Cruiser Februar 2014
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Gesellschaft CRUISER Edition <strong>Februar</strong> <strong>2014</strong><br />
Putin als neue<br />
Reizfigur<br />
Gleich drei Bundesräte reisen<br />
nach Sotschi an die<br />
Olympischen Winterspiele<br />
Von Boris Schneider<br />
Auch dank den Olympischen<br />
Winterspielen, die am 7. <strong>Februar</strong><br />
in Sotschi eröffnet werden,<br />
steht das russische Gesetz<br />
über das Verbot von homosexueller<br />
Propaganda heute<br />
weltweit in der Kritik.<br />
Im <strong>Februar</strong> finden in Sotschi die 22. Olympischen<br />
Winterspiele statt. Im Zusammenhang<br />
mit dem Grossereignis sorgte in den letzten Monaten<br />
jedoch weniger der Sport für Gesprächsstoff.<br />
Im Zentrum der medialen Aufmerksamkeit<br />
standen vielmehr der forsche Umgang der<br />
russischen Machthaber mit der Opposition<br />
und die anhaltende Gewalt gegen Schwule und<br />
Lesben in einem Klima von immer offener zur<br />
Schau gestellter Homophobie.<br />
Stein des Anstosses ist das vom russischen Parlament<br />
im Juni 2013 verabschiedetete Gesetz über<br />
ein Verbot von «Homosexuellen-Propaganda»<br />
im Beisein von Minderjährigen. Es verbietet die<br />
Verbreitung von Informationen darüber, dass<br />
Homosexualität normal ist. Im Alltag treibt dies<br />
groteske Blüten: Bei einem Staffellauf mit der<br />
olympischen Fackel in Woronesch wurde am 18.<br />
Januar ein Demonstrant festgenommen, weil er<br />
eine Regenbogenfahne gezeigt hatte.<br />
Im letzten Herbst wurden denn auch immer<br />
häufiger Boykott-Forderungen der «Putin-Spiele»<br />
laut. Zahlreiche Spitzenpolitiker haben daraufhin<br />
ihre Teilnahme an der Eröffnungsfeier<br />
in Sotschi abgesagt. Die prominentesten Abwesenden<br />
sind US-Präsident Barack Obama und<br />
sein Vize Joe Biden, der französische Staatspräsident<br />
François Hollande, der deutsche Bundespräsident<br />
Joachim Gauck sowie Bundeskanzlerin<br />
Angela Merkel – Letztere schickt an ihrer<br />
Statt Bundesinnenminister Thomas de Maizière<br />
nach Russland.<br />
Die offizielle Schweiz schickt drei Bundesräte<br />
Auf taube Ohren sind Boykottforderungen in<br />
der Schweiz gestossen. Obwohl sich zuletzt<br />
auch bürgerliche Politiker für ein Fernbleiben<br />
stark gemacht hatten, entsendet unsere Landesregierung<br />
mit Ueli Maurer, Didier Burkhalter<br />
und Alain Berset gleich drei Vertreter ans<br />
Schwarze Meer. Die Regierung liess verlauten,<br />
«dass der Sport generell und die Teilnahme an<br />
Olympischen Spielen im Speziellen keine Plattformen<br />
für politische Meinungsäusserungen<br />
sein dürfen». Für diese Argumentation hat etwa<br />
Nationalrätin Jacqueline Fehr nicht viel übrig:<br />
«Da Putin und sein Regime die Spiele in Sotschi<br />
bewusst zu politischen Zwecken nutzen und<br />
dort ihre Macht inszenieren, muss die Antwort<br />
darauf eine politische sein», gibt sich die SP-Frau<br />
überzeugt. Auch Alt-Bundesrat Adolf Ogi kritisierte<br />
unlängst im «Club» des Schweizer Fernsehens:<br />
«Drei Bundesräte sind zuviel.»<br />
Dabei hat diese Olympiade für die Schwulenbewegung<br />
ihr Gutes, bevor sie überhaupt angefangen<br />
hat: Bald jedes Massenmedium hält es inzwischen<br />
für seine Pflicht, alle paar Wochen auf<br />
die Unterdrückung von Lesben und Schwulen<br />
in Russland aufmerksam zu machen. Eine Google-Suche<br />
nach «russian anti gay law» fördert<br />
inzwischen nicht weniger als 257 Millionen<br />
Treffer zutage. Zahlreiche Facebook-Gruppen<br />
und Avaaz-Petitionen haben Zigtausende von<br />
Menschen für das Thema sensibilisiert. Und in<br />
Deutschland hat sich mit Thomas Hitzlsperger<br />
zum ersten Mal ein bekannter Bundesligaspieler<br />
geoutet. Für all dies müsste man Vladimir<br />
Putin eigentlich danken.<br />
Putin verwechselt Äpfel mit Birnen<br />
Doch der Russe zeigt sich derweil lernresistent.<br />
In einem Interview mit Radio Stimme Russlands<br />
verkündigte er unlängst, dass die Homosexualität<br />
in Russland weder verboten sei noch<br />
mit dem Tode bestraft werde: «Wir haben nur<br />
ein Gesetz verabschiedet, welches Propaganda<br />
für Homosexualität verbietet, aber nicht nur<br />
für Homosexualität, sondern auch für den sexuellen<br />
Missbrauch von Kindern», so Putin. Dass<br />
der Kreml-Chef nicht fähig oder Willens ist,<br />
einen Unterschied zwischen Homosexualität<br />
und Pädophilie zu erkennen, hat er vor kurzem<br />
mit einer weiteren Äusserung bewiesen:<br />
Lesben und Schwule, so Putin, seien in Sotschi<br />
willkommen, «aber lassen Sie einfach unsere<br />
Kinder in Ruhe!».<br />
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©pd