3000 Jahre staunen - Württembergische Landesbibliothek
3000 Jahre staunen - Württembergische Landesbibliothek
3000 Jahre staunen - Württembergische Landesbibliothek
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Sonderausstellungsreihe 9. April bis 9. Oktober 2011<br />
von GutenberG<br />
bis Luther<br />
Die Faszination früher Bibeldrucke
von GutenberG<br />
bis Luther<br />
Die Faszination früher Bibeldrucke.<br />
Mit einzigartigen Schätzen aus der<br />
<strong>Württembergische</strong>n <strong>Landesbibliothek</strong> Stuttgart
Vorwort<br />
Mit der Sonderausstellungsreihe „Von Gutenberg bis Luther“ erfährt die Schatzkammer der Bibelgalerie Meersburg im Ausstellungsjahr<br />
2011 eine besondere Würdigung. Historisch bedeutende Schätze der <strong>Württembergische</strong>n <strong>Landesbibliothek</strong> Stuttgart sind dort<br />
zu bewundern. Sie geben Einblick in die Druck- und Übersetzungsgeschichte der Bibel und sind damit wichtige Dokumente unserer<br />
abendländischen Kulturgeschichte.<br />
Im Mittelpunkt der Ausstellungsreihe stehen zwei „Königinnen“ der Buchdruckerkunst: Die B36 von 1461, die als das wertvollste<br />
gedruckte Buch der Welt gilt, und die B42, die berühmte Stuttgarter Gutenbergbibel von 1454, das erste mit beweglichen Lettern<br />
gedruckte Buch der Welt.<br />
Nur aufgrund der langjährigen vertrauensvollen Zusammenarbeit der Bibelgalerie Meersburg mit Dr. Eberhard Zwink, dem Leiter<br />
der Abteilung Alte und Wertvolle Drucke sowie der Bibelsammlung der <strong>Württembergische</strong>n <strong>Landesbibliothek</strong> Stuttgart, kann diese<br />
Ausstellung so gezeigt werden.<br />
Ich danke Herrn Dr. Zwink für die intensive Unterstützung in der Vorbereitung und Durchführung dieser Sonderausstellungsreihe,<br />
für zahlreiche wertvolle Ratschläge und Hinweise, für die Konzeption und die Erarbeitung der begleitenden Texte. Krönung seines<br />
Engagements ist dieses Begleitbuch zur Ausstellung, in dem jeder Schatz eine besondere Würdigung erfährt und Besucher und<br />
Leser hineingenommen werden in die Geschichte der ausgestellten Exponate.<br />
Stellvertretend für alle, die zum Gelingen der Ausstellungspräsentation beigetragen haben, danke ich Frau Enke Husmann, der<br />
leitenden Restauratorin der <strong>Württembergische</strong>n <strong>Landesbibliothek</strong> Stuttgart, für die fachliche Beratung und Begleitung im Vorfeld<br />
ebenso wie für Ihre Mithilfe beim Einrichten der Schatzkammer.<br />
Wir sind dankbar und stolz, diese außergewöhnliche Ausstellung in der Schatzkammer der Bibelgalerie Meersburg zeigen zu können<br />
und damit den Beginn einer der größten kulturellen Umwälzungen der Menschheitsgeschichte, den Beginn des Medienzeitalters,<br />
mit originalen Ausstellungsexponaten zu dokumentieren. Dass sich dies in wunderbarer Weise mit der Möglichkeit verbindet,<br />
in unserer Druckerwerkstatt die Erfindung Johannes Gutenbergs selbst praktisch nachzuvollziehen, entspricht dem Anspruch der<br />
Bibelgalerie Meersburg, Wissen und Erfahrung erlebnishaft zu verbinden.<br />
Thea Groß<br />
Leiterin der Bibelgalerie Meersburg
Inhaltsverzeichnis Seite<br />
Vorwort ........................................................................................................... 4<br />
Einleitung ......................................................................................................... 7<br />
1.1. Biblia Latina. 36zeilig. 1461 ........................................................................8-9<br />
1.2. Psalterium Moguntinum. 1457 .................................................................10-11<br />
1.3. Biblia Latina. 42zeilig. 1454 .................................................................... 12-13<br />
2. Biblia Deutsch. 1466 ..............................................................................14-15<br />
3. Biblia Niederdeutsch. 1478 ...................................................................... 16-17<br />
4. Biblia Deutsch. 1483 ..............................................................................18-19<br />
5. Epistolae et Evangelia. Deutsch. 1474 .......................................................20-21<br />
6. Das leben Jesu Christi gezogen auß den vier Euangelisten. 1508 .................... 22-23<br />
7. Neviîm aḥaronîm. Kommentar: Dawîd Qimḥî. 1486 .....................................24-25<br />
8. Novvm Testamentvm Omne. 1519 .............................................................26-27<br />
9. Das Newe Testament Deützsch. Vuittemberg, das Septembertestament. 1522 .....28-29<br />
10. BJblia beyder Allt vnd Newen Testaments Teutsch. 1529 ..............................30-31<br />
Informationen zur Bibelgalerie Meersburg .........................................................32-33<br />
Impressum .......................................................................................................34
Von Gutenberg bis Luther<br />
Die Faszination früher Bibeldrucke<br />
Eine der größten kulturellen Umwälzungen mit unabsehbaren<br />
Folgen war Johannes Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks mit<br />
der einzelnen – beweglichen – Bleiletter in Mainz nach 1450.<br />
Das erste große Buch, das auf diese Weise gedruckt und damit<br />
in viele Exemplare in die Welt hinaus entlassen wurde, war eine<br />
lateinische Bibel. Die ersten Buchdrucke, die bis zum Jahr 1500<br />
erschienen sind, nennt man in der Fachsprache „Inkunabeln“.<br />
Da die ersten und später viele andere Inkunabeln weder den<br />
Namen des Druckers, noch den Erscheinungsort, noch das<br />
Erscheinungsjahr vermerken, war man zunächst bei der Beschreibung<br />
auf ein anderes sichtbares Kennzeichen angewiesen. Man<br />
zählte bei den frühen lateinischen Bibelinkunabeln einfach die<br />
Zeilen einer Seite. Das geht deshalb gut, weil die Druckereien,<br />
die nach Gutenberg entstanden sind, meist verschiedenes Typenmaterial<br />
verwendeten, das sich auch in der Schrifthöhe unterschied.<br />
So nennt man die Gutenbergbibel von 1454/55 auch die<br />
42zeilige Bibel oder die B 42. Als heute dritte lateinische Bibel<br />
gilt die 36zeilige, die B 36. Das berühmte Stuttgarter Exemplar<br />
der B 36 wird in der ersten Ausstellungsperiode von Anfang<br />
April bis Anfang Juli 2011 in der Bibelgalerie gezeigt. Von Ende<br />
August bis Anfang Oktober 2011 ist das erste gedruckte Buch<br />
mit der beweglichen Letter, die 42zeilige Bibel zu sehen.<br />
Interessanterweise haben sich die ersten Drucker an den sehr<br />
umfangreichen Text der Vollbibel, an die lateinische Vulgata,<br />
gewagt und nicht etwa liturgische Bücher, wie Messbücher oder<br />
Antiphonare für das Stundengebet, gewählt. Die Vulgata war,<br />
ihr Name sagt es, die in der ehemaligen spätantiken weströmischen<br />
Volkssprache abgefasste Revision der ganzen Bibel, wie<br />
sie von dem Kirchenvater Hieronymus Ende des 4. Jahrhunderts<br />
begonnen und verantwortet wurde. Die Vulgata ist – mit Korrekturen<br />
– die schlechthin gültige Bibelversion der Römischen<br />
Kirche bis auf den heutigen Tag und war und ist in der gesamten<br />
Christenheit gültig. Dies mochte sicher ein Argument für<br />
eine gelingende Verbreitung schon des ersten Letterndrucks<br />
gewesen sein.<br />
Die Ausstellung zeigt nun beispielhaft, wie sich unter dem Einfluss<br />
des Humanismus und der Reformation die Geschichte der<br />
Bibelübersetzung zur gegenwärtigen Volkssprache hinwendet.<br />
Zunächst bleibt die Vulgata Übersetzungsgrundlage. Aber bei<br />
den Reformatoren rücken die eigentlichen Grundsprachen, das<br />
Hebräische für das Alte und das Griechische für das Neue Testament,<br />
in den Vordergrund.<br />
Ungern hat die Römische Kirche den Gebrauch der Vollbibel in<br />
der Hand des Laien gesehen. Die Verbote waren unterschiedlich<br />
streng. Offen für alle waren eher Übersetzungen der liturgisch<br />
verwendeten Stücke, wie der Psalmen, der Leseabschnitte für<br />
die Messe (Perikopen) oder des Leben Jesu.<br />
Luthers Übersetzung des Neuen Testaments brachte den Durchbruch.<br />
Im September 1522 erschien seine am griechischen Grundtext<br />
ausgerichtete Übertragung, welche den neuzeitlichen Bibelgebrauch<br />
in der Muttersprache des Laien beflügelte.<br />
Wichtig ist der Hinweis, dass – entgegen dem kirchlichen Vorbehalt<br />
– in Deutschland, in den heutigen Niederlanden und in<br />
Böhmen, ja sogar in Italien und Katalonien bereits volkssprachige<br />
Vollbibeln vor der Reformation erschienen waren. Luther oder<br />
Zwingli sind also nicht die ersten gewesen, die dem Volke das<br />
Wort Gottes nahe brachten. Volkssprachige Bibelhandschriften<br />
gibt es bereits im Mittelalter. Mit dem Buchdruck öffneten sich<br />
die Schleusen für Selbststudium, Bildung und eigenes Urteil.<br />
Überhaupt lassen sich Ansätze zu persönlicher Frömmigkeit und<br />
andere reformatorische Forderungen, wie z.B. das Priestertum<br />
aller Gläubigen, schon im Spätmittelalter ausmachen.<br />
7
Vom 9. April bis 3. Juli 2011:<br />
Biblia Latina . 36zeilig. 1461<br />
[Bamberg: Drucker der 36zeiligen Bibel<br />
oder Albrecht Pfister, nicht nach 1461]. 2 0 – Teile 1 und 3.<br />
Die dritte lateinische Bibelinkunabel von äußerster Seltenheit,<br />
vielleicht das teuerste gedruckte Buch der Welt.<br />
Originaler Bamberger blindgeprägter Schweinslederband mit<br />
Flechtknoten und Lautenspieler.<br />
GW 4202. Hain-Copinger 3032.<br />
Aufgeschlagen:<br />
Band 1: Die korrigierte Stelle in 1. Mose 8.<br />
Band 2: Eingefügtes handschriftlich gestaltetes Pergamentblatt<br />
mit dem Prolog und Anfang des Buches Baruch.<br />
<strong>Württembergische</strong> <strong>Landesbibliothek</strong> Stuttgart<br />
Bb lat. 1461 01–1 und Bb lat. 1461 01–2
1.1. Biblia Latina . 36zeilig. 1461<br />
Wie wir heute aus sekundären Quellen schließen, folgte dem<br />
ersten Buchdruck mit der beweglichen Letter, der 42zeiligen<br />
lateinischen Gutenbergbibel, eine weitere Bibel durch den Straßburger<br />
Drucker Johannes Mentelin, vermutlich im Jahr 1460.<br />
Dann gab es neben Mainz und Straßburg in Bamberg im Umfeld<br />
des dortigen Benediktinerklosters auf dem Michaelsberg ein<br />
weiteres Druckerzentrum, das sich mit dem Namen Albrecht<br />
Pfister verbindet.<br />
Man will allerdings diesen nach Gutenberg und Mentelin hochqualifizierten<br />
Drucker nicht direkt in den Zusammenhang mit<br />
dem Druckerkonsortium bringen, das die dritte Vulgata, die<br />
36zeilige Bibel hergestellt hat. Kennzeichen dieses gewaltigen<br />
Werkes ist die Größe der Schrifttype, die bei einem normalen<br />
Papierbogenformat nur 36 Zeilen zugelassen hat. Dies führte<br />
zu 884 Blättern. Keine gedruckte Bibelinkunabel in lateinischer<br />
Sprache und mit reinem Text wurde jemals wieder so umfangreich.<br />
Im Vergleich dazu hat die Gutenbergbibel 643, die zweite<br />
Straßburger Bibel nur 427 Blätter!<br />
Einige Exemplare wurden – wie anfänglich üblich – auch auf<br />
Pergament gedruckt. Allerdings sind heute nur noch 15 Papierexemplare<br />
bekannt. Pergamentreste findet man nach mittelalterlicher<br />
Gewohnheit als Makulatur bei Innenauskleidungen<br />
des Einbandes (Spiegel, Vorsatzblätter) oder als Falzstreifen<br />
im innern Buchrücken. Solche Reste haben aber auch dazu beigetragen,<br />
dass Datumsvermerke der Buchmaler (Rubrikatoren,<br />
Illuminatoren) erhalten blieben. So lassen sich die spätest<br />
anzunehmenden Entstehungsjahre der drei frühen lateinischen<br />
Bibeln festlegen. Die B 36 ist einem Pergamentblatt an der<br />
Universitätsbibliothek Freiburg zufolge 1461 fertig gewesen.<br />
Früher wusste man darüber weniger Bescheid; und es ging der<br />
Streit, ob die etwas gröbere und weniger fein gedruckte B 36<br />
oder die meisterhaft gewordene B 42 der Erstling gewesen sei.<br />
Noch war der Vorbesitzer des Stuttgarter Exemplars, der Memminger<br />
Stadtpfarrer Johann Georg Schelhorn d. Ä. um 1760<br />
davon überzeugt, dass seine B 36 Gutenbergs Werk, die B 42<br />
hingegen, die ein niederländischer Jurist namens Gerard Meerman<br />
besaß, eine spätere Ausgabe gewesen sei. Erst Ende des<br />
19. Jahrhunderts fiel einem Bibliothekar in Berlin auf, dass im<br />
1. Buch Mose eine Spalte der B 36 falsch gesetzt wurde, man<br />
den Fehler zu spät entdeckte und man deshalb den richtigen<br />
Text mit einem Pergamentstreifen handschriftlich überklebte.<br />
Der falsche Text beginnt genau an der Stelle, wo die B 42 auf<br />
eine neue Seite umzuwenden ist. Hier hat der Setzer überblättert<br />
und uns bestätigt, dass eine B 42 Vorlage für die spätere<br />
B 36 war.<br />
Das Stuttgarter Exemplar, das der Bibliotheksgründer Herzog<br />
Karl Eugen von Württemberg 1785 vom gleichnamigen Sohn<br />
des genannten Pfarrers Schelhorn erworben hat, bestand damals<br />
schon aus nur 2 Bänden, den Teilen 1 und 3.<br />
Interessant sind die originalen mit Einzelstempeln („Flechtknoten“<br />
und „Lautenspieler“) blindgeprägten Einbände, die nur<br />
noch bei diesem Exemplar erhalten sind. Ein Teil 2 mit gleichem<br />
Einband befindet sich an der Bayerischen Staatsbibliothek in<br />
München, die Illuminierungen im Inneren passen aber nicht<br />
zusammen. Deshalb ist davon auszugehen, dass in Bamberg<br />
mehrere Exemplare schon fertig gebunden und dann verkauft<br />
wurden, insbesondere in den östlichen Teil des Reiches.<br />
9
Vom 3. Juli bis 20. August 2011:<br />
Psalterium Moguntinum. 1457<br />
[Mit Ordinarium Officii, Cantica, Tedeum,<br />
Symbolum Athanasianum, Allerheiligenlitanei,<br />
Collectae und Orationes. Im Anhang Totenoffizium und Hymnar.]<br />
Mainz: Johann Fust und Peter Schöffer, 1457.08.14. – 2°, 143 Bl.<br />
Hain 13479.<br />
Faksimileausgabe:<br />
Der Mainzer Psalter von 1457.<br />
Wissenschaftliche Betreuung: Aloys Ruppel. – Faksimile-Druck des Exemplars Ink. 4 BI<br />
der Österreichischen Nationalbibliothek. – Dietikon-Zürich : Stocker, 1968. – 175 Bl.<br />
Aufgeschlagen:<br />
Links: Psalm 1.<br />
Unten: Kolophon mit Druckermarke von Fust und Schöffer.<br />
<strong>Württembergische</strong> <strong>Landesbibliothek</strong> Stuttgart<br />
Inc.facs.fol.38
1.2. Psalterium Moguntinum. 1457<br />
Der in Mainz 1457 gedruckte lateinische Psalter ist das zweite<br />
große Druckwerk der Inkunabelzeit. Johannes Gutenberg konnte<br />
seine Bibel mit einer ungleich größeren Textmenge und demnach<br />
auch viel größerem Aufwand nur mit der Unterstützung<br />
von Johannes Fust und Peter Schöffer d. Ä. zustande bringen.<br />
Fust war ein vermögender Goldschmied und Geldverleiher. Er<br />
stützte das werck der bucher finanziell. Die Rückforderung des<br />
geliehenen Geldes im Jahr 1455 brachte Gutenberg um seine<br />
Erfindung. Peter Schöffer, Fusts Schwiegersohn, hatte vermutlich<br />
großen Anteil an der technischen Perfektion des Druckvorgangs,<br />
insbesondere bei der Herstellung der Einzelstempel aus<br />
der genialen Blei-Antimon-Zinn-Legierung. Fust und Schöffer<br />
waren nun in der Lage, ohne den eigentlichen Erfinder Bücher<br />
zu drucken, was sie auch mit Stolz im Jahr 1457 taten.<br />
Sie druckten einen lateinischen Psalter, der als liturgisches Buch<br />
im Stundengebet gebraucht werden konnte. Für die Schrift des<br />
Psalmentextes benutzten sie – wie schon bei den Handschriften<br />
üblich – eine große Type, so dass ein Exemplar des Buches für<br />
einen Chor ausreichte. Die eigentlichen Psalmentexte sind mit<br />
den üblichen Anweisungen für die entsprechenden Tage und den<br />
Leitversen versehen. Weiter kommen noch verschiedene andere<br />
liturgische Elemente hinzu, wie die Cantica, die poetischen Texte<br />
der Bibel außerhalb der Psalmen, das Tedeum, das altkirchliche<br />
Athanasianische Glaubensbekenntnis, das Totenoffizium u.a.<br />
Im Gegensatz zur 42zeiligen Bibel und den späteren Drucken<br />
der Inkunabelzeit haben sich Fust und Schöffer bei ihrem ersten<br />
Druck technisch sehr viel zugemutet. Die liturgischen Anweisungen<br />
sind rot gedruckt, verlangten also ein weiteres Druckverfahren,<br />
ebenso sind die Initialbuchstaben farbig gehalten, teils rot,<br />
teils blau. Die Psalmenanfänge sind mit gedrucktem Maiglöck-<br />
chenmuster umrahmt. Wie Letzteres technisch gemacht wurde,<br />
ist noch unklar. Die nachfolgenden Druckerkollegen haben allermeist<br />
auf solche farbigen Raffinessen verzichtet und druckten<br />
nur die schwarze Schrift. Den dekorativen Rest ließen sie von<br />
den versierten Rubrikatoren (Rotmaler) und den Illuminatoren<br />
(künstlerisch hoch stehende Buchmaler) von Hand aufbringen.<br />
Zum ersten Mal in der Geschichte des Buchdrucks haben die<br />
Drucker ihre Namen und sogar den Tag der Fertigstellung (Vorabend<br />
von Mariä Himmelfahrt = 14. August 1457) im sog. Kolophon<br />
(Nachschrift, Ende eines Buches) genannt. Sie begründeten<br />
damit die spätere Tradition der Inkunabeldrucker, das Kolophon<br />
ausführlich zu gestalten und oft den Tag der Fertigstellung<br />
anzugeben. Doch nicht genug. Fust und Schöffer waren auch<br />
die Erfinder der Druckermarke, eines Drucker-Logo oder Drucker-<br />
Signet, wie man heute sagen würde. Hier sollten Urheberschaft<br />
und Qualität dokumentiert werden.<br />
Dass der Mainzer Psalter eines der qualitätvollsten Bücher<br />
geworden ist, bleibt außer Frage.<br />
Die <strong>Württembergische</strong> <strong>Landesbibliothek</strong> besaß im 19. Jahrhundert<br />
14 <strong>Jahre</strong> lang eines der heute noch sechs vollständigen<br />
Exemplare. König Wilhelm I. hatte finanziell dazu verholfen.<br />
Aber allergrößte Geldnot zwang die Bibliothekare, eine Inkunabel<br />
von Bedeutung zu veräußern. Nachdem Eingaben an das<br />
Ministerium um Erhöhung des Erwerbungsetats nichts fruchteten,<br />
entschloss man sich, das Exemplar des Mainzer Psalters an<br />
die Königliche Bibliothek zu Berlin zu verkaufen.<br />
11
Vom 20. August bis 9. Oktober 2011:<br />
Biblia Latina . 42zeilig. 1454<br />
[Mainz: Drucker der 42zeiligen Bibel (Johann Gutenberg),<br />
um 1454, nicht nach August 1456]. 2 o . –<br />
P. 1: 324 Bl. - P. 2: 319 Bl.<br />
GW 4201. Hain 3031.<br />
Aufgeschlagen:<br />
Band 1: Beginn von 1. Mose 1.<br />
Band 2: Initiale zum Buch Jesus Sirach, mit Eintrag des<br />
Chorsängers Ulrich Siber, Offenburg, 20. April 1594.<br />
<strong>Württembergische</strong> <strong>Landesbibliothek</strong> Stuttgart<br />
Bb lat. 1454 01–1 und Bb lat. 1454 01–2
1.3. Biblia Latina . 42 zeilig. 1454<br />
Das Stuttgarter Exemplar einer Gutenbergbibel mag beim ersten<br />
Anblick wegen ihrer Schlichtheit enttäuschen. Aber man darf<br />
eigentlich nur den reinen (schwarzen) Satzspiegel ins Auge<br />
fassen, und wird mit diesem ersten ernsthaften Druckversuch<br />
eine absolute Meisterleistung erkennen. Die meisten nächstfolgenden<br />
Inkunabeln sind weniger perfekt gelungen, was ja der<br />
Gutenbergbibel in der Forschung ursprünglich auch ihren Primat<br />
streitig machen sollte. Die Illuminierung einer Gutenbergbibel<br />
ist stets eine sekundäre Angelegenheit. Wer das Geld hatte,<br />
sorgte auch für eine entsprechende Ausstattung nach Handschriftenmanier.<br />
Denn nichts anderes als eine nachgeahmte<br />
Handschrift sind die ersten Buchdrucke.<br />
Erst im April 1978 ist es gelungen, der Stuttgarter Bibelsammlung<br />
die „Krone“ aufzusetzen. Seit jeher fehlte eine 42zeilige<br />
Bibel. Die größte amerikanische theologische Hochschule, das<br />
General Theological Seminary New York bot wegen Geldmangels ihr<br />
Exemplar einer Gutenbergbibel beim Auktionshaus Christie’s<br />
an. Das Exemplar musste eindeutig um das Jahr 1600 in der<br />
Stadtkirche in Offenburg gewesen sein, denn nicht nur auf dem<br />
ersten Blatt ist ein mit Mühe und UV-Licht zu hinterleuchtender<br />
Schriftzug zu lesen: Ecclesia parochialis [??] Offenburgensis,<br />
sondern in zahlreichen Initialen findet man auch – wie in einer<br />
Art Stammbuch – Chorsänger eines wie auch immer gearteten<br />
Chores (Laien oder Kanoniker?) mit Namen, Herkunftsort und<br />
Datum eingetragen, z. B. in der Initiale zum Buch Jesus Sirach:<br />
Udalricus Siber, choralis Offenburgensi · Anno domini· 15· 94 · Die<br />
20· appril. Französische Soldaten haben 1689 die Stadt Offenburg<br />
geplündert, dabei mögen die beiden Bände nach Frankreich<br />
gelangt sein, und von dort nach England, wo uns die Bücher<br />
selbst wieder Hinweise geben. Ein gewisser Sir John Thorold<br />
(gest. 1815) auf Syston Park ist mit einem Exlibris vertreten. Er<br />
veranlasste, dass beide Teile in überreich goldgeprägte Einbände<br />
nach Renaissancemanier gebunden wurden, mit Innenkantenvergoldung<br />
und mit roter Seide überzogenen Vorsätzen. Über<br />
weitere Stationen gerieten die Bände letztlich in den Besitz<br />
des Rev. Eugene Augustus Hoffmann, der Dekan (Dean) des<br />
bereits genannten General Theological Seminary in New York war.<br />
Im April 1978 entschied Ministerpräsident Hans Filbinger schnell<br />
und klar, dass das Land Baden-Württemberg die Gutenbergbibel<br />
ersteigern wolle. Beauftragt als Bieter war der Antiquar Breslauer,<br />
der bald den Zuschlag erhielt, da es keinen ernsthaften<br />
Mitbieter gegeben hatte. Seither heißt dieses New Yorker Exemplar<br />
die „Stuttgarter Gutenbergbibel“. Dass in Teil 2 das originale<br />
Bl. [111] fehlt und durch ein handschriftliches Blatt ersetzt<br />
wurde, ist nicht aufregend. Man findet solche handschriftlichen<br />
Ergänzungen, den Duktus des Drucktextes nachahmend, öfters.<br />
Das General Theological Seminary hat aber 1953 ein entsprechendes<br />
Blatt aus einem geplünderten Fragment, das ehemals in<br />
der Stadtbibliothek Trier war, geschenkweise erhalten. Aber<br />
es gibt noch eine Abweichung: Die Seite (nicht das Blatt) mit<br />
dem Ende des Titusbriefes und dem Beginn des Philemonbriefes<br />
wurde versehentlich zweimal gedruckt, einmal an der richtigen<br />
Stelle, das andere Mal für die Seite mit Kolosser 1, 28 bis 4, 11.<br />
Hier hat man wohl den falschen Bogen in die Presse gelegt, so<br />
dass ein Textabschnitt fehlt, ein anderer doppelt vorhanden<br />
ist. Für die Ausmalung der Initialen, die man bezahlen musste,<br />
wurde auf der falschen Seite innerhalb des Kolosserbriefs eingetragen<br />
non scribe – nicht ausmalen!<br />
(Text aus dem Ausstellungskatalog des Verf. „Die Bibel und Württemberg“)<br />
13
Biblia Deutsch. 1466<br />
[Straßburg: Johann Mentelin, vor 27. Juni 1466]. 2 o – 406 Bl.<br />
Erste gedruckte deutschsprachige vorreformatorische Vollbibel.<br />
Mit Schenkungseintrag an die Dominikanerinnen in Straßburg,<br />
eine Quelle für vorreformatorischen Bibelgebrauch außerhalb<br />
des Priesterstandes.<br />
GW 4295. Hain-Copinger 3130.<br />
Aufgeschlagen: Psalm 22 (23).<br />
<strong>Württembergische</strong> <strong>Landesbibliothek</strong> Stuttgart<br />
Bb deutsch 1466 01
2. Biblia Deutsch. 1466<br />
Die 18 vorreformatorischen frühneuhochdeutschen und frühniederdeutschen<br />
Bibeldrucke sind in ihrer Vielzahl eine auf den<br />
deutschen Sprachraum beschränkte große Ausnahme. Eigentlich<br />
hätte das Kirchenrecht dem Laien das Lesen der ganzen Bibel<br />
nur mit strengen Auflagen gestattet, wie der dogmatisch abgesicherten<br />
Kommentierung durch die Kirchenväter und auf alle<br />
Fälle der Approbation durch den zuständigen Bischof. Das Verbot<br />
hat in England die Druckverbreitung der Bibelübersetzung von<br />
John Wyclif ganz verhindert. Der Reformator William Tyndale<br />
musste die Übersetzung des Neuen Testaments 1526 in der deutschen<br />
Reichsstadt Worms vornehmen lassen. Eine provenzalische<br />
Bibel der Waldenser wurde anfänglich auch nie gedruckt.<br />
Aber in süddeutschen freien Reichsstädten tritt das Phänomen<br />
zutage, dass von 1466 bis 1518 in oberdeutscher Sprache 14<br />
Vollbibeln erschienen, also alle drei <strong>Jahre</strong> eine neue Ausgabe!<br />
1478 bis 1522 gesellten sich vier niederdeutsche Versionen aus<br />
Köln, Lübeck und Halberstadt hinzu. Die <strong>Württembergische</strong><br />
<strong>Landesbibliothek</strong> Stuttgart ist die einzige Bibliothek der Welt,<br />
die alle 18 vorreformatorischen deutschen Bibeln besitzt.<br />
Den Anfang machte 1466 der bereits als Bibeldrucker hervorgetretene<br />
Gutenberg-Schüler Johannes Mentelin in Straßburg.<br />
Seine Textvorlage, die maßgeblich für alle anderen Ausgaben<br />
wurde, ist unbekannt. Es handelt sich um einen dem Alemannischen<br />
entstammenden frühneuhochdeutschen Text vermutlich<br />
aus dem 14. Jahrhundert. Übersetzt ist die Bibel natürlich aus<br />
der lateinischen Vulgata, so wie alle Übersetzungen bis zur<br />
Reformation. Unerachtet einer in der damaligen Gegenwart<br />
schon als antiquiert zu empfindenden Sprachversion hatte das<br />
Unternehmen großen Erfolg, wie die bereits erwähnten Folgeausgaben<br />
beweisen.<br />
Das Stuttgarter Exemplar trägt am Ende (dem Kolophon) einen<br />
handschriftlichen Vermerk.<br />
[Aus dem Lateinischen übersetzt:] Hier endet dieses Buch, das im<br />
<strong>Jahre</strong> des Herrn 1466 mit Hilfe der Buchdruckerkunst durch den ehrwürdigen<br />
Herrn Johannes Mentel in Straßburg Gestalt gewonnen hat etc.<br />
Weiter heißt es in der damals üblichen Bastard-Schrift: Dis buoch<br />
hat Johan hammer der apteker geben den erwirdigen geistlichen frouwen<br />
zuo sant margretten vnd sant angnesen u bitten got auch fur kathrein<br />
sin huß frouwe.<br />
Das soll heißen: der (reiche) Apotheker Johannes Hammer<br />
schenkt das Buch den Dominikanerinnen in Straßburg. Die sollen<br />
für ihn und seine Ehefrau Katharina beten. Der erste Eintrag<br />
gibt einen Hinweis auf das Erscheinungsdatum der unfirmierten<br />
Bibelinkunabel, der Zusatz ist ein Beispiel für das Stiftungswesen<br />
und die Ständeordnung des Mittelalters. Der Laienstand kümmert<br />
sich um die äußeren wirtschaftlichen und sonstigen<br />
Bedürfnisse, der Adel ist für die Sicherheit und die Verteidigung<br />
zuständig, und der geistliche Stand sorgt für das Seelenheil<br />
aller. Das stellvertretende Beten und auch das Lesen von Totenmessen<br />
u.ä. werden dann in der Reformation angegriffen.<br />
In Rufweite aber ist die reformatorische Forderung nach dem<br />
Laiengebrauch der Bibel. Die Nonnen, ähnlich wie die Mitglieder<br />
von geistlichen Bruderschaften oder Beginenkonventen, können<br />
zwar z.T. lesen, aber sind des Lateinischen nicht<br />
mächtig. So erklärt sich der große Bedarf und Aufschwung der<br />
deutschen vorreformatorischen Bibeldrucke.<br />
15
Biblia Niederdeutsch. 1478<br />
Köln: [Bartholomäus von Unckel und Heinrich Quentell<br />
für Johann Helmann und Arnold Salmonster in Köln und<br />
Anton Koberger in Nürnberg, um 1478-79 oder Heinrich Quentell,<br />
um 1478]. 2 o – 544 Bl.<br />
Erste gedruckte Vollbibel in niederdeutscher Sprache.<br />
GW 4308. Hain 3141.<br />
Band 2:<br />
Aufgeschlagen das (erotische) Hohelied in Latein<br />
aus Gründen der Selbstzensur.<br />
<strong>Württembergische</strong> <strong>Landesbibliothek</strong> Stuttgart<br />
Bb niederdt. 1478 02-2
3. Biblia Niederdeutsch. 1478<br />
Die deutsche Bibel von Johannes Mentelin wurde 1470 von Heinrich<br />
Eggestein in Straßburg, 1475 von Jodocus Pflanzmann in<br />
Augsburg, 1476 von Andreas Frisner und Johann Sensenschmidt<br />
in Nürnberg, sowie 1475 und 1477 von Günther Zainer in Augsburg<br />
nachgedruckt. Insbesondere Zainer bemühte sich um eine<br />
Revision und Modernisierung des Textes. Dann folgte ebenfalls<br />
in Augsburg 1477 Anton Sorg, der seine Ausgabe 1480 wiederholte.<br />
Inzwischen hatte man im niederdeutschen Sprachraum<br />
ebenfalls Interesse an einer volkssprachigen Übersetzung der<br />
Bibel gefunden. So entstanden in Köln 1478/79 zwei Bibeldrucke<br />
auf einmal, und zwar in den beiden eng benachbarten Dialekten<br />
Niederrheinisch und Niedersächsisch (heute als Westmünsterländisch<br />
und Ostfälisch bezeichnet). Es handelt sich um die<br />
Sprachen, die östlich des Niederrheins gesprochen wurden. Sie<br />
unterscheiden sich auffällig auch für den Nichtkundigen sofort<br />
an der Form für die Konjunktion und mit ende (westmünsterländisch)<br />
und unde (ostfälisch). Man spricht deshalb auch von den<br />
beiden „Ende-“ und „Unde-Bibeln“.<br />
Da das eingeschränkte Bibelleseverbot im strengen Köln Beachtung<br />
fand, wurde der Kölner Bibeldruck bald gestoppt. Die<br />
Exemplare, deren man habhaft werden konnte, wurden Opfer<br />
der Flammen. So sind Exemplare der beiden ersten niederdeutschen<br />
Bibeldrucke als besondere Raritäten zu bezeichnen.<br />
Die Drucker wollten der drohenden Vernichtung allerdings vorbeugen<br />
und übten wenigstens an einer Stelle Selbstzensur. Das<br />
vom Buchstabensinn her deutlich erotische Hohelied, das im<br />
Judentum und in der christlichen Kirche stets allegorisch gedeutet<br />
wurde, ist hier aus Gründen des „Jugendschutzes“ im Latein<br />
der Vulgata wiedergegeben. In der erklärenden Vorrede heißt es:<br />
De hebreuschen seggen dat man dat boeck der senghe genant to latijn<br />
Cantica canticorum den iungen luiden slecht na der literen niet apenbaren<br />
en sall· want dye sinne na der lytteren wenich profites inbrenget …<br />
De coniunctione sponsi et sponse …<br />
Die Juden sagen, dass man das Buch die Gesänge genannt, in Latein<br />
Cantica Canticorum, den jungen Leuten nicht einfach nach dem Buchstaben<br />
offenbaren soll, weil der Buchstabensinn wenig Nutzen bringt …<br />
De coniunctione sponsi et sponse … [Über die Vereinigung von Braut<br />
und Bräutigam …]<br />
Das Exemplar ist eine „Ende-Bibel“ in niederrheinischem = westmünsterländischem<br />
Dialekt.<br />
Zum ersten Mal ist eine gedruckte Bibelausgabe mit Textholzschnitten<br />
versehen worden. Vorher gab es figürliche Darstellungen<br />
nur in den herausgehobenen Anfangsbuchstaben, den<br />
Initialen, so z. B. in den genannten Zainer-Bibeln. Die Kölner<br />
Holzstöcke wurden dann 1483 in Nürnberg in die Neunte frühneuhochdeutsche<br />
Bibel übernommen (s. Exponat 4.).<br />
17
Biblia Deutsch. 1483<br />
Nürnberg: Anton Koberger, 17. Februar 1483. 2 0 – 586 Bl.<br />
Die neunte deutsche vorreformatorische Bibel, die schönste<br />
und heute noch am weitesten verbreitete Ausgabe des<br />
erfolgreichsten deutschen Inkunabeldruckers Anton Koberger<br />
mit zahlreichen kolorierten Textholzschnitten.<br />
GW 4303. Hain 3137.<br />
Aufgeschlagen:<br />
Band 1: Schöpfungsbild zu 1. Mose 1 und 2.<br />
Wird im Sommer ersetzt durch<br />
Band 2: Szenen aus der Offenbarung des Johannes.<br />
<strong>Württembergische</strong> <strong>Landesbibliothek</strong> Stuttgart<br />
Bb deutsch 1483 01-1 bzw. -2
4. Biblia Deutsch. 1483<br />
Anton Koberger, der erfolgreichste Inkunabeldrucker in Nürnberg,<br />
war als Verleger an der Kölner Bibel von 1478/79 beteiligt<br />
gewesen und sicherte sich die Holzstöcke der Illustrationen, die<br />
eine hohe künstlerische Qualität des spätgotischen Stils aufweisen.<br />
Das vorliegende Exemplar ist, wie manche andere erhaltene<br />
Exemplare beweisen, in der Werkstatt Kobergers auch koloriert<br />
worden. Die Bibelausgabe zeichnet sich durch eine eigene von<br />
Koberger entworfene elegante und leichte Schrifttype aus, die<br />
auch in anderen theologischen Werken Kobergers aus der Zeit<br />
auftaucht.<br />
Das Exemplar war im Besitz des Herzogs Eberhard im Bart und<br />
des Schlosshauptmanns Nikolaus von Ochsenbach, dessen Sohn<br />
es dem Kloster Weingarten schenkte. So kam diese Koberger-<br />
Bibel in der Säkularisationszeit an die Königliche Öffentliche<br />
Bibliothek nach Stuttgart.<br />
Interessant ist der quadratische Holzschnitt zur Schöpfungsgeschichte,<br />
dessen Motiv zwar hier nicht zum ersten Mal, aber<br />
in hoher Qualität dargestellt ist.<br />
4.1. Zum ersten Band:<br />
„Das Bild zeigt den gesamten Kosmos nach dem ptolemäischen,<br />
mittelalterlichen Weltbild: Gott der Schöpfer und Erhalter der<br />
Welt beherrscht das All. Ohne Raum- und Zeitprobleme stellt der<br />
mittelalterliche Künstler Gott einmal als den Segnenden, seinen<br />
Geist Ausgießenden, zum andern als den Schöpfenden dar im<br />
Paradies, wo er das zunächst geschaffene Androgyn (Adam als<br />
ungeschlechtliches Wesen) in Adam und Eva trennt, wodurch<br />
die Geschlechtlichkeit entsteht. Dies wird gemeinhin als die<br />
nachgeordnete Erschaffung der Frau aus der Rippe Adams verstanden.<br />
Weiterhin zeigt der Holzschnitt die noch vorneuzeitliche Vorstellung<br />
der Erde als Scheibe, die in dem von Untieren bevölkerten<br />
Urozean schwimmt. Darüber erhebt sich das Firmament mit<br />
den Gestirnen (Sonne, Mond, Sterne). Im (geistigen) Himmel<br />
beten die 24 Ältesten (Offb. 4,4) oder die Heiligen (?) den allmächtigen<br />
Gott zu ihm hingewendet an. Das Vollkommenheitssymbol<br />
Kreis ist eingebettet in ein Quadrat, in ein Viereck, in<br />
das vier Winde blasen, Zeichen irdischer, aber beschränkter Vollkommenheit:<br />
Das Unendliche ist bildlich nur bedingt fasslich.“<br />
(Zitat des Verf. aus der Website der Württ. <strong>Landesbibliothek</strong>.)<br />
Die Koberger-Bibel ist heute noch die am weitesten verbreitete<br />
der vorreformatorischen deutschen Bibeldrucke und wird auch<br />
immer wieder antiquarisch angeboten.<br />
4.2. Zum zweiten Band:<br />
Reich illustriert ist nach mittelalterlichem Brauch schon seit<br />
dem 5./6. Jahrhundert das Buch der Johannes-Offenbarung. Die<br />
Bildapokalypsen mit ihren realistischen Bildern haben sicher zur<br />
Weltuntergangsangst um das Jahr 1500 beigetragen. Künstlerischer<br />
Höhepunkt auf dem Gebiet der Druckgraphik ist innerhalb<br />
dieser Tradition die Holzschnittfolge von Albrecht Dürer von<br />
1498, die wiederum Vorlage für die Illustration in Luthers Septembertestament<br />
und anderen reformatorischen Bildfolgen war<br />
(s. Exponate 9.1. und 9.2.).<br />
19
Epistolae et Evangelia. Deutsch. 1474. Sog. Plenarium<br />
[Augsburg: Günther Zainer], 4. April 1474. 2 0 – 158, 184 Bl.<br />
Die Übersetzung der altkirchlichen Lese- und Predigttexte (Perikopen)<br />
ins Deutsche. Diese Bibeltextauswahl war dem Laien zugestanden.<br />
Copinger 2317. = Copinger 2319.<br />
Aufgeschlagen:<br />
Die Perikopen zum 2. Sonntag nach Trinitatis:<br />
Epistel: Gotteskindschaft und Bruderliebe<br />
(1. Johannesbrief 3,13–18).<br />
Evangelium: Gleichnis vom großen Festmahl<br />
(Lukas 14,16–24).<br />
<strong>Württembergische</strong> <strong>Landesbibliothek</strong> Stuttgart<br />
Inc.fol.6737 b
5. Epistolae et Evangelia. Deutsch. 1474.<br />
Sog. Plenarium<br />
Der Vorbehalt der Römischen Kirche gegen den Laiengebrauch<br />
der Vollbibel betraf nicht die deutschen Übersetzungen der<br />
altkirchlichen Perikopen, die während der Inkunabelzeit und<br />
danach reichlich erschienen.<br />
Das sind die seit der Antike gebräuchlichen Leseabschnitte aus<br />
den Apostelbriefen und inhaltlich passend dazu aus den Evangelien<br />
innerhalb des Ablaufs der Messfeier für Lesung und Predigttext.<br />
Diese Tradition haben später die evangelischen Kirchen<br />
beibehalten. Und bis zum heutigen Tag ist wenigstens hier eine<br />
Gemeinsamkeit bei den gottesdienstlichen Handlungen. Beide<br />
Konfessionen haben im Lauf der letzten Jahrhunderte die Lesetexte<br />
in Jahrgangsreihen je für sich ausgeweitet.<br />
In der Anfangszeit des Buchdrucks bis in die Reformationszeit<br />
hinein nannte man eine solche übersetzte Zusammenstellung<br />
Plenarium, und meinte damit eine vollständige Sammlung der<br />
Perikopen.<br />
Der tüchtige Buchdrucker Günther Zainer in Augsburg ist hier<br />
mit einer Inkunabel repräsentiert, in der die Initialen zu den<br />
jeweiligen Evangelientexten figürlich gestaltet sind.<br />
21
Das leben Jesu Christi gezogen auß den vier Euangelisten:<br />
mit kurtzer beyleer vnd christlicher vnderweisung: Darzu vil schoner<br />
figure bedeütung. – Stroßburg: Knobloüch, 1508. – CXLIIII [i.e. 170],<br />
[3]Bl.: 45 tlw. kolorierte ganzseitige Holzschnitte. 2°<br />
Beliebte Leben-Jesu-Darstellung mit Holzschnitten<br />
von Hans Wechtlin und Urs Graf.<br />
VD 16 B 4756.<br />
Aufgeschlagen:<br />
Abendmahl und Verrat des Judas von Hans Wechtlin.<br />
<strong>Württembergische</strong> <strong>Landesbibliothek</strong> Stuttgart<br />
Bb graph. 1508 01
6. Das leben Jesu Christi gezogen<br />
auß den vier Euangelisten. 1508<br />
Wie die Plenarien mit ihren übersetzten Perikopen eine reiche<br />
vorreformatorische Verbreitung erfuhren, so gab es auch öfters<br />
deutsche „Passionsgeschichten“, die ein ganzes Leben Jesu zum<br />
Inhalt hatten und konsequent mit der Auferstehung und Himmelfahrt<br />
endigten. Trotzdem steht die lange und dramatische<br />
Passionsgeschichte, wie in den originalen Evangelien überhaupt,<br />
im Mittelpunkt. So hießen die deutschen Ausgaben im ersten<br />
Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts entweder Der text des passions<br />
oder leydens christi auß den vier euangelisten zuosammen in ein sinn<br />
bracht mit schönen figuren (Straßburg 1507) oder einfach Passio der<br />
vier Ewangelisten (Straßburg 1509) u.ä.<br />
Wichtig bei diesen Leben-Jesu-Darstellungen sind die ganzseitigen<br />
Holzschnitte hervorragender Künstler im Umfeld von<br />
Albrecht Dürer, Matthias Grünewald oder Lukas Cranach.<br />
Die Straßburger Ausgabe der deutschen Passionsgeschichte von<br />
1508 verdankt ihre eindrucksvollen spätgotischen Bilder einerseits<br />
dem Künstler Hans Wechtlin (ca. 1480–nach 1526), der<br />
in Straßburg, Nancy und Wittenberg wirkte, andererseits dem<br />
Schweizer Künstler Urs Graf d. Ä. (1485–1528). Das ausgestellte<br />
Stuttgarter Exemplar ist bis zum 27. Holzschnitt sorgfältig und<br />
gekonnt koloriert.<br />
Vom Texttypus handelt es sich um eine sog. „Evangelienharmonie“.<br />
Da die vier Evangelien, die drei Synoptiker Matthäus,<br />
Markus und Lukas als enger verwandt und das sich abhebende<br />
Johannesevangelium, nur in einzelnen Passagen, oft aber in<br />
anderer Reihenfolge übereinstimmen, und oft in Details von einander<br />
abweichen oder Sondergut vermitteln, war schon seit der<br />
Antike das Bestreben, die vier Evangelien zu „harmonisieren“,<br />
in eine einzige Abfolge zu bringen. Das syrische Diatessaron<br />
(„durch die vier Evangelien laufend“) steht hier am Anfang,<br />
das der Theologe Tatian schon um das Jahr 170 geschaffen hat.<br />
Unser Ausstellungsstück ist eine deutsche Version des Straßburger<br />
Theologen Johannes Schott, der sich auf den mittelalterlichen<br />
Text der Vita Christi von Ludolf von Sachsen stützt.<br />
23
Neviîm aharonîm . Kommentar: Dawîd Qimhî.<br />
[Soncino: Josua Solomon Ben-Israel Natan Soncino,<br />
1486 oder um 1485]. 2o . .<br />
– 294 Bl.<br />
Die Hinteren = Großen Propheten.<br />
Einer der ersten hebräischen Bibeldrucke.<br />
Mit gelehrter Glossierung in hebr. Handschrift.<br />
Hain 13410.<br />
Aufgeschlagen: Jeremia 3,13–4,2.<br />
<strong>Württembergische</strong> <strong>Landesbibliothek</strong> Stuttgart<br />
Bb hebr. 1486 01
7. Neviîm aharonîm . . Kommentar: Dawîd Qimhî. . 1486<br />
Wie die Christen, so haben selbstverständlich auch die Juden<br />
sich schnell der neuen Buchdrucktechnik bedient und ihre eigenen<br />
Bücher über den Letterndruck verbreitet. Manche Christen<br />
wollten die „schwarze Kunst“ als Teufelswerk bezeichnen.<br />
So gab es auch bei den Juden Vorbehalte gegen dieses moderne<br />
Verfahren, zumal insbesondere die Tora (die Fünf Bücher Mose)<br />
das Allerheiligste der jüdischen Religion darstellt. Es war die<br />
Frage, ob man diese heilige Schrift, die seither nur mit der<br />
Hand geschrieben wurde, auch drucken dürfe. Auch war die<br />
Frage, ob der Gottesname YHWH, der ja nicht ausgesprochen,<br />
sondern mit „Adonai“ (= der Herr) umgangen wird, aus Letternstempeln<br />
zusammengesetzt werden dürfe.<br />
Zuerst 1475 in Italien, dann – nach sekundären Angaben – 1477<br />
in Spanien erschienen die ersten mit hebräischen Buchstaben<br />
gedruckten Bücher. Zum bedeutendsten Drucker wurde in der<br />
Zeit der von jüdischen Vorfahren in Deutschland abstammende<br />
Josua Solomon Ben-Israel Natan Soncino, der später in Neapel<br />
gewirkt hat und eine Druckerdynastie begründete.<br />
In der Bibelsammlung der <strong>Württembergische</strong>n <strong>Landesbibliothek</strong><br />
besitzt man aus den 8Oer <strong>Jahre</strong>n des 15. Jahrhunderts zwei<br />
hebräische Bibelinkunabeln. Zum ersten Mal wurde der Text<br />
des zweiten Teils der hebräischen Bibel im Druck veröffentlicht,<br />
nämlich Josua bis 2. Könige und Jesaja bis Maleachi, nach jüdischer<br />
Bezeichnung die „Vorderen“ und die „Hinteren Propheten“.<br />
Da es keine vergleichbare Ausgabe der Fünf Bücher Mose,<br />
also der Tora, gibt, ist anzunehmen, dass man sich zunächst<br />
scheute, die heilige Tora unkontrolliert verfügbar zu machen.<br />
Soncino druckte dann aber 1488 eine hebräische Vollbibel.<br />
Das ausgestellte Teilstück aus den Hinteren Propheten ist am<br />
Anfang intensiv handschriftlich glossiert. Der Vorbesitzer hat<br />
nicht nur in umfänglichem Maße hebräisch, lateinisch, italienisch<br />
und griechisch zitiert, sondern auch teilweise den gedruckten<br />
Konsonantentext mit den Vokalzeichen „punktiert“.<br />
Bemerkenswert ist, dass der Drucker ursprünglich gar keine<br />
Vokalzeichen für den eigentlichen Bibeltext gesetzt hat.<br />
Vermutlich konnte er es technisch noch gar nicht. Der Leser<br />
unseres Exemplars hielt es aber nicht für notwendig, den<br />
Bibeltext selbst zu punktieren, sondern nur den Kommentar des<br />
Narbonner Theologen David Kimchi, so dass er diesen schneller<br />
lesen konnte. Die Bibel selbst war ihm vermutlich sehr vertraut.<br />
Diese Tatsache und der flüssige Duktus der hebräischen Handschrift<br />
lassen auf einen humanistisch gebildeten Juden schließen.<br />
Die Gelehrten des Humanismus nahmen sich nun der alten<br />
Sprachen und historischen Quellen an. Auch die Reformation,<br />
die in der nächsten Generation folgen wird, verdankt sich dem<br />
Humanismus. So blieb es nicht aus, dass die Bibel mit ihren<br />
Grundsprachen ins Blickfeld rückte. Im Hebräischen des Alten<br />
Testaments haben die jüdischen Drucker die Vorarbeit geleistet.<br />
25
Novvm Testamentvm Omne.<br />
Mvlto Qvam Antehac Diligentius ab Erasmo Roterodamo recognitum,<br />
emendatum ac translatum.<br />
Basileae: In Aedibus Ioannis Frobenii, 1519 Mense Martio. –<br />
120, 566 S., [1] Bl. 2°<br />
Addita sunt in singulas Apostolorum epistolas Argumenta.<br />
VD 16 B 4197.<br />
Zweiter Druck eines griechischen Neuen Testaments<br />
mit der lateinischen Neuübersetzung des Erasmus.<br />
Textvorlage für Luthers Übersetzung.<br />
Aufgeschlagen: Beginn des Römerbriefs.<br />
<strong>Württembergische</strong> <strong>Landesbibliothek</strong> Stuttgart<br />
Bb griech. 1519 01-1
8. Novvm Testamentvm Omne. Mvlto Qvam Antehac Diligentius ab<br />
Erasmo Roterodamo recognitum, emendatum ac translatum. 1519<br />
Es blieb nicht aus, dass die christlichen Humanisten danach<br />
drängten, einen gedruckten griechischen Grundtext des Neuen<br />
Testaments, des wichtigsten Buches der Christenheit, zur<br />
Verfügung zu haben. Man hatte in Spanien unter dem Kardinal<br />
Francesco Ximenes in Alcalá de Henares (lateinisch: Complutum)<br />
begonnen, eine vielsprachige Bibel, eine sog. Polyglotte, mit<br />
großem Aufwand drucken zu lassen. Diese Ausgabe umfasste<br />
die Sprachen Hebräisch, Aramäisch, Griechisch und Lateinisch<br />
in Spalten nebeneinander. Textgrundlage für das Griechische<br />
des Neuen Testaments war der aus der Vatikanischen Bibliothek<br />
entliehene Codex Vaticanus Graecus 1209, einer der bis heute<br />
wichtigsten Text zeugen. 1514 war der erste Band des Alten<br />
Testaments von der Complutenser Polyglotte fertig.<br />
Der große Humanist Erasmus von Rotterdam, der zu der Zeit<br />
in Basel lehrte, beeilte sich, seinerseits mit einer zuverlässigen<br />
Textgrundlage des Neuen Testaments an die Öffentlichkeit zu<br />
treten. Ihm ging es zunächst darum, die spätantike Textversion<br />
der lateinischen Vulgata zu verbessern und von eingeschlichenen<br />
Fehlern zu reinigen. Das tat er, indem er aus den ihm in<br />
Basel zur Verfügung stehenden griechischen Handschriften eine<br />
neulateinische, humanistisch verantwortete Übersetzung herstellte,<br />
die dem klassischen Latein eines Cicero gleichen sollte.<br />
Diese Version ließ er 1516 drucken und gab in einer parallelen<br />
Spalte einen griechischen Text mit.<br />
Das Werk widmete er Papst Leo X., der ihm auch das alleinige<br />
Privileg zur Verbreitung des griechischen Textes zusicherte<br />
und damit die Auslieferung der Complutensischen Polyglotte<br />
zunächst verhinderte. Da das Buch in großer Eile gemacht worden<br />
war, musste es 1519 zu einer zweiten verbesserten Auflage<br />
kommen.<br />
Zusätzlich ist ein umfangreicher Kommentar, die Annotationes,<br />
beigegeben, wo Erasmus seine Übersetzungsgrundsätze erläutert.<br />
In der Vorrede, der sog. Paraclesis (Ermahnung), fordert er die<br />
Theologen auf, jetzt dafür zu sorgen, dass die Hauptquelle des<br />
Christentums endlich für alle verständlich in volkssprachiger<br />
Übersetzung vorliegen solle.<br />
Interessant ist die Illustration der Ausgabe des Druckers Johannes<br />
Froben in Basel. Sowohl das Haupttitelblatt als auch der<br />
Zwischentitel vor dem Römerbrief sind mit unpassenden unbekleideten<br />
Figuren aus der griechischen Mythologie, mit Musen<br />
und Kobolden dekoriert. Wäre es Blasphemie, gäbe das keinen<br />
Sinn. Vermutlich waren die Drucker gewohnt, dass es sich,<br />
wenn sie griechische Buchstaben setzen mussten, um antike<br />
heidnische Texte handelte. Die humanistische Bildung hatte ja<br />
einen großen Bedarf an griechischen und lateinischen Texten<br />
hervorgerufen.<br />
27
Die im September 1522 erschienene Übersetzung des Neuen Testaments<br />
von Luther auf der Wartburg 1521/22 wird hier in zwei Faksimileausgaben<br />
zu Jubiläumsjahren (1483–1883; 1522–1972) gewürdigt.<br />
Das Neue Testament deutsch:<br />
die Septemberbibel von Martin Luther.<br />
Nachbildung der zu Wittenberg 1522 erschienenen ersten Ausg. zum<br />
400jährigen Geburtstage Luthers. Mit einer Einleitung von Julius Köstlin.<br />
Berlin: Grote, 1883. – 9 S. [4], CVII, [6], LXXVII, [26] Bl.<br />
(Deutsche Drucke älterer Zeit in Nachbildungen; 1)<br />
Jubiläumsfaksimile des Septembertestaments zum 400. Geburtstag<br />
Luthers 1883 mit neugotischer Dekoration. Nr. 157 der Auflage von 500.<br />
Aufgeschlagen: Inhaltsverzeichnis und Beginn des Matthäusevangeliums.<br />
<strong>Württembergische</strong> <strong>Landesbibliothek</strong> Stuttgart<br />
Bb deutsch 1522 02<br />
Das Newe Testament Deützsch. Vuittemberg.<br />
Nachdruck des im Besitz der Universitätsbibliothek Halle/Saale<br />
befindlichen Originals. Begleitet von Ingetraut Ludolphy.<br />
Witten, Berlin: Cansteinsche Bibelanstalt 1972. – [444] Bl., 7 S.<br />
Aufgeschlagen:<br />
Offenbarung des Johannes (Kap. 16) und<br />
Bild der Hure von Babylon mit der Papstkrone zu Offenbarung des<br />
Johannes (Kap. 17).<br />
Privatbesitz
9.1. Das Newe Testament Deützsch.<br />
Vuittemberg, das Septembertestament. 1522<br />
Als Luther auf der Wartburg versteckt gehalten wurde, beschäftigte<br />
er sich nicht nur mit dem Abfassen theologischer Schriften,<br />
sondern auch mit der Übersetzung der Perikopentexte (vgl.<br />
Exponat 5.) und einer deutschen Erklärung bzw. einer Musterpredigt<br />
dazu. Er folgte damit mittelalterlichem Brauch, wo eine<br />
solche Predigtsammlung als Postille bezeichnet wurde. Der Name<br />
rührt daher, dass nun „nach jenen Bibelworten“ = post illa verba<br />
die Auslegung bzw. eine Predigt folge. Es entstand die sog.<br />
Wartburgpostille, die später als Haus- oder Kirchenpostille weiteste<br />
Verbreitung neben der Lutherbibel erfahren sollte.<br />
Doch die Unruhen der Zwickauer Propheten im Winter 1521 in<br />
Wittenberg veranlassten Luther, heimlich in die Hauptstadt<br />
zurückzukehren und dort nach dem Rechten zu sehen. Als<br />
Luther auf die Wartburg zurückkehrte, hatte er sich vorgenommen,<br />
insbesondere weil auch Melanchthon ihn dringend dazu<br />
aufgefordert hatte, das ganze Neue Testament zu übersetzen,<br />
als Riegel gegen spiritualistische Überheblichkeit, die meinte,<br />
des Wortes der Heiligen Schrift nicht mehr ausschließlich zu<br />
bedürfen. So entstand im Schnellgang eine Übersetzung, der<br />
zum ersten Mal der griechische Text zugrunde gelegt wurde, wie<br />
ihn Erasmus herausgegeben hatte (vgl. Exponat 8.). Als Luther<br />
vor Ostern 1522 von der Wartburg zurückgekehrt war, wurde der<br />
Text in Zusammenarbeit namentlich mit Philipp Melanchthon<br />
überarbeitet, und der Druck dem Drucker Melchior Lotter übergeben.<br />
Verleger, also Geldgeber, waren der Goldschmied Christian<br />
Döring und der Hofmaler, Apotheker, Weinhändler und Bankier<br />
Lukas Cranach d. Ä. Ihm ist es wohl zu verdanken, dass in seiner<br />
Werkstatt verkleinerte Nachbildungen der Apokalypse von<br />
Albrecht Dürer entstanden, die als Illustrationen dem letzten<br />
Buch des Neuen Testaments beigefügt wurden.<br />
23 Bücher sind durchnummeriert. Abgesetzt und in der Reihenfolge<br />
gegenüber dem Griechischen und der Vulgata verschoben,<br />
folgen die reformationstheologisch weniger wertvollen Bücher<br />
Hebräerbrief, Jakobusbrief (eyn rechte stroern Epistel), Judasbrief<br />
und Johannesoffenbarung. Dennoch hat Luther zustimmen müssen,<br />
dass insbesondere für das Interesse der Leseunkundigen<br />
Bilder verkaufsfördernd sein können.<br />
Man hatte sich bei den beiden Bildern zum Tier aus der Tiefe<br />
und der Hure von Babylon erlaubt, diesen negativen Gestalten<br />
eine Papstkrone aufzusetzen. Dies hatte natürlich in den altgläubigen<br />
Gebieten eine gewaltige Ablehnung, auch Aufruhr zur<br />
Folge.<br />
So hielt man es für ratsam, bei der schnell notwendig werdenden<br />
zweiten Auflage im Dezember 1522, daher der Name<br />
Dezember testament, aus den Holzstöcken die Papstkronen herauszusticheln.<br />
Bei den nun gedruckten Bildern erkennt der Wissende,<br />
woher sich die seltsam weißen Flecken dort ableiten.<br />
Ironie der Geschichte: Als 1527 der Hofkaplan Hieronymus Emser<br />
bei dem altgläubig gebliebenen Herzog Georg in Dresden beauftragt<br />
wurde, gegen Luthers Testament eine eigene Übersetzung<br />
im traditionellen Sinne nach der Vulgata zu machen, brauchte<br />
man in Dresden Bilder. Da die Wittenberger die Cranach-Bilder<br />
der Apokalypse nicht mehr wollten, verkauften sie die Stöcke<br />
in das Nachbarland, wodurch die Altgläubigen damit ihre, wenn<br />
auch ausradierte Papstkritik miterwarben.<br />
29
BJblia beyder Allt vnd Newen Testaments Teutsch.<br />
Zum Christenlichen leser.<br />
Seitmal der allmechtig Gott durch sein gute verlihen hat...<br />
Wormbs : bei Peter Schöfern, 1529. – [1], CCLXXXVII, LXXVI, [12] Bl.:<br />
kolorierte Holzschnitte. 2°<br />
VD 16 B 2681.<br />
Sog. Kombinierte Bibel aus der Lutherübersetzung sowie den Propheten<br />
und den Apokryphen aus der Zürcher Bibel.<br />
Aufgeschlagen: Johannes Offenbarung 6–8.<br />
<strong>Württembergische</strong> <strong>Landesbibliothek</strong> Stuttgart<br />
Bb deutsch 1529 06
10. BJblia beyder Allt vnd Newen Testaments Teutsch. 1529<br />
Die Geschichte der Lutherbibel ist langwierig und teilweise verworren<br />
bis in das letzte Jahrhundert hinein. Es kam immer wieder<br />
zu angeblichen Verbesserungen, Angleichung an die Gegenwartssprache,<br />
Korrektur vermeintlicher Fehlübersetzungen,<br />
Austilgung veralteter Begriffe, ja teilweise – wie 1975 – zur Aufgabe<br />
des genialen Sprachrhythmus, was 1984 wieder „zurückrevidiert“<br />
wurde. Vorgezeichnet war die Situation späterer<br />
Jahrhunderte schon zu Lebzeiten Luthers. Das Tempo und die<br />
Souveränität, die Luther mit der Übersetzung des Neuen Testaments<br />
an den Tag gelegt hatte, konnten noch einigermaßen bei<br />
der Arbeit mit dem Alten Testament beibehalten werden. Im<br />
Jahr 1523 erschienen zum ersten Mal die aus dem Hebräischen<br />
übertragenen Bücher Erster Mose bis Hohes Lied. Allein mit<br />
der Psalmenübersetzung war ein literarisches und theologisches<br />
Glanzstück gelungen.<br />
Es muss immer wieder betont werden, dass Luther nicht alleine<br />
und selbstherrlich übersetzt hat, sondern sich stets des<br />
Rates und der Hilfe seiner theologischen und philologischen<br />
Fachgenossen in Wittenberg versicherte: Philipp Melanchthon,<br />
Johannes Bugenhagen, Caspar Cruciger, Justus Jonas, Matthäus<br />
Aurogallus u.a. Dennoch geriet das Übersetzungsunternehmen<br />
nach 1524 ins Stocken. Man druckte zwar die vorhandenen<br />
Bibelbücher nach, aber zu einer Vollbibel mit den Großen und<br />
Kleinen Propheten sowie den Apokryphen reichte es erst zehn<br />
<strong>Jahre</strong> später!<br />
Andere traten auf den Plan. 1524 veröffentlichte noch der<br />
Nürnberger Drucker Friedrich Peypus eine scheinbare Vollbibel<br />
Luthers, die aber eben im Alten Testament nur bis zum Hohen<br />
Lied ging. Wegen politischer und persönlicher Belange konnte in<br />
Wittenberg die Prophetenübersetzung erst 1532 fertig werden.<br />
In Zürich am Großmünster hatte sich ebenfalls eine Gruppe sehr<br />
versierter Bibelphilologen unter der Leitung von Ulrich Zwingli<br />
zusammengefunden, die sog. Prophezei. Dazu gehörten Heinrich<br />
Bullinger, Jacob Ceporin, Oswald Myconius, Konrad Pellikan, Leo<br />
Jud u.a. Aus ihrer Feder entstand in gewisser Selbständigkeit die<br />
eigene Zürcher Übersetzung, die Zürcher Bibel. Gewiss erschienen<br />
zunächst wie in Wittenberg einzelne größerer Teile in Lieferungen,<br />
aber eben konsequenter. So kam im Jahr 1529 die Zürcher<br />
Prophetenübersetzung ans Licht. Sie hatte aber auch schon<br />
einen Vorläufer: 1527 hatten die beiden Täufer Ludwig Hätzer<br />
und Hans Denck in Worms Alle Propheten nach Hebräischer sprach<br />
verteutscht erscheinen lassen. Drucker war in Worms Peter Schöffer<br />
d. J., der dem Täuferlager wohl gesinnt war.<br />
Er gehörte zusammen mit dem Straßburger Wolfgang Köpfel zu<br />
denen, die der Nachfrage nach einer vollständigen Lutherbibel<br />
dadurch gerecht wurden, dass sie den 1529 vorhandenen Luthertexten<br />
eine der fertigen süddeutschen Prophetenübersetzungen<br />
einfügten und so den Typus der „Kombinierten Bibel“ schufen.<br />
Köpfel in Straßburg war der erste und musste sich mit der etwas<br />
holprigen Übertragung von Hätzer und Denck begnügen. Peter<br />
Schöffer hingegen bediente sich der eleganteren Übersetzung<br />
der Zürcher, wiewohl er die Täufer-Propheten selbst gedruckt<br />
hatte. Hinzu kamen hier die von Leo Jud in Zürich übersetzten<br />
Apokryphen.<br />
Die Illustrationen zur Urgeschichte und zur Wüstenwanderung<br />
mit der Stiftshütte, sowie zur Offenbarung stammen von dem<br />
Holzschnittkünstler Anton Woensam, teilweise nach Vorlagen<br />
von Georg Lemberger. Sie sind in dem Exemplar aus Stuttgart,<br />
dem zweiten in der Bibelsammlung, kunstvoll koloriert und mit<br />
Goldaderung verziert.<br />
31
<strong>3000</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>staunen</strong><br />
Bibelgalerie Meersburg – Das Bibel-Erlebnismuseum<br />
Willkommen zum Flanieren durch <strong>3000</strong> spannende <strong>Jahre</strong>, willkommen zum Entdecken, Erleben und Staunen.
Am Anfang waren Geschichten<br />
Mehr als 3.000 <strong>Jahre</strong> reichen die Spuren zu den alten Geschichten zurück. Im Nomaden-<br />
zelt kann man ihnen lauschen, rund um das Zelt die Welt von damals erkunden, das<br />
Leben der Nomaden kennenlernen und den Weg von Abraham und Sara verfolgen.<br />
Besuch in der Zeit Jesu<br />
Das Lehmhaus zeigt, wie die Menschen zur Zeit Jesu gelebt haben, es gibt Einblicke in den<br />
Alltag einer Familie, in Essen und Trinken, Kleidung und Kinderspiele vor 2.000 <strong>Jahre</strong>n.<br />
Wenige Schritte weiter kann man Menschen begegnen, die Jesus begegnet sind. Wer<br />
den Berichten zuhört, kann erfahren, was Leben heißt.<br />
Meilensteine der Bibelüberlieferung<br />
Die Bibelüberlieferung ist ein spannendes Stück abendländische Kulturgeschichte.<br />
Verschiedene Stationen decken die Geheimnisse archäologischer Funde auf, vermitteln<br />
die Kunst der Bibelherstellung in mittelalter lichen Klosterschreibstuben und machen die<br />
Bedeutung von Übersetzung und Buchdruck für die Verbreitung der Bibel anschaulich.<br />
Wer will, hat Gelegenheit zu schreiben wie die Mönche und zu drucken wie Gutenberg.<br />
Viele Bücher, historische Schätze<br />
Die Bibel ist viel mehr als ein einziges Buch – sie besteht aus 77 Büchern, die über einen<br />
Zeitraum von 1.000 <strong>Jahre</strong>n von vielen verschiedenen Autoren geschrieben wurden. Eine<br />
überdimensionale Buch-Skulptur lädt zum Herausnehmen der einzelnen Bücher und zum<br />
Informieren ein. In der Schatzkammer sind kostbare Originale und Faksimiles aus fünf<br />
Jahr hunderten zu entdecken.<br />
Für Bibel-Entdecker<br />
Zahlen und Fakten, Wissenswertes und Erstaunliches rund um die Bibel präsentiert das<br />
Forum für Neugierige und Kenner. Hier kann man spielerisch lernen, ausprobieren und<br />
Entdeckungen machen, hier gibt es zu oft gestellten Fragen klare Antworten, hier kann<br />
man der Bibel als Bestseller um den Globus folgen und allerlei Rekorde be<strong>staunen</strong>.<br />
Die Bibel ist mitten im Leben<br />
Wie im eigenen Wohnzimmer kann man hier bequem auf Spurensuche gehen. Willkommen<br />
zum Musik Hören und Kunst Betrachten, zu Computerspielen und zum Aufstöbern<br />
biblischer Spuren in Sprache und Kultur oder im <strong>Jahre</strong>slauf. Und was wäre ein Bibelmuseum<br />
ohne Kapelle? Der Raum der Stille lädt zu Besinnung und Ruhe im Anblick einer<br />
Johannes-Christus-Skulptur ein.<br />
Willkommen!<br />
In der Bibelgalerie sind Einzelbesucher, Familien, Schulklassen<br />
und Gruppen jeder Altersstufe willkommen.<br />
Für Gruppen ist eine Führung empfehlenswert.<br />
Wir gehen individuell auf Ihre Wünsche und Bedürfnisse ein.<br />
Öffnungszeiten<br />
Anfang März bis Ende November<br />
Dienstag bis Sonntag, 11-13 und 14-17 Uhr<br />
Gruppen nach Voranmeldung auch außerhalb der Öffnungszeiten.<br />
Der Museumsshop bietet eine große Auswahl an Bibeln, Büchern<br />
rund um die Bibel, Düften, Geschenken, Karten und vieles mehr.<br />
Bitte beachten Sie unsere Internetseite www.bibelgalerie.de<br />
mit Hinweisen auf Ausstellungen, Workshops und vieles mehr.<br />
Auch über die Stiftung Bibelgalerie Meersburg finden Sie dort<br />
Informationen.<br />
Bankverbindung: Volksbank Überlingen: BLZ 690 618 00,<br />
Konto 6 244 815<br />
Kirchstraße 4<br />
D-88709 Meersburg<br />
Tel. +49(0)7532-5300<br />
info@bibelgalerie.de<br />
www.bibelgalerie.de<br />
33
Herausgeber:<br />
Bibelgalerie Meersburg gGmbH,<br />
Kirchstraße 4, 88709 Meersburg<br />
Erlebnismuseum zur Entstehung,<br />
Überlieferung und Wirkungsgeschichte der Bibel.<br />
1988 gegründet, 2008 neu gestaltet.<br />
www.bibelgalerie.de<br />
Konzeption und Text: Dr. Eberhard Zwink, <strong>Württembergische</strong> <strong>Landesbibliothek</strong> Stuttgart<br />
Gestaltung: Claudia Sailer, sailer design, Meersburg<br />
Fotos: S. Salzig und <strong>Württembergische</strong> <strong>Landesbibliothek</strong> Stuttgart<br />
© 2010 Bibelgalerie Meersburg gGmbH
www.bibelgalerie.de