AUFTRAG_280_150dpi_2.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten
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SICHERHEITS- UND FRIEDENSETHIK<br />
Zusammenarbeit vor Ort zwischen den<br />
VN, den eingesetzten VN-Truppen<br />
und den NGO (non-gouvernmental<br />
organizations – Nicht-Regierungs-<br />
Organisationen) vorgeschlagen und<br />
angeregt, über robuste Polizeikräfte<br />
nach dem Vorbild der französischen<br />
Gendarmerie nachzudenken.<br />
<strong>AUFTRAG</strong>: Welche Empfehlungen<br />
des Brahimi-Reports haben<br />
sich aus Ihrer Sicht in den letzten<br />
zehn Jahren bewährt Können Sie<br />
Beispiele nennen.<br />
General Naumann: Bewährt haben<br />
sich die Verstärkung der Abteilung<br />
für Friedensoperationen und das<br />
mittlerweile nahezu ständig erteilte<br />
robuste Mandat.<br />
<strong>AUFTRAG</strong>: Welche Forderungen<br />
des Brahimi-Reports wurden<br />
bislang noch zu wenig berücksichtigt<br />
General Naumann: Die angeregte<br />
Schaffung einer schnellen VN-Eingreiftruppe<br />
blieb leider auf der Strecke<br />
und die nach einer Intervention<br />
so notwendigen Kräfte für alle Polizeifunktionen<br />
und den Justiz-Vollzugsdienst<br />
gibt es leider auch noch nicht.<br />
<strong>AUFTRAG</strong>: Welche neue Herausforderungen<br />
der weltweiten<br />
Sicherheitslage müssten in einen<br />
neuen Brahimi-Report aufgenommen<br />
werden<br />
General Naumann: Die Welt hat<br />
sich in den letzten zehn Jahren dramatisch<br />
verändert, leider nicht zum Besseren.<br />
Neue Akteure haben die Szene<br />
betreten, oftmals nichtstaatliche Akteure,<br />
die über alle Gewaltmittel eines<br />
Staates verfügen und diese skrupellos<br />
einsetzen. Es fand vielerorts<br />
eine Radikalisierung des politischen<br />
Handelns statt, die zu neuen Formen<br />
der Gewalt geführt hat und weiterhin<br />
führen wird, der deutlichste Ausdruck<br />
ist der seit 2001 weltweit ausgeübte<br />
Terrorismus. Vergessen Sie bitte nicht,<br />
Brahimi ist ein Bericht, der sich vorwiegend<br />
mit den Folgen von Konflikten<br />
zwischen Staaten oder innerstaatlicher<br />
Konflikte befasst. Die Zukunft<br />
könnte Konflikte bringen, in denen<br />
nichtstaatliche Akteure versuchen<br />
sich zerfallender Staaten zu bemächtigen.<br />
Es kann durchaus sein, dass<br />
diese neuen Dimensionen erhebliche<br />
rechtliche Probleme aufwerfen. Eine<br />
baldige Prüfung all dieser Fragen ist<br />
sicher geboten.<br />
<strong>AUFTRAG</strong>: Sie hatten bei der<br />
Veranstaltung der „Deutschen Gesellschaft<br />
für die Vereinten Nationen<br />
(DGVN)“ am 6. September<br />
2010 in der bayerischen Vertretung<br />
beim Bund in Berlin zum Thema<br />
„Brahimi plus 10“ u.a. ausgeführt,<br />
dass die Bundesregierung in Regionen<br />
von strategischer Bedeutung<br />
für Deutschland Schwerpunkte<br />
setzen muss, weil sich Deutschland<br />
nicht mit allen Problemen der<br />
Welt in gleicher Intensität befassen<br />
kann. Sie benannten als solche Regionen<br />
mit Relevanz für Deutschland<br />
den Bereich des erweiterten<br />
Nahen Ostens und Afrika. Wie begründen<br />
Sie diese Präferenz<br />
General Naumann: Der erweiterte<br />
Nahe Osten ist mit dem ungelösten<br />
Konflikt zwischen Israel und den<br />
Palästinensern, mit der offenen Frage<br />
des iranischen Atomprogramms schon<br />
jetzt ein Pulverfass vor Europas Türen.<br />
Wenn man außerdem bedenkt, dass in<br />
dieser Region die größten Reserven<br />
der Welt an Gas und Öl liegen, dann<br />
wird deutlich welches enorme Interesse<br />
Europa an guten und friedlichen<br />
Beziehungen zu den Staaten dieser<br />
Region haben muss. Hinzu kommt, es<br />
ist eine Region, aus der heraus viele<br />
junge Menschen nach Europa drängen<br />
werden, weil sie zuhause keine<br />
Chance auf Zukunft haben. Das gilt<br />
auch für weite Teile Afrikas, insbesondere<br />
die Staaten am Südufer des<br />
Mittelmeers. Sollten dann als Folge<br />
des wahrscheinlichen Klimawandels<br />
große Migrationswellen an Europas<br />
Küsten branden, dann haben wir in<br />
unserem Europa mit seiner älter und<br />
immer weiter abnehmenden Bevölkerung<br />
ein Problem. Aus diesen Gründen<br />
meine ich, der Erweiterte Nahe<br />
Osten und Afrika sollten Schwerpunkte<br />
deutscher und europäischer Sicherheitspolitik<br />
sein.<br />
<strong>AUFTRAG</strong>: Wie beurteilen Sie<br />
die auffällige personelle Zurückhaltung<br />
Deutschlands bei VN-Friedensmissionen<br />
in der DR Kongo<br />
Deutschland zahlt jährlich 81 Mio.<br />
Euro für die VN-Mission MONUS-<br />
CO und hat weder einen Diplomaten<br />
noch einen <strong>Soldaten</strong> in dieser<br />
großen Friedensmission, um auf<br />
die Effizienz unserer Mittel Einfluss<br />
zu nehmen. Auch bei EUPOL<br />
KONGO stellt Deutschland keinen<br />
deutschen Polizisten als Ausbilder.<br />
Wäre die Bundesregierung<br />
nicht schon aus Gründen der „Responsibilty<br />
to Protect“ verpflichtet,<br />
sich mehr zu engagieren, um<br />
die schweren systematischen Menschenrechtsverletzungen<br />
(wie massenweise<br />
brutale Vergewaltigen als<br />
Kriegswaffe) zu verhindern oder<br />
wenigsten zu mindern<br />
General Naumann: Diese Frage<br />
kann man als Außenstehender nicht<br />
beantworten, da man den Aussagen<br />
der Regierung vertrauen muss, wenn<br />
gesagt wird, Deutschland sei an die<br />
Grenzen seiner Belastbarkeit gegangen.<br />
Aus moralischen Gründen zu<br />
fordern ist ebenso leicht wie billig,<br />
aber die personellen und finanziellen<br />
Ressourcen sind nun einmal begrenzt.<br />
Im Übrigen wird durch den Föderalismus<br />
Deutschlands Handlungsfähigkeit<br />
auch nicht gerade gestärkt, denn<br />
die überwiegende Mehrzahl der Polizeibeamten<br />
sind im Landes- und nicht<br />
im Bundesdienst.<br />
<strong>AUFTRAG</strong>: Sie haben bei der<br />
o.a. DGVN-Veranstaltung bemängelt,<br />
dass einige deutsche Politiker<br />
den Begriff „Vernetzte Sicherheit“<br />
wie eine Monstranz vor sich hertragen.<br />
Was haben Sie damit gemeint,<br />
dieser Begriff müsste mit<br />
Inhalt gefüllt werden<br />
General Naumann: Das einfachste<br />
und deutlichste Beispiel ist<br />
das Fehlen eines nationalen Sicherheitsberaters<br />
der Bundeskanzlerin wie<br />
ihn Frankreich bereits hat und wie<br />
ihn Großbritannien gerade eingeführt<br />
hat. Ob Deutschland, das in all diesen<br />
Fragen ohnehin schon den Mühlstein<br />
seiner föderalen Struktur um den Hals<br />
hat, mit den engen Zuständigkeitsgrenzen<br />
seiner Fachministerien gut<br />
aufgestellt ist, den Herausforderungen<br />
der Zukunft zu begegnen, darf man<br />
bezweifeln. In Krisen muss schnell<br />
8 <strong>AUFTRAG</strong> <strong>280</strong> • DEZEMBER 2010