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1 Gestalt-Wandel, Gestalttherapeutische Praxis, Bettina Binder, Dr ...

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Fortbildung<br />

Thema: SUCHT<br />

Definition Alkoholismus S. 2<br />

Bedingungsgefüge für Alkoholismus S. 2<br />

Wege in die Sucht S. 3<br />

Mögliche Funktionen des Alkohols S. 4<br />

Definition Abstinenz S. 4<br />

Definition Rückfall S. 4<br />

Rückfall als Chance – Eine neue Sichtweise S. 5<br />

Einflussfaktoren auf rückfälliges Verhalten S. 6<br />

Mögliche Verlaufsform und Entwicklung rückfälligen Verhaltens S. 7<br />

Möglicher Umgang in der <strong>Praxis</strong> S. 8<br />

1 <strong>Gestalt</strong>-<strong>Wandel</strong>, <strong>Gestalt</strong>therapeutische <strong>Praxis</strong>, <strong>Bettina</strong> <strong>Binder</strong>,<br />

<strong>Dr</strong>-Gessler-Str. 18, 93051 Regensburg, www.gestalt-wandel.de


Definition Alkoholismus<br />

Der unscharfe Begriff „Alkoholismus“ wird seit einigen Jahren in Alkoholmissbrauch und<br />

Alkoholabhängigkeit unterschieden.<br />

Unter Alkoholmissbrauch ist ein Alkoholkonsum zu verstehen, der zu körperlichen, psychischen<br />

und/oder sozialen Schäden führt.<br />

Bei Alkoholabhängigkeit finden sich Merkmale von Toleranzveränderung gegenüber<br />

Alkohol und Entzugserschienungen. Das daraus resultierende Unvermögen, auch nur kurze Zeit völlig<br />

abstinent zu leben, bzw. den Alkoholkonsum zu kontrollieren, definiert die Abhängigkeit.<br />

Alkoholabhängigkeit ist als Krankheit anzusehen und wurde 1968 in der Bundesrepublik Deutschland<br />

in sozialrechtlichem Sinn als solche anerkannt (vgl. DEUTSCHE HAUPTSTELLE GEGEN DIE<br />

SUCHTGEFAHREN, 1988, S.4).<br />

Die gegenwärtig gebräuchlichste Definition der WHO wurde 1952 entwickelt und 1954 modifiziert.<br />

Demnach sind Alkoholiker exzessive Trinker, deren Abhängigkeit einen derartigen Grad erreicht hat,<br />

dass sie deutliche geistige Störungen oder Konflikte in ihrer körperlichen und geistigen Gesundheit,<br />

ihren mitmenschlichen Beziehungen, ihren sozialen und wirtschaftlichen Funktionen aufweisen oder<br />

Prodrome (den eigentlichen Krankheitserscheinungen vorausgehende Symptome) einer solchen<br />

Entwicklung zeigen, und sie daher Behandlung brauchen (vgl. Feuerlein, 1984, S.6).<br />

Bedingungsgefüge für Alkoholismus<br />

Monokausale Erklärungsansätze, die nach einer Ursache suchten, gelten heute als wiederlegt. Die<br />

heutige Wissenschaft geht von einem multimodalen, multifaktoriellen Bedingungsmodell aus, d.h.<br />

mehrere Ursachen müssen zusammenkommen, damit sich eine Alkoholabhängigkeit entwickelt.<br />

Biomedizinische und biogenetische Untersuchungen haben durch Zwillings- und Adoptionsstudien<br />

ergeben, dass genetische Faktoren eine Prädisposition bzw. Anfälligkeit (“Vulnerabilität”) für<br />

Alkoholismus mit sich bringen. Ausschließlich vererbt wird die Suchterkrankung allerdings nicht.<br />

In neuerer Zeit wird von einem bio - psycho - sozialen Bedingungsmodell ausgegangen: biologische,<br />

psychologische und soziale Faktoren wirken unterschiedlich zusammen und können in einer<br />

bestimmten Kombination zur Alkoholabhängigkeit führen.<br />

Dieses mulitfaktorielle Ursachenbündel impliziert, dass jeder Alkoholkranke seine “eigenen”<br />

individuellen Ursachen herausbekommen muss. Und auch die Behandlung sollte multifaktoriell<br />

ausgerichtet sein und die verschiedenen Bedingungsfaktoren des Alkoholabhängigen berücksichtigen.<br />

Allgemein werden drei Faktorengruppen des Bedingungsgefüges beschrieben:<br />

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Dieses Modell hat dynamischen Charakter. Die im Folgenden dargestellten Faktorengruppen können<br />

sich in unterschiedlicher Weise gegenseitig beeinflussen:<br />

<strong>Dr</strong>oge mit ihren spezifischen Wirkungen (hier der Alkohol)<br />

Durch Einnahme der betreffenden Substanz kann ein Zustand entstehen, den man Abhängigkeits –<br />

Syndrom nennt. Das Abhängigkeitspotential vom Alkohol ist lt. Wilhelm Feuerlein (1999, S. 24)<br />

vergleichbar mit dem von manchen Beruhigungs- und Schlafmitteln wie Benzodiazepine und<br />

Barbituraten. Das entscheidende Charakteristikum des Abhängigkeitssyndroms ist die psychische<br />

Abhängigkeit, die sich durch das unstillbare Verlangen äußert, den Alkoholkonsum fort zusetzten oder<br />

nach einem jahrelangen „trockenen“ Intervall den Konsum wieder aufzunehmen (Craving), obwohl den<br />

Betreffenden die negativen Konsequenzen dieses erneuten Trinkens bewusst sind.<br />

Das konsumierende Individuum mit seinen körperlichen und psychischen Eigenschaften, wie<br />

sie sich unter den jeweiligen genetischen und psychischen Dispositionen im Laufe des Lebens<br />

entwickelt haben.<br />

Warum werden nicht alle Menschen süchtig oder: Was disponiert manche Menschen zur<br />

Sucht?<br />

Eine Möglichkeit, dieser Frage auf den Grund zu gehen ist, nach den physischen und psychischen<br />

Grundlagen und Dispositionen des Alkoholismus zu fragen.<br />

In bestimmten Familien kommen gehäuft Alkoholiker vor. Diese immer wieder bestätigten Häufungen<br />

können unterschiedlich erklärt werden. Durch genetische Faktoren oder durch Umwelteinflüsse<br />

innerhalb der Familie. Auch Hinsichtlich der Vulnerabilität (erhöhte psychische Verletzbarkeit) und der<br />

Alkoholverträglichkeit könnten genetische Komponenten nachgewiesen werden, nicht jedoch als<br />

alleinige auslösende Ursache.<br />

Über die Entstehung einer psychischen Disposition (Veranlagung) versuchen u. a. Lern- und<br />

verhaltenspsychologische (Alkohol als Bewältigungsstrategie von unterschiedlichen Problemlagen ist<br />

ein erlerntes Verhalten und kann auch wieder verlernt werden) und psychodynamische Theorien<br />

Aufschluss zu geben (vgl. Feuerlein ab S. 31).<br />

Das Sozialfeld, wozu neben interpersonalen, sozialisierenden Beziehungen auch die beruflichen,<br />

wirtschaftlichen Gegebenheiten und traditionsgebundene und religiöse orientierten Normen zu<br />

rechnen sind.<br />

Entstehungsbedingungen des Alkoholismus, die vom sozialen Umfeld ausgehen, gründen im<br />

wesentlichen auf folgenden Überlegungen: Wenn man die Alkoholikerpopulation (trotz ihrer<br />

unterschiedlichen Facetten) als Ganzes betrachtet, gibt es keinen einheitlichen und scharf<br />

abgrenzbaren Persönlichkeitstyp.<br />

Warum werden dann nicht alle Personen mit den geschilderten Persönlichkeitscharakteristika zu<br />

Alkoholikern? Innerhalb der Bevölkerung lassen sich unterschiedliche Einstellungsmuster zum Thema<br />

Alkohol finden. Wichtig ist auch, welche Möglichkeiten zur Spannungsreduktion und Angstbewältigung<br />

die jeweilige Gesellschafts- oder Familienstruktur neben dem Alkohol anbietet bzw. duldet.<br />

Weg in die Sucht<br />

Menschen entwickeln bestimmte Techniken und Methoden, um dem täglichen Stress zeitweise zu<br />

entrinnen, sich abzulenken, zu entspannen und mit Angst besetzte Situationen zu umgehen oder zu<br />

bewältigen. Wird hier zum Beispiel Alkohol benutzt, ist Vorsicht geboten, denn die Übergänge von<br />

„normalem“ Trinkverhalten zu Suchtverhalten sind fließend.<br />

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Nimmt die psychische und physische Gewöhnung an ein Suchtmittel zu entsteht ein Zustand<br />

krankhafter Interaktion zwischen Person und Substanz einerseits bzw. Fixierung auf bestimmte<br />

Verhaltensweisen andererseits.<br />

Der zunehmende Einsatz des Suchtmittels beeinträchtigt die intellektuelle und emotionale<br />

Verarbeitungsfähigkeit von Umwelteinflüssen. Alternative Verhaltensweisen und Einstellungen<br />

versagen zunehmend, weil in übersteigerter Form das Suchtmittel zur Bewältigung eingesetzt wird.<br />

Es entsteht ein unwiderstehliches Verlangen nach Überwindung der dem Individuum in der Realität<br />

gesetzten Schranken mit Hilfe des Suchtmittels. Auch wenn die Überwindung nur scheinbar ist, erfüllt<br />

sie den Zweck des Lustgewinns, der Unlustverhütung, der Verminderung sozialer Distanz und der<br />

Leistungssteigerung.<br />

So entsteht eine zunehmende Bindung an das Suchtmittel, wodurch die Handlungsfreiheit des<br />

Individuums immer mehr beeinträchtigt wird.<br />

Nach psychoanalytischer Erkenntnis macht nicht das Suchtmittel an sich süchtig, sondern der Antrieb,<br />

sich seiner zu bedienen.<br />

Der Griff zum Suchtmittel erscheint für so handelnde Personen als einzige Lösungsmöglichkeit von<br />

Situationen die ausweglos erscheinen. Das heißt: Das süchtige Verhalten wird zum<br />

Problemlösemechanismus Nummer eins. Das Verhalten und Erleben der Person ist ausschließlich auf<br />

das Suchtmittel ausgerichtet (vgl. GROSS, 1992.S. 20).<br />

Mögliche Funktionen des Alkohols<br />

Für Menschen, die durch eine in der Kindheit gelegten Disposition bereits eine gewisse Labilität für<br />

Suchtkrankheiten aufweisen, kann der Alkohol bei einem Mangel an Selbstwertgefühl in kritischen<br />

Lebenslagen in unterschiedlichster Weise als Hilfsmittel eingesetzt werden. Demnach ist Alkoholismus<br />

nicht nur Ausdruck eines innerseelischen Konfliktes, sondern häufig auch Ausdruck eines<br />

missglückten Versuchs, das Selbstwertgefühl aufrechtzuerhalten und grundlegende<br />

Persönlichkeitsdefizite zu kompensieren (vgl. WOHLFARTH, 1992, S. 158f).<br />

Grundsätzlich ist zu beachten, dass, so unterschiedlich und individuell jeder Menschen ist, so<br />

unterschiedlich auch die Funktionen sein können, die der Alkohol im persönlichen Leben übernehmen<br />

kann.<br />

Unter Berücksichtigung der Funktionen, die Alkohol erfüllen kann, wird deutlich, dass die Erlösung von<br />

einem selbstzerstörerischen Krankheitssymptom im Falle der Abstinenz nur eine Seite der Medaille<br />

darstellt. Die/der AlkoholikerIn erlebt parallel den schmerzhaften Verlust eines Hilfsmittels,<br />

Definition von Abstinenz<br />

Abstinenz bedeutet Freiheit von jeglichem Alkoholkonsum (0-Konsum). Auch keine alkoholhaltigen<br />

Soßen, Geschmacksstoffe, kein alkoholfreies Bier oder Malzbier, keine alkoholhaltigen Medikamente,<br />

etc..<br />

Da bei Abhängigen oft eine Suchtverlagerung stattfindet, sollte auch auf Medikamente mit<br />

Suchtpotential (bestimmte Psychopharmaka) verzichtet werden. Bei schweren psychischen oder<br />

körperlichen Erkrankungen können bestimmte Medikamente sinnvoll sein, aber nur mit äußerster<br />

Vorsicht. Hier ist unbedingt fachliche Hilfe eines erfahrenen Arztes erforderlich (keine<br />

Selbstmedikation).<br />

In der Fachwelt aktuelle Informationen zum Versuch des kontrollierten Trinkens bei riskantem<br />

Alkoholkonsum finden Sie z.B. bei Prof. Körkel. Allerdings ist kontrolliertes Trinken nur für eine<br />

bestimmte Zielgruppe, nämlich die noch nicht abhängigen Trinker (Alkoholmissbraucher), denkbar.<br />

Für schwer alkohoholabhängige oder schon alkoholabstinent-lebende Menschen ist kontrolliertes<br />

Alkoholtrinken nicht sinnvoll bzw. nicht möglich.<br />

Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass viele Selbsthilfe- und Abstinenzvereinigungen Versuche des<br />

kontrollierte Trinkens als große Gefahr ablehnen.<br />

Definition Rückfall<br />

Jeder Rückfall kann so individuell sein wie die Persönlichkeit der betroffenen Person, ihre Situation<br />

und der Einfluss des Bezugssystems, wie etwa Freundeskreis und Familie.<br />

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Die Definition des Rückfalls beinhaltet dementsprechend eine weitaus komplexere Thematik, als auf<br />

den ersten Blick sichtbar wird.<br />

Enge Rückfalldefinition<br />

Ein Rückfall liegt nach dieser Definition vor, wenn ein "trockener Alkoholiker" nach einer Phase totaler<br />

Abstinenz eine beliebige Menge Alkohol zu sich nimmt, unabhängig von der Art der Verabreichung,<br />

also sowohl in Form eines Getränkes, aber auch als alkoholhaltiges Nahrungsmittel. Dem in<br />

Selbsthilfegruppen und professionellen Behandlungssystem vorherrschenden Verständnis liegt diese<br />

strikte Definition zugrunde (KÖRKEL, 1992, S. 11 ff).<br />

Weite Rückfalldefinition<br />

Nach dieses Definition liegt ein Rückfall dann vor, wenn nach einer Phase der Totalabstinenz oder des<br />

mäßigen Trinkens eine Menge Alkohol konsumiert wird, die eine zuvor festgelegte Menge und/oder<br />

Trinkdauer überschreitet (KÖRKEL, 1992, S. 12).<br />

Der "trockene Rückfall"<br />

Nach KÖRKEL (1992, S. 14) liegt ein „trockener Rückfall„ dann vor, wenn ein alkoholabstinent<br />

lebender Alkoholiker in frühere Denk-, Erlebens- oder Verhaltensmuster zurückfällt, die vor der<br />

Abstinenz nach dem moderaten Trinken mit seinem Alkoholkonsum in engem Zusammenhang<br />

standen.<br />

Derartige Verhaltensrückschritte sind nicht notwendigerweise mit dem Konsum von Alkohol<br />

verbunden, könnten aber als Warnfunktion Bedeutung haben.<br />

Merkmale des "trockenen Rückfalls" sind im Besonderen Großspurigkeit, vereinfachte Urteile,<br />

Ungeduld und Unzufriedenheit, wodurch folgender Sachverhalt ausgedrückt wird: Der Alkoholiker hat<br />

sich in den Jahren seiner Abhängigkeit eine äußerst unangemessene und unreife Art zur Lösung<br />

seiner Probleme angewöhnt und fällt in diese Verhaltensweise zurück.<br />

Die Berücksichtigung des "trockenen Rückfalls" ist von Bedeutung, da er nach gängiger<br />

Auffassung der Vorläufer eines "nassen Rückfalls" sein kann. Das heißt: Alkohol wird konsumiert.<br />

Somit bietet sich hier bei rechtzeitigem Erkennen die Möglichkeit, durch Bearbeitung der Problematik<br />

die Ausbreitung der alten "nassen" Gewohnheiten zu verhindern.<br />

Rückfall als Chance – Eine neue Sichtweise<br />

Um einen positiven Umgang, die/den Suchtkranke/n unterstützenden und effektiven Umgang im Sinne<br />

einer Entwicklung im Genesungsverlauf zu ermöglichen ist es wichtig, die Thematik zu entmystifizieren<br />

und aus einer abwertenden, negativen und zur Resignation führenden Sichtweise herauszuführen.<br />

Die Aufrechterhaltung der Totalabstinenz kann als schwierigere Aufgabe als ihre Einleitung<br />

angesehen werden. Rückfälle nach einer Behandlung gehören zur Realität. Entgegen dieser Tatsache<br />

wird im Alltag der Suchtbehandlung häufig der Eindruck vermittelt, der Rückfall sei eine Ausnahme.<br />

Die Tabuisierung der Thematik führt für einen Großteil der Betroffenen zu unrealistischen Erwartungen<br />

bzw. Selbstüberschätzung, welche bei Versagen Schuldgefühle und Enttäuschung hervorrufen (vgl.<br />

KÖRKEL, 1998, S. 14).<br />

Häufig vertretene Vorurteile, der Rückfall signalisiere ein Scheitern der Behandlung und führe zum<br />

„Nullpunkt“ zurück, besetzten die Thematik mit Angst und führen bei Eintreten der Situation zu<br />

Resignation. Der/die Suchtkranke ist Gefahrensituationen ohne ein adäquates Verhaltensrepertoire<br />

hilflos ausgeliefert. Wenn die Mehrzahl der stationär behandelten Alkoholabhängigen rückfällig wird,<br />

dann ist es notwendig, das Thema „Rückfall“ gebührend in die Behandlung einzubeziehen. Ansonsten<br />

ist die Gefahr groß, dass der Rückfall Abhängige unvorbereitet trifft und diese deshalb um so massiver<br />

mit Enttäuschung, Schuldgefühlen, Resignation und Orientierungslosigkeit darauf reagieren.<br />

Gespräche und Studien über die Möglichkeit eines Rückfalls, wichtiger noch über<br />

Schutzmechanismen, beschwören nicht etwa, im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung,<br />

das Besprochene Herbei sondern können den/die KlientIn zu eigenverantwortlichem positiven<br />

Handeln befähigen – sei es vor, während oder nach dem rückfälligem Verhalten. Ein Ausstieg ist<br />

demnach jederzeit möglich.<br />

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Der Rückfall ist Bestandteil der Suchtkrankheit im Sinne einer Entwicklung im Verlauf eines<br />

Veränderungsprozesses – nicht erwünscht, aber doch gegenwärtig.<br />

DAS MODERNE RÜCKFALLVERSTÄNDNIS DAS KLASSISCHE RÜCKFALLVERSTÄNDNIS<br />

Die Regel, nicht die Ausnahme Alkoholismus:<br />

Typische Rückfallkrankheit ?<br />

Eine Entwicklungschance Eine Katastrophe<br />

Der Weg aus der Sucht braucht Zeit Ein weiterer Schritt in die<br />

Selbstzerstörung<br />

Rückfall ist nicht gleich Rückfall Ein Prozess mit eigenen Gesetzen<br />

„Da kann man nichts machen“<br />

Ein Ausrutscher der zu jeder Zeit<br />

gestoppt werden kann<br />

Das erste Glas endet im Kontrollverlust<br />

Der Rückfall endet im Siechtum<br />

Kann nicht den Erfolg der Behandlung bewerten Die ganze Behandlung war umsonst<br />

(Nach: Körkel, J.; Kruse G.: Mit dem Rückfall leben. Psychiatrie Verlag, Bonn 1993)<br />

Zusammenfassung einiger Botschaften des modernen Rückfallverständnisses:<br />

– Rückfälle sind selbst nach intensiver stationärer Behandlung auf lange Sicht die Regel und nicht<br />

die Ausnahme.<br />

– Rückfälle sind Bestandteile menschlicher Entwicklung und nicht die Abweichung vom normalen<br />

Gesundungsprozess. Manchmal gilt: Ohne Rückfall keine stabile Veränderung.<br />

– Die Aussage „Das erste Glas endet notwendigerweise im Kontrollverlust“ erweist sich häufig als<br />

Mythos und eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Rückfälle haben keine naturgesetzliche<br />

Eigendynamik.<br />

– Rückfallursachen können nicht auf Haltlosigkeit oder einen „Willen zum Trinken“ reduziert werden.<br />

Auch das „Verlangen nach Alkohol“ oder Uneinsichtigkeit sind keine primären Rückfallursachen.<br />

– Rückfälle stellen eine sinnhafte (Pseudo-) Lösung dar, zum Beispiel bei unüberwindlich<br />

erscheinenden (Selbstwert- und Beziehungs- )Krisen. Rückfälle können in diesem Sinne als<br />

Widerstand gegen Veränderung verstanden werden.<br />

– Rückfälle sind Entwicklungschancen: Sie bringen die Realität zurück und verweisen auf<br />

notwendige tiefergehende Veränderung bzw. auf die Akzeptanz der eigenen Begrenztheit.<br />

– Das Thema des Rückfalls sollte präventiv in die Behandlung mit einbezogen werden. Dabei sollte<br />

auch der in vielen Abhängigen schlummernde Wunsch nach „normalen“ bzw. „kontrolliertem“<br />

Trinken angstfrei und sanktionsfrei zur Sprache kommen.<br />

– Helfer sollten sich mit dem Rückfallthema auseinandersetzten, um eigenem Belastungsstress und<br />

Verschleiß vorzubeugen.<br />

Der Weg aus der Sucht braucht Zeit. Mehr Geduld, Gelassenheit und Toleranz für den Lebensweg<br />

anderer Menschen sind angebracht (vgl. KÖRKEL, 1998. S. 56 ff).<br />

„Bei sich selbst (den eigenen Süchten, unveränderten<br />

„schlechten“ Angewohnheiten anfangen – aber nicht bei sich<br />

selbst aufhören...“ (Martin Buber)<br />

Einflussfaktoren auf Rückfälligkeit<br />

Auf Rückfälligkeit können die Art der vorausgegangenen Behandlung, Persönlichkeitsfaktoren und<br />

äußere Bedingungen Einfluss nehmen.<br />

Es gibt keine typische Rückfallpersönlichkeit. Der Unterschied zwischen Rückfälligen und Nicht-<br />

Rückfälligen liegt eher bei dem Hineinwachsen in die Rolle des Rückfälligen durch Dauer der<br />

Abhängigkeit, erlebte Rückfälle sowie Therapieerfahrung. Es wurden jedoch Unterschiede bei<br />

einzelnen psychologischen Merkmalen wie Intelligenz, Motivation, der Grad der allgemeinen Aktivität<br />

und das Selbstkonzept, sowie Unterschiede in Persönlichkeitszügen festgestellt.<br />

Weitere Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, dass Abhängige im Vergleich zu sozial<br />

angepassten Trinkern ein negativeres Selbstwertgefühl aufweisen. Ein Zusammenhang zwischen<br />

positiven Selbstwertgefühl und langfristigem Therapieerfolg liegt nahe.<br />

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Ein Rückfall in erster Linie Ausdruck einer psychischen Bereitschaft (Prädisposition) zur Rückfälligkeit.<br />

Situative Komponenten (Alkoholwerbung, Aufforderungen zum Mittrinken, Stress in Beruf und Familie<br />

etc.) haben lediglich Aufforderungs- und Auslösecharakter und sind nicht von erstrangiger Bedeutung<br />

für Rückfälle.<br />

Als zentrale Personenmerkmale können Einstellungen und Denkgewohnheiten angeführt werden.<br />

Allkoholbezogene Einstellungen, unangenehme Stimmungslagen und eine geringe geistige<br />

Funktionstüchtigkeit stehen in einer systematischen Beziehung zu Rückfälligkeit, nicht aber<br />

Persönlichkeitsmerkmale (vgl. KÖRKEL & LAUER, 1992, S. 71).<br />

Kritische Lebensereignisse<br />

Ein Rückfall kann sich durch eine Vielzahl von Ereignissen anbahnen, die in der psychologischen<br />

Literatur seit zwei Jahrzehnten als „kritische Lebensereignisse“ (zum Beispiel Tod des Partners oder<br />

plötzlicher Verlust der Arbeitsstelle) bezeichnet werden (vgl. KÖRKEL & LAUER, 1992, S. 72).<br />

Diese „kritischen Lebensereignisse“, auch „rückfallkritische Situationen“ genannt, sind durch eine<br />

erhöhte Gefahr gekennzeichnet, die Kontrolle über das freiwillig auferlegte Abstinenzgebot zu<br />

verlieren. Diese Situationen treten vermehrt bei einem Lebensstil auf, der durch zu viele<br />

Verpflichtungen und zu wenigen Regenerationsmöglichkeiten geprägt ist.<br />

Rückfällige sind bei der Bewältigung belastender Lebensereignisse weniger kompetent als Abstinente.<br />

Es ist nicht zu entscheiden, ob Rückfälle Auslöser oder Folgen kritischer Lebensereignisse sind.<br />

Soziales Netzwerk<br />

Die soziale Eingliederung des Suchtkranken nach Abschluss der Behandlung ist für abstinentes<br />

Verhalten von großer Bedeutung. Rückfälligkeit steht in regelhafter Beziehung zu geringer sozialer<br />

Unterstützung beziehungsweise einem niedrigem sozialen Status.<br />

Ob sich Ehe und Familie positiv auf das weitere Trinkverhalten auswirken hängt in hohem Maße von<br />

der Qualität der Beziehung ab. Eine gute Qualität geht mit geringeren Rückfallquoten einher. Etwa ein<br />

Fünftel aller Rückfälle entstehen im Rahmen sozialer Versuchungssituationen.<br />

Arbeitslosigkeit und Arbeitsfaktoren stehen nicht nur in einem allgemeinen systematischen<br />

Zusammenhang mit Alkoholkonsum, sondern sind gehäuft auch Rückfallauslöser.<br />

Derzeit ist es nicht möglich, einem dieser vorgenannten Faktoren eine ursächliche Bedeutung für<br />

Rückfälligkeit zuzuschreiben.<br />

Mögliche Verlaufsformen und Entwicklung von rückfälligem Verhalten<br />

– Der Rückfallverlauf kann Einfluss auf das weitere Trinkverhalten haben (Zeitdauer erhöht die<br />

Wahrscheinlichkeit, dass auch in der Folgezeit dieser Trinkstatus beibehalten wird)<br />

– Zu unterscheiden sind „schwere Rückfälle“ und „episodische, bzw. kurzzeitige Rückfälle“, sowie<br />

Mischformen. Studien belegen, dass der Beginn des erneuten Trinkens nicht im endgültigen<br />

Zusammenbruch enden muss.<br />

– Die Übergänge zwischen mäßigem Trinken, Abstinenz und schwerer Rückfälligkeit können<br />

fließend sein.<br />

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass es einen progressiven Abstieg von der Abstinenz über<br />

verschiedene Zwischenstadien bis zum schweren, unkontrollierten Trinkverhalten gibt, da ebenso viele<br />

Patienten ihr Trinkverhalten im positiven wie im negativen Sinne verändern.<br />

Zentral für den Rückfallprozeß:<br />

– „rückfallkritische“ Situationen (diese sind definiert als „jede Situation“, die eine Bedrohung der<br />

individuellen Kontrollfähigkeit darstellt und die Rückfallwahrscheinlichkeit erhöht)<br />

– „Lebensstilfaktoren“ (das Verhältnis zwischen täglichen Ereignissen und Umständen, die als<br />

angenehm und jenen, die als unangenehm empfunden werden) Als abstinenzunterstützend wird<br />

ein ausgeglichenes Verhältnis von beiden angenommen. Ist die Balance zugunsten der<br />

unangenehmen Ereignisse und Umstände aus dem Gleichgewicht geraten, so führt dies zu<br />

negativen Gefühlen, insbesondere einer gesteigerten Wahrnehmung des Gefühls, ungerecht<br />

behandelt zu sein. Das Bedürfnis nach Entschädigung und Genugtuung steigt, was ein Verlangen<br />

nach Alkohol auslösen kann.<br />

– Rationalisierungen, Verleugnungen und „scheinbar irrelevante“ Entscheidungen (begünstigt<br />

durch Verlangen sowie dem Bedürfnis nach Entschädigung) Wahlen und Entscheidungen für oder<br />

gegen Abstinenz müssen immer wieder neu getroffen werden. Diese Entscheidungen, die,<br />

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einzeln getroffen, nicht als für den Rückfall relevant erkannt werden, sind kritische<br />

Bestandteile von Verhaltensketten, die zu rückfallgefährlichen Situationen bzw. einem Rückfall<br />

führen können (z. B. Die Entscheidung, am Bahnhof die Semmeln zu holen, weil diese besonders<br />

gut sind).<br />

– Kenntnis angemessener Strategien zur Bewältigung dieser rückfallkritischen Situation und<br />

Fähigkeit, diese anzuwenden führt zur Steigerung des Gefühls der individuellen Kontrollfähigkeit<br />

und der Erwartung, auch die nächst auftretende Situation erfolgreich meistern zur können.<br />

– Wenn keine angemessenen Strategien zur Erkennung und Bewältigung der kritischen<br />

Situationen vorhanden sind vermindert sich die Wahrnehmung der Selbsteffizienz (Einschätzung<br />

der eigenen Fähigkeiten). Dies ist häufig gekoppelt an ein gesteigertes Gefühl der Hilflosigkeit und<br />

der Resignation. Mit verminderter Selbsteffizienz sinkt auch die Erwartung, zukünftig schwierige<br />

Situationen bewältigen zu können. Erwartet die/der Abhängige in solchen Momenten vom Alkohol<br />

Bewältigungshilfen, so steigt die Wahrscheinlichkeit für einen Rückfall.<br />

Ist es „zum ersten Schluck“ („lapse“) gekommen, so hängt es von weiteren Faktoren ab, ob sich<br />

daraus die Wiederaufnahme des früheren Trinkverhaltens („relapse“) entwickelt.<br />

– „lapse“ löst Mechanismus des „Abstinenz – Verletzungs – Effektes“ (AEV) aus. Aufgrund der<br />

Unvereinbarkeit der früheren Absicht, abstinent zu bleiben, kommt es zu Konflikt- und<br />

Schuldgefühlen. In dem Maße, in dem die/der Abhängige früher Alkohol als<br />

Bewältigungsstrategie für konfliktreiche Situationen oder Schuldgefühle eingesetzt hat, steigt die<br />

Wahrscheinlichkeit, nach einem „lapse“ auf diese früher gelernten Verhaltensweisen<br />

zurückzugreifen.<br />

– Weiterer Bestandteil des AEV ist die Ursachenzuschreibung. Wird die Ursache eines „lapse“ in<br />

der eigenen Willensschwäche oder dem eigenen Versagen zugeschrieben, so steigt damit auch<br />

die Erwartung an zukünftige Fehlschläge, was wiederum die eigene Wahrnehmung der<br />

verminderten Kontrollfähigkeit steigert.<br />

Auf diese Weise bewegt sich die/der Abhängige im Sinne einer Spirale abwärts, die sich nach<br />

unten hin zunehmend verengt. Der Ausstieg aus dieser Rückfallspirale ist zu jeder Zeit möglich<br />

und sollte so früh wie möglich unterstützt werden.<br />

– gedankliche und emotionale Prozesse (Gedanken, dass man vielleicht doch kontrolliert trinken<br />

könne, dass man keine Entzugssymptome und kein Verlangen nach mehr Alkohol bei sich<br />

feststelle, dass man sich Vorwürfe wegen dieses Fehltritts macht oder dass man Triumphgefühle<br />

erlebt, weil das „kontrollierte“ oder „normale“ Trinken bei einem doch gehe)<br />

Ein schwerer Rückfall ist nach dieser Theorie also die Folge der gedanklich-gefühlmäßigen<br />

Verarbeitung des „Ausrutschers“ – und damit eine sich selbst erfüllende Prophezeiung: Die/der<br />

Abhängige sagt sich nach dem „ersten Schluck“: „Es hat ja eh` keinen Sinn mehr“ - und verhält sich<br />

dem entsprechen (vgl. KÖRKEL, 1998, S. 30 f).<br />

Möglicher Umgang in der <strong>Praxis</strong><br />

Hindernisse sind die schrecklichen<br />

Dinge, die wir sehen, wenn wir das<br />

Ziel aus den Augen verlieren.<br />

Es liegt also nahe, dass es nicht der „alkoholkranke Körper“ ist, der das erste Glas zum<br />

ausgewachsenen Rückfall werden lässt. Entscheidend dafür, wie es nach dem „ersten Schluck“<br />

weitergeht, scheinen vielmehr gedankliche und emotionale Prozesse zu sein.<br />

Folgende Prozesse, die „im Kopf und Herzen“ der/des Abhängigen laufen, sollten<br />

berücksichtigt und individuell bearbeitet werden.<br />

– Die/der Abhängige glaubt, dass eigene Willensschwäche oder Unfähigkeit zur Abstinenz der<br />

maßgebliche Grund dafür ist, dass es zum „ersten Schluck“ gekommen ist.<br />

– Sie/er ist davon überzeugt, dass sie/er ihr/sein Trinkverhalten ohnmächtig gegenübersteht. („Da ist<br />

sowieso nichts mehr zu ändern: Es ist wieder so weit, dass ich abstürze!“)<br />

– Sie/er wird von Schamgefühlen und Schuldgefühlen geplagt, weil sie/er sich als Versager sieht und<br />

sich Vorwürfe macht.<br />

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Um einem auswachsen des rückfälligen Verhaltens entgegenzuwirken sollte die<br />

Abstinenzzuversicht hochgehalten werden.<br />

Die Auseinandersetzung mit dem Thema Rückfall dient der/m Abhängigen dazu, persönliche<br />

Gefahrenquellen zu erkennen, die eigene Gefährdung realistischer einzuschätzen, sowie<br />

Rückfallvermeidungsstrategien zu entwickeln.<br />

Das „Stufen – der – Veränderung“ - Modell (Prochaska und DiClemente)<br />

Menschen „wachsen“ nicht nur über längere Zeit in „in die Sucht hinein“, sondern sie bedürfen auch<br />

längerer Zeiträume um sich ihrer wieder – mit Rückfällen – zu entledigen.<br />

– Aufmerksam werden (ärztliche Information, schlechte Leberwerte...)<br />

– Nachdenken (Konsum und Folgen, Abwägung von Vor- und Nachteilen des Konsums)<br />

– Entscheidung (Veränderung der Konsumgewohnheiten, entsprechende<br />

Veränderungsmaßnahmen)<br />

– Handlung -> VERÄNDERUNG (Abstinenz, mäßigen Konsum, Entgiftung, Entwöhnungsbehandlung<br />

– Aufrechterhaltung (Veränderung in den Alltag integrieren, größere Lebenszufriedenheit ohne<br />

Konsummittel)<br />

– Rückfall (Rückgriff auf Konsum als letzte Bewältigungsressource)<br />

Entscheidend ist, ob es den betroffenen Personen nun gelingt, nach dem Rückfall erneut in den<br />

Veränderungsprozess einzusteigen.<br />

Unterstützend kann sein:<br />

– Schuld- und Schamgefühle, Hoffnungslosigkeit aufgreifen, entgegenwirken<br />

– Hilflosigkeit bearbeiten (Rückfall kommt nicht „plötzlich aus heiterem Himmel“, ist verstehbares<br />

Verhalten und somit auch veränderbar)<br />

– Durch Bearbeitung eigene Verhaltensstruktur transparent machen. (Wann war klar, dass<br />

konsumiert wird? Was war möglicherweise ein Auslöser? Was könnte stattdessen in ähnlichen<br />

Situationen versucht werden? Welche Unterstützung ist denkbar und kann angenommen werden?)<br />

– Festlegung realistischer Ziele (Sicherung des Überlebens, Sicherung des möglicherweise<br />

gesunden Überlebens, Reduzierung der Trinkmenge und der Exzesse, Verlängerung der<br />

alkoholfreien Perioden, dauerhafte Abstinenz)<br />

– Bei der Bearbeitung von Rückfällen es ist nicht sinnvoll, BewohnerInnen als unmotiviert<br />

anzusehen, (in jeder abhängigen Person schlagen „zwei Seelen in einer Brust“: eine, die wegen<br />

der positiven Seiten des Konsums (z.B. Abpufferung von Ängsten) gegen eine Veränderung ist und<br />

eine, die aufgrund der negativen Begleiterscheinungen der Sucht für eine Veränderung ist. Ziel ist<br />

es, diese innere Ambivalenz bewusst und spürbar zu machen und darauf zu setzten, dass das<br />

Erleben der negativen Folgen der Sucht kurz- oder mittelfristig zum veränderten Umgang mit dem<br />

Suchtmittel verhilft.<br />

– Die Verantwortung für oder gegen eine Veränderung bleibt ausdrücklich beim Patienten.<br />

– Emphatie ausdrücken (reflektiertes zuhören, zusammenfassen, offene Fragen stellen)<br />

– Selbstwert fördern (Lob, Zugang zu den eigenen Fähigkeiten fördern, auf Ressourcen aufbauen)<br />

– Kontinuität der Hilfe gewährleisten (Vertrauen)<br />

9 <strong>Gestalt</strong>-<strong>Wandel</strong>, <strong>Gestalt</strong>therapeutische <strong>Praxis</strong>, <strong>Bettina</strong> <strong>Binder</strong>,<br />

<strong>Dr</strong>-Gessler-Str. 18, 93051 Regensburg, www.gestalt-wandel.de


Eigene Grenzen und Möglichkeiten erkennen:<br />

- Klarheit darüber, dass der Wunsch nach Abstinenz nicht unbedingt mit einer<br />

Veränderungsbereitschaft einhergeht (manche Abhängige erwarten vielmehr ein Patentrezept<br />

oder hoffen darauf, dass sie die Dauer des Aufenthalts ihrer Genesung näher bringt). Der<br />

Wunsch ist Heilung, ohne sich in schmerzlicher Weise mit sich selber auseinandersetzen zu<br />

müssen und ohne die Verantwortung für sich selber zu übernehmen.<br />

- Die realistische Wahrnehmung der Grenzen durch Rahmendbedingungen ist von großer<br />

Bedeutung. Sie zeigt, dass nicht alles gemacht werden kann, was denkbar und sinnvoll wäre<br />

und steckt den Rahmen dessen ab, was möglich ist.<br />

- Wer immer wieder über seine eigenen Grenzen geht (weil er sie nicht wahrnimmt, nicht<br />

respektiert,…) erschöpft seine Kräfte und wird anfällig für Unzufriedenheit, Enttäuschung und<br />

Resignation. Das Übertreten der eigenen Grenzen kann ein Hinweis darauf sein, dass der<br />

Helfer seine Bedeutung für den Entwicklungsprozess bzw. für die Abstinenz der/des<br />

Abhängigen überschätzt. Möglich sind Anregung, Begleitung und Unterstützung, aber nicht,<br />

den/die Abhängige/n und deren/dessen Leben verändern. Diese Aufgabe muss von der<br />

betroffenen Person selber übernommen werden<br />

- „Sich selbst kennen“ heißt in diesem Zusammenhang, um die persönlichen Stärken und<br />

Schwächen zu wissen sowie die eigenen Reaktionsweisen verstehen können. Das Wissen um<br />

die eigenen „wunden Punkte“ hilft, persönliche Verstrickungen im Veränderungsprozess<br />

der/des Abhängigen und emotionale Überreaktion auf deren/dessen Rückfall zu vermeiden.<br />

- Überprüfung eigener Motive bezüglich der Wahl des Berufes und bezüglich des Interesses an<br />

der Suchtarbeit<br />

- Möglichkeiten der Regeneration schaffen<br />

Literaturangaben<br />

DE JONG-MEYER, Renate u.a.: Merkmale von Rückfallsituationen. In: DE JONG-<br />

MEYER, Renate & HEYDEN, Thomas (Hrsg.): Rückfälle bei Alkoholabhängigen.<br />

Empirische Untersuchungen zu situativen und internen Bedingungen des<br />

10<br />

Rückfallprozesses. München: Gerhard Röttger Verlag, 1993 (= IFT – Texte, Bd. 26)<br />

<strong>Gestalt</strong>-<strong>Wandel</strong>, <strong>Gestalt</strong>therapeutische <strong>Praxis</strong>, <strong>Bettina</strong> <strong>Binder</strong>,<br />

<strong>Dr</strong>-Gessler-Str. 18, 93051 Regensburg, www.gestalt-wandel.de


FEUERLEIN, Wilhelm: Alkoholismus, Warnsignale Vorbeugung Therapie. 3.,<br />

neubearbeitete Auflage, München: Beck, 1999<br />

GROSS, Werner: Was ist das süchtige an der Sucht? Geesthacht: Neuland –<br />

Verlagsgesellschaft, 1992<br />

KÖRKEL, Joachim (Hrsg.): Der Rückfall des Suchtkranken. Flucht in die Sucht? Berlin<br />

u.a.: Springer Verlag, 1992<br />

KÖRKEL, Joachim & LAUER, Gernot: Der Rückfall des Alkoholabhängigen: Einführung<br />

in die Thematik und Überblick über den Forschungsstand. In: KÖRKEL, Joachim (Hrsg.):<br />

Der Rückfall des Suchtkranken. Flucht in die Sucht? Berlin u.a.: Springer Verlag, 1992<br />

KÖRKEL, Joachim (Hrsg.): <strong>Praxis</strong> der Rückfallbehandlung. Ein Leitfaden für Berater,<br />

Therapeuten, und ehrenamtliche Helfer. 2. Aufl. Wuppertal u.a.: Blaukreuz Verlag, 1998<br />

KÖRKEL, Joachim & KRUSE, Günther: Mit dem Rückfall leben. Abstinenz als<br />

Allheilmittel? 4. aktualisierte und erw. Aufl. Bonn: Psychiatrie – Verlag, 2000<br />

MARLATT, G. Alan: Rückfallprävention: Modell, Ziele und Stadien der<br />

Verhaltensänderung. In: WATZL, Hans & COHEN, Rudolf (Hrsg.): Rückfall und<br />

Rückfallprophylaxe. Berlin u.a.: Springer Verlag, 1989<br />

ROST, Wolf –Detlef : Psychoanalyse des Alkoholismus: Theorien, Diagnostik,<br />

Behandlung. Stuttgart: Klett-Cotta, 1987<br />

WATZL, Hans & COHEN Rudolf (Hrsg.): Rückfall und Rückfallprophylaxe. Berlin u.a. :<br />

Springer Verlag, 1989<br />

Internet:<br />

http://www.dhs.de<br />

http://www.alkoholratgeber.de<br />

Artikel:<br />

Sucht-Selbsthilfekonferenz vom 26.-28.04.2002 in Bonn<br />

"Brennpunkt Rückfall"<br />

DEUTSCHE HAUPTSTELLE<br />

GEGEN DIE<br />

SUCHTGEFAHREN E.V.<br />

11 <strong>Gestalt</strong>-<strong>Wandel</strong>, <strong>Gestalt</strong>therapeutische <strong>Praxis</strong>, <strong>Bettina</strong> <strong>Binder</strong>,<br />

<strong>Dr</strong>-Gessler-Str. 18, 93051 Regensburg, www.gestalt-wandel.de

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