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DONNERSTAG, 5. JULI<br />

1<br />

ALGERIEN<br />

Sie finden diesen Bericht unter<br />

worldfolio.co.uk<br />

TEIL 1<br />

Eine Sonderbeilage von GLOBUS VISION<br />

50 Jahre Unabhängigkeit<br />

Am 5. Juli vor 50 Jahren sagte sich Algerien von Frankreich los. Dieses Jubiläum erfüllt nicht nur das ganze Land mit Stolz und Patriotismus.<br />

Es ist auch Anlass für Regierung, Wirtschaft und Gesellschaft, die enormen Erfolge deutlich zu machen, die das Land vorzuweisen hat<br />

Bundeskanzlerin Angela Merkel trifft Abdelaziz Bouteflika, Präsident der algerischen Republik, in Algier (2008)<br />

In den vergangenen zehn Jahren hat<br />

vor allem ein relativ stabiles politisches<br />

Umfeld dazu beigetragen, dass Algeriens<br />

Wirtschaft kräftig gewachsen ist.<br />

Die größten Herausforderungen sind<br />

heute der Kampf gegen Arbeitslosigkeit,<br />

Wohnungsnot und Korruption sowie die<br />

Entwicklung der Privatwirtschaft. Außerdem<br />

stehen auf der Prioritätenliste der<br />

Regierung eine stärkere Diversifizierung<br />

der Wirtschaft und internationale Partnerschaften.<br />

Algerien ist das größte Land des afrikanischen<br />

Kontinents und das zehntgrößte<br />

Land der Welt. Mehr als 80 Prozent<br />

der Fläche wird von der Sahara<br />

bedeckt. Daher leben mehr als 90 Prozent<br />

der 37 Millionen Einwohner entlang<br />

der fruchtbaren rund 1000 Kilometer<br />

langen Küste. Algerien zählt zu den fünf<br />

wirtschaftsstärksten Ländern des Kontinents.<br />

Wichtigste Triebfeder sind die<br />

massiven Erdöl- und Erdgasreserven, die<br />

dem Land ein sattes Devisenpolster von<br />

205,2 Mrd. Dollar und einen umfangreichen<br />

Staatsfonds beschert haben.<br />

Dass es gefährlich ist, sich bei den Einnahmen<br />

nur auf Öl und Gas zu verlassen,<br />

ist der Regierung bewusst. Deshalb will<br />

sie die Wirtschaft breiter aufstellen, das<br />

Land insgesamt wettbewerbsfähiger machen<br />

und letztlich zu einem der größten<br />

Industriestandorte Nordafrikas entwickeln.<br />

Vor diesem Hintergrund haben<br />

sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />

in den vergangenen Jahren erheblich<br />

geändert. Überarbeitete Gesetze<br />

und neue Investitionsanreize prägen das<br />

finanzielle Umfeld. Und damit bekräftigt<br />

die Regierung ihre Aussage, dass das<br />

ehemals sozialistische Algerien heute<br />

nicht mehr zwischen staatlichen und privaten<br />

oder in- und ausländischen Unternehmen<br />

unterscheidet.<br />

Bundeskanzlerin Angela Merkel bereitete<br />

mit einem offiziellen Staatsbesuch<br />

2008 den Weg für eine engere Zusammenarbeit<br />

der beiden Länder auf den<br />

unterschiedlichsten Sektoren. Die Tür<br />

zu Allianzen sei offen. „Wir sollten diese<br />

Chancen nutzen“, sagte sie damals.<br />

Im Mai 2010 stellte Präsident Abdelaziz<br />

Bouteflika Algeriens 286 Mrd. Dollar<br />

schweren Investitionsplan für den<br />

Zeitraum bis 2014 vor. Dabei geht es<br />

nicht nur um eine Diversifizierung weg<br />

von Öl und Gas, Algerien will außerdem<br />

die Infrastruktur verbessern, die Kompetenzen<br />

der Arbeitnehmer ausweiten<br />

sowie kleine und mittlere Unternehmen<br />

(KMU) fördern.<br />

Bei einem weiteren Besuch im Jahr<br />

2010 wies Merkel auf die Möglichkeiten<br />

für eine engere Zusammenarbeit,<br />

Wissenstransfer und Ausbildungsprogramme<br />

hin. Algeriens Jugend habe<br />

Wissensdurst, und Deutschland könne in<br />

diesem Punkt helfen.<br />

Während der vergangenen 50 Jahre<br />

erlebte Algerien turbulente Phasen wie<br />

den Bürgerkrieg, der die 90er-Jahre dominierte.<br />

Inzwischen hat sich das Land<br />

aber inmitten einer instabilen Region zu<br />

einer Oase des Friedens und der Sicherheit<br />

entwickelt.<br />

Die Aufstände des Arabischen Frühlings<br />

in weiten Teilen Nordafrikas und<br />

im Nahen Osten, die autokratische Regimes<br />

in Tunesien, Ägypten und Libyen<br />

zu Fall brachten, führten nicht zu einem<br />

„Algerischen Frühling“. Das liegt zum<br />

einen daran, dass die Bevölkerung genug<br />

hat von Konflikten und Kriegen,<br />

und zum anderen an Präsident Bouteflika,<br />

der zügig auf Forderungen des Volks<br />

eingegangen ist.<br />

Im Januar 2011 ebbten die Aufstände,<br />

mit denen die Menschen auf rasant gestiegene<br />

Lebensmittelpreise reagierten,<br />

in weniger als zwei Tagen wieder ab,<br />

weil die Regierung Subventionen ankündigte,<br />

um die Preise für Basiskonsumgüter<br />

wie Zucker und Speiseöl um 41<br />

Prozent zu senken. Im Februar folgten<br />

weitere Maßnahmen, als Bouteflika die<br />

Notstandsgesetze außer Kraft setzte, die<br />

seit 1992 gegolten hatten. Stattdessen<br />

kündigte er eine Liberalisierung der audiovisuellen<br />

Medien an – ein Bereich, der<br />

zuvor immer Monopol des Staats war.<br />

Und als Reaktion auf die hohe Arbeitslosigkeit<br />

versprach der Präsident, das<br />

Stellenwachstum zu fördern, vor allem<br />

für junge Menschen.<br />

Die Reformen hielten an. Mitte April<br />

2011 sagte Boutteflika eine Verfassungsänderung<br />

zu und forderte andere Parteien<br />

auf, einem parlamentarischen Ausschuss<br />

ihre Änderungsvorschläge vorzulegen.<br />

Entsprechende Änderungsvorhaben zur<br />

Reform des Parteiengesetzes, des Wahlprozesses<br />

und der Nichtregierungsorganisationen<br />

wurden daraufhin im August<br />

bekanntgegeben. Im September wurde<br />

nach dem Jahrestreffen von Regierung<br />

und Gewerkschaften eine Aufstockung<br />

des monatlichen Mindestlohns um 40<br />

Dollar auf 240 Dollar angekündigt.<br />

Bouteflika übernahm 1999 das Amt<br />

des Präsidenten und wurde 2004 für eine<br />

zweite fünfjährige Amtszeit gewählt.<br />

Eine Verfassungsänderung, mit der die<br />

Beschränkung auf zwei Legislaturperioden<br />

aufgehoben wurde, ermöglichte ihm<br />

2009 einen dritten Sieg, bei dem er laut<br />

Wahlergebnissen mehr als 90 Prozent der<br />

Stimmen erhielt. Die nächsten Präsidentschaftswahlen<br />

finden 2014 statt.<br />

Bei friedlichen Parlamentswahlen im<br />

Mai 2012 sicherte sich die regierende<br />

Front de Libération Nationale (FLN)<br />

einen weiteren Sieg. Da in der Vergangenheit<br />

häufig der Vorwurf des Wahlbetrugs<br />

laut wurde, waren bei der jüngsten<br />

Wahl internationale Beobachter von EU,<br />

Afrikanischer Union und Arabischer<br />

Liga zugegen. Die europäischen Vertreter<br />

sagten, die Wahl sei unter „insgesamt<br />

zufriedenstellenden“ Bedingungen abgelaufen.<br />

Dies sei ein gutes Vorzeichen für<br />

die weitere Entwicklung des politischen<br />

Systems in Algerien.<br />

Nach der Wahl sorgten neue Gesetze<br />

und eine Kooperation zwischen Algerien<br />

und UN Women dafür, dass der Frauenanteil<br />

im algerischen Parlament von<br />

sieben auf 31 Prozent steigen konnte.<br />

Bouteflika sagte, die relativ hohe Wahlbeteiligung<br />

im Mai – rund 43 Prozent<br />

gegenüber 35 Prozent 2007 – zeige, dass<br />

eine neue Generation heranwächst.<br />

Dass Algerien die Aufstände des Arabischen<br />

Frühlings durch progressive Reformen<br />

und eine Öffnung des Wahlverfahrens<br />

für internationale Kontrolleure<br />

im Keim erstickte, hat dem Land bei seinen<br />

westlichen Verbündeten einen großen<br />

Imagegewinn gebracht. Sie verlassen<br />

sich darauf, dass Algerien ihnen weiterhin<br />

Erdgas liefert und seinen Beitrag im<br />

Kampf gegen den Terrorismus leistet.<br />

Die Wahl, die den Islamisten die Hoffnung<br />

genommen hat, an die Macht zu<br />

kommen, wurde international verhalten<br />

positiv aufgenommen. US-Außenministerin<br />

Hillary Clinton sprach von einem<br />

„willkommenen Schritt“. Bei der EU<br />

war von einem „Schritt nach vorn im demokratischen<br />

Reformprozess“ die Rede.<br />

Eine turbulente Vergangenheit, eine vielversprechende Zukunft<br />

Wer das Algerien von heute verstehen will, muss die Geschichte des Landes kennen<br />

Das Staatsgebiet, das wir heute als Algerien<br />

kennen, ist kaum hundert Jahre alt.<br />

Über Jahrtausende waren diese Landstriche<br />

nicht erobert, nicht besetzt und<br />

wurden auch nicht als Transitstrecke<br />

zwischen Europa und dem Nahen Osten<br />

genutzt.<br />

Kurz nach Ende des zweiten Barbareskenkrieges<br />

wurde dem algerischen Dey<br />

(dem osmanischen Herrscher) vorgeworfen,<br />

den französischen Konsul in Algier<br />

beleidigt zu haben. Daraufhin errichteten<br />

die Franzosen über drei Jahre eine Blockade<br />

des Hafens von Algier und begannen<br />

1830 mit der Eroberung des Landes.<br />

Ab 1848 befand sich nahezu der gesamte<br />

Norden Algeriens unter französischer<br />

Herrschaft und wurde zu französischem<br />

Staatsgebiet erklärt.<br />

Da Regierung und Wirtschaft fortan<br />

vollständig in der Hand der Franzosen lagen,<br />

wuchs die Unzufriedenheit in der algerischen<br />

Bevölkerung. Doch erst in den<br />

50er-Jahren organisierte sich die Widerstandsbewegung<br />

zur Front de Libération<br />

Nationale (FLN). 1957 hatte die FLN<br />

nahezu 40 000 Männer unter Waffen und<br />

begann einen erfolgreichen Guerillakrieg<br />

gegen die französischen Besatzer, der erst<br />

mit dem Waffenstillstandsabkommen<br />

von Évian im Jahr 1962 endete. Im Juli<br />

desselben Jahres sprachen sich bei einer<br />

Volksabstimmung sechs Millionen von<br />

6,5 Millionen stimmberechtigten Algeriern<br />

für die Loslösung von Frankreich<br />

aus.<br />

Die große Mehrheit der Kolonialherren,<br />

die bis dahin Wirtschaft und Politik<br />

Algeriens gelenkt hatten, kehrte nach<br />

Frankreich zurück und hinterließ klaffende<br />

Lücken in der Verwaltung. Dies und<br />

die 350 000 bis eine Million Algerier,<br />

die im Krieg ihr Leben gelassen hatten,<br />

schufen ein wirtschaftliches und gesellschaftliches<br />

Chaos in einem Land, dem<br />

es an Arbeitskräften und ausgebildeten<br />

Fachleuten mangelte.<br />

Ahmed Ben Bella, der erste Präsident<br />

einer neu gebildeten algerischen Regierung,<br />

verstaatlichte das gesamte landwirtschaftliche,<br />

industrielle und gewerbliche<br />

Eigentum der bisherigen Kolonialisten.<br />

Die nun folgenden 60er- und 70er-Jahre<br />

waren von diktatorischen Tendenzen,<br />

einem Militärcoup und anhaltenden<br />

Scharmützeln zwischen den politischen<br />

Lagern geprägt. Der moderate Präsident<br />

Chadli Bendjedid versuchte 1979, die<br />

Wirtschaft zu liberalisieren, hatte jedoch<br />

mit politischen Widerständen, Unruhen<br />

und den Aufständen des Schwarzen Oktobers<br />

zu kämpfen.<br />

Ein Jahrzehnt später beendete Algerien<br />

alle Versuche, sozialistische Ansätze<br />

umzusetzen, und verabschiedete eine<br />

neue Verfassung, die die Meinungs- und<br />

Versammlungsfreiheit festschrieb. Es<br />

entstand eine Fülle neuer Medien und<br />

Parteien. Zu letzteren zählte auch die radikale<br />

Islamische Heilsfront (FIS).<br />

Als die FIS nach der ersten Runde der<br />

Parlamentswahlen von 1991 bereits 188<br />

der 430 Sitze erobert hatte, sagte die Regierung<br />

die zweite Runde der Wahlen ab<br />

und sorgte damit für landesweite, gewalttätige<br />

Ausschreitungen. Die angespannte<br />

politische Lage begann sich erst 1999<br />

wieder zu beruhigen, als Abdelaziz Bouteflika<br />

mit 70 Prozent der Stimmen zum<br />

neuen Präsidenten gewählt wurde.<br />

Um die Sicherheit und Stabilität im<br />

Land wieder herzustellen, verkündete<br />

seine Regierung die Amnestie Tausender<br />

Mitglieder der bis dahin verbotenen<br />

FIS. Dieser Schritt<br />

half, den Bürgerkrieg<br />

im Jahr 2002<br />

zu beenden, der<br />

150 000 bis 200 000 Menschen das<br />

Leben gekostet hatte. In seiner dritten<br />

Amtszeit als Präsident versucht Bouteflika<br />

heute, die verlorenen Jahre des<br />

Bürgerkriegs wettzumachen und Algerien<br />

in die moderne Welt zu führen.<br />

Dabei setzt er bewusst auch auf<br />

eine Stärkung der Beziehungen<br />

Algeriens mit dem Ausland<br />

und insbesondere mit<br />

Deutschland, den<br />

USA und Großbritannien.<br />

Daten<br />

& Fakten<br />

l Wirtschaft<br />

Erdöl und Erdgas waren lange<br />

Zeit die wichtigste Stütze der<br />

Wirtschaft und machten 60 %<br />

der Staatseinnahmen, 30 %<br />

des BIP und mehr als 95 % der<br />

Exporteinnahmen aus. Algerien<br />

verfügt über die zehntgrößten<br />

Erdgasreserven der Welt und ist<br />

der sechstgrößte Erdgasexporteur.<br />

Das Land hat ein Devisenpolster<br />

von 173 Mrd. Dollar und einen<br />

finanzstarken Staatsfonds (FRR),<br />

mit dem sich Algerien gegen<br />

Preisschwankungen an den Ölund<br />

Gasmärkten absichert.<br />

l Die wichtigsten Branchen<br />

Erdöl, Erdgas, Leichtindustrie,<br />

Bergbau, Stromerzeugung,<br />

Petrochemie und Lebensmittelverarbeitung<br />

l Export<br />

Die wichtigsten Exportpartner:<br />

USA 24,9 %, Italien 17,5 %, Spanien<br />

10 %, Kanada 6,3 %, Frankreich<br />

5,1 %, Niederlande 5,1 %,<br />

Brasilien 4,3 % (2010). 2011 lag<br />

das Exportvolumen bei insgesamt<br />

78,51 Mrd. Dollar. 97 % davon<br />

entfielen auf Erdölprodukte<br />

l Import<br />

Importiert werden vor allem Investitionsgüter,<br />

Nahrungsmittel und<br />

Konsumgüter. Die wichtigsten<br />

Partner: Frankreich 18 %, China<br />

10,6 %, Italien 9,9 %, Spanien 7<br />

%, Tadschikistan 4,8 %, Deutschland<br />

4,4 % (2010)<br />

l Natürliche Rohstoffe<br />

Erdöl, Erdgas, Eisenerz, Phosphate,<br />

Uran, Blei und Zink<br />

Quelle: CIA World Factbook<br />

Das Märtyrerdenkmal<br />

in<br />

Algier zum<br />

Gedenken an<br />

den Unabhängigkeitskrieg<br />

Diese Beilage zur Financial Times Deutschland wurde von der Globus Vision hergestellt, die allein verantwortlich ist für die Inhalte der Beilage


2 ALGERIEN<br />

DONNERSTAG, 5. JULI<br />

Ein fruchtbares und mächtiges Bündnis<br />

Die Beziehung zwischen Deutschland und Algerien ist gesünder denn je, besonders im Hinblick auf Handel und Wirtschaft.<br />

Während deutsche Unternehmen gern die zahllosen Investitionsmöglichkeiten in dem nordafrikanischen Land nutzen, freuen sich<br />

algerische Unternehmen über technologisch erstklassige und finanzstarke Partner aus Deutschland<br />

Kaum hatte Algerien seine Unabhängigkeit<br />

von Frankreich erklärt, kamen<br />

die Deutschen. Doch nicht um das Land<br />

zu kolonisieren oder auszubeuten, sondern<br />

um erste kulturelle Beziehungen<br />

aufzubauen. 1963 wurde in Algier<br />

das erste Goethe-Institut gründet, und<br />

Deutsch stieg nach Französisch und<br />

Englisch zur dritthäufigsten Fremdsprache<br />

bei algerischen Schülern auf.<br />

Aus dem kulturellen Austausch<br />

zwischen Algerien und Deutschland<br />

erwuchsen schon bald solide Handelsbeziehungen.<br />

2010 erreichten Algeriens<br />

Exporte nach Deutschland ein Volumen<br />

von 6,93 Mrd. Dollar (5,6 Mrd. Euro),<br />

wobei Mineralölprodukte mit einem<br />

Anteil von fast 96 Prozent den größten<br />

Teil ausmachten. Die deutschen<br />

Exporte nach Algerien betrugen im<br />

gleichen Jahr 1,4 Mrd. Euro, was 5,8<br />

Prozent aller algerischen Importe entspricht.<br />

Insbesondere Autos, aber auch<br />

Industrieanlagen, Chemikalien und<br />

Elektroausrüstung bezieht das nordafrikanische<br />

Land aus Deutschland.<br />

Deutschland unterstützt Algeriens<br />

Entwicklung bereits seit der Unabhängigkeit<br />

durch technische Zusammenarbeit,<br />

die bis dato ein Volumen von<br />

rund 200 Mio. Euro erreicht hat. Eine<br />

echte Dynamik entfalteten die deutschalgerischen<br />

Beziehungen jedoch erst,<br />

nachdem Abdelaziz Bouteflika im<br />

April 2001 als erster algerischer Präsident<br />

Deutschland besuchte. Nachdem<br />

Kanzlerin Angela Merkel 2008<br />

einen Gegenbesuch absolviert hatte,<br />

reiste Bouteflika 2010 erneut nach<br />

Deutschland. Im gleichen Jahr traten<br />

ein Investitionsschutzabkommen, ein<br />

Schifffahrtsabkommen sowie ein Doppelbesteuerungsabkommen<br />

zwischen<br />

den beiden Staaten in Kraft.<br />

Seit 2001 zeichnet sich die Zusammenarbeit<br />

durch einen intensiven Austausch<br />

auf wirtschaftlicher Ebene aus,<br />

der die hervorragenden Geschäfts- und<br />

Investitionsmöglichkeiten in Algeriens<br />

Wirtschaft belegt. Mehr als 200 deutsche<br />

Unternehmen haben sich mittlerweile<br />

in Algerien angesiedelt.<br />

Beim Besuch Bouteflikas im Jahr<br />

2010 wurde die deutsch-algerische<br />

Wirtschaftskommission gegründet,<br />

die im März 2011 erstmals in Berlin<br />

zusammentraf. Laut dem deutschen<br />

Außenminister Guido Westerwelle,<br />

der diesen Januar auf Einladung seines<br />

Amtskollegen Mourad Medelci zwei<br />

Tage nach Algerien reiste, ist die Kommission<br />

„ein Forum für Geschäftsleute<br />

beider Länder, um Mittel und Wege zu<br />

prüfen, neue Geschäftsfelder für Partnerschaften<br />

zu erschließen.“<br />

Die Gespräche des Treffens im März<br />

2011 konzentrierten sich auf die Bereiche<br />

erneuerbare Energien, Transport<br />

und Infrastruktur, Investitionen, Gesundheitsversorgung<br />

sowie Aus- und<br />

Weiterbildung. Der algerische Minister<br />

für Industrie, kleine und mittlere Unternehmen<br />

sowie Investitionsförderung,<br />

Mohamed Benmeradi, betonte, Algerien<br />

sei sehr daran gelegen, seine Wirtschaftsbeziehungen<br />

zu diversifizieren,<br />

Algeriens Außenminister Mourad Medelci<br />

mit seinem deutschen Amtskollegen Guido<br />

Westerwelle in Algier im Januar 2012<br />

und Bernd Pfaffenbach, Staatssekretär<br />

im Bundeswirtschaftsministerium, hob<br />

hervor, Algerien sei ein wichtiger Partner<br />

Deutschlands in Nordafrika.<br />

Ende April 2012 trat die deutschalgerische<br />

Wirtschaftskommission<br />

erneut zusammen. Unter dem Vorsitz<br />

von Industrieminister Benmeradi und<br />

der Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium<br />

Anne Ruth Herkes<br />

fand das Treffen diesmal in Algier<br />

statt. Anne Ruth Herkes erklärte, dass<br />

Algerien „nach wie vor ein attraktives<br />

„Die algerische<br />

Regierung freut<br />

sich über die guten<br />

Beziehungen<br />

zu Deutschland<br />

und ist überzeugt,<br />

dass Deutschlands<br />

Schlagkraft und die<br />

Qualität der deutschen<br />

Technologie dazu<br />

beitragen werden, die<br />

Kooperation weiter<br />

auszubauen“,<br />

Algerische Außenminister<br />

Mourad Medelci<br />

Ziel für Investitionen ist“ und dies auch<br />

bleiben werde. Benmeradi sagte: „Die<br />

wichtigste Partnerschaft, die Algerien<br />

seit 2009 mit einem anderen Land angestoßen<br />

hat, ist die Partnerschaft mit<br />

Deutschland.“ Zudem sei das Treffen<br />

eine hervorragende Gelegenheit, geschäftliche<br />

Allianzen zu schmieden und<br />

auszubauen – insbesondere im Hinblick<br />

auf die deutschen Maschinenbauer,<br />

so der Minister.<br />

Am Ende des zweittägigen Treffens<br />

unterzeichneten beide Länder ein<br />

Der algerische Botschafter zu Besuch in Deutschland:<br />

Im Gespräch mit Madjid Bouguerra<br />

Bitte beschreiben Sie, wie Algerien seine<br />

Wirtschaft diversifizieren will, und<br />

welche Bedeutung sich daraus für Investoren<br />

aus Deutschland ergibt.<br />

Wir sind von der Erdöl- und Erdgasförderung<br />

abhängig, die 98 Prozent unserer<br />

Exporte ausmacht. Unsere Wirtschaft und<br />

unsere Einkommensquellen zu diversifizieren<br />

ist daher ein wichtiger, wenn nicht<br />

gar überlebensnotwendiger Schritt. Nur so<br />

können wir unsere Anfälligkeit gegenüber<br />

Preisstürzen auf den Öl- und Gasmärkten<br />

reduzieren, unsere nationale Wirtschaft<br />

vor einer einseitigen Abhängigkeit schützen<br />

und so unsere Zukunft sichern.<br />

Wir können nicht in einer Situation<br />

verharren, in der Öl und Gas 97 Prozent<br />

unserer Erlöse ausmachen, und – weil<br />

sie so attraktiv sind – einen Großteil der<br />

ausländischen Direktinvestitionen beanspruchen.<br />

Um die Diversifizierung<br />

realisieren zu können, muss man wissen,<br />

dass Algerien bei natürlichen und finanziellen<br />

Ressourcen großes Potenzial hat,<br />

und dass sich aus dem umfangreichen,<br />

auf fünf Jahre angelegten Entwicklungsplan<br />

zahlreiche Investitions- und Partnerschaftschancen<br />

ergeben. Zudem locken<br />

attraktive Geschäfts- und Investitionsbedingungen<br />

sowie viele Initiativen zur Förderung<br />

der Diversifizierung. Beispielsweise<br />

wurde ALGEX, eine Behörde mit<br />

der Aufgabe, gezielt Unternehmen mit<br />

Exportpotenzial zu unterstützen, gegründet.<br />

Deutsche Unternehmen, die bereits<br />

mit Erfolg in Algerien arbeiten, werden<br />

andere ermutigen, nachzuziehen.<br />

Welche Chancen bestehen für Unternehmen<br />

aus Deutschland, die sich an<br />

Projekten zur Nutzung der erneuerbaren<br />

Energien in Algerien beteiligen<br />

möchten?<br />

Angesichts des enormen Potenzials bei<br />

der Nutzung der erneuerbaren Energien,<br />

insbesondere im Bereich der Solarenergie<br />

mit mehr als 3500 Sonnenstunden pro<br />

Jahr, will Algerien die Energieversorgung<br />

auf eine breitere Basis stellen, um die<br />

steigende Nachfrage im eigenen Land zu<br />

bedienen und Strom nach Europa zu exportieren.<br />

Wir haben unser Potenzial bei den erneuerbaren<br />

Energien untersucht und auf<br />

Basis der Ergebnisse ein Programm zur<br />

Entwicklung alternativer Energie aufgelegt,<br />

das sich auf Solarthermie, Photovoltaik<br />

und Wind konzentriert. Bis 2030<br />

könnten im Land Kapazitäten von rund<br />

7200 Megawatt aus der Solarthermie,<br />

3000 Megawatt aus der Photovoltaik<br />

und 2000 Megawatt aus der Windenergie<br />

aufgebaut werden. Dieses Programm<br />

könnte für deutsche Unternehmen sehr<br />

interessant sein, verfügen sie doch über<br />

die effizienteste Technologie und die nötige<br />

Erfahrung. Der deutsche Photovoltaikausrüster<br />

Centrotherm wird ein Werk zur<br />

Produktion von Solarmodulen ausstatten,<br />

das von Sonelgaz finanziert wird.<br />

Desertec steht in Kontakt zu Sonelgaz<br />

und anderen Stellen in Algerien, um auszuloten,<br />

wie wir dieses Projekt gemeinsam<br />

verwirklichen können. Wir müssen<br />

uns weiter darüber austauschen, wie wir<br />

am besten die nötigen Voraussetzungen<br />

schaffen und noch ausstehende Probleme<br />

– wie die Auswirkungen der EU –Politik<br />

für Erneuerbare Energien– lösen können.<br />

Betrachtet man unser Engagement für<br />

erneuerbare Energien, unser umfangreiches<br />

Programm zu deren Entwicklung,<br />

das bestehende Potenzial im Land, den<br />

Bedarf des heimischen Marktes und die<br />

Geschäftsaussichten des Exportmarkts,<br />

wird schnell deutlich, dass sich ausländischen<br />

– und insbesondere deutschen<br />

Unternehmen – eine einzigartige Chance<br />

bietet, in die Herstellung von Bauteilen<br />

und Ausrüstung, in die Stromproduktion,<br />

in Ausbildung und in Beratung zu investieren.<br />

„In Algerien interessieren<br />

wir uns nicht nur sehr<br />

für deutsche Produkte,<br />

die einen guten Ruf<br />

genießen, sondern<br />

auch für deutsche<br />

Technologie, Knowhow<br />

und das deutsche<br />

Ausbildungssystem. Wir<br />

haben der deutschen<br />

Seite dazu erste<br />

Vertragsentwürfe<br />

vorgelegt und hoffen,<br />

dass diese schon bald<br />

unterzeichnet werden<br />

können.“<br />

Wie sehen die Zukunftsperspektiven<br />

der algerisch-deutschen Beziehungen<br />

aus?<br />

Das Verhältnis zwischen Algerien<br />

und Deutschland ist seit vielen Jahren<br />

ausgezeichnet und basiert auf Freundschaft,<br />

gegenseitigem Vertrauen und<br />

Verständnis. Der regelmäßige Austausch<br />

hochrangiger politischer und<br />

wirtschaftlicher Delegationen zwischen<br />

den beiden Ländern, die steigende<br />

Anzahl von Wirtschaftsforen<br />

und die Ansiedelung von mehr als 200<br />

deutschen Unternehmen in Algerien<br />

machen deutlich, wie sehr sich unsere<br />

Beziehungen weiterentwickeln. Das<br />

Handelsvolumen zwischen den beiden<br />

Ländern überstieg 2011 die Marke von<br />

3 Mrd. Dollar.<br />

Seit dem offiziellen Besuch von<br />

Kanzlerin Angela Merkel in Algerien<br />

im Juli 2008 und dem Gegenbesuch<br />

von Präsident Abdelaziz Bouteflika in<br />

Deutschland im Dezember 2010 haben<br />

die bilateralen Beziehungen der beiden<br />

Nationen eine neue Dynamik entfaltet,<br />

mit vielversprechenden Perspektiven.<br />

Anlässlich des Besuchs von Präsident<br />

Bouteflika in Berlin wurden viele<br />

Projekte vereinbart – insbesondere in<br />

den Bereichen Automobilherstellung,<br />

Elektrotechnik und Maschinenbau. Dadurch<br />

haben unsere Beziehungen eine<br />

neue strategische Dimension erhalten.<br />

Zudem wurde bei diesem Besuch<br />

auch die Bildung einer gemeinsamen<br />

Kommission zur Zusammenarbeit beschlossen,<br />

die als Mechanismus der<br />

Weiterführung und Vertiefung der<br />

Wirtschafts- und Handelsbeziehungen<br />

fungieren wird. Die Beziehungen der<br />

beiden Länder werden ein neues Niveau<br />

erreichen, und ich hoffe, dass dies<br />

den Weg zu einer soliden, fruchtbaren<br />

und nachhaltigen Partnerschaft zum<br />

beiderseitigen Nutzen ebnen wird.<br />

Auf welchen Gebieten würden Sie<br />

sich eine verstärkte Kooperation<br />

zwischen den beiden Ländern wünschen?<br />

Die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen<br />

haben heute ein ausreichendes<br />

Niveau erreicht. Dennoch können wir<br />

mehr tun und Vieles besser machen, vor<br />

allem im Hinblick auf Partnerschaften<br />

und Investitionen. Die Sektoren Maschinenbau,<br />

Fahrzeugherstellung und<br />

Elektrotechnik haben hier, mit den Projekten,<br />

die während des Besuchs unseres<br />

Präsidenten im Dezember 2010<br />

vereinbart wurden, bereits den Weg<br />

vorgegeben.<br />

Als die gemeinsame Kommission im<br />

März 2011 erstmals in Berlin und im<br />

April 2012 zum zweiten Mal in Algier<br />

zusammenkam, haben die beiden Länder<br />

Sektoren wie Energieversorgung,<br />

erneuerbare Energien, Landwirtschaft,<br />

pharmazeutische Industrie, Tourismus,<br />

Umweltschutz und Wasserressourcen<br />

identifiziert, deren Entwicklung in den<br />

kommenden Jahren mit größerer Priorität<br />

vorangetrieben werden soll.<br />

In Algerien interessieren wir uns<br />

nicht nur sehr für deutsche Produkte,<br />

die einen guten Ruf genießen, sondern<br />

auch für deutsche Technologie, Knowhow<br />

und das deutsche Ausbildungssystem.<br />

Wir haben der deutschen Seite<br />

dazu erste Vertragsentwürfe vorgelegt<br />

und hoffen, dass diese schon bald unterzeichnet<br />

werden können.<br />

Abkommen zur Stärkung der deutschalgerischen<br />

Wirtschaftsbeziehungen<br />

unter besonderer Hervorhebung der<br />

Sektoren Gesundheit, Zementherstellung<br />

und Energie.<br />

Gefördert wurden die Handelsbeziehungen<br />

beider Länder zuvor schon<br />

durch die deutsch-algerische Handelskammer<br />

(AHK), die 2006 ihre Arbeit<br />

aufgenommen hat und mittlerweile 700<br />

Mitglieder zählt. Zwischen Juni und<br />

Dezember 2011 veranstaltete die AHK<br />

zehn Informations- und Wirtschaftstage<br />

in Deutschland, um für das geschäftliche<br />

Potenzial in Algerien zu werben<br />

und um deutsche Unternehmen über<br />

die rechtlichen Rahmenbedingungen<br />

zu informieren.<br />

Algeriens Außenminister Mourad<br />

Medelci hebt hervor, dass insbesondere<br />

die Vormachtstellung und der technologische<br />

Vorsprung Deutschlands Algerien<br />

bei seiner weiteren Entwicklung<br />

unterstützen werden.<br />

Die deutschen Direktinvestitionen<br />

in Algerien betrugen allein 2010 rund<br />

350 Mio. Euro. Dazu zählte die Gründung<br />

mehrerer umfangreicher Joint<br />

Ventures etwa zur Herstellung von Industriegasen<br />

oder zur Elektrifizierung<br />

der Eisenbahnstrecken. Aber auch bei<br />

der Entwicklung erneuerbarer Energien<br />

sind deutsche Unternehmen sehr<br />

aktiv, wie das 400 Mio. Euro schwere<br />

Projekt Desertec zeigt, das das Potenzial<br />

der algerischen Wüste zur Stromerzeugung<br />

nutzbar machen soll. Tatsächlich<br />

könnte Desertec eine tragende<br />

Säule der Zusammenarbeit zwischen<br />

Deutschland und Algerien werden, wie<br />

Außenminister Westerwelle sagte.<br />

Algeriens nationaler Entwicklungsplan,<br />

der ein Budget von 286 Mrd.<br />

Dollar hat und sich über den Zeitraum<br />

von 2010 bis 2014 erstreckt, ermöglicht<br />

umfangreiche Auslandsinvestition.<br />

Allein 2010 führte er dazu, dass das<br />

Volumen der deutschen Exporte nach<br />

Algerien um 32 Prozent auf 1,4 Mrd.<br />

Euro gestiegen ist.<br />

Haben Sie abschließend noch eine<br />

Botschaft für die Leserinnen und Leser<br />

der Financial Times Deutschland?<br />

Nach Jahren der wirtschaftlichen, finanziellen<br />

und sozialen Reformen hat<br />

Präsident Bouteflika vergangenes Jahr<br />

ein weiteres Paket politischer Reformen<br />

auf den Weg gebracht. Zu diesem Reformprozess<br />

werden neue Wahl- und<br />

Parteiengesetzte gehören, ein Gesetz,<br />

das Frauen eine größere Teilhabe an<br />

politischen Entscheidungsprozessen garantiert,<br />

sowie ein Mediengesetz, das audiovisuelle<br />

Medien für den Privatsektor<br />

öffnet. Am Ende des gesamten Prozesses<br />

wird eine Verfassungsreform stehen.<br />

Aus dieser Entwicklung gingen auch<br />

die Parlamentswahlen vom 10. Mai<br />

2012 hervor – die, wie internationale Beobachter<br />

bestätigt haben, demokratisch<br />

und transparent durchgeführt wurden.<br />

Das Prozess hat zum Ziel, die Demokratie<br />

in Algerien zu festigen und zu<br />

vertiefen, und somit die Hoffnungen des<br />

algerischen Volkes zu erfüllen. Gleichzeitig<br />

wissen die Menschen in Algerien,<br />

dass die politische Entwicklung Hand in<br />

Hand gehen muss mit wirtschaftlichem<br />

und sozialem Fortschritt, der wiederum<br />

einer nationalen Anstrengung und auch<br />

kluger Kooperationen und Partnerschaften<br />

bedarf. Hierbei kann Deutschland<br />

eine wichtige Rolle übernehmen,<br />

und wir in Algerien würden gern ein<br />

weites Stück des Weges gemeinsam mit<br />

Deutschland zurücklegen.<br />

GLOBUS VISION Albert Buildings, 49 Queen Victoria Street<br />

London EC4N 4SA, Tel: 44 (0) 20 7409 2354<br />

globus@globusvision.com, www.globusvision.com<br />

PROJEKTTEAM: Christophe Laurent (Chefredakteur);<br />

Paloma Garralda (Projektleiter);<br />

Alain Caignard, Jose Ignacio Alegre und<br />

Brianne Bystedt (Projektkoordinatoren)<br />

Diese Beilage zur Financial Times Deutschland wurde von der Globus Vision hergestellt, die allein verantwortlich ist für die Inhalte der Beilage


DONNERSTAG, 5. JULI<br />

ALGERIEN<br />

3<br />

Diversifizierung des Investitionsstandorts durch Industriezentren und KMU<br />

Algeriens geografische Vielfalt birgt erhebliche Herausforderungen für<br />

eine ausgewogene Raumplanung und Wirtschaftsentwicklung<br />

Fruchtbares Ackerland, Hochgebirge,<br />

Steppen und Wüste. Algerien vereint die<br />

unterschiedlichsten geografischen Gegebenheiten.<br />

Schließlich erstreckt sich das<br />

größte afrikanische Land auch auf mehr<br />

als sechseinhalb Mal so viel Fläche wie<br />

Deutschland. Doch diese<br />

Vielfalt birgt Probleme.<br />

„Wir stehen in den<br />

kommenden Jahrzehnten<br />

vor großen Herausforderungen“,<br />

sagt Cherif Rahmani,<br />

ehemaliger Minister<br />

für Raumplanung und Umwelt.<br />

„Erstens vor einer demografischen,<br />

denn die junge<br />

Generation fordert mehr<br />

Arbeitsplätze, Leistungen<br />

und Rechte. Zweitens vor<br />

einer wirtschaftlichen, denn<br />

wir wollen die Globalisierung<br />

annehmen und zu unserem<br />

Vorteil nutzen, aber<br />

Cherif Rahmani,<br />

ehemaliger<br />

Minister für<br />

Raumplanung<br />

und Umwelt.<br />

zugleich ihre negativen Auswirkungen<br />

vermeiden. Und drittens nehmen die natürlichen<br />

Ressourcen immer weiter ab<br />

– nicht nur die Energiequellen, sondern<br />

auch Boden und Wasser. Hinzu kommt<br />

die weltweite politische Herausforderung<br />

der globalen Erwärmung.“<br />

Die Regierung bemüht<br />

sich sehr um industrielle und<br />

wirtschaftliche Diversifizierung<br />

und hat regionale<br />

Knotenpunkte für bestimmte<br />

Sektoren geschaffen. Der<br />

Fokus der neuen Stadt Sidi<br />

Abdallah liegt auf Informations-<br />

und Kommu-nikationstechnik,<br />

Biotechnologie,<br />

Gesundheitsdiensten, Medizin<br />

und Pharmazeutik sowie<br />

Nanotechnologie, Robotik<br />

und Laserentwicklung. Bouguezoul<br />

in der Steppe wurde<br />

mit Blick auf die Senkung<br />

des Energieverbrauchs konzipiert und in<br />

Hassi Messaoud liegt der Schwerpunkt<br />

auf erneuerbaren Energien. In der algerischen<br />

Sahara überwiegt naturgemäß die<br />

Solarwirtschaft.<br />

Im vergangenen Dezember trat Algerien<br />

als drittes Land dem Projekt Desertec<br />

bei. Die Industrieinitiative unter deutscher<br />

Führung will in Nordafrika ein Netz<br />

von Solar- und Windkraftanlagen schaffen,<br />

das Europa mit Strom versorgt. Bis<br />

2050 soll Desertec 15 Prozent des Elektrizitätsbedarfs<br />

der gesamten EU decken<br />

– mit Wüstenstrom aus der Sahara.<br />

Im Mai verkündete die Regierung,<br />

der algerische Investitionsrat CNI habe<br />

die staatliche Raumplanungsagentur<br />

ANIREF beauftragt, landesweit 42 Industriezentren<br />

zu errichten, die bis 2017<br />

komplett fertiggestellt sein und internationalen<br />

Infrastrukturstandards entsprechen<br />

sollen.<br />

Durch die Schaffung regionaler<br />

Ressourcen wie Wasser und fruchtbarer Boden sind in Algerien<br />

besonders wertvoll<br />

Knotenpunkte und Industriezentren im<br />

ganzen Land will die Regierung außerdem<br />

die Gründung kleiner und mittlerer<br />

Unternehmen (KMU) fördern und in<br />

weiten Teilen Algeriens das sozioökonomische<br />

Wachstum ankurbeln.<br />

„Ohne eine effektive Verwaltung unseres<br />

Humankapitals erzielen wir kein<br />

harmonisches, ausgewogenes Wachstum“,<br />

erläutert Rahmani. „Deshalb stehen<br />

die Bürger im Mittelpunkt unserer<br />

nachhaltigen Entwicklung und Raumplanung.“<br />

Die Europäische Kommission steuerte<br />

2009 im Rahmen ihres MEDA-II-<br />

Programms 45 Mio. Euro bei, um die<br />

internationale Wettbewerbsfähigkeit algerischer<br />

KMU zu verbessern. 2010 stellte<br />

die algerische Regierung einen Wettbewerbsplan<br />

vor, der die Gründung von 20<br />

000 kleinen und mittleren Unternehmen<br />

vorsieht. Dafür stellt der Staat über Direktfinanzierungen<br />

insgesamt 380 Mrd.<br />

Dinar zur Verfügung. Außerdem bekommen<br />

kleine und mittlere Unternehmen<br />

zinsvergünstigte Bankkredite.<br />

„Ein so großer Markt wie der algerische<br />

ist auf dem Kontinent kein zweites<br />

Mal zu finden“, sagt Abderazak Trabelsi,<br />

Chef des Bankenverbandes ABEF. „Und<br />

selbst wenn es ihn gäbe, wäre das Umfeld<br />

nicht dasselbe, weder in makroökonomischer<br />

oder politischer Hinsicht noch<br />

in Bezug auf die politische Stabilität und<br />

andere Faktoren. Manche verweisen auf<br />

Nigeria, doch das ist nicht dasselbe. Der<br />

algerische Markt bietet ausländischen Investoren<br />

etwas äußerst Wichtiges: Es gibt<br />

kaum ein anderes Land, das ein derartiges<br />

Potenzial hat und zugleich Möglichkeiten<br />

dieser Größenordnung eröffnet.“<br />

Wirtschaftliche Trendwende dank der richtigen Politik<br />

Hohe Devisenreserven und die Erträge aus der Öl- und Gas-Förderung<br />

federn negative Auswirkungen der aktuellen globalen Wirtschaftskrise ab<br />

Die Devisenreserven von<br />

205,2 Mrd. Dollar, die der<br />

IWF Algerien in seinem<br />

Finanzminister<br />

Karim Djoudi<br />

jüngsten Bericht bescheinigt, reichen<br />

aus, um die laufenden Kosten des Landes<br />

auf fünf Jahre hinaus zu decken. 1984<br />

bis 1994 sah das noch ganz anders aus:<br />

Damals hatte Algerien noch nicht einmal<br />

Reserven für einen Monat.<br />

Das Land verfügt über die<br />

Wie sehr sich die wirtschaftliche Lage in<br />

Algerien zum Positiven gewendet hat, zeigt<br />

die jüngste Anfrage des IWF: Der Internationale<br />

Währungsfonds bat das nordafrikanische<br />

Land dieses Jahr um Finanzhilfe in<br />

Höhe von 500 Mrd. Dollar. Das Geld soll<br />

in Kredite für Schwellen- und<br />

Entwicklungsländer fließen.<br />

Deutlicher lässt sich der Wandel<br />

vom Schwellenmarkt zu<br />

einer Volkswirtschaft mit mittlerem<br />

bis hohem Einkommen<br />

nicht darstellen. In den 90er-<br />

Jahren nahm Algerien noch<br />

IWF-Kredite in Anspruch,<br />

heute zählt es zu den Geberländern.<br />

zehntgrößten Erdgasreserven<br />

und ist der sechstgrößte<br />

Gasexporteur weltweit. Die<br />

Einnahmen aus dem Öl- und<br />

Gasgeschäft waren lange<br />

Zeit die Stütze der Volkswirtschaft.<br />

Sie machten rund 60<br />

Prozent der Staatseinnahmen,<br />

30 Prozent des BIP und mehr<br />

als 95 Prozent der Exportgewinne<br />

aus. Algeriens Schulden<br />

im Ausland sind mit<br />

rund zwei Prozent des BIP<br />

extrem niedrig. 2011 lagen das Wirtschaftswachstum<br />

bei 2,6 Prozent und die Inflation<br />

bei 3,9 Prozent.<br />

Finanzminister Karim Djoudi sagt, Algerien<br />

überstehe den weltweiten Konjunkturrückgang<br />

weitgehend unbeschadet. Grund<br />

dafür sind in seinen Augen ein sicheres<br />

Management der Devisenreserven, breit<br />

gestreute Investitionen in unterschiedliche<br />

Fremdwährungen, ein liquides Finanzsystem<br />

durch eine Erhöhung der Eigenkapitalausstattung<br />

und der finanziellen Schlagkraft<br />

der Banken, und streng überwachte<br />

Beschränkungen für die kurzfristige Kreditaufnahme<br />

der Banken im Ausland.<br />

„Es ist zwar noch nicht ausgestanden,<br />

aber bislang haben wir die Klippen dieser<br />

Krise sicher umschifft und auf dem inländischen<br />

Markt Wachstum erzielt. Die Binnennachfrage<br />

war so stark, dass 2011 fast 46<br />

Algerien verfügt heute über eine gut entwickelte Wirtschaft – mit<br />

Devisenreserven die die Kosten auf fünf Jahre hinaus decken<br />

Mrd. Dollar in Importe flossen“, sagt Djoudi.<br />

„Außerdem haben wir Unternehmen<br />

aufgebaut, die meiner Meinung nach in der<br />

Lage sind, sich nicht nur auf dem Heimatmarkt,<br />

sondern auch im Ausland erfolgreich<br />

zu positionieren.“<br />

Auch die Investitionen boomen. „Wir<br />

haben 48 regionale Investmentfonds<br />

aufgelegt, die jeweils einen bestimmten<br />

Betrag für Kleinunternehmen reserviert<br />

haben. Wenn junge Universitätsabsolventen<br />

ein Gründungsprojekt starten wollen,<br />

brauchen sie häufig sofort Kapital.<br />

Mithilfe dieser Fonds können viele Kleinunternehmen<br />

aufgebaut werden“, sagt<br />

Djoudi. Darüber hinaus hat die Regierung<br />

einen nationalen Investmentfonds aufgelegt,<br />

der eine Reihe von Großprojekten<br />

unterstützt und an Public-Private-Partnerships<br />

beteiligt ist.<br />

Auch die Bankdichte in Algerien nimmt<br />

zu. Neue Filialen werden eröffnet, Aufklärungs-<br />

und Schulungsinitiativen informieren<br />

über Bankgeschäfte, und der Zahlungsverkehr<br />

wird modernisiert.<br />

„Vor ein paar Jahren haben wir in einigen<br />

Regionen ein elektronisches Zahlungssystem<br />

eingeführt, aber viele müssen erst noch<br />

lernen, damit umzugehen. Die Menschen<br />

haben eine große Vorliebe für Bargeld, aber<br />

nach und nach ändert sich diese Gewohnheit“,<br />

sagt Djoudi.<br />

Umfassender Entwicklungsplan soll das Land zum Blühen bringen<br />

Reformen und mehr staatliches Engagement sind Teil eines breit angelegten<br />

und nachhaltigen Entwicklungsprogramms für die algerische Landwirtschaft<br />

Fruchtbare Böden sorgen dafür, dass<br />

Algeriens Agrarsektor nach Erdöl und<br />

Erdgas den zweitgrößten Beitrag zum<br />

Bruttoinlandsprodukt (BIP) leistet. Er<br />

macht acht Prozent des Einkommens<br />

im Land aus und schafft Arbeitsplätze<br />

für ein Viertel der Bevölkerung. „Hier<br />

besteht enormes Potenzial“, sagt Rachid<br />

Benaissa, Minister<br />

für Landwirtschaft und<br />

ländliche Entwicklung.<br />

Trotzdem ist die Agrarproduktion<br />

Algeriens<br />

weit geringer als die<br />

Nachfrage, sodass das<br />

Land weiterhin große<br />

Mengen an Lebensmitteln<br />

importiert, vor allem<br />

aus Frankreich, Spanien<br />

und Italien. Hauptsächlich<br />

aufgrund der geografischen<br />

Nähe ist die<br />

EU ein wichtiger Handelspartner<br />

für Agrarprodukte;<br />

insgesamt<br />

Rachid Benaissa,<br />

Minister für<br />

Landwirtschaft<br />

und ländliche<br />

Entwicklung<br />

stammen 39 Prozent der Agrar- und<br />

Lebensmittelimporte Algeriens aus<br />

Europa.<br />

Um die Importausgaben insbesondere<br />

für Getreide, Milch, Zucker und<br />

Speiseöl zu senken, legt die neue landwirtschaftliche<br />

Entwicklungsstrategie<br />

der Regierung besonderes Gewicht<br />

auf eine bessere Nutzung<br />

der Anbauflächen sowie<br />

höhere Qualität und Produktionsmengen.<br />

Algerien<br />

hat etwa acht Millionen<br />

Hektar Ackerland. Auf<br />

51 Prozent davon werden<br />

tatsächlich Feldfrüchte angebaut<br />

– hauptsächlich Getreide<br />

und Hülsenfrüchte.<br />

Bislang werden jedoch nur<br />

sieben Prozent des Landes<br />

künstlich bewässert, sodass<br />

der Agrarsektor stark<br />

auf Regen und Importe<br />

angewiesen ist. Die Forstwirtschaft<br />

macht etwa<br />

sechs Prozent der Anbaufläche aus,<br />

Industriepflanzen drei Prozent.<br />

Auf dem nationalen Agrarentwicklungsplan<br />

des Landes (PNDA), der<br />

2000 verabschiedet wurde, folgte<br />

2004 der auf zehn Jahre angelegte nationale<br />

Plan zur landwirtschaftlichen<br />

und ländlichen Entwicklung (PN-<br />

DAR). Durch die beiden Programme<br />

wurden tausende Hektar Land für die<br />

Landwirtschaft nutzbar gemacht.<br />

Mit dem Vorhaben, sich bei Agrarprodukten<br />

vom Nettoimporteur zum<br />

Exportland zu wandeln, kommt Algerien<br />

gut voran. Dabei setzt das Land<br />

verstärkt auf Produkte wie Datteln,<br />

Wein oder Oliven.<br />

„Im Jahr 2000 haben wir angefangen,<br />

Schritt für Schritt eine umfassende<br />

Politik zur ländlichen Entwicklung<br />

aufzubauen. Ziel ist eine umfassende<br />

und nachhaltige Entwicklung für das<br />

ganze Land“, sagt Minister Benaissa.<br />

„Es gibt keine Gegenden ohne Zukunft,<br />

nur welche ohne Projekte. Wir<br />

Algerien hat rund acht Millionen Hektar Agrarland, auf 51 Prozent<br />

davon werden Feldfrüchte angebaut<br />

sehen uns in jeder Gegend das Potenzial<br />

von Mensch und Natur an und entwickeln<br />

es.“<br />

Im Rahmen des laufenden Fünf-<br />

Jahres-Plans für ländlichen Wohnraum<br />

will die Regierung 900 000<br />

neue Häuser bauen lassen. „Auf dem<br />

Land ist die wirtschaftliche Aktivität<br />

entscheidend, denn um die Menschen<br />

dort zu halten, sollten sie ein Geschäft<br />

betreiben – ein kleines genügt. Es<br />

gibt ihnen die Möglichkeit und einen<br />

Grund, nicht wegzuziehen und so die<br />

Landwirtschaft am Laufen zu halten“,<br />

sagt Benaissa.<br />

Nach der Einführung zinsfreier Saisondarlehen<br />

ist der Bereich Agrarfinanzierung<br />

in den vergangenen Jahren<br />

Diese Beilage zur Financial Times Deutschland wurde von der Globus Vision hergestellt, die allein verantwortlich ist für die Inhalte der Beilage<br />

deutlich gewachsen. Für die ländlichen<br />

Kommunen waren die neuen Möglichkeiten<br />

ein Segen, denn etwa 70 Prozent<br />

der 1,1 Millionen Bauernhöfe in<br />

Algerien sind kleine Gehöfte mit weniger<br />

als zehn Hektar Land. 80 Prozent<br />

davon gehören Einzelpersonen.<br />

Der Plan der Regierung hat vier<br />

Hauptziele: Modernisierung und Sanierung<br />

von Dörfern, wirtschaftliche<br />

Diversifizierung auf dem Land, Schutz<br />

und Ausbau natürlicher Ressourcen<br />

und Bewahrung des ländlichen Erbes.<br />

„Es geht um eine Vision für den ländlichen<br />

Raum, es geht um Maßnahmen<br />

für die Frauen und für die Jugend auf<br />

dem Land“, sagt der Minister.<br />

Die seit Langem bestehenden Umweltschutzbemühungen<br />

haben Algerien<br />

internationale Anerkennung eingebracht.<br />

So wurde das Land in der<br />

Uno-Konvention zur Bekämpfung der<br />

Wüstenbildung vor Kurzem als „Vorbild<br />

für die Einbindung des Kampfs<br />

gegen Wüstenbildung und Bodendegradation<br />

in einer einheitliche Entwicklungspolitik“<br />

bezeichnet. Gerne<br />

würde Algerien andere Länder seinem<br />

Vorbild folgen sehen.


4 ALGERIEN<br />

DONNERSTAG, 5. JULI<br />

Privatwirtschaft auf dem Vormarsch<br />

Algerien hat Terrorismus und Krieg überstanden, aber einen vollständig liberalisierten Markt gibt es noch nicht. Die Privatwirtschaft ist noch<br />

unterentwickelt, wächst aber stetig – dank Engagement, Ehrgeiz und privaten Wirtschaftsorganisationen<br />

Zahlen lügen nicht, heißt es. Aber<br />

über Algerien sagen sie zumindest<br />

nicht die ganze Wahrheit. Der von der<br />

US-Denkfabrik Heritage Foundation<br />

erstellte Index of Economic Freedom<br />

stuft Algerien unter den 17 Ländern<br />

der Region Naher Osten und Afrika<br />

auf Rang 15, weltweit auf Rang 140<br />

ein. Und Doing Business, der Geschäftsklimaindex<br />

der Weltbank, führt<br />

Algerien unter 183 Ländern auf Platz<br />

148. Diese Zahlen zeichnen ein eher<br />

trauriges Bild der algerischen Wirtschaft.<br />

Was sie nicht berücksichtigen,<br />

sind die jüngsten Entwicklungen.<br />

Ahmed Tibaoui, der Chef des<br />

World Trade Centers in Algerien,<br />

sagt: „Ich halte [die Ratings] für<br />

übertrieben. Ich behaupte nicht, das<br />

Geschäftsklima sei hervorragend.<br />

Trotzdem sollten wir deutlich besser<br />

abschneiden, denn wir haben<br />

bereits einen langen Weg hinter uns:<br />

Bis Ende der 80er-Jahre war Algerien<br />

eine von der Regierung gesteuerte<br />

Planwirtschaft. 1998 haben wir<br />

uns dann jedoch über neue Gesetze<br />

einem marktwirtschaftlichen System<br />

mit privaten Unternehmen geöffnet.“<br />

Reda Hamiani, der Chef des Arbeitgeberverbands<br />

FCE, erinnert sich<br />

noch daran, wie sich die Regierung<br />

unter Präsident Ben Bella für ein sozialistisches<br />

System entschieden hatte,<br />

in dem privatwirtschaftliches Engagement<br />

verboten war.<br />

„Damals waren wir ein Dritte-Welt-<br />

Land, und die Menschen dachten,<br />

Entwicklung und Wachstum dürften<br />

nicht vom Privatsektor vorangetrieben<br />

werden. In meinen Augen war das ein<br />

Fehler“, sagt Hamiani.<br />

Das alte System hatte nahezu 30 Jahre<br />

lang Bestand gehabt. Deshalb sei es<br />

heute auch so schwer, eine 180-Grad-<br />

Wende hinzubekommen, sagt Hamiani.<br />

Zudem überschattete eine Reihe<br />

unglücklicher Ereignisse die Entwicklung<br />

der Wirtschaft und schuf stattdessen<br />

neue Herausforderungen. Der<br />

Bürgerkrieg von 1991 bis 2002 schadete<br />

nicht nur der Wirtschaft, sondern<br />

auch dem Ruf des ganzen Landes. Der<br />

algerische Dinar verlor an Wert, und<br />

da nahezu alle Rohstoffe, die in den<br />

Fabriken des Landes verarbeitet wurden,<br />

aus dem Ausland kamen, verteuerte<br />

die Abwertung der Währung die<br />

Produktion. Tibaoui sagt, die Öffnung<br />

des Markts habe noch deutlicher gemacht,<br />

wie sehr die inländische Produktion<br />

hinterherhinkte.<br />

„Im Rahmen der Vereinbarung mit<br />

dem IWF liberalisierten wir den Außenhandel,<br />

der bis zu jenem Zeitpunkt vom<br />

Staat gesteuert worden war. Wir mussten<br />

uns öffnen, und so drängten ausländische<br />

Anbieter mit billigeren und sehr<br />

guten Produkten auf den Markt. Die<br />

Staatsunternehmen blieben auf ihren<br />

Produkten sitzen und häuften riesige<br />

Lagerbestände an“, sagt Tibaoui.<br />

Mitte bis Ende der 90er-Jahre hatten<br />

Privatunternehmen Schwierigkeiten,<br />

Reda Hamiani,<br />

Präsident von FCE<br />

ihre Bankkredite zurückzuzahlen.<br />

1998 begann die Regierung, ihre Unternehmen<br />

an die Beschäftigten und<br />

schließlich an Investoren zu verkaufen.<br />

Ausländer zeigten damals angesichts<br />

der Turbulenzen im Land noch<br />

kein Interesse. Doch als renommierte<br />

Isaad Rebrab,<br />

Präsident von Cevital<br />

inländische Investoren, wie SIM oder<br />

Cevital Group, bei Staatsfirmen einstiegen,<br />

wuchs das Vertrauen in Algerien<br />

als Wirtschaftsstandort, und<br />

schließlich wurden auch ausländische<br />

Investoren auf das Land aufmerksam.<br />

Mit einigen bürokratischen Hürden<br />

Ahmed Tibaoui,<br />

Leitender Geschäftsführer von<br />

World Trade Centre<br />

hat die Privatwirtschaft in Algerien<br />

zwar auch heute noch zu kämpfen,<br />

aber es ist ein unbändiger Wille da.<br />

„Algerische Unternehmen werden<br />

von dynamischen und extrem ehrgeizigen<br />

Managern vorangetrieben“,<br />

sagt Hamiani.<br />

Die Regierung will der Privatwirtschaft<br />

mit einer Reihe von Reformen<br />

helfen, aber die Kluft zwischen dem<br />

politischen Diskurs und der Praxis sei<br />

enorm, sagt Hamiani. Eine Reform,<br />

die zunächst die Verwaltung von innen<br />

heraus erneuert, sei aus seiner<br />

Sicht am sinnvollsten. Das würde<br />

dazu beitragen, dass mehr kleine und<br />

mittelständische Unternehmen entstehen,<br />

die Hamiani als wichtigen<br />

Wachstumsmotor, Arbeitgeber und<br />

Katalysator für die Diversifizierung<br />

der Wirtschaft betrachtet.<br />

Ein Beispiel dafür, wie die Privatwirtschaft<br />

dem Land helfen kann –<br />

und wie der noch nicht kanalisierte<br />

Ehrgeiz Jobs und Wohlstand schaffen<br />

könnte – ist die Cevital Group. Das<br />

zweitgrößte und vor allem das erste<br />

privatwirtschaftliche Unternehmen<br />

des Landes ist ein klassischer Mischkonzern,<br />

der die unterschiedlichsten<br />

Branchen abdeckt, von Elektronik,<br />

Haushaltsgeräten und Bauwirtschaft<br />

über Supermärkte, Landwirtschaft,<br />

Schifffahrt und Logistik bis hin zu<br />

Automobilherstellung und Glasproduktion.<br />

Konzernchef Issad Rebrab sagt,<br />

Cevital bringe dem Staat hohe Einnahmen<br />

und trage zu Algeriens allgemeiner<br />

Entwicklung bei. „Wir haben<br />

uns einmal genauer angesehen, wie<br />

sich unser Gewinn verteilt: 59 Prozent<br />

gehen an den Staat, 40 Prozent<br />

werden reinvestiert, und ein Prozent<br />

geht ans algerische Volk.“<br />

Investitionen im Ausland sind<br />

nicht erlaubt, deshalb seien Reinvestitionen<br />

ins eigene Unternehmen<br />

die einzige Möglichkeit. Aber das<br />

fördere Innovationen und Wachstum,<br />

so der Manager.<br />

„Durch unsere Reinvestitionsstrategie<br />

ist Cevital das geworden, was<br />

es heute ist“, sagt Rebrab.<br />

Die Regierung agiere zwar manchmal<br />

etwas träge, aber Ausländer finden<br />

in Algerien einen enorm großen<br />

und lukrativen Markt. Tibaoui<br />

glaubt, dass Algerien in weniger als<br />

30 Jahren ein wichtiges und wohlhabendes<br />

Land sein wird, und es in den<br />

kommenden 20 Jahren an die BRIC-<br />

Ländern anschließen kann.<br />

Algeriens Word Trade Center<br />

(WTC) will dazu beitragen und hilft<br />

ausländischen Investoren bei den unterschiedlichsten<br />

Angelegenheiten,<br />

von der Personalbeschaffung und<br />

Buchhaltung bis hin zum Vermeiden<br />

unnötiger Bürokratie. Außerdem<br />

baut das WTC ein Netzwerk seiner<br />

in- und ausländischen Mitglieder<br />

auf. Kommt ein Mitglied aus dem<br />

Ausland nach Algerien, verfügt es<br />

damit schon über eine Anlaufstelle.<br />

„Das WTC steht im Zentrum der<br />

Wirtschaft“, sagt Tibaoui.<br />

Die Privatwirtschaft<br />

eröffnet neue<br />

Möglichkeiten<br />

Algeriens führender Lebensmittelhersteller, der<br />

auch ins Hotel- und Tourismusgeschäft einsteigen<br />

will, spiegelt den Unternehmergeist des Landes<br />

Die USA haben Anfang des Jahres eine<br />

Handelsdelegation nach Algerien entsandt.<br />

Ziel dieser Abordnung, der auch<br />

sieben Weizenproduzenten angehörten,<br />

war ein Ideen- und Erfahrungsaustausch<br />

mit algerischen Produzenten. Außerdem<br />

wollten die Amerikaner die Möglichkeiten<br />

für Partnerschaften zwischen den<br />

beiden Ländern ausloten.<br />

In El Fedjoud in der Provinz Guelma<br />

trafen sich die US-Weizenproduzenten<br />

mit Vertretern der Benamor Group,<br />

eines der führenden Agrarunternehmen<br />

Algeriens, das einem Verband zur Verbesserung<br />

der Weizenqualität angehört.<br />

Nur wenige Monate zuvor hatte bereits<br />

Henry Ensher, der US-Botschafter in Algerien,<br />

die Benamor Group besucht.<br />

Laid Benamor, der an der Spitze der<br />

Benamor Group und des Netzwerks<br />

zur Verbesserung der Weizenqualität<br />

steht, bezeichnete das Treffen im Februar<br />

als großen Fortschritt. Es habe<br />

dazu beigetragen, Gespräche über eine<br />

algerisch-amerikanische Zusammenarbeit<br />

bei Produktion und Vermarktung<br />

von Weizen anzustoßen, „sehr<br />

zum Vorteil dieses so wichtigen Segments<br />

des Lebensmittelsektors in Algerien“,<br />

so der Unternehmer.<br />

Die Benamor Group wurde 1984 gegründet<br />

und ist ein führender Hersteller<br />

einer breiten Palette an Nahrungsmitteln<br />

– von Tomatenmark über Marmelade,<br />

Eingemachtes und Konserven bis<br />

hin zu Durumweizen-Pasta und Couscous.<br />

Der Jahresumsatz des Konzerns<br />

nähert sich der Marke von 20 Mrd.<br />

Dinar (205 Mio. Euro) und beschäftigt<br />

mehr als 1000 Mitarbeiter.<br />

Laid Benamor,<br />

Leitender Geschäftsführer<br />

von BENAMOR<br />

„Wir bauen gerade eine große Mühle,<br />

mit der wir unseren Ausstoß verdreifachen<br />

können“, sagt Benamor. „Und<br />

angesichts unserer künftigen Lagerkapazitäten,<br />

die im Vergleich zum heutigen<br />

Stand geradezu astronomische Ausmaße<br />

haben dürften, werden wir außerdem<br />

unsere Herstellung von Pasta und Couscous<br />

ausweiten. Zwar bleiben wir dem<br />

Sektor der landwirtschaftlichen Erzeugnisse<br />

treu, wir wollen aber gleichzeitig in<br />

neue Bereiche vorstoßen, zum Beispiel<br />

in die Keksproduktion. So etwas haben<br />

wir bisher noch nie gemacht. Dabei wollen<br />

wir unsere gewohnte Fertigungs-,<br />

Prozess- und Produktqualität beibehalten,<br />

mit der wir uns von den anderen<br />

Anbietern auf dem Markt abheben. Der<br />

einzige Sektor, in dem wir noch nicht<br />

aktiv sind, ist die Viehzucht“, so der Unternehmer.<br />

Bei Algeriern, die in Europa oder den<br />

USA leben und sich aus der Ferne nach<br />

einem Stück Heimat sehnen, sind die<br />

Produkte des Unternehmens überaus<br />

beliebt. „In Frankreich sind algerische<br />

und andere nordafrikanische Migranten<br />

die größten Couscous-Konsumenten“,<br />

sagt Benamor. „Seit wir vor zwei Jahren<br />

begonnen haben, unsere Produkte<br />

zu exportieren, sind diese Verbraucher<br />

stolz, algerische Qualitätsprodukte kaufen<br />

zu können. Viele halten Couscous<br />

für ein marokkanisches Produkt, aber es<br />

ist vielmehr nordafrikanisch und auch in<br />

Algerien und Tunesien zu Hause.“<br />

Die Benamor Group investiert nicht<br />

nur in die Landwirtschaft. Sie ist auch<br />

im Immobiliensektor des Landes aktiv<br />

und verkörpert den privatwirtschaftlichen<br />

Unternehmergeist, der in Algerien<br />

immer stärker wird. Firmengründer Laid<br />

Benamor engagiert sich, wie auch eine<br />

Reihe von anderen prominenten Geschäftsleuten,<br />

zunehmend im Hotel- und<br />

Tourismussektor – ein Bereich, der lange<br />

Zeit ein Schattendasein führte.<br />

Um das Aktivitätsportfolio seiner<br />

Firma weiter zu diversifizieren, will Benamor<br />

bei El Tarf, nahe der tunesischen<br />

Grenze, eine Urlaubsanlage mit 2000<br />

Betten bauen. Dafür sucht der Unternehmer<br />

Spezialisten in den Bereichen Bau,<br />

Innenarchitektur und Hotelausstattung.<br />

Bei allem Wachstum gewinnt auch die<br />

gesellschaftliche Verantwortung der algerischen<br />

Unternehmen mehr und mehr<br />

an Bedeutung. Auch hier engagiert sich<br />

die Benamor Group.<br />

„Wir haben eine Vielzahl von Projekten,<br />

und wir wollen den Menschen<br />

helfen. Der erste Schritt besteht darin,<br />

mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Das hat<br />

für uns oberste Priorität. Erreichen wollen<br />

wir dieses Ziel durch eine Verdoppelung<br />

des Umsatzes“, sagt Benamor.<br />

„Wenn wir zweimal so viele Arbeitsplätze<br />

bieten können, schaffen wir zugleich<br />

eine tragfähigere Kaufkraft.“<br />

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DONNERSTAG, 5. JULI<br />

ALGERIEN<br />

5<br />

Energiesektor stemmt sich gegen<br />

drohenden Förderrückgang<br />

Algerien will die<br />

Zukunft seiner Ölund<br />

Gasindustrie<br />

sichern und braucht<br />

ausländisches Kapital,<br />

um die umfangreichen<br />

unkonventionellen<br />

Ressourcen erschließen<br />

zu können<br />

Tief unter dem Sand der algerischen<br />

Sahara dürften gut zwölf Milliarden<br />

Barrel äußerst hochwertiges Rohöl<br />

verborgen sein. Damit verfügt das<br />

Land über die drittgrößten nachgewiesenen<br />

Reserven Afrikas.<br />

Algerien ist nicht nur einer der<br />

zehn wichtigsten Erdölproduzenten<br />

der Welt – mit den USA<br />

und Europa als Hauptabnehmer –,<br />

das Land zählt auch zu den weltgrößten<br />

Produzenten und Exporteuren<br />

von Erdgas, das vor allem<br />

nach Europa verkauft wird. Einen<br />

Großteil davon exportiert Algerien<br />

in verflüssigter Form, als Liquified<br />

Natural Gas (LNG).<br />

Der Öl- und Gassektor bildet<br />

eine tragende Säule der algerischen<br />

Wirtschaft: Er macht 97 Prozent der<br />

Deviseneinnahmen, 60 Prozent der<br />

Staatseinnahmen und 30 Prozent<br />

des Bruttoinlandsprodukts (BIP)<br />

aus, stellt eine zuverlässige langfristige<br />

Energiequelle dar und trägt<br />

zur Industrialisierung und wirtschaftlichen<br />

Diversifizierung bei.<br />

Business Monitor International<br />

(BMI) erwartet einen Anstieg der<br />

algerischen Erdölproduktion von<br />

rund 2 083 000 Barrel pro Tag<br />

(bpd) im Jahr 2011 auf 2 654 000<br />

im Jahr 2021. Im Sektorbericht<br />

für das zweite Quartal prognostiziert<br />

der Marktforscher außerdem,<br />

dass die Erdgasproduktion<br />

zwischen 2011 und 2021 von 85<br />

Die goldene Regel der Öl- und Gasindustrie lautet: Dem Abbau von Reserven<br />

sollte die Erschließung neuer Vorkommen in gleichem Umfang gegenüberstehen.<br />

Daher verstärken wir unsere Explorationsbemühungen<br />

Youcef Yousfi, Minister für Energie und Bergbau<br />

Milliarden auf 142,4 Milliarden<br />

Kubikmeter zunimmt.<br />

Neue Vorhaben, steigende Fördermengen<br />

und eine erhöhte Ausbeute<br />

bei vorhandenen Feldern werden<br />

die Produktion ankurbeln.<br />

„Durch die geplante Inbetriebnahme<br />

neuer Ölfelder Ende 2012<br />

und Anfang 2013 wird Algerien<br />

seine Förderkapazitäten erhöhen“,<br />

erklärt Youcef Yousfi, Minister für<br />

Energie und Bergbau.<br />

Er betont, wie wichtig eine vorausschauende<br />

Planung ist: „Bei<br />

der Energieerzeugung muss man<br />

langfristig planen und 30, 40, 50<br />

Jahre vorausdenken. Die goldene<br />

Regel der Öl- und Gasindustrie lautet:<br />

Dem Abbau von Reserven sollte<br />

die Erschließung neuer Vorkommen<br />

in gleichem Umfang gegenüberstehen.<br />

Daher verstärken wir unsere<br />

Explorationsbemühungen.“<br />

Die zwei größten Felder des<br />

Landes liegen im Hassi-Messaoudund<br />

im Berkine-Becken. Dank der<br />

Funde im Berkine-Becken ist die<br />

Produktion seit 2003 erheblich gestiegen.<br />

Doch wenn keine neuen<br />

Reserven entdeckt werden, könne<br />

sich der Trend noch in diesem Jahrzehnt<br />

umkehren, sagen Analysten.<br />

Sie befürchten, dass die Zahl der<br />

neuen Vorhaben nicht ausreicht, um<br />

die ausgeschöpften Felder zu ersetzen<br />

und den Produktionsumfang<br />

beizubehalten.<br />

Die algerischen Behörden sind<br />

besorgt um die langfristige Sicherung<br />

der Energieversorgung<br />

und überlegen, wie sie am besten<br />

internationale Partner anwerben<br />

und die Upstream-Aktivitäten<br />

ausweiten können.<br />

Neben der Erschließung neuer<br />

Felder sind sie auch an der Offshore-Förderung<br />

und der Nutzung<br />

unkonventioneller Ressourcen wie<br />

Schiefergas interessiert. Dafür<br />

brauchen sie aber die Unterstützung<br />

von Unternehmen mit dem nötigen<br />

Know-how.<br />

Die Änderung des Gesetzes zur<br />

Regulierung des Öl- und Gassektors,<br />

die nach Aussage Yousfis noch<br />

dieses Jahr in Kraft tritt, lässt Investoren<br />

hoffen. BMI geht davon<br />

aus, dass die Gesetzesänderung die<br />

rechtlichen Rahmenbedingungen<br />

im Öl- und Gassektor verbessert.<br />

Das neue Gesetz könnte die Besteuerung<br />

von Energieprojekten<br />

dahingehend verändern, sodass<br />

künftig nicht mehr der Umsatz,<br />

sondern der Gewinn ausländischer<br />

Unternehmen besteuert<br />

wird. Dies beträfe allerdings nur<br />

neue, risikoreiche Vorhaben.<br />

Sonatrach, eines der weltgrößten<br />

Mineralölunternehmen, steigerte<br />

seine Öl- und Gasexporte im<br />

vergangenen Jahr um 27 Prozent<br />

auf 71,5 Mrd. Dollar. Das Unternehmen<br />

produziert 60 Prozent des<br />

algerischen Öls und verbuchte vergangenes<br />

Jahr 767 Mrd. Dinar (10,3<br />

Mrd. Dollar) Reingewinn. 2010 waren<br />

es 706 Mrd. Dinar.<br />

Vor Kurzem stellte der Konzern<br />

für die kommenden vier Jahre Investitionspläne<br />

im Umfang von 68,2<br />

Mrd. Dollar vor. Ein Großteil des<br />

Geldes werde in Exploration und<br />

Produktion fließen, sagte Sonatrach-Chef<br />

Abdelhamid Zerguine.<br />

Algeriens Öl- und Gasreserven<br />

belaufen sich auf vier Milliarden<br />

Tonnen Öleinheiten, so der Manager.<br />

Der vorläufige Explorationsplan<br />

„dürfte die Primärförderung<br />

von bis zu 234 Millionen Tonnen<br />

Öleinheiten im Jahr 2016 sicherstellen“.<br />

Binnen drei Jahren könne<br />

die Produktion von Schiefergas beginnen,<br />

einer bisher ungenutzten,<br />

aber in großen Mengen vorhandenen<br />

Ressource, sagte Zerguine.<br />

Energie- und Bergbauminister<br />

Yousfi sieht Algerien beim Schiefergaspotenzial<br />

auf einer Stufe mit<br />

den USA. Mehr als 28 000 Milliarden<br />

Kubikmeter Erdgas könnten in<br />

über einem Kilometer Tiefe verborgen<br />

sein, sagt er.<br />

Ohne die Hilfe ausländischer<br />

Unternehmen wird Algerien diesen<br />

Schatz nicht heben können. Das<br />

räumt Yousfi ein. Für die Förderung<br />

des Gases müssen Wasser, Sand und<br />

Chemikalien mit Hochdruck ins Sedimentgestein<br />

gespritzt werden.<br />

Der Minister erläutert: „Wir verfügen<br />

über beträchtliche unkonventionelle<br />

Öl- und Gasressourcen,<br />

die wir derzeit untersuchen. Wenn<br />

das Vorhaben technisch und wirtschaftlich<br />

machbar ist, werden wir<br />

die Förderung konventioneller und<br />

unkonventioneller Öl- und Gasressourcen<br />

in Angriff nehmen. Ich bin<br />

für eine vernünftige Nutzung aller<br />

verfügbaren Energiequellen.“<br />

Die Offshore-Förderung sei in<br />

Algerien geologisch schwieriger<br />

als in den Nachbarländern Tunesien<br />

oder Libyen. „Wir bewerten momentan<br />

das Potenzial, aber anders<br />

als Tunesien oder Libyen müssen<br />

wir hier mit Tiefseebedingungen<br />

zurechtkommen, weil unser Schelf<br />

sehr schmal ist.“<br />

Was die Infrastruktur betrifft,<br />

kündigte Yousfi vor Kurzem an, 10<br />

Mrd. Dollar in fünf neue Raffinerien<br />

zu investieren. Dadurch werde<br />

Algerien die jährlichen Raffineriekapazitäten<br />

von derzeit rund 26 auf<br />

30 Millionen Tonnen erhöhen.<br />

Sonelgaz als Wegbereiter für<br />

Nachhaltigkeitstrategien<br />

Ein Vertrag mit einem internationalen Konsortium unter deutscher Führung unterstreicht<br />

Algeriens Engagement beim Ausbau erneuerbarer Energiequellen<br />

Der Gas- und Stromkonzern Sonelgaz<br />

ist in Algerien führend bei der<br />

Verbreitung und Gewinnung von Energie<br />

aus erneuerbaren Quellen.<br />

“Die Herausforderung besteht darin,<br />

von Erdöl und Erdgas loszukommen”,<br />

sagt Sonelgaz-Chef Bouterfa.<br />

“Das wird nicht einfach, aber jeder<br />

einzelne Beitrag in diesem Zusammenhang<br />

ist wichtig, weil er eine<br />

Kettenreaktion auslösen kann.“<br />

Der Konzern hat sich jüngst mit<br />

Desertec zusammengetan, einem Industriekonsortium<br />

unter deutscher<br />

Führung mit 56 Partnern aus 15 Ländern.<br />

Ziel der Kooperation ist die Nutzung<br />

von Solarenergie und anderen<br />

erneuerbaren Energiequellen in der<br />

MENA-Region, sprich den Ländern<br />

des Nahen Ostens und Nordafrikas.<br />

Im Dezember wurde ein Vorvertrag<br />

mit Desertec unterzeichnet und<br />

im Anschluss daran ein Projekt zur<br />

Erzeugung von 1000 MW erneuerbarer<br />

Energie in Algerien angekündigt.<br />

Bouterfa sagt, 90 Prozent des<br />

Stroms werde nach Europa geliefert,<br />

der Rest bleibt in Algerien.<br />

Bis 2030 will das Land rund 40<br />

Prozent seines Energiebedarfs aus<br />

erneuerbaren Ressourcen decken. In<br />

den Gesprächen mit Desertec betonte<br />

Algerien immer wieder, wie wichtig<br />

eine gemeinsame Finanzierung, eine<br />

stärkere Öffnung des europäischen<br />

Strommarkts sowie der wechselseitige<br />

Technologietransfer seien.<br />

„Der Ausbau der erneuerbaren<br />

Energien ist von grundlegender strategischer<br />

Bedeutung für Algerien”,<br />

sagt Bouterfa. „Unsere Aufgabe ist<br />

es, die erforderlichen Grundlagen<br />

und Bedingungen zu schaffen. Dann<br />

– davon sind wir überzeugt – können<br />

wir jedes Jahr 10 GW Solarenergie<br />

nach Europa exportieren.”<br />

Der staatliche Konzern Sonelgaz<br />

umfasst 36 Tochtergesellschaften,<br />

die hauptsächlich in den Bereichen<br />

Erzeugung, Transport und Verteilung<br />

von Gas und Elektrizität aktiv sind.<br />

Der Konzern betrachtet die Förderung<br />

und Entwicklung der erneuerbaren<br />

Energien durch seine Tochtergesellschaften<br />

als eine seiner vorrangigsten<br />

Aufgaben – neben der Forschung,<br />

dem Bau von Maschinen, der Produktion<br />

sowie der Instandhaltung und<br />

Entwicklung von Industrieanlagen.<br />

Aus diesem Grund wurden auch zahlreiche<br />

Abkommen mit algerischen<br />

Universitäten und Instituten geschlossen,<br />

die sich mit dem Thema Wissenschaft<br />

und Innovation befassen.<br />

Sonelgaz hat sich in der MENA-<br />

Region bereits einen Namen als<br />

Innovationsführer für Solar-Gas-<br />

Hybridkraftwerke gemacht. Entsprechend<br />

der politischen Grundsatzentscheidung,<br />

nach der Algerien<br />

in den nächsten 20 Jahren mehr als<br />

20 Mrd. Dollar in den Ausbau der<br />

erneuerbaren Energien investieren<br />

wird, nahm Sonelgaz kürzlich in<br />

Hassi R’Mel das erste Solar-Gas-<br />

Hybridkraftwerk der MENA-Region<br />

in Betrieb. Es besteht aus einer Thermosolareinheit<br />

mit einer Leistung<br />

von 25 Watt und einem Gas-und-<br />

„Die Herausforderung<br />

besteht darin, von<br />

Erdöl und Erdgas loszukommen.<br />

Das wird<br />

nicht einfach sein, aber<br />

jeder einzelne Beitrag<br />

in diesem Zusammenhang<br />

ist wichtig, weil<br />

er eine Kettenreaktion<br />

auslösen kann.“<br />

Sonelgaz-Chef<br />

Noureddine Bouterfa<br />

Dampf-Kombikraftwerk mit 130<br />

MW Leistung. Bis 2020 sollen rund<br />

6000 MW Solarenergie nach Europa<br />

exportiert werden.<br />

Weitere Solarkraftwerke sind geplant,<br />

doch weist Direktor Bouterfa<br />

auch darauf hin, dass der Ansatz zur<br />

Einbindung erneuerbarer Energien<br />

pragmatisch bleiben muss.<br />

“Wir müssen entscheiden, auf welche<br />

Technologie wir setzen wollen,<br />

und dann lokale Industrien aufbauen,<br />

die dem benötigten Energiemix<br />

entsprechen.”<br />

Bouterfa zufolge werden die<br />

ersten Kraftwerke zu 25 Prozent<br />

Solar- und zu 75 Prozent Gasenergie<br />

liefern. Solarkraftwerke mit<br />

Speicherkapazität werden nicht<br />

vor 2016 entstehen.<br />

“Wir benötigen Speicherkapazitäten,<br />

wenn wir unser Ziel, 40 Prozent<br />

des nationalen Energiebedarfs mit erneuerbaren<br />

Ressourcen abzudecken,<br />

erreichen wollen“, so Bouterfa.<br />

Darüber hinaus ist geplant, in<br />

Rouiba eine Fabrik für Photovoltaikmodule<br />

zu bauen, die auf direktem<br />

Wege Sonnenlicht in Strom<br />

umwandeln. Rund 100 MW pro Jahr<br />

könnten auf diese Weise erzeugt<br />

werden, so Bouterfa. Da im Süden<br />

des Landes keine Infrastruktur existiert,<br />

ist der hohe Energiebedarf<br />

hier nur mit einem Photovoltaik-<br />

Kraftwerk zu decken.<br />

Laut Bouterfa werden 2015/2016<br />

auch Großkraftwerke entstehen.<br />

“Wir zählen darauf, dass Desertec<br />

uns bei der Weiterentwicklung<br />

dieses Konzeptes unterstützen<br />

wird”, erklärt er.<br />

Ein weiteres Beispiel dafür, wie<br />

intensiv Sonelgaz mit anderen Ländern<br />

in Energiefragen kooperiert, ist<br />

der neu gegründete Branchenverband<br />

der Stromnetzbetreiber Med-<br />

TSO, dessen Vorsitz Sonelgaz führt.<br />

Der Verband, der im vergangenen<br />

Mai in Rom von der Europäischen<br />

Kommission ins Leben gerufen<br />

wurde, arbeitet auf eine langfristige<br />

Integration des europäischen Energiemarktes<br />

hin mit dem Ziel, die<br />

Entwicklungsplanungen und den<br />

Betrieb der Netze in den Mitgliedsstaaten<br />

aufeinander abzustimmen.<br />

Bouterfa betont, dass sich Sonelgaz<br />

den Grundsätzen der Transparenz<br />

und der guten Unternehmensführung<br />

verpflichtet sieht. Bei der<br />

Präsentation der Geschäftszahlen<br />

für 2011 erklärte er kürzlich, dass<br />

der Konzern die ersten Restrukturierungsschritte<br />

abgeschlossen<br />

habe, die eingeleitet worden waren,<br />

um den infolge umfangreicher Investitionen<br />

aufgetürmten Schuldenberg<br />

abzubauen.<br />

Die Investitionen rechtfertigte er<br />

mit den Worten: „Da Stromausfälle<br />

nicht mehr erlaubt sind, brauchen<br />

wir Implementierungsstandards und<br />

Netzstrukturen, die leistungsstärker<br />

sind als früher. Und das bedeutet höhere<br />

Investitionen.“<br />

Diese Beilage zur Financial Times Deutschland wurde von der Globus Vision hergestellt, die allein verantwortlich ist für die Inhalte der Beilage


6 ALGERIEN<br />

DONNERSTAG, 5. JULI<br />

Sonatrach: Marktführer der algerischen<br />

Öl-und Erdgasindustrie<br />

Mit 100 Unternehmen und Tochtergesellschaften sowie 160 000 Beschäftigten ist Sonatrach für 30 Prozent des gesamten<br />

Bruttoinlandsprodukts von Algerien verantwortlich. Die Gruppe gehört zu den wichtigsten Öl- und Gasproduzenten weltweit<br />

Sonatrach deckt alle Bereiche der<br />

Erdöl- und Erdgasindustrie ab, von<br />

Exploration und Förderung bis hin zu<br />

Raffinerien, Transport und Handel.<br />

Die Exporteinnahmen der staatlichen<br />

Unternehmensgruppe lagen 2010 bei<br />

56,1 Mrd. Dollar. Damit trug das Unternehmen<br />

maßgeblich dazu bei, Algerien<br />

zum weltweit viertgrößten Exporteur<br />

von verflüssigtem Erdgas (LNG), zum<br />

drittgrößten Exporteur von Flüssiggas<br />

(LPG) und zum fünftgrößten Exporteur<br />

von Erdgas zu machen.<br />

„Die Zahlen sprechen für sich und<br />

zeigen die gute Verfassung von Sonatrach:<br />

Im Geschäftsjahr 2011 erzielten<br />

wir 72 Mrd. Dollar Umsatz, 29 Prozent<br />

mehr als 2010“, sagt Sonatrach-Chef<br />

Abdelhamid Zerguine.<br />

Mit einer Präsenz in 15 Staaten liefert<br />

Sonatrach seine Produkte in so weit<br />

entfernte Länder wie Brasilien, Japan<br />

oder Korea. Der Konzern hat Konzessionen<br />

für Libyen, Mauretanien, Peru,<br />

den Yemen und Venezuela, operiert in<br />

den USA und ist über Tochtergesellschaften<br />

und Vertriebsbüros in Großbritannien,<br />

Italien und Spanien auch in<br />

Europa vertreten. Die Unternehmensgruppe<br />

kann mit Recht von sich behaupten,<br />

das Rückgrat der algerischen<br />

Wirtschaft zu bilden. Mittlerweile ist<br />

sie nicht nur in die petrochemische<br />

Industrie expandiert, sondern auch in<br />

die Bereiche erneuerbare Energien und<br />

Meerwasserentsalzung.<br />

„Wir wollen unsere Explorationsbemühungen<br />

intensivieren“, erklärt<br />

Zerguine die aktuellen Prioritäten des<br />

Unternehmens. Dabei gehe es darum,<br />

die Öl- und Gasreserven im Land zu erschließen<br />

und die natürlichen Rohstoffe<br />

durch die Modernisierung und den Ausbau<br />

der inländischen Petrochemie vorteilhaft<br />

einzusetzen. „Das ist ein guter Weg,<br />

um unsere Importausgaben zu verringern<br />

und die Entwicklung von kleinen und<br />

mittleren Unternehmen zu fördern. Wir<br />

wollen unsere Unternehmensführung<br />

verbessern, vor allem im Personalwesen,<br />

bei Auditprozessen und Ethik, und auf<br />

der Grundlage unserer Stärken eine integrierte<br />

Energiepolitik entwickeln.“<br />

Zukunft durch Exploration<br />

Von 2012 bis 2016 will Sonatrach<br />

insgesamt 68 Mrd. Dollar<br />

investieren, 82 Prozent<br />

davon in die Förderung. Die<br />

Priorität liegt dabei auf dem<br />

Ausbau der Explorations-<br />

Petrochemie und neue Energien<br />

Algerien plant fünf neue Raffinerien,<br />

die zusammen 30 Millionen<br />

Tonnen an zusätzlicher Kapazität<br />

bringen sollen. Der Löwenanteil<br />

des Budgets im offiziellen Investitionsplan<br />

für die Jahre 2009 bis<br />

2013 soll jedoch in der Entwicklung<br />

der petrochemischen Industrie<br />

fließen. Auf diese Weise will Algerien<br />

aus seinen Primärressourcen<br />

mehr Wert schöpfen.<br />

„Wir stehen am Beginn einer<br />

neuen Ära: Wir wollen eine solide<br />

Basis für die petrochemische Industrie<br />

schaffen und sie so modern<br />

gestalten, dass sie auf dem internationalen<br />

Markt mithalten kann.<br />

Das ist wirklich eine neue Herausforderung.<br />

Außerdem wollen wir<br />

Bergbau-, Öl- und Gasindustrie<br />

zusammenbringen und so ein großer<br />

Produzent und Exporteur von<br />

Düngemitteln werden. Denn wir<br />

haben große Phosphatvorkommen,<br />

die darauf warten, genutzt zu werden“,<br />

sagt Energieminister Yousfi.<br />

Im Jahr 2015 will Sonatrach<br />

mehrere neue Geschäftsfelder etabliert<br />

haben: Kunststoff (Polyethylen,<br />

Polypropylen, Harze, Polymere),<br />

elastische Fasern (Nylon)<br />

und Düngemittel; außerdem sind<br />

Produktionstöchter für Helium und<br />

Aluminium geplant. Für die Verarbeitung<br />

von Erdöl und Erdgas<br />

gibt es bereits Partnerschaften mit<br />

Orascom und SBGH, dazu zwei<br />

Fabriken in Arzew, in denen Ammoniak<br />

und Harnsäure entstehen.<br />

„Der Entwicklungsplan zielt auch<br />

darauf ab, den nationalen Markt<br />

Algeriens mit petrochemischen<br />

Produkten zu versorgen, um unsere<br />

Importausgaben zu verringern und<br />

den KMU-Sektor zu fördern“, sagt<br />

Sonatrach-Chef Zerguine.<br />

Energieanalysten erwarten für<br />

Algerien einen massiven Anstieg<br />

der Petrochemieproduktion, sobald<br />

der Komplex in Arzew 2014 fertiggestellt<br />

ist. Durch die weltweite<br />

Wirtschaftsschwäche und Finanzkrise<br />

hat sich dieser Termin zwei<br />

Jahre nach hinten verschoben. Die<br />

Äthylen-Kapazität soll auf 1,23<br />

Millionen Tonnen pro Jahr steigen,<br />

die für Polyethylen auf 878 000<br />

Tonnen; und auch andere Derivate<br />

sollen in Arzew produziert werden.<br />

Zusätzlich investiert Sonatrach<br />

Das Solarpotenzial der Sahara ist 60-mal so groß wie der gesamte<br />

Energiebedarf Westeuropas<br />

aktivität, um sowohl die Versorgung des<br />

Inlandsmarktes als auch die Stellung von<br />

Sonatrach auf dem weltweiten Energiemarkt<br />

zu sichern.<br />

„Im Upstream-Bereich geht es uns<br />

hauptsächlich um die Erneuerung unserer<br />

Öl- und Gasreserven durch intensivere<br />

Exploration und den Ausbau der Produktion<br />

aus bestehenden Feldern. Unser Explorationsportfolio<br />

umfasste vergangenes<br />

Jahr 30 Konzessionen. 2012 sind es schon<br />

57, darunter 15 neue Prospektionsgebiete.<br />

2014 planen wir die Exploration von insgesamt<br />

79 Konzessionen. Durch dieses<br />

ehrgeizige Programm müssten wir in der<br />

Lage sein, uns bis 2016 von 210 Millionen<br />

TOE (Tonnen Erdöläquivalent) auf 234<br />

Millionen TOE zu steigern. Das wäre ein<br />

Zuwachs um elf Prozent“, sagt Zerguine.<br />

Pro Jahr sollen 160 zusätzliche Bohrlöcher<br />

entstehen; neue Partner dafür sind<br />

willkommen. 2009 hat die algerische Regierung<br />

Explorationsabkommen mit vier<br />

ausländischen Unternehmen geschlossen:<br />

mit ENI (Italien), British Gas (Großbritannien)<br />

Eon-Ruhrgas (Deutschland) und<br />

Gazprom (Russland). Von 16 gefundenen<br />

in erneuerbare Energien, tritt dabei<br />

meistens aber nur als Finanzier<br />

auf. „Erneuerbare Energie und gemischte<br />

Energieprojekte fallen in<br />

den Bereich von SONELGAZ, das<br />

für die Stromversorgung zuständig<br />

ist. In Hassi R‘Mel wurde 2011<br />

ein hybrides Gas/Solar-Kraftwerk<br />

in Betrieb genommen, das erste<br />

seiner Art, und Sonatrach war an<br />

der Finanzierung beteiligt“, erklärt<br />

Sonatrachs Handelschefin<br />

Yamina Hamdi.<br />

Nach demselben Prinzip sollen<br />

2013 zwei weitere Hybridkraftwerke<br />

entstehen: Maghaïr im ostalgerischen<br />

Bezirk Ed Oued und<br />

Naâma im westlichen El-Bayad;<br />

von 2016 bis 2020 sind noch einmal<br />

vier Hybridkraftwerke mit je<br />

300 Megawatt Leistung geplant.<br />

Dabei kommen Parabolspiegel mit<br />

einer Fläche von 180 000 Quadratmetern<br />

zum Einsatz, die bis zu 30<br />

Megawatt solarer Leistung liefern,<br />

und dazu eine 120-Megawatt-Gasturbine<br />

von Siemens. Diese Kombination<br />

ermöglicht eine deutliche<br />

Reduzierung der CO2-Emissionen<br />

und passt gut zum Sonatrach-Investitionsplan<br />

bis 2013, der auch<br />

Sicherheits- und Umweltgesichtspunkte<br />

berücksichtigt. Dadurch<br />

gewinnt die Gruppe, die bereits<br />

für ihre technische und finanzielle<br />

Kompetenz bekannt ist, zunehmend<br />

auch im Umweltbereich an<br />

Glaubwürdigkeit.<br />

Die Zahlen sprechen für<br />

sich und zeigen die gute<br />

Verfassung von<br />

Sonatrach: Im<br />

Geschäftsjahr 2011<br />

erzielten wir 72 Mrd.<br />

Dollar Umsatz, 29<br />

Prozent mehr als 2010<br />

Zusätzlich haben wir<br />

Teams, die in Westafrika<br />

das Explorations- und<br />

Förderpotenzial<br />

untersuchen<br />

Abdelhamid Zerguine,<br />

Sonatrach-Chef<br />

Lagerstätten wurden sieben in Partnerschaften<br />

erschlossen, im Jahr darauf wurden<br />

29 weitere Vorkommen entdeckt.<br />

„Wir haben 1,5 Millionen potenziell<br />

erdöl- und erdgashaltige Vorkommen, und<br />

die Mehrzahl davon ist bislang nicht untersucht<br />

worden, also wollen wir die Forschung<br />

in den Feldern Hassi Messaoud<br />

und Illizi intensivieren. Außerdem prüfen<br />

wir unsere beträchtlichen unkonventionellen<br />

Ressourcen“, sagt Youcef Yousfi,<br />

Minister für Energie und Bergbau.<br />

Auch außerhalb von Algerien ist Sonatrach<br />

aktiv. Die Tochter SIPEX hat vor<br />

kurzem, zusammen mit Libyens National<br />

Oil Corporation, 230 Kilometer südöstlich<br />

von Tripolis zwei neue Ölfelder entdeckt.<br />

SIPEX ist außerdem in Niger, Mali, Mauretanien,<br />

Tunesien und über ein Konsortium<br />

für das Camisea-Feld auch in Peru<br />

aktiv: Die Unternehmensgruppe bringt ihre<br />

Kenntnisse ein und ist mit zehn Prozent am<br />

Förderunternehmen und mit 21,8 Prozent<br />

an der Pipeline- und Transportsparte beteiligt.<br />

„Zusätzlich haben wir Teams, die in<br />

Westafrika das Explorations- und Förderpotenzial<br />

untersuchen“, sagt Zerguine.<br />

Die ersten Versuche zur Ölexploration<br />

gab es in Algerien schon 1877. Den frühen<br />

Entdeckungen folgten dann viele<br />

weitere, etwa das riesige Ölvorkommen<br />

bei Hassi Messaoud 1956. Algerien<br />

entwickelte sich rasch zu einem bedeutenden<br />

Akteur in der Energieindustrie.<br />

Dabei war die Gründung von Sonatrach<br />

am 31. Dezember 1963 ein<br />

Schlüsselmoment für das Land – auch<br />

wenn die Regierung damals nur 4,5<br />

Prozent der lizensierten Explorationsgebiete<br />

besaß und 67,5 Prozent<br />

davon in französischer Hand lagen.<br />

Nach dem Sechstagekrieg von 1967<br />

verstaatlichte Algerien die Raffinerieund<br />

Vertriebsaktivitäten von Mobil<br />

und Esso, und am 19. Oktober 1968<br />

unterschrieb Sonatrach eine Vereinbarung<br />

über die Übernahme von 51<br />

Prozent an Getty Oil. Im Februar<br />

1971 dann begann Präsident Houari<br />

Boumedienne mit der Verstaatlichung<br />

aller französischen Öl- und Gasaktivitäten.<br />

Dadurch erlangte Sonatrach<br />

die Kontrolle über die gesamte<br />

Petrochemie-Branche in Algerien.<br />

Das alte Konzessionssystem wurde<br />

ersetzt durch die Zwangsenteignung<br />

eines 51-prozentigen Anteils an allen<br />

französischen Erdölunternehmen im<br />

Land. Nur Total erklärte sich bereit,<br />

seine Aktivitäten dort fortzusetzen,<br />

die anderen Unternehmen verließen<br />

das Land.<br />

LNG<br />

und LPG<br />

Die Verflüssigung von Gas bringt<br />

viele neue Exportchancen, denn<br />

sie verringert das Volumen von<br />

600 Kubikmetern Gas auf nur einen<br />

Kubikmeter Flüssigkeit. Wenn<br />

das flüssige Gas am Ziel eintrifft,<br />

wird es in Sonatrach-Terminals<br />

wieder in den gasförmigen Zustand<br />

gebracht und anschließend<br />

über Pipelines weiterbefördert.<br />

Die erste Methan-Verflüssigungsanlage<br />

von Sonatrach entstand<br />

1964 mit britischer Hilfe<br />

in der Hafenstadt Arzew. Weitere<br />

Anlagen dieser Art gibt es inzwischen<br />

in Arzew, Betioua und in<br />

Skikda, wo auch eine große Raffinerie<br />

steht. „Über Pipelines exportieren<br />

wir Erdgas an unsere Nachbarn<br />

Tunesien und Marokko, und<br />

Ägypten ist einer unserer größten<br />

Kunden für LPG. LNG exportieren<br />

wir sogar nach Asien und<br />

Südamerika, nach Indien, Taiwan,<br />

Japan, in alle asiatischen Länder“,<br />

sagt Handelschefin Hamdi. „Bei<br />

Erdgas ist Sonatrach ein wichtiger<br />

Akteur auf dem internationalen<br />

Markt. Wir waren Pioniere bei der<br />

Verflüssigung und haben einige<br />

der ersten Anlagen dafür gebaut,<br />

so dass wir LNG in jeden Teil der<br />

Welt exportieren können; zwei<br />

weitere Anlagen werden bald<br />

in Betrieb gehen, eine Ende des<br />

Jahres in Skikda und eine weitere<br />

2013 in Arzew.“<br />

Nach den Plänen des Unternehmens<br />

sollen die Erdgasexporte bis<br />

2015 um 60 Prozent auf 100 Milliarden<br />

Kubikmeter steigen, unterstützt<br />

von mehr ausländischen<br />

Investitionen und Finanzierungen<br />

für Infrastrukturprojekte. Die<br />

Lieferungen von Skikda und der<br />

zweiten neuen Anlage in Arzew<br />

aus dürften etwa zeitgleich 2013<br />

oder 2014 beginnen können.<br />

Außerdem arbeitet die US-Konstruktionsfirma<br />

KBR derzeit im<br />

Auftrag von Sonatrach an einer<br />

weiteren Anlage für den Export<br />

mit einer Kapazität von 4,5 Millionen<br />

Tonnen pro Jahr.<br />

Die Geschichte<br />

eines Imperiums<br />

Im Dezember 1979 erbrachte eine<br />

Konferenz über Ölförderung die Empfehlung,<br />

eine stärkere Beteiligung ausländischer<br />

Unternehmen und Staaten an<br />

der Exploration in Algerien zuzulassen.<br />

Ab 1986 konnten ausländische Öl- und<br />

Gasunternehmen als Partner von Sonatrach<br />

in Algerien aktiv werden. 1991<br />

wurde das Verfahren weiter vereinfacht.<br />

Das am 12. Januar 1989 unterzeichneten<br />

Abkommen zwischen Sonatrach und<br />

Gaz de France gab dem Staat das Recht,<br />

einen Kompromisspreis von rund 2,30<br />

Dollar pro Million BTU festzusetzen.<br />

Bis 1990 wurden jährlich insgesamt<br />

9,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas geliefert,<br />

und Sonatrach konnte noch 850<br />

Millionen Francs für vergangene Jahre<br />

verlangen, denn das Abkommen galt<br />

rückwirkend ab November 1987.<br />

Im März 2005 verabschiedete das<br />

algerische Parlament ein Reformgesetz<br />

für den Erdöl- und Erdgassektor, das<br />

Investitionen von internationalen Ölunternehmen<br />

in den bis dahin von Sonatrach<br />

dominierten Sektor erleichterte.<br />

2006 allerdings gab es, bei Ölpreisen<br />

von mehr als 30 Dollar pro Barrel,<br />

Änderungen an dem Gesetz, die eine<br />

Sondersteuer auf die Gewinne der Ausländer<br />

in Höhe von bis zu 50 Prozent<br />

vorsahen. Außerdem wurde Sonatrach<br />

das Anrecht auf eine Beteiligung von<br />

mindestens 51 Prozent an jeder neu entdeckten<br />

Lagerstätte zugesprochen.<br />

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DONNERSTAG, 5. JULI<br />

ALGERIEN<br />

7<br />

Verlässliche Transportnetze<br />

und strategische Partnerschaften als<br />

Schlüssel zu Export-Erfolgen<br />

Ein gut ausgebautes Transportsystem<br />

aus Gaspipelines, eine ansehnliche<br />

Schiffsflotte und eine Reihe von internationalen<br />

Partnerschaften sind eine der<br />

Voraussetzungen für Sonatrachs Erfolg:<br />

So kann das Unternehmen sowohl die<br />

Förderung (Upstream-Bereich) als auch<br />

den Verkauf (Downstream-Bereich)<br />

kontrollieren.<br />

„Wir haben mehr als 19 000 Kilometer<br />

Transportnetze, die das Land kreuz<br />

und quer durchziehen“, sagt Allaoua<br />

Saidani, der diesen Bereich bei Sonatrach<br />

verantwortet. „Algerien ist stolz<br />

auf seine internationalen und transmediterranen<br />

Pipelines. Die erste Pipeline<br />

zwischen Hassi Messaoud und Arzew<br />

– genannt „Loseta“ – war im Juni 1965<br />

betriebsbereit, nur ein Jahr nach der<br />

Gründung von Sonatrach. Derzeit sind<br />

1700 weitere Kilometer im Bau, wegen<br />

neuer Funde wie dem in Reggane oder<br />

als Reaktion auf neue Nachfrage.“<br />

Nach Norwegen und Russland ist<br />

Algerien der drittgrößte Gasexporteur<br />

in die Europäische Union. Das Land<br />

liefert etwa 20 Prozent des europäischen<br />

Bedarfs, und durch seine relative Nähe<br />

könnte es sogar zum wichtigsten Lieferanten<br />

von Gas und Strom werden.<br />

Stolz ist Sonatrach dabei nicht nur auf<br />

die schieren Mengen, sondern auch auf<br />

seine Verlässlichkeit.<br />

„Derzeit exportieren wir 30 Milliarden<br />

Kubikmeter Gas pro Jahr, und Sonatrach<br />

ist bekannt für hohe Servicequalität<br />

und Zuverlässigkeit“, erklärt Saidani.<br />

„Unsere Kunden kennen den hohen<br />

Standard unseres Produkts, und wir liefern<br />

über unsere Pipelines seit 40 Jahren<br />

ohne jede Unterbrechung. Kein einziges<br />

Mal gab es Engpässe, anders als bei der<br />

Ukraine-Krise 2009 oder den Problemen<br />

mit russischem Gas.“ Selbst während des<br />

Bürgerkriegs in den 90er-Jahren, dem<br />

„schwarzen Jahrzehnt“ für Algerien,<br />

habe man mit bemerkenswerter Kontinuität<br />

geliefert, sagt der Manager.<br />

Ähnlich äußert sich Yamina Hamdi,<br />

die bei Sonatrach für den Handel verantwortlich<br />

ist: „Unseren Kunden zuzuhören<br />

und dann auf ihre Bedürfnisse<br />

zu reagieren, ist für uns ein Leitmotiv<br />

als wirklich zuverlässiger und flexibler<br />

Lieferant. Im vergangenen, sehr kalten<br />

Winter etwa haben wir schnell auf die<br />

höhere Nachfrage reagiert, vor allem in<br />

Europa.“<br />

Vier zentrale Pipelinerouten ermöglichen<br />

den effizienten Gastransport nach<br />

Europa. Eine davon, Enrico Mattei,<br />

verläuft durch Tunesien und dann nach<br />

Italien und wird seit 1982 zusammen<br />

Stolz ist Sonatrach dabei<br />

nicht nur auf die schieren<br />

Mengen, sondern auch<br />

auf seine Verlässlichkeit<br />

mit dem italienischen Konzern ENI<br />

betrieben. Eine weitere Pipeline, Pedro<br />

Duran Farell, wurde zusammen mit<br />

Endesa, Sepsa und GDF gebaut und<br />

1996 fertiggestellt. Von der Küstenstadt<br />

Béni Saf aus verläuft sie über eine<br />

Länge von 210 Kilometern in 2150<br />

Metern Tiefe unter dem Mittelmeer<br />

nach Almeria in Spanien – eine echte<br />

technische Herausforderung.<br />

Das Pipelinenetz wird ständig erweitert.<br />

Im April 2011 zum Beispiel<br />

wurde die neue Export-Leitung Medgas<br />

in Betrieb genommen, bald soll<br />

auch Gassi zwischen Algerien, Sardinien<br />

und Italien, gebaut mit den italienischen<br />

Partnern Enel, Edison und<br />

Progesissa, eröffnet werden. Außerdem<br />

plant Sonatrach den Bau einer<br />

Transsahara-Pipeline, durch die Gas<br />

aus Nigeria die Mittelmeerküste erreichen<br />

soll. „Wir sind jetzt dabei, unsere<br />

Routen zu diversifizieren. Zuerst<br />

wurde Italien über eine Route versorgt,<br />

jetzt haben wir zwei, und das Gleiche<br />

gilt für Spanien. Dadurch bekommen<br />

wir mehr Sicherheit und Flexibilität“,<br />

erklärt Pipeline-Chef Saidani.<br />

Handelsspezialistin Hamdi ergänzt:<br />

„Wir haben Tochterunternehmen für<br />

Handel und Vertrieb im Ausland aufgebaut<br />

– in Italien, Spanien (Sonatrach<br />

Gas Comercializadora) und Großbritannien<br />

mit unserer größten Auslandstochtergesellschaft<br />

SPC in London. Sie existiert<br />

seit 1998 und handelt mit Öl und<br />

LPG rund um die Welt. Für uns ist das<br />

ein guter Weg, mehr Präsenz im Downstream-Geschäft<br />

zu haben. Außerdem<br />

haben wir einen Anteil am Terminal zur<br />

Regasifizierung bei Reganoza in Spanien,<br />

eine 49-Prozent-Beteiligung an der<br />

Petrochemiefabrik Propanchem in Tarragona<br />

und Speicheranlagen für Rohöl<br />

in Korea.“<br />

Um auch Ziele außerhalb der Reichweite<br />

seiner Pipelines erreichen zu<br />

können, braucht Sonatrach flexible<br />

und verlässliche Möglichkeiten für<br />

den Transport per Schiff. Der Großteil<br />

seiner Flotte, betreut von der Tochter<br />

HYPROC, gehört dem Unternehmen<br />

allein, der Rest einem 50-prozentigen<br />

Gemeinschaftsunternehmen mit Itoshu<br />

und Fergusson. Neun LNG-Tankschiffe<br />

mit einer Kapazität von zusammen<br />

einer Million Kubikmeter bedienen<br />

sowohl langfristige Kunden als auch<br />

Gelegenheitskäufer auf dem Spotmarkt.<br />

„Diese Flotte ist die Grundlage<br />

für unsere leistungsstarke und effektive<br />

Verkaufsstrategie. Wir haben zehn<br />

LPG-Transporter mit Kapazitäten von<br />

6000 bis 82 000 Kubikmetern und exportieren<br />

fast acht Millionen Tonnen<br />

LPG pro Jahr. Dadurch bewahren wir<br />

uns die Kundentreue vor Ort und bringen<br />

gleichzeitig den Verkauf in weiter<br />

entfernten Gegenden voran.“<br />

Know-How Transfer<br />

In einer Branche mit rapide voranschreitender technischer Entwicklung<br />

muss auch das Personal immer auf dem Laufenden sein. Sonatrachs<br />

Lösung für dieses Problem liegt in Fortbildung und Spezialschulungen<br />

„Um unseren Beschäftigten Wissen,<br />

Techniken, Unternehmenskultur<br />

und Visionen zu vermitteln, betreiben<br />

wir eigene Schulungszentren“,<br />

erklärt Abdelkader Benchouia, der<br />

den Vertrieb verantwortet. Um das<br />

Ausbildungssystem auf internationales<br />

Niveau zu bringen, stehe ein<br />

Budget von 7 Mrd. Dinar zur Verfügung.<br />

„Wir haben uns ein ehrgeiziges<br />

Programm zur Spezialisierung<br />

auf Finanzen, Management und<br />

Ingenieurswesen gegeben, um die<br />

besten Universitätsstudenten anzulocken<br />

und den Ausbildungsstand<br />

unserer Mitarbeiter zu erhöhen. Ein<br />

weiteres Ziel besteht darin, die Gesundheits-<br />

und Sicherheitskultur in<br />

der Gruppe zu fördern“.<br />

„IAP hat eine Kooperationsvereinbarung<br />

mit dem Institut Français du<br />

Pétrole abgeschlossen, das Lehrkräfte<br />

und Material zur Verfügung stellt.<br />

Deshalb ist der Standard der Ausbildung<br />

hervorragend. Ich selbst habe<br />

dort bis 1977 studiert“, sagt Pipeline-<br />

Chef Saidani. Auf diese Weise hätten<br />

sich algerische Unternehmen Zugriff<br />

auf ein hohes Maß an Kompetenz<br />

und Erfahrung gesichert.<br />

Wie Energieminister Yousfi erklärt,<br />

laufen die Bemühungen um<br />

Ausbildung und Schulung weiter –<br />

nicht nur bei Sonatrach, sondern im<br />

ganzen Land: „Vor kurzem haben<br />

wir das algerische Bergbauinstitut<br />

geschaffen. Dort bilden wir Techniker<br />

und Ingenieure für die Erschließung<br />

unseres riesigen Bergbaupotenzials<br />

aus, das bislang fast völlig<br />

brachliegt.“<br />

Sonatrach selbst bietet nicht nur<br />

Jobs und Schulungen, im Rahmen<br />

seiner gesellschaftlichen Verantwortung<br />

unterstützt der Konzern Bedürftige<br />

und fördert wissenschaftliche,<br />

kulturelle und sportliche Aktivitäten.<br />

Außerdem setzt sich die Gruppe für<br />

den Naturschutz und die Bewahrung<br />

des kulturellen und historischen<br />

Erbes des Landes ein.<br />

Getreu den Prinzipien der nachhaltigen<br />

Entwicklung verbindet Sonatrach<br />

wirtschaftliches Wachstum<br />

mit einer Selbstverpflichtung auf<br />

Sicherheit für Menschen und Anlagen.<br />

Außerdem hat das Unternehmen<br />

versprochen, die Folgen seiner Tätigkeit<br />

für die Gesundheit von Mitarbeitern<br />

und Anwohnern zu verringern.<br />

Seit 2001 kümmert sich eine eigene<br />

Stabsstelle um diese Fragen.<br />

Um die Umweltschäden durch das<br />

Öl- und Gasgeschäft zu verringern<br />

oder ganz zu eliminieren, hat Sonatrach<br />

bereits mehrere Maßnahmen<br />

ergriffen, vor allem zur Reduzierung<br />

der Emission von Treibhausgasen<br />

und anderen Schadstoffen. So fackelt<br />

das Unternehmen zum Beispiel heute<br />

weniger Gas ab. Das Gesamtvolumen<br />

hat sich in den vergangenen<br />

30 Jahren zwar vervierfacht, doch<br />

das Verhältnis von abgefackeltem zu<br />

produziertem Gas wurde von 80 Prozent<br />

im Jahr 1970 auf sieben Prozent<br />

im Jahr 2007 gedrückt. Für die Zukunft<br />

strebt Sonatrach weitere Fortschritte<br />

auf diesem Gebiet und bei<br />

den CO2-Emissionen an.<br />

Diese Beilage zur Financial Times Deutschland wurde von der Globus Vision hergestellt, die allein verantwortlich ist für die Inhalte der Beilage


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10 ALGERIEN<br />

DONNERSTAG, 5. JULI<br />

Gewinn von Bodenschätzen<br />

Neben Erdöl und Erdgas hat Algerien noch jede<br />

Menge anderer Rohstoffe. Ausländische<br />

Unternehmen sollen jetzt dabei helfen, den<br />

Bergbausektor zu entwickeln<br />

Während Algerien auf dem internationalen<br />

Erdöl- und Erdgasmarkt ganz<br />

vorne mit dabei ist, sind die Mineralvorkommen<br />

des Landes noch<br />

weitgehend unerschlossen. „Wir<br />

sind eine Bergbaunation mit einem<br />

enormen, aber brachliegenden Förderpotenzial“,<br />

bringt es Algeriens<br />

Energie- und Bergbauminister Youcef<br />

Yousfi auf den Punkt.<br />

Zwar steht die geologische Erkundung<br />

des größten afrikanischen<br />

Lands vielerorts noch aus, doch einige<br />

Vorkommen wertvoller Rohstoffe<br />

wie Eisenerz, Zink, Blei, Uran, Kupfer,<br />

Gold und Phosphate sind bereits<br />

bekannt. Diamanten und andere<br />

Edel- und Halbedelsteine wurden<br />

ebenfalls gefunden.<br />

Dem Bergbausektor, der 2001 liberalisiert<br />

wurde, will die Regierung<br />

jetzt mithilfe ausländischer Partner<br />

einen neuen Entwicklungsschub verleihen.<br />

Eine neue Strategie soll mehr<br />

ausländische Investitionen und Expertise<br />

ins Land bringen.<br />

Ein intensiverer Bergbau würde<br />

nicht nur die Außenhandelsbilanz aufbessern,<br />

sondern auch für eine stärkere<br />

Diversifizierung der Wirtschaft<br />

sorgen und helfen, die steigende<br />

Nachfrage nach Bau- und Industrierohstoffen<br />

zu decken.<br />

„Algerien verfügt über erhebliches,<br />

aber nach wie vor unbekanntes Potenzial<br />

im Bergbau. Trotz der großen<br />

Bemühungen des Staates ist die Entwicklung<br />

dieses Potenzials bislang<br />

sehr begrenzt geblieben, und eine geologische<br />

Kartierung des Landes steht<br />

ebenfalls noch aus“, sagt Yousfi.<br />

„Wir haben Phosphate, Eisenerz,<br />

Gold und andere Edelmetalle – sogar<br />

Diamanten – und wir sind jetzt dabei,<br />

potenzielle Förderstellen zu prüfen.<br />

Zudem gibt es andere Mineralien wie<br />

Mangan, Blei und Zink, die wir auf effiziente<br />

Weise fördern wollen.“<br />

Vergangenes Jahr fasste die Regierung<br />

all ihre Bergbauunternehmen<br />

zum neuen Staatskonzern Manadjim<br />

El Djazair (Manal) zusammen, der<br />

mit 5 Mrd. algerischen Dinar (51 Mio.<br />

Euro) Kapital ausgestattet ist. Aufgabe<br />

des Konzerns ist es, die Erforschung,<br />

Exploration und Förderung der Mineralressourcen<br />

des Landes auszuweiten,<br />

Arbeitsplätze zu schaffen und die<br />

Ausfuhr von Rohstoffen jenseits des<br />

Mineralölsegments zu fördern.<br />

„Unser Land verfügt über reichhaltige<br />

Vorkommen, deren wahres<br />

wirtschaftliches Potenzial noch nicht<br />

bekannt ist. Wir sind bereit, ausländische<br />

Interessenten an potenzielle<br />

Schürfgebiete zu führen. Es gibt<br />

durchaus Reserven, die wir gemeinsam<br />

erforschen können“, sagt Manal-<br />

Chef Farid Benhadji.<br />

Zwei der größten Bergbauprojekte,<br />

die derzeit laufen, werden<br />

von ENOR und Western Mediterranean<br />

Zinc durchgeführt.<br />

ENOR ist ein Joint Venture des<br />

britischen Unternehmens GMA Resources<br />

und des staatlichen Energiekonzerns<br />

Sonatrach, das die Goldvorkommen<br />

zwischen Tirek und<br />

Amesmessa ausbeutet. Bei Western<br />

Mediterranean Zinc haben sich Terramin<br />

Australia und die algerischen<br />

Staatsunternehmen ENOF und<br />

ORGM zusammengeschlossen, um<br />

das das Zink- und Bleivorkommen in<br />

Oued Amizour zu entwickeln.<br />

Angesichts weltweit steigender<br />

Rohstoffpreise suchen viele internationale<br />

Unternehmen in Afrika nach<br />

„Unser Land verfügt über reichhaltige Vorkommen, deren wahres wirtschaftliches<br />

Potenzial noch nicht bekannt ist. Wir sind bereit, ausländische<br />

Interessenten an potenzielle Schürfgebiete zu führen. Es gibt durchaus<br />

Reserven, die wir gemeinsam erforschen können“<br />

Farid Benhadji., Manal-Chef<br />

neuen Quellen. In Algerien sind vor<br />

allem australische und chinesische<br />

Unternehmen aktiv.<br />

„Europäische und amerikanische<br />

Unternehmen haben hier in Algerien<br />

noch kein Interesse angemeldet“,<br />

sagt Benhadji. „Um sie zu überzeugen,<br />

müssen wir zeigen, dass wir<br />

über erstklassige Lagerstätten verfügen.<br />

Die Aussicht auf 1 Mio. Dollar<br />

Jahresumsatz lockt niemanden hierher.<br />

Wenn sie nicht 20 oder 30 Mio.<br />

Dollar erzielen können, werden diese<br />

Unternehmen nicht kommen.“<br />

Dass die Entwicklung des Bergbausektors<br />

viel Zeit benötigen wird,<br />

weiß Benhadji. „Die Bergbauwelt bewegt<br />

sich sehr langsam. Wir müssen<br />

das Vertrauen unserer Partner erwerben,<br />

anders wird es nicht funktionieren.“<br />

Viele der Mineralvorkommen Algeriens<br />

liegen in abgelegenen Gebieten,<br />

in denen die nötige Transportinfrastruktur<br />

fehlt. Auf der<br />

Habenseite kann das Land seine<br />

Nähe zu Europa verbuchen, Algeriens<br />

wichtigstem Abnehmer von<br />

Mineralien, außerdem die geringen<br />

Arbeitskosten und die Bereitschaft<br />

des Staates, Unternehmen zu unterstützen,<br />

die investieren wollen.<br />

Algeriens Bergbaurecht garantiert<br />

die Gleichbehandlung aller Investoren,<br />

ermöglicht getrennte Eigentumsrechte<br />

an Oberfläche und Untergrund<br />

und schreibt für Streitigkeiten<br />

das Recht auf Berufung vor einem<br />

internationalen Schiedsgericht fest.<br />

Zudem gibt es spezielle Anreize für<br />

Investoren, die Ausrüstung einführen,<br />

Vorteile bei der Übertragung<br />

investierter Umsätze, Befreiungen<br />

von Zoll- und Konzessionsabgaben,<br />

Abschreibungsbeihilfen und Konzessionsnachlässe.<br />

Ein gutes Beispiel für das noch<br />

brachliegende Potenzial ist Phosphat.<br />

Algerien ist derzeit ein unbedeutender<br />

Phosphatlieferant,<br />

doch die Reserven im Land werden<br />

auf rund zwei Milliarden<br />

Tonnen geschätzt.<br />

Bis 2020 will die Regierung die<br />

jährliche Ausfuhr von derzeit weniger<br />

als zehn Millionen auf mehr<br />

als 30 Millionen Tonnen steigern.<br />

Damit wäre Algerien nach den USA<br />

und China der drittgrößte Phosphatproduzent<br />

der Welt. Die Behörden<br />

gehen davon aus, dass der<br />

Exporterlös bei 7 Mrd. bis 8 Mrd.<br />

Dollar pro Jahr liegen könnte.<br />

„Wir sind derzeit auf der Suche<br />

nach Partnern“, sagt Benhadji.<br />

„Zunächst ist geplant, drei Phosphorsäureeinheiten<br />

aufzubauen.<br />

Danach schauen wir, ob wir das<br />

Projekt gemeinsam ausbauen können.<br />

Wir sind verhandlungsbereit<br />

und passen gegebenenfalls auch<br />

den Umfang des Projekts an.“<br />

„Unsere direkten Wettbewerber<br />

sind Marokko und Tunesien“, fügt<br />

Benhadji hinzu, „wir sind jedoch<br />

im Vorteil, da wir auch über Gas<br />

verfügen, und unsere Produktionskosten<br />

niedriger sind.“<br />

Algerien hat bereits ein Bergbauinstitut<br />

gegründet, um die erforderlichen<br />

Techniker und Fachkräfte<br />

zu auszubilden.<br />

„Wir sind uns bewusst, dass wir die<br />

Leute ins Ausland schicken müssen,<br />

um ihre Kompetenzen zu erweitern“,<br />

sagt Benhadji. „Wir wollen helfen,<br />

den Sektor wieder aufzubauen. Wir<br />

haben enormes Potenzial. Aber es<br />

auszuschöpfen erfordert Wissen.“<br />

Diese Beilage zur Financial Times Deutschland wurde von der Globus Vision hergestellt, die allein verantwortlich ist für die Inhalte der Beilage


DONNERSTAG, 5. JULI<br />

ALGERIEN<br />

11<br />

Bürger, die monatlich weniger als 24 000 Dinar verdienen<br />

(rund 320 Dollar) haben einen gesetzlichen Anspruch auf<br />

kostenlose Unterbringung durch den Staat.<br />

Bis 2017 sollen mehr als zwei Millionen<br />

Eigenheime entstehen<br />

Mit dem Bau neuer Häuser und der Sanierung<br />

der Slums will Algerien die Lebensbedingungen<br />

Tausender Familien verbessern, denen<br />

angemessener Wohnraum bislang fehlt<br />

Obwohl sie in einem der wohlhabendsten<br />

Länder Afrikas leben, können<br />

sich einige Familien mit geringem oder<br />

mittlerem Einkommen nach wie vor<br />

keine angemessene Unterkunft leisten.<br />

Algeriens Regierung ist gezwungen,<br />

rasch für Abhilfe zu sorgen, und hat ein<br />

nationales Wohnungsbauprogramm ins<br />

Leben gerufen, um bis 2017 2,4 Millionen<br />

neue Unterkünfte zu bauen.<br />

Tatsächlich ist bereits viel geschehen:<br />

In den vergangenen zehn Jahren wurden<br />

mehr als zwei Millionen Eigenheime<br />

errichtet und Tausende Familien in bessere<br />

Unterkünfte umgesiedelt. Bürger,<br />

die monatlich weniger als 24 000 Dinar<br />

verdienen (rund 320 Dollar) haben einen<br />

gesetzlichen Anspruch auf kostenlose<br />

Unterbringung durch den Staat.<br />

Das Ministerium für Wohnungsbau<br />

wird mit einem Stand auf der Messe in<br />

Algier vertreten sein, mit der die Nation<br />

vom 5. bis zum 20. Juli das 50-jährige<br />

Jubiläum der Unabhängigkeit von<br />

Frankreich begeht. Eigens für diesen<br />

Anlass wurden ein Dokumentarfilm<br />

und ein Magazin entwickelt, das zeigt,<br />

wie sehr sich der Bausektor in den<br />

zurückliegenden fünf Jahrzehnten gewandelt<br />

hat. Im ganzen Land wird das<br />

Ministerium Seminare zu neuen Bauverfahren<br />

veranstalten.<br />

Noureddine Moussa, Minister für<br />

Wohnungsbau und Stadtplanung, ist<br />

zuversichtlich, dass die derzeit fehlenden<br />

1,2 Millionen Wohneinheiten<br />

bis 2014 fertiggestellt sind. Für das laufende<br />

Jahr wird die Fertigstellung von<br />

674 000 Wohnungen aller Bauarten<br />

erwartet, und für die kommenden zwei<br />

Jahre sind weitere 265 000 Einheiten<br />

pro Jahr geplant.<br />

„Unser Budget für die Wohnraumund<br />

Stadtentwicklung ist enorm: Für<br />

die kommenden fünf Jahre stehen uns<br />

4 700 Mrd. Dinar – oder 60 Mrd. Dollar<br />

– zur Verfügung. Neben dem Neubau,<br />

der Sanierung und der Modernisierung<br />

investieren wir auch massiv in den Aufbau<br />

einer nachhaltigen Infrastruktur in<br />

den Städten. Diese Programme haben<br />

uns in den vergangenen fünf Jahren<br />

rund 5 Mrd. Dollar gekostet. Für die<br />

noch ausstehenden Maßnahmen sind<br />

weitere rund 4. Mrd. Dollar geplant“,<br />

berichtet Moussa.<br />

Mit dem Wachstum der Bevölkerung<br />

und dem Exodus vieler Menschen vom<br />

Land in die Stadt ist die Nachfrage nach<br />

sozialem Wohnungsbau und öffentlich<br />

geförderten Wohnungen in Algerien gestiegen.<br />

Als Präsident Abdelaziz Bouteflika<br />

1999 sein Amt antrat, brachte er<br />

verschiedene Wohnungsbauprojekte<br />

auf den Weg, nachdem der Sektor über<br />

Jahrzehnte vernachlässigt worden war.<br />

„Da es über 15 Jahre nahezu überhaupt<br />

keine Neubauten gegeben hatte,<br />

war eine massive Wohnungsnot<br />

entstanden“, sagt Moussa. „Hinzu<br />

kommt, dass in den 90er-Jahren viele<br />

Menschen die ländlichen Gebiete verlassen<br />

und um die großen Städte wie<br />

Algier, Oran, Constantine, Annaba<br />

und Skikda behelfsmäßige Behausungen<br />

errichtet haben.“<br />

Was wir in der Planungsperiode<br />

von 2005 bis 2009, in der eine Million<br />

Wohneinheiten fertiggestellt werden<br />

sollten, nicht geschafft haben, wird<br />

im aktuellen Fünf-Jahres-Programm<br />

nachgeholt. Von den geplanten 2,4 Millionen<br />

Wohnungen sind eine Million<br />

staatliche Mietwohnungen, 900 000<br />

Einheiten auf dem Land und 550 000<br />

staatlich geförderte Wohneinheiten.<br />

Da die geringe Verfügbarkeit und<br />

das hohe Preisniveau von Bauland die<br />

Bautätigkeit im Privatsektor bremsen,<br />

wurden im Rahmen des Programms öffentliche<br />

Flächen freigegeben und unter<br />

Marktpreis verkauft, um den Bau von<br />

Wohnungen zu fördern.<br />

Im Jahr 2009 beschloss die Regierung<br />

die Elendsviertel der Städte aufzulösen.<br />

Im Rahmen des Vorhabens,<br />

das als das größte Umsiedlungsprogramm<br />

seit der Unabhängigkeit des<br />

Landes bezeichnet wurde, haben<br />

Tausende Slumbewohner neue Wohnungen<br />

erhalten.<br />

„Wir haben uns zum Ziel gesetzt,<br />

bis 2014 alle Slums abzuschaffen“,<br />

sagt der Wohnungsbauminister. „Es<br />

gibt nach wie vor Menschen, die sich<br />

Behelfsunterkünfte errichten. Wenn<br />

wir aber die meisten dieser selbstgebauten<br />

Notunterkünfte wegräumen<br />

können, haben wir, glaube ich, schon<br />

sehr viel erreicht.“<br />

Allein das staatliche Bauunternehmen<br />

Cosider hat Tausende Wohnungen<br />

errichtet, und ausländische Bauunternehmer<br />

haben die Entwicklung von<br />

„Unser Budget für die<br />

Wohnraum- und<br />

Stadtentwicklung ist enorm:<br />

Für die kommenden<br />

fünf Jahre stehen uns<br />

4 700 Mrd. Dinar –<br />

oder 60 Mrd. Dollar –<br />

zur Verfügung“,<br />

Noureddine Moussa,<br />

Minister für Wohnungsbau<br />

und Stadtplanung<br />

Wohnraum durch Joint Ventures und den<br />

Transfer von Technologie unterstützt.<br />

„Der Bau schlüsselfertiger Wohnungen<br />

löst zwar die unmittelbare<br />

Wohnungsnot, hat aber kaum weitreichende<br />

Auswirkungen auf die Wirtschaft<br />

und die Gesellschaft“, sagt<br />

Moussa. „Wir haben uns deshalb für<br />

Partnerschaften mit Unternehmensberatern<br />

und den Herstellern von Bauausrüstung<br />

und Baustoffen entschieden,<br />

die mit algerischen Unternehmen<br />

zusammenarbeiten.“<br />

„Uns geht es darum, Fachwissen<br />

und Entwicklungskompetenzen zu verbessern,<br />

indem wir mit Unternehmen<br />

arbeiten, die über entsprechende Kompetenzen<br />

verfügen und bereit sind, mit<br />

uns zu kooperieren. Wir arbeiten derzeit<br />

mit italienischen Herstellern, um neue<br />

strukturelle Entwürfe zu entwickeln,<br />

nachdem wir im Vorfeld bereits Erfahrung<br />

mit spanischen und chinesischen<br />

Partnern gesammelt haben.<br />

„Die unterschiedlichsten Baumaterialien<br />

werden reibungslos auf<br />

dem algerischen Markt eingeführt,<br />

und wir setzen neue, schnelle und<br />

effiziente Bauverfahren ein, um die<br />

Nachfrage zu bedienen.“<br />

Neben Neubauten fördert der<br />

Staat auch die Sanierung und Modernisierung<br />

alter Gebäude, insbesondere<br />

in Algier.<br />

„Einige der Gebäude sind in einem<br />

erbärmlichen Zustand, sodass wir<br />

für deren Sanierung sehr viel Mittel<br />

aufwenden mussten“, sagt Moussa.<br />

„In Oran haben wir zum Beispiel<br />

an buchstäblich allen Gebäuden des<br />

Stadtzentrums Arbeiten durchführen<br />

müssen. In Algier haben wir an allen<br />

alten Gebäuden gegenüber dem<br />

Hauptpostamt gearbeitet.<br />

Der Minister unterstreicht, dass die<br />

Wohnungsbauprogramme nicht nur<br />

die Lebensqualität der Menschen verbessern,<br />

sondern auch Arbeitsplätze<br />

schaffen und das Bruttoinlandprodukt<br />

steigern: „Der Wohnungsbau hat eine<br />

soziale Dimension. Doch es gibt auch<br />

eine wirtschaftliche. Wenn man überall<br />

LKW sieht, die den Bedarf der Bauindustrie<br />

decken, ist das ein Zeichen dafür,<br />

dass viele Synergien entstehen und<br />

die Wirtschaft angekurbelt wird.“<br />

„Experten bestätigen, dass Wohnungsbau<br />

zwischen 1,5 und 2 weitere<br />

Arbeitsplätze für jeden während der<br />

Bauzeit eingestellten Mitarbeiter schaffen.<br />

Wenn wir also mit unserem Programm<br />

zwei Millionen neue Häuser entstehen<br />

lassen, beschäftigt der Bausektor<br />

wirklich eine Menge Menschen.“<br />

Wohnraum für alle finanzieren<br />

Die landesweite Wohnungsknappheit zwingt Algerien, neuen Wohnraum zu schaffen – oder die Menschen beim Wohnungsbau zu unterstützen<br />

Mit ihrer breit angelegten Initiative<br />

zum Bau von Wohnungen hat<br />

sich die algerische Regierung ein<br />

ehrgeiziges Ziel gesteckt: Von 2010<br />

bis 2014 sollen zwei Millionen neue<br />

Wohnungen entstehen. Eines der Instrumente,<br />

das dazu beitragen soll, ist<br />

der nationale Wohnraumfonds CNL<br />

(Caisse Nationale du Logement).<br />

„Jede Finanzierung läuft über den<br />

CNL“, erläutert Noureddine Moussa,<br />

Minister für Wohnraum- und Stadtentwicklung.<br />

„Der CNL untersteht dem<br />

Ministerium und ist gewissermaßen<br />

der Buchhalter des Sektors. Der Fonds<br />

funktioniert wie eine Bank und garantiert<br />

zugleich, dass sich die öffentlichen<br />

Ausgaben nachvollziehen lassen.“<br />

Grundsätzlich haben alle Algerier<br />

Anspruch auf Hilfen zur Schaffung<br />

nachhaltigen Wohnraums, wobei der<br />

tatsächlich Bedarf nach dem jeweiligen<br />

Einkommen bemessen wird. Einige<br />

Bewerber brauchen nur eine formale<br />

Finanzstütze, damit ihnen die Bank einen<br />

Baukredit gewährt. Andere benötigen<br />

umfangreichere Unterstützung, um<br />

in ein größeres oder moderneres Haus<br />

ziehen zu können.<br />

Der CNL fördert den sozialen Wohnungsbau,<br />

indem er den Menschen die<br />

nötigen finanziellen Mittel bereitstellt.<br />

Der Fonds finanziert drei Arten von<br />

Unterkünften: 70 Prozent entfallen auf<br />

staatlich geförderten Wohnraum, 20<br />

Prozent auf Wohnraum in ländlichen<br />

Gebieten und 10 Prozent auf Wohnungsbaugenossenschaften.<br />

Ein System des sozialen Ausgleichs<br />

Der 1991 gegründete CNL beschäftigt<br />

1300 Mitarbeiter und erstreckt sich<br />

über sämtliche 48 Verwaltungsbezirke<br />

des Landes. In den kommenden Jahren<br />

wird der Staatsfonds zeigen müssen,<br />

dass er nachhaltig wirtschaftet.<br />

„Unsere Stärke ist unser Cashflow,<br />

der es uns erlaubt, Projekte über ein<br />

oder zwei Jahre zu begleiten, zu managen<br />

und zu finanzieren. Wir haben<br />

viele Bankkonten und wir kooperieren<br />

mit vielen Kreditinstituten, sodass<br />

wir immer liquide sind. Ende 2011<br />

erreichte unser Cashflow ein Gesamtvolumen<br />

von 260 Mrd. Dinar (2,6<br />

Mrd. Euro). Das ist viel Geld, und wir<br />

können damit die Realisierung aller<br />

Projekte gewährleisten, die von heute<br />

bis 2017 verabschiedet werden“, sagt<br />

Mohamed Ourak, der Chef des CNL.<br />

„Natürlich gibt es ein paar Regeln<br />

und Vorschriften, die wir beim CNL<br />

zu berücksichtigen haben“, führt<br />

Ourak aus. „Da wir im sozialen Wohnungsbau<br />

aktiv sind, müssen wir sicherstellen,<br />

dass jeder, der berichtigt<br />

ist, unsere Leistungen zu beziehen,<br />

durch den Fonds gleichbehandelt<br />

wird. Teil unserer Aufgabe ist es daher,<br />

die potenziellen Nutznießer unserer<br />

Leistungen zu kontrollieren.<br />

Nach der Gründung des CNL haben<br />

wir eine zentrale Datenbank geschaffen,<br />

mit der wir die Akte jedes Leistungsbeziehers<br />

verwalten, sodass<br />

am Ende ausschließlich anspruchsberechtigte<br />

Antragsteller bedient werden.<br />

Letztlich tragen wir mit unserer<br />

Arbeit zum sozialen Ausgleich bei.“<br />

Teilung der Kosten<br />

Darüber hinaus kooperiert der CNL mit<br />

einigen Banken, die anbieten, öffentliche<br />

Hilfe mit einem Bankkredit zu<br />

koppeln. Stellt der Staat beispielsweise<br />

700 000 Dinar (7100 Euro) für das Bauprojekt<br />

eines Bürgers bereit, der über<br />

einen Bankkredit auch eigenes Geld<br />

einfließen lässt, wird dieser sein Projekt<br />

als langfristige Investition betrachten<br />

und später unter Umständen noch ausweiten.<br />

Diese Haltung wird den Bau<br />

nachhaltiger und moderner Häuser begünstigen,<br />

vor allem da die meisten Regionen<br />

Algeriens mittlerweile Zugang<br />

zu modernen Versorgungsystemen für<br />

Wasser, Strom und Gas haben. Durch<br />

die Förderung neuer, energie- und wassereffizienter<br />

Eigenheime schafft der<br />

CNL umweltverträgliche Gemeinden,<br />

und davon profitieren alle.<br />

Ländlicher Wohnraum<br />

und Gebäudesanierung<br />

Die staatlichen Wohnungsbauprogramme<br />

konzentrieren sich nicht<br />

allein auf die Städte,<br />

sondern erstrecken sich<br />

auch auf abgelegenere<br />

Regionen wie das Gebirge,<br />

das Saoura-Tal,<br />

die Provinz Bechar<br />

oder die südlichen Regionen<br />

Richtung Tamanrasset.<br />

Die Entschlossenheit, mit den Programmen<br />

sämtliche Regionen Algeriens<br />

zu erreichen, bedeutet, dass auch<br />

Menschen in ländlichen Gebieten<br />

berücksichtigt werden, deren Eigentumsrechte<br />

sich nur durch mündliche<br />

Zusicherung belegen lassen. Viele Algerier<br />

haben ihr Haus ohne schriftliche<br />

Urkunde von ihren Eltern geerbt. Weil<br />

die Behörden solche Eigentumsnachweise<br />

akzeptieren, erhalten auch diese<br />

Menschen Finanzierungshilfen, um ein<br />

Haus zu bauen oder zu sanieren, was<br />

wiederum die Flucht aus dem ländlichen<br />

Raum oder dem Hochgebirge<br />

zu vermeiden hilft. In diesen Gebieten<br />

besitzen viele Menschen – in der Regel<br />

Farmer – ein Stück Land. Laut CNL<br />

sind die Wohnungsbauprogramme dort<br />

sehr gefragt. Derzeit werden mit den<br />

Hilfen des Fonds rund 600 000 Eigenheime<br />

gebaut, 400 000 weitere sind bereits<br />

fertiggestellt.<br />

Darüber hinaus beteiligt sich der<br />

Staat an Maßnahmen zum Schutz<br />

von Kulturgütern, in deren Rahmen<br />

nicht nur – zumeist städtische – Kulturdenkmäler<br />

restauriert, sondern<br />

auch ökologisch interessante Orte<br />

entwickelt werden. Und schließlich<br />

trägt der CNL dazu<br />

bei, alte Häuser zu sanieren,<br />

oder Gebäude,<br />

die durch Naturkatastrophen wie<br />

Hochwasser oder das Erdbeben<br />

von 2003 in der Provinz Boumerdès<br />

beschädigt wurden.<br />

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12 ALGERIEN<br />

DONNERSTAG, 5. JULI<br />

Ein besserer Lebensstandard<br />

für alle Algerier<br />

SGP-INDJAB entwickelt den<br />

algerischen Immobiliensektor<br />

Um die Fortschritte ermessen zu können,<br />

die seit Juli 1962 gemacht wurden, muss<br />

man sich die damaligen Lebensverhältnisse<br />

in Erinnerung rufen. Die große<br />

Mehrheit der Algerier lebte in alten Medinas<br />

und Barackensiedlungen am Rande<br />

der fortschrittlichen „europäischen“ Bezirke,<br />

fernab von den Annehmlichkeiten<br />

der modernen Zivilisation.<br />

Seit der Unabhängigkeit haben sich<br />

sämtliche Regierungen dem nationalen<br />

Wiederaufbau verschrieben, der zunächst<br />

auf die Stärkung der industriellen<br />

Basis und eine Verringerung der Arbeitslosigkeit<br />

zielte. In den vergangenen<br />

zehn Jahren allerdings rückten auch der<br />

Wohnungsbau und die Stadtplanung<br />

immer mehr in den Mittelpunkt.<br />

Um den akuten Wohnungsnotstand zu<br />

bekämpfen und den wachsenden Erwartungen<br />

der Öffentlichkeit gerecht zu werden,<br />

hat Präsident Abdelaziz Bouteflika in<br />

seinem Regierungsprogramm dem Wohnungsbau<br />

oberste Priorität eingeräumt.<br />

Ziel ist es, nicht nur deutlich mehr Wohnraum<br />

zur Verfügung zu stellen, sondern<br />

auch deutlich mehr Varianten anzubieten.<br />

60 Mrd. Dollar für den Wohnungsbau<br />

In den vergangenen zehn Jahren hat<br />

sich das Tempo, mit dem neue Wohnungen<br />

und öffentliche Gebäude entstehen,<br />

kontinuierlich erhöht. Dadurch<br />

wurde die Angebotslücke merklich<br />

kleiner. Der Umfang dieses Trends lässt<br />

sich an der Entwicklung des Index für<br />

Bestandsimmobilien ablesen.<br />

Nach geschätzten 1,9 Millionen Wohneinheiten<br />

Ende 1962 lag der Index 2010<br />

schon bei 7,2 Millionen. Zwischen 1999<br />

und 2011 wurden 2,1 Millionen Einheiten<br />

geschaffen. Dass diese Wachstumspolitik<br />

konsequent weiterverfolgt wird, zeigt<br />

sich darin, dass bis Ende 2014 weitere 1,2<br />

Millionen hinzukommen sollen. Das entspricht<br />

einer effektiven Bauleistung von<br />

fast 270 000 Einheiten pro Jahr ab 2012.<br />

Inzwischen hat sich die Anzahl der<br />

Personen pro Haushalt von 6,39 im Jahr<br />

1987 auf 4,86 im Jahr 2010 verringert.<br />

Bis Ende 2014, wenn das 2010 aufgelegte<br />

Fünf-Jahres-Programm ausläuft, soll die<br />

Anzahl der Personen pro Haushalt sogar<br />

auf 4,59 sinken.<br />

Die Entschlossenheit der Regierung<br />

spiegelt sich auch in dem enormen<br />

Etat, den sie für den Wohnungsbau<br />

bereitgestellt hat: fast 60 Mrd. Dollar<br />

– das sind mehr als 20 Prozent des 286<br />

Mrd. Dollar schweren Gesamtetats<br />

für den Fünf-Jahres-Plan.<br />

Soziale Gerechtigkeit und die Bekämpfung<br />

von Marginalsiedlungen<br />

Darüber hinaus hat die Regierung ihre<br />

Maßnahmen für besonders benachteiligte<br />

Mitglieder der Gesellschaft verstärkt. Das<br />

Investitionsprogramm für den Zeitraum<br />

2010 bis 2014 sieht den Bau von einer<br />

Million Sozialwohnungen vor. Davon<br />

werden fast 400 000 sofort benötigt, um<br />

Behausungen von minderer Qualität abschaffen<br />

zu können. Diese Entwicklung<br />

wird die Lebensverhältnisse im Land<br />

deutlich verbessern.<br />

Gefördert wird auch der Wohnungsbau<br />

in ländlichen Gegenden: Von 2010<br />

bis 2014 sollen 900 000 Wohneinheiten<br />

entstehen – ein Projekt, auf das 40 Prozent<br />

der Mittel entfallen, die die Regierung<br />

für die Neubelebung ländlicher<br />

Gegenden aufwendet.<br />

Auf dem Weg zu einem besseren Stadtentwicklungsmanagement<br />

Das Wohnungsangebot zu verbessern ist<br />

das eine Ziel; hinzu kommt eine zweite,<br />

daran gekoppelte Herausforderung: die<br />

Koordinierung der Entwicklung nach<br />

den Methoden moderner Stadtplanung.<br />

Die Stadtentwicklung ist strengen<br />

gesetzlichen und regulatorischen<br />

Richtlinien unterworfen. Seit dem 1.<br />

Dezember 1990 sind zwei wesentliche<br />

Steuerungsinstrumente gesetzlich festgeschrieben:<br />

ein Masterplan für Entwicklung<br />

und Städtewesen (PDAU)<br />

und ein Flächennutzungsplan (POS).<br />

Für jede bevölkerte Fläche des Landes<br />

gibt es heute einen PDAU, der dafür<br />

sorgen soll, dass der städtische Ausbau<br />

möglichst effizient und effektiv abläuft.<br />

Im Rahmen dieser Entwicklung<br />

wurde 2010 die Stadtplanungsbehörde<br />

ANURB (Agence Nationale de<br />

l’Urbanisme) ins Leben gerufen. Ihre<br />

Aufgabe ist es, den gesetzlichen und<br />

institutionellen Rahmen für das Bauwesen<br />

zu festigen und für Einheitlichkeit<br />

und Effizienz zu sorgen.<br />

Als technisches Exzellenzzentrum<br />

im Dienste des Staats versteht<br />

sich die ANURB vor allem als Qualitätssicherungsinstanz.<br />

Zugleich<br />

versucht sie, den Wunsch der algerischen<br />

Bürger nach einem besseren<br />

Lebensstandard zu erfüllen.<br />

Die Behörde wurde als nationales<br />

Forum für die Diskussion über die<br />

Effektivität der Stadtpolitik konzipiert.<br />

Zugleich bündelt sie die Aktivitäten des<br />

algerischen Stadtplanungszentrums<br />

CNERU (Centre National d’Études et<br />

de Recherches Appliquées en Urbanisme)<br />

sowie der elf lokalen Unterabteilungen<br />

der ANURB (URBs). Ziel ist<br />

es, die unterschiedlichen Erfahrungen<br />

zusammenzuführen und die einzelnen<br />

Glieder der Kette effektiver und leistungsfähiger<br />

zu machen.<br />

Die ANURB sorgt für einen einheitlichen<br />

Stadtplanungsansatz; sie ermutigt<br />

zu frischen, unvoreingenommenen<br />

Perspektiven im Planungsprozess und<br />

behält zugleich konsequent die künftigen<br />

Bedürfnisse des Landes im Blick.<br />

Algeriens Immobilienmarkt ist in<br />

keiner Weise mit dem kommerziellen<br />

Modell in Europa vergleichbar. Während<br />

es hierzulande in erster Linie um<br />

den Kauf und Verkauf von Objekten<br />

geht, dominieren in Algerien groß angelegte<br />

staatliche Bauvorhaben. Die<br />

Regierung hat dem Mangel an öffentlichen<br />

Gebäuden und den prekären<br />

allgemeinen Wohnverhältnissen den<br />

Kampf angesagt. Hafid Fassouli,<br />

der Chef der staatlichen Bauholding<br />

INDJAB, sagt: „Während ursprünglich<br />

nur 1,2 Millionen Wohneinheiten<br />

geplant, so hat sich das Ziel mittlerweile<br />

auf 2,45 Millionen Einheiten<br />

erhöht. Das Programm wurde für die<br />

Ärmsten der Armen entwickelt; und<br />

wenn es um Immobilien geht, dominiert<br />

hier immer der soziale Aspekt.“<br />

INDJAB soll dieses ehrgeizige<br />

Programm umsetzen. Dabei steht der<br />

Gesellschaft für den Zeitraum von<br />

2010 bis 2014 ein Etat von 50 Mrd.<br />

Dollar zur Verfügung – eine Steigerung<br />

von 20 Prozent gegenüber der<br />

vorangegangenen Periode. Diese<br />

Aufstockung der Fördermittel wurde<br />

beschlossen, um der maroden Wohnungsbauindustrie,<br />

die immer noch<br />

unter den fehlenden Investitionen aus<br />

der Zeit vor der „schwarzen Dekade“<br />

leidet, zusätzliche Impulse zu geben.<br />

Dabei wurden auch die Aufgaben<br />

von INDJAB neu geordnet. Heute<br />

sind es vier Hauptfelder, in denen die<br />

Gesellschaft tätig ist: “Studien, Realisierung,<br />

Förderung und Bau – mit<br />

einem Management, das jede Phase<br />

des Bauprozesses kontrolliert“, sagt<br />

Hafid Fassouli.<br />

Da die Betonindustrie den künftigen<br />

Bedarf im Bausektor nicht decken<br />

kann, werden groß angelegte Infrastrukturprogramme<br />

nur mit Beteiligung<br />

ausländischer Partner möglich<br />

sein. Auch INDJAB wird Allianzen<br />

eingehen müssen, wenn die staatliche<br />

Bauholding ihre Ziele für die nächsten<br />

„Immobilienfragen werden immer unter sozialen<br />

Gesichtspunkten betrachtet.“<br />

fünf Jahre erreichen möchte. In diesem<br />

Zusammenhang stellt Hafid Fassouli<br />

klar: „Ich bin ein großer Befürworter<br />

von lokalen und internationalen Kooperationen.<br />

Die Zukunft des algerischen<br />

Unternehmertums hängt von solchen<br />

Partnerschaften ab. Alle unsere Verträge<br />

nutzen das Rahmenwerk der Investitionsagentur<br />

ANDI. Das Wichtigste dabei<br />

sind die Anreize für den Aufbau von Beziehungen<br />

zwischen neuen Partnern und<br />

dem riesigen Markt hier.”<br />

INDJAB nutzt nicht nur konventionelle<br />

Bauverfahren, sondern stellt auch<br />

Fertighäuser her. Dabei lotet die Gesellschaft<br />

aktuell Joint-Venture-Möglichkeiten<br />

für die industrielle Herstellung<br />

vorgefertigter Leichtbauteile aus. „Wir<br />

führen zurzeit Gespräche mit potenziellen<br />

spanischen Partnern, die ein äußerst<br />

vielversprechendes modulares<br />

Gussverfahren entwickelt haben, das<br />

sowohl durch Qualität als auch durch<br />

hohe Produktivitätsraten überzeugt. Außerdem<br />

verhandeln wir mit einer italienischen<br />

Firma über die Errichtung einer<br />

Fabrik für Fertigbauteile – die Erste dieser<br />

Art in Algerien. Dann werden wir in<br />

der Lage sein, einfach montierbare, erdbebensichere<br />

Fertighäuser auszuliefern,<br />

die an Ort und Stelle nur noch zusammengesetzt<br />

werden.“<br />

Auf nationaler Ebene entwickeln die<br />

vier größten Forschungssparten von<br />

INDJAB gemeinsam mit französischen,<br />

kanadischen und koreanischen Partnern<br />

Projekte zur Erweiterung bestehender<br />

Flughafenplattformen sowie für den<br />

Bau des energieeffizienten Rathauses<br />

der neuen Stadt Boughezoul. Dazu Hafid<br />

Fassouli: „Aufgrund der Krise in<br />

Europa sind italienische, spanische und<br />

französische Firmen äußerst interessiert,<br />

in unserem Markt Fuß zu fassen und<br />

sogar einen Teil ihrer Aktivitäten nach<br />

Algerien zu verlagern.“<br />

Diese Beilage zur Financial Times Deutschland wurde von der Globus Vision hergestellt, die allein verantwortlich ist für die Inhalte der Beilage


DONNERSTAG, 5. JULI<br />

ALGERIEN<br />

13<br />

Eine bautechnische Kontrollstelle für jede Provinz<br />

Das CTC-Zentrum wurde mit dem Auftrag gegründet, die Qualität der<br />

Bautechnik auf ein einheitliches Niveau zu heben<br />

Über Standards für die Risikoprävention<br />

macht das CTC-Zentrum für<br />

technische Bauüberwachung (Contrôle<br />

Technique de la Construction)<br />

Algeriens Gebäude sicherer. Um das<br />

gesamte Land abdecken zu können ist<br />

die nationale Behörde in fünf Regionalvertretungen<br />

aufgegliedert: Nord,<br />

Süd, Ost, West und die stärker industrialisierte<br />

Zentralregion „Chlef“. Jede<br />

Provinz hat mindestens ein Büro. In<br />

größeren Städten gibt es je nach Bedarf<br />

mehrere – Algier etwa hat fünf<br />

Niederlassungen.<br />

„Wir fungieren als Qualitätssicherungsstelle,<br />

so wie Bureau Veritas“,<br />

sagt Mohamed Cherif, der Chef des<br />

CTC-Zentrums. „Unsere Hauptaufgabe<br />

besteht darin, ein Projekt von<br />

der Planung bis zum Abschluss zu<br />

Immobilien mit Geld-zurück-Garantie<br />

Der Sicherungsfonds FGCMPI lässt Hauskäufer ruhig schlafen<br />

Bis Mitte der 80er-Jahre war Immobilienentwicklung<br />

allein Sache des<br />

Staats. Die algerische Regierung hatte<br />

das Monopol auf die gesamte Bauwirtschaft<br />

– vom Grundstückskauf<br />

über Projektbewertungen und Umweltverträglichkeitsprüfungen<br />

bis hin<br />

zum eigentlichen Bau und der Objektübergabe<br />

an den Käufer. 1986 wurde<br />

dann ein Gesetz verabschiedet, das<br />

den Bausektor für die Privatwirtschaft<br />

öffnete. Unternehmen konnten sich<br />

fortan an Immobilienprojekten beteiligen<br />

und dazu beitragen, das Wohnanüberwachen.<br />

Zunächst prüfen wir<br />

Entwurf und Gestaltung und segnen<br />

dann den Ausführungsplan ab. Diese<br />

Schritte bilden die erste Phase. Die<br />

zweite Phase betrifft die eigentliche<br />

Umsetzung. Wir prüfen, ob die Arbeit<br />

auf der Baustelle den genehmigten<br />

Plänen entspricht.“<br />

Das CTC-Zentrum hat ein Qualitätsmanagementsystem<br />

nach ISO<br />

9001:2000 entwickelt. Dazu gehört<br />

eine Reihe von Verfahren, die gewährleisten<br />

sollen, dass entsprechende<br />

Standards eingehalten werden. Die<br />

Sicherungsstelle richtet ihre Arbeit an<br />

drei Kriterien aus: Kompetenz, technisches<br />

Niveau und Glaubwürdigkeit.<br />

„Unsere Aufgabe besteht in der Kontrolle,<br />

nicht in der Projektbegleitung“,<br />

erläutert Cherif. „Unsere Inspektionen<br />

vor Ort erfolgen unangekündigt. Zudem<br />

entscheiden wir in keinem Fall,<br />

welche Baustoffe oder Fachleute bei<br />

einem Projekt eingesetzt werden. Wir<br />

kommen am Schluss und stellen eine<br />

Konformitätsbescheinigung aus, die<br />

sich am gesetzlichen und regulatorischen<br />

Rahmenwerk orientiert.“<br />

Per Gesetz muss das CTC-Zentrum<br />

an allen Bauvorhaben in Algebot<br />

zu vergrößern und den immensen<br />

Nachfrageüberhang abzubauen.<br />

Sieben Jahre später ermöglichte eine<br />

Gesetzesänderung, Immobilien bereits<br />

in der Planungsphase zu verkaufen,<br />

ein Konzept, das es vorher in Algerien<br />

nicht gegeben hatte. Dank der hohen<br />

Liquidität im Land stieß dieses Modell<br />

auf großes Interesse. Käufer machten<br />

Anzahlungen auf geplante Wohn- und<br />

Gewerbeimmobilien und versorgten<br />

die Immobilienentwickler so mit dem<br />

nötigen Kapital für weitere Projekte.<br />

In den meisten Fällen funktionierte<br />

das prima, aber ab und zu wurde ein<br />

Bauvorhaben nicht realisiert – und die<br />

Käufer waren die Dummen.<br />

Um die Investoren zu schützen,<br />

wurde deshalb 2000 der FGCMPI<br />

gegründet. Das sperrige Akronym<br />

steht für Fonds de Garantie et de<br />

Caution Mutuelle de la Promotion<br />

Immobilière. Dahinter verbirgt sich<br />

eine Art Sicherungsfonds für Immobilienkäufer.<br />

Fällt ein Bauvorhaben<br />

ins Wasser, zahlt der Fonds den<br />

Käufern ihre Anzahlungen zurück.<br />

2001 bekam der FGCMPI durch ein<br />

gerien beteiligt werden. Darüber<br />

hinaus sind Architekten und Entwickler<br />

verpflichtet, für mindestens<br />

zehn Jahre eine Haftpflichtversicherung<br />

abzuschließen.<br />

Bewertung des Erdbebenrisikos<br />

Für den Staat ist das CTC-Zentrum<br />

eine wichtige Hilfe. Insbesondere<br />

im Zusammenhang mit Naturkatastrophen<br />

wie Erdbeben oder Überschwemmungen<br />

liefert die Kontrollstelle<br />

einen wertvollen Beitrag und<br />

übernimmt zum Beispiel die Schadensbewertung.<br />

Außerdem ist das<br />

CTC-Zentrum für das Risikomanagement<br />

bei staatlichen Bauprojekten<br />

verantwortlich, um die Gefahr von<br />

Fehlkonstruktionen und Gebäudeeinstürzen<br />

zu minimieren.<br />

„Das ist ein grundlegender und<br />

wesentlicher Aspekt unserer Arbeit“,<br />

sagt Cherif. „Algerien verfügt über<br />

eine Fülle von komplexen Vorgaben<br />

zum Einsatz von Materialien, insbesondere<br />

im Hinblick auf erdbebensichere<br />

Bauteile. Wir überwachen und<br />

entwickeln diese Bestimmungen, da<br />

sie sehr wichtige Instrumente der<br />

Aufsichtsbehörden sind.“<br />

neues Gesetz noch eine zweite Aufgabe,<br />

die laut Mouloud Dahel, dem Chef<br />

des Sicherungsfonds, ebenso wichtig<br />

ist wie die erste: Er übernimmt eine<br />

Fertigstellungsgarantie.<br />

„Das heißt, sollte der Immobilienentwickler<br />

seinen Teil des Vertrags<br />

nicht erfüllen, tritt der Fonds an die<br />

Stelle des Entwicklers und sorgt dafür,<br />

dass das Bauvorhaben fertiggestellt<br />

wird. Unsere Rolle beschränkt<br />

sich also nicht mehr nur auf Rückerstattungen,<br />

sondern umfasst auch die<br />

Fertigstellung von Projekten – bis zur<br />

Schlüsselübergabe.“<br />

Wer bei einem Immobilienentwickler<br />

einkauft, der Mitglied des FGCM-<br />

PI ist, kann also sicher sein, dass sein<br />

Kapitaleinsatz geschützt ist. Bei der<br />

Gründung vor zwölf Jahren hatte der<br />

Fonds zwölf Mitglieder. Heute sind es<br />

mehr als 1700.<br />

Nicht alle Immobilienentwickler<br />

sind tatsächlich auch in diesem Geschäft<br />

tätig. In Algeriens nationalem<br />

Handelsregister sind rund 25 000 Immobilienentwickler<br />

eingetragen (394<br />

davon sind ausländische Firmen, die,<br />

Aus Qualitäts- und Sicherheitsgründen schreibt Algerien gesetzlich<br />

vor, dass das CTC-Zentrum für technische Bauüberwachung an allen<br />

Bauprojekten beteiligt ist<br />

Laborgeprüfte Qualität<br />

In den Laboren des CTC-Zentrums<br />

führen 30 Ingenieure mit modernsten<br />

Geräten die unterschiedlichsten Tests<br />

und Analysen durch. Auch externe<br />

Kunden können dort Untersuchungen<br />

in Auftrag geben. Einige Labore sind<br />

wie gesetzlich vorgeschrieben, mit<br />

algerischen Partnern zusammenarbeiten),<br />

aber nur zehn Prozent von ihnen<br />

mobile Einrichtungen, die aus einem<br />

Fahrzeug und zwei Ingenieuren bestehen,<br />

die im Wesentlichen mit dem<br />

Erheben und Prüfen von Stichproben<br />

beschäftigt sind. Sämtliche Einrichtungen<br />

des Zentrums sind durch eine<br />

leistungsstarke Software (RCTC)<br />

Der Sicherungsfonds FGCMPI garantiert die Fertigstellung von Bauvorhaben<br />

– von der Planung bis zur Schlüsselübergabe<br />

betreuen derzeit aktive Projekte. Viele<br />

Unternehmen lassen sich prophylaktisch<br />

als Immobilienentwickler eintramiteinander<br />

verbunden.<br />

„Die Analysen werden in einer<br />

zentralen Datenbank gespeichert,<br />

um die Qualität der verbauten Materialien<br />

zu überwachen. Das gilt<br />

insbesondere für Beton, den meistgenutzten<br />

Baustoff in Algerien“,<br />

sagt Cherif. Die technischen Eigenschaften,<br />

die am häufigsten geprüft<br />

werden, sind Festigkeit, Stabilität<br />

und Feuchtigkeitsresistenz der verwendeten<br />

Materialien.<br />

Schulung und Verhaltenskodex<br />

Zu den zentralen Aufgaben des CTC-<br />

Zentrums zählen auch Schulungsmaßnahmen.<br />

Allen voran die eigenen<br />

Ingenieure werden kontinuierlich auf<br />

den neuesten Stand gebracht. Die Experten<br />

der Organisation haben sich<br />

zudem nach einem Verhaltenskodex<br />

zu richten, der moralische Werte wie<br />

Transparenz, Verantwortlichkeit und<br />

Loyalität vorgibt.<br />

„Mithilfe regelmäßiger Schulungsmaßnahmen<br />

wollen wir unser bautechnisches<br />

Know-how konsolidieren<br />

und stärken. Die CTC-Ingenieure<br />

sind gewissermaßen die Benchmark<br />

der Branche. Für bautechnische Kontrollen<br />

gibt es keine spezielle Ausbildung,<br />

die Tätigkeit basiert allein auf<br />

Erfahrung. Die professionelle Schulung,<br />

die wir im CTC-Zentrum anbieten,<br />

ist also einmalig“, sagt Cherif.<br />

gen, falls sie irgendwann Grundstücke<br />

kaufen und gewerblich bauen wollen,<br />

sagt Dahel.<br />

Mitglied im FGCMPI zu werden, ist<br />

dagegen nicht so einfach. Nur ernsthafte<br />

Kandidaten, die alle erforderlichen Unterlagen<br />

vorlegen können, werden aufgenommen.<br />

Fehlt einem Bewerber der<br />

Eigentumsnachweis für ein Grundstück<br />

oder die nötige Baugenehmigung, kann<br />

er dem Sicherungsfonds nicht beitreten.<br />

Die Mitgliedsbeiträge hängen von<br />

verschiedenen Faktoren ab. So müssen<br />

etwa Entwickler, die als riskant eingestuft<br />

werden, höhere Beiträge bezahlen.<br />

Das Vermögen des Sicherungsfonds<br />

setzt sich aus den Mitgliedsbeiträgen,<br />

Abonnements, Aufnahmegebühren und<br />

Garantiegebühren zusammen und beläuft<br />

sich heute auf rund 4 Mrd. Dinar<br />

(41,7 Mio. Euro).<br />

Ende März 2012 garantierte der FG-<br />

CMPI 30 010 nicht subventionierte<br />

Wohnimmobilien ohne Preisbindung<br />

und 235 889 Wohneinheiten, die im<br />

Rahmen des sozialen Wohnungsbaus<br />

subventioniert werden. Im Jahr 2000<br />

waren es noch 357 beziehungsweise<br />

510. Und die Zahl der garantierten Gewerbeimmobilien<br />

wuchs seit Gründung<br />

des Fonds von zehn auf 3589.<br />

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14 ALGERIEN<br />

DONNERSTAG, 5. JULI<br />

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DONNERSTAG, 5. JULI<br />

ALGERIEN<br />

15<br />

Mit vereinten Kräften<br />

Wohnraum schaffen<br />

Der soziale Wohnungsbau soll die Wohnungsnot<br />

lindern, doch diese Mammutaufgabe lässt<br />

sich nur gemeinsam lösen<br />

Wie viele Schwellenländer muss<br />

Algerien zahlreiche Herausforderungen<br />

meistern, damit die gesellschaftliche<br />

Entwicklung mit dem<br />

rasanten wirtschaftlichen Wachstum<br />

Schritt halten kann. Die Förderung<br />

von Erdöl und Erdgas hat<br />

dem Land große Reichtümer beschert.<br />

Diese in die Entwicklung<br />

des Landes zurückzuführen, ist<br />

jedoch mit viel Planungs-, Verwaltungs-<br />

und Organisationsaufwand<br />

verbunden.<br />

Die Regierung hat mehrere<br />

Behörden eingerichtet, um<br />

Wohnungsnot, Landflucht und<br />

ausufernde Wohnungskosten<br />

einzudämmen. Eine davon ist<br />

die wirtschaftliche Interessensgemeinschaft<br />

GIE (Groupement<br />

d’Intérêt Économique). Dieses<br />

vielversprechende Projekt, das<br />

dem Ministerium für Wohnungsbau<br />

und Stadtplanung untersteht,<br />

umfasst 50 Ämter für Immobilienentwicklung<br />

und verwaltung<br />

OPGI (Offices de Promotion et de<br />

Gestion Immobilière) aus 48 Provinzen<br />

sowie die nationale Wohnungsbau-<br />

und Sanierungsbehörde<br />

AADL (Agence Nationale de<br />

l’Amélioration et du Développement<br />

du Logement).<br />

Von 2000 bis 2005 hat der<br />

Staat mehr als eine Million<br />

Wohneinheiten fertiggestellt,<br />

bis 2017 sollen<br />

weitere zwei<br />

Millionen folgen.<br />

Verantwortlich<br />

für die Durch-<br />

Damit hat Algerien zwar weniger<br />

Elendsviertel als die angrenzenden<br />

Maghreb-Staaten, doch aus Sicht<br />

der Regierung ist die Zahl für die<br />

Größe und den Wohlstand Algeriens<br />

zu hoch. Teil des nationalen Wohnungsbauprogramms<br />

ist daher, diese<br />

Behausungen abzureißen und durch<br />

moderne Häuser zu ersetzen.<br />

Slums gab es in Algerien schon<br />

in den 50er-Jahren, vor allem am<br />

Rand der Hauptstadt Algier. Viele<br />

der Elendsviertel wurden bereits geräumt,<br />

und im Rahmen einer neuen,<br />

groß angelegten Operation anlässlich<br />

des 50. Jahrestags der Unabhängigkeit<br />

sollen weitere Slumgebiete verschwinden.<br />

Das aktuelle nationale<br />

Slumbeseitigungs- und Umsiedlungsprogramm<br />

wurde 2008 begonnen und<br />

betrifft landesweit rund eine Million<br />

Unterkünfte. In Algier sind 45.000<br />

Familien betroffen. 3.245 von ihnen<br />

wurden allein im September des vergangenen<br />

Jahres in neue Wohnungen<br />

umgesiedelt, die ihnen in verschiedenen<br />

Bezirken der Hauptstadt bereitgestellt<br />

wurden.<br />

Vergleichbare Aktionen laufen im<br />

ganzen Land. So wurden beispielsweise<br />

in Oran im Januar mehr als<br />

3.600 Familien über ihre bevorstehende<br />

Umsiedlung informiert. In der<br />

Provinz Guelma sind im ersten Quarführung<br />

der einzelnen Bauvorhaben<br />

sind die jeweiligen OPGIs,<br />

die das Projektmanagement und<br />

die Bauleitung bis zur Fertigstellung<br />

übernehmen. Mit anderen<br />

Worten, die 50 OPGIs fungieren<br />

als Landverwalter, die auf ihrem<br />

jeweiligen Gebiet Entwicklern<br />

Projekte (insbesondere im sozialen<br />

Wohnungsbau) und Bauland<br />

zuweisen.<br />

Daneben hilft die GIE, alte Gebäude<br />

zu sanieren und die hundertausenden<br />

Behelfsunterkünfte<br />

durch moderne und sichere Wohnungen<br />

zu ersetzen. In ihrer verbindenden<br />

Funktion hat die GIE<br />

die Aufgabe, „Mittel und Wege<br />

zu finden, die Organisation des<br />

nationalen Wohnimmobilienbestandes<br />

zu verbessern“, sagt Mohamed<br />

Rehaimia, der Leiter der<br />

OPGI im Bezirk Hussein Dey von<br />

Algier.<br />

Die OPGIs konzentrieren sich<br />

auf die ärmeren Schichten der<br />

algerischen Gesellschaft. Die Sozialwohnungen<br />

der Ämter sind<br />

ausschließlich für Bewerber vorgesehen,<br />

die über sehr begrenzte<br />

finanzielle Mittel verfügen und<br />

keine anderen staatlichen Wohnhilfen<br />

oder zuschüsse beziehen.<br />

Es wird damit gerechnet, dass bis<br />

2014 nahezu eine Million<br />

dieser Wohneinheiten<br />

fertiggestellt werden.<br />

Ein Teil<br />

der neuen Unterkünfte<br />

ist<br />

für die „Reabsorption<br />

prekärer Wohnverhältnisse<br />

in den Slumgemeinden“<br />

vorgesehen, sagt Rehaimia.<br />

Während OPGIs vorwiegend<br />

für Mieteinheiten zuständig sind,<br />

managt die nationale AADL den<br />

Mietkauf. Auch dieses staatliche<br />

Angebot richtet sich an die einkommensschwächeren<br />

Algerier.<br />

Die Teilnehmer des Programms<br />

leisten eine Anzahlung und tilgen<br />

den Rest über 20 bis 25 Jahre in<br />

kleinen Raten, wobei der Restkredit<br />

zu sehr günstigen Sätzen verzinst<br />

wird. Zusätzlich subventioniert<br />

die Regierung den Kauf des<br />

Baulandes, auf dem diese Häuser<br />

entstehen.<br />

Eine weitere Art der Unterstützung<br />

durch die AADL ist die<br />

Wohnförderhilfe LPA (Logement<br />

Promotionnel Aidé), die sich vorwiegend<br />

an Interessenten mittlerer<br />

Neue Sozialwohnungen sollen<br />

Elendsviertel leeren<br />

tal dieses Jahres 1.500 neue Wohnungen<br />

fertig geworden, nachdem im<br />

vergangenen Jahr bereits 2.500 neue<br />

Einheiten entstanden waren.<br />

Die Familien, die bislang in den<br />

notdürftig erstellten Behausungen<br />

leben, werden in neue Gebäude umziehen,<br />

sagt Mohamed Rehaimia, der<br />

Leiter der OPGI in Algiers Stadtbezirk<br />

Hussein Dey. Dank staatlicher<br />

Einkommensstufen richtet. Auch<br />

dieses Programm ist staatlich gefördert,<br />

wobei sich die Höhe der<br />

Unterstützung nach dem Einkommen<br />

des Empfängers richtet.<br />

Doch mit dem Bau neuer Häuser<br />

und Siedlungen wächst auch<br />

der Bedarf an begleitenden Infrastruktureinrichtungen.<br />

„Wenn 2,4<br />

Millionen neue Wohneinheiten<br />

entstehen, braucht es weitere<br />

Einrichtungen – Schulen, Universitäten<br />

und so weiter“, sagt<br />

Rehaimia. Neue Universitäten,<br />

Sportstadien oder auch Dämme<br />

werden gebaut, aber „der Aufwand<br />

ist enorm, und wir sind einfach<br />

nicht dafür gerüstet, all das<br />

zu unterstützen“. Dies, so Rehaimia,<br />

ist ein wesentlicher Grund<br />

dafür, dass so viele ausländische<br />

Unternehmen auf dem Bausektor<br />

aktiv geworden sind.<br />

2007 gab es in Algerien mehr als eine halbe Million Slumunterkünfte. Das geht aus einer Volkszählung<br />

hervor, die das Ministerium für Wohnungsbau und Stadtplanung durchgeführt hat.<br />

Finanzierung wird die Miete sehr gering<br />

sein. „Die Unterkünfte sind quasi<br />

kostenlos und werden gegen eine<br />

symbolische Miete von weniger als<br />

drei Pfund vergeben“, sagt Rehaimia.<br />

Diese Verwendung öffentlicher<br />

Gelder – ebenso wie die enormen<br />

Subventionen, die der Staat in andere<br />

Wohnungsbauprojekte steckt – macht<br />

deutlich, wie Algerien seinen Reichtum<br />

an die Bürger verteilt.<br />

„Bei aller Bescheidenheit: Wir sind<br />

in dieser Hinsicht weltweit führend.<br />

Ich glaube wir sind die einzigen, die<br />

eine derart soziale Politik verfolgen“,<br />

sagt der Amtsleiter.<br />

Die OPGIs übernehmen auch die<br />

Sanierung von alten Gebäuden, zumindest<br />

von solchen, die schützenswert<br />

erscheinen. „Algerien ist das<br />

größte Freilichtmuseum“, sagt der<br />

Minister für Wohnungsbau und Stadtplanung<br />

Noureddine Moussa. Viele<br />

Gebäude stammen noch aus dem<br />

19. Jahrhundert, und ihre Sanierung<br />

ist nicht einfach. „Gebäude sollten<br />

eigentlich eine Art Gesundheitspass<br />

haben, denn jedes von ihnen ist aus<br />

anderen Materialien gebaut und erfordert<br />

eine spezielle Behandlung“, fügt<br />

der Minister hinzu.<br />

Bei der Renovierung alter Gebäude<br />

kooperieren die OPGIs mit französischen<br />

und spanischen Partnern,<br />

die bereits viel Erfahrung auf diesem<br />

Gebiet haben. Während Algerien in<br />

Windeseile neue Häuser hochzieht,<br />

um seine Ziele zu erreichen, werden<br />

die heimischen Bauunternehmen jeden<br />

Partner aus dem Ausland willkommen<br />

heißen. Denn sie müssen<br />

„neue Verfahren erlernen, um die<br />

Produktivität und die Kompetenz zu<br />

steigern“, sagt Rehaimia.<br />

Internationale<br />

Normen für das<br />

Baugewerbe<br />

Algeriens Häuserbauer lernen von<br />

ausländischen Partnern<br />

Unternehmen aus Spanien, Frankreich,<br />

der Türkei, China und<br />

Südkorea unterstützen Algerien<br />

beim Bau von Wohnhäusern und<br />

einer entsprechenden Infrastruktur.<br />

Die Partner aus dem Ausland<br />

stellen ihr Fachwissen zur Verfügung<br />

und helfen damit Algerien,<br />

das selbstgesteckte Ziel zu<br />

erreichen: Bis 2017 sollen zwei<br />

Millionen neue Wohnungen bereitgestellt<br />

werden.<br />

Als die Regierung ihr ehrgeiziges<br />

Wohnungsbauprogramm<br />

vorstellte, fehlte es im Land noch<br />

an den erforderlichen Fachkenntnissen,<br />

um derartige Ziele verfolgen<br />

zu können. Dank ihrer Partner<br />

aus dem Ausland haben die<br />

heimischen Unternehmen jedoch<br />

im Laufe der Jahre dazugelernt<br />

und spielen heute eine größere<br />

Rolle. Laut Mohamed Rehaimia,<br />

Leiter des Amtes für Immobilienentwicklung<br />

und verwaltung<br />

(OPGI) in Algiers Stadtbezirk<br />

Hussein Dey, „liegt der Anteil<br />

ausländischer Firmen, die im<br />

Wohnungsbau aktiv sind, bei maximal<br />

fünf bis sechs Prozent.“<br />

Das Amt ist Teil der wirtschaftlichen<br />

Interessengemeinschaft<br />

GIE und wirbt um Partner<br />

sowohl aus dem öffentlichen<br />

als auch aus dem privatwirtschaftlichen<br />

Sektor. Mit dem<br />

französischen Verband für den<br />

sozialen Wohnungsbau (Union<br />

sociale pour l’habitat), der alle<br />

öffentlichen Träger des sozialen<br />

Wohnungsbaus in Frankreich<br />

unter einem Dach vereint, hat<br />

die GIE eine Absichtserklärung<br />

unterzeichnet.<br />

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16 ALGERIEN<br />

DONNERSTAG, 5. JULI<br />

Aufstrebende Tourismusregion am Mittelmeer<br />

Algeriens Kulturschätze und landschaftliche Schönheit sollen Arbeitsplätze schaffen und Investitionen anlocken<br />

Algerien stand als Reiseziel lange im<br />

Schatten seiner Nachbarn Marokko<br />

und Tunesien. Aufgrund jahrzehntelanger<br />

Unruhen wurde es von Urlaubern<br />

gemieden, sodass sich der Tourismus<br />

nicht entwickeln konnte.<br />

Doch jetzt, da Ruhe im Land eingekehrt<br />

ist, will man den Rückstand aufholen<br />

und den Sektor fördern. Mehr<br />

Reisende sollen Afrikas größtes Land<br />

entdecken und für Kapitalzufluss und<br />

Arbeitsplätze sorgen.<br />

Geschichtsträchtige Orte, beeindruckende<br />

Küstenlandschaften, angenehmes<br />

Klima – Algerien kann<br />

den Nachbarländern zweifellos das<br />

Wasser reichen.<br />

Frederic Perret, Beauftragter des<br />

Generalsekretärs der Welttourismusorganisation,<br />

sagte der algerischen<br />

Reisebranche bei der Tourismusmesse<br />

SITEV 2010 eine große Zukunft voraus<br />

und lobte die Strände, die Schönheit<br />

des Djurdjura-Nationalparks und<br />

das historische und kulturelle Erbe<br />

Algeriens.<br />

Für den algerischen Minister für<br />

Tourismus und Handwerk Smail Mimoune<br />

sprechen vor allem drei Eigenschaften<br />

für das Land: Authentizität,<br />

Originalität und Vielseitigkeit. Algerien<br />

gelte bei Reisefachleuten als Land für<br />

jede Art von touristischer Aktivität.<br />

Diesen Wettbewerbsvorteil gegenüber<br />

anderen, zunehmend überlasteten Reisezielen<br />

im Mittelmeerraum werde die<br />

algerische Regierung für sich nutzen<br />

und nicht nur ganzjährig Reisen auf dem<br />

internationalen Markt anbieten, sondern<br />

Einblicke in die algerische Kultur<br />

die Angebote außerdem an die Wünsche<br />

der Kunden anpassen, sagt Mimoun.<br />

„Besonders für Abenteuerreisen<br />

und Landschaftstourismus ist Algerien<br />

interessant, weil die Sahara hier am<br />

schönsten ist – sozusagen das größte<br />

Freilichtmuseum der Welt.“ Und natürlich<br />

für den Strandurlaub, da Algeriens<br />

Küste zu den attraktivsten und<br />

gepflegtesten des Mittelmeerraums gehöre.<br />

Auch Kultur-, Städte- und Wellnessreisen<br />

sowie Nischenprodukte dürfe<br />

man nicht vergessen.<br />

Die algerische Kultur, von typischen<br />

Speisen über die Musik bis hin zu Kunst<br />

und Literatur, wurde von den geografischen<br />

Gegebenheiten, dem Klima, der<br />

Geschichte und der Religion des Landes<br />

sowie zahllosen weiteren Faktoren geprägt<br />

und gewährt einen Einblick in die<br />

Seele des algerischen Volkes.<br />

Jahrhundertelang zogen Reisende aus<br />

dem Nahen Osten durch Algerien ins<br />

maurische Spanien, Al-Andalus, sodass<br />

das Land unter dem Einfluss zahlreicher<br />

Kulturen stand. Der vielleicht deutlichste<br />

Hinweis darauf ist die algerische<br />

Küche. Als die Karthager vor über 2000<br />

Jahren Hartweizengrieß in den Maghreb<br />

brachten, machten die dort ansässigen<br />

Berber Couscous daraus, heute das algerische<br />

Nationalgericht schlechthin.<br />

Im siebten Jahrhundert importierten die<br />

Araber exotische Gewürze wie Safran,<br />

Ingwer, Nelken, Muskat und Zimt von<br />

den Gewürzinseln.<br />

Oliven, Orangen, Pflaumen und<br />

Pfirsiche wurden im 16. Jahrhundert<br />

aus Spanien eingeführt und sind heute<br />

in einer Vielzahl algerischer Gerichte<br />

zu finden. Etwa zur selben Zeit brachten<br />

die Ottomanen süßes Gebäck nach<br />

Algerien. Mit dem Einfall der Franzosen<br />

tauchten erstmals gesäuertes<br />

Brot und Straßencafés auf, die in den<br />

Städten noch immer an jeder Ecke zu<br />

finden sind.<br />

Der Tee, ein weiteres Grundnahrungsmittel<br />

im heutigen Algerien, kam<br />

aus Europa. Kaffee mit Kardamom ist<br />

ebenfalls ein beliebtes Getränk.<br />

Ein anderer wichtiger Bestandteil<br />

der algerischen Kultur ist das Handwerk<br />

– so wichtig, dass man mit dem<br />

Ministerium für Tourismus und<br />

Handwerk ein eigenes Ressort dafür<br />

geschaffen hat. Ob Schmuck,<br />

Teppiche, Instrumente, Kupfer-,<br />

Töpfer-, Leder- und Korbwaren<br />

oder Keramik, Algeriens Kunsthandwerk<br />

blüht und gedeiht.<br />

„Das Handwerk ist<br />

ein Spiegel unserer<br />

Kultur, Zivilisation und<br />

Identität. Für die Regierung ist es aber<br />

auch eine wirtschaftliche Nische, die<br />

für Wohlstand und Entwicklung in<br />

den Regionen sorgt und jungen Menschen<br />

den Eintritt ins Arbeitsleben<br />

ermöglicht“, sagt der Minister.<br />

„Das Handwerk spiegelt die Identität<br />

unseres Volkes und die Kultur<br />

unserer Vorfahren wider und bewahrt<br />

so unser vielseitiges nationales<br />

Erbe“, erklärte Präsident Bouteflika<br />

2009 bei einem nationalen<br />

Handwerkstreffen.<br />

Algerien sei ein wahres Einkaufsparadies<br />

für Touristen und<br />

biete zudem eine Fülle exotischer<br />

Gaumenfreuden.<br />

Die römische Stadt Tipaza. Die Ruinen dreier Kirchen sind noch<br />

erhalten, ebenso wie zwei Friedhöfe, die Bäder, das Theater, das<br />

Amphitheater und das Nymphäum<br />

Die beliebtesten<br />

Ausflugsziele Algeriens<br />

Türkisblaues Wasser, Sanddünen, endlos<br />

weite Wüsten und imposante Gebirgszüge:<br />

Algerien ist ein Land der Gegensätze.<br />

Sechs Stätten haben es auf die<br />

Welterbe-Liste der Unesco geschafft.<br />

Der Djurdjura-Nationalpark im<br />

Atlasgebirge erstreckt sich über sattgrüne<br />

Täler, die sich im Frühling in<br />

ein farbiges Blütenmeer verwandeln.<br />

Schneebedeckte Berge, plätschernde<br />

Bäche und Flüsse, die in tiefblaue Seen<br />

münden, prägen das Landschaftsbild.<br />

Die Tierwelt des Parks besticht durch<br />

ihre große Artenvielfalt.<br />

Im Belezma-Nationalpark, mit seinen<br />

üppigen Zedern- und Eichenwäldern einer<br />

der bedeutendsten Parks des Landes,<br />

leben 447 Pflanzen- und 309 Tierarten,<br />

von denen 59 unter Artenschutz stehen.<br />

Die Bergfestung Beni Hammad<br />

aus dem elften Jahrhundert wurde<br />

1980 zum Weltkulturerbe erklärt und<br />

liegt nordöstlich von M’Sila in gut<br />

1400 Metern Höhe. Die UNESCO<br />

beschreibt die von einer knapp sieben<br />

Kilometer langen Mauer umgebene<br />

Wehranlage als „authentisches Bild<br />

einer muslimischen Festungsstadt“.<br />

Eine weitere Sehenswürdigkeit aus<br />

dem elften Jahrhundert ist die Große<br />

Moschee von Tlemcen, eines der besterhaltenen<br />

Beispiele almoravidischer Architektur.<br />

Die Stadt galt einst als Hochburg<br />

der Kunst und Musik.<br />

Bewunderer römischer Ruinen kommen<br />

an den Welterbestätten Djemila,<br />

Timgad und Tipaza auf ihre Kosten.<br />

In Djemila, einem Bergdorf nahe der<br />

algerischen Nordküste, können berberisch-römische<br />

Ruinen aus dem ersten<br />

Jahrhundert besichtigt werden. Timgad<br />

war eine römische Kolonialstadt im<br />

Aurèsgebirge. Die römische Stadt Tipaza<br />

wurde auf drei kleinen Hügeln über<br />

dem Meer erbaut. Die Ruinen dreier<br />

Kirchen sind noch erhalten, ebenso wie<br />

zwei Friedhöfe, die Bäder, das Theater,<br />

das Amphitheater und das Nymphäum.<br />

Sehenswerte Kulturdenkmäler sind<br />

auch die Kasbah von Algier und das<br />

Kalksteintal von M’zab, für die<br />

UNESCO ein intaktes Beispiel<br />

einer perfekt an die Umgebung<br />

angepassten frühen menschlichen<br />

Wohnstätte. Sonnenanbeter<br />

und Strandliebhaber können<br />

Tausende Kilometer Küste<br />

erkunden, wobei die so genannte<br />

Türkisküste der vielleicht schönste<br />

Abschnitt ist. In dieser Gegend unweit<br />

von Algier erwarten den Besucher<br />

atemberaubende Felsbuchten und von<br />

Zypressen, Korkeichen und Olivenbäumen<br />

gesäumte Sandstrände.<br />

Der Geschichte und der Religion des Landes sowie zahllosen weiteren<br />

Faktoren geprägt und gewährt einen Einblick in die Seele des<br />

algerischen Volkes<br />

Das Berber Couscous heute das algerische Nationalgericht<br />

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