AUFTRAG_283_w.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten
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SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK<br />
Agenda for Peace<br />
Ist „vernetzte Sicherheit“ ausreichend<br />
VON KLAUS LIEBETANZ UND BERTRAM BASTIAN<br />
Was versteht das Weißbuch 2006 unter<br />
„Vernetzter Sicherheit“<br />
Das WB 2006 gibt eine Beschreibung<br />
dieses Begriffes, eine eindeutige<br />
Definition gibt es nicht. In<br />
1.4 Vernetzte Sicherheit heißt es:<br />
„ Nicht in erster Linie militärische,<br />
sondern gesellschaftliche, ökonomische,<br />
ökologische und kulturelle Bedingungen,<br />
die nur in multinationalem<br />
Zusammenwirken beeinflusst werden<br />
können, bestimmen die künftige sicherheitspolitische<br />
Entwicklung. Sicherheit<br />
kann daher weder rein national<br />
noch allein durch Streitkräfte<br />
gewährleistet werden. Erforderlich<br />
ist vielmehr ein umfassender Ansatz,<br />
der nur in vernetzten sicherheitspolitischen<br />
Strukturen sowie im Bewusstsein<br />
eines umfassenden gesamtstaatlichen<br />
und globalen Sicherheitsverständnisses<br />
zu entwickeln ist.“ (WB<br />
2006, S. 29)<br />
Auf die Frage „Wessen Sicherheit<br />
ist gemeint“ antwortet das WB 2006<br />
in 1.3 Werte, Interessen und Ziele<br />
deutscher Sicherheitspolitik wie folgt:<br />
„Die Sicherheitspolitik Deutschlands<br />
wird von den Werten des Grundgesetzes<br />
und dem Ziel geleitet, die<br />
Interessen unseres Landes zu wahren,<br />
...“ (WB 2006, S. 29)<br />
Der eng auf die eigene nationale<br />
Sicherheit und das nationale Interesse<br />
ausgerichtete Begriff der „Vernetzten<br />
Sicherheit“ ist nicht umfassend genug<br />
und scheint für die weitere Entwicklung<br />
der Welt kontraproduktiv. Denn<br />
die Konzentration auf die Optimierung<br />
der eigenen Sicherheit schafft<br />
keinen weltweiten Frieden. Es müssen<br />
immer auch die betroffenen Nationen,<br />
bzw Völker gesehen werden. Da<br />
war das Weißbuch 1994 (in Nr.463)<br />
schon gedanklich weiter, weil es die<br />
„Agenda for Peace“ als Kompass für<br />
die zukünftige Sicherheits- und Friedenspolitik<br />
bezeichnete.<br />
„Agenda for Peace“ – ein kurzer Rückblick<br />
In der Erklärung des Sicherheitsrats<br />
vom 31. Januar 1992 wurde der<br />
Generalsekretär der Vereinten Nationen<br />
Boutros-Ghali beauftragt, bis zum<br />
1. Juli 1992 eine Empfehlung für den<br />
weiteren Friedensprozess auszuarbeiten.<br />
Dabei sollte er prüfen, inwieweit<br />
die Fähigkeiten und Kapazitäten der<br />
Vereinten Nationen im Rahmen der<br />
VN-Charta zur vorbeugenden Diplomatie<br />
zur Friedensschaffung (peacemaking)<br />
und zur Friedenssicherung<br />
(peace-keeping) gestärkt und effizienter<br />
gestaltet werden könnten. Am 17.<br />
Juni 1992 legte Boutros-Ghali - nach<br />
gründlicher Rücksprache mit den Vertretern<br />
der wichtigsten Staaten und<br />
verschiedenen großen internationalen<br />
Organisationen - der Generalversammlung<br />
die „Agenda für den Frieden“<br />
vor. Sehr deutlich zu erkennen<br />
ist der deutsche Beitrag, in dem es<br />
um die vertrauensbildenden Maßnahmen<br />
zweier verfeindeter Staaten geht.<br />
Boutros Ghali hat die „Friedenskonsolidierung<br />
in der Konfliktfolgezeit“<br />
als neuen Begriff in die Agenda for<br />
Peace aufgenommen (Ziffer 55-59).<br />
Es geht dabei um das rechte Zusammenwirken<br />
von militärischer Stabilisierung<br />
und zivilen Maßnahmen, die<br />
der Sicherheit und dem Wohlergehen<br />
der lokalen Bevölkerung dienen.<br />
Friedenskonsolidierung (post-conflict<br />
peace-building) eine Erfolgsstory<br />
Die „Friedenskonsolidierung in<br />
der Konfliktfolgezeit“ hat sich im Laufe<br />
der Zeit als eine erfolgreiche Form<br />
der Konfliktbearbeitung erwiesen,<br />
wie es sich in Mittelamerika (Nicaragua,<br />
Honduras, Panama) Hinterindien<br />
(Kambodscha, Laos), und Afrika<br />
(Mosambik, Namibia, Sierra Leone,<br />
Burundi, Ostkongo (MONUC) zeigen<br />
sollte. Auch die noch abzuschließenden<br />
Missionen auf dem Balkan haben<br />
das Blutvergießen zwischen verfeindeten<br />
Ethnien beendet und einen<br />
Friedensprozess eingeleitet. Die<br />
„Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit“<br />
stellt in der Regel ein<br />
Zusammenwirken von militärischer<br />
Stabilisierung und zivilem Wiederaufbau<br />
(humanitäre Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit,<br />
Aufbau staatlicher<br />
Einrichtungen, wie rechtstaatliche<br />
Polizei und ein entsprechendes<br />
Gerichtswesen, Menschenrechtsarbeit<br />
und der Aufbau der Zivilgesellschaft)<br />
dar.<br />
Überprüfung der Praxistauglichkeit<br />
der „Agenda for Peace“<br />
Im Jahr 2000 hat sich eine hochrangige<br />
Kommission unter Leitung<br />
des ehemaligen algerischen Außenministers,<br />
Lakhdar Brahimi, mit der<br />
Auswertung von Friedensmissionen<br />
im Rahmen der Agenda for Peace im<br />
Auftrag des VN-Generalsekretärs beschäftigt.<br />
In diesem Brahimi-Report<br />
wurde festgestellt, dass bei einigen<br />
VN-Friedensmissionen die Blauhelmtruppen<br />
unzureichend mandatiert und<br />
ausgerüstet waren (z. B. in der VN-<br />
Schutzzone Srebrenica oder beim Völkermord<br />
in Ruanda). Dieser Bericht<br />
gibt keine Empfehlung, Blauhelme<br />
besser durch Polizisten oder gar Friedensfachkräfte<br />
zu ersetzen, wie es Teile<br />
der Friedenbewegung fordern. Alle<br />
Probleme der Welt mit „Ziviler Konfliktbearbeitung“<br />
lösen zu wollen ist<br />
eine „Omnipotenzfalle“ (Uschi Eid,<br />
ehemalige grüne Staatssekretärin im<br />
Bundesministerium für wirtschaftliche<br />
Zusammenarbeit und Entwicklung<br />
(BMZ)). Des Weiteren wurde im<br />
Brahimi-Report darauf hingewiesen,<br />
dass bei einigen VN-Friedensmissionen<br />
die Mittel für den zivilen Wiederaufbau<br />
im Verhältnis zu den Militärausgaben<br />
zu schwach und deshalb<br />
diese Missionen nicht nachhaltig waren<br />
und scheiterten.<br />
Zusammenhang militärische Sicherung<br />
und ziviler Wiederaufbau<br />
Humanitäre Hilfe, Entwicklungshilfe<br />
sowie der Einsatz der<br />
Streitkräfte sind grundsätzlich verschiedene<br />
Bereiche mit unterschiedlichen<br />
Einsatzphilosophien. Eine direkte<br />
Zusammenarbeit ist im Konfliktfall<br />
kaum möglich. Angestrebt<br />
werden sollte ein komplementäres,<br />
eigenverantwortliches Zusammenwirken.<br />
20 <strong>AUFTRAG</strong> <strong>283</strong> • SEPTEMBER 2011