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Grundschule aktuell 91

Wie viele Schriften brauchen Grundschulkinder?

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Heft Nr. <strong>91</strong> • III. Quartal • September 2005 • Best. Nr. 6026 • D9607F<br />

Grundschulverband – Arbeitskreis Grund schu le e. V. • Niddastraße 52 • 60329 Frank furt/Main • Tel. 0 69 / 77 60 06 • www.grundschulverband.de<br />

Wie viele Schriften brauchen<br />

Grundschulkinder


Editorial<br />

»Körper und Stimme<br />

leiht die Schrift<br />

dem stummen Gedanken.<br />

Durch der Jahrhunderte Strom<br />

trägt ihn das redende Blatt.«<br />

Inhalt<br />

S. 2 Im forschenden Blick:<br />

die lernenden Kinder (F. Heinzel)<br />

Thema: Schrift und Schreiben<br />

S. 3 Welche Schreibschrift passt am besten<br />

zum Grundschulunterricht heute<br />

(H. Bartnitzky)<br />

Praxis: Schreiben lernen<br />

S. 13 Wege zur eigenen Handschrift<br />

(A. Gadow)<br />

S. 17 A wie Anfang (U. Andresen)<br />

Grundschulforschung<br />

S. 21 Die eigene Schrift entwickeln –<br />

von Anfang an (Chr. Mahrhofer-Bernt)<br />

<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen, u.a.<br />

S. 26 Berlin: Baustelle <strong>Grundschule</strong><br />

S. 26 Bayern: Heterogenität und Eingangsstufe<br />

S. 27 Brandenburg: Individuelle Lernstandsanalysen<br />

S. 30 NRW: Was ändert sich nach der Wahl<br />

Friedrich Schiller schrieb diese Verse – im Schiller-Jahr 2005 ein passender<br />

Einstieg in unser Thema.<br />

Schreiben ist viel mehr als Technik. Schiller hat Recht mit seinen Worten.<br />

Auch wenn Geschriebenes meist nicht Jahrhunderte überdauert: Schrift ist Gedächtnis.<br />

Und es ist die Geste des Aufhebens, die ihre Faszination ausmacht:<br />

Die eigene Stimme auf dem Papier!<br />

Schreiben ist Hand-Werk. Recht aber hatte auch der namenlose Mönch, der<br />

schon im 8. Jahrhundert klagte: »O wie schwer ist das Schreiben: Es trübt die<br />

Augen, quetscht die Nieren und bringt zugleich allen Gliedern Qual. Drei Finger<br />

schreiben, der ganze Körper leidet!«<br />

Wege zur eigenen Hand-Schrift. Und so greifen wir in der Zusammenschau<br />

von Grundschuldidaktik, Grundschulpraxis und Grundschulforschung das immer<br />

<strong>aktuell</strong>e Thema auf, wie Kinder in der <strong>Grundschule</strong> schreiben lernen und<br />

ihre persönliche Handschrift entwickeln können. »Welche Schrift«, fragt Horst<br />

Bartnitzky in seinem einleitenden Beitrag, »passt am besten zum Grundschulunterricht<br />

heute«<br />

Die Antworten von Angelika Gadow, Ute Andresen und Christina Mahrhofer-bernt<br />

zeigen, dass Schrift und Schreiben in besonderer Weise ein Aspekt<br />

von pädagogischer Kultur sind: Sich der eigenen Schreibgeschichte und<br />

Handschrift bewusst sein. Auf die schreibenden Kinder schauen, mit ihnen<br />

über Schriften und Schreiben sprechen. Ebenso gründlich arbeiten wie grundlegend.<br />

Praxisprojekt und Diskussionsforum<br />

Die Debatte um (Schul-)Schriften und Schreiben mit neuen Aspekten (wieder)<br />

anzustoßen ist Ziel der Texte dieses Heftes. Wir rufen dazu auf, an einem Praxisprojekt<br />

dazu mitzuarbeiten (siehe Aufruf S. 12).<br />

Auf der Homepage des Grundschulverbandes bieten wir ab sofort ein Diskussionsforum<br />

zum Thema an, auch hier hoffen wir auf Ihre rege Beteiligung: www.<br />

grundschulverband.de<br />

Projekt »Pädagogische Leistungskultur«<br />

Wenn dieses Heft seine Leserinnen und Leser erreicht, erscheinen pünktlich die<br />

von vielen ungeduldig erwarteten „Materialien zur pädagogischen Leistungskultur“<br />

(siehe Anzeige auf der Heftrückseite). Zu den drei Fächern Deutsch, Mathematik,<br />

Sachunterricht werden für die Klassen 1 und 2 alltagstaugliche Materialien<br />

vorgelegt, die auch die Kinder als Lerner dialogisch einbeziehen. Damit<br />

legt der Grundschulverband ein Konzept zur <strong>aktuell</strong>en Debatte um Diagnostik<br />

und Leistungsförderung vor, das eine pädagogische Leistungskultur in der Praxis<br />

entwickeln hilft. Das Projekt wird fortgesetzt.<br />

Ulrich Hecker<br />

Impressum<br />

, die Zeitschrift des Grundschulverbandes erscheint<br />

viertel jährlich und wird allen Mitgliedern zugestellt.<br />

Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Das einzelne Heft kostet 5 €;<br />

für Mitglieder und bei Sammelbestellungen ab 10 Hefte 3 € (incl. Versand).<br />

Verlag: Grundschulverband – Arbeitskreis <strong>Grundschule</strong> e. V.<br />

Niddastraße 52, 60329 Frankfurt/Main, Tel. 0 69 / 77 60 06, Fax: 0 69 / 7 07 47 80;<br />

Internet: www.grundschulverband.de, E-Mail: info@grundschulverband.de<br />

Herausgeber: Horst Bartnitzky (für den Vorstand des Grundschulverbandes)<br />

Redaktion: Ulrich Hecker, Hülsdonker Str. 64, 47441 Moers, Tel. 0 28 41 / 2 17 14,<br />

E-Mail: ulrichhecker@aol.com<br />

Redaktionelle Mitarbeit: Friederike Heinzel (Forschung);<br />

Edgar Bohn, Sibylle Jaszovics, Beate Schweitzer (aus den Landesgruppen)<br />

Fotos: Bert Butzke, Mülheim / Ruhr (S. 19); Ulrich Hecker, Moers<br />

Herstellung: novuprint Agentur für Mediendesign, Werbung, Publikationen GmbH,<br />

Bödekerstr. 73, 30161 Hannover, Tel. 05 11 / 9 61 69 – 11, Fax: 05 11 / 9 61 69 – 99<br />

Anzeigenverwaltung: Brigitte Bell, Verlagsgruppe Beltz, Tel. 0 62 01 / 6 00 73 80,<br />

Fax 0 62 01 / 6 00 73 93<br />

Druck: Druckhaus Beltz, 69502 Hemsbach<br />

ISSN 1860-8604<br />

Beilagen: »Eine Welt in der Schule« als ständige Beilage<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005<br />

1


Tagebuch<br />

Im forschenden Blick: die lernenden Kinder<br />

Friederike Heinzel,<br />

Professorin für<br />

Erziehungswissenschaft<br />

mit dem Schwerpunkt<br />

Grundschulpädagogik<br />

an der Universität<br />

Kassel,<br />

Fachreferentin für<br />

Grundschulforschung<br />

beim Grundschulverband.<br />

Seit der Herausbildung einer eigenständigen empirischen<br />

Grundschulforschung in Westdeutschland sind inzwischen<br />

über 25 Jahre vergangen. Im Jahr 2000 wurde aus<br />

der »Arbeitsgruppe Grundschulforschung« die Kommission<br />

»Grundschulforschung und Pädagogik der Primarstufe«<br />

in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft<br />

(DGfE).<br />

Und im September 2005 wird die 14. Tagung »Grundschulforschung«<br />

in Dortmund stattfinden. Inzwischen<br />

hat sich die Grundschulforschung also etabliert.<br />

Das öffentliche Interesse an dieser Forschung konzentriert<br />

sich zurzeit auf die großen Untersuchungen wie<br />

IGLU (Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung)<br />

und VERA (VERgleichsArbeiten), weil hier international,<br />

national oder klassenbezogen Vergleichsdaten<br />

geliefert werden. In IGLU wurden Schülerleistungen<br />

am Ende der vierten Jahrgangsstufe im internationalen<br />

Vergleich getestet. Die Ergebnisse zeigten, dass deutsche<br />

Grundschulkinder im Leseverständnis auf der Ebene des<br />

oberen Leistungsdrittels liegen. Zugleich wurde deutlich,<br />

dass bestimmte Gruppen von Schülerinnen und Schülern<br />

intensiver gefördert werden müssen, nämlich Kinder mit<br />

Migrationshintergrund, Kinder aus bildungsfernen Milieus<br />

und in bestimmten Bereichen Jungen (Orthographie)<br />

oder Mädchen (Mathematik). Hier gibt es weiteren Forschungs-,<br />

Diskussions- und Handlungsbedarf. IGLU rät<br />

übrigens insgesamt zu mehr pädagogischem Optimismus<br />

in Deutschland in Bezug auf die Bildungsfähigkeit<br />

der nachwachsenden Generation. Mit dem standardisierten<br />

Leistungstest VERA werden Kompetenzen der Fächer<br />

Deutsch und Mathematik erhoben, auf der Ebene von<br />

Bundesländern, Schulen und Schulklassen.<br />

Leider führt die Rezeption der genannten Untersuchungen<br />

teilweise zu einer Überhöhung der Bedeutung von<br />

Tests und zu einer Stärkung der Outputorientierung.<br />

Tests sollten aber Instrumente bleiben und gute Testergebnisse<br />

nicht zum Hauptziel von Unterricht avancieren.<br />

Ich möchte Sie ermutigen, die ermittelten Daten als<br />

nützliche Informationen über Stärken und Schwächen<br />

des Grundschulunterrichts auf Landes-, Schul- oder Klassenebene<br />

zu lesen. Nutzen Sie die Forschungsergebnisse,<br />

um Probleme zu erkennen, Einschätzungen zu überprüfen<br />

oder Anregungen für interessante Aufgabenformate<br />

zu gewinnen!<br />

Die Notwendigkeit einer eigenen Grundschulforschung<br />

ergibt sich aus der Besonderheit der Schulform: ihrer<br />

grundlegenden Aufgabe, der Heterogenität der Schüler-<br />

schaft und den Anforderungen der Schuleingangs- und<br />

Alterstufe.<br />

Es gibt eine Vielzahl von Untersuchungen, die im Bereich<br />

der genannten Schwerpunkte der Grundschulforschung<br />

entstanden sind und Interesse wecken sollten. Als ein<br />

Beispiel soll KILIA (Kooperationsprojekt Identitäts- und<br />

Leistungsentwicklung im Anfangsunterricht) genannt<br />

werden. Hier wird festgestellt, dass Leistungsunterschiede<br />

am Ende der ersten Klasse in erster Linie auf schon<br />

bestehende Differenzen am Schuljahresanfang zurückzuführen<br />

sind, weshalb die Lernvoraussetzungen im Anfangsunterricht<br />

eine größere Bedeutung erhalten sollten<br />

und eine Förderung schon vor der Schule notwendig ist.<br />

Zum Schulbeginn gibt es weder beim Schriftspracherwerb<br />

noch im Mathematikunterricht eine Stunde Null. Die Unterschiede<br />

im Bereich des Vorwissens sind in Mathematik<br />

beträchtlich, und der Schriftspracherwerb hängt von den<br />

Schrifterfahrungen ab. Kinder profitieren von anregenden<br />

Handlungsspielräumen und der Eröffnung individueller<br />

Lernwege im Unterricht.<br />

Insgesamt empfehle ich, nicht nur die quantitativen Untersuchungen<br />

zur Kenntnis zu nehmen, sondern auch Fallstudien<br />

oder Mikrostudien, die auf Beobachtungen aus<br />

dem Schulalltag beruhen oder in denen Unterrichtsprotokolle<br />

interpretiert werden. Gerade für grundschulpädagogische<br />

Forschung ist die Nähe zur Praxis kennzeichnend<br />

und nicht selten wird dann mit qualitativen Daten gearbeitet.<br />

Auch die Perspektiven des lernenden Kindes oder<br />

kinderkulturelle Erfahrungen in der Schule lassen sich<br />

besser mit qualitativen Zugängen erfassen.<br />

Die Rezeption von Beobachtungs- oder Fallstudien kann<br />

dazu beitragen, dass die Komplexität des Lehrerhandelns<br />

und Widersprüche im Schulalltag besser verstanden werden<br />

können und sich der eigene Blick schärft für den Sinn<br />

von Ordnungen, Regeln und Ritualen im Schulalltag, für<br />

die Bedeutung der Sozialbeziehungen der Kinder oder das<br />

kollektive Fabrizieren von Antworten im Unterricht. Solche<br />

Studien geben einen Einblick in andere Klassenzimmer,<br />

können durch die Übertragung auf eigene Entscheidungssituationen<br />

Spielräume erweitern und die eigenen<br />

Möglichkeiten zu reflektiertem Unterrichtshandeln ausbauen.<br />

Friederike Heinzel<br />

2 GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005


Thema: Schrift und Schreiben Thema:<br />

Welche Schreibschrift passt am besten<br />

zum Grundschulunterricht heute<br />

»Der Schriftenwirrwar« –<br />

ein reales Politikstück<br />

in drei Akten<br />

1. Akt: Die konservative Zeitung in einem<br />

großen Bundesland berichtet seriös über<br />

die Neuregelung im Lehrplan-Entwurf<br />

Deutsch. Danach soll die Ausgangsschrift<br />

die Druckschrift sein und die<br />

Kinder sollen aus der Druckschrift ihre<br />

persönliche Handschrift entwickeln. Die<br />

Lehrkraft kann zur Unterstützung dieses<br />

Prozesses die Vereinfachte Ausgangsschrift<br />

heranziehen – nicht als Ausgangsschrift,<br />

die Zug um Zug kopiert werden<br />

muss, sondern als Orientierungsschrift.<br />

Die konservative Zeitung zündelt dann<br />

in derselben Ausgabe durch die Überschrift:<br />

Ministerium schafft Schreibschrift<br />

ab! Sie hat Schulleute befragt<br />

und druckt nun deren Meinung ab. Eine<br />

Schulleiterin befürchtet die Individualisierung<br />

der Handschrift: »Wenn jeder<br />

Grundschüler seine eigene Handschrift<br />

entwickeln kann, entsteht ein heilloses<br />

Durcheinander.« Eine andere hat gerade<br />

den Verlust von Individualität vor Augen:<br />

»Der Verzicht auf Schreibschrift wäre ein<br />

Verlust von Individualität.«<br />

aus: Rheinische Post<br />

18.11.2003 (oben) bzw. 19.11.2003<br />

2. Akt: Nun kann jede und jeder mitreden.<br />

Die Opposition verlangt im Landtag<br />

eine Diskussion zum drohenden Aus für<br />

die Schreibschrift. Der Bildungsexperte<br />

der großen Oppositionspartei greift in<br />

die Chaos-Kiste: »Das Schulministerium<br />

muss das Schriftenwirrwarr aufklären.«<br />

Und gleich weiter: »Die weitere Nivellierung<br />

der Leistungsansprüche an <strong>Grundschule</strong>n<br />

ist unerträglich.« Der Sprecher<br />

der kleinen Oppositionspartei hält die<br />

Vereinfachte Ausgangsschrift für »eigentlich<br />

ungeeignet. Aus Gründen der<br />

Lesbarkeit und der Schriftentwicklung ist<br />

es sinnvoll, mit der klassischen Schreibschrift<br />

zu beginnen.« Und die Bildungsexpertin<br />

derselben Partei fordert gleich<br />

die Abschaffung des Curriculuminstituts,<br />

die dort arbeitenden Lehrkräfte sollten<br />

besser an Schulen unterrichten.<br />

3. Akt: Im Schulministerium herrscht helle<br />

Aufregung um so viel unvermuteten<br />

Wirbel um die Schrift. Die Schulministerin<br />

beeilt sich zu beschwichtigen. Die<br />

Aufregung ist so groß, dass der Lehrplantext<br />

im Ministerium gar nicht richtig<br />

gelesen und die Ministerin mit einer<br />

Falschaussage gebrieft wird: Es werde<br />

selbstverständlich die Vereinfachte oder<br />

die Lateinische Ausgangsschrift gelehrt.<br />

Auf den Widerspruch zum Lehrplantext<br />

angesprochen, redet sich der Ministersprecher<br />

damit heraus, die Lehrplanformulierung<br />

sei »etwas schwammig«.<br />

Die weitere Auskunft des Ministeriums:<br />

Nicht nur die Vereinfachte und die Lateinische,<br />

auch die Schulausgangsschrift<br />

sei nun zugelassen. Also: Happy End.<br />

Das Stück zeigt, wie Oppositionspolitik<br />

funktionieren kann: Eine Kampagne<br />

wird öffentlich von<br />

außen gegen die<br />

Regierung angezettelt,<br />

hier durch<br />

eine der Opposition<br />

zugeneigte<br />

Presse.<br />

Die Opposition<br />

kann ihre Chaos-Reden<br />

halten und die Schulministerin<br />

ins Schwimmen bringen. Am Ende regierungsamtliche<br />

Beschwichtigung, Rücknahmen,<br />

Aus.<br />

Sachverstand muss im ganzen Stück<br />

keine Rolle spielen.<br />

Nächstes Thema, nächstes Stück.<br />

Was sich hier in einem Bundesland vor<br />

zwei Jahren abspielte, kann sich überall<br />

ereignen. Es gehört nur das politische<br />

Gespür für mobilisierende Themen<br />

dazu, Themen, die keiner Erklärung bedürfen,<br />

die allein durch das Stichwort<br />

zur Empörungswelle funktionieren. Im<br />

Grundschulbereich sind die Klassiker<br />

dazu Diktate und Rechtschreibung, Zensuren,<br />

Kuschelpädagogik – und eben die<br />

Schreibschrift.<br />

Welche Schrift ist angesagt<br />

Um den Begriff eines Politikers aus dem<br />

2. Akt aufzunehmen: Was denn ist die<br />

klassische Schreibschrift<br />

Zur Schriftenfrage gibt es durch die<br />

Jahrhunderte eine vielgestaltige Entwicklung.<br />

Im Laufe der letzten hundert<br />

Jahre wurde mindestens sieben Mal die<br />

Schulschrift gewechselt (zur Geschichte:<br />

Neuhaus-Siemon 1981):<br />

n »Auf, ab, auf – Pünktchen drauf.«<br />

Am Jahrhundertanfang wurde deutsche<br />

Schrift geschrieben, oft steil mit langen<br />

Ober- und Unterlängen, die Bandzugfeder<br />

sorgte für dünne Aufstriche und<br />

dicke Abstriche.<br />

n Nach dem ersten Weltkrieg setzten<br />

sich die beiden von Sütterlin entwickelten<br />

Schriften für den Schulgebrauch<br />

durch: die deutsche (oft Sütterlin-Schrift<br />

genannte, Abb. 1, S. 4) und die lateinische<br />

Schrift (Proportionen der drei<br />

Bänder 1 : 1 : 1, senkrechte Buchstaben,<br />

Rundformen, Abb. 2, S. 4).<br />

n 1935 wurde eine abgeänderte Sütterlin-Schrift<br />

als Deutsche Volksschrift<br />

verbindlich (leichte Schräglage, weniger<br />

Rundformen).<br />

n 1941 wurde sie per Hitler-Erlass abgeschafft,<br />

verbindlich wurde die lateinische<br />

Schrift in einer Variante, die Deutsche<br />

Normalschrift genannt wurde (Proportionen:<br />

2 : 3 : 2, Schrägstellung, Ovalformen).<br />

n 1953 wurde sie ersetzt durch die Lateinische<br />

Ausgangsschrift (LA, Abb. 3,<br />

S. 4) mit Varianten zur Deutschen Normalschrift<br />

(insbesondere in einem Zug<br />

schreibbare Kleinbuchstaben mit Anstrichen<br />

und vielen Drehrichtungswechseln,<br />

geschwungenere Linienführung). Die<br />

deutsche Schrift wurde noch zusätzlich<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005<br />

3


Thema: Schrift und Schreiben<br />

gelehrt, auch um Schriftstücke der älteren<br />

Generation lesen zu können.<br />

n In der DDR wurde 1968 die Schulausgangsschrift<br />

(SAS, Abb. 4) als lateinische<br />

Schrift verbindlich (ähnlich wie<br />

die Lateinische Ausgangsschrift, aber<br />

einige Buchstabenvarianten).<br />

n In der BRD wurde seit den achtziger<br />

Jahren die Vereinfachte Ausgangsschrift<br />

(VA, Abb. 5) in vielen Bundesländern<br />

zugelassen (Proportion 1 : 1 : 1, drastische<br />

Reduktion der Drehrichtungswechsel,<br />

Luftsprünge, Baukastenprinzip: Kleinbuchstaben<br />

beginnen oben am Mittelband<br />

und enden dort).<br />

n Heute ist in den meisten Bundesländern<br />

die Druckschrift die verbindliche<br />

Erstschrift, eine verbundene Schrift ist<br />

verbindliche Zweitschrift, dabei gibt es<br />

nahezu alle Varianten in den zugelassenen<br />

Schriften: nur VA, nur SAS; LA oder<br />

VA, LA oder SAS, VA oder SAS, LA oder VA<br />

oder SAS (siehe Tabelle S. 10).<br />

Ist die LA oder die VA oder die<br />

SAS ein Kulturgut<br />

In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts<br />

ging die Diskussion um die<br />

Alternative: deutsche oder lateinische<br />

Schrift. In den zwanziger Jahren gab es<br />

die Bestrebung, die deutsche Schrift als<br />

nationales Kulturgut zu erhalten. Praktisch<br />

lief das darauf hinaus, dass beide<br />

Schriften gelehrt wurden, die lateinische<br />

zuerst, die deutsche später oder umgekehrt.<br />

Im Nationalsozialismus wurde<br />

zunächst die deutsche Schrift als Teil der<br />

deutschen Kultur angesehen, sie war nun<br />

die verbindliche Erstschrift. »Wir schützen<br />

sie, weil sie zum deutschen Menschen<br />

gehört, wie die Sprache, der das<br />

fremde Kleid nicht ansteht. Wir wissen,<br />

dass wir mit unserer Schrift einen Teil<br />

unseres Selbst aufgeben würden« (zitiert<br />

bei: Neuhaus-Siemon, S. 32). 1941 wurde<br />

durch einen Hitler-Erlass das Blatt gewendet:<br />

die lateinische Schrift wurde als<br />

»Deutsche Normalschrift« deklariert und<br />

verbindliche Erstschrift. Damit trug der<br />

Erlass der Einsicht Rechnung, dass sich<br />

in den eroberten Gebieten mit einer lateinischen<br />

Schrift, die für alle lesbar war,<br />

besser herrschen ließe.<br />

Heute hat die Generation der Entscheidungsträger<br />

mit der Lateinischen<br />

Abb. 3: Lateinische Ausgangsschrift (LA)<br />

Abb. 1: Sütterlin<br />

Abb. 4: Schulausgangsschrift (SAS)<br />

Abb. 2: Sütterlin Lateinschrift<br />

Abb. 5: Vereinfachte Ausgangsschrift (VA)<br />

4 GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005


Thema: Schrift und Schreiben<br />

Ausgangsschrift schreiben gelernt, viele<br />

halten sie deshalb für ein überkommenes<br />

Kulturgut. Tatsächlich wurde sie<br />

Anfang der fünfziger Jahre vom Iserlohner<br />

Schreibkreis für einen Unterricht<br />

entwickelt, der den Kindern viel Zeit für<br />

Schönschreiben gewährte, der in den<br />

Schönschreibstunden auch die verzwickten<br />

Buchstabenverbindungen übte. In<br />

Nordrhein-Westfalen zum Beispiel gab<br />

es bis 1973 das Fach Schönschreiben mit<br />

zwei Wochenstunden. Erst, wenn die<br />

Schrift in ihrem exakten Duktus von den<br />

Kindern beherrscht war, durften sie ihre<br />

persönliche Schrift entwickeln.<br />

Schon an der oben skizzierten Entwicklung<br />

der Schulschriften ist erkennbar,<br />

dass nicht die einzelne Variante das<br />

überkommene Kulturgut darstellt. Vollends<br />

wird eine bestimmte Schulschrift-<br />

Variante als Kulturgut obsolet, wenn<br />

man die Schriften Erwachsener miteinander<br />

vergleicht – es gibt so viele Schriftvarianten<br />

wie Menschen. Gerade starke<br />

Persönlichkeiten haben ihre unverwechselbare<br />

eigene Schrift, das gilt für Politiker<br />

wie für Manager, für Künstler wie für<br />

Normalos.<br />

Das allen gemeinsame Kulturgut ist<br />

die lateinische Buchstabenschrift, die<br />

uns ermöglicht, mit wenigen Zeichen<br />

alles sprachlich Erdenkliche zu verschriften.<br />

Hierbei sind es eigentlich zwei Alphabete,<br />

die wir heute verwenden:<br />

n die römische Antiqua ( Abb. 6), die<br />

Steinschrift, mit so formklaren wie<br />

formschönen Großbuchstaben und<br />

n die im Mittelalter ergänzten Kleinbuchstaben,<br />

die karolingische Minuskel<br />

( Abb. 7)<br />

Beide wurden jahrhundertelang weithin<br />

unverbunden geschrieben. Erst im<br />

17./18. Jahrhundert entwickelten sich lateinische<br />

verbundene Schriften, die Kurrentschriften.<br />

Ständig wechselten dabei<br />

die Formvarianten, sie sind modischer<br />

Natur. Mal waren sie völlig verbunden,<br />

dann weniger oder gar nicht; mal waren<br />

die Formen spitz, mit überhohen Oberund<br />

Unterlängen, dann wieder gestauchter,<br />

runder, mal waren sie reichhaltig<br />

verziert, verschnörkelt, mit geschwungenen<br />

kalligrafischen Elementen, dann<br />

wieder schlicht bis einfach; mal dienten<br />

sie vor allem der Ästhetik, dann wieder<br />

mehr dem Inhalt und der pragmatischen<br />

Funktion des Schreibens und der guten<br />

Erlesbarkeit. »Schriften sind Zeiterscheinungen«<br />

(Menzel in Neuhaus-Siemon,<br />

S. 146).<br />

Überzeitliches Kulturgut ist in unserem<br />

Kulturkreis die lateinische Schrift:<br />

die Antiqua der Großbuchstaben und<br />

die zuzuordnenden Kleinbuchstaben,<br />

weshalb beides zusammen in der didaktischen<br />

Literatur Gemischtantiqua<br />

genannt wird. Alle verbundenen Schriftvarianten<br />

sind daraus konstruiert, sie<br />

kommen und gehen, wie der Blick in die<br />

Schul-Geschichte zeigt.<br />

Zur Erlernbarkeit<br />

der Schriften<br />

Abb. 7: Karolingische Minuskel<br />

Bis zur Reformpädagogik zu Anfang des<br />

20. Jahrhunderts galt die jeweilige Schulschrift<br />

als Ausgangs- und als Zielschrift,<br />

d. h. die Buchstaben und die Verbindungen<br />

wurden Zug um Zug nach vorgegebener<br />

Norm gelernt und sollten so auch<br />

weiterhin geschrieben werden mit identischen<br />

Buchstabenformen und gleichförmigen<br />

Schreibbewegungen. Eine persönliche<br />

Handschrift galt dagegen nicht<br />

als Ziel der Schule. Schreibenlernen und<br />

-üben nahmen einen großen Raum in der<br />

Unterrichtszeit ein.<br />

Die Reformpädagogik brachte auch<br />

hier einen Paradigmenwechsel: Möglichst<br />

einfache Buchstabenformen sollten<br />

die Schrift leichter lernbar machen<br />

und eine persönliche, individuell ausgeprägte<br />

Handschrift entwickeln helfen.<br />

Abb. 6: Römische Antiqua<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005<br />

5


Thema: Schrift und Schreiben<br />

Abb. 9:<br />

Aus einem Schönschreibheft<br />

1951<br />

Die didaktischen Ansätze dazu waren<br />

unterschiedlich. Oft spielte die Druckschrift<br />

am Anfang eine Rolle, mit mehr<br />

oder weniger Vorgaben wurde hieraus<br />

eine verbundene Schrift entwickelt.<br />

Hans Brückl (zuerst 1922) ließ die<br />

Kinder als erstes vier Grundformen<br />

üben: den Reifen, den Spazierstock, die<br />

Schlange und die Turnstange. Aus diesen<br />

Grundformen wurden alle großen und<br />

kleinen Druckschriftbuchstaben zusammengesetzt.<br />

Anschließend lernten die Kinder, die<br />

Druckbuchstaben miteinander zu verbinden<br />

(Brückl in Schorch, S. 48 ff.,<br />

Abb. 8).<br />

Anders Artur Kern (zuerst 1931). Er<br />

argumentierte von seiner Ganzheitstheorie<br />

aus: Das einzelne Wort sollte<br />

als ganze Gestalt sinnfällig werden<br />

– beim Lesen wie beim Schreiben, nicht<br />

buchstabenweise, sondern wortweise.<br />

Deshalb votierte er für die verbundene<br />

Schrift beim Lesen- wie beim Schreibenlernen.<br />

Damit das Schreiben lernbar war,<br />

wurde in einem Vorkurs die Schreibmuskulatur<br />

trainiert, wurden grafische Bewegungsabläufe<br />

geübt wie Schleifen, Zacken,<br />

Girlanden, Arkaden und dann erste<br />

Wörter in einem Zug erschrieben, also<br />

Buchstaben für Buchstaben miteinander<br />

verbunden (Kern in Schorch, S. 56 ff.)<br />

Abb. 8: Brückl<br />

Nach dem zweiten Weltkrieg entwickelte<br />

sich bei den meinungsführenden<br />

Vertretern des Iserlohner Schreibkreises<br />

eine Auffassung vom Schreiben als<br />

rhythmischer Bewegung. (z. B. Lämmel<br />

in Schorch, S. 62 ff.) Damit wurde Stellung<br />

gegen das Konzept von Brückl<br />

genommen: Das Synthetisieren von<br />

Buchstaben aus vier Grundformen, das<br />

Schreibdrucken, dann daraus die Entwicklung<br />

der verbundenen Schrift wurde<br />

als »Schreibstottern« verurteilt, Drucken<br />

verleite die kindliche Hand zum Drücken.<br />

Schreiben als Schwingen wurde<br />

dagegen gesetzt. Nach Vorkursen mit<br />

Aufgaben zum Kneten, Reißen, Falten<br />

und dem Schreibturnen von Arm, Hand<br />

und Fingern wurden erschwingbare<br />

Wörter (eile), später auch Buchstaben,<br />

Buchstabenverbindugen und -gruppen,<br />

Wörter und kleine Sätze geübt. Die Ganzheitler<br />

schrieben vorzugsweise Wörter,<br />

die Synthetiker zunächst Buchstaben,<br />

Buchstabengruppen, dann Wörter. In<br />

gesonderten Schönschreibstunden wurde<br />

reihenweise derselbe Buchstabe, dieselbe<br />

Buchstabenverbindung, dieselben<br />

Wörter geschrieben ( Abb. 9).<br />

Die Lateinische Ausgangsschrift<br />

konnte deshalb reich an Bewegungsformen<br />

sein, weil sie auf solche Weise ausgiebig<br />

geübt wurde. Man denke nur an<br />

die geflammten Aufstriche bei den großen<br />

Buchstaben A, M, N, an schwierige<br />

Verbindungen wie den Übergang von r zu<br />

z, an die unterschiedlichen Buchstabenformen<br />

je nach Anschluss wie die Varianten<br />

des e in den Verbindungen le, re, se,<br />

Te oder an die vielen Drehrichtungswechsel<br />

mit möglichst exakten Deckstrichen<br />

wie bei a, d, g.<br />

In Bayern wurde im übrigen an der<br />

Brücklschen Didaktik bis in die sechziger<br />

Jahre festgehalten und die Lateinische<br />

Ausgangsschrift erst 1966 für die Schulen<br />

genehmigt. Schon 1981 wurde an die<br />

Brücklsche Tradition der Druckschrift<br />

als Erstschrift wieder angeknüpft.<br />

Zurück zur Lateinischen Ausgangsschrift.<br />

Angesichts vielfältiger neuer<br />

Aufgaben für die <strong>Grundschule</strong> wie das<br />

neue Fach Sachunterricht, fachlich komplexerem<br />

Musik- und Kunstunterricht<br />

entfielen bei gleicher Zahl der Unterrichtsstunden<br />

die besonderen Schönschreibstunden,<br />

ein allgemeiner Schriftverfall<br />

wurde prompt beklagt.<br />

Der Vergleich mit Erwachsenenschriften<br />

zeigte, dass die schwierigen Buchstabenformen<br />

und Verbindungen der Lateinischen<br />

Ausgangsschrift von geübten<br />

Schreibern in ihrer eigenen Handschrift<br />

vereinfacht wird; die Kinder mussten<br />

mithin eine hoch komplexe Form lernen,<br />

die sie sich im weiteren Verlauf selbst vereinfachten.<br />

Das erschien als didaktisch<br />

widersinnig. Dies führte nach entsprechenden<br />

Untersuchungen von Heinrich<br />

Grünewald zur Entwicklung der Vereinfachten<br />

Ausgangsschrift, die gegenüber<br />

der Lateinischen Ausgangsschrift insbesondere<br />

den Vorteil der leichteren Erlernbarkeit<br />

hat: die Drehrichtungswechsel<br />

sind drastisch reduziert, die Großbuchstaben<br />

sind an die Antiqua angelehnt,<br />

gesonderte Verbindungsstriche werden<br />

nicht gefordert, die Kleinbuchstaben beginnen<br />

fast alle am oberen Mittelband<br />

und enden dort, sie sind also im Baukastenprinzip<br />

miteinander zu verbinden.<br />

Wo Verbindungsstriche zum folgenden<br />

Buchstaben in der Buchstabenform nicht<br />

angelegt sind, macht die Hand einen<br />

Luftsprung; dadurch verbindet diese<br />

Schriftvariante nicht durchweg jeden<br />

Buchstaben mit jedem in einem Wort.<br />

Wilhelm Topsch setzte sich kritisch<br />

mit den Forschungen zur Vereinfachten<br />

6 GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005


Thema: Schrift und Schreiben<br />

Ausgangsschrift auseinander. Er stellte<br />

fest, dass die Forschungen fehlerhaft<br />

waren und unzutreffende Behauptungen<br />

aufgestellt wurden. Zum Beispiel gebe es<br />

keinen empirisch gesicherten Beweis dafür,<br />

dass die Kinder mit der Vereinfachten<br />

Ausgangsschrift bessere Rechtschreiber<br />

würden als mit der Lateinischen Ausgangsschrift<br />

(Topsch in Hasert/Ossner<br />

1998, S. 75 ff.).<br />

Allerdings bleibt weiterhin richtig,<br />

dass die Vereinfachte leichter zu lernen<br />

ist als die Lateinische Ausgangsschrift.<br />

Meinen Beobachtungen nach verleitet<br />

dies übrigens viele Lehrkräfte dazu, die<br />

Vereinfachte Ausgangsschrift nicht zu<br />

lehren, schwierigere Buchstaben und<br />

Verbindungen nicht gesondert zu üben.<br />

Häufig wird den Kindern ein Lehrgang<br />

zum selbsttätigen Schreibenlernen übergeben.<br />

Die Schreibergebnisse sind dann,<br />

was Formklarheit und Lesbarkeit betrifft,<br />

sehr unbefriedigend.<br />

Karl Heinz Schniewind bestätigte in<br />

seiner Schriftuntersuchung zur Vereinfachten<br />

Ausgangsschrift diese Beobachtung:<br />

Die schlechtesten Schriftergebnisse<br />

gab es in der Klasse mit der geringsten<br />

Dauer des Schreiblehrgangs; die besten<br />

Schriften gab es in Klassen, in denen mit<br />

den Kindern am dichtesten gearbeitet<br />

werden konnte: in Klassen mit höchstens<br />

23 Schülern und nur ein bis zwei Lehrkräften<br />

in den Kernfächern (Schniewind<br />

2004, S. 11).<br />

Seitdem 1981 in Bayern die Druckschrift<br />

als Erstschrift (wieder) eingeführt<br />

wurde, folgten bis heute nahezu alle Bundesländer.<br />

Dies hat auch schwer wiegende<br />

inhaltliche Gründe, auf die im folgenden<br />

Kapitel noch eingegangen wird. Hier<br />

geht es um die Lernbarkeit. Ein wichtiger<br />

Aspekt dabei ist, wie viele Bewegungsmuster<br />

für die einzelnen Schriftformen<br />

gelernt werden müssen. Bei der Lateinischen<br />

Ausgangsschrift sind es besonders<br />

viele, weil zahlreiche Buchstabenverbindungen<br />

gesondert gelernt werden müssen.<br />

Bei der Druckschrift sind es besonders<br />

wenige, weil sie aus extrem wenigen<br />

Bewegungsmustern besteht, Brückl reduzierte<br />

sie sogar auf vier. Kinder wählen<br />

wohl auch deshalb Druckschriftformen,<br />

wenn sie lange vor der Schule beginnen,<br />

die Buchstabenschrift zu entdecken, vorzugsweise<br />

die Großbuchstaben, die nur<br />

aus Strichen, Kreisen und Halbkreisen<br />

zusammengesetzt sind. Die Vereinfachte<br />

und die Schulausgangsschrift liegen in<br />

der Zahl der Bewegungsmuster zwischen<br />

Druckschrift und Lateinischer Ausgangsschrift.<br />

Geht es also um die Frage der Lernbarkeit,<br />

dann spricht alles dafür, dass die<br />

Druckschrift die Erstschrift sein muss.<br />

Diese Erkenntnis ist auch wissenschaftlich<br />

nicht neu. Legendär ist die Untersuchung<br />

von Rudolf Meis aus dem Jahr<br />

1963. Meis fasste damals zusammen:<br />

»Bei Schreibversuchen mit insgesamt<br />

3750 Schulanfängern wurden 10 Wörter<br />

jeweils in unverbundener Druckschrift<br />

und verbundener Schreibschrift erprobt.<br />

Bei jedem Wort waren die Druckschrift-<br />

Ergebnisse besser, und der Vorsprung<br />

der Druckschrift wurde um so größer, je<br />

schwieriger die zu schreibenden Wörter<br />

waren. Alle Unterschiede sind statistisch<br />

hochsignifikant (P >0,001). Auch aus folgenden<br />

Gründen muss die Druckschrift<br />

als erste Lese- und Schreibschrift gefordert<br />

werden:<br />

1. Die Druckschrift ist einfacher und<br />

klarer, »prägnanter«,<br />

2. bei Druckschrift-Texten werden von<br />

Kindern weniger Fehler gelesen,<br />

3. Schriften ohne Aufstriche sind physisch<br />

leichter zu erzeugen,<br />

4. die Abstriche sind die Hauptträger<br />

des Bewegungserlebnisses« (Meis,<br />

S. 31).<br />

Das ist nun über vierzig Jahre her, aber<br />

nach wie vor gültig.<br />

Schrift hat funktionalen Wert<br />

Werden damit die Leistungsansprüche<br />

weiter nivelliert, wie Kritiker argwöhnen<br />

Die Unterstellung liegt bereits in<br />

dem Adverb weiter. Die moderne Schule,<br />

so die schulpessimistische Behauptung,<br />

nivelliere, also reduziere auf ein unteres<br />

Niveau permanent die Leistungsansprüche.<br />

Schulhistorisch ist aber das Gegenteil<br />

der Fall: Die Leistungsansprüche sind<br />

über die Jahrzehnte gestiegen. Bei gleich<br />

bleibender Unterrichtszeit wurden die<br />

verbindlichen Unterrichtsinhalte über<br />

die Jahre enorm vermehrt, man denke an<br />

Bereiche wie Umweltschutz, Naturwissenschaft,<br />

gesunde Ernährung, Sexualerziehung,<br />

neue Medien, an die größere<br />

Selbstständigkeitsförderung und an die<br />

erhebliche Zunahme erzieherischer Aufgaben,<br />

ganz zu schweigen von der ersten<br />

Fremdsprache und der besonderen Vermittlung<br />

von Deutsch als Zweitsprache.<br />

Angesichts erheblich gestiegener Aufgaben<br />

der Schule spricht vieles dafür, wo<br />

es möglich ist, Lernprozesse ökonomischer<br />

zu gestalten. Schrift<br />

ist eine Kulturtechnik und hat vor<br />

allem funktionalen Wert. Sie sollte<br />

deshalb so zeitökonomisch wie<br />

möglich erarbeitet werden.<br />

Zudem: Nach heutigen Verständnis<br />

ist Schreibenlernen nicht<br />

mehr auf den schreibmotorischen<br />

Aspekt zu reduzieren, also auf das<br />

inhaltsfreie Kopieren von Buchstabenformen,<br />

vielmehr ist Schreibenlernen<br />

eingelagert in den<br />

aktiven Schriftspracherwerb und<br />

insofern ungleich anspruchsvoller<br />

als früher. Dazu später mehr.<br />

Und die kritische Frage nach der<br />

Ästhetik Insbesondere die Lateinische<br />

Ausgangsschrift erscheint<br />

manchem als die ästhetischste und deshalb<br />

die Schrift der Wahl. Abgesehen davon,<br />

dass sich trefflich über Geschmack<br />

streiten lässt: Man betrachte römische<br />

Inschriften in der Steinschrift, also mit<br />

den großen »gedruckten« Buchstaben<br />

(vgl. Abb. S. 6, S. 5). Sie haben doch wohl<br />

eine zeitlose Ästhetik.<br />

Schreiben ist viel mehr<br />

als eine Technik<br />

Bis in die achtziger Jahre hinein wurde<br />

das Schreibenlernen entweder als ästhetisches<br />

Gestalten mit grafischen Formen<br />

und Schrift oder, banaler, als Einüben der<br />

schreibmotorischen Technik verstanden<br />

und so auch praktiziert. Mal stand<br />

die Bewegung im Vordergrund wie beim<br />

Iserlohner Schreibkreis, mal die Form wie<br />

bei Brückl, der dritte Aspekt von Schrift,<br />

ihr Sinn, ihre Funktion, ihre Inhaltlichkeit<br />

wurde zunächst ausgeklammert (siehe<br />

Glöckel in Schorch, S. 89 ff.). Der Grund<br />

hierfür war das Fehlervermeidungsprinzip<br />

im normgebundenen Rechtschreibunterricht.<br />

Wenn die Kinder nichts schreiben<br />

sollten, was rechtschriftlich normwidrig<br />

war, dann konnten sie frühestens in Klasse<br />

3 beginnen, eigene Sätze und Texte zu<br />

schreiben. Der »Aufsatzunterricht« setzte<br />

denn auch erst auf dieser Jahrgangsstufe<br />

ein.<br />

Schon in den siebziger Jahre gab es<br />

Bemühungen, Schreiben als Kommunikation<br />

von Anfang an mit Kindern zu<br />

praktizieren, Hans Vestner (1972) und<br />

Wolfgang Menzel (1975) stehen dafür.<br />

Aber alle Ansätze waren erheblich durch<br />

die Fessel des normgerechten Schrei-<br />

Horst Bartnitzky,<br />

Vorsitzender des<br />

Grundschulverbandes<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005<br />

7


Thema: Schrift und Schreiben<br />

Beispiel einer Kinderschrift in Druckschrift<br />

Abb. 10: Menzel 1975<br />

Lateinische Ausgangs-Druckschrift<br />

bens von Anfang an eingeschränkt. Erst<br />

in den achtziger Jahren eröffneten sich<br />

neue Möglichkeiten mit dem Paradigmenwechsel<br />

im Schriftspracherwerb:<br />

Der Spracherfahrungsansatz und die<br />

damit verbundenen Untersuchungen,<br />

Erfahrungen, Erkenntnisse räumten mit<br />

der Irrmeinung auf, dass die Kinder sich<br />

falsch Geschriebenes dauerhaft einprägen.<br />

Hans Brügelmann (1983) und<br />

Gudrun Spitta (1985) waren hierzu wichtige<br />

Pioniere. Kinder finden ihren Weg<br />

in die Schrift, so der Befund, indem sie<br />

Strategien vom zunächst lautgetreuen<br />

Verschriften bis zum normgerechten<br />

Schreiben entdecken und verwenden.<br />

Inzwischen belegen zahllose Grundschulklassen<br />

diese Lernwege der Kinder.<br />

Die Erfahrungen beziehen sich samt<br />

und sonders auf die Druckschrift. (Siehe<br />

hierzu: Bartnitzky 2000, S. 105 ff., Bartnitzky<br />

u. a. 2005 Heft 3 Deutsch)<br />

Dies ist kein Wunder. Wenn Kinder<br />

vor Beginn der Schulzeit schon zu schreiben<br />

beginnen, dann wählen sie dazu die<br />

Druckschrift, in der Regel übrigens zuerst<br />

die Großbuchstaben. Sie finden sie überall<br />

in ihrer Lebenswelt – auf Schildern,<br />

im Fernsehen, in Zeitungen, in der Werbung,<br />

auf der Tastatur, in Büchern und<br />

ihre Formen sind leicht nachzuschreiben.<br />

Druckschrift ist zudem die Leseschrift.<br />

Lesen und Schreiben sind zwei Seiten<br />

derselben Medaille Schriftspracherwerb:<br />

Kinder entdecken beim Lesen und beim<br />

Schreiben die Funktionalität von Schrift,<br />

die Laut-Buchstaben-Beziehungen und<br />

den Weg vom Gedachten ins Geschriebene<br />

und vom Geschriebenen ins Gedachte<br />

in gegenseitiger Anregung und Stützung.<br />

Diese unschätzbaren Bedingungen für<br />

einen individuellen und entdeckenden<br />

Weg in die Schrift schafft aber nur eine<br />

gemeinsame Schriftform. Das ist die<br />

Druckschrift.<br />

Fazit: Die Druckschrift ist<br />

die erste Schreibschrift<br />

Mit dem Paradigmenwechsel im Schriftspracherwerb<br />

erhielt die Druckschrift<br />

faktisch den Status der ersten Schreibschrift,<br />

denn sie erfüllt alle drei Aspekte,<br />

die für das Schreiben gelten (siehe Glöckel<br />

in Schorch, S. 89 ff.):<br />

n Sie hat eine Form: verwendet einen<br />

bekannten Formbestand, ist also lesbar.<br />

n Sie wird durch Bewegung erzeugt: als<br />

grafische Spur auf einer Unterlage, als<br />

Bewegung in der Luft.<br />

n Sie hat eine Funktion: vermittelt eine<br />

Botschaft.<br />

Hierzu einige Überlegungen:<br />

Zur Form<br />

Anders als bei den verbundenen Schriften<br />

gibt es keine verbindliche Druckschrift-<br />

Variante als Ausgangschrift. Es gibt aber<br />

verschiedene Formvorschläge. In zwei<br />

Punkten stimmen sie überein:<br />

1. Sie gestalten die Buchstabenformen<br />

so einfach wie möglich. Deshalb<br />

verzichten sie zum Beispiel auf Serifen,<br />

sie haben also keine kleinen<br />

Abschlusstriche an Kopf und Fuß der<br />

Buchstaben. (Dies ist übrigens bei allen<br />

üblichen Fibelschriften ebenso.)<br />

2. Sie wählen für jeden Buchstaben eine<br />

spezielle Form. Das bedeutet für das<br />

große I und das kleine l, dass sie nicht<br />

beide mit lediglich dem senkrechten<br />

Strich geschrieben werden dürfen.<br />

Ansonsten gibt es einige interessante<br />

Varianten:<br />

1975 stellte Wolfgang Menzel eine<br />

von ihm so benannte »Lateinische Ausgangs-Druckschrift«<br />

vor (Menzel in Neuhaus-Siemon,<br />

S. 158, Abb. 10). Dabei<br />

enthalten viele Buchstaben eine ausfahrende<br />

Strichführung, d. h. die Buchstaben<br />

enden mit einer kleinen Kurve nach<br />

oben. Dadurch sollen spätere Verbindungen<br />

der Buchstaben bereits vorbereitet<br />

werden.<br />

Amtlich gibt es zwei Versionen: die<br />

Druckschrift Bayern und die Druckschrift<br />

Hamburg, die sich an den üblichen<br />

Fibelschriften orientieren, sich bei einigen<br />

Buchstaben voneinander unterscheiden.<br />

Sie sind in den beiden Bundesländern<br />

aber nicht verbindliche Norm<br />

sondern eine Empfehlung ( Abb. 11).<br />

Christina Mahrhofer referiert ausführlich<br />

die wissenschaftliche Befundlage<br />

zur Frage: senkrechte oder schräg<br />

stehende Druckbuchstaben – wobei<br />

lernen die Kinder schneller, schreiben<br />

schneller, schreiben formkonstanter,<br />

welche der Schriftlagen bereitet<br />

besser eine verbundene Schrift vor<br />

Ihr Resümee: »Es existieren noch keine<br />

Nachweise, die die Behauptungen<br />

zur verbesserten Schreibflüssigkeit,<br />

Schreibschnelligkeit etc. oder einer allgemeinen<br />

Verbesserung der Schriftqualität<br />

stützen können« (Mahrhofer 2004,<br />

S. 170 f.). Karl Heinz Schniewind stellte<br />

in seiner Untersuchung fest, dass Kinder<br />

auch bei Vorlage der rechtsgeneigten<br />

Vereinfachten Ausgangsschrift überwiegend<br />

die Vertikale bevorzugten und<br />

dass ihre Schriften auch formstabiler<br />

als die rechtsgeneigten Kinderschriften<br />

waren (Schniewind 2004, S. 8/9). Angesichts<br />

dieser Befundlage empfiehlt sich<br />

die senkrecht gestellte Druckschrift mit<br />

größtmöglicher Nähe zur Leseschrift.<br />

Zur Bewegung<br />

Wie schon bei der Vereinfachten Ausgangsschrift,<br />

so kann hier noch viel eher<br />

die einfache Form der Druckbuchstaben<br />

dazu verleiten, die Kinder die Buchstabenformen<br />

abmalen zu lassen. Schließlich<br />

wird der kleine Buchstabe a lesbar<br />

geschrieben, gleich ob das Kind einen<br />

Kreis linksrum oder rechtsrum malt und<br />

rechts einen Strich anfügt, ob er einen<br />

Abb. 11: Druckschriftformen<br />

Bayern<br />

(Hamburg)<br />

8 GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005


Thema: Schrift und Schreiben<br />

Abb. 12: Linksoval<br />

(mit Schwungform, Buchstaben, Zierleiste)<br />

Halbkreis nach links malt und einen Stich<br />

rechts anfügt oder ob es das a in einem<br />

Zug schreibt, zuerst das Linksoval, dann<br />

hinauf zum Strich und senkrecht abwärts<br />

oder ob es mal so, mal so den Buchstaben<br />

schreibt ( Abb. 12). Das Linksoval ist<br />

wie das Rechtsoval eines der wenigen<br />

Bewegungsmuster, die bei vielen Buchstaben<br />

verwendet werden können, die<br />

anderen sind Arkaden, Girlanden, gerade<br />

und schräge Striche, Zacken sowie Bögen<br />

links und Bögen rechts. Je nach Zählung<br />

sind es etwa zehn Bewegungsgrundformen,<br />

mit denen alle Buchstaben der Gemischtantiqua<br />

geschrieben werden können<br />

( Abb. 13).<br />

Zwei Kriterien sollte die geschriebene<br />

Schrift der Kinder, gleich welche dies<br />

ist, immer erfüllen. Das eine Kriterium<br />

bezieht sich auf die Form, das andere<br />

auf die Bewegung: Die Schrift sollte<br />

formklar und bewegungsökonomisch<br />

sein. Dies gilt auch für die Druckschrift.<br />

Deshalb sollte in diesem Fall die Art der<br />

Bewegungsführung nicht den Kindern<br />

überlassen bleiben, vielmehr sollten die<br />

Bewegungsgrundformen mit den Kindern<br />

vielfach geübt werden: natürlich am<br />

konkreten Buchstaben, also beim a oder<br />

o das Linksoval, dann auch als Zierleisten,<br />

mit verschiedenfarbenen Stiften zu<br />

einem Schmuckblatt gestaltet usw.<br />

Wie sonst auch, ist der Übungsbedarf<br />

bei den Kindern allerdings individuell. Die<br />

Kinder werden zunächst so schreiben,<br />

wie sie vor der Schule schon begonnen<br />

haben, und sie malen zu Schulbeginn bei<br />

ihren ersten eigenen Wörtern und Texten<br />

die Buchstaben von der Schreib- oder Anlauttabelle<br />

ab. Buchstabenformen werden<br />

betrachtet, mögliche Schreibweisen<br />

ausprobiert. Bewegungsgrundformen zu<br />

Buchstaben, die die Kinder häufig brauchen,<br />

werden auf die beschriebene Weise<br />

geübt.<br />

Hier gilt, was Gertraud E. Heß ins<br />

Stammbuch schreibt: »Wir wissen, wie<br />

schwierig es ist, falsch eingeschliffene<br />

Bewegungsformen abzugewöhnen, die<br />

einer Schreibentwicklung und Gestaltung<br />

individueller Handschrift entgegenstehen«<br />

(Heß in Schorch, S. 102).<br />

Zur Funktion<br />

Wie die Kinder die Druckschrift von Anfang<br />

an funktional in Gebrauch nehmen,<br />

muss an dieser Stelle kaum noch ausgeführt<br />

werden. Der Anfangsunterricht in<br />

Klassen, die Lesen und Schreiben im Zusammenhang<br />

betreiben, zeigt vielfältige<br />

Möglichkeiten, die Schrift von Beginn an<br />

in Funktion zu nehmen – zur Kennzeichnung,<br />

zur Selbstäußerung, zur Kommunikation<br />

und aus purer Schreiblust.<br />

Damit ist die Druckschrift eine<br />

Schreibschrift, die erste, die Kinder oft<br />

schon vor der Schule verwenden und die<br />

erste, die in der Schule vermittelt und<br />

täglich gebraucht wird.<br />

Wie viele Schreibschriften<br />

brauchen Grundschulkinder<br />

Zunächst brauchen die Kinder nur eine:<br />

die Druckschrift. In ihr können sie alles<br />

verschriften, sie taugt für alle denkbaren<br />

Funktionen der Schrift, wie sie Kinder<br />

nutzen. Wann aber sollen die Kinder eine<br />

verbundene Schrift lernen und welche<br />

Karl Heinz Schniewind stellte in<br />

seiner Untersuchung zum Zeitpunkt<br />

fest, dass bei der verbundenen Schrift<br />

die Schriftverformungen umso geringer<br />

waren, je später der Lehrgangsbeginn<br />

lag. »Der Erwerb der Grundmuster<br />

verbundenen Schreibens ist also<br />

umso weniger gewährleistet, je jünger<br />

die Schüler sind« (Schniewind 2004,<br />

S. 12). Christina Mahrhofer referiert<br />

zur Frage der Schriftform die wissenschaftliche<br />

Befundlage: Es ist »weniger<br />

die Druckschrift, die im Erstschreibunterricht<br />

das Schreibenlernen erschwert.<br />

Es ist vielmehr die im Anschluss an die<br />

Druckschrift zu lehrende verbundene<br />

Ausgangsschrift. Der Wechsel wird erschwert,<br />

je unterschiedlicher die beiden<br />

Forminventare sind und je komplexer<br />

die Buchstabenformen der verbundenen<br />

Ausgangsschrift, die die Kinder zusätzlich<br />

zum Verbinden der Buchstaben<br />

erwerben müssen« (Mahrhofer 2004,<br />

S. 149).<br />

Drei verbundene Schriftvarianten<br />

stehen derzeit zur Verfügung. Sie sind<br />

unterschiedlich nah am Formenbestand<br />

der Druckschrift:<br />

n Die Lateinische Ausgangsschrift ist<br />

am weitesten entfernt, hierzu tragen<br />

die Wellenlinien und die durchgehende<br />

Verbindung aller Buchstaben im Wort<br />

wesentlich bei, die zu Buchstabenveränderungen<br />

führen.<br />

n Die Schulausgangsschrift hat eine<br />

größere Nähe zur Druckschrift, verbindet<br />

aber auch alle Buchstaben im Wort und<br />

erfordert deshalb die besondere Übung<br />

der Buchstabenverbindungen.<br />

n Die Vereinfachte Ausgangschrift hat<br />

wie die Schulausgangsschrift eine größere<br />

Nähe zur Druckschrift, verzichtet<br />

aber, wo nötig, auf die Buchstabenverbindungen.<br />

Dadurch sind die Buchstabenformen<br />

formkonstanter als bei den<br />

beiden anderen Schriften.<br />

Bei der Wahl einer verbundenen Schrift<br />

bietet sich deshalb die Vereinfachte Ausgangsschrift<br />

an.<br />

Abb. 13: Bewegungsgrundformen<br />

bei der Druckschrift<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005<br />

9


Thema: Schrift und Schreiben<br />

Schriften und Schriftenfolge in den <strong>Grundschule</strong>n. Umfrage bei den Schulministerien der Länder (Stand Mai 2005)<br />

Erste Weitere Schriften Rechtsstatus Anmerkungen<br />

Schrift<br />

Baden-Württemberg DS LA oder VA Bildungsplan 2004 Kinder mit Lernschwierigkeiten schreiben<br />

weiter DS<br />

Bayern DS VA bis Ende Kl. 2 Lehrplan 2001 Individuelle Umgestaltung von Buchstaben<br />

sind möglich (VA: e, s, t, z)<br />

Brandenburg DS VA oder SAS Rahmenplan 2004/05 Kinder mit feinmotorischen Schwierigkeiten<br />

können weiter DS schreiben<br />

Berlin DS SAS Rahmenplan 2004/05 SAS zum individuellen Zeitpunkt<br />

Bremen DS LA oder SAS bis<br />

Ende Kl. 2<br />

Ab 06/07: VA<br />

Lehrplan<br />

Neuregelung ab 06/07 in der neuen<br />

Grundschulordnung<br />

Verbundene Schrift als Orientierungsschrift,<br />

Kinder mit sehr großen Schwierigkeiten beim<br />

Schreiben bleiben DS<br />

Hessen DS LA oder VA Verordnung über Rahmenlehrpläne<br />

1995<br />

Hamburg DS SAS bis Ende Kl. 2 Rahmenlehrplan 2004<br />

Mecklenburg-Vorp. DS VA oder SAS Rahmenlehrplan 2004<br />

Niedersachsen DS oder LA oder VA Rahmenrichtlinien 1984 Wenn mit DS begonnen wurde, muss in LA<br />

oder VA überführt werden.<br />

Nordrhein-Westfalen DS<br />

LA oder VA oder Lehrplan zur Erprobung und Erlass Der Erprobungslehrplan sieht nur VA vor.<br />

SAS<br />

Rheinland-Pfalz DS oder LA oder VA Keine formale Regelung Wenn mit DS begonnen wurde, muss in LA<br />

oder VA überführt werden.<br />

Saarland DS SAS bis Anfang<br />

Kl. 2<br />

Rundschreiben, wird im neuen<br />

Lehrplan verankert<br />

Sachsen SAS, möglich zusätzlich DS Lehrplan 2004/2005<br />

Sachsen-Anhalt DS und VA, Reihenfolge offen Rahmenrichtlinien,<br />

Erprobungslehrplan 2005/2006<br />

Schleswig-Holstein DS VA Lehrplan Beide Schriften Klasse 1<br />

Thüringen DS SAS oder VA bis Lehrplan<br />

Ende Kl. 2<br />

Abkürzungen: DS: Druckschrift, LA: Lateinische Ausgangsschrift, VA: Vereinfachte Ausgangsschrift, SAS: Schulausgangsschrift<br />

Erwachsenenschrift<br />

Allerdings stellt sich die Frage, ob<br />

die Kinder in der <strong>Grundschule</strong> zwei Ausgangsschriften<br />

lernen sollen, um am<br />

Ende zu einer persönlichen Handschrift<br />

zu kommen. Das ist weder pragmatisch<br />

von den Schreibfunktionen her noch zur<br />

Ausbildung einer eigenen Handschrift erforderlich.<br />

Wolfgang Menzel argumentiert in<br />

gleicher Richtung: Die Kinder beginnen<br />

mit der Druckschrift. »Und dann«, setzt<br />

Menzel seine Vision fort, »ließen wir die<br />

Kinder die Buchstaben verbinden, hier<br />

und da, wo das Bedürfnis besteht – und<br />

so, wie sie wollen. Die Schriften, die dabei<br />

herauskämen, wären präziser, besser<br />

lesbar und wahrscheinlich fehlerfreier,<br />

da die Aufmerksamkeit stärker auf die<br />

Buchstabenfolge gerichtet wäre« (Menzel<br />

1990, S. 65).<br />

Die Reformpädagogen vor achtzig<br />

Jahren standen schon einmal an dieser<br />

Stelle: der Leipziger Lehrerverein 1<strong>91</strong>4,<br />

Hans Brückl 1922, Fritz Kuhlmann 1925.<br />

Damals sollten noch alle Buchstaben im<br />

Wort miteinander verbunden werden.<br />

Sieht man Schriften erwachsener Schreiber<br />

an, fällt einem auf, dass sie oft aus<br />

verbundenen und aus unverbundenen<br />

Buchstaben bestehen.<br />

Ein Grund dafür: Beim Schreiben<br />

sucht man unwillkürlich Stellen, an denen<br />

die Handmuskulatur entlastet wird.<br />

Diese Stellen liegen aber nicht, wie die<br />

Verfechter einer durchgehend verbundenen<br />

Schreibschrift behaupten, zwischen<br />

den Wörtern, sondern auch im Wort.<br />

Dazu dient das Absetzen, bei routinierten<br />

erwachsenen Schreibern spätestens<br />

nach drei Buchstaben. Bei Kindern müssen<br />

diese Entlastungsstellen durch die<br />

Schrift angeboten werden, die Druckschrift<br />

ermöglicht dies nach jedem<br />

Buchstaben. Auch wenn Buchstaben<br />

miteinander verbunden werden, muss in<br />

Wörtern das Absetzen zur Entspannung<br />

der Muskulatur möglich sein. Deshalb<br />

muss bei den Kindern, deren Handmuskulatur<br />

sich wegen des Bewegungslernprozesses<br />

noch früher anspannt, auf das<br />

Verbindungsdogma verzichtet werden.<br />

(Siehe Mahrhofer 2004, S. 140)<br />

Häufig zusammenstehende Buchstabenfolgen<br />

wie -ie- oder -er- werden eher<br />

verbunden, andere möglicherweise eher<br />

nicht. Manche Kinder mögen vielleicht<br />

mehr Buchstaben miteinander verbinden,<br />

andere nicht. Eine verbundene<br />

Schrift kann dabei zu Rate gezogen werden.<br />

Nach allem bisher Gesagten kann<br />

das nur die Vereinfachte Ausgangsschrift<br />

sein. Sie ist dann aber keine Ausgangsschrift<br />

mehr, sie ist eine Orientierungsschrift.<br />

Die Kinder können sich aus ihrem<br />

Buchstabenvorrat bedienen. Ebenso können<br />

formklare Schriften Älterer betrachtet<br />

werden. Die Kinder üben mit der Lehrkraft<br />

einige Buchstabenverbindungen<br />

und entscheiden im Weiteren selbst, in<br />

welcher Größe, in welcher Lineatur, mit<br />

welcher Neigung sie schreiben. Schreiben<br />

als Werkstatt.<br />

Nur zwei Bedingungen gelten: Die<br />

persönliche Schrift muss weiterhin bewegungsökonomisch,<br />

also flüssig, und<br />

sie muss formklar, also gut lesbar sein.<br />

Dieses »weiterführende Schreiben« (so<br />

der frühere Terminus) könnte Aufgabe<br />

des Unterrichts in den Klassen 3 und 4<br />

sein.<br />

Genau das übrigens war die Absicht<br />

des Lehrplans, der dann mit dieser<br />

Passage den Sturm im Wasserglas<br />

bewirkte, siehe den Anfang dieses Auf-<br />

10 GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005


Thema: Schrift und Schreiben<br />

Empfehlungen zu Schrift und Schreiben<br />

in der <strong>Grundschule</strong><br />

1<br />

2<br />

3<br />

Die Druckschrift als Ausgangsschrift für das Lesen und Schreiben<br />

erfüllt alle Anforderungen an eine funktionale Schreibschrift.<br />

Aus ihr entwickeln die Kinder ihre individuelle Handschrift.<br />

Eine verbundene Schrift als weitere Ausgangsschrift ist deshalb<br />

überflüssig.<br />

Zur Schriftwahl<br />

Ausgangsschrift ist die Druckschrift (Gemischtantiqua).<br />

Sie ist die erste Schreibschrift der Kinder.<br />

Zielschriften sind die individuellen Schriften.<br />

Orientierungsschriften bei der Entwicklung zur individuellen Schrift<br />

sind die Vereinfachte Ausgangsschrift sowie Handschriften Älterer.<br />

Kriterien für die Handschrift in jeder Phase sind:<br />

formklar, bewegungsflüssig, funktional.<br />

Zum Schreiblern-Prozess<br />

Der Schreiblern-Prozess ist einerseits normorientiert:<br />

Dies betrifft die Druckschriftformen am Anfang<br />

und durchgehend die Kriterien: formklar, bewegungsflüssig, funktional.<br />

Er ist andererseits individuell:<br />

Dies betrifft am Anfang die Schriftgröße und die Lineatur<br />

sowie die Übungsdichte.<br />

Durchgehend entwickeln die Kinder ihre individuelle Schrift<br />

durch Schriftbetrachtungen, eigenes Erproben und Reflektieren.<br />

Über Form und Schreibweisen der Buchstaben denken Kinder nach.<br />

Sie probieren Schreibweisen aus.<br />

Sie üben Bewegungsgrundformen auf verschiedene Weise.<br />

Die Übungen dienen der feinmotorischen Entwicklung der Schreibhand<br />

und der Schreibökonomie.<br />

Bei der Weiterführung zur individuellen Handschrift<br />

betrachten die Kinder verbundene und halbverbundene Schriften:<br />

die Vereinfachte Ausgangsschrift, ihre eigenen und die Handschriften Älterer.<br />

Sie probieren Buchstabenvarianten und Buchstabenverbindungen aus.<br />

Sie verwenden ihre Handschrift auch zur Formgestaltung von Texten.<br />

Horst Bartnitzky, Welche Schreibschrift passt am besten zum Grundschulunterricht heute,<br />

in: »<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong>«, Zeitschrift des Grundschulverbandes, Heft <strong>91</strong> (September 2005), S. 3 – 12<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005<br />

11


Thema: Schrift und Schreiben<br />

Aufruf zur Mitarbeit<br />

Druckschrift als<br />

Schreibschrift der Kinder<br />

!<br />

satzes. Schreibwirrwarr Klarer kann<br />

eine schreibdidaktische Konzeption eigentlich<br />

nicht sein. Die Übersicht über<br />

die Vorgaben in den 16 Bundesländern<br />

dagegen zeigt, was föderaler Wirrwarr<br />

ist. Aber das muss ja nicht so bleiben. In<br />

zwei nach PISA und IGLU so unterschiedlich<br />

positionierten Ländern wie Bayern<br />

und Bremen zeigen sich zum Beispiel<br />

Entscheidungen, denen offenkundig<br />

schreibdidaktische Überlegungen zu<br />

Grunde liegen.<br />

Wir suchen Lehrerinnen und Lehrer,<br />

n<br />

n<br />

n<br />

die mit Kindern lange Zeit die Druckschrift als Schreibschrift nutzen,<br />

die Kinder dabei auf dem Weg zu einer eigenen Handschrift begleiten,<br />

die eine verbundene Schrift nur als Orientierungsschrift verwenden.<br />

Wir wollen mit Ihnen in Kontakt kommen,<br />

Erfahrungen untereinander austauschen und<br />

nach Wegen eines kindgemäßen Schreibunterrichts suchen.<br />

Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit werden<br />

vom Grundschulverband veröffentlicht.<br />

Schreiben Sie an den Grundschulverband,<br />

Stichwort: Schreibschrift<br />

E-Mail: info@grundschulverband.de<br />

Post: Grundschulverband, Niddastr. 52, 60329 Frankfurt/Main<br />

Forum für Meinungsäußerungen: www.grundschulverband.de<br />

(Menu Angebote: Forum Schriften)<br />

Das Thema Schrift ruft immer große<br />

Emotionalität hervor, dabei bleibt der<br />

Fachverstand häufig auf der Strecke. Wir<br />

brauchen überzeugende Beispiele dafür,<br />

dass Kinder mit Druckschrift flüssig und<br />

formklar schreiben und damit beginnen,<br />

ihre persönliche Handschrift zu entwickeln.<br />

Lehrerinnen und Lehrer, die auch<br />

so denken und arbeiten (wollen), können<br />

mit Erfahrungen und Schriftentwicklungen<br />

von Kindern wesentlich zur Sachdiskussion<br />

beitragen. Der Grundschulverband<br />

sucht solche Beispiele. Haben Sie<br />

Lust, mitzumachen Siehe den Aufruf<br />

auf dieser Seite.<br />

Wollen Sie sich an der Diskussion<br />

beteiligen: »Welche Schreibschrift passt<br />

am besten zum Grundschulunterricht«<br />

Dann nutzen Sie das <strong>aktuell</strong>e Forum:<br />

www.grundschulverband.de (Menu Angebote:<br />

Forum Schriften)<br />

Horst Bartnitzky<br />

Literatur<br />

Balhorn, Heiko / Bartnitzky, Horst /<br />

Büchner, Inge / Speck-Hamdan, Angelika:<br />

Schatzkiste Sprache 1 – Von den Wegen der<br />

Kinder in die Schrift. Frankfurt a. M.<br />

(Grundschulverband) 1998<br />

Bartnitzky, Horst / Brügelmann, Hans /<br />

Hecker, Ulrich / Schönknecht, Gudrun:<br />

Pädagogische Leistungskultur: Materialien<br />

für Klasse 1 und 2. Frankfurt a. M. (Grundschulverband)<br />

2005 (Heft 3 des Bandes 119)<br />

Bartnitzky, Horst: Sprachunterricht heute.<br />

Cornelsen Scriptor (Berlin) 2000<br />

Brügelmann, Hans: Kinder auf dem Weg<br />

zur Schrift. Konstanz (Faude) zuerst 1983<br />

Hasert, Jürgen / Ossner, Jakob (Hg.):<br />

Schriften schreiben. OBST Osnabrücker<br />

Beiträge zur Sprachtheorie Heft 56 April 1998<br />

Mahrhofer, Christina: Schreibenlernen mit<br />

graphomotorisch vereinfachten Schreibvorgaben.<br />

Bad Heilbrunn (Klinkhardt) 2004<br />

Meis, Rudolf: Schreibleistungen von Schulanfängern<br />

und das Problem der Anfangsschrift.<br />

Göttingen (Hogrefe) 1963<br />

Menzel, Wolfgang: Schreiben als kommunikative<br />

Handlung. In: Praxis Deutsch,<br />

Heft 12 S. IX-XII<br />

Menzel, Wolfgang: Lesen lernen – schreiben<br />

lernen. Braunschweig (Westermann) 1990<br />

Neuhaus-Siemon, Elisabeth (Hg.):<br />

Schreibenlernen im Anfangs unterricht der<br />

<strong>Grundschule</strong>. Frankfurt (Scriptor) 1981<br />

Schniewind, Karl Heinz / Friedhelm Beiner:<br />

Zusammenfassung einer empirischen Studie<br />

zum Schreibenlernen mit einer Ausgangsschrift.<br />

Unveröffentlichtes Manuskript 2004.<br />

Hinweis: Der Text kann von der Homepage<br />

des Grundschulverbandes heruntergeladen<br />

werden: www.grundschulverband.de/<br />

Forschung.<br />

Schorch, Günther (Hg.): Schreibenlernen<br />

und Schriftspracherwerb. Bad Heilbrunn<br />

(Klinkhardt) 1995<br />

Spitta, Gudrun: Kinder schreiben eigene<br />

Texte – Klasse 1 und 2. Bielefeld (CVK), (heute<br />

Berlin, Cornelsen Scriptor) zuerst 1985<br />

Spitta, Gudrun: Von der Druckschrift zur<br />

Schreibschrift. Frankfurt a. M. (Cornelsen<br />

Scriptor) zuerst 1988<br />

12 GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005


Praxis: Schreiben lernen<br />

Schrift- und Schreibkultur in der Klasse<br />

öffnet Wege zur eigenen Handschrift<br />

In ihrer Vereinbarung über Bildungsstandards<br />

für den Primarbereich legt die KMK<br />

fest, dass Kinder am Ende der <strong>Grundschule</strong><br />

eine gut lesbare Handschrift flüssig<br />

schreiben können. Auch in den Lehrplänen<br />

der verschiedenen Bundesländer<br />

findet man diese Zielsetzung wieder.<br />

Unbestritten ist dabei, dass die Druckschrift<br />

nicht nur die Erstlese-, sondern<br />

auch die Erstschreibschrift<br />

ist, unbestritten ist aber auch,<br />

dass darauf aufbauend die Kinder<br />

eine verbundene Schrift erlernen:<br />

in Bayern ist das z. B. verbindlich<br />

die VA, in Hamburg und Sachsen<br />

die SAS, in den meisten Bundesländern<br />

ist eine Wahl möglich. Lediglich der Lehrplanentwurf<br />

in Nordrhein-Westfalen eröffnet<br />

die Möglichkeit, dass die Kinder<br />

aus der Druckschrift ihre persönliche<br />

Handschrift entwickeln.<br />

Der Zeitpunkt der Einführung einer verbundenen<br />

Schrift wird allgemein vom<br />

Entwicklungsstand der feinmotorischen<br />

Fähigkeiten des einzelnen Kindes abhängig<br />

gemacht. Für Kinder mit Schwierigkeiten<br />

in diesem Bereich wird in vielen<br />

Lehrplänen die Druckschrift über die<br />

Klasse 2 hinaus als Schreibschrift empfohlen.<br />

In den Lehrplänen wird die ästhetische<br />

Dimension von Schrift betont<br />

wird und die bewusste situations- und<br />

adressatengerechte Gestaltung von Texten<br />

als ein wesentliches Ziel genannt.<br />

Daher liegt es nahe, dass alle Kinder<br />

die Druckschrift als eine der möglichen<br />

Schreibschriften während der gesamten<br />

Grundschulzeit nutzen – zumal sie im<br />

alltäglichen »Erwachsenenleben« unentbehrlich<br />

ist (Banküberweisungen, Formulare,<br />

…).<br />

In der Unterrichtspraxis sieht dies oft<br />

anders aus. Dem Zeitpunkt, an dem<br />

»endlich« die verbundene Schrift eingeführt<br />

wird, sehen nicht nur die Kinder,<br />

sondern auch die Eltern ungeduldig entgegen,<br />

hat doch die Druckschrift immer<br />

noch den Nimbus des Vorläufigen, der<br />

Lernschrift. So wird in der Regel bereits<br />

in der 1. Klasse, manchmal parallel zur<br />

Druckschrift, spätestens jedoch Anfang<br />

der 2. Klasse für alle gemeinsam eine<br />

verbundene Schrift einführt, zumeist<br />

mit Hilfe eines Lehrgangs. Der Füller als<br />

einheitliches Schreibgerät ist das Ziel<br />

( Schrift probe 1).<br />

So verliert die Druckschrift im Unterricht<br />

an Bedeutung und die Kinder verlernen<br />

sie schnell. Befragt, welche Schrift ihnen<br />

besser gefalle, ziehen die<br />

Kinder in der Regel Schreibschriften<br />

vor. Die bessere Lesbarkeit<br />

der Druckschrift wird<br />

von ihnen nicht erkannt. 1 Und doch ist<br />

es die Schrift, die die Kinder ihr Leben<br />

lang begleiten wird, denn immer da, wo<br />

es um deutliche Lesbarkeit geht, wird sie<br />

gefordert.<br />

Schriftproben aus der 2. Klasse zeigen<br />

aber, dass bei vielen Kindern, obwohl sie<br />

in der der Druckschrift nahen<br />

VA schreiben, das Ziel, eine<br />

lesbare Handschrift zu entwickeln,<br />

nicht erreicht wird<br />

( Schriftproben 2 und 3).<br />

Schriftprobe 1<br />

Gegen Ende des Schuljahres<br />

schreiben Kinder einer Klasse 2 über Wünsche,<br />

die meisten in der verbundenen<br />

Schrift. Das Verb wünschen ist für viele eine<br />

Herausforderung, nicht nur auf Grund<br />

der Konsonantenhäufung. Der Anspruch,<br />

Buchstaben zu verbinden wird sehr ernst<br />

genommen, so dass die Möglichkeit des<br />

Absetzens und der Entspannung vermutlich<br />

nur wenig genutzt wird. Das n und<br />

das s, vor allem aber die Verbindungen<br />

zwischen den Buchstaben werden zu<br />

Stolperstellen, die dann auch zu Fehlschreibungen<br />

führen: Die Verbindung st<br />

gelingt einigen Kindern so gut, dass sie<br />

das ch gleich auslassen … ( Schriftprobe<br />

4).<br />

Die Proben in der letzten Zeile zeigen<br />

deutlich, dass diese Kinder feinmotorisch<br />

noch nicht so weit entwickelt sind, dass<br />

der Gebrauch einer verbundenen Schrift<br />

für sie vorteilhaft sein könnte.<br />

Schriftprobe 2<br />

Schriftprobe 3<br />

Schriftprobe 4<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005<br />

13


Praxis: Schreiben lernen<br />

Schnelligkeit und Flüssigkeit als besonders<br />

positiv bewertete Eigenschaften<br />

führen also dazu, dass wichtige Elemente<br />

ausgelassen oder – wie in der folgenden<br />

Schreibprobe – hinzugefügt werden, dass<br />

Verbindungen neu angesetzt werden und<br />

der einzelne Buchstabe so verformt wird,<br />

dass er nur noch im Kontext erlesbar ist<br />

( Schriftprobe 5).<br />

Es folgen Texte von Kindern, die auch in<br />

der 3. und 4. Klasse die Druckschrift als<br />

eine Schreibschrift nutzen dürfen.<br />

Die Texte, die Dilek in ihr Wochenbuch<br />

schreibt, sind gut gegliedert und leicht<br />

lesbar, den noch zeigt ihre Druckschrift<br />

auch individuelle Züge. Während des<br />

3. Schuljahrs ist sie dann auf dem Weg,<br />

aus dieser Druckschrift eine persönliche<br />

Handschrift zu entwickeln. Dabei dient<br />

ihr die SAS als Orientierung. Die Druckschrift<br />

nutzt sie jedoch weiterhin für viele<br />

ihrer Texte ( Schriftprobe 6).<br />

Auch für Laura ist der Gebrauch der<br />

Druckschrift im 3. Schuljahr noch selbstverständlich.<br />

Sie wurde in den ersten<br />

zwei Jahren in den USA unterrichtet. Dort<br />

war die Druckschrift ihre übliche Schreibschrift<br />

( Schriftprobe 7).<br />

Viele Gründe sprechen dafür, die Druckschrift<br />

über den Anfangsunterricht hinaus<br />

als Schreibschrift zu nutzen.<br />

Es ist die Schrift, die die Kinder bereits<br />

vor der Schule kennen und mit der<br />

viele von ihnen ihre ersten Schreiberfahrungen<br />

gemacht haben. Es ist die Schrift,<br />

die sie im Vorschulalter spontan wählen,<br />

zunächst als Versalienschrift, später auch<br />

als Schrift mit großen und kleinen Buchstaben.<br />

Sie kennen die Grundelemente,<br />

aus denen sie selbst Buchstaben konstruieren<br />

können. Diese Grundformen<br />

zu betrachten und zu vergleichen, Unterschiede<br />

festzustellen und Formen selber<br />

zu verändern, unterstützt die Kinder dabei,<br />

sich Buchstaben anzu»eignen«, denn<br />

Formen, wie es Buchstaben sind, werden<br />

um so leichter<br />

Schriftprobe 5 gelernt, je besser<br />

die unterscheidenden<br />

Merkmale<br />

beachtet<br />

werden.<br />

Die Schreibbewegungen, die für diese<br />

Elemente gebraucht werden, sind ihnen<br />

bekannt: der Kringel, der Strich. Beim<br />

freien Schreiben eigener Texte nutzen<br />

die Kinder diese Kompetenzen. Zunächst<br />

schreiben sie die Buchstaben noch so,<br />

wie sie ihnen »in die Hand« kommen, sie<br />

malen sie eher, als dass sie sie schreiben.<br />

Im Unterricht<br />

werden einzelne<br />

Buchstaben<br />

dann gemeinsam<br />

genau betrachtet,<br />

ihre<br />

Form, ihre Besonderheit,<br />

die<br />

Möglichkeit,<br />

diesen Buchstaben<br />

möglichst<br />

schnell<br />

und einfach zu<br />

schreiben, d. h.<br />

das Schreiben<br />

wird immer<br />

wieder zum Unterrichtsthema. Die »erarbeiteten«<br />

Buchstaben werden zunehmend<br />

in der verabredeten Bewegungsabfolge<br />

geschrieben und dienen darüber<br />

Schriftprobe 7<br />

hinaus als Vorbild für die noch »unbekannten«<br />

ähnlichen Buchstaben. 2<br />

Ziel ist, dass alle Kinder die Buchstaben<br />

bewegungsrichtig automatisiert,<br />

also ohne ständige visuelle Kontrolle<br />

schreiben können. Automatisierung<br />

kann jedoch nur dann einsetzen, wenn<br />

das Schreibtempo erhöht ist und der<br />

Krafteinsatz minimiert werden kann. In<br />

dem Moment aber, wenn verlangt wird,<br />

dass alle Buchstaben verbunden werden<br />

müssen, erhöht sich der Schreibdruck<br />

und auch die Schreibdauer nimmt zu.<br />

Beginnend mit dem 2. Schuljahr lernen<br />

die Kinder zunehmend normorientiert<br />

zu schreiben. Übungsformate und<br />

Arbeitstechniken werden erweitert, der<br />

Umfang der eigenen Texte nimmt zu. Was<br />

liegt also näher, als diesen steigenden inhaltlichen<br />

Anforderungen in einer Schrift<br />

zu begegnen, die dem Kind vertraut ist,<br />

die weitgehend automatisiert ist, die<br />

Schriftprobe 6<br />

durch ihre Struktur das Kind unterstützt<br />

und ihm so die Möglichkeit eröffnet, sich<br />

auf die inhaltlichen Aspekte des Schreibens<br />

zu konzentrieren, damit aus dem<br />

wünschte kein wünste wird, und diese<br />

Phase nicht zusätzlich mit dem Erlernen<br />

einer neuen Schrift zu belasten<br />

Kindern mit motorischen Schwierigkeiten<br />

gelingen die abgesetzten Formen<br />

der Druckschrift leichter als die durchgezogenen<br />

Formen einer Schreibschrift,<br />

weil die Buchstabenformen einfacher,<br />

klarer und prägnanter sind und die deutliche<br />

Gegliedertheit des Schriftbildes<br />

die Wahrnehmung erleichtert. Genaues<br />

Schreiben wird so eher unterstützt und<br />

führt auch bei diesen Kindern zu einer<br />

lesbaren Schrift. Erfolgerreichendes<br />

Lernen kann sie motivieren, sich mit<br />

der Verbesserung der eigenen Schrift<br />

auseinanderzusetzen und zu üben. Die<br />

14 GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005


Praxis: Schreiben lernen<br />

Lehrpläne in verschiedenen Bundesländern<br />

legen dieses Vorgehen nahe. Was<br />

liegt also näher, als Kindern ihren motorischen<br />

Fähigkeiten entsprechend immer<br />

auch die Druckschrift als Schreibschrift<br />

anzubieten<br />

Schriften und Schreiben<br />

als Thema von Klasse 1 bis 4<br />

Kinder begegnen in ihrer Umgebung jedoch<br />

auch Schreibschriften in den verschiedensten<br />

Versionen und nehmen<br />

diese als »Erwachsenenschriften« wahr.<br />

Der Wunsch, sich weiter zu entwickeln,<br />

vor allem bei den Kindern, denen die<br />

Druckschrift bereits mühelos gelingt, ist<br />

verständlich. Dies aufzugreifen, heißt der<br />

Individualisierung Rechnung zu tragen.<br />

Was liegt also näher, als den Zeitpunkt<br />

der Einführung der Schreibschrift<br />

individuell zu gestalten, d. h. Angebote<br />

für die Kinder bereitzuhalten, deren feinmotorische<br />

Entwicklung ein Erarbeiten<br />

der verbundenen Schrift ermöglicht<br />

Während der freien Arbeit, im Wochenplanangebot<br />

und auch in den Förderstunden<br />

können diese Kinder in kleinen<br />

Gruppen Buchstaben und Texte in einer<br />

verbundenen Schrift lesen und schreiben,<br />

können die Gemeinsamkeiten mit<br />

der Druckschrift untersuchen, die »neuen«<br />

Buchstaben kennen lernen, vor allem<br />

aber die Verbindungen zwischen den<br />

Buchstaben ausprobieren. Heiko Balhorn<br />

plädiert für ein »Schönschreiben<br />

aus Interesse« und auch bei Gudrun<br />

Spitta und Gabriele Krichbaum 3 findet<br />

man vielfältige Schreibaufgaben,<br />

die einen »Schreiblehrgang« überflüssig<br />

machen können: Schreibbilder zu unterschiedlichen<br />

Themenbereichen, Gedichthefte,<br />

ABC- Bücher, in denen besondere<br />

Buchstaben gesammelt werden, Gestaltungen<br />

zu den eigenen Anfangsbuchstaben.<br />

Meistens wollen diese Kinder aber<br />

auch »trainieren«, sie wollen die neue<br />

Schrift formal üben, um sie möglichst<br />

schnell nutzen zu können. Karteikarten,<br />

auf denen die Schreibbewegungen durch<br />

Pfeile eingetragen sind, können von diesen<br />

Kindern gewinnbringend genutzt<br />

werden.<br />

Auf der anderen Seite kann »das Schreiben<br />

in einem Zug« auch Thema der<br />

ganzen Gruppe sein: Dann werden Unterschriften<br />

gesammelt, Schreibproben<br />

von Erwachsenen mit der eigenen Schrift<br />

verglichen, verschiedene Schriften und<br />

Schriftsysteme kennen gelernt. Dann<br />

wird mit unterschiedlichen historischen<br />

Schreibgeräten geschrieben, es werden<br />

eigene Geheimschriftzeichen erfunden<br />

oder Texte mit besonderen Schriften gestaltet.<br />

Dann kann aber auch, wie z. B.<br />

Brinkmann und Brügelmann in ihrer<br />

»Ideenkiste« zeigen, die Schrift selbst<br />

erforscht und mit ihr experimentiert<br />

werden:<br />

Aus welchen Elementen bestehen<br />

Druckbuchstaben Wie unterschiedlich<br />

kann man sie zusammensetzen Wie<br />

verändern sich die Buchstaben, wenn<br />

ein Element verändert wird Wie kommt<br />

man von den einzelnen Buchstaben einer<br />

Druckschrift zur verbundenen Schrift<br />

Welche unterschiedlichen Verbindungsmöglichkeiten<br />

finden wir Dabei werden<br />

Unterschiede zur Normverbindung gefunden<br />

und vor allem immer wieder der<br />

Rückgriff auf die geläufige Druckschrift<br />

hergestellt. 4<br />

In einer Klasse, in der eine Lese- und<br />

Schreibkultur entwickelt wurde, gibt es<br />

vielfältige Gelegenheit Texte vorzustellen,<br />

eigene und fremde. Das laute Vorlesen<br />

als eine besonders gestaltete Form<br />

der Textpräsentation kommt zunehmend<br />

auch in der Praxis zum Tragen und hat einen<br />

eigenen didaktischen Ort erhalten.<br />

Das »Schönschreiben« sollte einen ähnli<br />

chen Stellenwert erhalten. Der Kommentar<br />

»Fleißig, aber du kannst ordentlicher<br />

schreiben« unter dem langen, sehr persönlichen<br />

Text eines Mädchens in der<br />

4. Klasse würdigt weder den Inhalt noch<br />

trägt er der Tatsache Rechnung, dass es<br />

sich um einen durchaus lesbaren Entwurf<br />

handelt. Lesbarkeit sollte für Kind<br />

und Lehrerin immer an oberster Stelle<br />

stehen. Darüber hinaus sollte die ästhetische<br />

Gestaltung eines Textes, die das Experimentieren<br />

mit verschiedenen Schriften<br />

und ihrer Wirkung einschließt, die<br />

es dem Kind ermöglicht, mit verschiedenen<br />

Schreibmaterialien umzugehen,<br />

ausreichend Raum im Unterricht erhalten.<br />

Ähnlich wie bei der Überarbeitung<br />

von Texten wird hier aber eine Auswahl<br />

getroffen werden müssen, nicht jeder<br />

Schreibanlass fordert ein Gestalten mit<br />

Schrift.<br />

Dies alles sind keine neue Überlegungen:<br />

die zur Zeit gültigen Lehrpläne eröffnen<br />

in der Mehrzahl einen kindorientierten<br />

Zugang und wählen als Ausgangsschrift<br />

die Druckschrift.<br />

Die Diskussion, inwieweit Kinder<br />

aus dieser Druckschrift ihre<br />

persönliche Handschrift entwickeln<br />

und vereinfachte Orientierungsschriften<br />

diesen Prozess<br />

begleiten können, wird weiter<br />

geführt werden müssen. Zur Zeit<br />

geht es in der Praxis darum, Eltern<br />

– und Lehrerinnen – davon zu<br />

überzeugen, dass die Druckschrift<br />

nicht nur für den Anfangsunterricht,<br />

sondern auch darüber hinaus<br />

eine voll funktionsfähige Schreibschrift<br />

ist, die nicht nur leichter<br />

lesbar, sondern auch schnell und<br />

flüssig zu schreiben ist. 5<br />

… ein Stück Schreib erfahrung<br />

für Erwachsene<br />

Bei der Wahl der Schreibschrift lassen<br />

sich Lehrerinnen, Lehrer und Eltern oft<br />

von ästhetischen Gesichtspunkten oder<br />

den eigenen, meist weit zurückliegenden<br />

Lernerfahrungen leiten. Entscheidend<br />

müsste jedoch sein, welche Schrift für<br />

die Kinder funktional und leicht lernbar<br />

ist.<br />

Die »Schreib-Aufgaben« auf S. 16 geben<br />

Erwachsenen die Möglichkeit, sich in<br />

die Lage eines Kindes im Anfangsunterricht<br />

zu versetzen. Die deutschen Wörter<br />

gehören zum Gebrauchswortschatz,<br />

sie wurden lediglich in das kyrillische<br />

Alphabet übertragen. Orthografische<br />

Elemente wurden so weit wie möglich<br />

beibehalten.<br />

In Kollegien oder mit Eltern durchgeführt,<br />

könnten die Aufgaben zum Gespräch<br />

anregen und helfen, Positionen<br />

zu überdenken.<br />

Angelika Gadow<br />

Angelika Gadow<br />

Grund- und Hauptschullehrerin,<br />

Fachleiterin für Deutsch<br />

am Studienseminar Kleve<br />

Anmerkungen<br />

1 vgl. Balhorn, Heiko: Schönschreiben aus Interesse.<br />

In: Die Grundschulzeitschrift 143/2001: Schön schreiben<br />

2 vgl. Spitta, Gudrun: Von der Druckschrift zu Schreibschrift,<br />

Frankfurt/Main 1988<br />

3 Krichbaum, Gabriele (Hrsg.): Schrift gestalten –<br />

Gestalten mit Schrift, Frankfurt 1987 (AK <strong>Grundschule</strong>)<br />

dieselbe: Mit Schrift gestalten. Braunschweig 1989<br />

4 Brinkmann, Erika/ Brügelmann, Hans: Ideenkiste 1,<br />

Hamburg 1993<br />

5 vgl. Menzel, Wolfgang: Lesen lernen – Schreiben lernen,<br />

Braunschweig 1990<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005<br />

15


Praxis: Schreiben lernen<br />

16 GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005


Praxis: Schreiben lernen<br />

A wie Anfang<br />

Zur Verantwortlichkeit der Erwachsenen für das<br />

Druckschriftschreiben der Kinder<br />

Die erste Seite<br />

meiner Fibel<br />

(Die Hansa-Fibel)<br />

»Aufabauf Pünktchen drauf!<br />

Aufabauf Pünktchen drauf!«<br />

Am Küchentisch über die<br />

Schiefertafel gebeugt sitze<br />

ich und schreibe mit Eifer<br />

und hartem Griffel, die Zungenspitze<br />

hilft mit, ein rasches kleines i nach<br />

dem andern. Schon die zweite Reihe! Die<br />

Großmutter schaut an, was ich eben geschafft<br />

habe. Und wischt alles wieder<br />

weg. Nicht gut genug! Sie nimmt meinen<br />

Griffel, führt ihn viel bedächtiger als vorher<br />

ich und spricht dazu: »Schräg hinauf,<br />

mit einer Spitze langsam gerade hinab, ein<br />

kleiner Bogen und schräg ein wenig hinauf.<br />

So! Zuletzt der Punkt! Fertig!« Das wiederholt<br />

sie noch und noch.<br />

Sie gibt mir den Griffel zurück und<br />

führt nun meine Hand, während sie<br />

unsere Bewegungen mit Worten beschreibt:<br />

»Schräg hinauf, mit einer Spitze<br />

laaangsam gerade hinab, kleiner Bogen<br />

und schräg ein wenig hinauf. Pünktchen<br />

drauf!« Wieder und wieder die gleiche,<br />

gehaltene Bewegung und die gleichen,<br />

genauen Worte. Bis dieser Singsang, ihr<br />

Wollen und die Bewegung meiner Hand<br />

zusammenklingen, meine Hand sich<br />

gelockert hat und ich nun selber wollen<br />

kann, was sie mir zeigt: in immer wieder<br />

gleicher Folge kleiner Bewegungen einen<br />

Buchstaben schreiben, der auf diese Weise<br />

zuverlässig richtig schön auf meiner<br />

Tafel entsteht. Es ist nur jeweils ein i,<br />

aber jedes ist ein Werkchen.<br />

Die Tafel wird gründlich abgewischt<br />

und trockengerieben. Allein beginne ich<br />

jetzt nochmal von vorn. Ich weiß genau,<br />

wie ich es machen muss. Ein i nach<br />

dem anderen gelingt mir ! Ich halte den<br />

Rhythmus. Ich kann es gar nicht mehr<br />

falsch machen. Ganz versunken in mein<br />

Tun. Schließlich ist die Tafel voll und die<br />

Großmutter zufrieden mit mir und meiner<br />

Arbeit. Und ich bin froh und ein wenig<br />

müde.<br />

Ich hatte vor der Schule wenig Umgang<br />

mit Stiften und Linien. Nun kann<br />

ich meinen ersten Buchstaben ganz richtig<br />

schön schreiben und habe verstanden:<br />

Was mir aufgegeben ist, soll ich gut<br />

machen. Das kann ich, wenn ich annehme,<br />

was man mir zeigt und erklärt, wenn<br />

ich mir Mühe gebe und geduldig übe. Am<br />

Ende darf ich stolz sein auf etwas, das ich<br />

mir angeeignet habe, das ich unverlierbar<br />

kann, das mir gehört. Dem nächsten<br />

Buchstaben sehe ich mit Zuversicht entgegen.<br />

Den schaffe ich dann allein.<br />

Dreifacher Dialog<br />

ist. Diese für Analyse wie Planung von<br />

Unterricht hilfreiche Figur des »Dreifachen<br />

Dialogs« habe ich anderswo ausführlich<br />

erläutert. 1<br />

Und die Szene am Küchentisch zeigt<br />

nicht etwa einen Akt der Dressur oder<br />

Unterwerfung Nein! Als das Kind, dessen<br />

Hand geführt wurde, ist mir dies<br />

noch gewiss, von innen her: Ich habe<br />

meine Hand der Führung der Großmutter<br />

anvertraut, nicht mich ihrem Willen<br />

unterworfen. Sie konnte, was ich lernen<br />

wollte. Und sie hat es mir so gezeigt<br />

– entschieden, klar, direkt, geduldig –,<br />

dass ich ihrer Anleitung, ihrer Bewegung<br />

folgen mochte. Als ich fähig war, mein<br />

Lernen sachgerecht und erfolgreich ganz<br />

in die eigene Hand zu nehmen, hat sie<br />

mich losgelassen.<br />

Man kann die Hand eines Kindes natürlich<br />

auch falsch führen, mit zuviel<br />

Energie und Ungeduld, nicht förderlich,<br />

kann das Kind mit Anleitung überwältigen.<br />

Dann lernt es nicht, sondern es wird<br />

dressiert. Man kann nicht anders lernen,<br />

als dass man es selber will! Aber Könner<br />

und Wissende, die sich für das Lernen der<br />

Neulinge verantwortlich fühlen, es klarer<br />

und bewusster machen und sinnvoll<br />

abkürzen, sind in unserer Kultur unverzichtbar.<br />

Kann ich mich wirklich so gut an diese<br />

erste Schreiberfahrung erinnern Wohl<br />

nicht in allen Einzelheiten. Die Erinnerung<br />

zeigt eine ideale Situation: Ein Kind<br />

soll und will etwas Neues lernen, weiß<br />

aber noch nicht, wie es die Aufgabe erfüllen<br />

kann. Eine Erwachsene, der dieses<br />

Kind lieb und sein Lernen wichtig ist,<br />

unterstützt es mit Zuwendung, Kritik,<br />

Erklärung, Hilfestellung und Lob. Sie<br />

zeigt das Ziel und den Weg dorthin. Das<br />

kann sie, weil sie beides kennt, weil sie<br />

lerngegenstandskundig ist und – wahrscheinlich<br />

instinktiv – das Tun in Worte<br />

fasst, die erkennbar machen, was getan<br />

wird und was dabei herauskommt.<br />

So entsteht ein Dreifacher Dialog zwischen<br />

Kind (K), Erwachsenem (E) und Gegenstand<br />

(G), wie er ähnlich allen Fällen<br />

geglückten Unterrichts eingeschrieben<br />

Versäumte Lektionen<br />

Seit Jahrzehnten werden LehrerInnen mit<br />

der Parole ›Kinder beginnen zu lernen,<br />

wenn wir aufhören zu unterrichten!‹<br />

verführt, Kinder im Stich zu lassen. LehrerInnen<br />

müssen zwar danach streben,<br />

sich überflüssig zu machen. Sie können<br />

es aber nicht von Anfang an sein.<br />

Was da schief läuft, sehen wir ringsum<br />

an verwahrlosten Handschriften. Das<br />

begriff ich, als vor Jahren in einem Workshop<br />

in Hamburg lauter Lehrerinnen um<br />

mich versammelt waren, die ihren Kindern<br />

in bester Absicht erlaubt hatten,<br />

sich die Schreibung der Buchstaben nur<br />

selbstständig mit Hilfe einer Buchstabentabelle<br />

anzueignen. Sie hatten den<br />

Kindern zuliebe versäumt, diese beim Erwerb<br />

der ersten Schrift, der Druckbuch-<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005<br />

17


Praxis: Schreiben lernen<br />

Ute Andresen<br />

Grundschullehrerin<br />

(seit 1967 in Bayern)<br />

und Autorin,<br />

im Hochschuldienst<br />

(seit 1992 in Erfurt)<br />

Buchstabentafel<br />

staben, anzuleiten und ihnen<br />

Übung bis zur Sicherheit zu verordnen.<br />

Nun waren die Kinder<br />

im dritten oder vierten Schuljahr,<br />

und viele schrieben äußerst<br />

ungern, hatten eine kaum<br />

lesbare Schrift und kamen mit<br />

der Rechtschreibung nicht klar.<br />

Ich sollte raten, wie dem abzuhelfen<br />

wäre und wie man mit<br />

der nächsten Klasse ein besseres<br />

Ergebnis erreichen könnte.<br />

Nach Hamburg habe ich ausführlich<br />

aufgeschrieben, was wir alles miteinander<br />

bedacht und erwogen hatten,<br />

um es den KollegInnen zu schicken. 2<br />

Hier will ich nun noch genauer fragen:<br />

Was ist am Anfang zu tun, damit Kinder<br />

– möglichst alle Kinder! – lernen, eine<br />

klare, entwicklungsfähige Druckschrift<br />

so gut und geläufig zu schreiben, wie<br />

sie auch sprechen, also ohne noch über<br />

die Schreibweise des einzelnen Buchstaben<br />

nachdenken zu müssen, wie sie auch<br />

über die Bildung der Sprechlaute nicht<br />

nachdenken<br />

A wie Anfang<br />

Damit man jeden Buchstaben genau so<br />

zu schreiben lernt, wie er geschrieben<br />

werden soll, wie er einem gefällt und wie<br />

andere ihn auch lesen können, muss man<br />

die Vorbilder und das eigene Geschriebene<br />

in den Einzelheiten erkennen und<br />

sich darüber verständigen können. Man<br />

muss verstehen, was gemeint ist, wenn<br />

jemand von geraden, schrägen oder runden<br />

Strichen spricht oder Schreibrichtungen<br />

angibt. Man muss schließlich<br />

das eigene Tun mit dem Stift auf dem<br />

Papier selbst in Sprache fassen können,<br />

die andere verstehen. Der Lehrlerngang<br />

in Druckschriftschreiben als Einübung in<br />

das Lernen im Gespräch, in dem neue Begriffe<br />

gefunden und schließlich eine gemeinsame<br />

Sprache entwickelt werden.<br />

Ein Modell für das Lernen in der Schule.<br />

Weil solche Verständigung einen<br />

Gegenstand hat, der für alle objektiv da<br />

und sichtbar ist, nicht diffus und flüchtig<br />

wie gesprochene Laute, kann man hoffen,<br />

dass Kinder, deren Sprachentwicklung<br />

gehemmt ist, weil ihre Fähigkeit zur<br />

Symbolbildung in einer gesprächsarmen<br />

Umgebung nicht ausreichend entwickelt<br />

wurde, Orientierung finden in einer gemeinsamen<br />

Sprache im Schulalltag, auf<br />

den andere Kinder sehr viel besser vorbereitet<br />

sind. Die fitten, fixen, die Ichweiß-schon-Kinder<br />

gehören von Anfang<br />

an in der Klasse richtig dazu. Die stillen,<br />

stummen, spracharmen Kinder sind von<br />

Anfang an in Gefahr, ausgeschlossen zu<br />

werden. Und Ähnliches gilt für die Kinder,<br />

deren Muttersprache nicht zugleich<br />

die Unterrichtssprache ist.<br />

Die Entwicklung einer gemeinsamen<br />

Sprache zur Beschreibung und Steuerung<br />

des Druckschriftschreibens kann<br />

sie von Anfang an einschließen, wenn sie<br />

erkannt und ihnen sofort einzeln oder in<br />

kleinen Gruppen geholfen wird, nachzulernen,<br />

was ihnen fehlt. Wie das Davon<br />

wird später die Rede sein.<br />

B wie Buchstaben<br />

Die Buchstaben zuerst einzeln und dann<br />

in immer wieder anders gemischten<br />

Reihen – also Wörtern – so schreiben<br />

zu lernen, dass sie einem so mühelos<br />

zur Verfügung stehen, wie die Laute der<br />

Muttersprache beim Sprechen, das ist<br />

eine große Aufgabe. Sie teilt sich von<br />

selbst in lauter kleine, überschaubare<br />

Aufgaben: einzelne Buchstaben. Jede<br />

kann mit dem Erlebnis von Selbstwirksamkeit<br />

enden, wenn man nur ausgiebig<br />

genug übt. Das macht Mut für neue Aufgaben.<br />

Druckschrift schreiben lernen als<br />

Ermutigungsprogramm!<br />

Die alte Schreibschule wollte die Kinder<br />

auf das eigentliche Schreiben durch<br />

Vorübungen fit machen. Man isolierte<br />

die Formelemente der Ausgangsschrift<br />

und ließ die in Reihen und Mustern üben.<br />

Fingerübungen, deren Sinn Kinder nicht<br />

erkennen. Sie wollen richtig schreiben<br />

lernen! Endlich nicht nur den eigenen Namen!<br />

Die Isolierung der Formelemente ist<br />

trotzdem wichtig. Zuerst einmal müssen<br />

die Erwachsenen sie sich klarmachen.<br />

Man nehme Farbstifte und markiere<br />

in unserer Buchstabentafel alle senkrechten<br />

Striche rot, die schrägen blau,<br />

die waagerechten grün, die gebogenen<br />

gelb. Welche sind von links nach rechts,<br />

von rechts nach links, welche linksherum,<br />

welche rechtsherum auszuführen<br />

Fängt man bei allen oben an Wo fährt<br />

man praktischerweise auf einem Strich<br />

wieder zurück Was ist eindeutig zu bezeichnen<br />

Was ordnet sich in Ähnlichkeiten<br />

ein Was ist ein wenig »extrig«<br />

Die Isolierung der Formelemente<br />

nach und nach und ihre genaue Bezeichnung<br />

in einer allen Kindern verständlichen<br />

Sprache kann helfen, die Schreibbewegungen<br />

bewusst zu machen und<br />

zugleich den Sinn für die Übertragung<br />

des Lerngewinns von erlernten Buchstaben<br />

auf noch folgende zu übertragen.<br />

Transfertraining also! Kinder mit Lernschwierigkeiten<br />

können in neuen Aufgaben<br />

nicht erkennen, was ihnen eigentlich<br />

schon vertraut ist. Sie müssen alles<br />

so lernen, als sei es ihnen ganz und gar<br />

neu. Das ist viel anstrengender als das<br />

Lernen der Ich-weiß-schon-Kinder. Die<br />

18 GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005


Praxis: Schreiben lernen<br />

Ähnlichkeiten zwischen den Buchstaben,<br />

die sich wiederholenden Formelemente,<br />

bieten ein Erfahrungs- und Übungsfeld<br />

für das Übertragen sicheren Könnens als<br />

bewusste Strat egie.<br />

C wie Zirkus<br />

Seit Generationen gibt man den Kindern<br />

Merkhilfen für die Namen der Buchstaben<br />

oder ihren Lautwert. Mal soll der<br />

Empfindungslaut (Aaaa macht man vor<br />

Freude), mal der Naturlaut (Ssss summt<br />

die Biene), mal der Anlaut (B wie Bär)<br />

helfen. Es gibt reichlich Expertenstreit<br />

deswegen, mal verbissen, mal graziös<br />

vorgetragen. Man sucht Klarheit, ja Eindeutigkeit,<br />

um es den Kindern leichter zu<br />

machen, und versäumt dabei, ein ausreichendes<br />

Verständnis für Schwierigkeiten<br />

zu entwickeln, die in unserer Schriftsprache<br />

stecken, die Erwachsenen kaum auffallen,<br />

aber für Neulinge verwirrend sind<br />

und nach MeisterInnen verlangen, die sie<br />

den Kindern interessant machen.<br />

Das C ist einer der Buchstaben, die<br />

verwirren können. Es taucht in Wörtern<br />

auf, die ursprünglich nicht deutsch sind<br />

(Computer, Croissant) und verschwindet,<br />

wenn sie sich bei uns eingelebt haben<br />

(Citrone, Cigarette, Cactus, Circus wird<br />

zu Zitrone, Zigarette, Kaktus, Zirkus). Ob<br />

wohl aus dem Computer, der derzeit in<br />

manchen Anlauttabellen an die Stelle des<br />

Clowns getreten ist, noch der Kompjuter<br />

wird Der Clown hat überlebt. Interessant,<br />

oder Auch für Kinder!<br />

Wer Sorge hat, dass ein geordneter<br />

Druckschriftlehrlerngang den Kindern<br />

zu langweilig wird, sollte ihn mit<br />

Sprachgeschichten aufheitern, die die<br />

beweglichen, widersprüchlichen und<br />

verwirrenden Erscheinungen unserer<br />

Schriftsprache zeigen, interessant machen<br />

und Aufklärung mit Übung verbinden.<br />

Warum nicht abwechselnd Zirkus<br />

und Circus schreiben Man sieht bei uns<br />

noch beides, bei den Franzosen und Engländern<br />

nur Circus, aber sie sprechen es<br />

unterschiedlich und beide anders als wir.<br />

Wie denn Gleich mal üben!<br />

Wort wie<br />

W – w – O – o – R – r – T – t<br />

Wenn Kinder in die Schriftsprache ohne<br />

Fibel nach dem Konzept ›Wort, Welt, wir‹<br />

eingeführt werden, gehört das geordnete<br />

Schreiben und Lesen von Anfang an zusammen.<br />

3 Die Buchstaben werden nach<br />

und nach eingeführt. Das gilt für den<br />

gemeinsamen Unterricht, nur darin gibt<br />

das Folgende einen schmalen Einblick.<br />

Daneben gibt es die Freiarbeit, in der<br />

die Kinder alle Bücher, Buchstaben und<br />

Papiere nützen können, wie sie darüber<br />

verfügen möchten.<br />

›Wort‹ ist das erste und wichtigste<br />

Wort. Groß steht es am ersten Schultag<br />

an der Tafel, ringsum werden Wörter der<br />

Kinder versammelt. Sie wünschen sich<br />

ein Wort in ihr ABC-Buch und zeichnen,<br />

was das meint. Sie bekommen eine Karte<br />

mit dem Wort ›Wort‹ mit nach Hause und<br />

schreiben es ab. Ähnliches geschieht zum<br />

zweiten Wort: ›Welt‹. Und auch zum dritten<br />

Wort: ›wir‹. Die drei Hausaufgaben<br />

kann die Lehrerin lesen wie einen Test,<br />

der ihr viele Fragen aufgibt: Warum kann<br />

man meine Aufgabe so verschieden auslegen<br />

Muss ich eindeutiger sprechen<br />

Muss ich besser erklären Kann ich die<br />

Varianten zulassen Welche Kinder muss<br />

ich besonders unterstützen oder entschiedener<br />

einbeziehen<br />

Aus diesen drei Wörtern wird der erste<br />

Buchstabe gewonnen, das W. Dazu gibt<br />

es ein Gedicht zu lernen, das man auch<br />

singen kann, und es wird in dem Gedicht<br />

und in den Bezeichnungen vieler Dinge<br />

aufgesucht, die die Lehrerin und die Kinder<br />

mitbringen.<br />

Und das W wird ausgiebig geschrieben,<br />

als großer und kleiner Bruder, die<br />

einander ganz ähnlich sind. Die Lehrerin<br />

zeigt und erklärt an ihrer großen Tafel<br />

mit Kreide und genauer Sprache, wie die<br />

beiden aus vier schrägen Linien entstehen<br />

und wo man zu schreiben beginnt.<br />

Die Kinder versuchen auf ihren Schiefertafeln<br />

ohne Linien mit einem harten Griffel,<br />

es ihr gleichzutun. Schiefertafel und<br />

harter Griffel erleichtern die Ausformung<br />

der Bewegungen durch die fühlbare Reibung.<br />

4 Das hat physiologische Gründe,<br />

die hier nicht ausgebreitet werden können.<br />

Die Lehrerin geht herum, lobt, gibt<br />

kleine Hinweise, lockert, ermutigt und<br />

kehrt immer wieder zu ihrer Tafel zurück,<br />

um zu zeigen, was missraten kann und<br />

worauf man achten muss, ohne Namen<br />

zu nennen. Und das heißt: Sie benennt<br />

und respektiert die Schwierigkeiten, mit<br />

denen die Kinder kämpfen. Wer auf der<br />

Tafel Geläufigkeit erreicht hat, wird befördert:<br />

Die Lehrerin legt ihm ein Blatt neben<br />

die Tafel. Es darf umsteigen auf raues<br />

Papier, Bleistift und Linien. Die dritte<br />

Station ist ein gewöhnliches Schreibheft,<br />

da ist das Papier meist etwas glatter.<br />

Warum das so sein soll, kann man<br />

den Kindern erklären: Auf der Tafel spürt<br />

man, wie sich die Spitze des Griffels auf<br />

der Schreibfläche bewegt. Man muss gar<br />

nicht aufdrücken, um das zu spüren. So<br />

lernt die Hand am leichtesten die richtige<br />

Bewegung. Auf dem rauen Papier kann<br />

sie dann zeigen, was sie gelernt hat, aber<br />

das Papier ist auch noch zu spüren und<br />

hilft mit. Auf dem glatteren Papier fühlt<br />

die Hand sich sicher auch ohne Reibung.<br />

Der Bewegungsablauf ist automatisiert.<br />

Die Hand kann es nun kaum mehr falsch<br />

machen. Nur darf das Kind sie nicht hetzen!<br />

Solche Redeweise unterstützt das<br />

Kind bei seiner Aufgabe, einen klaren,<br />

rhythmisierten, bewussten Bewegungsfluss<br />

auszubilden. Es bleibt aber die Auf-<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005<br />

19


Praxis: Schreiben lernen<br />

gabe der Lehrerin, Kinder zu erkennen,<br />

die nicht verstehen, was sie sagt, und<br />

nicht spüren, was da angeblich zu spüren<br />

ist. Die brauchen besondere Unterstützung.<br />

Und zwar sofort!<br />

Achtsame Selbstwahrnehmung will<br />

gelernt sein! Und sie braucht Anleitung.<br />

Erwachsene kaufen sich das und buchen<br />

Kurse. Kindern sollte es im ersten Schuljahr<br />

vergönnt sein, damit sie dann viele<br />

Jahre lang sich beim Schreiben erholen<br />

können.<br />

Mit dem O als zweitem Buchstaben<br />

erwirbt man die ›gebogene Linie‹<br />

›von oben her‹ oder ›oben anfangend‹<br />

und ›linksherum‹. Viele Kinder machen<br />

»Kreise« von unten her rechtsherum,<br />

und diese Bewegung ist oft schon eingeschliffen.<br />

Sie müssen umlernen. Das<br />

ist mühselig, braucht Bewusstheit und<br />

Ermutigung, damit sie durchhalten und<br />

sich auch später immer wieder selbst<br />

korrigieren können, wenn die alte Gewohnheit<br />

wieder einsetzt.<br />

Mit R und r lernt man zwei Buchstabenbrüder<br />

kennen, die sich auf den<br />

ersten Blick kaum ähneln, aber doch<br />

mit Gewinn verglichen werden können.<br />

Beide beginnen mit einem ›senkrechten<br />

Strich‹, einem ›geraden Strich‹ ›von oben<br />

aus‹ oder ›hinab‹, beim einen ›lang‹, beim<br />

andern ›kurz‹. Beim Großen braucht man<br />

dann einen ›Bogen nach rechts‹ und ›zurück‹<br />

zum ersten Strich, dazu einen ›kleinen<br />

schrägen‹ Strich, anders schräg als<br />

beim W. Der Kleine Bruder vom R sieht<br />

aus, als hätte jemand etwas abgebissen.<br />

Bei ihm ist der Schreibaufwand geringer.<br />

Man macht einen ›kurzen‹ senkrechten<br />

Strich, ›fährt auf dem Strich zurück‹ und<br />

›biegt um‹, wo er fast ›zu Ende‹ ist, aber<br />

nur ›ein bisschen‹.<br />

Nun kommt der vierte Buchstabe, das<br />

T mit seinem kleinen Bruder. Bekannt<br />

ist im T der ›senkrechte Strich‹, neu ist<br />

der ›waagerechte Strich‹ ›von links nach<br />

rechts‹. Der kleine Bruder sieht ganz anders<br />

aus, hat einen ›kleinen Bogen‹ nach<br />

rechts und einen ›kleinen waagerechten<br />

Strich von links nach rechts‹ ›in der Mitte‹.<br />

Genug! Jeder, der Schulanfänger unterrichtet<br />

hat, kennt die Brisanz der Begriffe<br />

›rechts‹ und ›links‹. Gründlich mit<br />

allen geklärt werden sie beim L mit »lila<br />

links« und einem lila lackierten Daumennagel,<br />

obwohl sie vorher beim E wichtig<br />

sind. Jetzt kann man erst einmal beobachten,<br />

welche Kinder Klärung und Unterstützung<br />

brauchen. Sofort!<br />

LehrerInnen, die diesem Text bis hierher<br />

gefolgt sind, muss wohl nicht mehr für<br />

alle weiteren Buchstaben erklärt werden,<br />

wie genau man im Dreifachen Dialog von<br />

LehrerIn, Kindern und Buchstaben auf<br />

die Sprache und ihren Zusammenhang<br />

mit dem Tun beim Druckschriftschreibenlernen<br />

achten sollte. Übrigens: Mit<br />

neuen Buchstaben werden neue Wörter<br />

möglich: zuerst ›wo‹, ein wichtiges Wort<br />

für kleine Menschen, die grad lernen,<br />

sich in neuer Umgebung und neuen Aufgaben<br />

zurechtzufinden. Mit dem dritten<br />

Buchstaben geht nichts Neues, mit dem<br />

vierten aber schon ›rot‹ und ›Rot‹, ›Tor‹,<br />

›Otto‹, ›Toto‹, ›Rotor‹. Während man T und<br />

t gerade neu gelernt hat, kann man die<br />

anderen drei schon ganz selbstverständlich<br />

und sicher benutzen. Das stärkt!<br />

Nach dem vierten Buchstaben kann<br />

man anhalten, ausruhen, zurückblicken,<br />

stolz sein. Und dann nach vorne schauen<br />

und in all den andern Buchstaben die<br />

Formelemente aufsuchen, für die man<br />

nun schon Begriffe und die man geübt<br />

hat. Dann mag man in festlicher Aktion<br />

den Türrahmen der Klasse mit den Buchstaben<br />

des ganzen Alphabets als ›Tor‹ gestalten.<br />

Ein Lesetor, durch das alle Kinder<br />

täglich stolz hindurchgehen und wissen:<br />

Das bisherige Lernen hier drinnen war<br />

nur der Anfang!<br />

Ute Andresen<br />

Anmerkungen<br />

1 Ute Andresen: Ausflüge in die Wirklichkeit. Grundschulkinder<br />

lernen im Dreifachen Dialog, Beltz Verlag, Weinheim und<br />

Basel 2000<br />

2 Ute Andresen: 13 Kernpunkte des Schreib unterrichts,<br />

in: Heiko Balhorn, Horst Bartnitzky u.a.: Schatzkiste Sprache 1<br />

(Beiträge zur Reform der <strong>Grundschule</strong> Band 104), S. 127 – 136,<br />

Frankfurt am Main 1998: Grundschulverband<br />

3 Informationen über »Wort – Welt – wir« finden Sie im Internet<br />

unter www.ute-andresen.de<br />

4 Je unbeholfener die Hand, je unvertrauter die Schriftzeichen, desto<br />

wichtiger ist es, dass die Hand mit dem Stift nicht über eine glatte<br />

Schreibfläche rutscht, sondern auf rauer Fläche Widerstand findet.<br />

Schiefertafeln und die klassischen Griffel aus Schiefer bieten eine<br />

spürbar die Bewegung klärende Reibung.<br />

Informationen über Tafeln und Griffel erhalten Sie bei:<br />

VOGEL DTP, Steinbächlein 9,<br />

96523 Steinach, Tel. 03 67 62 - 3 27 46<br />

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20 GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005


Aus der Forschung: Schrift und Schreiben<br />

Die eigene Schrift entwickeln – von Anfang an<br />

Wie kann Schreibunterricht die graphomotorische Entwicklung<br />

angemessen unterstützen<br />

Schreibenlernen ist auch im Zeitalter<br />

der elektronischen Kommunikationsmedien<br />

nicht überflüssig geworden.<br />

Das Schreiben mit der Hand ist in seiner<br />

Praktikabilität im Alltag nach wie vor<br />

unübertroffen. Doch erfordert es feinmotorische<br />

Koordination, die wie andere<br />

Routine-Bewegungen nur durch Übung<br />

erreicht werden kann. Da das Schreiben<br />

ferner eine kulturelle Tätigkeit ist und<br />

auch die Form der Buchstaben von kulturellen<br />

Konventionen bestimmt ist, gehört<br />

das Schreibenlernen traditionell zu<br />

den Basisaufgaben schulischer Bildung.<br />

Allerdings wurde dieser Bereich in den<br />

vergangenen Jahrzehnten didaktisch<br />

kaum neu bearbeitet. Das Schreibenlernen<br />

rückte mehr oder weniger in den<br />

Schatten des Lesenlernens, erschien vielfach<br />

nur noch in einer Hilfsfunktion. Es<br />

ist nicht nur angesichts neuer Bewertungen<br />

des Schriftspracherwerbsprozesses<br />

längst überfällig, sich auch der Komplexität<br />

des Schreibens bewusst zu werden<br />

und sich Gedanken zum Schreibenlernen<br />

zu machen.<br />

Schreiben als komplexes<br />

Zusammenspiel motorischer<br />

und kognitiver Leistungen<br />

Im Schreibakt eines routinierten Schreibers<br />

greifen motorische, kognitive und<br />

sprachliche Prozesse ineinander. Die Aufmerksamkeit<br />

des Schreibers richtet sich<br />

in erster Linie auf Inhalt und Komposition<br />

(Textebene) sowie auf Orthographie<br />

und Grammatik (Wortebene). Schreibbewegungen<br />

und dazugehörige Planungsentscheidungen<br />

(Formgestaltung,<br />

Muskelanspannung und -koordination)<br />

dagegen geschehen mehr oder weniger<br />

nebenbei, unbewusst und sehr schnell.<br />

Greift man einen Schreibmoment heraus<br />

und betrachtet, was in dieser kurzen<br />

Phase der Verschriftung auf den<br />

verschiedenen am Schreiben beteiligten<br />

Ebenen geschieht, wird dies deutlich, wie<br />

das nachfolgende Beispiel an dem Satz<br />

zeigt: »Die Kinder treffen sich vor der Schule<br />

und freuen sich auf den Besuch im Zoo.«<br />

Die Abbildung veranschaulicht grafisch<br />

die inhaltlich hierarchisch und zeitlich<br />

parallel ablaufenden Prozesse beim Verschriften<br />

dieses Satzes.<br />

Ein Teil des Satzes ist bereits geschrieben<br />

und der Schreiber vollendet gerade<br />

im Wort »Schule« das Schleifen-e mit einem<br />

Abstrich. Die am Schreiben beteiligten<br />

Muskelpartien setzen den Abstrich in<br />

eine Schreibspur um. Für den in Planung<br />

befindlichen Text werden zum gleichen<br />

Zeitpunkt parallel auf hierarchisch höher<br />

angeordneten Ebenen bereits die<br />

Parameter für den nachfolgenden Buchstaben<br />

festgelegt und anschließende<br />

Allographen (Schriftform) ausgewählt.<br />

Für das nächste Wort erfolgt die Zuordnung<br />

der erforderlichen Zeichen zu den<br />

entsprechenden Lauten. Parallel werden<br />

auf den höheren Stufen die zum Ausführungszeitpunkt<br />

noch weiter entfernten<br />

Satzanteile semantisch vorbereitet.<br />

Dieses sehr komplexe Zusammenspiel<br />

dient der reibungslosen und effektiven<br />

Bewältigung des Schreibprozesses im<br />

Alltag. Eine Integration der dargestellten<br />

Ebenen erfordert Schreibkompetenz auf<br />

einem sehr hohen und automatisierten<br />

Niveau. Der routinierte Schreiber musste<br />

Zeitliche Organisation beim Schreiben<br />

(aus: Mahrhofer 2004, 61)<br />

einen Lern- und Übungsprozess durchlaufen,<br />

bis er dieses Stadium erreichte.<br />

Schreibenlernen als<br />

Aufmerksamkeitsfokussierung<br />

auf Form und Bewegung<br />

Bei Kindern, die beim Schreibenlernen<br />

neue Formen und neue Bewegungsabläufe<br />

erwerben, sind die Aufmerksamkeiten<br />

anders verteilt. Für sie sind die<br />

hierarchisch höher angesiedelten Ebenen<br />

von der semantischen Anordnung bis<br />

hin zur Auswahl der Buchstaben ebenso<br />

anspruchsvoll wie die Umsetzung dieser<br />

Buchstaben in Form und entsprechende<br />

Bewegungsabläufe. Je schwieriger die<br />

auszuführenden Formen in ihren Formen<br />

und Formverbindungen sind, desto<br />

mehr Aufmerksamkeit beansprucht deren<br />

Verinnerlichung, ihre Umsetzung in<br />

Schriftspuren und das dazu erforderliche<br />

muskuläre Zusammenspiel. Erst durch<br />

zunehmende Übung und Routine spielen<br />

sich Formumsetzung und Bewegungsserien<br />

ein – der schreibmotorische<br />

Teilprozess wird mehr und mehr automatisiert.<br />

Die Aufmerksamkeitsbeanspruchung<br />

durch die motorischen Kontrollprozesse<br />

nimmt ab, Flüssigkeit und<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005<br />

21


Aus der Forschung: Schrift und Schreiben<br />

Schreiben können – die selbstverständlichste Sache der Welt<br />

»Schreiben im Sinne einer Aneinanderreihung<br />

von Buchstaben und anderen Schriftzeichen<br />

scheint kaum oder überhaupt keine Zukunft<br />

zu haben«, beginnt Vilém Flusser seinen Essay<br />

über die Schrift. 1 Und er fährt fort damit,<br />

den alten Code Schrift mit den neuen Codes<br />

wie z. B. Disketten oder Videobändern zu vergleichen,<br />

die viel effizienter und bequemer den<br />

Austausch von Informationen erlauben. In der<br />

Tat ist die Bedienung eines neuen Mediums zur<br />

Informationsübertragung im wahrsten Sinne<br />

kinderleicht, vergleicht man es mit der Erzeugung<br />

einer Schriftspur auf einem Blatt Papier.<br />

Und – so mutmaßt Flusser – es kommt der<br />

Trägheit vieler Menschen durchaus entgegen,<br />

sich auf die technischen Transfermittel zu beschränken.<br />

Aber da gibt es wohl noch etwas an<br />

der Schrift, das über diese einfache Funktion<br />

der Informationsübermittlung hinausgeht, das<br />

die Schrift und das Schreiben für viele Menschen<br />

doch unverzichtbar macht und das die<br />

Schule veranlasst, das Schreiben trotz technischer<br />

Ersatzmedien nicht aus dem Curriculum<br />

zu streichen.<br />

Schrift und Schreiben dienen nicht nur der<br />

Informationsübertragung, sondern auch einer<br />

spezifischen Art des Denkens und dem persönlichen<br />

Ausdruck. In dieser Hinsicht ist das<br />

Schreiben ein unverzichtbares Mittel. Gedanken<br />

werden sprachlich formuliert und in eine<br />

graphische Form übertragen, die klaren Regeln<br />

folgt. Schrift bedingt eine gewisse Ordnung:<br />

Eine Richtung muss eingehalten werden, die<br />

konventionell festgelegten Zeichen müssen<br />

so produziert werden, dass sie erkennbar sind,<br />

und schließlich müssen bestimmte Regeln<br />

der Verschriftlichung eingehalten werden,<br />

angefangen bei der kompletten Satzstruktur<br />

bis hin zur Orthographie. Dem persönlichen<br />

Ausdruck wird nicht nur in der sprachlichen<br />

Formulierung, sondern auch in der Varianz der<br />

Grundformen der Schrift Raum gegeben. Die<br />

persönliche, unverwechselbare Handschrift ist<br />

das Ergebnis eines relativ langen Prozesses der<br />

Schriftaneignung und der Schreibübung.<br />

Diesen Prozess entwicklungsangemessen<br />

zu begleiten und zu unterstützen ist das Anliegen<br />

des vorgestellten Projekts LufT – Lockere<br />

und flüssige Textproduktion. Zum einen<br />

wurde die graphomotorische Entwicklung der<br />

Kinder über zwei Schuljahre beobachtet und<br />

zum anderen wurden Maßnahmen getestet,<br />

die den Schreiblernprozess in geeigneter Weise<br />

didaktisch begleiteten. Die Kinder erhielten<br />

Gelegenheit ihren Lernprozess stärker selbst<br />

zu steuern, sich dabei zu beobachten und auf<br />

diese Weise schon relativ früh eine persönliche<br />

Schrift zu entwickeln. Die von Christina<br />

Mahrhofer-Bernt entwickelten, hier vorgestellten<br />

Prinzipien lassen sich auf jeden Schreibunterricht<br />

übertragen; handlungsleitend ist<br />

dabei die Vorstellung eines bewegungsökonomischen<br />

und individuell angepassten Aufbaus<br />

von motorischen Routinen. Die Kinder im Projekt<br />

quittierten die dabei angebotenen Hilfestellungen<br />

mit einer größeren Aufmerksamkeit<br />

dem Schreiben gegenüber. Lehrern und<br />

Lehrerinnen wird beim präzisen Blick auf den<br />

Schreibprozess, wie er hier vorgestellt wird, vor<br />

allem klar, welch hoch komplexe Leistung von<br />

Grundschulkindern beim Schreiben erbracht<br />

wird und welch langer Weg zurückgelegt werden<br />

muss, bis das Schreibenkönnen zur Selbstverständlichkeit<br />

geworden ist.<br />

Angelika Speck-Hamdan<br />

1 Flusser, Vilém (1990) Die Schrift: Hat Schreiben<br />

Zukunft Göttingen: European Photography,<br />

3. Auflage, S. 7<br />

Geläufigkeit der Schreibbewegung nehmen<br />

zu. Gestalten sich die Bewegungsausführungen<br />

einfacher, fällt auch der<br />

Verlauf der Automatisierung leichter. Aus<br />

dem Bereich des rehabilitativen Schreibtrainings<br />

(Mai 19<strong>91</strong>, Mai & Marquardt<br />

1999a) kommt daher die Frage, warum<br />

den Kindern das verbundene Schreibenlernen<br />

durch anspruchsvolle Formen<br />

und strenge Schreibvorgaben unnötig<br />

erschwert wird.<br />

Schreibunterricht unter<br />

der graphomotorischen Lupe<br />

Lieb gewonnene didaktische Selbstverständlichkeiten<br />

im Schreibunterricht wie<br />

beispielsweise fest vorgegebene Liniengrößen<br />

lassen sich trotz langjähriger<br />

Umsetzung in der Unterrichtspraxis nicht<br />

durch Forschungsergebnisse bestätigen<br />

(Mahrhofer & Speck-Hamdan 2001,<br />

Mahrhofer 2004). Bei anderen Vorgaben<br />

wie das Üben mit Hohlschriften, Nachspuren<br />

oder der Aufforderung, die vorgegebene<br />

Linie auf jeden Fall einzuhalten,<br />

zeigen Bewegungsanalysen eindeutige<br />

schreibmotorische Beschränkung der<br />

flüssigen Bewegungsausführungen. Die<br />

Kritik an der Lateinischen Ausgangsschrift<br />

hinsichtlich ihrer komplizierten<br />

Form- und Normvorgaben ist bekannt.<br />

Doch auch bei der Vereinfachten Ausgangsschrift<br />

sind Einschränkungen zu<br />

machen. Während die Großbuchstaben<br />

deutlich an die Druckschrift angelehnt<br />

wurden, wurden die Kleinbuchstaben<br />

weit weniger systematisch vereinfacht<br />

(Mai 19<strong>91</strong>, Mai & Marquardt 1998). In<br />

der Lineatur bedeutet die Eingrenzung<br />

von Mittelband, Ober- und Unterlängen<br />

und die Vorgabe zur genauen Einhaltung<br />

weniger eine Orientierung des Schreibraumes.<br />

Vielmehr behindert es die Ausführung<br />

flüssiger Schreibbewegungen<br />

(Quenzel 1994, 2000). Auch die Vorgabe<br />

von Schriftgrößen, Schriftneigung und<br />

Schreibübungen wie Nachspuren, Schreiben<br />

in Hohlschriften oder Schablonen<br />

tragen nicht nachweislich zur Entwicklung<br />

flüssiger Schreibbewegungen bei.<br />

Prinzipien für das Schreibenlernen<br />

An diesen Kritikpunkten setzt der LufT-<br />

Schreibunterricht an, dessen Konzept<br />

im Projekt »LufT – Lockere und flüssige<br />

Textproduktion« 1 entwickelt wurde.<br />

Er versucht, auf der Grundlage bisher<br />

bekannter Forschungsergebnisse die<br />

Entwicklung einer verbundenen Schrift<br />

durch umfassend vereinfachte Schreibvorgaben<br />

zu erleichtern. Hierzu prägen<br />

den LufT-Schreibunterricht drei zentrale<br />

Prinzipien:<br />

n Das Prinzip der Richtvorgaben anstelle<br />

der Normvorgaben<br />

n Das Prinzip der Freigabe von Wahlmöglichkeiten<br />

n Das Prinzip der Selbsteinschätzung<br />

und der Reflexion des eigenen<br />

Schreibprozesses.<br />

In diesen drei Prinzipien spiegelt sich<br />

die übergeordnete Vorstellung eines<br />

Schreibunterrichts, der das Schreiben<br />

lernende Kind in seiner individuellen<br />

Schreibentwicklung unterstützt und dabei<br />

von Anfang an zur Reflexion seines<br />

Tuns anhält.<br />

Das Prinzip der Richtvorgaben<br />

Die angebotenen Buchstabenformen der<br />

verbundenen Ausgangsschrift, die hier<br />

gegenüber der Vereinfachten Ausgangsschrift<br />

noch stärker vereinfacht wurden,<br />

22 GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005


Aus der Forschung: Schrift und Schreiben<br />

sind lediglich als Richtvorgaben zu verstehen<br />

und sollen den Kindern eine Hilfestellung<br />

für den Wechsel von der Druckschrift<br />

zur verbundenen Schrift geben.<br />

Ihr Verständnis als Richtformen betont<br />

dabei den Respekt vor individuellen<br />

schreibmotorischen Kompetenzen und<br />

Entwicklungsbedürfnissen. So zeigen<br />

Schreiben lernende Kinder im Einschulungsalter<br />

sehr deutliche Entwicklungsunterschiede<br />

in den graphomotorischen<br />

Voraussetzungen und der sich entfaltenden<br />

Schreibmotorik.<br />

Die Kinder, die sich im Projekt Luft<br />

die verbundene Schrift aneigneten, hatten<br />

von Anfang an die Möglichkeit, eine<br />

persönliche Schrift zu entwickeln. Unter<br />

Einhaltung der Kriterien der Leserlichkeit,<br />

Schreibflüssigkeit und Schreibschnelligkeit<br />

konnten sie die Buchstabenformen<br />

so abwandeln, wie es ihren Bewegungsbedürfnissen<br />

entgegenkam.<br />

Das Prinzip der Freigabe<br />

von Wahlmöglichkeiten<br />

Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen<br />

Lineaturen ebenso wie bei Buchstabenverbindungen<br />

dienen dem gleichen<br />

Ziel, individuellem Schreibbedürfnis zu<br />

entsprechen. Um die Kinder durch ein<br />

Zuviel an Möglichkeiten von Verbinden<br />

und Absetzen anfänglich nicht zu überfordern,<br />

wurden im Projekt aus theoretischen<br />

Überlegungen heraus drei<br />

grundlegende Absetzregeln vorgegeben,<br />

LufT – Buchstaben als Richtformen für die<br />

verbundene Schrift (aus: Mahrhofer 2004, 192)<br />

an denen sich die Kinder zunächst orientieren<br />

konnten. Eine dieser Absatzregeln<br />

lautete zum Beispiel: »Vor a, o, d und q<br />

gib den Fingern Ruh!« (Vermeidung des<br />

Deckstrichs).<br />

Die Freiheiten der Abwandlung und<br />

der Wahlmöglichkeiten bedeuteten für<br />

die Kinder eine große Herausforderung.<br />

Sie mussten sich mit ihrem Schreiben<br />

und ihren eigenen Bedürfnissen und<br />

Kompetenzen auseinandersetzen. Bereits<br />

im zweiten Schuljahr ergaben sich<br />

bei den Schülern regelrechte Expertengespräche<br />

über die Schriftprodukte.<br />

Das Prinzip der<br />

Selbsteinschätzung und Reflexion<br />

des eigenen Schreibens<br />

Die Selbsteinschätzung und Reflexion<br />

des eigenen Schriftprodukts und der eigenen<br />

Schreibhandlung bilden eine wesentliche<br />

Ergänzung. Um diesen Prozess<br />

anzuregen, zu begleiten und zu fördern,<br />

finden sich kleinere Elemente wie Beurteilungsfelder<br />

am Ende eines Arbeitsblattes<br />

zum Ankreuzen oder größere<br />

Elemente wie Schriftgespräche im Klassenkreis<br />

oder zwischen zwei bis drei Kindern<br />

im Rahmen der Wochenplanarbeit.<br />

Die Schriftgespräche wurden im Rahmen<br />

des LufT-Projekts entwickelt. Sie erleichtern<br />

den Kindern in diesem Schulbesuchsalter<br />

die Auseinandersetzung mit<br />

dem eigenen Schreibprozess auf der Metaebene.<br />

Die Kinder stellen ihre Schriftprodukte<br />

vor, schätzen sie gegenseitig<br />

kriterienbezogen ein und entfalten mit<br />

der Zeit richtige Fachgespräche. Nach anfänglicher<br />

Anleitung durch die Lehrkraft<br />

übernehmen die Kinder mehr und mehr<br />

die eigenverantwortliche Organisation.<br />

Die Kinder erfahren so die eigene Verantwortung<br />

und die Wirkung ihrer Schriftprodukte<br />

aus der unmittelbaren und ehrlichen<br />

Sicht des gleichaltrigen Kindes.<br />

Langzeitbeobachtung der<br />

Schreibentwicklung im Projekt<br />

»LufT – Lockere und flüssige<br />

Textproduktion«<br />

Im bereits erwähnten Projekt »LufT<br />

– Lockere und flüssige Textproduktion«<br />

wurde die Schreibentwicklung von<br />

Kindern beim Erwerb verschiedener verbundener<br />

Ausgangsschriften von Mitte<br />

der ersten bis Ende der zweiten Klasse<br />

beobachtet und begleitet. Die Kinder<br />

besuchten verschiedene <strong>Grundschule</strong>n<br />

im Raum München. Von insgesamt<br />

sechs Klassen lernten zwei Klassen die<br />

Lateinische Ausgangsschrift (Gruppe LA)<br />

und zwei Klassen die vereinfachte Ausgangsschrift<br />

(Gruppe VA) als verbundene<br />

Ausgangsschrift. Zwei weitere Klassen<br />

wurden mit einem eigens für die Studie<br />

entwickelten Schreiblehrgang »LufT« unterrichtet<br />

(Gruppe LUFT), in dem die bisherigen<br />

Erkenntnisse zur Erleichterung<br />

des graphomotorischen Anteils beim<br />

Schreibenlernen eingearbeitet und in ein<br />

umfassendes methodisches Schreibunterrichtskonzept<br />

eingebettet wurden. In<br />

diesen beiden letztgenannten Klassen<br />

wurde der Schreibunterricht nach den<br />

Dr. Christina Mahrhofer-Bernt<br />

ist Sonderschullehrerin<br />

und Sonderpädagogin M.A.<br />

Das Projekt LufT – Lockere und<br />

flüssige Textproduktion leitete<br />

sie zusammen mit<br />

Prof. Dr. Angelika Speck-Hamdan<br />

an der Universität München.<br />

Von 1997 bis 2002 war sie<br />

wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

an den Universitäten München,<br />

Erlangen-Nürnberg und<br />

Bamberg. Seit 2002 ist sie<br />

als Sonderschullehrerin tätig<br />

und arbeitet gegenwärtig am<br />

Sonderpädagogischen Förderzentrum<br />

Landshut-Land in der<br />

Primarstufe.<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005<br />

23


Aus der Forschung: Schrift und Schreiben<br />

Ausschnitt »Räumliche Einteilung« aus der Beurteilungsskala<br />

des entwickelten Schriftratings<br />

o. g. Prinzipien modifiziert. In den Klassen<br />

mit Lateinischer und Vereinfachter<br />

Ausgangsschrift wurde in den Unterricht<br />

nicht eingegriffen. Von Interesse war für<br />

die Studie, wie sich die Kinder aller sechs<br />

Klassen bezogen auf die Schreibbewegungen<br />

und die Leserlichkeit ihrer Schriften<br />

entwickeln.<br />

Es zeigten sich für die Kinder in den<br />

drei verschiedenen Gruppen unterschiedliche<br />

Prozesse der Automatisierung von<br />

Schreibbewegungen und eine ungleiche<br />

Leserlichkeit der Schriftproben. Zur Beurteilung<br />

der Schreibbewegungen diente<br />

ein computergestütztes Messverfahren,<br />

mit dem die Bewegungsausführungen<br />

mittels Geschwindigkeitsverläufen im<br />

Hinblick auf eine zunehmende Routinisierung<br />

der Schreibbewegungen drei<br />

Mal pro Schuljahr bewertet wurden. Zur<br />

Überprüfung der Leserlichkeit wurde ein<br />

kriterienbasiertes Verfahren entwickelt<br />

und zu zwei Messzeitpunkten (Ende der<br />

ersten Klasse und Ende der zweiten Klasse)<br />

eingesetzt.<br />

Folgende Ergebnisse lassen sich an dieser<br />

Stelle kurz zusammenfassen.<br />

1. Schreibbewegungen sind nicht immer<br />

gleich flüssig und gleich schnell.<br />

2. Nach schreibmotorischen Gesichtspunkten<br />

modifizierte Schriftvorgaben<br />

führen nicht zwingend zu einer<br />

schlechteren Lesbarkeit.<br />

Zur Schreibschnelligkeit<br />

und Schreibflüssigkeit<br />

Bei der Ausführung der Schreibbewegungen<br />

sind Schreibschnelligkeit und<br />

Schreibflüssigkeit zwei wesentliche Kriterien.<br />

Für die Schnelligkeit einer Schrift<br />

ist die Frequenz, mit der das Kind beim<br />

Schreiben Striche produziert, aussagekräftig.<br />

Dabei wird jeder Buchstabe in<br />

Auf- und Abstriche zergliedert. Die Frequenz<br />

gibt dabei an, wie viele Auf- und<br />

Abstrichpaare pro Sekunde gemacht<br />

werden. Je höher die Frequenz, desto<br />

schneller produziert das Kind die einzelnen<br />

Teilstriche der Buchstaben und desto<br />

schneller schreibt das Kind insgesamt.<br />

Für die Flüssigkeit von Schreibbewegungen<br />

ist die Anzahl der Geschwindigkeitswechsel<br />

während eines Striches<br />

maßgebend. Je flüssiger die Schreibbewegung<br />

bei der Produktion eines Striches<br />

ist, desto weniger wird die Bewegung im<br />

Geschwindigkeitsverlauf korrigiert und<br />

desto niedriger ist die oben genannte<br />

Anzahl der Geschwindigkeitswechsel.<br />

Gemessen werden die Variablen mit dem<br />

von Mai und Marquardt entwickelten<br />

Programm CS (Mai & Marquardt 1996,<br />

1999b), das eine computergestützte<br />

Analyse der Bewegungsabläufe beim<br />

Schreiben bietet. Flüssigkeit und Schnelligkeit<br />

wurden an Grundelementen der<br />

Schreibbewegungen (Bewegungen aus<br />

dem Handgelenk, den Fingern und der<br />

Kombination von beiden), einfachen<br />

Buchstabenformen, Wörtern und Sätzen<br />

gemessen.<br />

Zu den für das Schreiben wichtigen<br />

Grundbewegungen zählen Striche aus<br />

dem Handgelenk, aus den Fingern und<br />

der Kombination beider Bewegungen.<br />

Hier zeigte sich über die ersten beiden<br />

Schuljahre hinweg zweierlei. Zwei der<br />

drei für das Schreiben grundlegenden<br />

Bewegungen, die Ausführungen aus dem<br />

Hand gelenk bzw. die Ausführungen aus<br />

den Fingern konnten nahezu alle Kinder<br />

bereits nach vier Monaten Schreibunterricht<br />

flüssig ausführen. Während zu<br />

diesem Zeitpunkt die Kombination der<br />

beiden Bewegungen in der Ausführung<br />

von Kreisen nur etwa der Hälfte gelang,<br />

schafften es am Ende der zweiten Klasse<br />

etwas mehr als 80 %. Es gibt aber am<br />

Ende der zweiten Klasse immer noch<br />

Kinder, die diese grundlegende Kombinationsbewegung<br />

nicht flüssig ausführen<br />

können.<br />

Die Produktion von Strichen und kleinen<br />

Druckschrift-l bildet die zweite Erhebungskategorie.<br />

Beide ähneln sich sehr<br />

in der Ausführungsform. Beim Druckschrift-l<br />

kommt in der motorischen Bewegungsausführung<br />

noch der Haken am<br />

Ende des Abstriches dazu. Gleichzeitig<br />

assoziieren die Kinder beim Schreiben<br />

hiermit eine Buchstabenform, nicht mehr<br />

nur einen Strich mit Haken. Hier ließ sich<br />

ein deutlicher Unterschied zu den überprüften<br />

elementaren Schreibformen<br />

(Hand-, Fingerbewegungen, Kombination<br />

von beiden) feststellen. Die Unflüssigkeit<br />

der Bewegungen nahm bei diesen<br />

beiden Formen deutlich zu und blieb bei<br />

mehr als der Hälfte der Kinder bis zum<br />

Ende der zweiten Klasse unflüssig. Auch<br />

der Unterschied zwischen Strichen und<br />

Buchstabenform machte sich deutlich<br />

bemerkbar und blieb bis zum Ende der<br />

zweiten Klasse bestehen. In diesen beiden<br />

Ergebniskategorien unterschieden<br />

sich die drei Gruppen nicht.<br />

Die Wort- und Satzebene, auf der sich<br />

das Schreiben in der Schule bewegt,<br />

wurden an drei Erhebungszeitpunkten<br />

im zweiten Schuljahr untersucht, als<br />

die Einführung der verbundenen Schrift<br />

abgeschlossen war. Die sich in den graphischen<br />

Verteilungen immer wieder<br />

andeutenden Tendenzen für eine Überlegenheit<br />

der LufT-Gruppe lassen sich nicht<br />

systematisch als statistisch bedeutsam<br />

bestätigen. Allgemein feststellen lässt<br />

sich jedoch Folgendes: Die LufT-Kinder<br />

zeigten ab Mitte des zweiten Schuljahres<br />

durchschnittlich flüssigere Bewegungen.<br />

Beim Vergleich schwächerer Schreiber<br />

bewiesen sehr unflüssig schreibende<br />

LufT-Kinder im Verlauf des zweiten<br />

Schuljahres deutlichere Verbesserungen<br />

der Schreibflüssigkeit als die unflüssig<br />

schreibenden LA- und VA-Kinder. Zudem<br />

waren in der LufT-Gruppe zu allen drei<br />

Erhebungszeitpunkten in den zweiten<br />

Klassen mehr Kinder mit flüssigen Bewegungen<br />

als in den beiden anderen Gruppen.<br />

Für Kinder mit weniger günstigen<br />

graphomotorischen Voraussetzungen<br />

erwies sich der LufT-Schreiblehrgang als<br />

hilfreich.<br />

Zur Leserlichkeit<br />

Neben Flüssigkeit und Schnelligkeit der<br />

Schreibbewegungen spielt die Leserlichkeit<br />

für das schulische Schreiben eine<br />

bedeutsame Rolle. Leserlichkeit ist an<br />

dieser Stelle jedoch nicht mit Lesbarkeit<br />

24 GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005


Aus der Forschung: Schrift und Schreiben<br />

gleichzusetzen. Für die Lesbarkeit bedarf<br />

es neben der Erkennbarkeit und der<br />

Ausführungsqualität von Schrift weiterer<br />

Faktoren, wie z. B. sinnvoll zusammengefügte<br />

semantische und syntaktische Informationen.<br />

Die Lesbarkeit bezieht über<br />

die reinen graphischen Informationen der<br />

Leserlichkeit den Aspekt der Sinnentnahme<br />

mit ein. Wesentlich für den Schreibunterricht<br />

ist demgegenüber jedoch die<br />

Leserlichkeit der Schrift, die primär mit<br />

graphischen Informationen zu tun hat.<br />

Die in einem hierfür entwickelten Instrument<br />

erarbeiteten und überprüften<br />

Kriterien beziehen sich auf eine erste<br />

allgemeine Einschätzung und eine nachfolgende<br />

differenzierte Beurteilung. In<br />

der letztgenannten werden mittels eines<br />

Beurteilungsbogens (siehe Teilabschnitt<br />

in Abb.) die Kategorien »Räumliche Einteilung«,<br />

»Schriftneigung«, »Verbindung<br />

der Buchstaben« und »Form der Buchstaben«<br />

beurteilt.<br />

Bei den untersuchten Kindern zeigt<br />

die Überprüfung der Leserlichkeit der<br />

Schriften jeweils am Ende der ersten<br />

und zweiten Klasse folgende Ergebnisse:<br />

Zum einen lässt sich bei allen drei Gruppen<br />

von Ende der ersten Klasse bis zum<br />

Ende der zweiten Klasse eine allgemeine<br />

Abnahme der Leserlichkeit feststellen.<br />

Ende der zweiten Klasse gibt es in den<br />

untersuchten Gruppen weniger »völlig<br />

leserliche« Schriftproben; die darunter<br />

liegenden Kategorien von ȟberwiegend<br />

leserlich« bis »unleserlich« nehmen hingegen<br />

zu. In den Extremkategorien sehr<br />

guter bzw. unleserlicher Schriften schneiden<br />

die LufT-Kinder weniger günstig ab.<br />

Gleichzeitig liegt der überwiegende Anteil<br />

der Schriftproben jeder Gruppe bei<br />

einer mittleren bis guten Leserlichkeit<br />

der Schriften. Alle drei Gruppen erreichten<br />

das Ziel einer leserlichen Schrift.<br />

Im Durchschnitt führt ein nach oben<br />

beschriebenen Kriterien modifizierter<br />

Schreibunterricht wie der LufT-Schreibunterricht,<br />

der mehr Wert auf Bewegungsökonomie<br />

als auf ästhetische<br />

Kriterien in den Schreibausführungen<br />

legt, damit also nicht zwingend zu einer<br />

schlechteren Leserlichkeit bei allen unterrichteten<br />

Kindern.<br />

Neben den vorausgehend dargestellten<br />

Ergebnissen zeigten sich aufschlussreiche<br />

Zusatzergebnisse im Hinblick auf die<br />

Schreibentwicklung von Kindern in den<br />

ersten beiden Schuljahren. Zum einen<br />

fällt auf, dass das Spektrum an motorischen<br />

Schreibfertigkeiten deutlich breiter<br />

streut, als man bisher aufgrund von Praxiserfahrungen<br />

annahm. Vor allem zum<br />

Ende der zweiten Klasse sind die meisten<br />

der untersuchten Kinder unabhängig<br />

von der vermittelten Schreibschrift noch<br />

weit von automatisierten und routinierten<br />

Schreibbewegungen entfernt. Zwar<br />

beherrschen die meisten Kinder nach<br />

ca. vier Monaten die für das Schreiben<br />

grundlegenden Schreibbewegungen aus<br />

dem Handgelenk und den Fingern. Dennoch<br />

können sie diese Bewegungen noch<br />

lange nicht flüssig kombinieren oder gar<br />

bei der Umsetzung von Schriftzeichen<br />

anwenden.<br />

Die schreibmotorischen Fertigkeiten<br />

von Kindern sind demnach vermutlich in<br />

den ersten beiden Schuljahren weder so<br />

homogen noch so schnell voranschreitend<br />

in ihrem Lernprozess hin zu einer<br />

automatisierten Schrift wie bisher in der<br />

Schreibdidaktik ungefragt angenommen.<br />

Führt man diesen Gedankengang eines<br />

breiten Spektrums an Schreibkompetenzen<br />

weiter, ergibt sich als Folge<br />

der Bedarf nach einem breiten Angebot<br />

an individuellen und den graphomotorischen<br />

Lernprozess berücksichtigenden<br />

Vorgaben für den Schreibunterricht. Erst<br />

dadurch wird die Chance gewahrt, individuelle<br />

Schreibleistungen zuzulassen.<br />

Spiegeln kann sich dies wie bei den hier<br />

begleiteten LufT-Kindern in ihren reiferen<br />

Schriftprofilen ebenso wie in ihrer<br />

begeisterten und intensiven Auseinandersetzung<br />

mit der eigenen Schrift.<br />

Abschließende Bemerkung<br />

Aus der Langzeitbeobachtung lässt sich<br />

schließen, dass eine didaktisch-methodische<br />

Weiterentwicklung des Schreibunterrichts<br />

im Hinblick auf schreibmotorische<br />

Erleichterungen möglich ist. Die<br />

Erfahrungen im Projekt »LufT« zeigen,<br />

dass die oben dargestellten Prinzipien<br />

n der Richtvorgaben,<br />

n der Freigabe von Wahlmöglichkeiten<br />

und vor allem<br />

n das Prinzip der Selbsteinschätzung<br />

und Reflexion<br />

den Kindern in ihrer individuellen Entwicklung<br />

hin zu einer routinierten Handschrift<br />

eine wesentliche Unterstützung<br />

bieten. Vor allem das Prinzip der Selbsteinschätzung<br />

und Reflexion weist Wege<br />

auf, wie man mit Problemstellen auch in<br />

anderen verbundenen Ausgangsschriften<br />

umgehen kann. 2<br />

Christina Mahrhofer-Bernt<br />

Anmerkungen<br />

1 Die Studie »LufT – Lockere und flüssige<br />

Textproduktion« wurde von 1998 bis 2000<br />

an der Ludwig-Maximilians-Universität<br />

München, Lehrstuhl für Grundschulpädagogik<br />

und -didaktik durchgeführt. Eine<br />

umfassende theoretische Auseinandersetzung<br />

und Darstellung der Methoden<br />

und Ergebnisse findet sich in Mahrhofer<br />

2004.<br />

2 Der im Projekt LufT entwickelte Ansatz<br />

der Schriftgespräche diente als Ausgangspunkt<br />

für die Entwicklung einer<br />

Handreichung zum Umgang mit den<br />

Problemstellen der VA. Die Handreichung<br />

wurde entwickelt am ISB – Staatsinstitut<br />

für Schulqualität und Bildungsforschung<br />

München (Leitung des Arbeitskreises:<br />

Dr. B. Grasy, Beratung: Dr. C. Mahrhofer-<br />

Bernt, 2005).<br />

Literatur<br />

Mahrhofer, C. (2002): LufT – Lockere und flüssige<br />

Textproduktion. Erste Ergebnisse aus einer empirischen<br />

Untersuchung zur graphomotorischen Schreibentwicklung.<br />

In: Petillon, H. (Hrsg.), Individuelles und<br />

soziales Lernen in der <strong>Grundschule</strong> – Kindperspektive<br />

und pädagogische Konzepte. Jahrbuch Grundschulforschung<br />

Bd. 5, Leverkusen: Leske + Budrich.<br />

Mahrhofer, C. (2004): Schreibenlernen mit graphomotorisch<br />

vereinfachten Schreibvorgaben. Eine<br />

experimentelle Studie zum Erwerb der verbundenen<br />

Ausgangsschrift in der 1. und 2. Jahrgangsstufe.<br />

Bad Heilbrunn: Klinkhardt.<br />

Mahrhofer, C., Speck-Hamdan, A. (2001):<br />

Schreibenlernen – ein Kinderspiel Eine Analyse des<br />

Erstschreibunterrichts. <strong>Grundschule</strong>, 33. (2), 39-41.<br />

Mai, N. (19<strong>91</strong>): Warum wird Kindern das Schreiben<br />

schwer gemacht Zur Analyse der Schreibbewegungen.<br />

Psychologische Rundschau 42, 12– 18.<br />

Mai, N., Marquard, C. (1998): Registrierung und<br />

Analyse von Schreibbewegungen: Fragen an den<br />

Schreibunterricht. In: Huber, L., Kegel, G.,<br />

Speck-Hamdan, A. (Hrsg.), Einblicke in den Schriftspracherwerb,<br />

83 – 99. Braunschweig: Westermann.<br />

Mai, N., Marquardt, C. (1996, 1999b): CS. Computerunterstützte<br />

Analyse der Bewegungsabläufe beim<br />

Schreiben. Vers. 4.3 (1996), Vers. 5.0 (1999). München:<br />

MedCom.<br />

Mai, N., Marquardt, C. (1999a): Schreibtraining in<br />

der neuropsychologischen Rehabilitation, 2., verb. Aufl.<br />

Dortmund: Borgmann Publishing.<br />

Quenzel, I. (1994): Kinematische Analysen einfacher<br />

Schreibbewegungen bei Kindern und Erwachsenen.<br />

Unveröffentl. Diplomarbeit, Fachbereich Psychologie,<br />

Universität Frankfurt.<br />

Quenzel, I. (2000): Kinematische Analyse von Schreibbewegungen<br />

im Erstunterricht. Unterrichtswissenschaft.<br />

Zeitschrift für Lernforschung, 28 (4), 290 – 303.<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005<br />

25


<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Baden-Württemberg<br />

Anschrift: Dipl.-Päd. Adolf Messer, Stockacker 15, 79252 Stegen; www.gsv-bw.de<br />

Berlin<br />

Kontakt: Ingrid Kornmesser, Kohlfurter Str. 4, 10999 Berlin; ikornmesser@yahoo.de<br />

Offener Brief<br />

Mit ihrem Offenen Brief vom 15. Mai<br />

2005 an die schulpolitischen Sprecher/<br />

innen der Parteien (»Baustelle <strong>Grundschule</strong>«,<br />

siehe www.gsv-berlin.de unter<br />

Stellungnahmen) und ihrer Kritik an der<br />

mangelhaften Umsetzung der Reformpläne<br />

durch die Senatsbildungsverwaltung<br />

und die bezirklichen Schulträger<br />

hat die Berliner Landesgruppe Staub<br />

aufgewirbelt. Es wird zunehmend auch<br />

in der Öffentlichkeit sichtbar, was alles<br />

bei der Umwandlung der Berliner<br />

<strong>Grundschule</strong>n in gebundene Ganztagsgrundschulen<br />

bzw. in Verlässliche<br />

Halbtagsgrundschulen mit Offenem<br />

Ganztagsbetrieb schlecht vorbereitet<br />

wurde. In vielen Berliner <strong>Grundschule</strong>n<br />

ist zu Beginn des neuen Schuljahrs Krisenmanagement<br />

angesagt. Der Grundschulverband<br />

fordert, dass die Schulverwaltung<br />

zu allererst eine sorgsame<br />

und ehrliche Bestandsaufnahme <strong>aktuell</strong>er<br />

Probleme vornimmt, die sich auf<br />

jede der ca. 430 Berliner Grundschu-<br />

Lehrerbildung: Anfangsunterricht<br />

noch weiter eingeschränkt!<br />

Das Kultusministerium hat (zunächst<br />

probeweise für die Dauer von 3 Jahren)<br />

eine neue Verwaltungsvorschrift<br />

Arbeitszeit für das Leitungs- und Lehrpersonal<br />

an den Staatlichen Seminaren<br />

für Didaktik und Lehrerbildung in<br />

Kraft gesetzt. Dabei wird die Möglichkeit<br />

erheblich eingeschränkt, Inhalte<br />

des Anfangsunterrichts zu vermitteln.<br />

Nachdem im Zuge der Studienreform<br />

1998/2000 der Anfangsunterricht als<br />

eigenes Studienfach an den Pädagogischen<br />

Hochschulen abgeschafft wurde,<br />

konnte er bislang immerhin im Umfang<br />

einer halben Fachdidaktik an den<br />

Seminaren für die schulpraktische Ausbildung<br />

von Grundschullehrer/innen<br />

angeboten werden. Künftig kommt der<br />

Anfangsunterricht und mit ihm ein bewährtes<br />

Studienfeld, das zentrale stufendidaktische<br />

und grundschulpädagogische<br />

Fragen betrifft, faktisch in<br />

der Ausbildung von Referendar/innen<br />

nicht mehr vor. Unverkennbar steht<br />

dahinter der Wille, die Bedeutung der<br />

wissenschaftlichen Fachausbildung zu<br />

Lasten einer allgemeinen grundschulpädagogischen<br />

und stufendidaktischen<br />

Orientierung zu stärken. Im Rahmen<br />

eines ausführlichen Gesprächs<br />

mit hochrangigen Vertretern des Kultusministeriums<br />

hat die Landesgruppe<br />

Ihre Kritik an der Verwaltungsvorschrift<br />

artikuliert.<br />

Fachtagung<br />

Am 25. Oktober wird die Landesgruppe<br />

in der PH Ludwigsburg eine Fachtagung<br />

zum Thema »Frühe Bildung« durchführen.<br />

Das Hauptreferat zu einem nach<br />

PISA hoch<strong>aktuell</strong>en Thema hält Prof.<br />

Dr. Kurt Meiers: »Schriftspracherwerb<br />

als gemeinsame Aufgabe von Schule<br />

und Kindertagesstätten«.<br />

len bezieht, und dann den Schulen<br />

mit besonders großen Problemen konkret<br />

und unbürokratisch die erforderliche<br />

Unterstützung gibt. Der Berliner<br />

<strong>Grundschule</strong> mangelt es im Augenblick<br />

nicht an klugen Leitideen auf dem<br />

Papier. Ihr mangelt es an einer umsichtigen<br />

und professionellen Umsetzung<br />

der vielen gleichzeitig auf sie niederprasselnden<br />

Neuerungen.<br />

Zur besseren Information der<br />

Kollegien<br />

Die Berliner Landesgruppe bietet allen<br />

Berliner <strong>Grundschule</strong>n an, sie per<br />

E-Mail kontinuierlich mit aus Perspektive<br />

des Grundschulverbandes wichtigen<br />

Informationen zur (Berliner)<br />

<strong>Grundschule</strong>ntwicklung zu informieren.<br />

Außerdem bieten wir eine GSV-<br />

Info-Stecktafel an (50 x 70 cm; KAPA,<br />

10 mm), die frei Haus zum Selbstkostenpreis<br />

von 10,– € geliefert wird.<br />

(für die Landesgruppe: Peter Heyer)<br />

Zwei Fragen werden im Mittelpunkt<br />

stehen: Welche praktischen Folgerungen<br />

sind von pädagogischer Seite<br />

zu ziehen, um die Erfolgschancen<br />

des zweifellos sehr anspruchsvollen<br />

Schriftspracherwerbs bereits in den<br />

Kindertagesstätten durch bereichsspezifische<br />

Fördermaßnahmen unter<br />

Berücksichtung der individuellen Voraussetzungen<br />

zu steigern Und: Wie<br />

kann Schule die Vorleistungen der<br />

Kindertagesstätten aufgreifen und so<br />

weiterführen, dass die Kinder den Erwerb<br />

der Schriftsprache erfolgreich<br />

durchlaufen<br />

(für die Landesgruppe:<br />

Hans-Joachim Fischer)<br />

Fachtagung zum Thema<br />

»Frühe Bildung«,<br />

Freitag, 25. Oktober 2005,<br />

PH Ludwigsburg<br />

Forum <strong>Grundschule</strong><br />

»Reformen ja! So nicht!!!«,<br />

Diskussion,<br />

15. September 2005,<br />

17 – 20 Uhr, Zille-<strong>Grundschule</strong>,<br />

Waldemarstr. 118,<br />

10997 Berlin-Kreuzberg<br />

Verbandsübergreifende<br />

Fachtagung »Von der<br />

Integration zur Inklusion«<br />

Vorträge von Andreas Hinz<br />

und Jutta Schöler, Arbeitsgruppen,<br />

Expertenrunden<br />

12. November 2005, 9 – 17 Uhr,<br />

Mauerstr. 53, 10117 Berlin-Mitte<br />

Mehr zu den Veranstaltungen unter<br />

www.gsv-berlin.de<br />

Bayern<br />

Vorsitzende: Dr. Gudrun Schönknecht,<br />

Heterogenität in jahrgangsgemischten<br />

Eingangsstufen<br />

Die jahrgangsgemischte Eingangsstufe<br />

lässt unter Eltern und Lehrkräften<br />

momentan die Stimmungswogen<br />

hochschlagen, da viele <strong>Grundschule</strong>n<br />

die Jahrgangsmischung als Sparmodell<br />

zum neuen Schuljahr verordnet<br />

bekommen.<br />

Am 1. Juli 2005 fand an der Erziehungswissenschaftlichen<br />

Fakultät in Nürnberg<br />

eine öffentliche Landesgruppensitzung<br />

zur Thematik »Heterogenität<br />

in jahrgangsgemischten Eingangsstufen«<br />

statt. Diese Veranstaltung wurde<br />

von Mitgliedern und Interessierten aus<br />

ganz Bayern besucht, wodurch sich<br />

auch politisch hoch interessante Diskussionen<br />

entwickelten.<br />

Gabriele Klenk, Konrektorin an der<br />

<strong>Grundschule</strong> Roßtal im Landkreis Fürth<br />

und seit 4 Jahren Lehrerin einer jahrgangsgemischten<br />

Eingangsstufe zeigte<br />

ein pädagogisches Konzept mit vielfältigen<br />

praktischen Anregungen für<br />

diese Thematik auf.<br />

Sie begründete die Entscheidung ihrer<br />

Schule für die Jahrgangsmischung<br />

damit, dass altersgemischtes Lernen<br />

natürliches Lernen sei und Heterogenität<br />

in jeder Klasse bestehe. Wichtig<br />

erscheint ihr hierbei, unter Berücksichtigung,<br />

Beibehaltung und Nutzung der<br />

Heterogenität zu unterrichten. Dies<br />

hat weitreichende Konsequenzen für<br />

die neue Lehrerrolle. In detaillierten<br />

Ausführungen und mit vielfältigen,<br />

praktischen Beispielen schaffte Frau<br />

Klenk es, den Zuhörerinnen und Zuhörern<br />

Verwirklichungen in Form von<br />

Wochenplänen, offenen Aufgaben, Lernen<br />

durch Lehren und Werkstattunterricht<br />

vorzustellen. Im Anschluss an den<br />

Vortrag entstand eine fruchtbare Diskussion<br />

über tatsächliche Probleme in<br />

der Verwirklichung. Als mögliche Unterstützungssysteme<br />

stellte Gabriele<br />

Klenk Netzwerke vor, wie sie eines zur<br />

Jahrgangsmischung bereits vor 4 Jahren<br />

im Raum Nürnberg gründete.<br />

26 GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005


<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Berliner Allee 22d, 86153 Augsburg<br />

Im Anschluss daran referierten Herr<br />

Prof. Dr. Paul Helbig, Frau Dümmler<br />

und Herr Renner über den <strong>aktuell</strong>en<br />

Stand der Langzeitstudie zur Jahrgangsmischung<br />

in der Eingangsstufe<br />

an der Universität Erlangen-Nürnberg<br />

mit den Schwerpunkten Leistung,<br />

Identität und sozialer Aspekt. Schließlich<br />

berichteten Frau Prof. Dr. Cornelia<br />

Rehle und Frau Cornelia Timmermann<br />

von ihren Erfahrungen aus der<br />

Umgebung der Universität Augsburg.<br />

Dort unterstützen Studentinnen und<br />

Studenten in Seminaren und über Zulassungsarbeiten<br />

Lehrkräfte bei ihrer<br />

Arbeit in jahrgangsgemischten Eingangsklassen.<br />

Im Anschluss an die Vorträge war es<br />

den versammelten Mitgliedern ein großes<br />

Anliegen, festzustellen, dass das<br />

Lernen in jahrgangsgemischten Klassen<br />

nicht zu vergleichen ist mit »Lernen<br />

wie vor 50 Jahren« mit Abteilungsunterricht,<br />

wie bayerische Zeitungen<br />

sowie Rundfunk- und Fernsehsendungen<br />

dies momentan darstellen.<br />

Der Grundschulverband kann mit pädagogischen<br />

Argumenten die Effizienz<br />

von jahrgangsgemischten Klassen bezüglich<br />

des Leistungsstandes und auch<br />

der sozialen Entwicklung der Kinder in<br />

individualisierenden, offenen Unterrichtsformen<br />

belegen. Dazu ist aber<br />

– wie Frau Klenk betonte – auf jeden<br />

Fall ein Jahr Vorlaufzeit einzurechnen.<br />

Dem widerspricht die <strong>aktuell</strong>e, überra-<br />

schende Einführung von jahrgangsgemischten<br />

Eingangsklassen in Bayern<br />

als Sparmodell – die vielfach ohne geeignete<br />

Ausbildung bzw. Fortbildung<br />

oder Zustimmung der Lehrerinnen<br />

oder Lehrer passiert. Daher fordert der<br />

Grundschulverband:<br />

n Die Nutzbarmachung von bereits<br />

vorhandenen pädagogischen Konzepten<br />

zur Jahrgangsmischung,<br />

über die Netzwerke bereits verfügen.<br />

n Die Ausgabe der Handreichung zur<br />

Jahrgangsmischung, die innerhalb<br />

des Schulversuchs am Staatsinstitut<br />

für Schulqualität und Bildungsforschung<br />

von einem Arbeitskreis<br />

bereits vor Jahren fertig gestellt<br />

wurde.<br />

n Ein zusätzliches Stundenmaß von<br />

5 Lehrerstunden für jede Jahrgangsmischung,<br />

die durch das raschere<br />

Durchlaufen von Schülern in<br />

der <strong>Grundschule</strong> wieder eingeholt<br />

werden kann.<br />

n Die Unterstützung von Netzwerken<br />

zur Jahrgangsmischung sowie<br />

die Kompetenzerweiterung von<br />

Lehrkräften durch Fortbildungsangebote.<br />

n Das Aufgreifen der pädagogischen<br />

Grundlegung der Jahrgangsmischung<br />

im Gegensatz zur Verordnung<br />

eines Sparmodells.<br />

(für die Landesgruppe:<br />

Gabriele Klenk und Bianca Ederer)<br />

Brandenburg<br />

Vorsitzende: Denise Sommer, Weinbergweg 21,15834 Rangsdorf<br />

Individuelle Lernstandsanalysen<br />

(ILeA)<br />

Im Spektrum der unterschiedlichen<br />

Modelle der Evaluation von Schulleistungen<br />

eröffnen individuelle Lernstandsanalysen<br />

als diagnostischpäd<br />

agogische Instrumente eine<br />

besondere Perspektive. Im Land Brandenburg<br />

wurden jetzt ein Leitfaden<br />

sowie ein Schülerarbeitsheft zur Lernstandsanalyse<br />

für Klasse 1 zum Einsatz<br />

in allen <strong>Grundschule</strong>n des Landes bereitgestellt.<br />

Das Material dient zur Unterstützung<br />

der Lehrkräfte, die innerhalb<br />

der ersten sechs Schulwochen<br />

auf möglichst zeitsparende und praxistaugliche<br />

Weise die Lernausgangslagen<br />

in verschiedenen Bereichen erfassen<br />

und dokumentieren sollen. Die<br />

nächsten Lernschritte der einzelnen<br />

Kinder können im Hinblick auf einen<br />

Lerngegenstand durch fachbezogene,<br />

individualisierte, pädagogische Angebote<br />

gestaltet werden. (www.lisum.<br />

brandenburg.de – unter dem Link Rahmenlehrpläne<br />

und Materialien).<br />

Ein Reader mit sieben weiteren pädagogisch-diagnostischen<br />

Verfahren<br />

sowie Angeboten für die Selbstevaluation<br />

der Schülerinnen und Schüler ergänzt<br />

das Material.<br />

Gegenwärtig wird der Leitfaden für<br />

die Klassen 2 – 6 weiterentwickelt. Dieser<br />

enthält einen allgemein-pädagogischen<br />

Teil sowie diagnostische Aufgaben<br />

und pädagogische Angebote für<br />

Deutsch und Mathematik. Außerdem<br />

gehört zu allen Leitfäden ein Baustein,<br />

der sich der psychosozialen Gesamtsituation<br />

der Schülerinnen und Schüler<br />

widmet.<br />

Wahl des neuen Vorstandes<br />

Im Rahmen der Landesgruppenversammlung<br />

wurde turnusgemäß der<br />

neue Landgruppenvorstand gewählt.<br />

Dem Vorstand gehören an (im Foto von<br />

links):<br />

Denise Sommer, Elvira Waldmann,<br />

Marion Gutzmann, Barbara Wegner,<br />

Sabine Wendt<br />

(für die Landesgruppe:<br />

Heike Kroner, Katrin Liebers, Christina<br />

Peschel, Annedore Prengel)<br />

Grundschultag<br />

»Leistung wahrnehmen<br />

– Leistung würdigen –<br />

Lernwege öffnen«<br />

5. November 2005, Astrid-Lindgren-<br />

<strong>Grundschule</strong> in Cottbus<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005<br />

27


<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Bremen<br />

Vorsitzende: Karin Sanders, Langenstr. 11, 28816 Stuhr<br />

In Bremer <strong>Grundschule</strong>n wird es im<br />

nächsten Schuljahr 2005/2006 keine<br />

Vorklassen mehr geben.<br />

Um Lehrerinnen Anregungen für einen<br />

veränderten Schulanfang zu geben,<br />

bot die Landesgruppe im Frühjahr 2005<br />

ein Forum zum »Jahrgangsübergreifenden<br />

Lernen am Schulanfang – wie fange<br />

ich an« im Landesinstitut für Schule<br />

an. Ca. achtzig Teilnehmerinnen<br />

kamen, um sich über das gemeinsame<br />

Anliegen auszutauschen. Die Veranstaltung<br />

wurde mit einem Gastvortrag<br />

der Schulleiterin Gisela Holsten (einer<br />

<strong>Grundschule</strong> in Osterholz-Scharmbeck,<br />

die schon seit langem erfolgreich<br />

Jahrgangsübergreifendes Lernen praktiziert,<br />

siehe www.gs-linden.de) eröffnet.<br />

In anschließenden intensiven Gesprächsrunden<br />

gaben Lehrerinnen und<br />

Lehrer aus Bremer <strong>Grundschule</strong>n ihre<br />

Praxiserfahrungen an Kolleginnen und<br />

Kollegen weiter.<br />

Es wurde erheblicher Bedarf an Beratung<br />

und weiterführendem Austausch<br />

über die Erfahrungen mit dem Modell<br />

deutlich.<br />

Parallel erhalten <strong>Grundschule</strong>n, die ab<br />

Sommer 2005 mit jahrgangsübergreifenden<br />

Lerngruppen neu beginnen<br />

wollen, vom Senator für Bildung das<br />

Angebot einer Projektbegleitung. Es<br />

werden zusätzliche Stunden pro Lerngruppe<br />

gewährt, die Klassenfrequenz<br />

wird allerdings nicht reduziert.<br />

Auf den Anfang kommt es an<br />

Diese auch von Bremer Bildungspolitikern<br />

gern verwendete Aussage nach<br />

dem PISA-Schock verdreht sich nach<br />

dem <strong>aktuell</strong> vorgestellten Bildungshaushalt<br />

ins Gegenteil. In einer Presseerklärung<br />

müssen Bremer Grundschullehrerinnen<br />

eine so erstaunliche wie<br />

bedrohliche Umverteilung erfahren.<br />

Die Bildungsdeputierte Anja Stahmann<br />

(Bündnis 90/Die Grünen): »Bei<br />

den <strong>Grundschule</strong>n wird trotz gleich<br />

bleibender Schülerzahlen und gewachsener<br />

Aufgaben durch die verlässliche<br />

<strong>Grundschule</strong> gekürzt (2006 um 7,4 %<br />

und 2007 nochmals um 8,5 % im Vergleich<br />

zu 2004). Im Gegenzug soll für<br />

die gymnasialen Oberstufen trotz sinkender<br />

Schülerzahlen (–5 %) deutlich<br />

mehr Geld ausgegeben werden<br />

(+ 13,2 % in 2006 und 11,6 % in 2007).«<br />

(für die Landesgruppe: Roswitha Kremin)<br />

Hamburg<br />

Vorsitzender: Dirk Erdmann, Klotzenmoor 38 d , 22453 Hamburg<br />

Neuerungen zum<br />

Schuljahr 2005/2006<br />

Im kommenden Schuljahr wird zur<br />

Sprachförderung an <strong>Grundschule</strong>n<br />

eine Qualitätsoffensive der Behörde<br />

für Bildung und Sport gestartet. Jede<br />

<strong>Grundschule</strong> benennt eine »Sprachlernkoordinatorin«,<br />

die eine Qualifizierung<br />

durch das Landesinstitut erhalten<br />

soll und für die Entwicklung<br />

eines Sprachförderkonzeptes und dessen<br />

Umsetzung im Sinne einer »Zielund<br />

Leistungsvereinbarung« verantwortlich<br />

sein wird. Die Ressourcen für<br />

Sprachförderung sollen in Zukunft in<br />

Zusammenhang mit Förderdiagnostik,<br />

Förderplanung und Evaluation vergeben<br />

werden.<br />

Der Vorstand der Landesgruppe begrüßt<br />

es, dass die Sprachförderung an<br />

Hamburger <strong>Grundschule</strong>n eine Professionalisierung<br />

erfahren soll. Wir kritisieren<br />

jedoch die Hast, mit der dieses<br />

Projekt umgesetzt werden soll: Die angekündigten<br />

Fortbildungsangebote für<br />

Sprachlernkoordinatoren liegen bislang<br />

noch nicht vor. Gleichzeitig nutzt<br />

die Behörde nicht die Kompetenz, die<br />

Erfahrung und das Engagement von<br />

Vorschullehrerinnen, die sich in den<br />

letzten Jahren in diesem Bereich qualifiziert<br />

haben: Sie werden ausdrücklich<br />

von der Funktion der Sprachlernkoordinatorin<br />

ausgeschlossen.<br />

Schulinspektion<br />

Ebenfalls im Laufe des Schuljahrs wird<br />

in Hamburg mit der Einführung der externen<br />

Schulinspektion begonnen. Ausgehend<br />

von dem Ziel, die Selbstverantwortung<br />

der Schulen auszubauen und<br />

den Schulen eine eigene Budget- und<br />

Personalhoheit zu geben, wird mit der<br />

Schulinspektion angestrebt, die Qualität<br />

der schulischen Arbeit zu sichern.<br />

Wir hoffen, dass die angekündigte<br />

Schulinspektion tatsächlich einhergeht<br />

mit einer stärkeren Selbstverantwortung<br />

der Schulen und es in Zukunft<br />

den Schulen möglich sein wird, den<br />

Weg zum Ziel selbst zu bestimmen –<br />

hierzu gehört für uns die Möglichkeit<br />

von schulindividuellen Stundentafeln<br />

und die Entscheidungsfreiheit darüber,<br />

ob Berichtszeugnisse oder Ziffernzeugnisse<br />

erteilt werden sollen.<br />

(für die Landesgruppe: Susanne Peters<br />

susanne.peters@gsvhh.de)<br />

Termin<br />

Für Samstag, den 5. November planen<br />

wir eine Veranstaltung zum Thema:<br />

Leistungen von Kindern<br />

würdigen – Portfolio<br />

Als Referent ist eingeladen<br />

Ulrich Hecker, Schulleiter<br />

der Regenbogenschule in Moers<br />

Ort und Uhrzeit entnehmen Sie unserer<br />

Homepage unter: www.gsvhh.de<br />

28 GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005


<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Hessen<br />

Anschrift: Ilse Marie Krauth, Steigerwaldweg 3, 63456 Hanau<br />

Bildung von Anfang an<br />

Das Hessische Kultusministerium hat<br />

gemeinsam mit dem Hessischen Sozialministerium<br />

einen Entwurf für einen<br />

Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder<br />

von 0 bis 10 Jahren erstellt. Damit<br />

soll der Entwicklung und Bildung in<br />

den ersten zehn Jahren verstärkt Aufmerksamkeit<br />

gewidmet werden.<br />

Grundsätzlich positiv zu bewerten<br />

ist das Anliegen des Plans, allerdings<br />

verbleibt der Entwurf noch sehr im<br />

allgemeinen. Zur Präzisierung und<br />

Erprobung sollen 30 hessische <strong>Grundschule</strong>n<br />

und Kindergärten als Tandem<br />

den Bildungs- und Erziehungsplan ein<br />

Jahr lang erproben und Änderungen<br />

mit einbringen. Bleibt zu hoffen, dass<br />

das Kultusministerium und das Sozialministerium<br />

auch die finanziellen und<br />

Mecklenburg-Vorpommern<br />

Vorsitzender: Ralph Grothe, Hasengang 3, 17309 Pasewalk<br />

Neuer Vorstand gewählt<br />

Im März 2005 fand in Schwerin die Mitgliederversammlung<br />

mit der Wahl des<br />

neuen Vorstandes statt. Dem neuen<br />

Landesgruppenvorstand gehören an:<br />

Ralph Grothe – Vorsitzender,<br />

Corne lia Danz – Stellvertreterin,<br />

Minette Volkwardt – Delegierte,<br />

Christine Faltis – Schatzmeisterin,<br />

Dr. Birgit Mett – Beisitzerin<br />

Herzlichen Dank an die Mitglieder des<br />

alten Vorstandes für die engagierte<br />

Arbeit!<br />

personellen Ressourcen bereitstellen,<br />

um diesen Plan angemessen realisieren<br />

zu können.<br />

Die Ergebnisse der Orientierungsarbeiten,<br />

die bis zu den Sommerferien<br />

da sein sollten, lassen auf sich warten.<br />

Eine Arbeitszeitmehrbelastung<br />

von etwa 40 Stunden pro Schule waren<br />

die Folge der 16-seitigen Arbeiten pro<br />

Schüler. Wir warten es ab …<br />

Am 12. Mai 2005 fand in Kassel mit über<br />

150 Teilnehmern eine ganztägige Fortbildung<br />

von Dipl. Psych. Nobert Sommer-Stumpenhorst<br />

statt, bei dem er<br />

seine Rechtschreibwerkstatt ausführlich<br />

vorstellte. Im November<br />

2005 wird er dies auch noch<br />

in Hanau tun. Genauere Informationen<br />

zum Zeitpunkt<br />

und zum Ort finden Sie unter www.<br />

gsv-hessen.de.<br />

(für die Landesgruppe: Silke Lerch)<br />

Modellprojekt »Integration von<br />

Kindern mit Förderbedarf in <strong>Grundschule</strong>n«<br />

Mit dem kommendem Schuljahr beginnt<br />

an ausgewählten Schulstandorten<br />

ein dreijähriges Projekt, in dem die<br />

Jahrgangsstufen 1 und 2 nicht mehr in<br />

allgemeine Förderschulen, sondern in<br />

Diagnoseförderklassen an <strong>Grundschule</strong>n<br />

eingeschult und mit anderen stark<br />

entwicklungsverzögerten Kindern gefördert<br />

werden. In das Projekt sind alle<br />

vier Schulamtsbereiche einbezogen.<br />

Am Projekt müssen sich alle vor Ort<br />

befindlichen allgemeinen Förderschulen<br />

und <strong>Grundschule</strong>n beteiligen. Das<br />

heißt, alle schulpflichtigen Kinder werden<br />

in diesen ausgewählten Bereichen<br />

in eine reguläre 1. Klasse oder in eine<br />

Diagnoseförderklasse 0 eingeschult.<br />

Ausnahme bilden Schüler, die in eine<br />

Schule für Blinde und Sehbehinderte,<br />

für Hörgeschädigte, eine Körperbehindertenschule,<br />

eine Sprachheilschule<br />

oder eine Schule zur individuellen<br />

Lebensbewältigung eingeschult werden.<br />

Ziel des Projektes ist, dass möglichst<br />

alle schulpflichtigen Kinder ihre<br />

Schullaufbahn in einer <strong>Grundschule</strong><br />

beginnen können. Das bereits vorhandene<br />

System der Diagnoseförderklassen<br />

an GS wird schrittweise ausgebaut.<br />

Hierzu sollen zunächst den am Projekt<br />

beteiligten Diagnoseförderklassen<br />

zwei zusätzliche sonderpädagogische<br />

Förderstunden je Klassenstufe zur Verfügung<br />

gestellt werden.<br />

Wir begrüßen die Bemühungen zur Integration<br />

aller Kinder. Gleichzeitig weisen<br />

wir aber auch auf die begrenzten<br />

zur Verfügung stehenden Mittel hin.<br />

(für die Landesgruppe: Ralph Grothe)<br />

Niedersachsen<br />

Vorsitzende: Dr. Eva Gläser, Fasanenstr. 1, 38 102 Braunschweig<br />

Persönliche Stellungnahmen zu den<br />

neuen Kerncurricula erwünscht<br />

Die Rahmenrichtlinien für die <strong>Grundschule</strong><br />

sollen in Niedersachsen zum<br />

kommenden Schuljahr durch Kerncurricula<br />

ersetzt werden. Sie werden Bildungsstandards<br />

beinhalten, die präzisieren,<br />

was Grundschulkinder nach<br />

den Jahrgängen 2 und 4 können sollen.<br />

Die Kerncurricula werden zurzeit<br />

in Arbeitsgruppen entwickelt. Wie diese<br />

aussehen sollen, kann im Internet<br />

bereits nachgelesen werden: www.<br />

cuvo.nibis.de (cuvo ist die Abkürzung<br />

für curriculare Vorgaben). Diese ersten<br />

Entwürfe können auf der Internetseite<br />

von allen Interessierten kommentiert<br />

werden. Bislang ist die Rückmeldung<br />

von den rund 2000 <strong>Grundschule</strong>n in<br />

Niedersachsen noch recht gering. Es<br />

ist geplant, dass die Kerncurricula<br />

im Dezember 2005 in die Anhörungsphase<br />

gehen. Daher sollten sich möglichst<br />

viele Grundschulkollegien zuvor<br />

öffentlich zu diesen Entwürfen äußern.<br />

Rückmeldungen können auch an<br />

die Landesgruppe des Grundschulverbandes<br />

gesendet werden (www.grund<br />

schulverband-niedersachsen.de).<br />

Übergänge nach Klasse 4<br />

Die Anmeldezahlen zum neuen Schuljahr<br />

zeigen es deutlich: Der Trend weg<br />

von der Hauptschule hat landesweit<br />

weiter zugenommen. Um rund 5 Prozent<br />

verringerten sich die Anmeldezahlen<br />

in ganz Niedersachsen. Bezeichnend<br />

sind auch die weiteren Zahlen:<br />

Osnabrück (57 % Gymnasium, 11 %<br />

Hauptschule), Hannover (70 % Gymnasium,<br />

8 % Hauptschule) und Landkreis<br />

Vechta (37 % Gymnasium, 19 % Hauptschule).<br />

Wie fragwürdig eine frühe<br />

Selektion nach Klasse 4 ist, zeigen<br />

auch diese Zahlen.<br />

Neuer Erlass über Zurückstellung<br />

erreicht Schulen vier Wochen vor<br />

den Sommerferien<br />

Das Ziel ist richtig, aber der Weg Nur<br />

vier Wochen vor Schuljahresende hat<br />

das Kultusministerium einen bislang<br />

unveröffentlichten Erlass herausgegeben.<br />

Dieser besagt: »Eine Zurückstellung<br />

kann damit nur noch bis zum<br />

Einschulungstag … erfolgen«. Kinder<br />

sollten nicht zurückgestellt werden,<br />

das ist auch nach Ansicht der Landesgruppe<br />

Niedersachsen unbestritten.<br />

Zudem sollte die Schuleingangsphase<br />

in Niedersachsen grundsätzlich reformiert<br />

werden. Ob dieser Erlass allerdings<br />

dazu beitragen wird, zumal dieser<br />

erst in die Schulen kam, als die<br />

Elternberatungen nach Maßgabe des<br />

bisher gültigen Erlasses bereits stattgefunden<br />

hatten, bleibt fraglich.<br />

(für die Landesgruppe: Dr. Eva Gläser)<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005<br />

29


<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

Vorsitzende: Gisela Cappel, Habichtstr. 1 d, 58285 Gevelsberg<br />

Saarland<br />

Anschrift: Lilo Groll,<br />

CDU/FDP-Koalition: Was ändert sich<br />

für die <strong>Grundschule</strong> <br />

Im Zuge des Regierungswechsels nach<br />

der Landtagswahl im Mai zeichnen<br />

sich für die <strong>Grundschule</strong> teilweise einschneidende<br />

Veränderungen ab. Auch<br />

wenn bislang die Aussagen noch eher<br />

vage bleiben – die bekannt gewordenen<br />

Intentionen von CDU und FDP<br />

stehen in krassem Gegensatz zu der<br />

bislang erfolgreichen Arbeit der <strong>Grundschule</strong>:<br />

Aufhebung der Schulbezirke: Eine Aufhebung<br />

der Schulbezirke würde – im<br />

schlimmsten Fall in der Verbindung<br />

mit öffentlichen Leistungsvergleichen<br />

– zur sozialen Desintegration führen<br />

und das Gefälle zwischen bildungsprivilegierterenund<br />

bildungsbenachteiligteren<br />

Kindern verstärken. Die nach<br />

PISA geforderten Bemühungen um einen<br />

deutlichen Abbau der Korrelation<br />

zwischen sozialer Herkunft und Bildungschancen<br />

würden damit konterkariert.<br />

Zensuren ab Klasse 2, Kopfnoten für<br />

Arbeits- und Sozialverhalten: Wider<br />

allen Erkenntnissen aus Untersuchungen<br />

über die Effektivität solcher Maßnahmen<br />

wird ein Rückschritt in die pädagogische<br />

Steinzeit gefordert. Dass<br />

Noten kein taugliches Instrument für<br />

eine pädagogisch fundierte Leistungserziehung<br />

darstellen, sollte mittlerweile<br />

hinreichend bekannt sein.<br />

Einschulung ab fünf Jahren, Englisch<br />

ab Klasse 1: Angesichts der derzeitigen<br />

personellen und materiellen Ressourcen<br />

in der <strong>Grundschule</strong> erscheinen<br />

solche – je nach Umsetzung sicherlich<br />

durchaus sinnvolle Überlegungen<br />

– wenig realitätsbezogen. Die im Wahlkampf<br />

versprochene Einstellung von<br />

4000 neuen Lehrerinnen und Lehrern<br />

lässt derzeit noch auf sich warten …<br />

Der Grundschulverband hat sich bereits<br />

mehrfach kritisch zu den angekündigten<br />

Änderungen geäußert und<br />

sucht nun das Gespräch mit der neuen<br />

Schulministerin Barbara Sommer,<br />

um den bisherigen Dialog auch in einer<br />

veränderten politischen Situation fortzuführen.<br />

(für die Landesgruppe: Beate Schweitzer)<br />

Naturwissenschaften in der<br />

<strong>Grundschule</strong>: Die Landesgruppe<br />

fordert ein Umdenken<br />

Bereits in frühen Jahren werden Kinder<br />

von naturwissenschaftlichen Phänomenen<br />

in den Bann gezogen: sie sind<br />

aus sich heraus Forscher. Ihr Interesse<br />

an naturwissenschaftlichen Erscheinungen<br />

und deren Deutung belegen<br />

nicht zuletzt der Erfolg von Sendungen<br />

wie Löwenzahn, Sendung mit der Maus,<br />

Wissen macht Ah und anderen. Umso<br />

widersprüchlicher scheint es, dass gerade<br />

Phänomene aus den Naturwissenschaften<br />

selten Eingang in die <strong>Grundschule</strong><br />

finden. Insbesondere Physik<br />

und Chemie führen hier ein stiefmütterliches<br />

Dasein; in vielen Lehrplänen<br />

spielen sie gar keine Rolle.<br />

Im Rahmen des Grundschultages im<br />

Arbeitskreis »Experimente im Sachunterricht«<br />

fanden die beteiligten Pädagogen<br />

neben der (lehr-)planmäßigen<br />

Vernachlässigung naturwissenschaftlicher<br />

Themen weitere Erklärungen für<br />

Rheinland-Pfalz<br />

Anschrift: Werner Lang, Am Wintersberg 8, 67756 Hinzweiler<br />

hend praktizierten Lese-Schreib-Lehrgang<br />

keinen adäquaten Umgang mit<br />

der bei der Einschulung vorhandenen<br />

Heterogenität sieht.<br />

Dem vom GSV angestrebten Modell<br />

der notenfreien Schule steht die Ministerin<br />

durchaus aufgeschlossen gegenüber,<br />

sieht aber zurzeit angesichts der<br />

gesellschaftlichen Strömungen keine<br />

Chance hier einen Schritt voranzukommen.<br />

»Es gilt«, so die Ministerin,<br />

»Erreichtes zu erhalten und die Lehrerschaft<br />

zu ermutigen, die vorhandenen<br />

Freiräume bei den Klassenarbeiten, der<br />

Benotung und der Zeugnisgestaltung<br />

zu nutzen.«<br />

Überrascht zeigten sich Frau Ahnen<br />

und Frau Kleinschnieder von der<br />

vorgetragenen Kritik an der geplanten<br />

Portfolio-Arbeit (IFA). Die Landesgruppe<br />

machte deutlich, dass sie<br />

angesichts des Zeitansatzes von wöchentlich<br />

50 Minuten die damit verbundenen<br />

Zielsetzungen als viel zu<br />

hoch, Teile des Portfolios als nicht<br />

kind- und altersgemäß und das Konzept<br />

insgesamt als nicht praktikabel<br />

ansieht. Die Landesgruppe bot an, eine<br />

Auswertung der in RLP für den Herbst<br />

2005 geplanten Fortbildungsreihe zum<br />

Thema »Wie arbeite ich mit Fremdsprachen-Portfolio«<br />

mit dem Ministerium<br />

zu diskutieren.<br />

Die Landesgruppe gab auch die Stimmungslage<br />

aus den Kollegien weiter,<br />

die sich neben vielen anderen Aufgaben<br />

zurzeit insbesondere mit der<br />

Umsetzung der Bildungsstandards<br />

Mathematik und des entsprechenden<br />

Rahmenplans befassen. Sie begrüßt<br />

und unterstützt zwar ausdrücklich die<br />

Erneuerung der »Lehr«pläne und die<br />

Schaffung eines neuen Rahmens für<br />

das Lehren und Lernen, bemängelt aber<br />

– wie die Kollegen vor Ort auch – die<br />

oftmals mangelhafte Umsetzung. »Alle<br />

14 Tage ein neues Konzept!«, »Immer<br />

wieder neue Begriffe und Schlagwörter,<br />

hinter denen man sich verstecken<br />

kann!«, »Warum werden grundlegende<br />

Arbeiten nicht zentral erledigt« Diese<br />

und ähnliche Verlautbarungen spie-<br />

Jahresgespräch der Landesgruppe<br />

im Ministerium<br />

Die Landesgruppe hatte Gelegenheit<br />

mit Ministerin Doris Ahnen und<br />

Grundschulreferentin Anne Kleinschnieder<br />

<strong>aktuell</strong>e bildungspolitische<br />

Themen zu diskutieren. Ausdrücklich<br />

begrüßt wurde dabei das Vorhaben,<br />

den Bildungsauftrag der Kindertagesstätten<br />

zu stärken und das letzte kostenfreie<br />

Kindergartenjahr stärker als<br />

bisher auf die Einschulung auszurichten.<br />

Das im Groben feststehende Konzept<br />

der Sprachförderung hält die Landesgruppe<br />

für praktikabel. »Es besteht<br />

somit die Chance«, so der Vorsitzende<br />

W. Lang, »dass bei den Einzuschulenden<br />

Schulfähigkeit vorhanden ist und<br />

nicht erst erarbeitet werden muss.«<br />

In diesem Zusammenhang forderte<br />

die Landesgruppe vermehrte Fortbildungsveranstaltungen<br />

im Bereich des<br />

Anfangsunterrichts, da sie insbesondere<br />

im zurzeit immer noch weitgegeln<br />

die Stimmungslage vielerorts wider<br />

und machen die Gefahr deutlich,<br />

dass die Weiterentwicklung der <strong>Grundschule</strong><br />

ins Stocken gerät, bevor sie<br />

überhaupt ankommt, wo sie wirksam<br />

werden soll: beim Unterricht.<br />

Die Landesgruppe mahnte an, im Lernbereich<br />

Deutsch/Sachunterricht andere<br />

Wege zu gehen. So sollten zum Beispiel<br />

die Moderatoren konkreter in die<br />

Arbeit in den Kollegien eingebunden<br />

werden und die pädagogische Arbeit<br />

der Schulleitungen vor Ort unterstützen,<br />

statt die Informationen über vielfältige<br />

AGs mit hohen »Streuverlusten«<br />

weiterzureichen.<br />

(für die Landesgruppe: Werner Lang)<br />

Vorankündigung<br />

Landesweite Fortbildungsreihe<br />

zum Thema »Sprachen-Portfolio«<br />

im Herbst<br />

2005 (für persönliche Mitglieder<br />

kostenlos)<br />

30 GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005


<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Holbeinstr. 11, 66128 Saarbrücken<br />

die weitgehende Absenz derselben im<br />

Grundschulunterricht:<br />

n Themen aus der Chemie, der Physik<br />

und Co. seien rein abstrakt-formelhaft<br />

und von Grundschülern daher<br />

nicht zu verstehen.<br />

n Häufiger wurde auch die Angst vor<br />

einem Vorverlegen des Fachunterrichts<br />

ausgesprochen.<br />

n Einige Lehrkräfte gestanden ein,<br />

sich die Vermittlung von Fachinhalten,<br />

die in ihrem Studium keine Rolle<br />

spielten, nicht zuzutrauen.<br />

n Die fehlende Ausstattung der<br />

<strong>Grundschule</strong> sei für die Durchführung<br />

von Experimenten problematisch.<br />

n Mit Experimenten aus den »harten<br />

Naturwissenschaften« verknüpften<br />

viele der Anwesenden ein hohes<br />

Gefahrenpotenzial.<br />

Wie können Naturwissenschaften sinnvoll<br />

in die Grundschulbildung integriert<br />

werden, ohne als Propädeutikkurs zu enden<br />

Was die Verfasser des Buches »Kinder<br />

auf dem Wege zur Physik« (Beltz-Verlag<br />

2003) bezogen auf den Lernbereich<br />

Physik darstellen, kann auf naturwissenschaftliches<br />

Lernen im Allgemeinen<br />

übertragen werden: Es gibt zwei<br />

gegensätzliche Wege, auf denen Kindern<br />

die Naturwissenschaften eröffnet<br />

werden sollen:<br />

Der erste wird von den Grundbegriffen<br />

und mathematischen Strukturen<br />

der Naturwissenschaft aus beschritten.<br />

Kanonisches Formelwissen steht<br />

am Anfang der Auseinandersetzung<br />

und wird den Schülern transportiert.<br />

Dies entspricht einem informierendbelehrenden<br />

Unterricht, der inhaltsarme<br />

Begriffe erzeugt, die als Basis einer<br />

von Sachinteresse getragenen thematischen<br />

Vertiefung ungeeignet sind.<br />

Dem zweiten Weg liegt eine konstruktivistische<br />

Sicht des Lernens zugrunde:<br />

Wissen wird nicht transportiert,<br />

sondern konstruiert. Wahrnehmung<br />

ist demnach ein Prozess, der sich über<br />

Handlungen entwickelt. Durch genaues<br />

Beobachten wird kausales, kritisches<br />

Denken gefördert. Es wird durch<br />

Widersprüche geweckt und fordert<br />

den Beweis durch Überprüfung des<br />

Gedachten geradezu heraus. Auf diesem<br />

Weg begegnen die Kinder Phänomenen<br />

zunächst unbeeinflusst. Diese<br />

Begegnung fordert ursprüngliche Ansätze<br />

naturwissenschaftlichen Verstehens<br />

heraus (der genetische Weg von<br />

Martin Wagenschein). Zu ihr gehört<br />

auch das Staunen, das sich Annähern<br />

an Phänomene über das Denken, Sprechen<br />

und Handeln.<br />

Als Konsequenz ist ein themenorientierter<br />

Unterricht zu fordern, der aus<br />

möglichst verschiedenen Perspektiven<br />

Beiträge zu einem naturwissenschaftlichen<br />

Problem liefert und handlungsorientiertes<br />

Lernen ermöglicht. Die<br />

Beschäftigung mit naturwissenschaftlichen<br />

Erscheinungen im Unterricht<br />

der Primarstufe erschöpft sich dabei<br />

nicht im phänomenologischen Betrachten.<br />

Die Schüler sollen durch genaues<br />

Beobachten und Forschen den<br />

Phänomenen auf den Grund gehen.<br />

Im Mittelpunkt des Unterrichts steht<br />

das Methodentraining, nicht die Wissensvermittlung:<br />

Den Kindern werden<br />

Verfahrensweisen der wissenschaftlichen<br />

Erkenntnisgewinnung näher gebracht<br />

und Methoden zur Problemlösung<br />

vermittelt. Dem Experiment als<br />

der ursprünglichen Methode zur Welterkenntnis<br />

kommt dabei eine zentrale<br />

Rolle zu.<br />

Im Internet finden sich dazu viele interessante<br />

Projekte, z. B.:<br />

www.chemall.schule.de;<br />

www.rwg-bayreuth.de;<br />

www.xlab-goettingen.de;<br />

www.uni-oldenburg.de/roesa<br />

(für die Landegruppe: Lilo Groll)<br />

Sachsen<br />

Vorsitzende: Sibylle Jaszovics, Südwestring 11, 04668 Klinga<br />

Koalitionsvereinbarung und dann<br />

Auf Einladung des Landesgruppenvorstandes<br />

trafen sich im Juli bildungspolitische<br />

Vertreter der Landtagsfraktionen<br />

von CDU, SPD, FDP und PDS und<br />

Mitglieder der Landesgruppe. Diskutiert<br />

wurde u. a. zu folgenden Themen:<br />

n Verknüpfung Kindergarten-<strong>Grundschule</strong><br />

Hierzu ist demnächst eine Förderrichtlinie<br />

zu erwarten. Die Zustimmung für<br />

ein verpflichtendes letztes Kindergartenjahr<br />

für alle ist groß, aber die Kostenfrage<br />

lässt eine Entscheidung noch<br />

in weite Ferne rücken.<br />

n Schulen<br />

Einigkeit herrscht darüber, dass die<br />

Lehrerbildung dringend reformiert<br />

werden muss. Förderpädagogische<br />

Schwerpunkte gehören ins Studium.<br />

Zur inzwischen verpflichtenden Fortbildung<br />

der Lehrkräfte ist eine Verwaltungsvorschrift<br />

in Arbeit.<br />

Die personelle Ausstattung der <strong>Grundschule</strong>n<br />

wird mit dem neuen Schuljahr<br />

um 800 Stellen angehoben. Real heißt<br />

das u. a., die Teilzeit wird von derzeit 16<br />

v. 28 auf 18 v. 28 Stunden angehoben.<br />

Dies reicht unserer Meinung nach bei<br />

weitem nicht aus. In vielen Gegenden<br />

herrscht großer Personalmangel.<br />

Beim Punkt Sanierungs- und Modernisierungsbedarf<br />

der Schulen wurde<br />

deutlich, dass <strong>Grundschule</strong>n generell<br />

zu zögerlich beim Abrufen von Fördermitteln<br />

(<strong>aktuell</strong> für die Einrichtung von<br />

Schulbibliotheken) sind.<br />

Alle Teilnehmer betonten ihr Interesse,<br />

die regelmäßigen Kontakte weiter zu<br />

intensivieren.<br />

Länderzusammenarbeit<br />

Im April berieten Mitglieder der Vorstände<br />

Sachsen-Anhalts, Thüringens<br />

und Sachsens über Möglichkeiten der<br />

Zusammenarbeit. Insgesamt wurde<br />

die Meinung vertreten, dass Veranstaltungen<br />

auf regionaler Ebene sinnvoller<br />

sind, um den Mitgliedern weite Wege<br />

zu ersparen. Andere Strukturen z. B.<br />

hinsichtlich der Zusammenarbeit mit<br />

den Fortbildungsinstituten lassen eine<br />

Übernahme erfolgreicher Aktivitäten<br />

kaum zu. Vereinbart wurde der Austausch<br />

von Fortbildungsangeboten.<br />

(für die Landesgruppe: Sibylle Jaszovics)<br />

Bei der gemeinsamen Beratung (v. l. n. r.):<br />

Monika Scheer (S-A), Steffi Jünemann (Th), Karin Liebig, Margot<br />

Zimmer, Sibylle Jaszovics (Sa), Katrin Heckert (Th)<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005<br />

31


<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Vorsitzende: Petra Uhlig, Richard-Wagner-Str. 29, 06114 Halle/S.<br />

Neue Lehrpläne in der <strong>Grundschule</strong><br />

Mit Beginn des Schuljahres 2005/06<br />

treten für die Klassenstufen 1 und 3 in<br />

allen Fächern neue Lehrpläne in Kraft,<br />

allerdings erst in einer zweijährigen Erprobungsphase.<br />

Die Klassenstufen 2<br />

und 4 folgen im Schuljahr 2006/07.<br />

Der Grundsatzband formuliert die Anforderungen<br />

an die Bildungs- und Erziehungsarbeit<br />

in der <strong>Grundschule</strong> in<br />

Leitideen für eine zeitgemäße Schule<br />

und stellt die Kompetenzentwicklung<br />

der Schülerinnen und Schüler und<br />

nicht mehr die Lehr- und Lernziele als<br />

Kern der Bildungsarbeit dar. Außerdem<br />

schreibt er fächerübergreifende Themenkomplexe<br />

fest. In den Fachlehrplänen<br />

werden neben den Aufgaben und<br />

der Konzeption des jeweiligen Faches<br />

die prozessbezogenen Kompetenzen<br />

als Endniveau des 4. Schuljahrganges<br />

und die inhaltsbezogenen Kompetenzen<br />

als Endniveau des 2. und 4. Schuljahrganges<br />

festgeschrieben. In jedem<br />

Fachlehrplan findet sich ein Beitrag des<br />

jeweiligen Faches zur Entwicklung ausgewählter<br />

Basiskompetenzen (Lesen,<br />

Schreiben, mathematische Grundbildung).<br />

Die Schulen sind nun aufgefordert,<br />

auf der Grundlage des Grundsatzbandes<br />

und der Fachlehrpläne schulinterne<br />

Lehrpläne zu erstellen. So können die<br />

Rahmenbedingungen der Einzelschule<br />

gründlicher berücksichtigt, die Eigenverantwortung<br />

der Schule für eine Erhöhung<br />

der Unterrichtsqualität gestärkt<br />

und die Kommunikation in den<br />

Kollegien forciert werden.<br />

Die zweijährige Erprobungsphase soll<br />

für schulinterne Evaluationen genutzt<br />

werden, auch das Kultusministerium<br />

zeigt sich an positiven und kritischen<br />

Rückmeldungen ausdrücklich interessiert.<br />

Die Lehrpläne sollen dann zum<br />

Schuljahr 2007/08 verbindlich werden.<br />

Es bleibt abzuwarten, wie Kollegien<br />

und Schulleitungen mit den neugewonnenen<br />

Freiheiten umgehen. Die<br />

veröffentlichte Handreichung des LISA<br />

zur Erstellung schulinterner Lehrpläne<br />

muss kritisch gelesen und interpretiert<br />

werden, damit aus schulinternen Plänen<br />

keine Stoffverteilungspläne werden,<br />

damit Methodenvielfalt gewahrt<br />

bleibt und die pädagogische Freiheit<br />

der Lehrerin / des Lehrers nicht beschnitten<br />

wird.<br />

Der Vorstand wird im kommenden<br />

Schuljahr besonders mit den Schulen<br />

Erfahrungen austauschen, die Mitglied<br />

des Grundschulverbandes sind.<br />

Weitere Informationen unter: www.<br />

rahmenrichtlinien.bildung-lsa.de<br />

(für den Vorstand der LG Sachsen-Anhalt:<br />

Gisela Schmidt)<br />

Schleswig-Holstein<br />

Vorsitzende: Sybille Pahlke, Treidelweg 15, 24794 Borgstedt<br />

Länger gemeinsam lernen<br />

Nach der Landtagswahl heißt es für<br />

den Vorstand, weiterhin auf die Bedeutung<br />

der längeren gemeinsamen<br />

Grundschulzeit hinzuweisen. Hierzu ist<br />

ein Besuch bei der Grundschulreferentin<br />

Frau Zimmermann-Benz geplant.<br />

Wir erhoffen uns, Unterstützung im<br />

Sinne der Standpunkte des GSV anbieten<br />

zu können und bei den Regierungsparteien<br />

Gehör zu finden.<br />

Gemeinsam starten –<br />

erfolgreich starten<br />

Unter diesem Titel fand in Kiel in der<br />

Christian Albrecht Universität am<br />

22. 04. 05 ein Fachtag statt, auf dem<br />

Erzieherinnen und Grundschullehrkräfte<br />

in vielfältigen Workshops zu<br />

den Bedürfnissen von Kindern im Einschulungsalter<br />

lernen konnten.<br />

In dem Vortrag von Prof. Dr. Angelika<br />

Speck-Hamdan wurde deutlich, dass<br />

Kinder mit einer Vielfalt von Fähigkeiten<br />

ausgestattet sind und auf ein differenziertes<br />

Unterrichtsangebot und<br />

methodische Kompetenz im Anfangsunterricht<br />

treffen sollten.<br />

Die Vorsitzende unserer Landesgruppe,<br />

Sybille Pahlke, hat in ihrem Grußwort<br />

auf die Bedeutung des kindgemäßen<br />

Unterrichts hingewiesen, in dem<br />

es nicht so sein darf, dass ein Lesekönner<br />

am Schulanfang den portionierten<br />

Fibellehrgang ertragen muss und der<br />

Zahlenraum im Matheunterricht vom<br />

jeweiligen Lehrwerk vorgegeben wird.<br />

Schule müsse von Anfang an für alle<br />

Kinder spannend sein.<br />

Netzwerk »Lesen durch schreiben«<br />

Leider konnte eine in Flensburg kurzfristig<br />

geplante Veranstaltung mit Jürgen<br />

Reichen nicht stattfinden. Wir hoffen<br />

aber, Anhängern dieser bewährten<br />

Leselernmethode in Zukunft eine Austauschbörse<br />

anbieten zu können.<br />

(für die Landesgruppe: Andrea Klimmek)<br />

Thüringen<br />

Vositzende: Steffi Jünemann, Hauptstr. 7, 99734 Nordhausen<br />

Sparzwänge<br />

Das neue Schuljahr wird mit erheblichen<br />

Einschränkungen auch im Grundschulbereich<br />

beginnen. Kürzungen von<br />

Unterricht und Abminderungen, Einschränkungen<br />

im Unterstützungssystem<br />

und in den Fördermaßnahmen<br />

werden nicht zu vermeiden sein. Grund<br />

dafür sind die geringeren Stellenzuweisungen<br />

durch das Thüringer Kultusministerium.<br />

Diese sind belastet durch<br />

Abgeltung von Mehrarbeit aus vergangenen<br />

Jahren oder Lehrer, die sich in der<br />

Ruhephase ihrer Altersteilzeit befinden.<br />

Ganz im Widerspruch dazu steht<br />

die Qualitätsdebatte des Thüringer<br />

Kultusministeriums. Aus unserer Sicht<br />

sind ohne entsprechende Ressourcen<br />

die Entwicklung eigenverantwortlicher<br />

Schulen, die Gestaltung der Schuleingangsphase,<br />

die Verbesserung der Unterrichtsqualität,<br />

Begabtenförderung<br />

usw. nicht möglich. Qualitätsentwicklung<br />

zum Nulltarif Die Grenze der Belastbarkeit<br />

ist erreicht.<br />

Bisher konnten Eltern entscheiden, ob<br />

sie die Schulbücher ihrer Kinder unentgeltlich<br />

ausleihen oder kaufen. Erstmalig<br />

wird nun ein Eigenanteil der Eltern<br />

in Form einer Lernmittelpauschale<br />

von 22,50 Euro (mit sozialer Staffelung<br />

über 17,50 Euro, 12,50 Euro bis zur Befreiung)<br />

erhoben. Es wird vom Land<br />

zwar zugesichert, dass das Budget der<br />

Schulen einen Ausbau des Bestandes<br />

an Lehr- und Lernmitteln ermöglicht,<br />

jedoch bleiben viele Fragen und Probleme<br />

so kurz vor Schuljahresende ungeklärt.<br />

Schulleiter oder beauftragte<br />

Lehrer plagen sich mit Informationsschreiben,<br />

Bescheiden und Kontenprüfung.<br />

Was passiert, wenn Eltern trotz<br />

Ermahnung nicht zahlen Wird es dann<br />

Kinder mit Buch und Kinder ohne Buch<br />

geben Die soziale Spanne wird dadurch<br />

wohl noch deutlicher.<br />

Der Vorstand wird schnellstmöglich<br />

um einen Gesprächstermin im Thüringer<br />

Kultusministerium bitten, um die<br />

anstehenden Probleme zu besprechen.<br />

(für die Landesgruppe: Kathrin Heckert)<br />

32 GS <strong>aktuell</strong> <strong>91</strong> • September 2005


Praxispreis des Grundschulverbandes<br />

Ausschreibung<br />

Mehr Bildungszeit für Kinder:<br />

Schritte auf dem Weg zur Ganztagsgrundschule<br />

Warum ein Praxispreis<br />

Seit seiner Gründung setzt sich der Grundschulverband für<br />

mehr Zeit am Schultag für alle Kinder ein, um die pädagogischen<br />

Handlungsmöglichkeiten an der <strong>Grundschule</strong> zu<br />

erweitern.<br />

Die Bundesländer versuchen derzeit, dem gesellschaftlichen<br />

Wunsch nach Ganztagsschulen entgegenzukommen und<br />

entwickeln sehr unterschiedliche Modelle von Ganztagsschulen.<br />

Dabei wird die Ganztagsschul-Idee aus rein familienpolitischen<br />

Gründen oft verkürzt zu Unterricht »wie gehabt«<br />

plus zusätzlicher Betreuung. Der Grundschulverband fordert<br />

demgegenüber, neben den familienpolitischen auch bildungspolitische<br />

Gründe wirksam werden zu lassen: Ganztagsschule<br />

als Schule mit mehr Bildungszeit für Kinder. Im Standpunkt<br />

»Mehr Zeit für Kinder: Von der Stundenschule zur Ganztagsgrundschule«<br />

heißt es:<br />

»Ganztagsschulen dürfen daher nicht als Schulen missverstanden<br />

werden, die den Unterricht in der bisherigen Form<br />

beibehalten und nur durch Betreuungsangebote ergänzen.<br />

Kinder und Jugendliche brauchen heute Schulen, die ihnen<br />

genügend Zeit und Handlungsspielraum für ihre Entwicklung<br />

geben … Zusätzliche schulische Bildungszeit erleichtert<br />

soziale Erfahrungen und interaktives Lernen der Kinder,<br />

fördert Selbstständigkeit und Selbstverantwortung und regt<br />

Kooperation zwischen Lehrern, Kindern und Eltern an.«<br />

Viele <strong>Grundschule</strong>n haben sich bereits auf den Weg gemacht<br />

– sie entwickeln unter den örtlichen Bedingungen mit ihren<br />

Möglichkeiten ihre <strong>Grundschule</strong> in Richtung auf die Zieldimensionen,<br />

wie sie im Standpunkt formuliert sind.<br />

Der Praxispreis soll dazu beitragen, diese Ansätze anzuerkennen,<br />

sie in das öffentliche Bewusstsein zu rücken und die Position<br />

des Grundschulverbandes zu verbreiten.<br />

Wer kann teilnehmen<br />

Die Ausschreibung richtet sich an alle <strong>Grundschule</strong>n, die sich<br />

auf den Weg gemacht haben, ihre Schule in Richtung Ganztagsschule<br />

mit mehr Bildungszeit für Kinder zu verändern.<br />

Angesichts der unterschiedlichen Rahmenvorgaben der Länder<br />

und der Schulträger sind die Möglichkeiten der Schulen mehr<br />

oder weniger begrenzt. Dennoch bestehen Spielräume, die<br />

zugunsten von mehr Bildungszeit für Kinder genutzt werden<br />

können. Die teilnehmenden Schulen sollten mit Konzepten<br />

und Erfahrungen zeigen, welche Schritte ihre Schule auf dem<br />

Weg zur Ganztagsschule geht und welchen pädagogischen<br />

Wert die Schule in diesen Entwicklungsschritten für die Kinder<br />

sieht.<br />

Zur Vergabe des Praxispreises<br />

Der Praxispreis des Grundschulverbandes wird an fünf <strong>Grundschule</strong>n<br />

verliehen. Jede Preisträger-Schule erhält 2.000 € und<br />

stellt ihr Konzept und ihre Erfahrungen bei einem Grundschulforum<br />

in Frankfurt/Main im März 2006 vor. Diese Beiträge der<br />

Praxispreisschulen sollen auch einfließen in einen Mitgliederband<br />

des Grundschulverbandes zum Thema Ganztag, der Ende<br />

2006 erscheinen wird.<br />

Im Zusammenhang mit dem Praxispreis vergibt der Grundschulverband<br />

zwei weitere Preise:<br />

■ den Forschungsförderpreis für praxisfördernde Forschung<br />

zum Thema<br />

■ den Politikpreis für politische Initiativen, die <strong>Grundschule</strong>n<br />

bei ihrer Entwicklung zum Ganztag in besonderer Weise unterstützen.<br />

Wie kann sich eine Schule beteiligen<br />

1. Die Schule fordert die Bewerbungsmaterialien in der<br />

Geschäftsstelle des Grundschulverbandes an:<br />

mit gelber Post …<br />

Grundschulverband<br />

Stichwort: Ganztag<br />

Niddastr. 52<br />

60329 Frankfurt<br />

oder … mit digitaler Post:<br />

info@grundschulverband.de<br />

oder über die Hompage:<br />

grundschulverband.de<br />

2. Die Schule stellt ihre schulischen Entwicklungsschwerpunkte<br />

zum Ganztag unter drei Teilaspekten dar:<br />

■ Unsere Ausgangslage<br />

■ Unsere bisherige Entwicklung<br />

(Schritte, welche die Schule unternommen hat,<br />

Stolpersteine, Lösungen, Veränderungen für die Kinder)<br />

■ Unsere Perspektiven für die weitere Entwicklung.<br />

3. Die Schule stellt der ausführlichen Darstellung der drei Teile<br />

eine Kurzfassung voran.<br />

Näheres befindet sich in den Bewerbungsmaterialien, die von<br />

der Geschäftsstelle auf Anfrage zugesandt werden.<br />

Einsendeschluss für den Bewerbungsbericht ist der<br />

31. Oktober 2005.


Neue Bücher<br />

beim Grundschulverband<br />

119<br />

Beiträge zur Reform der <strong>Grundschule</strong><br />

k i<br />

Lernstände feststellen<br />

Leistungen der Kinder wahrnehmen<br />

Leistungen der Kinder würdigen<br />

Lernentwicklungen bestätigen<br />

Dieser Schuber mit fünf Heften und einer CD setzt<br />

unterrichtspraktisch fort, was mit dem Band 118<br />

»Leistungen der Kinder wahrnehmen – würdigen<br />

– fördern« begonnen wurde.<br />

Zu den drei Fächern Deutsch, Mathematik, Sachunterricht<br />

werden für die Klassen 1 und 2 alltagstaugliche<br />

Materialien angeboten, die auch die Kinder als<br />

Lerner dialogisch einbeziehen.<br />

Damit wird zur <strong>aktuell</strong>en Debatte um Diagnostik und<br />

Leistungsförderung ein Konzept vorgelegt, das eine<br />

pädagogische Leistungskultur in der Praxis entwickeln<br />

hilft.<br />

n d<br />

Lerngespräche führen<br />

Kinder individuell fördern<br />

Lernwege öffnen<br />

Eigene Lernwege beschreiben<br />

Horst Bartnitzky Pädagogische<br />

Hans Brügelmann Leistungskultur:<br />

Ulrich Hecker Materialien für<br />

Gudrun Schönknecht (Hg.) Klasse 1 und 2<br />

ISBN: 3-930024-88-8 | Best.-Nr.: 1077 | 17,– € / f. Mitgl. 13,– €<br />

ISBN 3-930024-89-6 | Best.-Nr.: 5004 | Preis 10,– €<br />

Der Grundschulverband hat die Veröffentlichung der<br />

Sammelbände zum Thema »Eine Welt in der Schule«<br />

mit der Herausgabe eines dritten Bandes fortgesetzt.<br />

Der Sammelband, erschienen zum 25-jährigen Jubiläum<br />

des Projektes, umfasst 308 Seiten A4 und enthält<br />

Unterrichtsbeispiele aus den Jahren 1997 bis 2004.<br />

Zwischen den Sammelbänden gibt es keine Überschneidungen.<br />

Eine ausführliche Besprechung des<br />

Bandes finden Sie im Heft »Eine Welt in der Schule«,<br />

das dieser Zeitschrift beiliegt, auf den Seiten 20f.<br />

Der Band, herausgegeben von Rudolf Schmitt, Andrea<br />

Pahl und Wolfgang Brünjes, erscheint wieder<br />

außerhalb der Mitgliederreihe<br />

und kann für 10 Euro über den<br />

Grundschulverband erworben<br />

werden.<br />

Diese Neuveröffentlichung<br />

hat der Verband zum Anlass<br />

genommen, die bisher<br />

erschienenen zwei Sammelbände<br />

zum Aktionspreis<br />

von je 5 Euro abzugeben.<br />

Zu beziehen über den Buchhandel oder die Geschäftsstelle des Grundschulverbandes,Niddastr. 52, 60329 Frankfurt, www.grundschulverband.de

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