Hannes Helmke - mundus
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Künstlerporträt<br />
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Künstlerporträt<br />
Momente<br />
einer entspannten<br />
Intensität<br />
Zur Bronzeplastik des Bildhauers <strong>Hannes</strong> <strong>Helmke</strong><br />
LENA NAUMANN<br />
Utkieker 2007, Bronze, Spiekeroog<br />
„Halte immer an der Gegenwart fest. Jeder Zustand, ja<br />
jeder Augenblick ist von unendlichem Wert, denn er ist<br />
der Repräsentant einer ganzen Ewigkeit“ sagte Goethe<br />
in einem Gespräch im Oktober 1831 zu seinem Sekretär<br />
Eckermann. Er berührte damit lange Zeit vor Einsteins<br />
Entwicklung der Relativitätstheorie und den<br />
Erkenntnissen der Quantenphysik ein Phänomen, das<br />
unsere Vorstellung von Zeit radikal revolutioniert. In<br />
einem herkömmlichen Verständnis wird der Begriff<br />
Ewigkeit als Ausdruck für eine lange, nicht endende<br />
Dauer verstanden und damit für einen Zustand verwendet,<br />
der ununterbrochen fortläuft. Wir wissen heute,<br />
dass diese Zeitvorstellung obsolet ist. Weder gibt es<br />
eine Vergangenheit noch eine Zukunft. Sie existieren<br />
beide lediglich als Vorstellung in unserem Kopf, sind<br />
rückwärts- oder vorwärtsgewandte Projektionen des<br />
menschlichen Gehirns. Wirklich existent ist nur das<br />
Jetzt, der gegenwärtige Augenblick, die Sekunde, in<br />
der ich bin, atme und fühle. Und wenn wir uns eine<br />
neue Vorstellung von Dauer machen wollen, dann ist<br />
sie wohl zu verstehen als eine Aneinanderreihung von<br />
sich ablösenden Gegenwärtigkeiten, die, kaum haben<br />
wir sie erlebt, ihr Existentsein sogleich wieder verlieren,<br />
zur Vergangenheit werden und nur noch als Vorstellung<br />
in unserem Kopf vorhanden sind. Ewigkeit ist<br />
kein unendlich in die Länge gezogener Moment, sondern<br />
Tiefe und Intensität im Erleben des Augenblicks.<br />
Der Mensch kann einen Hauch von Ewigkeit erfahren<br />
und die Zeit transzendieren, wenn er fähig ist, im Jetzt<br />
ganz selbstvergessen zu sein.<br />
In der Geschichte der Kunst hat es nicht viele Künstler<br />
gegeben, die über die Fähigkeit verfügten, die Intensität<br />
eines einzigen Momentes stark und unmittelbar<br />
in eine Bildsprache zu übersetzen. Unter den zeitgenös<br />
sischen Künstlern gibt es einen, der dies in besonderer<br />
Weise beherrscht: der Kölner Bildhauer <strong>Hannes</strong><br />
<strong>Helmke</strong>.<br />
Fasziniert von der dritten Dimension<br />
<strong>Hannes</strong> <strong>Helmke</strong> wurde 1967 in Heidelberg geboren.<br />
Nach einer Holzbildhauerlehre an der Fachhochschule<br />
für Holz und Elfenbein verarbeitendes Handwerk in<br />
Michelstadt machte er 1991 sein Fachabitur mit<br />
Schwerpunkt Gestaltung und Design und arbeitete anschließend<br />
in einem Restaurationsbetrieb. Von 1992<br />
bis 1994 studierte er Innenarchitektur an der Fachhochschule<br />
Darmstadt, an das sich bis 1998 ein Bildhauerstudium<br />
an der Alanus Hochschule Alfter mit<br />
dem Aufbaustudium Freie Kunst anschloss. Seit 1998<br />
ist <strong>Hannes</strong> <strong>Helmke</strong> als freischaffender Künstler tätig.<br />
Seine Arbeiten wurden in den vergangenen vierzehn<br />
Jahren auf mehr als achtzig Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen<br />
sowie Kunstmessen gezeigt, darunter<br />
auf der Art International Zürich, der Art Fair<br />
Tokyo, der Fine Art Köln oder mehrmalig im Rahmen<br />
einer One Artist Show auf der Art Karlsruhe.<br />
Die Faszination von der Dreidimensionalität zeigte<br />
sich bei ihm schon früh: Bereits in der Kindheit zog er<br />
es vor, Figuren nicht zu zeichnen, sondern zu kneten. u<br />
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Künstlerporträt<br />
Sitzender 2010, 16 cm, Bronze<br />
Diese Vorliebe hat sich bis heute insofern erhalten, als<br />
er von seinen Plastiken keine Vorzeichnungen anfertigt,<br />
sondern sie gleich als Kleinmodelle in Wachs ausarbeitet.<br />
Seine inneren Bilder müssen, sobald er sie aus<br />
sich herausfließen lässt, von Anfang an für ihn selbst<br />
und den Betrachter „greifbar“ sein. Eine Zeichnung<br />
befriedigt ihn nicht, weil ihr die dritte Dimension fehlt,<br />
also das, was der Idee gewissermaßen Fleisch gibt, sie<br />
berührbar, spürbar und fühlbar macht.<br />
Die Originalfigur entsteht zunächst als Positiv in<br />
Wachs, Plastilin oder Ton. Dieses Positiv wird von<br />
zwei Seiten aus in mehreren Arbeitsschritten mit einer<br />
Schicht Silikon und außen mit einem Gipsmantel umgeben.<br />
Wenn die Silikon- und Gipsschicht ausgehärtet<br />
sind, klappt man beide Hälften auseinander und hat<br />
nun eine Negativform, die mehrmals hintereinander<br />
mit Wachs ausgegossen werden kann. Diese – zweite –<br />
Positivform dient anschließend für die Herstellung der<br />
Negativform, die für das Wachsausschmelzverfahren<br />
nötig ist. Bis auf den eigentlichen Bronzeguss, der in<br />
einer Kunstgießerei vorgenommen wird, führt <strong>Hannes</strong><br />
<strong>Helmke</strong> sämtliche Arbeitsschritte von der Idee bis zur<br />
Patinierung der Oberfläche selber aus.<br />
Lebendig, weil gefühlt<br />
Erst die Verbindung der drei Dimensionen Höhe, Breite<br />
und Tiefe macht für <strong>Hannes</strong> <strong>Helmke</strong> ein Kunstwerk<br />
vollständig. In seinen Arbeiten spielen Horizontale,<br />
Vertikale und Diagonale eine gleich wichtige Rolle.<br />
<strong>Helmke</strong>s Plastiken sind lebendig, weil sie dem Leben u<br />
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Künstlerporträt<br />
Schwangere und Schüchterne 2005, je 33 cm, Bronze<br />
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Künstlerporträt<br />
Wartender 2010, 15 cm, Bronze<br />
Liebespaar 2010, 23 cm, Bronze<br />
abgeschaut und nachempfunden werden. Doch obwohl<br />
sie sehr lebensnah wirken, sind sie alles andere<br />
als naturalistisch. Sie bilden keine konkreten Individuen<br />
ab noch stellen sie Charaktere im Sinne von Elias<br />
Canetti dar. <strong>Helmke</strong>s Menschengestalten haben keine<br />
Haare und keine Kleider. Sie sind nackt und damit verletzlich.<br />
Weil ihnen jeder zeitliche Kontext fehlt, wirken<br />
sie überpersönlich. Sie stellen keine Archetypen dar,<br />
wohl aber archetypische Gefühlszustände und Verhaltensweisen.<br />
Das ist gut zu beobachten beim Liebespaar,<br />
beim Kleinen Sitzenden, beim Wartenden, bei der<br />
Figur mit Pferd oder dem Utkieker. Diese Kunst muss<br />
nicht intellektuell begründet werden. Sie erklärt sich<br />
aus sich selbst heraus, allein aufgrund der Haltung ihrer<br />
Figuren. Es ist auffällig, dass <strong>Helmke</strong>s männliche<br />
Gestalten oft einen Titel tragen, der eine Aktivität ausdrückt.<br />
Sie heißen z. B. Figur, die auf’s Meer schaut oder<br />
Sitzender, während die Plastiken, die eine Frau darstellen,<br />
meist nur den Titel Frau tragen oder schlicht einen<br />
Zustand beschreiben wie bei Schwangere. Hier rührt<br />
<strong>Hannes</strong> <strong>Helmke</strong> intuitiv an das im chinesischen Taoismus<br />
geläufige Bild vom Mann als dem aktiven (Yang)<br />
und der Frau als dem in sich ruhenden Pol (Yin). Seine<br />
Arbeiten spiegeln auf selbstverständliche Weise die Polarität<br />
menschlichen Daseins mit den naturgegebenen<br />
Unterschieden zwischen Mann und Frau wider, ohne<br />
dies zu ideologisieren. Vielmehr zeigen diese Plastiken<br />
ein Menschsein, das ganz natürlich und entspannt ist,<br />
gleichzeitig aber eine große Intensität besitzt.<br />
<strong>Hannes</strong> <strong>Helmke</strong> hat sich für sein bildnerisches<br />
Schaffen den Werkstoff Bronze ausgesucht. Das Metall<br />
gehört zu den haltbarsten Materialien und kann Millionen<br />
Jahre überdauern, ohne zu zerfallen. Diese<br />
Qua lität ist für den Künstler wertvoll, denn er möchte<br />
mit seinen Figuren unabhängig von seiner Person, die<br />
er im Vergleich zum Werk als unwichtig empfindet,<br />
nach geborenen Generationen einen Eindruck davon<br />
hinterlassen, was es bedeutet hat, in unseren Zeiten ein<br />
Mensch gewesen zu sein. Er will ihnen zeigen, wie wir<br />
gewartet, gehockt, nachgedacht, geschaut und geliebt<br />
haben oder mit unseren Tieren umgegangen sind. Und<br />
wie wir uns dabei fühlten. <strong>Hannes</strong> <strong>Helmke</strong> bildet ganz<br />
bewusst keine negativen Zustände ab, sondern nur neutrale<br />
oder positive. In seinen Werken ist er Phil anthrop<br />
und Humanist. Seine persönliche Wahrnehmung<br />
grenzt die dunklen Seiten des Menschseins zwar nicht<br />
aus, findet sie aber der Überlieferung nicht wert. Deshalb<br />
bildet er nur Szenen ab, die einem Betrachter deutlich<br />
machen, weshalb es ein Geschenk ist, ein Mensch zu sein:<br />
ein fühlendes und sich seiner selbst bewusstes Wesen.<br />
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Künstlerporträt<br />
Figur mit Pferd 2010, 33 x 50 cm, Bronze<br />
Die Figuren von <strong>Hannes</strong> <strong>Helmke</strong> sind keine Stillstände,<br />
keine bloßen Ausschnitte aus Bewegungsabläufen.<br />
Diese Werke strahlen Beseeltheit aus. Sie<br />
bringen nicht nur Haltungen zum Ausdruck, sondern<br />
ein Gefühl, wirken nicht steif, sondern lebendig.<br />
Man braucht nur zu schauen und das Geschaute<br />
auf sich wirken zu lassen. Dann beginnt die Bronze<br />
zu sprechen.<br />
INFO<br />
<strong>Hannes</strong> <strong>Helmke</strong><br />
info@hannes-helmke.de<br />
www.hannes-helmke.de<br />
Kunsthandlung Osper<br />
Pfeilstr. 29<br />
50672 Köln<br />
www.osper.net<br />
Arthea – Galerie am Rosengarten<br />
Stresemannstr. 4<br />
68165 Mannheim<br />
www.arthea.de<br />
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