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Schulkonkurrenz – wozu? - AMV

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<strong>AMV</strong>-aktuell Sonderheft 06/1 27<br />

allen geboten werden können.<br />

Während wir wünschen, dass<br />

jedermanns Gelegenheiten so<br />

gross wie nur möglich seien,<br />

würden wir sicherlich die Möglichkeiten<br />

der meisten verringern,<br />

wenn wir verhindern wollten,<br />

dass sie grösser sind als die der<br />

weniger Begünstigten” (ebd.).<br />

Das Problem ist nicht, folgen wir<br />

HAYEK, durch standardisierte<br />

Leistungskontrollen lösbar, weil<br />

dann alle in Frage kommenden<br />

Personen einem Test unterworfen<br />

werden müssten, der seinerseits<br />

nur eine bestimmte Sichtweise<br />

von „Leistung” zum Ausdruck<br />

bringen kann. Die Selektivität<br />

wäre eine staatlich kontrollierte,<br />

die nicht mehr Gerechtigkeit<br />

erzeugt als der Verzicht auf<br />

Selektivität. Beides sind gleich<br />

schlechte Mittel, weil sie individuelle<br />

Unterschiede entweder<br />

nicht zulassen oder nicht genügend<br />

honorieren, während Individuen<br />

lernen und so die Unterschiede<br />

selbst erzeugen. Kein<br />

System kann ihre Fähigkeit objektiv<br />

nachweisen oder bestimmen,<br />

jeder Versuch führt nur<br />

dazu, zufällige Kategoriensysteme<br />

mit Selektionsmacht zu versehen,<br />

ohne Entscheide wirklich<br />

absichern zu können. Sie bleiben<br />

subjektiv und beliebig. 8<br />

8 „Die Forderung, dass die Ausbildung nur<br />

jenen gegeben werden soll, deren Fähigkeit<br />

erwiesen ist, führt zu einer<br />

Situation, in der die ganze Bevölkerung<br />

nach einem objektiven Test eingestuft<br />

wird und in der über die Frage, was für<br />

Personen sich für die Vorteile einer höheren<br />

Ausbildung eignen, nur eine Meinung<br />

massgebend ist. Das bedeutet<br />

eine offizielle Einstufung der Menschen<br />

in eine Rangliste mit dem bescheinigten<br />

Genie auf der obersten Stufe und dem<br />

bescheinigten Dummkopf auf der untersten<br />

– eine Rangliste, die dadurch<br />

noch schlimmer wird, dass sie angeblich<br />

‘Verdienst’ ausdrückt und den Zugang<br />

zu den Möglichkeiten bestimmen<br />

wird, bei denen sich der Wert zeigen<br />

kann. Wo die ausschliessliche Stützung<br />

auf ein staatliches Erziehungssystem<br />

‘sozialer Gerechtigkeit’ dienen soll, wird<br />

über die Frage, worin eine höhere Ausbildung<br />

besteht - und daher auch, welche<br />

Fähigkeiten dazu berechtigen -,<br />

eine einzige Ansicht allgemein massgebend<br />

sein und die Tatsache, dass<br />

jemand eine höhere Ausbildung genossen<br />

hat, wird als Beweis angesehen,<br />

Der Ausweg könne nur ein persönlich<br />

verantworteter Wettbewerb<br />

sein, in dem die Ausbildungschancen<br />

und die Ausbildungsrisiken<br />

nicht staatlich verteilt<br />

bzw. staatlich ausgeschlossen,<br />

sondern individuell ausgetragen<br />

werden. Was allerdings<br />

genau „Bildungswettbewerb”<br />

heisst, wird nicht gesagt, insbesondere<br />

wird nicht auf die Risiken<br />

dieses Vorschlages hingewiesen.<br />

Die Kritik an den staatlichen<br />

Schulen ist stark, die Abwägung<br />

der Folgen der eigenen<br />

Vorschläge schwach. Wesentlich<br />

mehr als die Logik der Freiheit,<br />

um MICHAEL POLANYI (1951)<br />

zu zitieren, ist den Argumenten<br />

nicht zu entnehmen, zumal sie<br />

entschlossen ignorieren, was die<br />

Schulentwicklung im 19. und 20.<br />

Jahrhundert tatsächlich bestimmt<br />

hat.<br />

Bildungsmärkte sind so gesehen<br />

ahistorische Vorschläge, die für<br />

einen radikalen Systemwechsel<br />

plädieren, ohne den Misserfolg<br />

des abgelehnten Systems hinreichend<br />

unter Beweis gestellt zu<br />

haben. Die Idee, Bildungsmärkte<br />

könnten für bessere Lösungen<br />

sorgen als staatliche Schulen,<br />

setzt voraus, dass die bisherigen<br />

Lösungen schlecht gewesen sind<br />

oder wenigstens ihren Optimierungszenit<br />

überschritten haben.<br />

Das würde historische Studien<br />

verlangen, die nachweisen könnten,<br />

staatliche Schulentwicklungen<br />

wären uneffektiv, ungerecht<br />

und sorgten mit ihren Nivellierungseffekten<br />

tatsächlich für eine<br />

schädigende Beschränkung der<br />

menschlichen Freiheit. Studien<br />

mit einem solchen Ergebnis liegen<br />

nicht vor.<br />

Die Effekte staatlicher Entwicklungspolitik<br />

sind für viele Länder<br />

das Vorbild rationaler Schulorganisation;<br />

sie sind nie nur negativ.<br />

Das zeigt sich auch in den Vereinigten<br />

Staaten, und es ist an sich<br />

erstaunlich, dass Autoren wie<br />

Milton Friedman diese Effekte<br />

dass er sie ‘verdient’ hat” (HAYEK<br />

1971, S. 473).<br />

nicht sehen oder nicht ernst<br />

nehmen.<br />

4. Effekte staatlicher<br />

Schulpolitik<br />

Lehrpläne, Lehrmittel, Lehrerstellen,<br />

der Apparat der Schule,<br />

seine geschützte staatliche Stellung<br />

und seine hoheitliche Verfassung<br />

definierten ein in vieler<br />

Hinsicht autonomes System, das<br />

sich der ökonomischen Logik der<br />

Freiheit entzog, weil nicht Individuen,<br />

sondern Institutionen gefördert<br />

wurden. Irgendein Nachweis,<br />

dass damit nur Schaden<br />

angerichtet wurde, steht historisch<br />

aus. Das gilt auch und gerade<br />

für die amerikanische<br />

Schulentwicklung, die nach dem<br />

Zweiten Weltkrieg, als FRIED-<br />

MAN und HAYEK ihre Konzepte<br />

entwickelten, einen Modernisierungsschub<br />

erlebte, der imstande<br />

war, die gravierenden Unterschiede<br />

zwischen Stadt und<br />

Land und damit teilweise auch<br />

zwischen Arm und Reich wenn<br />

nicht auszugleichen, so doch zu<br />

minimieren.<br />

Insbesondere im weniger entwickelten<br />

Süden der Vereinigten<br />

Staaten hatten ländliche Schulen<br />

noch vor dem Zweiten Weltkrieg<br />

oft nur einen einzigen Raum zur<br />

Verfügung, waren karg und primitiv<br />

ausgestattet, mussten oft Absenzen<br />

von Schülerinnen und<br />

Schülern, die zur Feldarbeit eingesetzt<br />

wurden, in Kauf nehmen,<br />

waren zudem lokalen Regeln der<br />

Geschlechter- und Rassentrennung<br />

ausgesetzt und sollten vielfach<br />

bewusst keine grösseren<br />

Entwicklungschancen erhalten<br />

(ZILVERSMIT 1993, S. 26). Man<br />

sieht die Retardierung durch eine<br />

nur knapp elementarisierende<br />

Schule, der jeder Anschluss an<br />

Höhere Bildung verweigert war.<br />

Grössere Investitionen wurden<br />

nicht getätigt, andere als staatliche<br />

Anbieter 9 standen nicht zur<br />

Verfügung. Kein Privatunternehmer<br />

wäre auf die Idee gekom-<br />

9 „Staatlich” verstanden im Blick auf<br />

lokale, öffentlich kontrollierte Schulbezirke.

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