.20-396/2008-003-G; B. v. 11.10.2006 - Az.: 360-4002.20-026/06-SLF).<br />

Hierbei ist auch eine angemessene Überlegungsfrist zuzugestehen, innerhalb derer der<br />

<strong>Antrag</strong>steller die Qualität seiner Argumente überprüfen und eine Chancen-Risiko-<br />

Abwägung vornehmen kann. Außerdem ist die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage in<br />

Ansatz zu bringen (OLG Düsseldorf, B. v. 10.12.2008 - Az.: VII-Verg 51/08; B. v.<br />

17.11.2008 - Az.: VII-Verg 49/08; B. v. 05.05.2008 - Az.: VII - Verg 5/08; B. v. 05.09.2007 -<br />

Az.: VII – Verg 19/07; B. v. 22.08.2007 - Az.: VII – Verg 20/07; B. v. 02.05.2007 - Az.: VII -<br />

Verg 1/07; OLG München, B. v. 17.09.2007 - Az.: Verg 10/07; OLG Thüringen, B. v.<br />

31.08.2009 - Az.: 9 Verg 6/09; B. v. 30.03.2009 - Az.: 9 Verg 12/08; VK Baden-<br />

Württemberg, B. v. 10.09.2009 - Az.: 1 VK 49/09; B. v. 01.09.2009 - Az.: 1 VK 46/09; B. v.<br />

26.08.2009 - Az.: 1 VK 43/09; B. v. 28.05.2009 - Az.: 1 VK 21/09; B. v. 11.04.2008 - Az.: 1<br />

VK 09/08; B. v. 13.10.2005 - Az.: 1 VK 59/05; 1. VK Brandenburg, B. v. 21.05.2008 - Az.:<br />

VK 9/08; B. v. vom 03.04.2008 - Az.: VK 4/08; B. v. 30.01.2008 - Az.: VK 56/07, VK 58/07;<br />

B. v. 28.01.2008 - Az.: VK 59/07; B. v. 07.04.2006 - Az.: 1 VK 13/06; B. v. 05.04.2006 -<br />

Az.: 1 VK 3/06; B. v. 14.09.2005 - Az.: 1 VK 55/05; B. v. 08.09.2005 - Az.: 1 VK 51/05; 1.<br />

VK Bund, B. v. 30.07.2008 - Az.: VK 1 - 90/08; 3. VK Bund, B. v. 08.05.2007 - Az.: VK 3 -<br />

37/07; VK Düsseldorf, B. v. 28.01.2010 - Az.: VK - 37/2009 – B; B. v. 12.11.2009 - Az.: VK<br />

– 21/2009 – L; B. v. 08.09.2009 - Az.: VK – 17/2009 – L; B. v. 20.08.2009 - Az.: VK –<br />

13/2009 – L; B. v. 29.04.2009 - Az.: VK - 2/2009 – L; B. v. 21.01.2009 - Az.: VK – 43/2008<br />

– L; B. v. 15.08.2008 - Az.: VK – 18/2008 – L; B. v. 26.06.2008 - Az.: VK - 23/2008 – L; B.<br />

v. 02.06.2008 - Az.: VK – 15/2008 – L; B. v. 23.05.2008 - Az.: VK - 7/2008 – L; B. v.<br />

28.09.2007 - Az.: VK - 27/2007 – B; B. v. 24.08.2007 - Az.: VK - 24/2007 – L; B. v.<br />

26.06.2007 - Az.: VK - 18/2007 – B; B. v. 24.04.2007 - Az.: VK - 11/2007 – L; B. v.<br />

<strong>19.</strong>04.2007 - Az.: VK - 10/2007 – B; B. v. 29.03.2007 - Az.: VK - 08/2007 – B; B. v.<br />

<strong>19.</strong>03.2007 - Az.: VK - 07/2007 – B; B. v. 27.11.2006 - Az.: VK – 47/2006 – L; B. v.<br />

02.05.2006 - Az.: VK - 17/2006 – B; B. v. 28.11.2005 - Az.: VK - 40/2005 – B; VK<br />

Hamburg, B. v. 03.11.2005 - Az.: VK BSU-3/05; 2. VK Mecklenburg-Vorpommern, B. v.<br />

07.01.2008 - Az.: 2 VK 5/07; 3. VK Saarland, B. v. 23.04.2007 - Az.: 3 VK 02/2007, 3 VK<br />

03/2007; 1. VK Sachsen, B. v. 24.01.2008 - Az.: 1/SVK/087-07; B. v. 05.04.2006 - Az.:<br />

1/SVK/027-06; B. v. 11.11.2005 - Az.: 1/SVK/130-05; VK Schleswig-Holstein, B. v.<br />

20.01.2009 - Az.: VK-SH 17/08; B. v. 17.09.2008 - Az.: VK-SH 10/08; B. v. 14.05.2008 -<br />

Az.: VK-SH 06/08; B. v. 07.05.2008 - Az.: VK-SH 05/08; B. v. 25.04.2008 - Az.: VK-SH<br />

04/08; B. v. 16.09.2005 - Az.: VK-SH 22/05; B. v. 31.03.2005 - Az.: VK-SH 05/05; B. v.<br />

22.12.2004 - Az.: VK-SH 34/04; VK Südbayern, B. v. 12.06.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-20-<br />

05/09; B. v. 13.03.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-02-01/09; B. v. 11.02.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

01-01/09; B. v. 06.04.2006 - Az.: 06-03/06; VK Thüringen, B. v. 04.11.2009 - Az.: 250-<br />

4002.20-5693/2009-013-SM; B. v. 11.06.2009 - Az.: 250-4002.20-2532/2009-002-SOK; B. v.<br />

17.03.2009 - Az.: 250-4003.20-650/2009-003-EF; B. v. 17.02.2009 - Az.: 250-4002.20-<br />

7190/2008-043-EF; B. v. 12.01.2009 - Az.: 250-4003.20-6372/2008-007-IK; B. v. 18.12.2008<br />

- Az.: 250-4003.20-5944/2008-030-J; B. v. 14.08.2008 - Az.: 250-4002.20-1923/2008-014-<br />

GRZ; B. v. 01.08.2008 - Az.: 250-4003.20-1952/2008-015-GRZ; B. v. 27.03.2008 - Az.: 360-<br />

4003.20-641/2008-002-UH; B. v. 08.05.2008 - Az.: 250-4002.20-899/2008-006-G; B. v.<br />

26.02.2008 - Az.: 360-4002.20-396/2008-003-G; B. v. 31.1.2002 - Az.: 216-404.20-002/02-<br />

GTH).<br />

3057<br />

3058<br />

3059<br />

Bei der Beurteilung der Frage der Unverzüglichkeit der Rüge ist entscheidend auf die<br />

Gesamtumstände des jeweiligen konkreten Einzelfalles abzustellen (OLG Düsseldorf, B.<br />

v. 04.05.2009 - Az.: VII-Verg 68/08; B. v. 05.05.2008 - Az.: VII - Verg 5/08; B. v.<br />

05.09.2007 - Az.: VII – Verg 19/07; B. v. 22.08.2007 - Az.: VII – Verg 20/07; Schleswig-<br />

Holsteinisches OLG, B. v. 09.03.2010 - Az.: 1 Verg 4/09; VK Baden-Württemberg, B. v.<br />

28.05.2009 - Az.: 1 VK 21/09; VK Brandenburg, B. v. 21.11.2007 - Az.: VK 45/07; 1. VK<br />

Bund, B. v. 05.03.2010 - Az.: VK 1 - 16/10; VK Lüneburg, B. v. 30.06.2008 - Az.: VgK-<br />

07/2008; B. v. 15.05.2008 - Az.: VgK-12/2008; VK Münster, B. v. 09.10.2009 - Az.: VK<br />

19/09; VK Niedersachsen, B. v. 15.01.2010 - Az.: VgK-74/2009; B. v. 27.08.2009 - Az.:<br />

VgK-35/2009; B. v. 08.07.2009 - Az.: VgK-29/2009; B. v. 03.07.2009 - Az.: VgK-30/2009;<br />

B. v. 11.02.2009 - Az.: VgK-56/2008; 3. VK Saarland, B. v. 05.10.2007 - Az.: 3 VK 09/2007;<br />

VK Südbayern, B. v. 12.06.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-20-05/09; B. v. 13.03.2009 - Az.: Z3-3-<br />

3194-1-02-01/09).<br />

Die Frage „ohne schuldhaftes Zögern“ im Sinn von <strong>§</strong> 121 BGB richtet sich nicht nach <strong>§</strong><strong>§</strong><br />

187, 188 BGB. Entscheidend allein ist ein schnellstmögliches Handeln „ohne schuldhaftes<br />

Verzögern“ (1. VK Sachsen, B. v. 24.01.2008 - Az.: 1/SVK/087-07; B. v. 16.11.2006 - Az.:<br />

1/SVK/097-06; VK Südbayern, B. v. 13.03.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-02-01/09).<br />

Für die Berechnung der Frist wird man nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge davon<br />

ausgehen können, dass bis zum Zugang eines bei der Post abgelieferten (oder von dieser<br />

abgeholten) Schriftstücks ein Zeitraum von ein bis drei Tagen vergeht; ein regelmäßiger<br />

Zugang binnen eines Tages kann jedenfalls nicht unterstellt werden (VK Schleswig-Holstein,<br />

B. v. 23.01.2009 - Az.: VK-SH 18/08).<br />

<strong>19.</strong>5.23.3.3.2 Berücksichtigung von Sonn- Feiertagen<br />

3060<br />

3061<br />

Auch im Vergabeverfahren bemessen sich die Pflichten der Verfahrensbeteiligten nach<br />

Treu und Glauben, so dass ein im Geschäftsleben üblicher Maßstab anzulegen ist. Danach<br />

findet an Sonn- und Feiertagen üblicherweise keine Bürotätigkeit statt. Im Regelfall wird<br />

deshalb auch kein Bieter zur Aufnahme einer solchen Tätigkeit (Erhebung einer Rüge) nach<br />

Treu und Glauben verpflichtet sein allein aufgrund der Tatsache, dass sein potentieller<br />

Vertragspartner ein öffentlicher Auftraggeber ist. Dort wird im normalen Verwaltungsdienst<br />

ebenfalls nicht an Sonn- und Feiertagen gearbeitet (VK Brandenburg, B. v. 30.01.2008 - Az.:<br />

VK 56/07, VK 58/07; B. v. 28.01.2008 - Az.: VK 59/07; VK Düsseldorf, B. v. 21.11.2003 -<br />

Az.: VK - 33/2003 - L).<br />

Nach einer anderen Auffassung sind bei der Bestimmung der Unverzüglichkeit gesetzliche<br />

Feiertage (z.B. die Zeit von Gründonnerstag bis Osterdienstag) mit zu berücksichtigen<br />

(OLG Düsseldorf, B. v. 20.10.2008 - Az.: VII - Verg 41/08; OLG Frankfurt am Main, B. v.


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

08.02.2005 - Az.: 11 Verg 24/04; VK Baden-Württemberg, B. v. 30.04.2008 - Az.: 1 VK<br />

12/08).<br />

3062<br />

Bei der Ermittlung der verstrichenen Tage bis zur Rügeerhebung ebenso wie bei der<br />

Ermittlung des Termins entsprechend <strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong>, wann ein Zuschlag wirksam erteilt<br />

werden kann, ist auf Kalendertage abzustellen. Ansonsten könnte sich ggf. die Situation<br />

ergeben, dass zulässigerweise nach 14 Werktagen gerügt würde, der Zuschlag entsprechend <strong>§</strong><br />

13 VgV jedoch bereits mit Ablauf des 14. Kalendertages wirksam erteilt wurde. Da aber ein<br />

(wirksam) erteilter Zuschlag entsprechend <strong>§</strong> 114 Abs. 2 <strong>GWB</strong> durch die Vergabekammer<br />

nicht aufgehoben werden kann, muss zwangsläufig nach Auffassung der Vergabekammer<br />

vom gleichen Terminus „Kalendertag“ ausgegangen werden. Somit sind die Sonn- und<br />

Feiertage bei der Ermittlung der Zeitdauer bis zum Rügevortrag mit einzuschließen (1.<br />

VK Sachsen, B. v. 08.06.2006 - Az.: 1/SVK/050-06; VK Südbayern, B. v. 16.01.2009 - Az.:<br />

Z3-3-3194-1-46-12/09).<br />

<strong>19.</strong>5.23.3.3.3 Rügefrist von ein bis drei Tagen<br />

3063<br />

Ein Großteil der Rechtsprechung geht im Grundsatz insoweit von einer Rügefrist von ein<br />

bis drei Tagen aus (OLG Celle, B. v. 08.03.2007 - Az.: 13 Verg 2/07; OLG Koblenz, B. v.<br />

18.9.2003 - Az.: 1 Verg 4/03; OLG München, B. v. 13.04.2007 - Az.: Verg 01/07; B. v.<br />

28.02.2007 – Az.: Verg 01/07; VK Berlin, B. v. 09.02.206 - Az.: VK - B 1 - 02/06; VK<br />

Brandenburg, B. v. 23.06.2009 - Az.: VK 26/09; B. v. 09.02.2009 - Az. VK 5/09; B. v.<br />

21.05.2008 - Az.: VK 9/08; B. v. vom 03.04.2008 - Az.: VK 4/08; B. v. 07.04.2006 - Az.: 1<br />

VK 13/06; B. v. 05.04.2006 - Az.: 1 VK 3/06; B. v. 14.09.2005 - Az.: 1 VK 55/05 – bei einem<br />

sehr einfachen Sachverhalt -; B. v. 08.09.2005 - Az.: 1 VK 51/05; B. v. 16.12.2004 - Az.: VK<br />

70/04; B. v. 18.11.2004 - Az.: VK 66/04; B. v. 18.6.2003 - Az.: VK 31/03; 1. VK Bund, B. v.<br />

05.03.2010 - Az.: VK 1 - 16/10; B. v. 01.09.2004 - Az.: VK 1 – 171/04; B. v. 26.08.2004 -<br />

Az.: VK 1 – 165/04; VK Düsseldorf, B. v. 31.10.2005 - Az.: VK - 30/2005 – B; VK<br />

Lüneburg, B. v. 30.06.2008 - Az.: VgK-07/2008; B. v. 15.05.2008 - Az.: VgK-12/2008; B. v.<br />

26.06.2007 - Az.: VgK-29/2007; B. v. 08.06.2007 - Az.: VgK-24/2007; B. v. 23.02.2007 -<br />

Az.: VgK-06/2007; B. v. 12.01.2007 – Az.: VgK-33/2006; B. v. 11.01.2007 - Az.: VgK-<br />

36/2006; B. v. 11.12.2006 - Az.: VgK-31/2006; B. v. 27.10.2006 - Az.: VgK-26/2006; B. v.<br />

10.10.2006 - Az.: VgK-23/2006; B. v. 10.03.2006 - Az.: VgK-06/2006; B. v. 15.11.2005 -<br />

Az.: VgK-48/2005; B. v. 07.06.2005 - Az.: VgK-21/2005; B. v. 26.05.2005 - Az.: VgK-<br />

20/2005; B. v. 17.05.2005 - Az.: VgK-16/2005; B. v. 10.03.2005 - Az.: VgK-04/2005; B. v.<br />

08.05.2006 - Az.: VgK-07/2006; B. v. 20.08.2004 - Az.: 203-VgK-41/2004, B. v. 29.06.2004<br />

- Az.: 203-VgK-20/2004, B. v. 25.06.2004 - Az.: 203-VgK-19/2004; B. v. 20.1.2004 - Az.:<br />

203-VgK-38/2003; VK Niedersachsen, B. v. 15.01.2010 - Az.: VgK-74/2009; B. v.<br />

22.10.2009 - Az.: VgK-49/2009; B. v. 04.09.2009 - Az.: VgK-37/2009; B. v. 27.08.2009 -<br />

Az.: VgK-35/2009; B. v. 07.08.2009 - Az.: VgK - 32/2009; B. v. 08.07.2009 - Az.: VgK-<br />

29/2009; B. v. 03.07.2009 - Az.: VgK-30/2009; B. v. 24.06.2009 - Az.: VgK - 28/2009; B. v.<br />

11.02.2009 - Az.: VgK-56/2008; B. v. 11.11.2008 - Az.: VgK-39/2008; VK Nordbayern, B. v.<br />

28.01.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 63/08; B. v. 18.09.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 43/08; B. v.<br />

07.07.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 31/08; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 07.12.2007 - Az.: VK<br />

39/07; B. v. 08.11.2007 - Az.: VK 43/07; B. v. 24.05.2005 - Az.: VK 14/05; B. v. 12.04.2005<br />

- Az.: VK 11/05; 1. VK Sachsen, B. v. 20.04.2006 - Az.: 1/SVK/029-06; B. v. 21.02.2006 -<br />

Az.: 1/SVK/004-06; 1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 21.04.2005 - Az.: 1 VK LVwA 17/05 – bei<br />

einfach gelagerten Fällen -; B. v. 17.03.2005 - Az: 1 VK LVwA 02/05; B. v. 07.03.2006 - Az:<br />

1 VK LVwA 01/06; B. v. 09.12.2005 – Az.: 1 VK LVwA 42/05; 2. VK Sachsen-Anhalt, B. v.<br />

11.04.2005 - Az.: VK 2 – LVwA LSA 06/05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 23.10.2009 - Az.:


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

VK-SH 14/09; B. v. 18.12.2007 - Az.: VK-SH 25/07; B. v. 12.06.2006 - Az.: VK-SH 12/06;<br />

B. v. 17.03.2006 - Az.: VK-SH 02/06 – unter Ausklammerung eines zweitägigen<br />

Wochenendes; B. v. 31.01.2006 - Az.: VK-SH 33/05 – unter Ausklammerung eines<br />

zweitägigen Wochenendes; B. v. 10.01.2006 - Az.: VK-SH 30/05; VK Südbayern, B. v.<br />

13.03.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-02-01/09; B. v. 16.01.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-46-12/09; B.<br />

v. 08.07.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-20-06/08 – bei eindeutiger Rechtslage; B. v. <strong>19.</strong>06.2007 -<br />

Az.: Z3-3-3194-1-18-05/07; B. v. 01.09.2004, Az.: 120.3-3194.1-56-08/04; B. v. 01.09.2004,<br />

Az.: 120.3-3194.1-53-08/04).<br />

3064<br />

3065<br />

3066<br />

3067<br />

3068<br />

3069<br />

Das Thüringer Oberlandesgericht lehnt eine solch kurze Frist ausdrücklich ab (OLG<br />

Thüringen, B. v. 31.08.2009 - Az.: 9 Verg 6/09; B. v. 30.03.2009 - Az.: 9 Verg 12/08), ebenso<br />

die VK Münster (VK Münster, B. v. 14.01.2010 - Az.: VK 24/09; B. v. 09.10.2009 - Az.:<br />

VK 19/09).<br />

Nach Auffassung der VK Brandenburg und der VK Sachsen kann ein offenkundiger<br />

Mangel des Informationsschreibens nach <strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong> bei einem sachkundigen Bieter<br />

noch am gleichen Tag aber zumindest innerhalb von zwei Kalendertagen gegenüber dem<br />

Auftraggeber angezeigt und somit gerügt werden (VK Brandenburg, B. v. 13.03.2007 - Az.: 1<br />

VK 7/07; 1. VK Sachsen, B. v. 28.03.2007 - Az.: 1/SVK/011-07; im Ergebnis ebenso B. v.<br />

17.12.2007 - Az.: 1/SVK/074-07).<br />

Die VK Nordbayern und die VK Hessen gehen sogar davon aus, dass die Beanstandung<br />

einer Vorabinformation nach <strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong> als unzureichend sogar noch am Tage ihres<br />

Zugangs, spätestens jedoch am Folgetag erfolgen muss; andernfalls ist sie nicht mehr<br />

unverzüglich (VK Hessen, B. v. 09.10.2009 - Az.: 69 d VK – 36/2009; VK Nordbayern, B. v.<br />

26.08.2009 - Az.: 21.VK - 3194 – 30/09; B. v. 28.01.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 63/08). Eine<br />

spätere Rüge (vier Tage nach Zugang der Vorabinformation) ist daher nicht mehr<br />

unverzüglich (VK Hessen, B. v. 09.10.2009 - Az.: 69 d VK – 36/2009).<br />

Die VK Düsseldorf geht von einer Mindestfrist von drei Werktagen aus; eine noch kürzere<br />

Frist wäre schlichtweg nicht mehr praktikabel (VK Düsseldorf, B. v. 27.04.2006 - Az.:<br />

VK - 12/2006 - L). Auch die VK Brandenburg geht bei einem einfachen Sachverhalt von<br />

einer Frist von 3 Tagen aus (VK Brandenburg, B. v. 09.02.2009 - Az. VK 5/09; B. v.<br />

21.11.2007 - Az.: VK 45/07).<br />

Die VK Berlin geht von einer Frist von 3 - 4 Tagen bzw. 5 Werktagen aus (VK Berlin, B.<br />

v. 20.04.2009 - Az.: VK - B 2 - 10/09; B. v. 09.02.2006 - Az.: VK - B 1 - 02/06; B. v.<br />

15.09.2004 - Az.: VK - B 2 – 47/04; im Ergebnis ebenso 1. VK Sachsen, B. v. 07.01.2008 -<br />

Az.: 1/SVK/077-07; B. v. 05.02.2007 - Az.: 1/SVK/125-06; B. v. 10.11.2006 - Az.:<br />

1/SVK/096-06; B. v. 09.05.2006 - Az.: 1/SVK/036-06; VK Düsseldorf, B. v. 13.03.2006 -<br />

Az.: VK - 08/2006 - L).<br />

Aufgrund der kurzen Fristen, die im Vergabeverfahren grundsätzlich gelten, ist ein<br />

<strong>Antrag</strong>steller in der Regel gehalten, die Rüge binnen 1 bis 3 Tagen zu erheben, wenn die<br />

Sach- und Rechtslage aus Sicht der <strong>Antrag</strong>stellerin nach dem Ergebnis der Submission<br />

eindeutig ist. Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn die Erhebung der Rüge durch eine<br />

schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger<br />

Unterstützung erforderlich ist (VK Magdeburg, B. v. 2.10.2002 - Az: 33-32571/07 VK MD<br />

10/02).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

<strong>19.</strong>5.23.3.3.4 Rügefrist von bis zu zehn Tagen<br />

3070<br />

3071<br />

3072<br />

3073<br />

3074<br />

3075<br />

Die 1. und 3. VK Bund, die VK Saarland, die VK Hessen, die VK Münster, die VK<br />

Berlin, die VK Schleswig-Holstein, die VK Sachsen-Anhalt und die VK Südbayern sehen<br />

eine Dauer von insgesamt höchstens fünf Werktagen nach Kenntniserlangung und<br />

Einschaltung einer Rechtsanwaltskanzlei noch als unverzüglich an. Auch den<br />

Verfahrensbevollmächtigten muss eine gewisse Mindestbearbeitungszeit für die Abfassung<br />

eines entsprechenden Schriftsatzes und der Erstellung der <strong>Antrag</strong>sunterlagen zugestanden<br />

werden (1. VK Bund, B. v. 30.09.2005 - Az.: VK 1 – 122/05; 3. VK Bund, B. v. 07.06.2006 -<br />

Az.: VK 3 - 33/06; VK Hessen, B. v. 28.06.2005 - Az.: 69 d VK - 07/2005; B. v. 14.02.2005 -<br />

Az.: 69 d VK - 90/2004; VK Münster, B. v. 25.09.2007 - Az.: VK 20/07; B. v. 24.07.2007 -<br />

Az.: VK B 1 - 19/07; VK Saarland, B. v. 23.01.2006 - Az.: 1 VK 06/2005; VK Schleswig-<br />

Holstein, B. v. 23.10.2009 - Az.: VK-SH 14/09; B. v. 18.12.2007 - Az.: VK-SH 25/07; VK<br />

Südbayern, B. v. 08.07.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-20-06/08; B. v. 13.05.2008 - Az.: Z3-3-<br />

3194-1-14-04/08; im Ergebnis ebenso Schleswig-Holsteinisches OLG, B. v. 09.03.2010 - Az.:<br />

1 Verg 4/09; VK Lüneburg, B. v. 01.02.2008 - Az.: VgK-48/2007; 2. VK Mecklenburg-<br />

Vorpommern, B. v. 28.11.2008 - Az.: 2 VK 7/08; B. v. 07.01.2008 - Az.: 2 VK 5/07; 2. VK<br />

Sachsen-Anhalt, B. v. 03.07.2008 - VK 2 LVwA LSA - 05/08).<br />

An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts, wenn die Verfahrensbevollmächtigten einen<br />

<strong>Antrag</strong>steller bereits während des gesamten Vergabeverfahrens anwaltlich begleitet<br />

haben. Insoweit ist die Mitteilung über die beabsichtigte Zuschlagserteilung ein neuer<br />

Sachverhalt, in den es sich angesichts der in der Mitteilung aufgeführten Einzelheiten erst<br />

einzuarbeiten gilt. Auch wird eine gewisse Zeit für die Abfassung der Rügeschrift benötigt<br />

(VK Schleswig-Holstein, B. v. 25.04.2008 - Az.: VK-SH 04/08).<br />

Die VK Baden-Württemberg, die VK Hamburg (FB), die VK Sachsen, die VK Hessen,<br />

die VK Sachsen-Anhalt und die 2. VK Bund sehen eine Rüge innerhalb von sechs Tagen<br />

noch als unverzüglich an (VK Baden-Württemberg, B. v. 30.04.2008 - Az.: 1 VK 12/08; B.<br />

v. 11.04.2008 - Az.: 1 VK 09/08; B. v. 14.01.2005 - Az.: 1 VK 87/04; 2. VK Bund, B. v.<br />

30.05.2007 - Az.: VK 2 - 39/07; VK Hamburg (FB), B. v. 17.08.2005 - Az.: VgK FB 5/05;<br />

VK Hessen, B. v. 04.04.2005 - Az.: 69 d VK - 05/2005; 1. VK Sachsen, B. v. 18.08.2006 -<br />

Az.: 1/SVK/077-06; 1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 05.05.2008 - Az.: 1 VK LVwA 03/08; 2.<br />

VK Sachsen-Anhalt, B. v. 23.05.2006 - Az.: VK 2-LVwA LSA 17/06; B. v. 23.05.2006 - Az.:<br />

VK 2-LVwA LSA 16/06). Die VK Nordbayern hat – allerdings in einem Sonderfall – daran<br />

Zweifel (VK Nordbayern, B. v. 18.07.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 27/07).<br />

Auch das OLG Naumburg und die VK Sachsen-Anhalt lassen eine Frist von 3 – 5 Tagen<br />

bzw. 6 Werktagen bzw. 4 Arbeitstagen angesichts der Bedeutung des Auftrags in<br />

wirtschaftlicher Hinsicht genügen (OLG Naumburg, B. v. 02.03.2006 - Az.: 1 Verg 1/06; 2.<br />

VK Sachsen-Anhalt, B. v. 23.07.2008 - Az.: VK 2 LVwA LSA - 07/08; 1. VK Sachsen-<br />

Anhalt, B. v. 15.09.2006 – Az.: 1 VK LVwA 28/06).<br />

Die VK Hessen sieht eine Frist von 4 Werktagen unter Berücksichtigung von<br />

Weihnachts- und Neujahrsfeiertagen noch als unverzüglich an (VK Hessen, B. v.<br />

12.02.2008 - Az.: 69 d VK - 01/2008).<br />

Das OLG Naumburg, die VK Düsseldorf, die VK Arnsberg und die VK Sachsen sehen<br />

eine Frist von fünf Tagen noch als unverzüglich an (OLG Naumburg, B. v. 14.12.2004 - Az.:<br />

1 Verg 17/04; VK Arnsberg, B. v. 29.12.2006 - Az.: VK 31/06; VK Düsseldorf, B. v.<br />

30.9.2003 - Az.: VK - 25/2003 – B; VK Münster, B. v. 14.01.2010 - Az.: VK 24/09; 1. VK


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Sachsen, B. v. 05.04.2006 - Az.: 1/SVK/027-06; B. v. 12.07.2005 - Az.: 1/SVK/073-05; B. v.<br />

27.04.2005 - Az.: 1/SVK/032-05; B. v. 08.02.2005 - Az.: 1/SVK/003-05). Eine Rügefrist von<br />

fünf Werktagen zwischen dem Eingang des Informationsschreibens und der Beanstandung<br />

gegenüber dem <strong>Antrag</strong>sgegner ist auch in Bezug zum Inhalt der Beanstandung nicht<br />

unangemessen lang. Dem Bieter ist auch bei einfach gelagerten tatsächlichen oder<br />

rechtlichen Beanstandungen eine Überlegungsfrist zuzubilligen, ob er taktisch gegen den<br />

Auftraggeber überhaupt vorgehen will oder nicht (1. VK Sachsen, B. v. 05.04.2006 - Az.:<br />

1/SVK/027-06; VK Schleswig-Holstein, B. v. 31.03.2005 - Az.: VK-SH 05/05); die Frage, ob<br />

Nebenangebote weiter hätten aufgeklärt werden müssen oder nicht ist zudem nicht so einfach<br />

gelagert, dass ein baufachlich ausgebildeter Unternehmer oder Mitarbeiter sie sich ohne<br />

anwaltlichen Rat hätte selbst beantworten und dann eine Beanstandung vornehmen müssen<br />

(im Ergebnis ebenso OLG Naumburg, B. v. 25.10.2005 - Az.: 1 Verg 5/05; B. v. 25.01.2005 -<br />

Az.: 1 Verg 22/04; VK Thüringen, B. v. 15.06.2006 - Az.: 360-4002.20-024/06-J-S).<br />

3076<br />

3077<br />

3078<br />

3079<br />

Die 1. VK Bund sieht eine Rüge innerhalb von sechs Tagen, insbesondere vor dem<br />

Hintergrund, dass es zur Rügeerhebung ggf. noch der Abstimmung innerhalb der aus<br />

insgesamt vier Unternehmen bestehenden Bietergemeinschaft bedarf, noch als<br />

unverzüglich an (1. VK Bund, B. v. 21.05.2007 - Az.: VK 1 - 32/07; im Ergebnis ebenso<br />

OLG Brandenburg, B. v. <strong>19.</strong>02.2008 - Az.: Verg W 22/07; OLG Düsseldorf, B. v. 05.09.2007<br />

- Az.: VII – Verg 19/07). Nach Auffassung des OLG Brandenburg spielt die Stellung eines<br />

Bieters als Bietergemeinschaft und ein eventueller Abstimmungsbedarf jedoch keine<br />

Rolle (OLG Brandenburg, B. v. 20.03.2007 - Az.: Verg W 12/06).<br />

Die 1. VK Bund sieht eine Rüge innerhalb von 6 Arbeitstagen bei Einholung externen<br />

Rechtsrats noch als unverzüglich an (1. VK Bund, B. v. 17.01.2008 - Az.: VK 1 - 152/07).<br />

Nach Auffassung der VK Sachsen sind sechs Tage unter Würdigung einer angemessenen<br />

Prüfungsdauer und des Abfassens der Rüge sowie der besonderen Problematik der<br />

Falschangabe der Faxnummer des Auftraggebers durch diesen auf den genutzten<br />

Briefkopfbögen auf den Einzelfall bezogen noch als unverzüglich im Sinne von <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs.<br />

3 <strong>GWB</strong> einzuordnen (1. VK Sachsen, B. v. 13.04.2006 - Az.: 1/SVK/028-06).<br />

Ein anderer – nicht unbeträchtlicher - Teil der Rechtsprechung zieht insoweit eine Frist von<br />

einer Woche als möglich in Betracht (OLG Brandenburg, B. v. 20.03.2007 - Az.: Verg W<br />

12/06; B. v. 17.02.2005 - Az.: Verg W 11/04 – bei Berücksichtigung eines Feiertags als<br />

„Brückentag“ -; OLG Dresden, B. v. 11.09.2006 - Az.: WVerg 13/06; B. v. 21.10.2005 - Az.:<br />

WVerg 0005/05; B. v. 06.04.2004 - Az.: WVerg 1/04; OLG Frankfurt, B. v. 05.05.2008 - Az.:<br />

11 Verg 1/08; OLG Koblenz; B. v. 5.6.2003 - Az.: 1 Verg. 2/03; OLG Rostock, B. v.<br />

06.03.2009 - Az.: 17 Verg 1/09; VK Lüneburg, B. v. 26.06.2007 - Az.: VgK-29/2007; B. v.<br />

08.06.2007 - Az.: VgK-24/2007; B. v. 12.01.2007 – Az.: VgK-33/2006; VK Münster, B. v.<br />

30.04.2009 - Az.: VK 4/09; VK Niedersachsen, B. v. 27.08.2009 - Az.: VgK-35/2009; B. v.<br />

08.07.2009 - Az.: VgK-29/2009; B. v. 03.07.2009 - Az.: VgK-30/2009; B. v. 11.02.2009 -<br />

Az.: VgK-56/2008; B. v. 11.11.2008 - Az.: VgK-39/2008; VK Rheinland-Pfalz, B. v.<br />

26.3.2003 - Az.: VK 3/03; VK Saarland, B. v. 10.06.2005 - Az.: 2 VK 01/2005; 1. VK<br />

Sachsen, B. v. 11.12.2009 - Az.: 1/SVK/054-09; B. v. <strong>19.</strong>05.2009 - Az.: 1/SVK/008-09; B. v.<br />

10.10.2008 - Az.: 1/SVK/051-08; B. v. 16.01.2008 - Az.: 1/SVK/084-07; B. v. 17.12.2007 -<br />

Az.: 1/SVK/073-07; B. v. 13.06.2007 - Az.: 1/SVK/039-07; B. v. 24.05.2007 - Az.:<br />

1/SVK/029-07; B. v. 14.03.2007 - Az.: 1/SVK/006-07; B. v. 09.11.2006 - Az.: 1/SVK/095-<br />

06; B. v. 11.08.2006 - Az.: 1/SVK/073-06; B. v. 20.01.2005 - Az.: 1/SVK/127-04; B. v.<br />

17.06.2004 - Az.: 1/SVK/038-04, 1/SVK/038-04G).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

3080<br />

3081<br />

3082<br />

3083<br />

3084<br />

3085<br />

3086<br />

3087<br />

Eine Frist von 7 Tagen ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn sich der <strong>Antrag</strong>steller<br />

zunächst an die späteren Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen mit der Bitte um<br />

anwaltliche Beratung wendet, diese das Mandat aus Gründen der Interessenkollision ablehnen<br />

und der <strong>Antrag</strong>steller deshalb nicht nur einmal, sondern zwei Mal nach anwaltlichen<br />

Vertretern suchen muss (OLG Brandenburg, B. v. 20.03.2007 - Az.: Verg W 12/06). Auch<br />

die 2. VK Bund und die VK Hessen betrachten eine Rüge innerhalb von 7 Tagen (bzw. 4<br />

Arbeitstagen) noch als unverzüglich (2. VK Bund, B. v. 07.03.2008 - Az.: VK 2 – 13/08;<br />

VK Hessen, B. v. 17.10.2007 - Az.: 69 d VK – 43/2007).<br />

Die 1. VK Sachsen sieht eine Frist von 7 Tagen in einem VOF-Verfahren als unverzüglich<br />

an, wenn Recherchen zum Sachverhalt und eine rechtliche Beratung notwendig sind (1.<br />

VK Sachsen, B. v. 03.12.2004 - Az.: 1/SVK/104-04, 1/SVK/104-04G; ähnlich 3. VK Bund,<br />

B. v. 27.04.2006 - Az.: VK 3 - 21/06). Die VK Münster sieht bei einem VOF-Verfahren<br />

eine Frist von 8 Tagen noch als unverzüglich an (VK Münster, B. v. 30.03.2007 – Az.: VK<br />

04/07). Eine Rüge hinsichtlich der Aufgabenbeschreibung in einem VOF-Verfahren muss<br />

spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Aufgabenbeschreibung erfolgen<br />

(2. VK Brandenburg, B. v. 21.02.2007 - Az.: 2 VK 58/06).<br />

Nach Meinung der VK Brandenburg müssen dann, wenn der Bieter die Beratung eines<br />

Rechtsbeistandes für erforderlich hält, wie das bei der geringen Beteiligung und damit der<br />

sehr geringen Information der Bieter über die Entscheidungsprozesse des Auftraggebers<br />

am VOL-Verfahren gerechtfertigt ist, dem Bieter mindestens sieben Tage eingeräumt<br />

werden, um seine Rüge mitzuteilen (VK Brandenburg, B. v. 28.11.2006 - Az.: 2 VK 48/06; B.<br />

v. 10.11.2006 - Az.: 2 VK 44/06).<br />

Die VK Düsseldorf betrachtet weder sieben noch acht Tage in einem Fall als<br />

unangemessen lang, sofern dem <strong>Antrag</strong>steller zuzubilligen war, sich vorab intern über das<br />

weitere Vorgehen klar zu werden und den Beschluss der Geschäftsleitung, die sich die<br />

abschließende Entscheidung vorbehalten hatte, herbeizuführen (VK Düsseldorf, B. v.<br />

27.11.2006 - Az.: VK – 47/2006 – L).<br />

Eine Rüge, die erst sieben Kalendertage nach der Information gemäß <strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong> ohne<br />

Einschaltung eines Rechtsanwalts und in Kenntnis eventueller vergaberechtlicher Probleme<br />

aus einem vorausgegangenem Nachprüfungsverfahren erfolgt, ist nicht unverzüglich (VK<br />

Nordbayern, B. v. 01.02.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 54/07; 3. VK Saarland, B. v. 05.10.2007<br />

- Az.: 3 VK 09/2007; VK Südbayern, B. v. 16.01.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-46-12/09).<br />

Auch die VK Düsseldorf sieht eine Rüge bei einem einfach strukturierten Sachverhalt<br />

und der Einschaltung einer Rechtsanwaltskanzlei sieben Tagen nach positiver Kenntnis<br />

des Vergabeverstoßes als nicht mehr unverzüglich an (VK Düsseldorf, B. v. <strong>19.</strong>10.2005 -<br />

Az.: VK - 29/2005 – L).<br />

Eine Rüge, die erst 7 Tage nach positiver Kenntnis erfolgt, ist verfristet und damit<br />

präkludiert (1. VK Sachsen, B. v. 29.12.2004 - Az.: 1/SVK/123-04 – ältere Entscheidung).<br />

Nach Auffassung der VK Hessen ist eine Rüge, die bei einem klaren Sachverhalt und einer<br />

eindeutigen verbindlichen Mitteilung über die Nichtberücksichtigung im weiteren<br />

Vergabeverfahren erst 8 oder 9 Arbeitstage nach Kenntnis des möglichen Verstoßes erfolgt,<br />

als nicht mehr unverzüglich anzusehen (VK Hessen, B. v. 02.12.2004 - Az.: 69 d VK –<br />

72/2004; B. v. 11.03.2004 - Az.: 69 d - VK – 06/2004; im Ergebnis ebenso VK Hamburg, B.


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

v. 03.11.2005 - Az.: VK BSU-3/05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 12.06.2006 - Az.: VK-SH<br />

12/06).<br />

3088<br />

3089<br />

3090<br />

3091<br />

3092<br />

3093<br />

3094<br />

Nach Auffassung des OLG Düsseldorf ist ein Zeitraum von 8 Tagen zwischen Zugang der<br />

Bieterinformation nach <strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong> und Abfassung sowie Zugang des Rügeschreibens<br />

bei dem Auftraggeber als unverzüglich im Sinne des <strong>§</strong> 121 Abs. 1 Satz 1 BGB anzusehen<br />

(OLG Düsseldorf, B. v. 17.11.2008 - Az.: VII-Verg 49/08). Dies gilt z.B. dann, wenn die<br />

einzelnen Schritte mit dem Inhalt der Leistungsbeschreibung abzugleichen sind und die<br />

anzustellenden Kalkulationen von einer Beantwortung diffiziler rechtlicher Vorfragen<br />

abhängen. Dies alles geht auch einem Branchenkundigen nicht leicht und rasch von der Hand.<br />

Der Aufwand, den die <strong>Antrag</strong>stellerin zur Erhärtung des Verdachts eines Rechtsverstoßes<br />

betrieben hat, ist nicht zu kritisieren; er war der Sache nicht unangemessen (OLG Düsseldorf,<br />

B. v. 05.05.2008 - Az.: VII - Verg 5/08).<br />

Nach Auffassung der VK Südbayern kann eine Rüge auch acht Tage nach Zugang des<br />

Schreibens gemäß <strong>§</strong> 13 VgV bzw. sieben Tage nach Absendung der Information nach <strong>§</strong><br />

13 VgV noch unverzüglich sein, wenn der Bieter in der Zwischenzeit Ermittlungen<br />

tatsächlicher Art vornimmt und, um eine ausreichend sichere rechtliche Schlussfolgerung<br />

ziehen zu können, auch rechtlichen Rat einholen muss (VK Südbayern, B. v. 07.11.2005 -<br />

Az. Z3-3-3194-1-40-09/05; B. v. 06.04.2006 - Az.: 06-03/06).<br />

Die VK Münster erachtet eine Frist von neun Tagen zwischen Kenntnis und Rüge noch als<br />

unverzüglich, wenn von der Frist ein Osterwochenende und die Osterfeiertage umfasst<br />

sind (VK Münster, B. v. 28.06.2007 - Az.: VK 10/07).<br />

Unter bestimmten Umständen (kein Bedarf an anwaltlicher Beratung, längere Vorlaufzeit)<br />

kann auch ein Zeitraum von einer Woche nicht mehr als unverzüglich im Sinne von <strong>§</strong> <strong>107</strong><br />

Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong>, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, angesehen werden (2. VK Bund, B. v.<br />

17.10.2002 - Az.: VK 2 - 72/02, B. v. 8.8.2003, Az.: VK 2 - 52/03).<br />

Eine Rüge nach 8 bzw. 11 Tagen (VK Baden-Württemberg, B. v. 11.04.2008 - Az.: 1 VK<br />

09/08; 1. VK Sachsen, B. v. 16.11.2006 - Az.: 1/SVK/097-06; B. v. 31.01.2005 - Az.:<br />

1/SVK/144-04 – einfacher Sachverhalt und umfangreiche Information durch den<br />

Auftraggeber) bzw. 13 Tagen (1. VK Sachsen, B. v. 08.06.2006 - Az.: 1/SVK/050-06) ist<br />

verfristet und damit präkludiert. Im Gegensatz zu diesen Entscheidungen lässt die VK<br />

Sachsen eine Rüge nach 11 Tagen noch zu, wenn intensive Recherchen zur Wertung eines<br />

Nebenangebots notwendig sind (1. VK Sachsen, B. v. 27.06.2005 - Az.: 1/SVK/064-05).<br />

Relativ weit geht die 1. VK Bund. Vor dem Hintergrund, dass für die Entscheidung der<br />

Einlegung einer etwaigen Rüge eine nochmalige wirtschaftliche Überprüfung des eigenen<br />

Angebots erfolgen musste und eine rechtliche Bewertung der Sachlage ohne<br />

Rechtsbeistand stattfand, ist die Erhebung der Rüge nach 10 Tagen noch als rechtzeitig im<br />

Sinne des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> anzuerkennen (1. VK Bund, B. v. 11.06.2008 - Az.: VK 1 –<br />

63/08).<br />

Unter Berücksichtigung, dass sich die Pflichten der Verfahrensbeteiligten auch im<br />

Vergabeverfahren nach Treu und Glauben bemessen, und daher bei der Berechnung der<br />

verstrichenen Zeit seit Kenntniserlangung der Zuschlagsentscheidung Sonn- und Feiertage<br />

nicht zu berücksichtigen sind, ist eine Rüge innerhalb einer Frist von neun Werktagen seit<br />

Zugang der Vergabeentscheidung nicht mehr unverzüglich (VK Schleswig-Holstein,<br />

Urteil vom 22.12.2004 - Az.: VK-SH 34/04).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

3095<br />

Eine Rüge bei einfachsten Sachverhaltswahrnehmungen erst 10 Tage nach<br />

Benachrichtigung gemäß <strong>§</strong> 13 VgV verstößt gegen das Unverzüglichkeitsgebot des <strong>§</strong> <strong>107</strong><br />

Abs. 3 <strong>GWB</strong> (VK Südbayern, B. v. 01.09.2004, Az.: 120.3-3194.1-56-08/04; B. v.<br />

01.09.2004, Az.: 120.3-3194.1-53-08/04); anderer Auffassung ist insoweit die VK<br />

Düsseldorf (VK Düsseldorf, B. v. 01.09.2005 - Az.: VK - 16/2005 - L, VK - 16/2005 – Z).<br />

<strong>19.</strong>5.23.3.3.5 Rügefrist von mehr als zehn Tagen<br />

3096<br />

3097<br />

3098<br />

3099<br />

Nach einer Entscheidung der VK Südbayern verstößt ein 13 Tage langes Zuwarten bis zur<br />

Erteilung einer Rüge bei einem einfachen Sachverhalt nicht gegen das<br />

Unverzüglichkeitsgebot des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> (VK Südbayern, B. v. 24.11.2005 - Az. Az.:<br />

Z3-3-3194-1-42-09/05).<br />

Eine Rüge 21 Tage nach der Bekanntgabe der Ausschlussentscheidung und 16 Tage nach<br />

Bekanntgabe der Gründe ist nicht mehr als unverzüglich im Sinne von <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz<br />

1 <strong>GWB</strong> zu bezeichnen (VK Südbayern, B. v. 12.11.2003 - Az.: 44-09/03).<br />

Eine Rüge erst 13 Tage nach der Mitteilung gemäß <strong>§</strong> 13 VgV kann unverzüglich sein,<br />

wenn Auftraggeber und Bieter Gespräche über die Gründe der Nichtberücksichtigung<br />

des Bieters führen, der Bieter danach anwaltlichen Rat einholt und das innerhalb der Frist<br />

liegende Wochenende berücksichtigt wird (VK Düsseldorf, B. v. 11.01.2006 - Az.: VK -<br />

50/2005 – L).<br />

Eine Rüge binnen 12 Kalendertagen ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts und bei<br />

bekanntem Sachverhalt ist nicht mehr unverzüglich – instruktives Beispiel - (VK<br />

Brandenburg, B. v. 15.01.2008 – Az.: VK 52/07), ebenso eine Rüge binnen 14<br />

Kalendertagen bei einfachem Sachverhalt (VK Brandenburg, B. v. 21.05.2008 - Az.: VK<br />

9/08).<br />

<strong>19.</strong>5.23.3.3.6 Maximale (Regel-)Frist<br />

3100<br />

In der Rechtsprechung der Vergabekammern wird eine Obergrenze von zwei Wochen ab<br />

Kenntniserlangung angenommen (VK Arnsberg, B. v. 04.09.2009 - Az.: VK 20/09; B. v.<br />

25.03.2009 - Az.: VK 04/09; B. v. 02.05.2008 - Az.: VK 08/08; B. v. 22.06.2007 - Az.: VK<br />

20/07; B. v. 29.12.2006 - Az.: VK 31/06; B. v. 08.08.2006 - Az.: VK 21/06; B. v. 31.07.2006<br />

- Az.: VK 20/06; B. v. 13.06.2006 - Az.: VK 10/06; VK Baden-Württemberg, B. v.<br />

10.09.2009 - Az.: 1 VK 49/09; B. v. 01.09.2009 - Az.: 1 VK 46/09; B. v. 26.08.2009 - Az.: 1<br />

VK 43/09; B. v. 28.05.2009 - Az.: 1 VK 21/09; B. v. 11.04.2008 - Az.: 1 VK 09/08; B. v.<br />

18.10.2005 - Az.: 1 VK 62/05; B. v. 13.10.2005 - Az.: 1 VK 59/05; B. v. 05.09.2005 - Az.: 1<br />

VK 51/05; VK Berlin, B. v. 15.09.2004 - Az.: VK - B 2 – 47/04; B. v. 13.08.2004 - Az.: VK -<br />

B 2 – 34/04; VK Brandenburg, B. v. 09.02.2009 - Az. VK 5/09; B. v. 21.05.2008 - Az.: VK<br />

9/08; B. v. vom 03.04.2008 - Az.: VK 4/08; B. v. 15.01.2008 – Az.: VK 52/07; B. v.<br />

22.11.2007 - Az.: VK 43/07; B. v. 21.11.2007 - Az.: VK 45/07; B. v. 11.09.2006 - Az.: 2 VK<br />

34/06, 1 VK 35/06; B. v. 07.04.2006 - Az.: 1 VK 13/06; B. v. 05.04.2006 - Az.: 1 VK 3/06;<br />

B. v. 14.09.2005 - Az.: 1 VK 55/05; B. v. 08.09.2005 - Az.: 1 VK 51/05; B. v. 16.12.2004 -<br />

Az.: VK 70/04; B. v. 18.11.2004 - Az.: VK 66/04; 3. VK Bund, B. v. 18.09.2008 – Az.: VK 3<br />

– 122/08; B. v. 18.09.2008 - Az.: VK 3 – 119/08; B. v. 07.08.2006 - Az.: VK 3 - 93/06; B. v.<br />

07.08.2006 - Az.: VK 3 - 78/06; B. v. 03.07.2006 - Az.: VK 3 - 51/06; VK Düsseldorf, B. v.


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

28.01.2010 - Az.: VK - 37/2009 – B; B. v. 24.11.2009 - Az.: VK – 26/2009 – L; B. v.<br />

12.11.2009 - Az.: VK – 21/2009 – L; B. v. 07.10.2009 - Az.: VK – 31/2009 – L; B. v.<br />

08.09.2009 - Az.: VK – 17/2009 – L; B. v. 20.08.2009 - Az.: VK – 13/2009 – L; B. v.<br />

29.04.2009 - Az.: VK - 2/2009 – L; B. v. 21.01.2009 - Az.: VK – 43/2008 – L; B. v.<br />

31.10.2008 - Az.: VK – 22/2008 – B; B. v. 15.08.2008 - Az.: VK – 18/2008 – L; B. v.<br />

26.06.2008 - Az.: VK - 23/2008 – L; B. v. 02.06.2008 - Az.: VK – 15/2008 – L; B. v.<br />

23.05.2008 - Az.: VK - 7/2008 – L; B. v. 28.09.2007 - Az.: VK - 27/2007 – B; B. v.<br />

02.08.2007 - Az.: VK - 23/2007 – B; B. v. 26.06.2007 - Az.: VK - 18/2007 – B; B. v.<br />

24.04.2007 - Az.: VK - 11/2007 – L; B. v. <strong>19.</strong>04.2007 - Az.: VK - 10/2007 – B; B. v.<br />

29.03.2007 - Az.: VK - 08/2007 – B; B. v. <strong>19.</strong>03.2007 - Az.: VK - 07/2007 – B; B. v.<br />

02.03.2007 - Az.: VK - 05/2007 – L; B. v. 27.11.2006 - Az.: VK – 47/2006 – L; B. v.<br />

02.05.2006 - Az.: VK - 17/2006 – B; B. v. 11.01.2006 - Az.: VK - 50/2005 – L; B. v.<br />

28.11.2005 - Az.: VK - 40/2005 - B; VK Hessen, B. v. 21.04.2008 - Az.: 69 d VK - 15/2008;<br />

B. v. 14.02.2005 - Az.: 69 d VK - 90/2004; VK Lüneburg, B. v. 30.06.2008 - Az.: VgK-<br />

07/2008; B. v. 15.05.2008 - Az.: VgK-12/2008; B. v. 26.06.2007 - Az.: VgK-29/2007; B. v.<br />

08.06.2007 - Az.: VgK-24/2007; B. v. 23.02.2007 - Az.: VgK-06/2007; B. v. 12.01.2007 –<br />

Az.: VgK-33/2006; B. v. 11.01.2007 - Az.: VgK-36/2006; B. v. 11.12.2006 - Az.: VgK-<br />

31/2006; B. v. 27.10.2006 - Az.: VgK-26/2006; B. v. 10.10.2006 - Az.: VgK-23/2006; B. v.<br />

08.05.2006 - Az.: VgK-07/2006; B. v. 10.03.2006 - Az.: VgK-06/2006; B. v. 26.05.2005 -<br />

Az.: VgK-20/2005; B. v. 17.05.2005 - Az.: VgK-16/2005; B. v. 20.08.2004 - Az.: 203-VgK-<br />

41/2004, B. v. 29.06.2004 - Az.: 203-VgK-20/2004, B. v. 25.06.2004 - Az.: 203-VgK-<br />

19/2004; VK Münster, B. v. 14.01.2010 - Az.: VK 26/09; B. v. 09.10.2009 - Az.: VK 19/09;<br />

B. v. 12.05.2009 - Az.: VK 5/09; B. v. 13.02.2008 - Az.: VK 29/07; B. v. 28.06.2007 - Az.:<br />

VK 10/07; B. v. 30.03.2007 – Az.: VK 04/07; VK Niedersachsen, B. v. 15.01.2010 - Az.:<br />

VgK-74/2009; B. v. 27.08.2009 - Az.: VgK-35/2009; B. v. 08.07.2009 - Az.: VgK-29/2009;<br />

B. v. 03.07.2009 - Az.: VgK-30/2009; B. v. 24.06.2009 - Az.: VgK - 28/2009; B. v.<br />

11.02.2009 - Az.: VgK-56/2008; B. v. 11.11.2008 - Az.: VgK-39/2008; VK Nordbayern, B. v.<br />

10.02.2010 - Az.: 21.VK - 3194 - 01/10; B. v. 23.02.2004 - Az.: 320.VK - 3194 – 03/04; VK<br />

Rheinland-Pfalz, B. v. 07.12.2007 - Az.: VK 39/07; B. v. 27.5.2003 - Az.: VK 08/03; 3. VK<br />

Saarland, B. v. 23.04.2007 - Az.: 3 VK 02/2007, 3 VK 03/2007; 1. VK Sachsen, B. v.<br />

<strong>19.</strong>07.2006 - Az.: 1/SVK/060-06; B. v. <strong>19.</strong>07.2006 - Az.: 1/SVK/059-06; B. v. 26.06.2006 –<br />

Az.: 1/SVK/071-06; B. v. 09.05.2006 - Az.: 1/SVK/036-06; B. v. 06.04.2005 - Az.:<br />

1/SVK/022-05; B. v. 29.12.2004 - Az.: 1/SVK/123-04; 1. VK Sachsen-Anhalt, B. v.<br />

23.08.2005 - Az: 1 VK LVwA 31/05; B. v. 17.03.2005 - Az: 1 VK LVwA 02/05; 2. VK<br />

Sachsen-Anhalt, B. v. 10.06.2009 - Az.: VK 2 LVwA LSA – 13/09; B. v. 23.07.2008 - Az.:<br />

VK 2 LVwA LSA - 07/08; VK Schleswig-Holstein, B. v. 20.01.2009 - Az.: VK-SH 17/08; B.<br />

v. 25.04.2008 - Az.: VK-SH 04/08; B. v. 10.01.2006 - Az.: VK-SH 30/05; B. v. 05.10.2005 -<br />

Az.: VK-SH 23/05; VK Südbayern, B. v. 13.03.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-02-01/09; B. v.<br />

11.02.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-01-01/09; B. v. 16.01.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-46-12/09; B.<br />

v. <strong>19.</strong>12.2006 - Az.: Z3-3-3194-1-35-11/06; VK Thüringen, B. v. 04.11.2009 - Az.: 250-<br />

4002.20-5693/2009-013-SM; B. v. 05.05.2009 - Az.: 250-4002.20-2398/2009-002-ABG; B .<br />

v. 09.04.2009 - Az.: 250-4002.20-1786/2009-002-GRZ; B. v. 17.03.2009 - Az.: 250-4003.20-<br />

650/2009-003-EF; B. v. 17.02.2009 - Az.: 250-4002.20-7190/2008-043-EF; B. v. 18.12.2008<br />

- Az.: 250-4003.20-5944/2008-030-J; B. v. 14.08.2008 - Az.: 250-4002.20-1923/2008-014-<br />

GRZ; B. v. 01.08.2008 - Az.: 250-4003.20-1952/2008-015-GRZ; B. v. 08.05.2008 - Az.: 250-<br />

4002.20-899/2008-006-G; B. v. 27.03.2008 - Az.: 360-4003.20-641/2008-002-UH; B. v.<br />

26.02.2008 - Az.: 360-4002.20-396/2008-003-G; B. v. 11.10.2006 - Az.: 360-4002.20-<br />

026/06-SLF; B. v. 15.06.2006 - Az.: 360-4002.20-024/06-J-S; B. v. 31.1.2002 - Az.: 216-<br />

404.20-002/02-GTH). Auch die Vergabesenate arbeiten mit dieser Höchstfrist (BayObLG,<br />

B. v. 12.12.2001 - Az.: Verg 19/01; OLG Brandenburg, B. v. 20.03.2007 - Az.: Verg W<br />

12/06; OLG Celle, B. v. 10.01.2008 - Az.: 13 Verg 11/07; B. v. 08.03.2007 - Az.: 13 Verg


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

2/07; OLG Dresden, B. v. 11.09.2006 - Az.: WVerg 13/06; OLG Düsseldorf, B. v. 04.05.2009<br />

- Az.: VII-Verg 68/08; B. v. 17.11.2008 - Az.: VII-Verg 49/08; B. v. 05.09.2007 - Az.: VII –<br />

Verg 19/07; B. v. 02.05.2007 - Az.: VII - Verg 1/07; B. v. 05.12.2006 - Az.: VII - Verg 56/06;<br />

B. v. 08.09.2005 - Az.: Verg 35/04; B. v. 29.12.2001 - Az.: Verg 22/01, B. v. 9.4.2003 - Az.:<br />

Verg 66/02; OLG Frankfurt, B. v. 05.05.2008 - Az.: 11 Verg 1/08; B. v. 28.02.2006 - Az.: 11<br />

Verg 15/05 und 16/05; OLG Karlsruhe, B. v. 06.02.2007 - Az.: 17 Verg 7/06; OLG<br />

Naumburg, B. v. 13.05.2008 - Az.: 1 Verg 3/08; B. v. 25.10.2005 - Az.: 1 Verg 5/05;<br />

Schleswig-Holsteinisches OLG, B. v. 09.03.2010 - Az.: 1 Verg 4/09; OLG Thüringen, B. v.<br />

31.08.2009 - Az.: 9 Verg 6/09; B. v. 30.03.2009 - Az.: 9 Verg 12/08).<br />

3101<br />

3102<br />

Die Ausschöpfung der maximalen Frist kann allenfalls zugestanden werden, wenn eine<br />

schwierige bzw. extrem schwierige Sach- und Rechtslage gegeben ist, die die<br />

Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert (OLG Celle, B. v. 08.03.2007 - Az.: 13<br />

Verg 2/07; OLG Dresden, B. v. 11.09.2006 - Az.: WVerg 13/06; B. v. 06.04.2004 - Az.:<br />

WVerg 1/04; OLG Düsseldorf, B. v. 05.12.2006 - Az.: VII - Verg 56/06; OLG Koblenz, B. v.<br />

18.9.2003 - Az.: 1 Verg 4/03; OLG Naumburg, B. v. 25.01.2005 - Az.: 1 Verg 22/04; B. v.<br />

14.12.2004 - Az.: 1 Verg 17/04; B. v. 21.8.2003 - Az.: 1 Verg 12/03; Thüringer OLG, B. v.<br />

31.08.2009 - Az.: 9 Verg 6/09; VK Baden-Württemberg, B. v. 10.09.2009 - Az.: 1 VK 49/09;<br />

B. v. 01.09.2009 - Az.: 1 VK 46/09; B. v. 26.08.2009 - Az.: 1 VK 43/09; B. v. 11.04.2008 -<br />

Az.: 1 VK 09/08; B. v. 13.10.2005 - Az.: 1 VK 59/05; 1. VK Brandenburg, B. v. 21.05.2008 -<br />

Az.: VK 9/08; B. v. vom 03.04.2008 - Az.: VK 4/08; B. v. 15.01.2008 – Az.: VK 52/07; B. v.<br />

22.11.2007 - Az.: VK 43/07; B. v. 21.11.2007 - Az.: VK 45/07; B. v. 11.09.2006 - Az.: 2 VK<br />

34/06, 1 VK 35/06; B. v. 07.04.2006 - Az.: 1 VK 13/06; B. v. 05.04.2006 - Az.: 1 VK 3/06;<br />

VK Lüneburg, B. v. 30.06.2008 - Az.: VgK-07/2008; B. v. 15.05.2008 - Az.: VgK-12/2008;<br />

B. v. 26.06.2007 - Az.: VgK-29/2007; B. v. 08.06.2007 - Az.: VgK-24/2007; B. v. 23.02.2007<br />

- Az.: VgK-06/2007; B. v. 10.10.2006 - Az.: VgK-23/2006; VK Münster, B. v. 14.01.2010 -<br />

Az.: VK 26/09; VK Niedersachsen, B. v. 15.01.2010 - Az.: VgK-74/2009; B. v. 27.08.2009 -<br />

Az.: VgK-35/2009; B. v. 08.07.2009 - Az.: VgK-29/2009; B. v. 03.07.2009 - Az.: VgK-<br />

30/2009; B. v. 24.06.2009 - Az.: VgK - 28/2009; B. v. 11.11.2008 - Az.: VgK-39/2008; VK<br />

Rheinland-Pfalz, B. v. 07.12.2007 - Az.: VK 39/07; 2. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 10.06.2009 -<br />

Az.: VK 2 LVwA LSA – 13/09; B. v. 23.07.2008 - Az.: VK 2 LVwA LSA - 07/08; VK<br />

Schleswig-Holstein, B. v. 25.04.2008 - Az.: VK-SH 04/08; VK Südbayern, B. v. 13.03.2009 -<br />

Az.: Z3-3-3194-1-02-01/09; B. v. 16.01.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-46-12/09).<br />

Die VK Münster hingegen hält die Obergrenze von zwei Wochen im Falle einer<br />

durchschnittlichen Auftragsvergabe auch deshalb für angemessen, weil sowohl innerhalb<br />

des Unternehmens eine Abstimmung in der Geschäftsleitung erforderlich sein kann, als<br />

auch die Beratung durch Rechtsanwälte zeitlich möglich sein muss. Alles andere führt nur<br />

dazu, dass innerhalb weniger Tage vorschnell Rügen erhoben werden, die möglicherweise<br />

ins Blaue hinein erfolgen und die Vergabestellen letztlich zu überflüssigen Prüfungen<br />

veranlassen (VK Münster, B. v. 30.03.2007 – Az.: VK 04/07).<br />

<strong>19.</strong>5.23.3.3.7 Unverzüglichkeit bei einem fachkundigen Unternehmen bzw.<br />

Unternehmen mit Erfahrung in Nachprüfungsverfahren<br />

3103<br />

Ein fachkundiges und erfahrenes Unternehmen kann in der Lage sein, unmittelbar nach<br />

Erhalt der Information über das Vergabeverfahren zu reagieren und in Kenntnis des eigenen<br />

Angebots, der eigenen Kalkulation und der branchenbezogenen Marktsituation einzuschätzen,<br />

ob - im Falle einer Aufhebung der Ausschreibung - das Vergabeverfahren tatsächlich kein<br />

wirtschaftliches Ergebnis erbracht hatte. Es ist ihm zumutbar und möglich, einen


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

vermeintlichen Vergaberechtsverstoß innerhalb von maximal 5 Tagen (VK Lüneburg, B. v.<br />

20.9.2002 - Az.: 18/02; ähnlich 1. VK Sachsen, B. v. 29.11.2002 - Az.: 1/SVK/108-02) bzw.<br />

sogar innerhalb von 2 bis 3 Tagen zu rügen (VK Niedersachsen, B. v. 22.10.2009 - Az.:<br />

VgK-49/2009; VK Lüneburg, B. v. 22.5.2002 - Az.: 203-VgK-08/2002, B. v. 20.1.2004 - Az.:<br />

203-VgK-38/2003).<br />

3104<br />

Ist ein Unternehmen, was die Durchführung von Vergabeverfahren und<br />

Vergabenachprüfungsverfahren anbelangt, sehr erfahren und ist ihm die bestehende<br />

Problematik des Nachprüfungsverfahrens bestens bekannt, ist der Bieter verpflichtet,<br />

innerhalb kürzester Zeit, nämlich innerhalb von 1 bis 2, maximal drei Tagen zu rügen.<br />

Eine vorherige anwaltliche Beratung ist in solchen Fällen keinesfalls geboten. Selbst wenn<br />

noch etwaige Restzweifel bestehen, rechtfertigen diese ein Zuwarten mit der Rüge nicht. Die<br />

Rügeobliegenheit besteht nicht erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der <strong>Antrag</strong>steller Kenntnis von<br />

einem völlig zweifelsfreien und in jeder Beziehung sicher nachweisbaren Vergabefehler<br />

erlangt. Ausreichend ist vielmehr das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die<br />

Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und der es bei vernünftiger Betrachtung<br />

gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (VK<br />

Baden-Württemberg, B. v. 13.10.2005 - Az.: 1 VK 59/05; im Ergebnis ebenso 1. VK Sachsen,<br />

B. v. <strong>19.</strong>05.2009 - Az.: 1/SVK/008-09; VK Südbayern, B. v. 12.06.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-<br />

20-05/09).<br />

<strong>19.</strong>5.23.3.3.8 Unverzüglichkeit bei widersprüchlichem Verhalten des<br />

Auftraggebers<br />

3105<br />

3106<br />

Ein widersprüchliches Verhalten des Auftraggebers während des Vergabeverfahrens kann<br />

dazu führen, dass die Frist für die Erhebung der Rüge verlängert wird (1. VK Sachsen, B. v.<br />

4.6.2002 - Az.: 1/SVK/049-02).<br />

Ein Zeitverzug ist vom <strong>Antrag</strong>steller unverschuldet, wenn in der Bekanntmachung<br />

fälschlicherweise als Nachprüfinstanz die VOB-/VOL-Stelle anstelle der Vergabekammer<br />

benannt ist. Dieser Fehler und die damit verbundene Verzögerung kann dem <strong>Antrag</strong>steller<br />

nicht angelastet werden (1. VK Sachsen, B. v. 4.10.2002 - Az.: 1/SVK/085-02).<br />

<strong>19.</strong>5.23.3.3.9 Unverzüglichkeit bei anwaltlicher Vertretung des Bieters<br />

3<strong>107</strong><br />

3<strong>107</strong>/1<br />

Auch den Verfahrensbevollmächtigten eines Bieters muss eine gewisse<br />

Mindestbearbeitungszeit einschließlich der Abfassung eines entsprechenden<br />

Schriftsatzes und der Erstellung der <strong>Antrag</strong>sunterlagen zugestanden werden (OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 02.05.2007 - Az.: VII - Verg 1/07; VK Schleswig-Holstein, B. v.<br />

23.01.2009 - Az.: VK-SH 18/08), so dass eine Dauer von fünf Werktagen noch als<br />

unverzüglich angesehen werden kann (VK Schleswig-Holstein, B. v. 12.07.2005 - Az.: VK-<br />

SH 14/05).<br />

Von einem anwaltlichen Bevollmächtigten kann - wie von einem Bieter - nicht<br />

angenommen werden, dass er in kürzester Zeit alle denkbaren Vergaberechtsverstöße<br />

lückenlos identifiziert. Auch wenn von ihm erwartet werden muss, dass er die erforderliche<br />

rechtliche Würdigung kurzfristig vornehmen kann, muss ihm ein dem konkreten<br />

Vergabeverfahren angemessener Zeitraum zugebilligt werden, um sich in die Sachlage,<br />

insbesondere die Verdingungsunterlagen einzuarbeiten. Insofern kann gerade im Hinblick auf


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

ein Vergabeverfahren mit 36 Leitzordnern Verdingungsunterlagen und 12 Leitzordnern<br />

Nachsendung nicht erwartet werden, dass die Verfahrensbevollmächtigten eines<br />

<strong>Antrag</strong>stellers auch einen diesbezüglich u.U. gegebenen Rügepunkt ohne nähere eigene<br />

Prüfung unmittelbar erkannt haben (2. VK Bund, B. v. 21.09.2009 - Az.: VK 2 – 126/09).<br />

3108<br />

3109<br />

3110<br />

Ein <strong>Antrag</strong>steller muss das Rügeschreiben auch nicht selbst verfassen, sondern darf sich<br />

schon aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der Waffengleichheit eines eigenen anwaltlichen<br />

Beistands versichern, wenn der Auftraggeber schon im Vergabeverfahren anwaltlich beraten<br />

ist. In solchen Fällen ist eine Dauer von sechs Tagen noch unverzüglich (OLG Düsseldorf,<br />

B. v. 02.05.2007 - Az.: VII - Verg 1/07).<br />

Bei komplexen Vergabeverfahren ist auch bei anwaltlicher Beratung eine Rügefrist von mehr<br />

als 6 Tagen zulässig (2. VK Bund, B. v. 4.9.2002 - Az.: VK 2 - 58/02). Die VK Lüneburg<br />

sieht insoweit eine Frist von einer Woche bzw. 6 Tagen noch als unverzüglich an (B. v.<br />

20.08.2004 - Az.: 203-VgK-41/2004; B. v. 07.06.2005 - Az.: VgK-21/2005; ebenso 3. VK<br />

Bund, B. v. <strong>19.</strong>07.2005 - Az.: VK 3 – 58/05).<br />

Ein Verschulden ihres Bevollmächtigten muss sich ein Bieter als eigenes Verschulden<br />

zurechnen lassen (<strong>§</strong> 85 Abs. 2 ZPO), wenn z.B. für einen Rechtsanwalt ein Verstoß gegen<br />

das Gebot der produktneutralen Ausschreibung auf den ersten Blick ersichtlich ist und<br />

dennoch die Rüge erst über einen Monat später erfolgt (OLG München, B. v. 28.02.2007 –<br />

Az.: Verg 01/07).<br />

<strong>19.</strong>5.23.3.3.10 Unverzüglichkeit bei Rügen aus einem anderen<br />

Nachprüfungsverfahren<br />

3111<br />

3112<br />

Ist ein Auftraggeber in einem Nachprüfungsverfahren – nur - zur Wiederholung der<br />

Wertung verpflichtet worden und hat der <strong>Antrag</strong>steller Kenntnis von ihm als solche<br />

angesehenen materiellen Wertungsfehler sowie Kenntnis der Tatsache, dass der Auftraggeber<br />

seitens der Vergabekammer nicht zu einer neuen fachlichen Wertung verpflichtet ist, ist der<br />

<strong>Antrag</strong>steller nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong> verpflichtet, die von ihm beanstandeten<br />

Wertungsfehler unverzüglich nach dem Beschluss der Vergabekammer zu rügen, wenn<br />

er sich die Möglichkeit eines zweiten, auf die fachliche Wertung bezogenen<br />

Vergabenachprüfungsverfahrens offen halten will. Wartet er jedoch den Erhalt der zweiten<br />

Mitteilung nach <strong>§</strong> 13 VgV ab und konfrontiert er den Auftraggeber danach mit einem<br />

Tatsachenvortrag und einer Reihe von hierauf gestützten Wertungsfehlern, die für den<br />

Auftraggeber völlig neu sind, ist die Rüge nicht mehr unverzüglich (3. VK Bund, B. v.<br />

16.12.2004 - Az.: VK 3 – 212/04).<br />

Ein <strong>Antrag</strong>steller kann ebenso aus einem parallelen Vergabeverfahren die erforderliche<br />

Tatsachen und Rechtskenntnis haben. Dies kann dann der Fall sein, wenn zwei der an der<br />

antragstellenden Bietergemeinschaft beteiligten Unternehmen zusammen mit anderen Bietern<br />

ein Angebot im Rahmen einer parallelen und inhaltlich weitgehend identischen<br />

Ausschreibung abgegeben, sie eine Mitteilung nach <strong>§</strong> 13 VgV erhalten und die<br />

beabsichtigte Vergabe gerügt haben, und zwar mit denselben Argumenten, die auch jetzt<br />

vorgebracht werden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist auch für die antragstellende<br />

Bietergemeinschaft die erforderliche Tatsachen- und Rechtskenntnis anzunehmen (3. VK<br />

Bund, B. v. 03.07.2006 - Az.: VK 3 - 51/06; im Ergebnis ebenso VK Niedersachsen, B. v.<br />

24.06.2009 - Az.: VgK - 28/2009).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

3113<br />

3114<br />

Wird ein Offenes Verfahren aufgehoben und findet anschließend (unter gleichen<br />

Bedingungen) eine Vergabe im Verhandlungsverfahren statt, wird man bei dieser<br />

Sachverhaltskonstellation verlangen müssen, dass der Bieter innerhalb des nachfolgenden<br />

Vergabeverfahrens in irgendeiner Form zum Ausdruck bringt oder sich aus den<br />

sonstigen Umständen ergibt, dass seine Rügen aus dem Offenen Verfahren weiterhin<br />

Bestand haben sollen (1. VK Bund, B. v. 09.11.2006 - Az.: VK 1 - 118/06).<br />

Wendet sich ein Bieter bereits in einem vorherigen Vergabeverfahren z.B. gegen die<br />

Loslimitierung, mag dies dazu führen, dass ein strengerer Maßstab an die Rechtzeitigkeit der<br />

Rüge zu legen ist. Allerdings kann dies nicht so weit führen, als dass hier ein noch<br />

strengerer Maßstab gilt, als der, den die Rechtsprechung mittlerweile zu <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3<br />

Satz 1 <strong>GWB</strong> herausgebildet hat. Die Rüge, die vorliegend 5 Tage nach der<br />

Vergabebekanntmachung erhoben wurde, ist demnach als rechtzeitig anzusehen (VK Sachsen,<br />

B. v. 14.03.2007 - Az.: 1/SVK/006-07).<br />

<strong>19.</strong>5.23.3.3.11 Unverzüglichkeit und Organisationsfehler des <strong>Antrag</strong>stellers<br />

3115<br />

3116<br />

Es bleibt der Organisation und damit der Risikosphäre eines Bieters überlassen, mit<br />

welchem Engagement und Personaleinsatz er sich an einer Ausschreibung beteiligt. Der<br />

durch das Vergaberecht dem Bieter gewährte Primärrechtsschutz im Vergabeverfahren setzt<br />

voraus, dass sich der Bieter seinerseits stets in gebührendem Maße um seinen Rechtsschutz<br />

bemüht. Dazu gehört gerade auch die vorprozessuale Rüge. Insoweit kann sich auch ein<br />

Bieter nicht durch die allein ihm obliegende Organisation des Personaleinsatzes bei der<br />

Angebotserstellung der angemessenen, eingehenden Prüfung der Verdingungsunterlagen und<br />

damit der potenziellen, rechtzeitigen Rügemöglichkeit in einem laufenden Vergabeverfahren<br />

wirksam entziehen, indem er die fachliche Auswahl der bei der Angebotserstellung<br />

eingesetzten Mitarbeiter derart beschränkt, dass Fehler in den Verdingungsunterlagen, die<br />

einem durchschnittlichen, fachlich versierten Bieterunternehmen sofort bei der ersten<br />

Angebotsprüfung auffallen müssten, übersieht (VK Brandenburg, B. v. 12.09.2007 - Az.:<br />

VK 36/07; 2. VK Bund, B. v. 22.10.2003 - Az.: VK 2 - 86/03; VK Lüneburg, B. v. 20.9.2002<br />

- Az.: 203-VgK-18/2002, B. v. 21.1.2003 - Az.: 203-VgK-30/2002; im Ergebnis ebenso VK<br />

Hessen, B. v. 17.08.2009 - Az.: 69 d VK – 25/2009).<br />

Auch der Urlaub des Geschäftsführers kann kein Anlass sein, die für eine Rüge<br />

einzuräumende Zeitspanne wesentlich zu verlängern, weil der Geschäftsführer in<br />

Erwartung der Vergabeentscheidung die notwendige Vorsorge treffen muss, um auf<br />

unerwartete Ereignisse sofort reagieren zu können (VK Berlin, B. v. 15.09.2004 - Az.: VK - B<br />

2 – 47/04; VK Südbayern, B. v. 16.01.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-46-12/09).<br />

<strong>19.</strong>5.23.3.3.12 „Aufdrängen“ von Vergabefehlern<br />

3117<br />

Eine Rüge ist auch dann verspätet, wenn sich das Vorliegen einer fehlerhaften<br />

Ausschreibung aufdrängt, der Bieter sich aber auf - evtl. unrichtige - Erläuterungen der<br />

Vergabestelle verlässt (VK Thüringen, B. v. 29.06.2004 - Az.: 360-4003.20-011/04-SDH).<br />

<strong>19.</strong>5.23.3.3.13 Unverzüglichkeit in einem VOF-Verfahren nach Erhalt eines<br />

Einladungsschreibens zu Auftragsgesprächen


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

3118<br />

Erhält ein Bewerber in einem VOF-Verfahren ein Einladungsschreiben zu<br />

Auftragsgesprächen und erhebt er erst zwei Wochen später, zwei Tage vor dem<br />

Verhandlungsgespräch, Rügen hinsichtlich der in dem Einladungsschreiben genannten<br />

Auftragskriterien und deren Gewichtung, ist die Vorgehensweise, der Vergabestelle zwei<br />

Tage vor dem Verhandlungstermin umfangreiche Rügen zum Einladungsschreiben und den in<br />

der Verhandlung anzuwendenden Auftragskriterien zukommen zu lassen und diese auch noch<br />

erst eine Woche danach zu begründen, nicht mit <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> zu vereinbaren und damit<br />

verfristet (VK Nordbayern, B. v. 01.02.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 54/07).<br />

<strong>19.</strong>5.23.3.3.14 Unverzüglichkeit bei einer Präsentation im Rahmen eines VOF-<br />

Verfahrens<br />

3119<br />

Hat ein Bieter im Rahmen eines Präsentationsgesprächs nach der VOF von einem<br />

behaupteten Vergabeverstoß (z. B. sachwidrige Verkürzung der Präsentationszeit) positiv<br />

Kenntnis erlangt und war hierbei auch sein anwaltlicher Vertreter anwesend, hätte der Bieter<br />

sofort die notwendigen rechtlichen Schlüsse ziehen können und müssen, so dass die Rüge<br />

noch in dem Präsentationsgespräch mündlich ausgesprochen werden muss; eine<br />

schriftliche Rüge nach Abschluss des Präsentationsgespräches genügt nicht (VK Hessen, B. v.<br />

1.9.2003 - Az.: 69 d VK - 44/2003).<br />

<strong>19.</strong>5.23.3.3.15 Unverzüglichkeit und Rücksicht auf Kundenbeziehungen<br />

3120<br />

Dass ein Bieter die Kundenbeziehung zum Auftraggeber nicht mit einer Rüge, die sich im<br />

Endeffekt vielleicht als überflüssig herausstellt, belasten will, ist zwar nachvollziehbar, <strong>§</strong><br />

<strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 <strong>GWB</strong> nimmt hierauf aber keine Rücksicht. Der Gesetzeszweck der<br />

Obliegenheit zur unverzüglichen Rüge geht im Gegenteil vielmehr gerade dahin,<br />

auszuschließen, dass ein Bieter im Vertrauen darauf, dass der vermeintliche<br />

Vergaberechtsverstoß sich nicht realisieren wird, die Rüge erst artikuliert, wenn er erkennt,<br />

dass er keine Chance auf den Zuschlag hat (1. VK Bund, B. v. 7.1.2004 - Az.: VK 2 - 137/03).<br />

<strong>19.</strong>5.23.3.3.16 Unverzüglichkeit bei einem neuen Beschaffungskonzept und<br />

komplexen Verdingungsunterlagen<br />

3121<br />

Angesichts eines für alle Bieter neuen Beschaffungskonzeptes eines öffentlichen<br />

Auftraggebers und der damit einhergehenden Komplexität der Verdingungsunterlagen<br />

(insgesamt 45 Lose mit insgesamt 833 Maßnahmen), ist einem <strong>Antrag</strong>steller ein Zeitraum<br />

von 10 Tagen zuzubilligen, um sich mit den Inhalten der Ausschreibung und den daraus<br />

erwachsenden Konsequenzen für ihr Unternehmen sowie der vergaberechtlichen Bewertung<br />

des Ausschreibungsverfahrens eingehend auseinander zu setzen (1. VK Bund, B. v.<br />

24.03.2004 - Az.: VK 1 - 135/03).<br />

<strong>19.</strong>5.23.3.3.17 Unverzüglichkeit bei einer Verdachtsrüge<br />

3122<br />

In dem Spannungsverhältnis zwischen Aufklärung der Ablehnungsgründe und Rüge von<br />

Vergabeverstößen auf Verdacht gilt auch für Aufklärungsschreiben bzw. Verdachtsrügen,<br />

dass sie unverzüglich nach Erkennen des Sachverhalts erhoben werden müssen. Jedoch wird


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

nicht von einer Rügefrist von in der Regel ein bis drei Tagen auszugehen sein, sondern es<br />

wird zu berücksichtigen sein, dass eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine nicht<br />

bekannte Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird, so dass für ein rügendes<br />

Aufklärungsbegehren in Einzelfällen eine Aufklärungsfrist von bis zu 2 Wochen<br />

zugestanden werden kann. Dies kann auch im Blick auf die Frage gelten, ob eine<br />

Verdachtsrüge einer anwaltlichen Beratung bedarf oder ob es ggf. zumutbar wäre, die<br />

Aufklärung sofort ohne anwaltliche Beratung zu erheben (VK Baden-Württemberg, B. v.<br />

02.12.2004 - Az.: 1 VK 73/04).<br />

<strong>19.</strong>5.23.3.3.18 Unverzüglichkeit bei einem Gesprächsangebot des Auftraggebers<br />

3123<br />

Bietet der Auftraggeber in der Mitteilung nach <strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong> ein Gespräch an, kann es einem<br />

Bieter nicht angelastet werden, wenn er den Gesprächstermin zunächst abwartet und erst<br />

danach entsprechende Rügen erhebt. Ein schuldhaftes Zögern bei der Erhebung der Rüge<br />

ist bei einem solchen Sachverhalt nicht anzunehmen (3. VK Bund, B. v. 28.01.2005 - Az.: VK<br />

3 - 221/04).<br />

<strong>19.</strong>5.23.3.3.19 Unverzüglichkeit bei Zusage der Vergabe erst zu einem<br />

bestimmten Zeitpunkt<br />

3124<br />

Für die Rechtzeitigkeit und die damit verbundene Frage, ob ein Unternehmen die Rüge<br />

schuldhaft verzögert hat, kommt es immer auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an.<br />

Wenn der öffentliche Auftraggeber den Bietern mitteilt, den Zuschlag erst zu einem<br />

bestimmten Datum erteilen zu wollen, dann dürfen die Bieter diese Erklärung in aller<br />

Regel als die Verlängerung der Frist des <strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong> verstehen. Daraus resultiert auch<br />

eine Verlängerung der Frist für die Rügen. Denn die Fristverlängerung durch den<br />

Auftraggeber hat zur Folge, dass der Vertrag zuvor nicht wirksam geschlossen werden kann.<br />

Gleichzeitig erhalten die Bieter die Möglichkeit, Primärrechtsschutz in Anspruch zu nehmen,<br />

wozu auch die Einreichung einer Rüge gehört. Insofern ist eine Rüge 15 Tage nach<br />

Absendung des Informationsschreibens, aber vier Tage vor der geplanten<br />

Zuschlagserteilung, noch als unverzüglich anzusehen (VK Münster, B. v. 25.01.2006 - Az.:<br />

VK 23/05).<br />

<strong>19.</strong>5.23.3.3.20 Unverzüglichkeit und Vertrauensschutz aus vorangegangenen<br />

Ausschreibungsverfahren<br />

3125<br />

Die Vorstellung eines Bieters, eine im Leistungsverzeichnis aufgenommene fehlerhafte<br />

Bestimmung (z.B. Voraussetzung des Nachweises durch eine Prüfanstalt) werde wie bei<br />

früheren Ausschreibungen auch dieses Mal bedeutungslos sein und sich nicht nachteilig<br />

auswirken, berührt die Rügeobliegenheit nicht. Die Präklusionsregelung als spezielle<br />

Ausformung des Grundsatzes von Treu und Glauben schützt das öffentliche Interesse<br />

an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens. Die Vergabestelle soll die<br />

Möglichkeit erhalten, von Bietern und Bewerbern erkannte Fehler im frühestmöglichen<br />

Stadium des Verfahrens zu beheben. Die Vergabekammern sollen mit<br />

Vergaberechtsverstößen gar nicht erst befasst werden, die im Fall einer rechtzeitigen<br />

Rüge möglicherweise schon im Vorfeld hätten korrigiert werden können. Gerade das<br />

Verhalten, nämlich die Auswirkungen eines erkannten Fehlers zunächst abzuwarten und einen<br />

Nachprüfungsantrag erst dann zu stellen, wenn die Spekulation auf einen günstigen


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Verfahrensausgang nicht aufgeht, die Gelegenheit des Auftraggebers zur zeitsparenden<br />

Selbstkorrektur jedoch verstrichen ist, soll durch das Rügeerfordernis und die daran<br />

anknüpfende Präklusion verhindert werden (OLG Koblenz, B. v. 03.04.2008 - Az.: 1 Verg<br />

1/08).<br />

<strong>19.</strong>5.23.3.3.21 Unverzüglichkeit und Zugang des Informationsschreibens nach <strong>§</strong><br />

101a <strong>GWB</strong><br />

3126<br />

Ob auf den Zeitpunkt des Zugangs eines Informationsschreibens nach <strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong> die<br />

Fiktion in <strong>§</strong> 41 Abs. 2 VwVfG entsprechend angewendet werden darf, wonach ein<br />

Verwaltungsakt mit dem dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt,<br />

kann auf sich beruhen. In Zweifelsfällen, so der letzte Halbsatz der Vorschrift, ist die<br />

Behörde nämlich gleichwohl des Nachweises eines Zugangs und des Zeitpunktes nicht<br />

enthoben. Nach der Liberalisierung des Postmarktes ist, anders als noch bei der<br />

Schaffung des Absatzes 2 des <strong>§</strong> 41 VwVfG, eine durch die Lebenserfahrung begründete<br />

tatsächliche Vermutung, wonach einfache Briefsendungen einen im Inland ansässigen<br />

Empfänger innerhalb weniger Tage erreichen, in dieser Allgemeinheit nicht mehr<br />

gerechtfertigt. Macht der Empfänger eines mit gewöhnlicher Post versandten Briefes<br />

geltend, den Brief nicht oder erst nach Ablauf der in <strong>§</strong> 41 Abs. 2 VwVfG angenommenen<br />

Frist erhalten zu haben, ist die Vermutung entkräftet (OLG Düsseldorf, B. v. 05.05.2008 -<br />

Az.: VII - Verg 5/08; VK Südbayrn, B. v. 06.05.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-14-04/09).<br />

<strong>19.</strong>5.23.3.3.22 Irrtum über den Begriff des schuldhaften Zögerns<br />

3127<br />

Wer eine Erklärung "unverzüglich" abzugeben hat, muss auch für seinen Rechtsirrtum<br />

über die damit verbundene Frist einstehen, soweit er fahrlässig gehandelt hat. Dabei ist<br />

ein strenger Sorgfaltsmaßstab anzulegen; der Erklärende muss die Rechtslage unter<br />

Beachtung der hierzu ergangenen Rechtsprechung sorgfältig prüfen und ggf. Rechtsrat<br />

einholen; eine dabei von einem Rechtsanwalt erteilte unrichtige Auskunft muss er sich gem. <strong>§</strong><br />

278 BGB zurechnen lassen (OLG Dresden, B. v. 21.10.2005 - Az.: WVerg 0005/05).<br />

<strong>19.</strong>5.23.3.3.23 Auswirkungen eines beschleunigten Verfahrens auf die<br />

Unverzüglichkeit der Rüge<br />

3127/1<br />

Daraus, dass ein Auftraggeber das beschleunigte Verfahren nach <strong>§</strong> 18a Nr. 2 VOL/A<br />

wählt, ergeben sich auch keine zeitlich engeren Anforderungen der Rügeobliegenheit; <strong>§</strong><br />

18a Nr. 2 VOL/A enthält lediglich Regelungen über gewisse Mindestfristen für die Abgabe<br />

von Angeboten und Teilnahmeanträgen sowie für die Erteilung von Auskünften (1. VK Bund,<br />

B. v. 21.08.2009 - Az.: VK 1 - 146/09).<br />

<strong>19.</strong>5.23.3.3.24 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

3128<br />

• ist die Rüge erst am 10. Tag nach Zugang der Verdingungsunterlagen und am 4.<br />

Tag nach dem Entstehen der Rügeobliegenheit der <strong>Antrag</strong>sgegnerin zugegangen,<br />

kann dies auch unter Berücksichtigung der dem <strong>Antrag</strong>steller einzuräumenden


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Prüfungs- und Überlegungsfrist nicht mehr unverzüglich genannt werden. Eine<br />

Rüge innerhalb von acht Tagen nach Zugang der Verdingungsunterlagen wäre zwar<br />

bei einem erheblichen Prüfungsaufwand für die Verdingungsunterlagen noch<br />

unverzüglich gewesen. Eine Rüge zehn Tage nach Zugang ist es hier jedoch nicht<br />

mehr, da die Verdingungsunterlagen dem Verfahrensbevollmächtigten der<br />

<strong>Antrag</strong>stellerin schon seit dem 2. Juli 2008 vorlagen, diese während des Urlaubs des<br />

Geschäftsführers geprüft werden konnten und nur auf Abweichungen von den<br />

ursprünglichen Verdingungsunterlagen aus dem offenen Verfahren zu prüfen waren.<br />

Für die Abfassung des nur fünf Seiten aufweisenden Rügeschreibens bedurfte es nicht<br />

mehr als ein oder zwei Tage. Das Verschulden ihres anwaltlichen<br />

Verfahrensbevollmächtigten muss die <strong>Antrag</strong>stellerin sich über <strong>§</strong> 278 BGB<br />

zurechnen lassen. Von der Präklusionswirkung sind sämtliche im Rügeschreiben vom<br />

11. Juli 2008 enthaltenen Rügen erfasst (OLG Düsseldorf, B. v. 04.05.2009 - Az.: VII-<br />

Verg 68/08)<br />

• unter Berücksichtigung der im vorliegenden Fall für die Beurteilung des Sachverhalts<br />

durch die zu Rate gezogenen Anwälte erforderlichen Zeit, einer angemessenen<br />

Überlegungsfrist sowie des Umstandes, dass nur fünf der zehn Kalendertagen<br />

auch Arbeitstage waren, ist eine Rüge innerhalb von zehn Tagen hinsichtlich der<br />

o.g. Rügen indes noch als unverzüglich zu werten (2. VK Bund, B. v. 15.09.2008 -<br />

Az.: VK 2 – 91/08)<br />

• ist im Zeitpunkt der Rüge bereits deutlich mehr als eine Woche vergangen, legt<br />

dies grundsätzlich eine Rügepräklusion nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 S. 1 <strong>GWB</strong> nahe. Die<br />

ASt hat jedoch in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargetan, dass es im<br />

vorliegenden Fall zunächst eingehender Beratungen mit der<br />

Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen bedurfte,<br />

um Klarheit über das weitere Vorgehen zu gewinnen. Dies lag nicht allein daran, dass<br />

im Hinblick auf weitere anstehende Ausschreibungen der Ag mit der<br />

Bundesarbeitsgemeinschaft die Zweckmäßigkeit eines Vorgehens gegen den<br />

Angebotsausschluss besprochen werden sollte. Vielmehr suchte die ASt über die die<br />

Ausschreibung für ihre Mitgliedsunternehmen begleitende Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

auch Klarheit darüber zu gewinnen, ob die Ag hinsichtlich des Ausschlusses<br />

angeblicher WfbM einheitlich oder diskriminierend vorging. Dies war für die<br />

Einschätzung der Erfolgsaussichten einer streitigen Auseinandersetzung<br />

bedeutsam und nahm wegen der erst nach einigen Tagen bei der<br />

Bundesarbeitsgemeinschaft eingegangenen Informationen nicht unerhebliche<br />

Zeit in Anspruch. Nachdem die ASt in tatsächlicher Hinsicht informiert war und<br />

sodann am 10. Juni 2008 ihre Verfahrensbevollmächtigten – die zunächst die<br />

Bundesarbeitsgemeinschaft beraten hatten – mit ihrer rechtlichen Vertretung<br />

beauftragt hatte, wurde die Rüge bereits am nächsten Tag erhoben. Unter<br />

Berücksichtigung des Aufwandes für die tatsächliche und rechtliche Klärung des<br />

Sachverhaltes ist der ASt bezüglich des Schreibens vom 11. Juni 2008 keine<br />

Verletzung ihrer Rügeobliegenheit anzulasten (2. VK Bund, B. v. 01.08.2008 - Az.:<br />

VK 2 – 88/08)<br />

• gibt ein Bieter lediglich ein Hauptangebot ab und macht er von der Möglichkeit,<br />

sich auch mit Nebenangeboten am Vergabeverfahren zu beteiligen, keinen<br />

Gebrauch, besteht für ihn keine Veranlassung, sich mit dem die Abgabe von<br />

Nebenangeboten betreffenden Teil der Ausschreibung näher zu befassen und<br />

seinen Inhalt auf seine vergaberechtliche Zulässigkeit zu untersuchen. Dies ändert<br />

sich erst, wenn er von der beabsichtigten Wertung eines Nebenangebots erfährt.<br />

Positive Kenntnis dieses Bieters im Sinne des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 S. 1 <strong>GWB</strong> ist damit<br />

frühestens ab Erhalt des Informationsschreibens feststellbar (VK Schleswig-Holstein,


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

B. v. 07.05.2008 - Az.: VK-SH 05/08; VK Südbayern, B. v. 29.04.2009 - Az.: Z3-3-<br />

3194-1-11-03/09)<br />

• ist aus den Verdingungsunterlagen eindeutig erkennbar, dass die Wartungskosten<br />

in die Wertung einfließen sollen (im Formblatt EVM Erg EG Gew 248 EG ist als<br />

Wertungskriterium u.a. genannt: "Preis (Wertungssumme einschl. evtl.<br />

Wartungskosten)" und ergibt sich daraus die grundsätzliche Einbeziehung der<br />

Wartungskosten in die Wertung, so muss ein Bieter etwaige Unklarheiten vor der<br />

Angebotserstellung aufklären bzw. diese unverzüglich bei der Vergabestelle<br />

rügen; ansonsten sind spätere Einwendungen präkludiert (VK Nordbayern, B. v.<br />

23.04.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 15/08)<br />

• die <strong>Antrag</strong>stellerin hat das von ihr beanstandete Zuschlagsvorhaben auf die<br />

Bieterinformation vom 11.4.2007 unter dem 16.4.2007 i.S.v. <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 S. 1 <strong>GWB</strong><br />

unverzüglich gerügt. Zu bedenken ist dabei: Dem <strong>Antrag</strong>steller sind im Rahmen der<br />

Rügeobliegenheit eine Überlegungsfrist sowie in der Regel ebenfalls eine anwaltliche<br />

Beratung zu konzedieren. Unter dem Gebot, dass dabei die Umstände des jeweiligen<br />

Einzelfalls zu berücksichtigen sind, hat dies zumal dann zu gelten, wenn vor<br />

Anbringung einer Rüge die nicht einfache Rechtsfrage zu beantworten war, ob<br />

nach Maßgabe der insoweit ergangenen Rechtsprechung in den<br />

Verdingungsunterlagen ausreichende Mindestanforderungen für Nebenangebote<br />

gesetzt worden waren (OLG Düsseldorf, B. v. 22.08.2007 - Az.: VII – Verg 20/07)<br />

• die erkennende Kammer ist davon überzeugt, dass die <strong>Antrag</strong>stellerin als<br />

fachkundiges Unternehmen bereits beim Lesen der Verdingungsunterlagen,<br />

spätestens jedoch beim Erstellen des Angebotes den Rückschluss der<br />

vermeintlichen Vergaberechtswidrigkeit hinsichtlich der Einflussmöglichkeit der<br />

einzelnen Bieter auf den Umfang der Wartung durch die Festlegung der bieterseitig<br />

zu erstellenden und beizufügenden Arbeitskarten gezogen hat und somit das<br />

Rügeerfordernis ausgelöst wurde. Ausweislich des Rügevortrags vom 21.06.2007<br />

wurde seitens der <strong>Antrag</strong>stellerin im Zusammenhang mit der anzubietenden<br />

Wartungsleistung lediglich die Unvollständigkeit des Beigeladenenangebotes<br />

kritisiert. Zur Frage eines ungebührlichen Wagnisses bzw. der damit verbundenen<br />

Wettbewerbsverzerrung bezog die <strong>Antrag</strong>stellerin erstmalig im Nachprüfungsantrag<br />

selbst Position. Dies war somit zu spät (1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 21.09.2007 - Az:<br />

1 VK LVwA 18/07)<br />

• das Vorbringen im Nachprüfungsverfahren, die Vergabestelle hätte insgesamt die<br />

Ausschreibung sehr kurzfristig durchgeführt und dadurch sei eine ordentliche<br />

Disposition bzgl. Personal und Fahrzeugen gar nicht mehr möglich gewesen, ist<br />

verfristet. Sowohl der Ausschreibungszeitpunkt und die Angebotsabgabefrist als<br />

auch der Vertragsbeginn und die beizubringenden Unterlagen waren bereits aus<br />

der Bekanntmachung der Ausschreibung bzw. der Leistungsbeschreibung<br />

ersichtlich. Der <strong>Antrag</strong>steller hat sich auf das Prozedere in vollem Wissen um die<br />

kurzen Fristen eingelassen. Eine diesbezügliche Rüge ist nicht erfolgt. Daher ist er<br />

mit diesem Vorbringen präkludiert (VK Nordbayern, B. v. 06.08.2007 - Az.: 21.VK -<br />

3194 - 31/07)<br />

• Mängel in den Ausschreibungsunterlagen, die spätestens beim Erstellen des Angebots<br />

erkennbar sind, sind mit einer entsprechenden Rüge unverzüglich zu beanstanden.<br />

Sind in der Baubeschreibung die Mindestbedingungen für Nebenangebote,<br />

insbesondere für die Herstellung des Oberbaus in Betonbauweise festgelegt und<br />

legt ein Bieter in Kenntnis dieser Festlegungen zur Betonbauweise ohne weitere<br />

Nachfrage drei Nebenangebote für Betonfahrbahnen zur Submission vor, ist eine<br />

Rüge hinsichtlich der Baubeschreibung getroffenen Festlegungen für den<br />

Oberbau nicht mehr unverzüglich, wenn die Rüge erst erfolgt, nachdem der Bieter


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

erfahren hat, dass seine Nebenangebote für einen Betonoberbau nicht<br />

berücksichtigt werden (VK Nordbayern, B. v. 03.05.2007 - Az.: 21.VK - 3194 -<br />

19/07)<br />

<strong>19.</strong>5.24 Aufgrund der Bekanntmachung erkennbare Verstöße gegen<br />

Vergabebestimmungen und fehlende Rüge spätestens bis Ablauf der in<br />

der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe oder zur<br />

Bewerbung gegenüber dem Auftraggeber (<strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 2)<br />

<strong>19.</strong>5.24.1 Grundsätze<br />

3129<br />

3130<br />

3131<br />

3132<br />

<strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 wurde durch das Vergaberechtsmodernisierungsgesetz 2009 nur<br />

redaktionell, nicht aber inhaltlich geändert.<br />

Nach dieser Vorschrift ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit Verstöße gegen<br />

Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens<br />

bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe oder zur<br />

Bewerbung gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden (OLG Düsseldorf, B. v. 27.02.2008 -<br />

Az.: VII-Verg 41/07; VK Berlin, B. v. 01.11.2004 - Az.: VK - B 2 – 52/04; 1. VK Sachsen, B.<br />

v. 25.01.2008 - Az.: 1/SVK/088-07). Aus der gesetzlichen Definition einer Ausschlussfrist<br />

ergibt sich zugleich, dass der Bewerber bzw. Bieter zum Erhalt seines Zugangs zum<br />

vergaberechtlichen Primärrechtsschutz verpflichtet ist, die Vergabebekanntmachung vor<br />

Ablauf dieser Frist auf das Vorliegen von Vergabefehlern zu untersuchen (OLG<br />

Naumburg, B. v. 05.12.2008 - Az.: 1 Verg 9/08).<br />

Diese Regelung ist vom Gesetzgeber als besondere Ausprägung des Grundsatzes von Treu<br />

und Glauben konzipiert worden und schützt das öffentliche Interesse an einem raschen<br />

Abschluss des Vergabeverfahrens (VK Brandenburg, B. v. 24.09.2004 - VK 49/04).<br />

<strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 <strong>GWB</strong> betrifft nach seinem klaren Wortlaut nur aus der<br />

Bekanntmachung erkennbare Vergaberechtsverstöße, nicht aber solche, die erst aus den<br />

Verdingungsunterlagen erkennbar sind (2. VK Bund, B. v. 31.07.2006 - Az.: VK 2 - 65/06;<br />

1. VK Sachsen, B. v. 24.03.2005 - Az.: 1/SVK/019-05; offen gelassen Hanseatisches OLG<br />

Bremen, B. v. 07.11.2005 - Az.: Verg 3/05). Diese aus den Verdingungsunterlagen<br />

erkennbaren Vergaberechtsverstöße sind nunmehr in <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 geregelt.<br />

<strong>19.</strong>5.24.2 Begriff der Bekanntmachung<br />

3133<br />

Unter "Bekanntmachung" ist nicht nur die Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt<br />

der Europäischen Gemeinschaften zu verstehen, sondern jede Bekanntgabe einer<br />

öffentlichen Ausschreibung in Tageszeitungen oder in einem amtlichen<br />

Veröffentlichungsblatt (KG Berlin, B. v. 10.10.2002 - Az.: 2 KartVerg 13/02) sowie in<br />

Fachzeitschriften oder Internetportalen (2. VK Bund, B. v. 16.09.2008 - Az.: VK 2 –<br />

97/08; B. v. 15.09.2008 - Az.: VK 2 – 94/08).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

3134<br />

3135<br />

Nicht erfasst werden von dieser Alternative Fehler in Verdingungsunterlagen, da die<br />

Verdingungsunterlagen nicht mehr zur Bekanntmachung gehören (2. VK Bund, B. v.<br />

16.09.2008 - Az.: VK 2 – 97/08; B. v. 15.09.2008 - Az.: VK 2 – 94/08; VK Düsseldorf, B. v.<br />

15.10.2003 - Az.: VK - 28/2003 – L; 3. VK Saarland, B. v. 10.08.2009 - Az.: 3 VK 03/2008;<br />

B. v. 30.11.2007 - Az.: 1 VK 05/2007; VK Schleswig-Holstein, B. v. 05.10.2005 - Az.: VK-<br />

SH 23/05). Als Maßstab für Rügen gegen behauptete Rechtsverstöße in den<br />

Verdingungsunterlagen ist <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 <strong>GWB</strong> anzulegen; vgl. insoweit die<br />

Kommentierung RZ 3035.<br />

Dies gilt auch für den Fall, dass die Verdingungsunterlagen den Bietern zwar<br />

grundsätzlich zeitgleich mit der Bekanntmachung elektronisch zur Verfügung gestellt<br />

werden, sie jedoch separat abgerufen werden müssen. Wird außerdem die<br />

Bekanntmachung nicht nur auf den Internetseiten des Auftraggebers veröffentlicht, auf denen<br />

auch die Verdingungsunterlagen zur Verfügung stehen, sondern daneben auch auf z.B. der<br />

elektronischen Plattform TED, muss ein Bieter, der auf diesem Wege von der Ausschreibung<br />

erfährt, erst noch die Internetseiten des Auftraggebers aufrufen, um Kenntnis von den<br />

Verdingungsunterlagen zu erhalten. Die Bekanntmachung und die Verdingungsunterlagen<br />

bilden somit auch nicht etwa eine Einheit, auf die die für Bekanntmachungen geltende<br />

Regelung des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 2 <strong>GWB</strong> unterschiedslos angewendet werden können (2. VK<br />

Bund, B. v. 16.09.2008 - Az.: VK 2 – 97/08).<br />

<strong>19.</strong>5.24.3 Erkennbare Vergaberechtsverstöße und Maßstab der<br />

Erkennbarkeit<br />

<strong>19.</strong>5.24.3.1 Grundsatz<br />

3136<br />

3137<br />

Erkennbar sind Regelverstöße, die bei üblicher Sorgfalt und den üblichen Kenntnissen von<br />

einem durchschnittlichen Unternehmen erkannt werden (OLG Düsseldorf, B. v.<br />

27.02.2008 - Az.: VII-Verg 41/07; VK Arnsberg, B. v. 18.01.2008 - Az.: VK 01/08; VK<br />

Baden-Württemberg, B. v. 28.10.2004 - Az.: 1 VK 68/04; VK Brandenburg, B. v. 24.09.2004<br />

- VK 49/04; 2. VK Bund, B. v. 31.07.2006 - Az.: VK 2 - 65/06; B. v. 29.03.2006 - Az.: VK 2<br />

- 11/06; 3. VK Bund, B. v. 02.03.2010 – Az.: VK 3 - 12/10; B. v. 20.11.2009 - Az.: VK 3 -<br />

202/09; B. v. 12.11.2009 - Az.: VK 3 - 208/09; VK Düsseldorf, B. v. 02.03.2007 - Az.: VK -<br />

05/2007 – L; VK Hessen, B. v. 13.05.2009 - Az.: 69 d VK – 10/2009; 1. VK Sachsen, B. v.<br />

25.01.2008 - Az.: 1/SVK/088-07; B. v. 11.11.2004 - Az.: 1/SVK/105-04, 1/SVK/106-04,<br />

1/SVK/<strong>107</strong>-04; VK Schleswig-Holstein, B. v. 11.02.2010 - Az.: VK-SH 29/09; B. v.<br />

22.01.2010 - Az.: VK-SH 26/09; VK Südbayern, B. v. 14.12.2004 - Az.: 70-10/04; B. v.<br />

14.12.2004 - Az.: 69-10/04; B. v. 14.12.2004 - Az.: 68-10/04; B. v. <strong>19.</strong>10.2004, Az.: 120.3-<br />

3194.1-60-08/04). <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> nimmt also keine Rücksicht auf unterschiedliche<br />

Erkenntnisstände der Mitarbeiter bei innerbetrieblicher Arbeitsteilung (2. VK Bund, B. v.<br />

14.12.2004 - Az.: VK 2 – 208/04).<br />

Bei der Konkretisierung dieses Maßstabes kommt es auch darauf an, ob das Unternehmen<br />

schon erhebliche Erfahrungen mit öffentlichen Aufträgen hat und daher gewisse<br />

Rechtskenntnisse vorausgesetzt werden können, die beim unerfahrenen Unternehmen nicht<br />

vorhanden sind (VK Arnsberg, B. v. 18.01.2008 - Az.: VK 01/08; VK Baden-Württemberg,<br />

B. v. 28.10.2004 - Az.: 1 VK 68/04; 1. VK Bund, B. v. 31.07.2007 - Az.: VK 1 - 65/07; B. v.<br />

14.06.2007 - Az.: VK 1 - 50/07; 2. VK Bund, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 102/07; B. v.<br />

29.03.2006 - Az.: VK 2 - 11/06; VK Düsseldorf, B. v. 02.03.2007 - Az.: VK - 05/2007 – L; 1.


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

VK Sachsen, B. v. 25.01.2008 - Az.: 1/SVK/088-07; VK Schleswig-Holstein, B. v.<br />

22.01.2010 - Az.: VK-SH 26/09; VK Südbayern, B. v. 14.12.2004 - Az.: 70-10/04; B. v.<br />

14.12.2004 - Az.: 69-10/04; B. v. 14.12.2004 - Az.: 68-10/04; B. v. <strong>19.</strong>10.2004, Az.: 120.3-<br />

3194.1-60-08/04; B. v. 31.10.2002 - Az.: 42-10/02; ähnlich VK Brandenburg, B. v.<br />

24.09.2004 - VK 49/04; VK Nordbayern, B. v. 12.08.2009 - Az.: 21.VK - 3194 – 29/09 – für<br />

Schulbuchausschreibungen).<br />

<strong>19.</strong>5.24.3.2 Einzelfälle<br />

3138<br />

3139<br />

3140<br />

3141<br />

Nach Auffassung des Hanseatischen OLG Bremen ist davon auszugehen, dass sich seit<br />

Inkrafttreten der Vorschriften des Vergaberechtsänderungsgesetzes zum 01.01.1999 bei<br />

den von derartigen Ausschreibungen der öffentlichen Hand angesprochenen Bieterkreisen ein<br />

gesteigertes Bewusstsein über das Vergaberecht entwickelt hat. Dies betrifft insbesondere<br />

das Wissen, dass sowohl die Ausschreibungsart als auch die Möglichkeit, vor den<br />

Vergabekammern Rechtsschutz zu erlangen, von dem Erreichen eines sich nach dem<br />

Auftragsumfang richtenden Schwellenwertes abhängig ist (Hanseatisches OLG Bremen,<br />

B. v. 07.11.2005 - Az.: Verg 3/05; im Ergebnis ebenso VK Bremen, B. v. 02.08.2005 - Az.:<br />

810-VK 08/05; VK Lüneburg, B. v. 10.10.2006 - Az.: VgK-23/2006).<br />

Nach Auffassung des OLG Düsseldorf hingegen bilden den Maßstab für die Erkennbarkeit<br />

eines Vergaberechtsverstoßes die individuellen Verhältnisse des <strong>Antrag</strong>stellers. Der innere<br />

Grund dafür ist in dem Umstand zu sehen, dass die Rügeobliegenheit materiell wie prozessual<br />

eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (<strong>§</strong> 242 BGB) darstellt, der in der<br />

durch die Anforderung der Bewerbungs- oder Vergabeunterlagen begründeten<br />

schuldrechtlichen Sonderverbindung zum Auftraggeber wurzelt. Der Grundsatz von Treu<br />

und Glauben konstituiert Obliegenheiten (und Nebenpflichten) indes nicht ohne<br />

Rücksicht darauf, ob eine Erfüllung zumutbar ist. Zumutbarkeit ist stets individuell<br />

nach den Verhältnissen des in der Obliegenheit stehenden Beteiligten zu beurteilen. Nur<br />

zumutbaren Obliegenheiten ist nachzukommen. Ist das Bestehen einer Obliegenheit nicht<br />

individuell erkennbar, ist eine Erfüllung nicht zumutbar und muss auch nicht erfüllt werden<br />

(OLG Düsseldorf, B. v. 27.02.2008 - Az.: VII-Verg 41/07; B. v. 02.05.2007 - Az.: VII - Verg<br />

1/07; B. v. 18.10.2006 – Az.: VII – Verg 35/06; OLG Frankfurt, B. v. 15.07.2008 - Az.: 11<br />

Verg 4/08; 1. VK Brandenburg, B. v. 29.05.2006 - Az.: 1 VK 17/06; 1. VK Bund, B. v.<br />

<strong>19.</strong>12.2008 - Az.: VK 1 - 165/08; B. v. <strong>19.</strong>11.2008 - Az.: VK 1 - 135/08; B. v. 31.07.2007 -<br />

Az.: VK 1 - 65/07; B. v. 14.06.2007 - Az.: VK 1 - 50/07; 2. VK Bund, B. v. 09.12.2009 - Az.:<br />

VK 2 – 192/09; B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 123/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 120/07,<br />

B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 117/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 114/07, B. v.<br />

15.11.2007 - Az.: VK 2 - 108/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 105/07; B. v. 15.11.2007 -<br />

Az.: VK 2 - 102/07; 3. VK Bund, B. v. 02.03.2010 – Az.: VK 3 - 12/10; B. v. 08.01.2010 -<br />

Az.: VK 3 – 229/09; VK Düsseldorf, B. v. 02.03.2007 - Az.: VK - 05/2007 – L).<br />

Die Anforderungen daran, wann ein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften erkennbar ist,<br />

müssen jedoch realistisch sein. Sie sind nicht schon dann erkennbar, wenn nur der<br />

Fachmann nach genauerem Studium den Verstoß feststellen könnte, sondern nur, wenn die<br />

Nichtfeststellung dem <strong>Antrag</strong>steller vorwerfbar ist (OLG Frankfurt, B. v. 15.07.2008 -<br />

Az.: 11 Verg 4/08; 1. VK Bund, B. v. 27.11.2009 - Az.: VK 1 - 194/09; 3. VK Bund, B. v.<br />

20.11.2009 - Az.: VK 3 - 202/09).<br />

Ein durchschnittlicher <strong>Antrag</strong>steller kann z. B. aus der beschriebenen Art und dem Umfang<br />

der Arbeiten sowie den genannten CPV-Code-Nummern, aus denen sich konkret der


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Auftragsgegenstand ergibt, erkennen, was im Einzelnen geliefert und eingebaut werden soll<br />

(3. VK Bund, B. v. 26.09.2005 - Az.: VK 3 - 118/05; VK Hessen, B. v. 25.7.2003 - Az.: 69 d<br />

VK - 31/2003; VK Lüneburg, B. v. 25.2.2004 - Az.: 203-VgK-02/2004).<br />

3142<br />

3143<br />

3144<br />

3144/1<br />

Wenn ein Auftraggeber vorträgt, ein <strong>Antrag</strong>steller habe hinsichtlich der<br />

Vergaberechtswidrigkeit einer Forderung nach einem Eigenleistungsanteil bloß <strong>§</strong> 4 Abs.<br />

4 VgV lesen müssen, werden überzogene Anforderungen an die Rechtskenntnisse eines<br />

Bieters gestellt. Der Rechtsverstoß war nur unter Aufwendung juristischen Sachverstands<br />

erkennbar. <strong>§</strong> 4 Abs. 4 VgV ist bereits infolge der Verweisung auf eine andere Vorschrift von<br />

Rechtslaien nur schwer verständlich. Zudem deutet der Wortlaut nur auf die Zurechnung der<br />

Leistungsfähigkeit eines Dritten hin. Die weitergehende Bedeutung der Vorschrift ist erst<br />

vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH erkennbar (OLG Düsseldorf, B. v.<br />

22.10.2008 - Az.: VII-Verg 48/08).<br />

Ein Verstoß gegen <strong>§</strong><strong>§</strong> 7a Nr. 3 Absatz 3 Satz 1, 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. m VOL/A dergestalt, dass<br />

eine Nennung von Eignungskriterien nicht in der Bekanntmachung, sondern erst in den<br />

Vergabeunterlagen erfolgt, ist offensichtlich. Er lässt sich durch bloßes Lesen der<br />

einschlägigen Normen und einen Vergleich mit dem Bekanntmachungstext ohne weiteres<br />

feststellen und ist damit auch für jeden erkennbar, der über die intellektuellen<br />

Fähigkeiten verfügt, die notwendig sind, um ein Angebot zu erstellen oder gar ein<br />

Unternehmen zu leiten (OLG Koblenz, B. v. 07.11.2007 - Az.: 1 Verg 6/07). Dies gilt auch,<br />

wenn in den Vergabeunterlagen weitergehendere Eignungsnachweise als in der EU-<br />

Bekanntmachung gefordert werden (OLG Celle, B. v. 04.03.2010 – Az.: 13 Verg 1/10).<br />

Anderer Auffassung ist die VK Düsseldorf. Auch wenn in der Bekanntmachung keinerlei<br />

Eignungsnachweise aufgeführt werden und der <strong>Antrag</strong>stellerin dies nicht innerhalb der<br />

Angebotsfrist beanstandet, ist er nicht mit der Beanstandung präkludiert, dass der<br />

Auftraggeber kein Angebot ausschließen darf, welches Eignungsnachweise nicht enthält,<br />

die erstmalig in den Verdingungsunterlagen gefordert wurden. Der <strong>Antrag</strong>steller muss<br />

dann zwar den Zustand hinnehmen, welcher sich aufgrund einer nicht ausgesprochenen Rüge<br />

ergibt, kann sich im Gegenzug aber darauf berufen, dass diese Umstände im<br />

Vergabeverfahren in dem ungerügten Zustand Bestand und Geltung haben. Für die<br />

Anforderung von Eignungsnachweisen bedeutet dies, dass sie so zu behandeln sind, wie<br />

sie bekannt gemacht wurden, nämlich gar nicht (VK Düsseldorf, B. v. 21.01.2009 - Az.:<br />

VK – 43/2008 – L).<br />

Die rechtlichen Konsequenzen der Wahl des Verhandlungsverfahrens sind für einen<br />

durchschnittlichen Bieter bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt erkennbar im Sinne des<br />

<strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Nr. 2 <strong>GWB</strong>. Die gewählte Verfahrensart gehört offenkundig zu den<br />

Grundlagen des Vergaberechts. Dass der Gesetzgeber grundsätzlich eine Rangfolge der<br />

Verfahrensarten – gestaffelt nach der größtmöglichen Öffnung des Vergabeverfahrens für den<br />

Wettbewerb – vorgesehen hat, dürfte auch einem mit Vergabeverfahren weniger befassten<br />

Bieter bekannt sein. Auch ein mit Vergabesachen nicht allzu vertrauter Bieter muss sich<br />

daher an allererster Stelle mit der Verfahrensart beschäftigen. Denn aus dieser folgen<br />

unterschiedliche Anforderungen an die Angebotserstellung und Einschränkungen des<br />

Bieterkreises, hier z.B. beim Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem<br />

Teilnahmewettbewerb zunächst eine Bewerbung, dann erst die Abgabe eines Angebots.<br />

Vertiefte Kenntnisse des Vergaberechts oder der VOL/A sind daher nicht erforderlich,<br />

um zu erkennen, dass die Wahl des Verfahrens für den weiteren Verlauf des<br />

Vergabeverfahrens Folgen hat (3. VK Bund, B. v. 20.11.2009 - Az.: VK 3 - 202/09).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

3145<br />

3146<br />

3147<br />

3147/1<br />

Wird ein Bieter auf den vermeintlichen Vergabefehler - keine Anwendung des Offenen<br />

Verfahrens - innerhalb der Bewerbungsfrist eines Nichtoffenen Verfahrens nicht<br />

aufmerksam, weil er grundsätzlich davon ausgeht, dass Reinigungsdienstleistungen<br />

zulässigerweise nur im Wege des offenen Verfahrens vergeben werden dürfen, sind für die<br />

fehlende Kenntnis nicht fehlende Vergaberechtskenntnisse auf Seiten des Bieters kausal,<br />

sondern die Entscheidung, nur nach Ausschreibungen von offenen Verfahren zu<br />

recherchieren. Da der eventuelle Verstoß innerhalb der Bewerbungsfrist erkennbar ist, ist<br />

eine spätere Rüge nicht mehr unverzüglich (1. VK Bund, B. v. <strong>19.</strong>12.2008 - Az.: VK 1 -<br />

165/08).<br />

Ist also die Nichterkennbarkeit der Bekanntmachung als solche auf die eingeschränkte<br />

Suche nach Ausschreibung im offenen Verfahren zurückzuführen, hat ein Bieter dies<br />

selbst zu vertreten. Fehler in der Auftragssuche, die zu einer verspäteten Rüge führen,<br />

gehen eindeutig zu Lasten der Bieter. Ihnen obliegt die Organisation ihrer Suche. Damit liegt<br />

auch eine selbstverschuldete Unkenntnis vor (VK Arnsberg, B. v. 18.01.2008 - Az.: VK<br />

01/08).<br />

Das OLG Düsseldorf regelt diese Fälle über die Kausalität. Recherchiert ein Bieter nur<br />

nach offenen Ausschreibungen für Reinigungsdienstleistungen, liegt dies in seiner<br />

Handlungsfreiheit, alle regional in Betracht kommenden europäischen Bekanntmachungen für<br />

Reinigungsdienstleistungen zu recherchieren und zu prüfen. Ebenso liegt es ausschließlich in<br />

der Verantwortung des Bieters, ob er ein Angebot oder einen Teilnahmeantrag einreicht.<br />

Unterlässt er die Recherche nach Nichtoffenen bzw. Verhandlungsverfahren, so ist<br />

ursächlich für die unterlassene Stellung eines Teilnahmeantrag nicht die vom<br />

Auftraggeber gewählte Vergabeart, sondern seine eigenverantwortlich getroffene<br />

Entscheidung, Bekanntmachungen zu nicht offenen Verfahren nicht zu recherchieren und<br />

nicht zu prüfen. Dass dieser Entscheidung die Vorstellung des <strong>Antrag</strong>stellers zu Grunde<br />

lag, beim offenen Verfahren müssten ausnahmslos alle interessierten Unternehmen als<br />

generell geeignet angesehen werden, während dies beim nicht offenen Verfahren nicht der<br />

Fall sei, ändert nichts daran, dass es allein Aufgabe des <strong>Antrag</strong>stellers ist zu ermitteln,<br />

welche Bekanntmachungen zu Reinigungsdienstleistungen veröffentlicht worden sind<br />

und diese sodann daraufhin zu überprüfen, ob er sich an diesen beteiligen kann. Im übrigen<br />

kann die Wahl des nicht offenen Verfahrens andere Gründe haben (vgl. <strong>§</strong> 3a Nr. 1 Abs. 1<br />

i.V.m. <strong>§</strong> 3 Nr. 3 b) - d) VOL/A) als den Umstand, dass eine spezifische Eignung von den<br />

Bietern für die Auftragsdurchführung vom Auftraggeber verlangt wird. Die Auffassung des<br />

<strong>Antrag</strong>stellers, bei nicht offenen Verfahren sei stets ein höherer Grad an Eignung vom Bieter<br />

gefordert, ist in der Sache unzutreffend (OLG Düsseldorf, B. v. 15.01.2009 - Az.: VII-Verg<br />

77/08).<br />

Unabhängig davon, ob man auf einen subjektiven, also individuellen, oder objektiven, also<br />

auf einen durchschnittlichen, verständigen Bieter abstellenden Erkennbarkeitsmaßstab<br />

abstellt, ist das Verbot, ein „Mehr an Eignung“ nicht auf der vierten Wertungsstufe zu<br />

berücksichtigen, nur unter Aufwendung besonderen juristischen Sachverstands<br />

erkennbar gewesen. Denn das Verbot, ein „Mehr an Eignung“ nicht auf der vierten<br />

Wertungsstufe zu berücksichtigen, wird erst aufgrund der jüngeren Rechtsprechung strikt<br />

und vorbehaltlos angewendet – vorher waren Ausnahmen, die Kriterien der einzelnen<br />

Wertungsstufen voneinander zu trennen, dann anerkannt worden, wenn der öffentliche<br />

Auftraggeber einen sog. „Auftragsbezug“ herstellt, etwa indem er bewertet, ob sich ein<br />

bestimmter Personaleinsatz „leistungsbezogen“ auswirkt, weil er die Gewähr für eine bessere<br />

Leistung bietet (1. VK Bund, B. v. 27.11.2009 - Az.: VK 1 - 194/09).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

3147/2<br />

3147/3<br />

Ein Vergaberechtsverstoß, der sich durch bloßes Lesen der einschlägigen Normen und<br />

einen Vergleich mit dem Bekanntmachungstext ohne weiteres feststellen lässt, ist für<br />

jeden erkennbar, der über die intellektuellen Fähigkeiten verfügt, die notwendig sind, um ein<br />

Angebot zu erstellen oder gar ein Unternehmen zu leiten (VK Schleswig-Holstein, B. v.<br />

22.01.2010 - Az.: VK-SH 26/09).<br />

Ist einem Bieter aus den Vergabeunterlagen bekannt, dass beim streitgegenständlichen<br />

Vergabeverfahren die Angabe von Nettopreisen gefordert ist, hat er sich mit der Abgabe<br />

seines Angebots bewusst auf diese Forderung eingelassen. Eine dagegen gerichtete Rüge<br />

nach Ablauf der Angebotsfrist ist dann nicht mehr rechtzeitig (VK Schleswig-Holstein, B. v.<br />

11.02.2010 - Az.: VK-SH 29/09).<br />

<strong>19.</strong>5.24.3.3 Weiterer Maßstab für ausländische Unternehmen<br />

3148<br />

3149<br />

3150<br />

3151<br />

3152<br />

Die Rechtsprechung hierzu ist nicht einheitlich.<br />

Ist ein Fehler der Ausschreibung bereits zu dem Zeitpunkt erkennbar, als der <strong>Antrag</strong>steller die<br />

Ausschreibungsunterlagen einschließlich der weiteren Auftragsbedingungen von der<br />

Vergabestelle erhalten hat, und ist er von dem <strong>Antrag</strong>steller nicht als Fehler erkannt worden,<br />

kann es Fälle geben, in denen das Nichterkennen dem <strong>Antrag</strong>steller nicht vorwerfbar ist.<br />

So können ihm als Laien (z. B. als ausländisches Unternehmen) die Feinheiten des<br />

Vergaberechts nicht geläufig sein und ohne konkreten Verdacht besteht für ihn keine<br />

Veranlassung, die Ausschreibungsunterlagen von einer im Vergaberecht kundigen Person<br />

überprüfen zu lassen (2. VK Bund, B. v. 23.5.2002 - Az.: VK 2 - 16/02).<br />

Ähnlich argumentiert im Ergebnis die VK Baden-Württemberg: Maßgebend ist die<br />

Erkenntnisfähigkeit des konkreten <strong>Antrag</strong>stellers. Kann der <strong>Antrag</strong>steller als ein in<br />

vergaberechtlichen Angelegenheiten unerfahrenes Unternehmen bezeichnet werden,<br />

können ihm z. B. Fehler der Vergabestelle bei der Schätzung des Schwellenwertes nicht<br />

vorgeworfen werden (B. v. 27.6.2003 - Az.: 1 VK 29/03).<br />

Nach Auffassung der VK Arnsberg orientieren sich die Entscheidungen von<br />

Vergabekammern und Vergabesenaten zur Frage der unverzüglichen Rüge regelmäßig<br />

an Angeboten nationaler Anbieter, so dass eine Frist von 10 Tagen, die innerhalb der<br />

maximalen Rügefristen liegt, bei einem ausländischen Anbieter noch als unverzüglich<br />

anzusehen ist, da Information, Übermittlung, Übersetzung und Transfer hier ebenfalls zu<br />

berücksichtigen sind (VK Arnsberg, B. v. 10.01.2008 - Az.: VK 42/07).<br />

Demgegenüber kann nach Meinung der VK Hessen ein <strong>Antrag</strong>steller grundsätzlich nicht<br />

für sich in Anspruch nehmen, dass für ihn wegen der vorgetragenen Unerfahrenheit mit<br />

dem deutschen Vergaberecht Verfahrenserleichterungen bzw. eine restriktive<br />

Auslegung der Verfahrensvorschriften gelten müssen. Die Vorschriften der <strong>§</strong><strong>§</strong> 97 ff. <strong>GWB</strong><br />

über Nachprüfungsverfahren beziehen sich ausschließlich auf EU-weite Ausschreibungen.<br />

Wenn einerseits nach dem Willen der EU-Mitgliedsländer eine Marktöffnung erfolgen und<br />

grenzüberschreitende Vergaben zulässig sein sollen, müssen andererseits - schon aus Gründen<br />

der Rechtsklarheit - alle Regeln für alle Teilnehmer gleichermaßen gelten. Eine<br />

unterschiedliche Handhabung würde im Ergebnis dazu führen, dass eine Überprüfung von<br />

Vergaberechtsverfahren, also der Primärrechtsschutz, nicht mehr gewährleistet werden<br />

könnte. Daher ist grundsätzlich zu verlangen, dass ausländische Bieter sich mit den


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Vorschriften des Vergaberechts vertraut machen, die für die Ausschreibung, an der sie<br />

teilnehmen, gelten (VK Hessen, B. v. 25.7.2003 - Az.: 69 d VK - 31/2003).<br />

<strong>19.</strong>5.24.4 Fehler in der Bekanntmachung eines Teilnahmewettbewerbes<br />

3153<br />

3154<br />

3155<br />

Sind etwaige Vergaberechtsverstöße (z. B. falsche Vergabeart) schon aufgrund der<br />

Bekanntmachung erkennbar, ist der (etwaige) Vergaberechtsverstoß bei einem<br />

Teilnahmewettbewerb gemäß <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 <strong>GWB</strong> innerhalb der Frist zur<br />

Teilnahmebewerbung zu rügen. Geschieht dies nicht, ist die Rüge der Wahl der falschen<br />

Vergabeart ausgeschlossen (OLG Düsseldorf, B. v. 7.1.2002 - Az.: Verg 36/01; 2. VK<br />

Bund, B. v. 14.12.2004 - Az.: VK 2 – 208/04; 1. VK Sachsen, B. v. 20.08.2004 - Az.:<br />

1/SVK/067-04; VK Schleswig-Holstein, B. v. 18.12.2007 - Az.: VK-SH 25/07).<br />

Maßgebliche Ausschlussfrist für die Rüge nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 <strong>GWB</strong> im Rahmen<br />

eines Teilnahmewettbewerbs ist also nicht etwa die den im Zuge z.B. des nichtoffenen<br />

Vergabeverfahrens beteiligten Unternehmen gesetzte Angebotsfrist, sondern der in der<br />

Vergabebekanntmachung ausdrücklich gesetzte Schlusstermin für den Eingang der<br />

Teilnahmeanträge. Dies folgt schon daraus, dass sich beim nichtoffenen Verfahren z.B.<br />

gemäß <strong>§</strong> 3a Nr. 1 b, <strong>§</strong> 8a Nr. 2 VOB/A nur eine in der Vergabebekanntmachung genannte<br />

Anzahl von Bietern am Vergabeverfahren mit einem eigenen Angebot beteiligen kann, die<br />

rechtzeitig einen Teilnahmeantrag abgegeben haben (VK Lüneburg, B. v. 25.2.2004 - Az.:<br />

203-VgK-02/2004; im Ergebnis ebenso VK Schleswig-Holstein, B. v. 18.12.2007 - Az.: VK-<br />

SH 25/07).<br />

Will sich ein Bieter gegen die von der Vergabestelle anerkannte Eignung eines Mitbewerbers<br />

wehren, kommt es darauf an, zu welchem Zeitpunkt ihm die Beteiligung des Mitbewerbers<br />

bekannt wird. Spätester Zeitpunkt ist insoweit der Submissionstermin. Unverzüglich<br />

danach muss der Mangel an Eignung gerügt werden; geschieht dies nicht, ist die erst im Laufe<br />

eines Nachprüfungsverfahrens erhobene Rüge verspätet und somit unzulässig (2. VK Bremen,<br />

B. v. 10.09.2004 - Az.: VK 03/04).<br />

<strong>19.</strong>5.24.5 Umfang der Präklusion<br />

3156<br />

3157<br />

Der öffentliche Auftraggeber muss in der Bekanntmachung klar angeben, ob der<br />

Schwellenwert erreicht ist. Eine Ausschlussregelung des innerstaatlichen Rechts wie <strong>§</strong> <strong>107</strong><br />

Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 <strong>GWB</strong> darf nicht in der Weise angewendet werden, dass einem Bieter<br />

der Zugang zu einem Rechtsbehelf, der die Wahl des Verfahrens für die Vergabe eines<br />

öffentlichen Auftrags oder die Schätzung des Auftragswerts betrifft, versagt werden<br />

darf, wenn der Auftraggeber gegenüber dem Bieter die Gesamtmenge oder den<br />

Gesamtumfang des Auftrags nicht klar angegeben hat. Außerdem erfasst die<br />

Präklusionswirkung nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 <strong>GWB</strong> nicht solche<br />

Vergaberechtsfehler, zu denen es überhaupt erst in späteren Stadien des Verfahrens<br />

einer Auftragsvergabe kommen kann (EuGH, Urteil vom 11.10.2007 – Az.: C-246/01).<br />

Ist also der Schwellenwert nach der nicht zu beanstandenden Schätzung der ausschreibenden<br />

Stelle erreicht und hat sich der öffentliche Auftraggeber lediglich bei der Wahl des<br />

Ausschreibungsverfahrens vergriffen oder ist die Schätzung des Auftragswertes von<br />

vornherein vergaberechtswidrig zu niedrig, kann der Präkludierte zwar das Recht<br />

verlieren, die falsche Art der Ausschreibung oder die fehlerhafte Festsetzung des


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Auftragswertes zu rügen. Er wird aber mit allen weiteren Vergaberechtsverstößen<br />

gehört, die - isoliert betrachtet - nicht der Präklusionswirkung unterlägen und deren<br />

Überprüfung bei im Übrigen sachgerechter Vorgehensweise der ausschreibenden Stelle<br />

möglich wäre. Nach dem Wortlaut und Sinn von <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> ist nämlich nur eine<br />

Beanstandung solcher konkreten Vergaberechtsverstöße in einem<br />

Vergabenachprüfungsverfahren ausgeschlossen, die entgegen einer gesetzlich begründeten<br />

Obliegenheit vom <strong>Antrag</strong>steller nicht unverzüglich oder fristgemäß gerügt worden sind (OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 18.10.2006 – Az.: VII – Verg 35/06).<br />

<strong>19.</strong>5.24.6 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

3158<br />

• fordert der Auftraggeber in der Bekanntmachung bzw. in den Vergabeunterlagen<br />

unterschiedliche Eignungsnachweise, kann der Bieter auf die Maßgeblichkeit der in<br />

den Verdingungsunterlagen genannten Nachweise vertrauen. Wird er vom<br />

Auftraggeber deshalb ausgeschlossen, weil nicht alle in den Vergabeunterlagen<br />

geforderten Eignungsnachweise vorgelegen haben, ist die Kenntnis dieser Entscheidung<br />

des Auftraggebers (z.B. durch die Mitteilung nach <strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong>) für <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Nr.<br />

1 <strong>GWB</strong> maßgebend (1. VK Bund, B. v. 27.11.2009 - Az.: VK 1 - 194/09)<br />

• für das Vorliegen der Rügepflicht nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 2 <strong>GWB</strong> kommt es darauf an, ob<br />

Regelverstöße bei üblicher Sorgfalt und den üblichen Kenntnissen von einem<br />

durchschnittlichen Unternehmen erkannt werden. Ist der Verstoß der fehlenden<br />

europaweiten Ausschreibung für einen Bieter spätestens bei Fertigstellung des<br />

Angebotes erkennbar, muss er spätestens am Tag des Ablaufs der Frist zur Abgabe<br />

der Angebote, gerügt werden (VK Hessen, B. v. 13.05.2009 - Az.: 69 d VK – 10/2009)<br />

• für die laienhafte rechtliche Bewertung der Intransparenz von Wertungskriterien<br />

bedarf es keiner rechtlichen Beratung. Denn insoweit geht es allein um die<br />

Einschätzung des fachkundigen Bieters, ob er sich aufgrund der ihm erteilten<br />

Informationen im Stande sieht, ein wettbewerbsfähiges Angebot oder einen<br />

wettbewerbsfähigen Teilnahmeantrag zu erstellen, d.h. ob er hinreichend erkennen kann,<br />

worauf es dem öffentlichen Auftraggeber für seine Auswahlentscheidung unter den<br />

Bewerbern ankommt (OLG Naumburg, B. v. 08.10.2009 - Az.: 1 Verg 9/09)<br />

• ist die Höhe der Gewichtung eines Zuschlagskriteriums unzweifelhaft und ohne<br />

weitere Rechtskenntnisse oder Überlegungen aus der Bekanntmachung erkennbar,<br />

muss dies bis zum Ablauf der Angebotsabgabefrist gerügt werden (VK Nordbayern,<br />

B. v. 12.08.2009 - Az.: 21.VK - 3194 – 29/09)<br />

• ergibt sich die Tatsache, dass ein Gewerbezentralregisterauszug vorzulegen war,<br />

bereits aus der Bekanntmachung und rügt der Bieter diese Forderung nicht<br />

spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur<br />

Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber, ist der Bieter mit dem Vorbringen, die<br />

Forderung sei vergaberechtswidrig, gemäß <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 2 <strong>GWB</strong> präkludiert und der<br />

Nachprüfungsantrag insoweit unzulässig (VK Baden-Württemberg, B. v. 06.11.2008 -<br />

Az.: 1 VK 44/08; B. v. 05.11.2008 - Az.: 1 VK 42/08)<br />

• Referenzen sind eindeutig der Eignung zuzurechnen, also in der zweiten<br />

Wertungsstufe gemäß <strong>§</strong> 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A zu berücksichtigen. In dieser<br />

Wertungsstufe geht es nur darum, festzustellen, ob der Bieter für die Erfüllung der<br />

vertraglichen Verpflichtungen die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit,<br />

Zuverlässigkeit hat. Die Eignung wird also eindeutig am Eigenschaftswort „erforderlich“<br />

festgemacht, ein „Mehr an Eignung“ hat nicht in die Wertung einzufließen. Wissen die<br />

Bewerber bereits mit der Bekanntmachung, dass die Vergabestelle Referenzen als


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Zuschlagskriterium vorsieht und erfolgt eine Rüge erst weit nach dem Termin der<br />

Angebotsabgabe und damit nicht mehr unverzüglich, ist die Rüge präkludiert; die<br />

Wertung hat in der vierten Wertungsstufe mit dem Zuschlagskriterium<br />

„Referenzen“, obwohl nicht zulässig, zu erfolgen (VK Thüringen, B. v. 18.12.2008 -<br />

Az.: 250-4003.20-5944/2008-030-J)<br />

• die Frage, ob nach Maßgabe der insoweit ergangenen Rechtsprechung in den<br />

Verdingungsunterlagen ausreichende Mindestanforderungen für Nebenangebote<br />

angegeben sind, ist in der Regel nicht einfach zu beantworten. Der bloße Umstand,<br />

dass es sich bei einem <strong>Antrag</strong>steller um ein bei Ausschreibungen erfahrenes Unternehmen<br />

handelt, belegt nicht, dass eine (etwaige) Fehlerhaftigkeit der Mindestanforderungen von<br />

ihm erkannt worden ist. Die Rechtsverstöße waren nur unter Aufwendung juristischen<br />

Sachverstandes erkennbar, ohne dass der <strong>Antrag</strong>steller vergaberechtlich gehalten war,<br />

sich solchen Sachverstand durch Zuziehung eines Rechtsanwalts zu verschaffen<br />

(OLG Düsseldorf, B. v. 10.12.2008 - Az.: VII-Verg 51/08)<br />

• ist in der Bekanntmachung ausgeführt, dass der Auftragnehmer die Bestimmungen der<br />

MindestlohnVO einzuhalten habe, drängt sich hieraus nicht der Schluss auf einen<br />

Vergabeverstoß auf, wenn der <strong>Antrag</strong>steller berechtigterweise davon ausgehen darf,<br />

dass er nicht unter die Regelungen der MindestlohnVO fällt und somit auch nicht von<br />

der in der Ausschreibungsbekanntmachung geforderten Einhaltung der MindestlohnVO<br />

betroffen ist. Dies kommt in Betracht, wenn der <strong>Antrag</strong>steller bereits zuvor in einem<br />

Verfahren die Feststellung erwirkt hat, dass die MindestlohnVO rechtswidrig ist.<br />

Aufgrund dieser Tatsachenlage muss der <strong>Antrag</strong>steller die Bekanntmachung nicht<br />

zwangsläufig so verstehen, dass der Auftraggeber ohne Berücksichtigung der ergangenen<br />

Gerichtsentscheidung ausschließlich Angebote von Bietern akzeptieren wird, die die<br />

Bestimmungen der (möglicherweise rechtswidrigen) MindestlohnVO und insbesondere<br />

die daraus resultierende Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns einhalten. Hierzu<br />

bedarf es gerade im Hinblick auf die mögliche Unwirksamkeit der MindestlohnVO einer<br />

unmissverständlichen Klarstellung seitens des Auftraggebers (1. VK Bund, B. v.<br />

16.12.2008 - Az.: VK 1 - 162/08)<br />

• hinsichtlich einer eventuellen Vergaberechtswidrigkeit der Anwendung nur des<br />

Zuschlagskriteriums „Preis“ ist ein Bieter auf Rechtsrat angewiesen. Zwar sprechen<br />

der Wortlaut der nationalen vergaberechtlichen Vorschriften (<strong>§</strong> 97 Abs. 5 <strong>GWB</strong> und<br />

insbesondere <strong>§</strong> 25 Nr. 3 VOL/A) und auch die Empfehlungen des in der Vergabepraxis<br />

weit verbreiteten Vergabehandbuch des Bundes gegen eine Zulässigkeit einer solchen<br />

Beschränkung der Wertungskriterien für die Wirtschaftlichkeit des Angebotes,<br />

andererseits sind Ausschreibungen, deren Wertung allein nach dem niedrigsten Preis<br />

erfolgt, in der Vergabepraxis keine Ausnahmeerscheinungen, was geeignet ist, am<br />

vermeintlich Offensichtlichen zu zweifeln. Tatsächlich geht die<br />

Vergaberechtsrechtsprechung, soweit ersichtlich, einhellig von der Zulässigkeit einer<br />

solchen Beschränkung aus (OLG Naumburg, B. v. 05.12.2008 - Az.: 1 Verg 9/08)<br />

• zwar kann die "Erkennbarkeit" nicht durchweg für jeden Rechtsverstoß angenommen<br />

werden, der mit dem Wortlaut der Bekanntmachung im Zusammenhang steht. Vorliegend<br />

ist jedoch durch bloße Lektüre der Vorschrift aus <strong>§</strong> 18 Nr. 2 VOB/A und der<br />

Bekanntmachung ersichtlich, dass in der Bekanntmachung nicht der Ablauf der<br />

Angebotsfrist durch den Beginn der Öffnungsverhandlung bestimmt wurde, sondern<br />

dass eine Stunde dazwischen gelegt wurde. Die Kenntnis weiterer Umstände, die sich<br />

nicht aus der Bekanntmachung ergeben oder weiteres vergaberechtliches Wissen waren<br />

hierzu nicht erforderlich (VK Düsseldorf, B. v. 21.10.2008 - Az.: VK – 34/2008 – B)<br />

• die Unkenntnis von Eignungsanforderungen aus der Bekanntmachung entbindet<br />

einen Bieter nicht von seinen Rügepflichten und geht letztlich zu seinen Lasten. <strong>§</strong> <strong>107</strong><br />

Abs. 3 Satz 2 <strong>GWB</strong> stellt ausdrücklich auf die Erkennbarkeit etwaiger Verstöße gegen


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Vergaberecht in der Bekanntmachung ab, nicht aber auf die tatsächliche Kenntnis (VK<br />

Lüneburg, B. v. 16.06.2008 - Az.: VgK-21/2008)<br />

• auch wenn bereits aus den Verdingungsunterlagen ohne weiteres hervorgeht, welche<br />

Mindestbedingungen für Nebenangebote gelten, ist es eine durchaus anspruchsvolle<br />

Frage der rechtlichen Würdigung, ob diese den in der Rechtsprechung des<br />

Europäischen Gerichtshofes und der nationalen Nachprüfungsinstanzen<br />

aufgestellten Anforderungen genügen. Insoweit ist die Behauptung eines Bieters, erst<br />

durch den eingeholten Rechtsrat die erforderliche Kenntnis von der rechtlichen<br />

Unzulänglichkeit der aufgestellten Mindestbedingungen erlangt zu haben, nicht<br />

unplausibel (2. VK Bund, B. v. 17.07.2008 - Az.: VK 2 – 67/08)<br />

• wird in der Bekanntmachung nur ganz allgemein auf die Notwendigkeit der Angabe<br />

von Richtleistungen sowie auf die Möglichkeit eines Vergleichs der angegebenen<br />

Richtleistungen mit Standardzeitwerten und einen möglichen Ausschluss<br />

hingewiesen, bietet dieser Inhalt der Bekanntmachung allein keinen Anlass, zu prüfen,<br />

ob in der Ankündigung eines Vergleichs ein Vergaberechtsverstoß liegen könnte, da<br />

anhand des Inhalts der Bekanntmachung nicht zu erkennen war, dass die <strong>Antrag</strong>sgegnerin<br />

eigene Richtleistungen aufgestellt hatte, die sie zum Vergleich heranzog. Es kann auch<br />

ausgeschlossen werden, dass die <strong>Antrag</strong>stellerin mit Vergabesachen so vertraut war, dass<br />

die erforderlichen Rechtskenntnisse von ihr im Zeitpunkt der Bekanntmachung erwartet<br />

werden konnten. Die <strong>Antrag</strong>stellerin mag zwar im Zeitpunkt der Veröffentlichung der<br />

Bekanntmachung über einige Rechtskenntnisse zu <strong>§</strong> 8 VOL/A verfügt haben; sie konnte<br />

aber im Zeitpunkt der Bekanntmachung darauf vertrauen, dass die Verdingungsunterlagen<br />

den Anforderungen des <strong>§</strong> 8 VOL/A genügen würden, mithin die <strong>Antrag</strong>sgegnerin sich<br />

vergaberechtskonform verhält (OLG Düsseldorf, B. v. 27.02.2008 - Az.: VII-Verg 41/07)<br />

• macht ein Bieter geltend, die Vergabebekanntmachung sei insoweit unklar, als Nachweise<br />

„mit der Anforderung“ zu erbringen seien und dies könne zumindest auch dahin<br />

verstanden werden, dass erst „auf Anforderung“ nachzuweisen sei, ist diese Rüge<br />

unzulässig, weil der Bieter sie nicht spätestens mit Ablauf der Angebotsfrist erhoben<br />

hat (<strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 S. 2 <strong>GWB</strong>). Die von ihm beanstandeten Unklarheiten im Text der<br />

Vergabebekanntmachung konnte der Bieter aus diesem Text selbst erkennen. Er kann sich<br />

nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er von der Ausschreibung nicht durch die<br />

Bekanntmachung sondern durch einen "newsletter" erfahren habe. Er hätte sich von der<br />

Bekanntmachung Kenntnis verschaffen müssen (OLG Celle, B. v. 31.07.2008 - Az.: 13<br />

Verg 3/08)<br />

• nur was sich bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt aus der Bekanntmachung<br />

erschließt, begründet die Rügeobliegenheit. In der Bekanntmachung war aber nur ganz<br />

allgemein in Form einer Aufzählung erwähnt, welche Kriterien als<br />

Zuschlagskriterien Anwendung finden sollten (Referenzen, Unternehmensstruktur,<br />

Maschinenpark, Logistik). Dies ließ - bei Anlegung welchen Sorgfaltsmaßstabes auch<br />

immer - einen Vergaberechtsverstoß noch nicht zwingend erkennen. So war der<br />

<strong>Antrag</strong>sgegnerin unbenommen, noch in den Verdingungsunterlagen einen Auftragsbezug<br />

zu den als Zuschlagskriterien genannten unternehmensindividuellen Umständen<br />

herzustellen, mit der Folge, dass dann die festgelegten Zuschlagskriterien vergaberechtlich<br />

möglicherweise nicht zu beanstanden wären (vgl. Absatz 2 der Erläuterungen zu <strong>§</strong> 25 Nr.<br />

3 VOL/A) (OLG Düsseldorf, B. v. 28.04.2008 - Az.: VII - Verg 1/08)<br />

• der bloße Umstand, dass es sich bei der <strong>Antrag</strong>stellerin um ein bei Ausschreibungen in<br />

gewissem Umfang erfahrenes Unternehmen handelt, führt nicht dazu, dass die<br />

Vergaberechtswidrigkeit der Rahmenvereinbarung für Leistungen nach der VOF<br />

von ihr erkannt werden konnte. Die Rechtsverstöße waren nur unter genauer<br />

Auseinandersetzung mit den Vergabekoordinierungsrichtlinien und dem Werdegang<br />

des Vergaberechtsänderungsgesetzes tatsächlich erkennbar, es handelte sich


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

vorliegend mithin um eine nicht einfach zu beurteilende Rechtsfrage. Damit aber war die<br />

Unzulässigkeit der ausgeschriebenen Rahmenvereinbarung nur mit Aufwendung<br />

juristischen Sachverstandes erkennbar, ohne dass die <strong>Antrag</strong>stellerin vergaberechtlich<br />

gehalten gewesen wäre, solchen Sachverstand durch Zuziehung eines Rechtsanwalts zur<br />

Aufklärung über die Erkenntnismöglichkeiten heranzuziehen. Es ist der <strong>Antrag</strong>stellerin<br />

nicht zu widerlegen, dass sie über die erforderlichen rechtlichen Sachverstand nicht<br />

verfügte und der Verstoß für sie infolgedessen nicht zu erkennen war (1. VK Sachsen,<br />

B. v. 25.01.2008 - Az.: 1/SVK/088-07)<br />

• im vorliegenden Fall waren die beiden unterstellten und gerügten Vergabefehler eindeutig<br />

auch für sie aus der Bekanntmachung erkennbar, da in der Bekanntmachung das<br />

Nichtoffene Verfahren sowie die Nichtaufteilung in Lose vorgegeben waren. Die<br />

Nichterkennbarkeit der Bekanntmachung als solcher ist jedoch auf die eingeschränkte<br />

Suche der <strong>Antrag</strong>stellerin nach Ausschreibung im offenen Verfahren zurückzuführen.<br />

Diese hat sie selbst zu vertreten. Fehler in der Auftragssuche, die zu einer verspäteten<br />

Rüge führen eindeutig gehen zu lasten der <strong>Antrag</strong>steller. Ihnen obliegt die<br />

Organisation ihrer Suche. Damit liegt auch hier eine selbstverschuldete Unkenntnis<br />

vor (VK Arnsberg, B. v. 18.01.2008 - Az.: VK 01/08)<br />

• wie sich aus der Referenzliste der <strong>Antrag</strong>stellerin ergibt, ist die <strong>Antrag</strong>stellerin bereits<br />

für zahlreiche öffentliche Auftraggeber tätig geworden und dürfte daher über<br />

Erfahrungen mit öffentlichen Vergabeverfahren verfügen. Darüber hinaus verfügt die<br />

<strong>Antrag</strong>stellerin als Unternehmen mit erheblicher Größe mit mehr als 500<br />

Mitarbeitern und einem Umsatz von ca. 84 Mio. Euro über eine eigene<br />

Rechtsabteilung, so dass die Erkennbarkeit der vorgetragenen Vergaberechtsverstöße<br />

bereits bei Bekanntmachung zu bejahen ist (VK Düsseldorf, B. v. 02.03.2007 - Az.: VK -<br />

05/2007 – L)<br />

• eine fehlende Losaufteilung muss nicht schon aufgrund der Veröffentlichung im Internet<br />

gerügt werden, wenn aus der Ausschreibung zwar hervorgeht, dass keine Losaufteilung<br />

beabsichtigt ist, die genauen Bedingungen der ausgeschriebenen Leistung jedoch nur<br />

in der mit den Verdingungsunterlagen anzufordernden Leistungsbeschreibung<br />

niedergelegt sind. Erst aufgrund der vollständigen Leistungsbeschreibung sind die Bieter<br />

in der Lage, zu beurteilen, ob sie in der Lage sein würden, die Leistung – wie<br />

ausgeschrieben – anbieten zu können (1. VK Bund, B. v. 06.06.2007 - Az.: VK 1 - 38/07;<br />

im Ergebnis ebenso VK Düsseldorf, B. v. 02.03.2007 - Az.: VK - 05/2007 – L)<br />

• der bloße Umstand, dass es sich bei dem <strong>Antrag</strong>steller um ein bei Ausschreibungen<br />

langjährig erfahrenes Unternehmen handele, belegt nicht, dass die Fehlerhaftigkeit<br />

der Vergabebekanntmachung von ihm erkannt werden konnte. Die Rechtsverstöße<br />

waren nur unter Aufwendung juristischen Sachverstandes erkennbar, ohne dass der<br />

<strong>Antrag</strong>steller vergaberechtlich gehalten war, solchen Sachverstand durch Zuziehung eines<br />

Rechtsanwalts zur Aufklärung über die Erkenntnismöglichkeiten heranzuziehen. Es ist<br />

dem <strong>Antrag</strong>steller nicht zu widerlegen, dass er über die erforderlichen rechtlichen<br />

Sachverstand nicht verfügte und der Verstoß für ihn infolgedessen nicht zu erkennen war,<br />

zumal die Frage der Klarheit der Angabe in der Vergabebekanntmachung eine nicht<br />

einfach zu beurteilende Rechtsfrage darstellt (OLG Düsseldorf, B. v. 02.05.2007 - Az.:<br />

VII - Verg 1/07)<br />

• wenn ein Bieter erstmalig mit dem Nachprüfungsantrag geltend macht, durch die<br />

geforderte Berufshaftpflichtversicherung für alle Teilbereiche der geforderten<br />

Leistung eine unerfüllbare Bedingung aufzustellen, ist der Nachprüfungsantrag bereits<br />

unzulässig, da dem Bieter diese Tatsache bereits mit der Vergabebekanntmachung zur<br />

Kenntnis gelangt ist und er diese nicht bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung<br />

benannten Bewerbungsfrist gerügt hat (VK Thüringen, B. v. 16.02.2007 - Az.: 360-<br />

4003.20-402/2007-001-UH)


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

• geht aus der Formulierung der Bekanntmachung zweifelsfrei hervor, dass in der<br />

Bekanntmachung nicht alle maßgeblichen Kriterien mitgeteilt sind, sondern dass in<br />

den Verdingungs- /Ausschreibungsunterlagen weitere für den Zuschlag relevante<br />

Kriterien genannt werden, war bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt dieser behauptete<br />

Vergaberechtsverstoß daher schon aus dem Wortlaut der Bekanntmachung erkennbar.<br />

Diesen Verstoß hat die Beschwerdeführerin nicht innerhalb der Frist zur Abgabe des<br />

Angebots gerügt (OLG Karlsruhe, B. v. 09.03.2007 - Az.: 17 Verg 3/07)<br />

• hat sich ein <strong>Antrag</strong>steller sehr früh im Vergabeverfahren mit der Frage der<br />

Wertbarkeit von Nebenangeboten und den dafür geltenden Mindestvoraussetzungen<br />

auseinandergesetzt, steht fest, dass auf Seiten des <strong>Antrag</strong>steller die Kenntnis von einer<br />

generellen Rügepflicht vor Angebotsabgabe, die Kenntnis der dürftigen<br />

Mindestvorgaben für Nebenangebote, und die Kenntnis der aktuellen<br />

Vergaberechtsrechtsprechung durch entsprechende Kommentare und Datenbanken<br />

vorhanden war, die dazu führen musste, dass der <strong>Antrag</strong>steller im Vorfeld der<br />

Angebotsabgabe eine Rüge hinsichtlich des Fehlens von Mindestanforderungen für<br />

Nebenangebote beim Auftraggeber platziert musste. Will man mehr verlangen, als das<br />

Zusammentreffen dieser drei Umstände, läuft <strong>§</strong> <strong>107</strong> Absatz 3 Satz 2 <strong>GWB</strong> ins Leere (1.<br />

VK Sachsen, B. v. 05.02.2007 - Az.: 1/SVK/125-06)<br />

• die <strong>Antrag</strong>stellerin kann in diesem Zusammenhang auch nicht als unerfahrenes<br />

Unternehmen angesehen werden. Nach ihrer eigenen Darstellung im Teilnahmeantrag ist<br />

sie als Bürovollsortimenter und anerkannter Bürodienstleister u.a. für Unternehmen,<br />

Behörden und öffentliche Einrichtungen tätig und arbeitet aufgrund von Rahmenverträgen<br />

und Ausschreibungen mit Großunternehmen und Behörden in Deutschland zusammen.<br />

Für einen durchschnittlich erfahrenen Marktteilnehmer ergeben sich aus dem Text<br />

der Bekanntmachung Eckdaten, wie etwa die Ausstattung von 140 Arbeitsplätzen mit<br />

Büromöbeln, die dafür sprechen, dass jedenfalls die Schätzung des Auftragswertes bei<br />

Los 2 den Schwellenwert hätte erreichen müssen (1. VK Brandenburg, B. v.<br />

29.05.2006 - Az.: 1 VK 17/06)<br />

• ein Bieter ist mit seinen im Vergabenachprüfungsverfahren behaupteten<br />

Vergabeverstößen präkludiert, wenn er es mangels rechtzeitiger, zu seinen Lasten<br />

gehender Kenntnisnahme von der Ausschreibung versäumt hat, diese Verfahrensverstöße<br />

gegenüber dem Auftraggeber rechtzeitig zu rügen. Die Unkenntnis bzw. nicht<br />

rechtzeitige Kenntnisnahme von der Ausschreibung geht insbesondere dann zu<br />

Lasten des <strong>Antrag</strong>stellers, wenn er nach einer Bekanntmachung im EU-<br />

Bekanntmachungsblatt bzw. in einer einschlägigen Fachzeitschrift Ausschau<br />

gehalten hat, obwohl Vergabekammer und Oberlandesgericht in ihren Entscheidungen im<br />

Zusammenhang mit dem bezüglich der gleichen Auftragsvergabe vorangegangenen<br />

Vergabeverfahren eine derartige Bekanntmachungspflicht des Auftraggebers<br />

ausdrücklich verneint hatten und lediglich eine überregionale deutschland-weite<br />

Bekanntmachung gefordert hatten (3. VK Saarland, B. v. <strong>19.</strong>01.2007 - Az.: 3 VK<br />

05/2006)<br />

• die Annahme, dass bei umfangreichen und nicht einfach zu beurteilenden<br />

Ausschreibungsverfahren vom Bieter zu erkennen und gemäß <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 S. 2 <strong>GWB</strong><br />

auch zu rügen ist, dass die Vergabebekanntmachung z.B. entgegen <strong>§</strong> 17 Nr. 1 Abs. 2<br />

lit. c VOL/A keine zureichenden Angaben über Art und Umfang der Leistung<br />

enthält, ist für praxisfremd zu halten. Bei umfangreichen und vielgestaltigen Aufträgen<br />

muss der Auftraggeber nicht sämtliche Leistungsmerkmale, welche erlauben, die<br />

Bestimmung der Rechtsnatur des Auftrags nachzuvollziehen, in die<br />

Vergabebekanntmachung aufnehmen (OLG Düsseldorf, B. v. 18.10.2006 – Az.: VII –<br />

Verg 35/06)


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

• ein verständiger Bieter kann die vergaberechtliche Abgrenzung zwischen Bau- und<br />

Dienstleistungsverträgen erkennen (2. VK Bund, B. v. 31.07.2006 - Az.: VK 2 - 65/06)<br />

– eine sehr weitgehende Entscheidung -<br />

• die Erkennbarkeit der beanstandeten Vermischung von angebots- und<br />

bieterbezogenen Kriterien für die Erteilung des Zuschlages ist selbst für einen<br />

fachkundigen Bieter aus der Bekanntmachung nicht ohne weiteres gegeben. Dies<br />

ergibt sich insbesondere daraus, dass die zugrunde liegende Rechtsfrage, ob nach<br />

Durchführung eines Teilnahmewettbewerbs Elemente der Eignungsprüfung noch in die<br />

abschließende Wertung einfließen können, nicht eindeutig zu beantworten ist. Nach der<br />

Rechtsprechung ist es einer Vergabestelle in Ausnahmefällen möglich, besondere<br />

Eignungsaspekte, die sich leistungsbezogen auswirken, in der letzten Wertungsstufe zu<br />

berücksichtigen. Selbst ein mit öffentlichen Aufträgen erfahrenes Unternehmen konnte<br />

somit aus der Bekanntmachung einen möglichen Vergabefehler nicht ohne tiefer gehende<br />

Rechtskenntnisse erkennen (2. VK Bund, B. v. 29.03.2006 - Az.: VK 2 - 11/06)<br />

• die Erkennbarkeit der nunmehr beanstandeten Vermengung von<br />

Wirtschaftlichkeits- und Eignungskriterien für die Erteilung des Zuschlages ist für<br />

einen fachkundigen Bieter aus der Vergabebekanntmachung ohne weiteres gegeben (VK<br />

Lüneburg, B. v. 15.11.2005 - Az.: VgK-48/2005)<br />

• es widerspricht jeglicher Lebenserfahrung, dass ein Bieter, der sich wiederholt vor<br />

Vergabekammern und Oberlandesgerichten mit anderen Bietern bzw. Auftraggebern über<br />

den gleichen angeblichen Vergabeverstoß streitet, sich bei der Durchsicht einer neuen<br />

Bekanntmachung nicht sofort von dem für ihn entscheidenden und wichtigen<br />

Sachverhalt Kenntnis verschafft. Eine erst fast 6 Wochen später erhobene Rüge ist<br />

deshalb nicht unverzüglich (VK Baden-Württemberg, B. v. 13.10.2005 - Az.: 1 VK 59/05)<br />

• ist aus der Bekanntmachung ersichtlich, dass eine Vergabestelle von Baukosten unterhalb<br />

der 5 Mio. € Grenze ausgeht und sie deswegen als Kommunalunternehmen an das<br />

Vergaberechtsregime nicht gebunden ist, muss eine Rüge hinsichtlich des Erreichens<br />

des Schwellenwerts spätestens mit Ablauf der Angebotsfrist erfolgen (VK<br />

Nordbayern, B. v. 26.07.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 26/05)<br />

• eine Präklusion einer Rüge zur Zulassung von Nebenangeboten – für das<br />

Vergabeverfahren bis zur Submission – scheidet aus, wenn der <strong>Antrag</strong>steller bis dahin<br />

noch keinen diesbezüglichen Vergabeverstoß erkannt hat. Zwar erlangt ein <strong>Antrag</strong>steller<br />

durch die Übersendung der Verdingungsunterlagen und im Submissionstermin Kenntnis<br />

von der Zulassung von Nebenangeboten und von ihrer möglichen Einbeziehung in die<br />

Angebotswertung. Verbleiben jedoch zumindest Zweifel, ob er zu diesem Zeitpunkt<br />

schon über die notwendige Rechtskenntnis vom Vergabeverstoß verfügt, ist positive<br />

Kenntnis bei dem <strong>Antrag</strong>steller auszuschließen (VK Münster, B. v. 21.12.2005 - Az.:<br />

VK 25/05; VK Brandenburg, B. v. 01.03.2005 - Az.: VK 8/05)<br />

• soweit “Mindestbedingungen” i. S. d. Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 93/37/EWG<br />

(Baukoordinierungsrichtlinie) erforderlich sind und fehlen, ist dies bereits bei<br />

Angebotsabgabe erkennbar und zu rügen. Da dies unterblieben ist, ist der Einwand<br />

präkludiert (OLG Brandenburg, B. v. 13.09.2005 - Az.: Verg W 9/05; Schleswig-<br />

Holsteinisches OLG, B. v. 05.04.2005 - Az.: 6 Verg 1/05; VK Berlin, B. v. 15.02.206 -<br />

Az.: VK - B 1 - 63/05)<br />

• dies gilt nicht, wenn der Auftraggeber den Anschein erweckt, es handele sich um eine<br />

Vergabe, die nach den Regeln des 1. Abschnitts der VOB/A abgewickelt wird und die<br />

Bieter erst durch ein Informationsschreiben nach <strong>§</strong> 13 VgV darauf aufmerksam<br />

werden, dass die Schwellenwerte überschritten sind (VK Nordbayern, B. v. 07.11.2005 -<br />

Az.: 320.VK - 3194 - 35/05)<br />

• da es sich bei der Rechtsauffassung, wonach ein Auftraggeber mangels Angabe von<br />

technischen Mindestbedingungen überhaupt an der Wertung von Nebenangeboten


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

gehindert ist, um eine auch bislang von der Rechtsprechung nicht einheitlich<br />

gehandhabte Rechtsfrage handelt, kann nicht unterstellt werden, dass ein<br />

<strong>Antrag</strong>steller bereits im Zuge der Angebotserstellung bereits positive Kenntnis von<br />

dem nunmehr geltend gemachten, vermeintlichen Vergaberechtsfehler erlangt hatte (VK<br />

Lüneburg, B. v. 20.05.2005 - Az.: VgK-18/2005; im Ergebnis ebenso 1. VK Sachsen, B.<br />

v. 09.01.2006 - Az.: 1/SVK/149-05)<br />

• fordert die Vergabestelle in der Bekanntmachung die Übernahme der Produkthaftung,<br />

ist für den Bieter bereits hieraus ohne weiteres der nach ihrer Auffassung bestehende<br />

Vergaberechtsverstoß ersichtlich, nämlich dass er sich außerstande sieht, lediglich als<br />

Vertreiber der Produkte dieser Forderung zu entsprechen. Hierbei ist auch von<br />

Bedeutung, dass er über hinreichende Erfahrungen hinsichtlich der Teilnahme an<br />

Vergabeverfahren verfügt (2. VK beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, B. v.<br />

11.04.2005 - Az.: VK 2 – LVwA LSA 06/05)<br />

• hat ein Bieter spätestens zum Zeitpunkt der Erarbeitung der eigenen Nebenangebote, also<br />

noch vor der Angebotseröffnung nach Durchsicht der Verdingungsunterlagen die<br />

Kenntnis von den seiner Meinung fehlenden bzw. ungenügenden Mindestbedingungen<br />

für Nebenangebote und erfolgt die Rüge zu fehlenden Mindestbedingungen für<br />

Nebenangebote erst ca. drei Monate nach der Angebotseröffnung, erfolgt die Rüge zu<br />

fehlenden bzw. ungenügenden Mindestbedingungen für Nebenangebote somit nicht mehr<br />

unverzüglich (VK Thüringen, B. v. 28.04.2005, Az.: 360-4002.20-005/05-MGN)<br />

• aus den Verdingungsunterlagen konnten die Bieter, noch vor der Abgabe ihrer Angebote<br />

ohne weiteres schließen und erkennen, wie der Auftraggeber mit Nebenangeboten<br />

umgehen wird. Etwaige Beanstandungen inhaltlicher Art hätten folglich spätestens<br />

bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe gerügt werden müssen (1. VK<br />

Brandenburg, B. v. 24.11.2005 - Az.: 1 VK 69/05; VK Münster, B. v. 10.02.2005 - Az.:<br />

VK 35/04; 1. VK Sachsen, B. v. 24.03.2005 - Az.: 1/SVK/019-05)<br />

• nicht erkennbar und nicht zu rügen war im November 2004 die Unterlassung von<br />

Angaben von Mindestbedingungen für Nebenangebote in der Bekanntmachung bzw.<br />

in den Vergabeunterlagen (1. VK Sachsen, B. v. 11.11.2004 - Az.: 1/SVK/105-04,<br />

1/SVK/106-04, 1/SVK/<strong>107</strong>-04)<br />

• erkennbar und zu rügen sind die die Höhe der Sicherheitsleistung wie auch die<br />

geforderten Bürgschaften (1. VK Sachsen, B. v. 21.07.2004 - Az.: 1/SVK/050-04)<br />

• erkennbar und zu rügen ist die mangelnde losweise Ausschreibung (1. VK Sachsen, B.<br />

v. 17.06.2004 - Az.: 1/SVK/038-04, 1/SVK/038-04G)<br />

• erkennbar und zu rügen ist insbesondere die Wahl der falschen Vergabeart (VK Baden-<br />

Württemberg, B. v. 28.10.2004 - Az.: 1 VK 68/04)<br />

• ein etwaiger Vergaberechtsverstoß in der Wahl des Verhandlungsverfahrens (OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 7.1.2002 - Az.: Verg 36/01)<br />

• ein etwaiger Vergaberechtsverstoß in der Wahl der öffentlichen Ausschreibung statt<br />

des Offenen Verfahrens (VK Baden-Württemberg, B. v. 27.6.2003 - Az.: 1 VK 29/03)<br />

• behauptete Fehlerhaftigkeit einer nicht losweisen Ausschreibung (VK Lüneburg, B. v.<br />

25.2.2004 - Az.: 203-VgK-02/2004; VK Hessen, B. v. 29.5.2002 - Az.: 69 d VK -<br />

15/2002)<br />

• behauptete Fehlerhaftigkeit durch die Forderung nach einer Aufgliederung der<br />

Einheitspreise in Material- und Lohnanteile (2. VK Bund, B. v. <strong>19.</strong>2.2002 - Az.: VK 2<br />

- 02/02)


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

<strong>19.</strong>5.24.7 Spätester Zeitpunkt der Rüge<br />

3159<br />

3160<br />

3160/1<br />

<strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 <strong>GWB</strong> eröffnet eine Rügemöglichkeit bis zum Ablauf der<br />

Angebotsfrist. Aus dem Umstand, dass die Vorschrift den Ablauf der Angebotsfrist als<br />

"spätesten" Zeitpunkt der Rüge vorsieht, kann ebenso wenig ein Verstoß gegen die<br />

Verpflichtung zur unverzüglichen Rüge gesehen werden wie unter dem Aspekt<br />

"Beschleunigungsgebot" oder "vorvertragliche Verpflichtungen". Weder aus dem Zusatz<br />

"spätestens" noch aus der Regelung im übrigen kann auf eine gesetzliche Pflicht zur<br />

sofortigen und intensiven Prüfung des Bekanntmachungsinhaltes auf etwaige<br />

vergaberechtliche Verstöße verbunden mit der Folge einer Präkludierung im Falle des<br />

Verstoßes gegen diese (etwaige) Verpflichtung geschlossen werden (VK Baden-Württemberg,<br />

B. v. 15.1.2003 - Az.: 1 VK 71/02).<br />

Selbst wenn der Bieter die Verstöße schon kurze Zeit nach Kenntnisnahme der<br />

Bekanntmachung positiv erkannt hat, verlangt zumindest der Wortlaut der Vorschrift keine<br />

unverzügliche Rüge. Es wäre allerdings zu überlegen, ob nicht dann die<br />

Unverzüglichkeitsregelung des Satzes 1 oder zumindest der Grundsatz von Treu und<br />

Glauben mit der möglichen Folge der Präkludierung bzw. Verwirkung des Rügerechts greift,<br />

wenn der Bieter die aus der Bekanntmachung erkennbaren Verstöße nachweislich zu einem<br />

schon möglicherweise frühen Zeitpunkt positiv erkannt hat. Denn aus der Bekanntmachung<br />

erkennbare Verstöße gegen Vergabevorschriften, die positiv erkannt werden, könnten als<br />

solche des Satzes 1, d. h. als "erkannte" Verstöße gesehen werden, die unverzüglich zu rügen<br />

sind. Für <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 hat ebenso die Begründung zum Sinn und Zweck der<br />

Rügeobliegenheit zu gelten wie bei Satz 1 Nr. 1, nämlich dem Auftraggeber nach positivem<br />

Erkennen des Verstoßes möglichst schnell die Möglichkeit zu einer Behebung des Mangels zu<br />

geben. Der Bieter hat nach erkanntem (vermeintlichen) Vergabeverstoß alles zu unternehmen,<br />

dass eine schnellstmögliche Korrektur dieses Mangels durch die Vergabestelle erfolgen kann<br />

(VK Baden-Württemberg, B. v. 28.05.2009 - Az.: 1 VK 21/09; VK Hessen, B. v. 2.1.2003 -<br />

Az.: 69d - VK - 55/2002).<br />

Die Bestimmung des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Nr. 2 <strong>GWB</strong> kann nicht erweiternd dahingehend<br />

verstanden werden, dass der Angebotsfrist die für die Anforderung von<br />

Verdingungsunterlagen vorgesehene Frist gleichsteht. Der mit einer solchen Auslegung<br />

verbundenen Einschränkung der Rechtsschutzmöglichkeiten steht der eindeutige Wortlaut der<br />

Norm entgegen (OLG Düsseldorf, B. v. 17.02.2010 - Az.: VII-Verg 42/09).<br />

<strong>19.</strong>5.24.8 Auswirkung der Verlängerung der Angebots- bzw.<br />

Bewerbungsfrist<br />

3161<br />

Die Präklusion eines <strong>Antrag</strong>stellers mit der Rüge eines Verstoßes im Sinne von <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3<br />

Satz 1 Nr. 2 <strong>GWB</strong> knüpft nach dem Wortlaut an die Versäumung der in der Bekanntmachung<br />

benannten Frist zur Angebotsabgabe an. Auch wenn der Gesetzgeber an die Möglichkeit der<br />

Verlängerung dieser Frist nicht gedacht haben mag, ist es weder nach Sinn und Zweck der<br />

Regelung noch unter Berücksichtigung der wohlverstandenen Interessen der<br />

Beschwerdeführerin angezeigt, die Rügemöglichkeit abweichend vom Wortlaut der<br />

Regelung bis zum Ablauf der nachträglich verlängerten Angebotsfrist zu erhalten. An<br />

sich kann von einem durchschnittlichen Interessenten um öffentliche Aufträge, deren Vergabe<br />

in den Anwendungsbereich des 4. Teils des <strong>GWB</strong> fällt, erwartet werden, dass er<br />

diesbezügliche Bekanntmachungen alsbald nach ihrer Veröffentlichung zur Kenntnis nimmt


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

und sich sogleich mit ihnen auseinandersetzt, so dass ein effektiver Bieterschutzes durchaus<br />

auch bei einer deutlich kürzer bemessenen Rügefrist gewahrt wäre. Jedenfalls aber ist es nicht<br />

geboten, die Rügefrist auch noch auszudehnen, wenn sich die Angebotsfrist verschiebt, weil<br />

das Leistungsverzeichnis nicht rechtzeitig erstellt werden kann. Für die Erhebung einer<br />

Beanstandung, die sich auf die Bekanntmachung bezieht, ist der Erhalt weiterer<br />

Ausschreibungsunterlagen gerade nicht erforderlich (KG Berlin, B. v. 11.7.2000 - Az.:<br />

KartVerg 7/00).<br />

3162<br />

Anderer Auffassung ist das OLG Düsseldorf. Eine Rüge ist nicht schon bis zum Ablauf der<br />

ursprünglich festgelegten Angebotseinreichungsfrist zu erheben, wenn es aus Gründen, die<br />

im Bereich des Auftraggebers liegen, zu einer Verlängerung der ursprünglich<br />

festgelegten Angebotseinreichungsfrist gekommen ist. Vor dem Hintergrund, dass die<br />

Vorschrift des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> als eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und<br />

Glauben zu verstehen ist, wäre es dann indes unerträglich, eine Rüge innerhalb der<br />

verlängerten Frist nicht mehr als rechtzeitig gelten zu lassen (OLG Düsseldorf, B. v.<br />

29.04.2009 - Az.: VII-Verg 76/08).<br />

<strong>19.</strong>5.24.9 Vorrang des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 <strong>GWB</strong> gegenüber <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs.<br />

3 Satz 1 Nr. 2 <strong>GWB</strong> bei gleichzeitigem Vorliegen der Voraussetzungen<br />

3163<br />

3163/1<br />

Bereits aus der Vergabebekanntmachung erkennbare Verstöße gegen Vergabevorschriften, die<br />

positiv erkannt wurden, sind immer auch gleichzeitig als „erkannte“ Verstöße im Sinne des <strong>§</strong><br />

<strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 <strong>GWB</strong> zu betrachten und damit unverzüglich zu rügen. Insoweit bedarf<br />

es eines Rückgriffs auf die Erkennbarkeit von Vergabefehlern nicht mehr, wenn bereits<br />

positive Kenntnis vorliegt. Letztlich bedeutet dies, dass bei gleichzeitiger grundsätzlicher<br />

Anwendbarkeit des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 <strong>GWB</strong> die Nr. 1 vorgeht. Dies<br />

entspricht auch dem Sinn und Zweck der Rügeobliegenheit, nämlich einer schnellstmöglichen<br />

Korrektur vermeintlicher Vergabefehler (VK Schleswig-Holstein, B. v. 03.12.2008 - Az.:<br />

VK-SH 12/08; B. v. 05.10.2005 - Az.: VK-SH 23/05).<br />

<strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Nr. 2 <strong>GWB</strong> und <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Nr. 3 enthalten eigenständige, gegenüber der<br />

Präklusionsregel des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Nr. 1 <strong>GWB</strong> nachrangige Präklusionsregeln für den<br />

Fall, dass ein Bieter einen vermeintlichen Vergaberechtsverstoß zwar nicht positiv erkannt<br />

hat, der entsprechende Verstoß aber aufgrund der Bekanntmachung oder in den<br />

Vergabeunterlagen erkennbar war. Die vorrangig zu beachtende Rügepflicht bei positiver<br />

Kenntnisnahme von einem vermeintlichen Vergaberechtsverstoß gemäß <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Nr.<br />

1 entfällt nicht dadurch, dass der Bieter gemäß <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Nr. 2 <strong>GWB</strong> oder <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3<br />

Nr. 3 <strong>GWB</strong> Verstöße zumindest noch innerhalb der Frist zur Angebotsabgabe oder zur<br />

Bewerbung gerügt hat (VK Niedersachsen, B. v. 15.01.2010 - Az.: VgK-74/2009).<br />

<strong>19.</strong>5.24.10 Literatur<br />

3164<br />

• Erdl, Cornelia, Rügefrist ein Tag - das Ende des effektiven Rechtsschutzes -<br />

Zugleich Anmerkung zum Beschluss des OLG München vom 13.4.2007 - Verg<br />

01/07 - VergabeR 2007, 546


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

<strong>19.</strong>5.25 Verstöße gegen Vergabebestimmungen, die erst in den<br />

Vergabeunterlagen erkennbar sind und fehlende Rüge spätestens bis<br />

Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur<br />

Angebotsabgabe oder zur Bewerbung (<strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 3)<br />

<strong>19.</strong>5.25.1 Vergaberechtsmodernisierungsgesetz 2009<br />

3165<br />

Mit dem Vergaberechtsmodernisierungsgesetz 2009 ist diese Präklusionsvorschrift des <strong>§</strong><br />

<strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 neu in <strong>§</strong> <strong>107</strong> <strong>GWB</strong> aufgenommen worden. Die Rechtsprechung<br />

hatte sich aber bereits vorher mit diesem Thema befasst; sie kann im Wesentlichen weiter<br />

verwendet werden.<br />

<strong>19.</strong>5.25.2 Rechtsprechung<br />

<strong>19.</strong>5.25.2.1 Vereinbarkeit mit der Rechtsmittelrichtlinie<br />

3165/1<br />

Die Präklusion von nicht innerhalb der Angebotsfrist gerügten, anhand der<br />

Verdingungsunterlagen erkennbaren Vergaberechtsverstößen ist mit Art. 1 Abs. 4 der<br />

Rechtsmittelrichtlinie 2007/66/EG vereinbar. Soweit danach den Mitgliedstaaten die<br />

Möglichkeit eingeräumt wird, zu verlangen, dass die Person, die ein Nachprüfungsverfahren<br />

anzustrengen beabsichtigt, den öffentlichen Auftraggeber über den behaupteten Verstoß und<br />

die beabsichtigte Nachprüfung unterrichtet, folgt hieraus nicht, dass eine solche<br />

Obliegenheit nur für positiv erkannte Verstöße begründet werden darf. Zwar trifft es zu,<br />

dass der Bieter einen Verstoß erst einmal erkannt haben muss, bevor er ihn „behaupten“ kann.<br />

Es geht jedoch zu weit, aus einem wörtlichen Verständnis dieser Formulierung zu folgern, die<br />

Unterrichtungspflicht setze eine solche „Behauptung“ (und damit die Kenntnis vom Verstoß)<br />

voraus. Nähme man dies an, so wäre die Unterrichtung erkennbar sinnlos, denn von einem<br />

Verstoß, den der Bieter dem Auftraggeber (wem sonst) gegenüber bereits behauptet hat,<br />

braucht er ihn nicht mehr zu unterrichten. Mit dem „behaupteten“ Verstoß dürfte daher<br />

schlichtweg derjenige Verstoß gemeint sein, auf den der Bieter einen Nachprüfungsantrag zu<br />

stützen gedenkt und den er im Zeitpunkt einer solchen Planung selbstverständlich erkannt hat.<br />

Die Vorschrift besagt demnach lediglich, dass eine Regelung zulässig ist, wonach die<br />

Bieter den Auftraggeber von Verstößen, auf die ein Nachprüfungsverfahren gestützt<br />

werden soll, zuvor unterrichtet haben müssen. Dazu, bis wann dies geschehen sein muss<br />

(etwa bis zum Ende der Angebotsfrist) und woran die Unterrichtungspflicht geknüpft werden<br />

darf (an eine positive Kenntnis oder die bloße Erkennbarkeit des Verstoßes), macht Art. 1<br />

Abs. 4 der Richtlinie keine verbindlichen Vorgaben. Nach dieser Sichtweise ergibt sich aus<br />

dem Wortlaut der Richtlinie kein entscheidendes Argument gegen die Regelung des <strong>§</strong> <strong>107</strong><br />

Abs. 3 S. 1 Nr. 3 <strong>GWB</strong>. Eine Obliegenheit, den Auftraggeber bereits zu einem frühen<br />

Zeitpunkt – noch vor Ende der Angebotsfrist – über den nunmehr den Gegenstand eines<br />

geplanten Nachprüfungsantrages bildenden Verstoß zu unterrichten, kann durchaus<br />

sinnvoll an die bloße Erkennbarkeit des Verstoßes anknüpfen. Hat der Bieter den Verstoß<br />

vorwerfbar nicht erkannt und deshalb seiner Unterrichtungspflicht nicht genügt, so kann<br />

hieraus die Präklusion folgen. Das mit <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 S. 1 Nr. 3 <strong>GWB</strong> verfolgte Anliegen, auf<br />

die Bieter einen gewissen Druck auszuüben, etwaige Vergaberechtsverstöße frühzeitig<br />

zu prüfen und zu rügen, erscheint mit der Richtlinie grundsätzlich durchaus vereinbar.


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Dieses Ergebnis steht auch in Einklang mit der herrschenden Auffassung zu <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 S. 2<br />

<strong>GWB</strong> a.F., dem <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 S. 1 Nr. 2 <strong>GWB</strong> n.F. entspricht. Denn die europarechtlichen<br />

Bedenken gegen Präklusionsvorschriften, die an eine bloße Erkennbarkeit des<br />

Vergabeverstoßes anknüpfen, müssten in gleicher Weise dann durchgreifen, wenn die<br />

Erkennbarkeit sich nicht aus den Verdingungsunterlagen, sondern aus der Bekanntmachung<br />

ergibt. Gleichwohl wurde <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 S. 2 <strong>GWB</strong> a.F. trotz einiger kritischer Stimmen in der<br />

Literatur durch die Rechtsprechung – soweit ersichtlich – bislang nicht als europarechtswidrig<br />

beanstandet (2. VK Bund, B. v. 22.12.2009 - Az.: VK 2 – 204/09).<br />

3165/2<br />

Die Anwendung der dem europäischen Recht nicht zuwiderlaufenden Ausschlussregelung<br />

darf den Zugang zu den Nachprüfungsorganen zwar nicht unangemessen erschweren<br />

oder faktisch unmöglich machen. Dieser Gefahr kann indes sachgerecht durch die<br />

Bildung eines angemessenen Maßstabes für die Erkennbarkeit begegnet werden.<br />

Erkennbar ist demnach das, was sich bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt aus den<br />

Verdingungsunterlagen erschließt, wobei der Vergabefehler sowohl in tatsächlicher als auch<br />

in rechtlicher Hinsicht erkennbar gewesen sein muss (2. VK Bund, B. v. 22.12.2009 - Az.:<br />

VK 2 – 204/09).<br />

<strong>19.</strong>5.25.2.2 Maßstab der Erkennbarkeit<br />

3165/3<br />

Vgl. dazu die Kommentierung zu <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 RZ 3135.<br />

<strong>19.</strong>5.25.2.3 Prüfungs- und Aufklärungsverpflichtung des Bieters<br />

3166<br />

3167<br />

3168<br />

Von einem sachkundigen Bieter ist zu erwarten, dass er innerhalb einer, höchstens aber<br />

2 Wochen nach Eingang der Unterlagen diese auf Verständlichkeit und Vollständigkeit<br />

geprüft hat. Vermeintliche Ungereimtheiten in der Leistungsbeschreibung, wozu z.B. auch<br />

die Aufnahme der Wartungskosten als Bedarfsposition gehört, dürfen nicht einfach<br />

hingenommen werden. Vielmehr muss der Bieter sich aus den Verdingungsunterlagen<br />

ergebende Zweifelsfragen vor Abgabe seines Angebotes klären, notfalls auch durch<br />

Hinzuziehung rechtlichen Beistandes. Er hat Erkundigungen einzuholen und ggf. den<br />

öffentlichen Auftraggeber aufzufordern, notwendige Konkretisierungen vorzunehmen. Diese<br />

Verpflichtung der Kontaktaufnahme zur Vergabestelle bei Ungereimtheiten in den<br />

Verdingungsunterlagen ist zwingend geboten, da nur so etwaige Unklarheiten unmittelbar<br />

aufgeklärt und korrigiert werden können (OLG Rostock, B. v. 06.03.2009 - Az.: 17 Verg<br />

1/09; Schleswig-Holsteinisches OLG, B. v. 30.06.2005 - Az.: 6 Verg 5/05; 1. VK<br />

Brandenburg, B. v. 22.02.2008 - Az.: VK 3/08; B. v. 07.11.2007 - Az.: VK 42/07; B. v.<br />

18.06.2007 - Az.: 1 VK 20/07; B. v. 13.03.2007 - Az.: 1 VK 7/07; 2. VK Bund, B. v.<br />

30.05.2008 - Az.: VK 2 – 55/08; 3. VK Saarland, B. v. 30.11.2007 - Az.: 1 VK 05/2007; 1.<br />

VK Sachsen, B. v. 30.04.2008 - Az.: 1/SVK/020-08; B. v. 24.04.2008 - Az.: 1/SVK/015-08;<br />

VK Schleswig-Holstein, B. v. 17.09.2008 - Az.: VK-SH 10/08; B. v. 12.07.2005 - Az.: VK-<br />

SH 14/05; VK Thüringen, B. v. 21.04.2008 - Az.: 360-4002.20-772/2008-001-SM).<br />

Dies gilt auch für die Kenntnis der Zuschlagskriterien, deren Gewichtung und die<br />

beabsichtigte Art der Punkteverteilung (OLG Naumburg, B. v. 13.05.2008 - Az.: 1 Verg<br />

3/08).<br />

Dies gilt auch, wenn es für den Bieter unklar ist, auf welche Elemente einer Position sich<br />

die geforderte Fabrikats- oder Typenabfrage bezieht oder wenn der Bieter der


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Auffassung ist, es gibt kein Fabrikat, das man dort eintragen kann oder dass<br />

ausgeschriebene Leistungen zum Teil technisch nicht durchführbar sind (2. VK Bund, B.<br />

v. 30.05.2008 - Az.: VK 2 – 55/08).<br />

3169<br />

Ein Bieter, der einen als möglich erkannten Verstoß gegen <strong>§</strong> 9 Nr. 1/Nr. 2 VOB/A in einem<br />

Begleitschreiben zu seinem Angebot rügt, ohne den Auftraggeber vor Angebotsöffnung auf<br />

den als möglich erkannten Fehler aufmerksam zu machen, hat keine unverzügliche Rüge<br />

abgegeben (VK Brandenburg, B. v. 14.7.2003 - Az.: VK 40/03; 1. VK Bund, B. v. 7.1.2004 -<br />

Az.: VK 2 - 137/03; VK Hessen, B. v. 25.08.2004 - Az.: 69 d - VK – 52/2004).<br />

<strong>19.</strong>5.25.2.4 Notwendigkeit der Rüge spätestens bis Ablauf der in der<br />

Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe oder zur Bewerbung<br />

<strong>19.</strong>5.25.2.4.1 Vergaberechtsmodernisierungsgesetz 2009<br />

3170<br />

Der Gesetzgeber hat in <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 <strong>GWB</strong> die Frist für eine Rüge bei Verstößen<br />

gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, auf spätestens<br />

den Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe oder zur<br />

Bewerbung festgesetzt. Damit ist die Rechtsprechung, die eine noch frühere Rüge<br />

forderte, gegenstandslos.<br />

<strong>19.</strong>5.25.2.4.2 Korrigierende Auslegung hinsichtlich des Zeitpunkts<br />

3170/1<br />

Nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Nr. 3 <strong>GWB</strong> ist der <strong>Antrag</strong> unzulässig, wenn Verstöße gegen<br />

Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis<br />

zum Ablauf der in der Bekanntmachung genannten Frist zur Angebotsabgabe oder zur<br />

Bewerbung gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Dabei kann bei einem<br />

Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb nicht auf den<br />

reinen Wortlaut dieser Norm abgestellt werden. Diese Norm ist nach ihrem Sinn und<br />

Zweck dahingehend auszulegen, dass im Falle einer freihändigen Vergabe mit<br />

vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb maßgeblich die Frist zur Angebotsabgabe ist, die<br />

in den Vergabeunterlagen benannt ist (VK Schleswig-Holstein, B. v. 22.01.2010 - Az.: VK-<br />

SH 26/09).<br />

<strong>19.</strong>5.25.2.4.3 Allgemeine Rechtsprechung<br />

3171<br />

3172<br />

Ist einem Bieter aus den Verdingungsunterlagen bekannt, dass beim streitgegenständlichen<br />

Vergabeverfahren die VOB mit ihrer Eigenleistungsverpflichtung als Vergabe- und<br />

Vertragsgrundlage zugrunde gelegt wird, hat er sich mit der Abgabe seines Angebots<br />

darauf eingelassen, eine dagegen gerichtete Rüge erst nach Bekanntgabe des<br />

Submissionsergebnisses ist damit unzulässig (VK Nordbayern, B. v. 01.02.2005 - Az.:<br />

320.VK - 3194 - 56/04).<br />

Die Rügeobliegenheit im Sinn des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 <strong>GWB</strong> setzt für die Inhalte aus<br />

den Verdingungsunterlagen/Leistungsbeschreibung bereits mit deren Erhalt ein und endet<br />

spätestens mit der Angebotsabgabe bzw. mit dem Ende der Angebotsfrist (VK<br />

Thüringen, B. v. 27.03.2008 - Az.: 360-4003.20-641/2008-002-UH).


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

3173<br />

3174<br />

3175<br />

3176<br />

3176/1<br />

3176/2<br />

3176/3<br />

3176/4<br />

Ein erfahrenes Unternehmen hinsichtlich Ausschreibungen z.B. von Schulbüchern erkennt<br />

bereits bei Bearbeitung der Verdingungsunterlagen einen etwaigen Verstoß gegen<br />

Vergabevorschriften, z.B. gegen die Vorschriften des Buchpreisbindungsgesetzes. Eine<br />

Rüge erst nach Erhalt der Mitteilung nach <strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong> erfolgt nicht mehr ohne<br />

schuldhaftes Zögern und damit nicht unverzüglich (VK Nordbayern, B. v. 29.12.2005 -<br />

Az.: 320.VK - 3194 – 40/05).<br />

Für die Beanstandung eines Bieters, ihm würden mit den Vergabeunterlagen Angaben<br />

abverlangt, die objektiv nicht möglich und deshalb vergaberechtswidrig seien, beginnt<br />

die Rügefrist des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 <strong>GWB</strong> spätestens mit dem Beginn der<br />

Ausarbeitung des eigenen Angebots, weil der Bieter jedenfalls zu diesem Zeitpunkt den aus<br />

seiner Sicht rügebedürftigen Inhalt der Ausschreibung festgestellt hat und ihn dann gegenüber<br />

dem Auftraggeber nicht mehr unbeanstandet lassen darf (OLG Dresden, B. v. 11.09.2006 -<br />

Az.: WVerg 13/06).<br />

Erkennt ein Bieter Widersprüche in den Bewerbungsbedingungen bei der Bearbeitung des<br />

Angebots, ist er verpflichtet, diese Widersprüche spätestens bei Angebotsabgabe zu rügen<br />

(VK Thüringen, B. v. 11.01.2007 - Az.: 360-4002.20-024/06-HIG).<br />

Trägt ein Bieter vor, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Bieter seien keine<br />

zulässigen Zuschlagskriterien und bei der funktionalen und ästhetischen Qualität der<br />

Textilien sei nicht erkennbar, worauf sich der Auftraggeber dabei stützt, muss er diese<br />

vermeintlichen Fehler spätestens bis zur Abgabe seines Angebotes rügen (1. VK<br />

Brandenburg, B. v. 13.03.2007 - Az.: 1 VK 7/07).<br />

Die rechtliche Auffassung, dass die Durchführung einer Teststellung erforderlich ist,<br />

setzt jedoch – unabhängig davon, ob ihr zu folgen ist – vergaberechtliche Spezialkenntnisse<br />

voraus, die einem durchschnittlichen Bieter nicht abverlangt werden können (2. VK<br />

Bund, B. v. 22.12.2009 - Az.: VK 2 – 204/09).<br />

Die Auffassung, dass die Punkteskala in den Verdingungsunterlagen nicht genannt<br />

worden sei und die Wertungsmatrix einer weiteren Untergliederung bedürfe, setzt<br />

überdurchschnittliche vergaberechtliche Kenntnisse eines Bieters voraus; eine<br />

Erkennbarkeit des nunmehr behaupteten Vergaberechtsverstoßes bereits anhand der<br />

Verdingungsunterlagen kann deshalb nicht bejaht werden (2. VK Bund, B. v. 22.12.2009 -<br />

Az.: VK 2 – 204/09).<br />

Bei der Frage, ob angefragte Optionen in die Bewertung einfließen müssen, handelt es<br />

sich um eine schwierige, umstrittene Rechtsfrage, deren Kenntnis bei einem<br />

durchschnittlichen Bieter nicht vorausgesetzt werden kann (2. VK Bund, B. v. 22.12.2009<br />

- Az.: VK 2 – 204/09).<br />

Dass die Regelung bezüglich formal fehlerhafter oder unvollständiger Angebote<br />

unzureichend sein könnte, wenn dem Auftraggeber nach dem Wortlaut der Formulierung<br />

noch ein Ermessen bezüglich des Ausschlusses zusteht, stellt eine juristische Subtilität<br />

dar, mit der ein <strong>Antrag</strong>steller nicht nach <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 S. 1 Nr. 3 <strong>GWB</strong> präkludiert ist (2. VK<br />

Bund, B. v. 22.12.2009 - Az.: VK 2 – 204/09).<br />

3176/5


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Kommt es erst nach Wertung der Vergabestelle zu einer unterschiedlichen Auslegung<br />

der Vergabeunterlagen, gilt <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Nr. 1 <strong>GWB</strong> und nicht etwa <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Nr. 3<br />

<strong>GWB</strong> (VK Münster, B. v. 14.01.2010 - Az.: VK 26/09).<br />

<strong>19.</strong>5.25.2.4.4 Unverzüglichkeit bei behaupteter nicht produktneutraler<br />

Ausschreibung<br />

3177<br />

3178<br />

Die überwiegende Rechtsprechung hielt in der Vergangenheit eine Rüge der nicht<br />

produktneutralen Ausschreibung bereits für präkludiert, wenn der Bieter nicht schon bei<br />

Erstellung des Angebots und der damit verbundenen Befassung mit dem<br />

Leistungsverzeichnis rügte. Diese Rechtsprechung ist mit <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 <strong>GWB</strong><br />

nicht vereinbar.<br />

Die VK Südbayern hingegen gibt auch nach altem Recht dem Bieter je nach Einzelfall die<br />

Gelegenheit, bis spätestens bei der Angebotsabgabe eine eventuelle nicht produktneutrale<br />

Ausschreibung zu rügen (VK Südbayern, B. v. 21.07.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-23-06/08; B. v.<br />

<strong>19.</strong>06.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-18-05/07).<br />

<strong>19.</strong>5.25.2.4.5 Unverzüglichkeit bei fehlender Benennung von Mindestbedingungen<br />

für Nebenangebote<br />

3178/0<br />

3178/0,2<br />

Ein Verstoß gegen die nach <strong>§</strong> 10a lit. f. VOB/A (in der hier maßgeblichen Fassung von 2006)<br />

geforderte Benennung von Mindestbedingungen für Nebenangebote kann auch aus den<br />

Verdingungsunterlagen erkennbar sein. Die bei üblicher Sorgfalt und den üblichen<br />

Kenntnissen mögliche Erkennbarkeit muss sich auf die den Verstoß begründenden Tatsachen<br />

und auf deren rechtliche Beurteilung beziehen. Die in Rechtsprechung und Literatur<br />

umstrittene Frage, ob der Vergaberechtsverstoß für einen Durchschnittsanbieter oder für den<br />

konkreten <strong>Antrag</strong>steller erkennbar sein muss, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.<br />

Unabhängig davon, ob man auf die Kenntnisse eines Durchschnittsanbieters oder der - in<br />

Vergabesachen erfahrenen - <strong>Antrag</strong>stellerin abstellt, ergibt sich, dass aus den<br />

Verdingungsunterlagen ersichtlich war, dass die <strong>Antrag</strong>sgegnerin keine Mindestbedingungen<br />

für Nebenangebote festgelegt hatte. Dass ein völliges Absehen von technischen<br />

Mindestbedingungen für die Wertbarkeit der Nebenangebote nach der Entscheidung des<br />

EuGH vom 16. Oktober 2003 nicht den Vorgaben des Art. 24 Abs. 3 der<br />

Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates<br />

vom 31. März 2004 (VKR) und mithin des <strong>§</strong> 10 a lit. f VOB/A Rechnung trägt, war für die<br />

<strong>Antrag</strong>stellerin sowohl gemessen an den Anforderungen eines durchschnittlichen Bieters<br />

als auch an ihren individuellen Kenntnissen unter der Beachtung der üblichen Sorgfalt<br />

erkennbar. Dazu ist festzustellen, dass die vor der anwaltlichen Beratung von der<br />

<strong>Antrag</strong>stellerin selbst verfassten Rügeschreiben eine Vielzahl von vergaberechtlichen<br />

Entscheidungen zur argumentativen Untermauerung ihrer Rechtsauffassung aufweisen.<br />

Damit belegt die <strong>Antrag</strong>stellerin, dass sie über mindestens durchschnittliche Kenntnisse<br />

im Vergaberecht verfügt (OLG Celle, B. v. 11.02.2010 - Az.: 13 Verg 16/09).<br />

Die Präklusion der Rüge der fehlenden Mindestanforderungen für Nebenangebote (<strong>§</strong><br />

10a lit. f. VOB/A 2006) gemäß <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> erfasst auch deren Wertbarkeit. Die<br />

mangelnde Zuschlagsfähigkeit von Nebenangeboten, für die keine Mindestbedingungen<br />

benannt wurden, ist die zwangsläufige Folge des zuvor begangenen Vergaberechtsverstoßes<br />

in Form der unterbliebenen Festlegung und Bekanntgabe von Mindestbedingungen, den der


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

<strong>Antrag</strong>steller gemäß <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> nicht mehr in zulässiger Weise zur Nachprüfung<br />

stellen kann (OLG Celle, B. v. 11.02.2010 - Az.: 13 Verg 16/09).<br />

<strong>19.</strong>5.25.2.4.6 Auswirkungen einer Verlängerung der Angebotsabgabefrist<br />

3178/1<br />

3178/2<br />

3178/3<br />

Eine Verlängerung der Angebotsabgabefrist ist im Hinblick auf die zeitliche Rügepflicht<br />

im Sinne des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Nr. 3 <strong>GWB</strong> nicht von Bedeutung. Der Gesetzgeber hat diese<br />

Rügepflicht im Hinblick auf Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den<br />

Vergabeunterlagen erkennbar sind, ausdrücklich auf den Ablauf der in der Bekanntmachung<br />

genannten Frist zur Angebotsabgabe bezogen. Während noch im Gesetzentwurf lediglich auf<br />

den Ablauf der Angebotsfrist Bezug genommen worden war, ist der Wortlaut des<br />

beschlossenen Gesetzes um die Konkretisierung erweitert worden, dass es sich dabei um<br />

die in der Bekanntmachung benannte Angebotsabgabefrist handelt. Damit ist ein<br />

eindeutiger Bezugszeitpunkt gesetzt worden, bis zu dessen Eintritt ein Bieter zur<br />

Vermeidung eines Präklusionseinwandes gegenüber dem Auftraggeber Verstöße gegen<br />

Vergabevorschriften, die aus den Vergabeunterlagen erkennbar werden, zu rügen hat (VK<br />

Hessen, B. v. 17.08.2009 - Az.: 69 d VK – 25/2009).<br />

Auch die Ansicht, die Voraussetzungen des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Nr. 3 <strong>GWB</strong> sind bereits deshalb<br />

erfüllt, weil der Auftraggeber im Hinblick auf die Verlängerung der Angebotsfrist diese<br />

Änderung erneut europaweit hätte bekannt machen müssen, findet keine rechtliche<br />

Grundlage. Die Bekanntmachung – im Sinne des <strong>§</strong> 17 Nr. 1 VOL/A - stellt einen Aufruf an<br />

potentiell interessierte Auftragnehmer dar, die Verdingungsunterlagen beim Auftraggeber<br />

abzurufen: Um zu diesem Zeitpunkt entscheiden zu können, ob ein Angebot im Hinblick auf<br />

die zur Verfügung stehenden Kapazitäten auf Seiten eines potentiellen Bieters sinnvoll<br />

erscheint, soll in der Bekanntmachung auch der Ablauf der Angebotsfrist benannt sein. Damit<br />

erschöpfen sich der Inhalt und die Reichweite einer solchen Bekanntmachung. Werden die<br />

Verdingungsunterlagen abgefordert, soll auch darin der Ablauf der Angebotsfrist gemäß <strong>§</strong> 17<br />

Nr. 3 VOL/A enthalten sein. Ändert sich im Verlaufe der Angebotsbearbeitung die für die<br />

Bearbeitung und Abgabe der Angebote vorgesehene Frist, kann dies auf den Inhalt der<br />

Bekanntmachung nicht mehr zurück wirken. Zwar wäre es denkbar, zu regeln, dass eine<br />

solche Fristenverlängerung einer erneuten allgemeinen, an alle potentiellen Bewerber<br />

gerichteten Bekanntmachung zugänglich gemacht wird und dadurch ein weiterer<br />

Bewerberkreis angesprochen würde. Der Wortlaut der <strong>§</strong><strong>§</strong> 17, 17a VOL/A gibt dies aber<br />

gerade nicht her. Eine Änderung der Angebotsfrist betrifft vielmehr ausschließlich<br />

diejenigen Bieter, welche aufgrund der Bekanntmachung die Angebotsunterlagen angefordert<br />

haben und als Bieter eines begonnenen Angebotsverfahrens im Hinblick auf die Bearbeitung<br />

der Vergabeunterlagen von einer solchen Änderung betroffen sind (VK Hessen, B. v.<br />

17.08.2009 - Az.: 69 d VK – 25/2009).<br />

Auch der Einwand, dass nationale Ausschlussfristen nicht die Ausübung der Rechte, die dem<br />

Betroffenen nach dem Gemeinschaftsrecht zuständen, praktisch unmöglich machen oder<br />

übermäßig erschweren dürfen, die Anwendung des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Nr. 3 <strong>GWB</strong> vorliegend aber<br />

dazu führe, dass einem Bieter die Durchsetzung seiner Rechte praktisch unmöglich gemacht<br />

werde und dies mit dem sich aus der Richtlinie 89/665 ergebenden Effektivitätsgebot zur<br />

Nachprüfung von Vergabeverfahren nicht vereinbar sei, trägt nicht. Eine das<br />

Primärrechtsschutzverfahren betreffende nationale Regelung, nach der die Nachprüfung einer<br />

Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers binnen einer bestimmten Frist beantragt werden<br />

muss, wobei sämtliche Mängel des Vergabeverfahrens, auf die der <strong>Antrag</strong> gestützt wird,<br />

innerhalb dieser Ausschlussfrist gerügt werden müssen, so dass bei Versäumnis der Frist


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

weder die betreffende Entscheidung angefochten noch ein solcher Mangel geltend gemacht<br />

werden kann, steht der vorgenannten Richtlinie nicht entgegen, wenn die Frist angemessen ist.<br />

Begrenzt wird eine solche innerstaatliche Regelung nämlich ausschließlich dadurch,<br />

dass sie die Rechtsausübung des Betroffenen, also die Geltendmachung des<br />

Primärrechtsschutzes, praktisch nicht unmöglich machen oder übermäßig erschweren<br />

darf. Die in <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Nr. 3 <strong>GWB</strong> festgeschriebene Ausschlussfrist für die zu<br />

erhebende Rüge führt aber nicht dazu, dass die Ausübung der Rechte eines<br />

<strong>Antrag</strong>stellers praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert worden ist (VK<br />

Hessen, B. v. 17.08.2009 - Az.: 69 d VK – 25/2009).<br />

3178/4<br />

Anderer Auffassung – ohne nähere Begründung – ist die VK Schleswig-Holstein. Nach <strong>§</strong><br />

<strong>107</strong> Abs. 3 Nr. 3 <strong>GWB</strong> ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, wenn (vermeintliche) Verstöße<br />

gegen Vergabevorschriften, die in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis<br />

zum Ablauf der in der Bekanntmachung genannten Frist zur Angebotsabgabe oder zur<br />

Bewerbung gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Wird die Angebotsfrist<br />

verlängert, so ist auf dieses Datum abzustellen (VK Schleswig-Holstein, B. v. 11.02.2010 -<br />

Az.: VK-SH 29/09).<br />

<strong>19.</strong>5.26 Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung der<br />

Rügeobliegenheit<br />

3179<br />

3180<br />

Für die Erfüllung der Rügeobliegenheit ist der jeweilige <strong>Antrag</strong>steller darlegungs- (<strong>§</strong> 108<br />

Abs. 2 <strong>GWB</strong>) und beweispflichtig (VK Rheinland-Pfalz, B. v. 14.5.2002 - Az.: VK 11/02).<br />

Bleibt auch unter Einbeziehung der möglichen Erkenntnisquellen offen, ob es sich um eine<br />

Rüge gehandelt hat, geht dies zu Lasten des Rügepflichtigen, d. h. des <strong>Antrag</strong>sstellers (VK<br />

Hessen, B. v. 26.3.2003 - Az.: 69 d VK - 13/2003).<br />

<strong>19.</strong>5.27 Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu<br />

wollen und zeitliche Präklusion eines Nachprüfungsantrags (<strong>§</strong> <strong>107</strong><br />

Abs. 3 Satz 1 Nr. 4)<br />

<strong>19.</strong>5.27.1 Vergaberechtsmodernisierungsgesetz 2009<br />

3181<br />

Mit dem Vergaberechtsmodernisierungsgesetz 2009 ist diese Präklusionsvorschrift des <strong>§</strong><br />

<strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 neu in <strong>§</strong> <strong>107</strong> <strong>GWB</strong> aufgenommen worden. Danach ist ein<br />

Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der<br />

Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind und<br />

innerhalb dieser Frist kein Nachprüfungsantrag gestellt worden ist.<br />

<strong>19.</strong>5.27.2 Echte Rechtsbehelfsfrist<br />

3181/1<br />

Die Tatbestandsalternative des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 stellt eine als zukünftig dringend<br />

zu beachtende <strong>Antrag</strong>s- bzw. Ausschlussfrist für Vergabenachprüfungsanträge dar, die<br />

als echte Rechtsbehelfsfrist aufzufassen ist (OLG Celle, B. v. 04.03.2010 – Az.: 13 Verg


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

1/10; OLG Düsseldorf, B. v. 09.12.2009 - Az.: VII-Verg 37/09; VK Südbayern, B. v.<br />

05.02.2010 - Az.: Z3-3-3194-1-66-12/09).<br />

3181/2<br />

3181/3<br />

Zwar ist <strong>§</strong> <strong>107</strong> Absatz 3 Satz 1 Nr. 4 <strong>GWB</strong> zunächst nur als materielle<br />

Präklusionsvorschrift ausgestaltet, so dass bei isolierter Betrachtung ein<br />

Nachprüfungsantrag an sich weiterhin fristungebunden eingereicht werden kann und lediglich<br />

die Berufung auf den einen, der Rüge zugrunde liegenden Sachverhalt präkludiert ist.<br />

Allerdings muss im Regelfall dem Nachprüfungsantrag eine Rüge hinsichtlich des<br />

unterstellten Vergaberechtsverstoßes vorausgehen. Ebenso wird auch im Regelfall dieser<br />

Rüge nicht abgeholfen worden sein, anderenfalls ein Nachprüfungsantrag entbehrlich wäre.<br />

Daher ist die durch <strong>§</strong> <strong>107</strong> Absatz 3 Satz 1 Nr. 4 <strong>GWB</strong> neu eingeführte Frist innerhalb<br />

derer ein Nachprüfungsantrag zulässigerweise gestellt werden kann, ohne mit dem der<br />

Rüge zugrunde liegenden Sachverhalt präkludiert zu sein, eine Rechtsbehelfsfrist. Nach<br />

der Gesetzesbegründung geht auch der Gesetzgeber von der Einführung einer „generellen<br />

Frist zur Geltendmachung einer Rüge in den Fällen“ aus, „in denen der Auftraggeber dem<br />

Unternehmen mitteilt, dass der Rüge des Unternehmens nicht abgeholfen wird.“ <strong>§</strong> <strong>107</strong> Absatz<br />

3 Satz 1 Nr. 4 <strong>GWB</strong> regelt zwar nicht eine Frist zur Geltendmachung einer (weiteren) Rüge,<br />

sondern des der Rüge zugrunde liegenden Vergaberechtsverstoßes im Rahmen eines<br />

anschließenden Nachprüfungsantrags. Jedoch lässt die Gesetzesbegründung erkennen,<br />

dass auch der Gesetzgeber grundsätzlich von der Einführung einer generellen Frist für<br />

das Nachprüfungsverfahren ausgegangen ist (OLG Celle, B. v. 04.03.2010 – Az.: 13 Verg<br />

1/10; OLG Düsseldorf, B. v. 09.12.2009 - Az.: VII-Verg 37/09; 2. VK Bund, B. v. 30.10.2009<br />

- Az.: VK 2 - 180/09; VK Südbayern, B. v. 05.02.2010 - Az.: Z3-3-3194-1-66-12/09).<br />

Jedenfalls dann, wenn der <strong>Antrag</strong>steller keine, über die abschlägig beschiedenen Rügen<br />

hinausgehende, rechtzeitig monierten Gründe seinem Vergabenachprüfungsantrag zu<br />

Grunde legt, ist sein <strong>Antrag</strong> nach mehr als 15 Kalendertagen nach Eingang der Mitteilung<br />

des Auftraggebers, der Rüge nicht abhelfen zu wollen, hinsichtlich dieser gerügten<br />

Vergaberechtsverstöße (offensichtlich) unzulässig (1. VK Sachsen, B. v. 11.12.2009 - Az.:<br />

1/SVK/054-09).<br />

<strong>19.</strong>5.27.3 Voraussetzungen für den Beginn der Frist<br />

3181/4<br />

3181/5<br />

Die 15-Tage-Frist des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 <strong>GWB</strong> beginnt nur, wenn die<br />

Vergabebekanntmachung genaue Hinweise, in Bezug auf die Fristen für die Einlegung<br />

von Rechtsbehelfen bzw. gegebenenfalls Name, Anschrift, Telefonnummer, Faxnummer<br />

und E-Mail-Adresse des Dienstes, bei dem diese Auskünfte eingeholt werden können,<br />

enthält. Dies sieht die RICHTLINIE 2004/18/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS<br />

UND DES RATES vom 31. März 2004 unter Anhang VII Teil A vor. Erfolgen in der<br />

Vergabebekanntmachung keine spezifizerten Angaben nach Ziffer VI.4.2 des<br />

Bekanntmachungsformulars, ist in Anlehnung an <strong>§</strong> 58 Absatz 2 VwGO davon auszugehen,<br />

dass die Einlegung des Rechtsbehelfs innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung<br />

oder Verkündung der mit dem Rechtsmittel anzugreifenden Ausgangsentscheidung zulässig<br />

ist (1. VK Sachsen, B. v. 11.12.2009 - Az.: 1/SVK/054-09; im Ergebnis wohl ebenso 2. VK<br />

Bund, B. v. 30.10.2009 - Az.: VK 2 - 180/09; VK Südbayern, B. v. 05.02.2010 - Az.: Z3-3-<br />

3194-1-66-12/09).<br />

Nach Nr. 24 Anhang VII Teil A der Richtlinie 2004/18/EG muss die<br />

Vergabebekanntmachung genaue Hinweise in Bezug auf die Fristen für die Einlegung von<br />

Rechtsbehelfen bzw. den Namen des Dienstes, bei dem diese Auskünfte eingeholt werden


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

können, enthalten. Die genannte Vorschrift ist Bestandteil der Richtlinie und hat<br />

Rechtsnormqualität. In Vergabeverfahren "oberhalb" der Schwellenwerte ist sie<br />

entweder unmittelbar anzuwenden oder im Wege richtlinienkonformer Auslegung in die<br />

Fristbestimmung des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 <strong>GWB</strong> n.F. hineinzulesen. Sind die<br />

genannten Hinweise unterblieben, steht eine Fristüberschreitung der Zulässigkeit des<br />

Nachprüfungsantrags nicht entgegen. <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 <strong>GWB</strong> n.F. normiert eine<br />

Rechtsbehelfsfrist, auf deren Bestehen der öffentliche Auftraggeber nach Maßgabe des<br />

Anhangs zur Richtlinie hinzuweisen hat (OLG Düsseldorf, B. v. 09.12.2009 - Az.: VII-Verg<br />

37/09; im Ergebnis ebenso OLG Celle, B. v. 04.03.2010 – Az.: 13 Verg 1/10).<br />

3181/6<br />

3181/7<br />

3181/8<br />

Auch die Eintragung einer Vergabekammer in Ziffer VI.4.3 des<br />

Bekanntmachungsformulars genügt nicht. Die Nachprüfungsinstanzen<br />

(Vergabekammern, Vergabesenate) sollen gerade in den Nachprüfungsverfahren auch die<br />

Sachurteilsvoraussetzungen überprüfen und können daher nicht gleichzeitig diejenigen<br />

Stellen sein, die für die Einhaltung dieser Sachurteilsvoraussetzungen Sorge tragen bzw.<br />

Auskünfte zu deren Einhaltung erteilen. Unabhängig von der Frage eines Verstoßes gegen<br />

das Rechtsberatungsgesetz würde sich die jeweilige Kammer dem Vorwurf der Befangenheit<br />

ausgesetzt sehen, würde man sie als Rechtsauskunftsstelle in diesem Sinne betrachten (2. VK<br />

Bund, B. v. 30.10.2009 - Az.: VK 2 - 180/09).<br />

Der Auftraggeber ist außerdem bereits aus Transparenzgründen gefordert, in seinem<br />

ablehnenden Schreiben nach <strong>§</strong> 101a <strong>GWB</strong> auf die Ausschlusswirkung des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3<br />

Nr. 4 <strong>GWB</strong> hinzuweisen und darüber zu belehren, dass 15 Kalendertage nach Eingang der<br />

Mitteilung kein Rechtsmittel mehr möglich ist (VK Südbayern, B. v. 05.02.2010 - Az.: Z3-3-<br />

3194-1-66-12/09).<br />

<strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 <strong>GWB</strong> stellt außerdem auf den Zugang der Mitteilung, einer Rüge<br />

nicht abhelfen zu wollen, ab (OLG Karlsruhe, B. v. 08.01.2010 - Az.: 15 Verg 1/10).<br />

<strong>19.</strong>5.27.4 Antwort der Vergabestelle auf die Rüge<br />

3182<br />

3182/1,2<br />

Die Antwort auf ein Rügeschreiben ist - im Gegensatz zum Widerspruchsbescheid des<br />

Verwaltungsverfahrens - kein Verwaltungsakt, da es sich hierbei nicht um eine Maßnahme<br />

handelt, die auf die unmittelbare Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist. Vielmehr<br />

handelt es sich um schlichtes Verwaltungshandeln, an das nicht derart weit reichende<br />

prozessuale Folgen für das Nachprüfungsverfahren geknüpft werden, indem die Rügefrist<br />

hierdurch außer Kraft gesetzt wird (2. VK Bund, B. v. 26.3.2003 - Az.: VK 2 - 06/03).<br />

Vor dem Hintergrund, dass mit der Einführung des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Nr. 4 <strong>GWB</strong> eine<br />

<strong>Antrag</strong>sfrist geschaffen wurde, die den Primärrechtschutz des Bieters zeitlich begrenzt,<br />

sind an die Eindeutigkeit der Nichtabhilfeerklärung gem. <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Nr. 4 <strong>GWB</strong> hohe<br />

Anforderungen zu stellen (OLG Celle, B. v. 04.03.2010 – Az.: 13 Verg 1/10).<br />

<strong>19.</strong>5.27.5 Nachprüfungsantrag vor Angebotsabgabe<br />

3182/2<br />

Gemäß den seit 24. April 2009 geltenden Neuregelungen im Vierten Teil des <strong>GWB</strong> (Gesetz<br />

zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20. April 2009, BGBl. I S. 790) ist ein<br />

<strong>Antrag</strong>steller gehalten, innerhalb der 15 Kalendertage betragenden Frist des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz<br />

1 Nr. 4 <strong>GWB</strong> einen Nachprüfungsantrag zu stellen, auch wenn die Frist zur


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

Angebotsabgabe noch nicht abgelaufen ist. Die Einschaltung der<br />

Nachprüfungsinstanzen zu diesem vergleichsweise frühen Zeitpunkt – in einem Stadium<br />

vor Erstellung und Abgabe der Angebote, vor Eintritt des Auftraggebers in die einen nicht<br />

unerheblichen Teil an Nachprüfungsverfahren hervorrufende, weil fehlerträchtige Phase der<br />

Angebotswertung – entspricht dem Willen des Gesetzgebers: diese Fristenregelung soll<br />

möglichst frühzeitig Klarheit über die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens schaffen<br />

(vgl. BT-Drs. 16/10117, S. 22 – zu Nummer 13: <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong>). Der Vortrag eines<br />

<strong>Antrag</strong>stellers ist in diesem Verfahrensstadium zwangsläufig beschränkt und führt im<br />

Ergebnis zu einer reinen „Rechtmäßigkeitskontrolle der Verdingungsunterlagen“ in den<br />

gerügten Punkten (VK Brandenburg, B. v. 08.09.2009 - Az.: VK 33/09).<br />

<strong>19.</strong>5.27.6 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

3182/3<br />

• gemäß <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 <strong>GWB</strong> ist ein <strong>Antrag</strong> unzulässig, wenn er mehr als<br />

15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht<br />

abhelfen zu wollen, vergangen ist. Diese Frist ist auf jeden Fall 21 Kalendertage<br />

nach Zugang des Nichtabhilfeschreibens verpasst (OLG Karlsruhe, B. v.<br />

08.01.2010 - Az.: 15 Verg 1/10)<br />

<strong>19.</strong>5.28 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand<br />

3183<br />

3184<br />

3185<br />

3186<br />

Auch im Verfahren vor der Vergabekammer hat die Rechtsprechung im Ergebnis das Institut<br />

der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand angewendet (vgl. die Kommentierung zu <strong>§</strong> 116<br />

<strong>GWB</strong>).<br />

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist bei Ausschlussfristen nur möglich, wenn<br />

sie ausnahmsweise ausdrücklich durch eine Rechtsvorschrift zugelassen ist. Ob eine Frist<br />

eine Ausschlussfrist in diesem Sinne ist, ist Auslegungsfrage, die vor allem nach dem Zweck<br />

der Regelung zu beantworten ist. Um eine Ausschlussfrist handelt es sich immer dann, wenn<br />

der Sinn der gesetzlichen Regelung mit der Fristbeachtung steht und fällt (VK Nordbayern,<br />

B. v. 18.8.2000 - Az.: 320.VK-3194-18/00). Dies wird man für die Rügefrist des <strong>§</strong> <strong>107</strong> <strong>GWB</strong><br />

angesichts des im Vergabenachprüfungsverfahren herrschenden Beschleunigungsgrundsatzes<br />

bejahen können.<br />

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hängt damit davon ab, ob insoweit die<br />

Voraussetzungen des <strong>§</strong> 32 VwVfG erfüllt sind, die Rügefrist also eine gesetzliche Frist<br />

gemäß <strong>§</strong> 32 Abs. 1 VwVfG ist (1. VK Sachsen, B. v. 4.8.2003 - Az.: 1/SVK/096-03; B. v.<br />

5.3.2002 - Az.: 1/SVK/009-02).<br />

Nach der neuen Regelung des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 Nr. 4 <strong>GWB</strong> ist der <strong>Antrag</strong> auf <strong>Einleitung</strong> eines<br />

Vergabenachprüfungsverfahrens fristgebunden. Es handelt sich insoweit um eine<br />

gesetzliche Frist, sodass für diese Alternative des <strong>§</strong> <strong>107</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> die Voraussetzungen<br />

des <strong>§</strong> 32 Abs. 1 VwVfG zu prüfen sind.


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: <strong>19.</strong>04.2010<br />

<strong>19.</strong>5.29 Rücknahme der Rüge<br />

3187<br />

Eine Rüge kann während eines Vergabenachprüfungsverfahrens zurückgenommen werden.<br />

Die Erklärung eines Bieters, er verfolge eine zuvor ausgebrachte Rüge nicht weiter, führt<br />

dazu, dass diese Rüge jedenfalls für die Zukunft wirkungslos wird. Ob der Bieter damit sein<br />

Rügerecht endgültig verwirkt hat, ist zweifelhaft und wird allenfalls nach den besonderen<br />

Umständen des Einzelfalls zu beurteilen sein. Aber wenn ein Bieter auf eine einmal erhobene<br />

und dann wieder zurückgenommene Rüge nochmals zurückgreifen will, dann muss er dies<br />

zumindest innerhalb der Rügefrist tun - danach besteht für die Vergabestelle keine<br />

Veranlassung mehr, neuerliche Rügen in Rechnung zu stellen und ihr Vergabeverhalten<br />

darauf einzurichten (OLG Dresden, B. v. 17.8.2001 - Az.: WVerg 0006/01).<br />

<strong>19.</strong>5.30 Literatur<br />

3188<br />

• Kühnen, Jürgen, Die Rügeobliegenheit, NZBau 2004, 427<br />

• Mertens, Susanne, Die Rügeobliegenheit im Vergaberecht: Rechtsschutzfalle für<br />

Unternehmer und Auftraggeber, Dissertation, Berlin, 2004

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