Zoë 01/15
Magazin Zoë: Gesundheit, Freude & Zeitgeist mitten im Leben
Magazin Zoë: Gesundheit, Freude & Zeitgeist mitten im Leben
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ZOË <strong>01</strong>/<strong>15</strong><br />
€ 4,80<br />
gesundheit • • freude & zeitgeist mitten im leben <br />
zoe.imwebtv.at<br />
Porträt: Victor Gruen<br />
Der Weg der<br />
Fußgängerzonen<br />
Gesundheit<br />
Fasten aus dem Bauch heraus<br />
Mensch<br />
Ronny Kokert – Rebell von heute<br />
Berufswelt<br />
Business as unusual<br />
Lebensart<br />
Interview: Elisabeth Scharang
„WIR STÄRKEN SIE DURCH DAS FÖRDERN VON<br />
POSITIVELEMENTEN AUF IHREM WEG ZUR PERSÖN-<br />
LICHEN UND UNTERNEHMERISCHEN EXZELLENZ. “<br />
hikingdays.com<br />
Positive Psychologie<br />
Systemischer Ansatz<br />
Mentaltraining<br />
Wirkung der Natur<br />
Innovative Organisationsentwicklung<br />
ist das Zusammenspiel von bewährten<br />
und neuen Methoden sowie einem<br />
konsequenten Vorgehen.
ZOË <strong>01</strong>/<strong>15</strong><br />
€ 4,80<br />
•• EDITORIAL<br />
DIE NUMMER 1: zoË <strong>01</strong>/<strong>15</strong><br />
Wie die Krise<br />
zur Chance wird<br />
gesundheit • • freude & zeitgeist mitten im leben<br />
Der Weg der<br />
Fußgängerzonen<br />
zoe.imwebtv.at<br />
Gesundheit<br />
Fasten aus dem Bauch heraus<br />
Mensch<br />
Rebellen von heute<br />
Berufswelt<br />
Business as unusual<br />
Lebensart<br />
Interview: Elisabeth Scharang<br />
Schon jahrelang verfolgt uns eine Wirtschaftskrise nach der anderen:<br />
Bankenpleiten, steigende Arbeitslosenzahlen oder sogar drohende<br />
Staatspleiten wie in Griechenland. Aber vielleicht ist das auch unsere<br />
Chance zur Abkehr von Profitdenken, Gewinnmaximierung und Konsumorientiertheit.<br />
Denn schon das griechische Wort „krisis“ bezeichnet nicht eine hoffnungslose<br />
Situation, sondern den Höhe- oder Wendepunkt einer gefährlichen Lage. Auch das<br />
chinesische Schriftzeichen für Krise besteht aus zwei Teilen. Der eine Teil symbolisiert<br />
die Gefahr oder das Risiko, der andere die Chance. Eine Krise ist demnach eine<br />
gefährliche Chance. Wenn wir aber diese Chance in der Krise erkennen und nutzen,<br />
dann können wir uns weiterentwickeln und wachsen.<br />
Das ist auch der rote Faden unserer ersten Nummer <strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/<strong>15</strong>. Wir stellen Menschen vor,<br />
die an ihren Schicksalsschlägen und Problemen nicht verbittert oder gar daran zerbrochen sind,<br />
sondern vielmehr gestärkt aus den Krisen hervorgegangen sind. Und vielleicht mehr erreicht<br />
haben, als wenn sie ohne Krise weiterhin im Alltagstrott gefangen geblieben wären. Das wollen<br />
wir auch mit diesem Magazin – eine neue selbstbestimmte Lebensart vorstellen: anhand von<br />
Menschen, die noch an ihre Träume glauben oder darum kämpfen.<br />
Zum Thema Kämpfen haben wir Ronny Kokert porträtiert. Als Jugendlicher erkrankte er schwer<br />
und war von einem Tag auf den anderen ans Bett gefesselt. Rückblickend gesehen war es für ihn<br />
eine absolut wichtige Zeit, um sich mit dem intensiv auseinanderzusetzen, was ihn tatsächlich<br />
begeisterte – nämlich den Kampfkünsten. Er wurde Weltmeister, entwickelte seine eigene Kampfmethode<br />
Shinergy und lehrt mittlerweile andere Menschen, Körper und Geist sinnvoll zu vereinen.<br />
Auch die Hartberger Internistin Dr. Claudia Furian hätte auf Grund ihrer Scheidung ein Leben in<br />
Verbitterung und Zorn verbringen können. Statt dessen entschied sie sich, einen anderen, ziemlich<br />
mutigen Weg zu gehen. Hut ab vor dieser Frau und ihrer ergreifenden Geschichte!<br />
Und natürlich hat auch unsere Cover-Geschichte mit einem faszinierenden Menschen zu tun.<br />
War es das letzte Mal der Sternenhimmel, so geht es diesmal um die Erde - um die Stadt und die<br />
Stadtmenschen. Es geht um den Stadtplaner und Architekten Victor Gruen, der nach Amerika<br />
fliehen musste, dort das Flair der Wiener Kaffeehäuser vermisste, deswegen die Shopping-Center<br />
erfand – deren Entwicklung er aber furchtbar fand – und in Wien aus der Kärntner Straße eine<br />
Fußgängerzone machte, als deren geistiger Vater er gilt. Wegen des eingangs erwähnten gierigen<br />
Profitdenkens lehnte Victor Gruen schließlich die Vaterschaft der Shopping-Center ab. Ihm ging<br />
es immer um die Menschen und um eine lebenswerte „Stadt der kurzen Wege“ - und wie man<br />
heute so schön sagt, um Nachhaltigkeit. Auf die Geschichte gekommen sind wir auf Grund einer<br />
Karikatur aus den 70er-Jahren, die sich über seine Idee der Fußgängerzone in der Innenstadt lustig<br />
machte und damals die Mariahilfer Straße als Fußgängerzone karikierte …<br />
Wir hatten viel Spaß und Inspiration beim Recherchieren und Schreiben<br />
und hoffen, dass ihr viel Freude beim Lesen und Videoschauen habt!<br />
Eliana Crisafulli & Thomas Stodulka<br />
<strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>53
•• INHALT<br />
•• Gesundheit<br />
6 Vorsorge: Was, wann, wo & warum?<br />
8 Fasten: Aus dem Bauch heraus<br />
11 Haut & Körper als Symbol<br />
•• Mensch<br />
12 Porträt: Victor Gruen<br />
Der Weg der Fußgängerzonen<br />
18 Private Hilfsinitiative:<br />
Österreich hilft Afrika<br />
20 Ronny Kokert:<br />
Hart & weich zugleich<br />
•• schönheit<br />
22 Auf die Beine geschaut<br />
24 Echt kräftig: Sanddorn<br />
•• berufswelt<br />
26 Der Job im Wandel der Zeit<br />
28 25h-Hotels: Business as unusual<br />
•• lebensart<br />
30 Theatralische Spanier<br />
32 Interview: Elisabeth Scharang<br />
34 Kultur-, Buch- & Filmtipp<br />
<strong>Zoë</strong> gibt es<br />
jetzt auch als<br />
Jahresabo!<br />
Auf Grund des absolut tollen<br />
Feedbacks und der großen<br />
Nachfrage gibt es <strong>Zoë</strong> nun auch<br />
im Jahresabo. Wer möchte, kann<br />
sich in Zukunft das Magazin<br />
bequem zum Schmökern nach<br />
Hause schicken lassen!<br />
4 x im Jahr zum Jahresabopreis<br />
von 17,90 Euro.<br />
Abo-Bestellung:<br />
zoe.imwebtv.at/<br />
abo<br />
IMPRESSUM<br />
Medieneigentümer & Herausgeber:<br />
Unlimited media<br />
video • web • print & more<br />
Crisafulli & Stodulka Unlimited Media GmbH<br />
Verlag & Redaktion:<br />
Salierigasse 26/4, 1180 Wien<br />
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office@unlimitedmedia.at,<br />
Thomas Stodulka: 0699/11 08 92 73<br />
Eliana Crisafulli: 0699/11 99 68 70<br />
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Thomas Stodulka, Eliana Crisafulli<br />
Ärztlicher Beirat:<br />
Dr. Bernhard Angermayr, Dr. Niklas Spitzer<br />
Redaktion:<br />
Dr. Bernhard Angermayr, Mag. Robert<br />
Kaltenbrunner, Martina Reitinger<br />
Lektorat:<br />
Martina Aichhorn<br />
Art Direktion & Layout:<br />
Unlimited Media<br />
Produktion: wos producciónes<br />
Anzeigenberatung:<br />
sales@unlimitedmedia.at<br />
Druck:<br />
Druckerei Odysseus Stavros Vrachoritis<br />
GmbH, Haideäckerstraße 1, 2325 Himberg<br />
Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit<br />
wird auf eine geschlechtsspezifische<br />
Differenzierung, wie z.B. Teilnehmer/innen,<br />
verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten<br />
im Sinne der Gleichbehandlung für beide<br />
Geschlechter. In den Texten wird durchgängig<br />
die männliche Form benutzt. Im Sinne<br />
des Gleichbehandlungsgesetzes sind diese<br />
Bezeichnungen als nicht geschlechtsspezifisch<br />
zu betrachten.<br />
Zertifiziert mit dem<br />
Österreichischen Umweltzeichen,<br />
UZ Produkte / Druckerzeugnisse / UW-Nr. 830<br />
4 <strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>5
Alle Jahre wieder, am 30. 04.<br />
„STEIRISCH AUFRETTERN“<br />
Lassen Sie sich auf einen Spaziergang zu<br />
den vielen Genuss-Platzerln entführen,<br />
auf denen sich unsere BIO-Lebensmittel-<br />
Produzenten präsentieren. Genießen Sie<br />
herzhafte Tröpferl von den besten Weinbauern<br />
und kulinarische Schmankerl aus<br />
der Region – das Ganze wie immer, bei<br />
zünftiger Musik.<br />
Beginn 19.00 Uhr<br />
Erwachsene € 59,– p. P.<br />
Kinder € 39,– p. P.<br />
Slow-Food-Fest mit Übernachtung inkl.<br />
Allzeit-Genuss zum TOP-Sonderpreis:<br />
Zeit für S‘ICH<br />
1 Übernachtung ab € 148,– p. P.<br />
2 Übernachtungen ab € 272,– p. P.<br />
3 Übernachtungen ab € 408,– p. P.<br />
4 Übernachtungen ab € 544,– p. P.<br />
(Tipp: 1. Mai = Staatsfeiertag)<br />
Urlaub mit Wohlfühlgarantie<br />
Unter dem Motto „Bewusst Sein“ bietet das Hotel Retter im Naturpark<br />
Pöllauer Tal neben einem herrlichen Naturpanorama vor allem Wellness und<br />
Erholung pur!<br />
Stellen Sie sich vor, Sie hätten Zeit – und das<br />
an einem der schönsten Fleckerl der Steiermark,<br />
mitten im Naturpark Pöllauer Tal. Sie<br />
genießen köstliche Haubenschmankerln aus<br />
biozertifizierten, regionalen Produkten, wandern<br />
auf bemoosten Wegen und entdecken<br />
den Garten der Sinne. Im Hotel Retter werden<br />
all diese Träume wahr: Die auf höchstem<br />
Niveau und im Einklang mit der Natur ausgestatteten<br />
Turmzimmer mit Weitblick-Whirlpool<br />
sowie die Blüten-Blätterzimmer laden zum<br />
Loslassen und Auftanken ein. Im Wellnessreich<br />
„Bewusst Sein“ erwarten Sie auf 1.200 m² ein<br />
beheizter Außenpool, Innen-Whirlpool, wohltuende<br />
Massagen und Behandlungen, das<br />
Naturpark-Saunareich mit Schwimmteich<br />
sowie ein Fitnessraum mit modernsten Cardiogeräten.<br />
Und was gibt es Schöneres, als auf<br />
der Weitblickterrasse bei einem Glas Wein den<br />
Tag ausklingen zu lassen?<br />
Bio-Haubenküche<br />
Auch auf Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Bio<br />
wird im modernen Traditionshotel großer Wert<br />
gelegt. So ist die Retter-Landwirtschaft rund um<br />
das Hotel seit über 20 Jahren biozertifiziert, das<br />
bestätigt auch die Auszeichnung mit der Grünen<br />
Haube und einer Gault-Millau Haube. Verwöhnt<br />
werden die Gäste mit biozertifizierten, regionalen<br />
Köstlichkeiten. Zukunft hat für das Team bei<br />
Retter viel mit Verantwortung zu tun, aber auch<br />
mit echter Freude am Moment, mit Spaß im Leben<br />
und vor allem mit Zeit für S’ICH. Und die soll<br />
man dort verbringen, wo das ganze Rundherum<br />
im Einklang mit der Natur ist, erklärt Gastgeberin<br />
Ulli Retter: „Uns ist es sehr wichtig, den Gästen<br />
Ruhe und Erholung für Körper und Seele zu<br />
bieten. Regional leben, ganzheitlich und global<br />
denken und Menschen wertschätzen, das ist<br />
unser Credo!“<br />
Green Spa<br />
Gelebt wird im Retter also das „Zur-Ruhe-<br />
Kommen“. Aber was bedeutet Wellness in<br />
einem Haus wie diesem? Dass ein dreitägiger<br />
Aufenthalt vor einem Burn-out bewahren<br />
kann, wie es ein Hotelgast einmal formuliert<br />
hat? Auf jeden Fall bedeutet Wohlfühlen hier,<br />
dass Lehm, Glas, Vollholz und echter Stein<br />
dem Besucher Erdung und neue Energien<br />
spenden, dass eine Naturparksauna mit Naturschwimmteich<br />
für Erbauung sorgt und<br />
dass der Gast mit reiner Naturkosmetik und regionalen<br />
Behandlungen wie Traubenkernsäckchen<br />
und Specksteinmassagen verwöhnt wird.<br />
Gastgeberin Ulli Retter begleitet Bewegungshungrige<br />
morgens walkend auf bemoosten<br />
Rehwegerln hinauf zur berühmten Marienwallfahrtskirche,<br />
einem wahren Wunscherfüllungsplatz.<br />
„SPÜR DIE NATUR“<br />
• 2 Übernachtungen<br />
inkl. Allzeit-Genuss<br />
• 1 Teilmassage, 25 min. oder<br />
• 1 Gesichtsrelaxmassage 25 min.<br />
• 1 Aperitif-Weinverkostung uvm.<br />
ab € 296,- p.P. bei Doppelbelegung<br />
„FREUNDINNEN Zeit für uns“<br />
• 2 Übernachtungen<br />
inkl. Allzeit Genuss<br />
• 1 belebender Sekt<br />
• 1 Gesichtsrelaxmassage 25 min.<br />
• 1 Aperitifweinverkostung<br />
• 1 geführte Nordic Walking Tour<br />
• Willkommensgeschenk uvm.<br />
ab € 274,- p.P. bei 4er-Belegung<br />
8225 Pöllauberg<br />
Tel.: +43(0)3335/2690,<br />
hotel@retter.at; www.retter.at
•• GESUNDHEIT<br />
PRÄVENTION<br />
Was, wann, wo & warum?<br />
Vorsorgemedizin ist modern, jedoch das Angebot wird immer größer und<br />
unüberschaubarer und in manchen Fällen auch überflüssig. Wie schaut eine<br />
vernünftige Vorsorgemedizin aus? Ab welchem Alter ist was sinnvoll? Was ist nur<br />
Panikmache? Allgemeine Empfehlungen für Untersuchungen, die für alle Menschen<br />
sinnvoll sind, gibt es nicht. Vielmehr ist gute Vorsorgemedizin individuell: Alter,<br />
Geschlecht, familiäre Erkrankungen, eigene Erkrankungen und Lebensumstände<br />
spielen dabei eine entscheidende Rolle. Darauf basierend legt ein guter Vorsorgemediziner<br />
mit seinen Patienten ein individuelles Vorsorgeprogramm fest.<br />
Moderne Vorsorgemedizin<br />
ist individuell auf die<br />
körperliche Konstitution<br />
und die familiäre Vorgeschichte<br />
abgestimmt. Daher sollte mit dem<br />
Arzt gemeinsam der Vorsorgeplan<br />
festgelegt werden. Eine Vorsorgeuntersuchung<br />
kann immer durchgeführt<br />
werden. Prinzipiell unterscheidet man<br />
drei Arten von Vorsorge: Vorsorge für<br />
Gesunde – damit diese nicht krank<br />
werden –, die individuelle Vorsorge<br />
bei bereits aufgetretenen Erkrankungen<br />
und allgemeine Vorsorgeuntersuchung<br />
ab einem bestimmten<br />
Lebensalter.<br />
Gesundenuntersuchung<br />
Neben einer körperlichen Untersuchung<br />
und einer allgemeinen Blutund<br />
Harnanalyse ist das Gespräch<br />
von zentraler Wichtigkeit. Dabei werden<br />
die individuellen Lebensumstände<br />
und Risikofaktoren erhoben,<br />
auf Basis derer festgelegt wird, ob<br />
weitere Analysen sinnvoll sind oder<br />
wann die nächste Vorsorgeuntersuchung<br />
stattfinden soll. Von ungezielten<br />
Untersuchungen muss dringend<br />
abgeraten werden! Ein Beispiel sind<br />
Tumormarker, welche in der Vorsorge<br />
überhaupt keinen Aussagewert haben!<br />
Sie machen nur Angst, führen<br />
zu unnötigen Untersuchungen und<br />
zu einer Verunsicherung bei den Patienten.<br />
Viel wichtiger ist es, das persönliche<br />
Risiko, den Lebensstil und<br />
auch die familiäre Geschichte des<br />
Patienten zu berücksichtigen.<br />
6 <strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>5
Ein Tipp: Wenn Sie zur Vorsorgeuntersuchung<br />
gehen, messen Sie in<br />
den Wochen zuvor zu unterschiedlichen<br />
Zeiten den Blutdruck (ein Oberarmmessgerät<br />
ist zu empfehlen),<br />
notieren Sie die Werte und bringen<br />
sie diese Aufzeichnungen mit. Der<br />
einmalig beim Arzt gemessene Wert<br />
hat überhaupt keine Aussagekraft.<br />
Individuelle Vorsorge<br />
Leidet man an bestimmten Krankheiten<br />
oder hat gewisse Erkrankungen<br />
durchgemacht, sind Vorsorgeuntersuchungen<br />
sinnvoll, um<br />
Komplikationen zu vermeiden oder<br />
eine Erkrankung nicht noch einmal zu<br />
bekommen. Beispiele sind alle Arten<br />
von Herz-Kreislauf-Erkrankungen,<br />
Diabetes, Krebserkrankungen oder<br />
Leberzirrhose. Aber auch „harmlosere“<br />
Probleme wie ein zu hoher Cholesterinspiegel<br />
sind Risikofaktoren<br />
für ernstere Komplikationen, sodass<br />
auch in diesem Fall Vorsorgemedizin<br />
eine wichtige Rolle spielt.<br />
Allgemeine Vorsorge<br />
Eine Untersuchung macht allerdings<br />
auch flächendeckend Sinn: die Dickdarmkrebsvorsorge<br />
ab 50. Dadurch<br />
lässt sich das Dickdarmkrebs-Risiko<br />
reduzieren. In Österreich sterben<br />
jährlich etwa 2.500 Menschen an<br />
Dickdarmkrebs. Diese Fälle könnte<br />
man um 90 Prozent reduzieren. Bei<br />
Frauen macht es Sinn, einmal jährlich<br />
zum Frauenarzt, bei Männern<br />
ab 40 zum Urologen zu gehen. Der<br />
Zeitpunkt für Mammografien wird<br />
am besten gemeinsam mit dem behandelnden<br />
Facharzt festgelegt.<br />
Bei Muttermalen ist es ratsam, diese<br />
einmal vom Hautarzt begutachten zu<br />
lassen, wobei auch hier die Kontrollintervalle<br />
individuell festgelegt werden.<br />
Frauen unter 50 sollten jährlich<br />
ihren Ferritinspiegel (Speicher eisen)<br />
bestimmen lassen, Werte unter<br />
30 µg/l deuten auf einen Eisenmangel<br />
hin. Eine Kontrolle beim Augenarzt<br />
empfiehlt sich jährlich.<br />
Eine Vorsorgeuntersuchung beim Internisten<br />
ist ab dem 40. Lebensjahr<br />
ratsam. Impfungen können schwerwiegende<br />
Erkrankungen verhindern,<br />
sodass sie ebenfalls zur Vorsorge<br />
gehören. Welche Impfungen sinnvoll<br />
sind, muss ebenfalls individuell festgelegt<br />
werden.<br />
Doz. Dr. Bernhard Angermayr<br />
Videoinfos mit Gastroenterologen<br />
Doz. Dr.<br />
Bernhard Angermayr auf<br />
zoe.imwebtv.at/vorsorge<br />
kurz notiert<br />
Stop-Smoking-App<br />
Viele Raucher würden ihr Laster<br />
beenden, doch Alltagssorgen,<br />
Stress oder fehlende Motivation<br />
machen guten Vorsätze oft wieder<br />
zunichte. Die kostenlose Android-App<br />
„Stop Smoking“ kann<br />
helfen, die nötige Unterstützung<br />
in Sachen Motivation zu erhalten.<br />
Zahlreiche praktische Tipps<br />
erleichtern den Alltag. Nette<br />
Features: Statistiken zu den gerauchten<br />
Zigaretten und über das<br />
gesparte Geld.<br />
Apotheken-App<br />
Wer wissen will, wo sich die<br />
nächste Apotheke befindet und<br />
ob diese auch offen hat, erhält<br />
über die „Apo-App“ rasch und<br />
präzise Auskunft. Für Android,<br />
iOS oder Windows Phone 7<br />
entwickelt, beinhaltet sie alle<br />
österreichischen Apotheken mit<br />
tagesaktuellen Daten. Zusätzlich<br />
sind seit dem letzten Update<br />
jetzt auch Infos über Medikamente,<br />
Einnahmehinweise und<br />
Gebrauchsinformationen abrufbar.<br />
Die App von der Österreichischen<br />
Apothekerkammer steht<br />
kostenlos für Android im Play<br />
Store und für iOS im App Store<br />
zum Herunterladen bereit.<br />
mythen<br />
•• Eine Darmspiegelung ist schmerzhaft.<br />
•• Tumormarker sind in der Vorsorgemedizin sinnvoll.<br />
fakten<br />
•• PSA-Werte sind ungeeignet zur Entdeckung eines<br />
Prostatakarzinoms.<br />
•• Impfungen schützen vor schweren Erkrankungen.<br />
•• 90 % aller Darmkrebserkrankungen könnten verhindert<br />
werden, wenn alle ab 50 zur Darmspiegelung gehen würden.<br />
•• Regelmäßige Bewegung/Sport (2x/Woche) und das<br />
Halten/Erreichen des Normalgewichts gehören zu den<br />
wichtigsten und effektivsten Vorsorgemaßnahmen.<br />
Burnout & Stress scannen<br />
Die eigene Gefährdung in Sachen<br />
Stress und Burnout kann<br />
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Einzelnen abgeklärt werden. Die<br />
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Überblick über das individuelle<br />
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Stress und Burnout, verlinkt zu<br />
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erweiterten Services. Zudem gibt<br />
es News und Infos zu den Themenfeldern<br />
Stress, Burnout und<br />
Prävention.<br />
<strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>57
•• GESUNDHEIT<br />
Fastenmethoden<br />
Über kurz oder lang –<br />
aus dem Bauch heraus<br />
20:4, 16:8 oder doch 10:2? Die Rede ist hier vom „intermittierenden Fasten“. Dabei<br />
wechseln sich die Essens- und Fastenzeiten in einem bestimmten Rhythmus ab. Ob<br />
es sich um „Eat-Stop-Eat“, „Dinner Cancelling“ oder wie bei Bernhard Ludwig um<br />
einen Tag essen, einen Tag fasten handelt: Was diese im heutigen Alltag praktikableren<br />
Methoden gemeinsam haben, ist, die Fastenzeit nicht nur auf eine bestimmte Zeit im<br />
Jahr zu beschränken, sondern diese weniger radikal, aber stetig über das ganze Jahr<br />
einzubauen. Eines gleich vorweg: Die absolut ultimative Formel für jeden gibt es nicht!<br />
Jeder Mensch ist verschieden und was für den einen gut ist, ist für den anderen nicht<br />
auszuhalten. „Es ist wichtig, ein Gespür zu entwickeln und festzustellen, was persönlich<br />
gut tut und was nicht. Wer auf seinen Körper hört, weiß, was ihm gut tut“, erklärt<br />
Ernährungsberaterin Dr. Claudia Nichterl. „Egal welche Ernährungsform jemand wählt:<br />
Sie soll Kraft geben, gesund erhalten und es muss einem auch psychisch dabei gut<br />
gehen, d.h. auch der Genussfaktor darf nicht zu kurz kommen!“<br />
8 <strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>5
Beim intermittierenden Fasten<br />
werden dem Körper gewisse<br />
Pausen gegönnt und er kann<br />
seine Energie für andere<br />
Aufgaben einsetzen, als zu viel<br />
Nahrung und zu viel Durcheinander<br />
zu verdauen.<br />
Während die traditionellen<br />
alten Fastenmethoden<br />
eine oder<br />
bis zu mehreren Wochen Tees<br />
und Gemüsebrühen vorschlagen,<br />
empfiehlt die Ernährung nach chinesischer<br />
Medizin z.B. Getreidekuren,<br />
da die Nulldiät in den meisten<br />
Fällen zu sehr auf die Substanz<br />
geht. „Wenn jemand sehr dick<br />
ist, viel schwitzt, einen hochroten<br />
Kopf hat und schon kurz vor dem<br />
Herzinfarkt steht, wird ihm eine<br />
kurze Nulldiät vielleicht gut tun. Ich<br />
würde das aber auf jeden Fall nur<br />
unter ärztlicher Kontrolle machen.<br />
Allen anderen rate ich davon ab“,<br />
so Ernährungsexpertin Dr. Claudia<br />
Nichterl. Sie vertritt vor allem die<br />
Philosophie der traditionellen chinesischen<br />
Medizin und kombiniert<br />
diese mit Metabolic Balance. Denn<br />
beide Konzepte berücksichtigen<br />
immer den individuellen Typ, jeweiligen<br />
Stoffwechsel oder Schilddrüsenprobleme<br />
des Menschen<br />
und „scheren nicht alles über einen<br />
Kamm“. Allgemein sucht sich die<br />
Expertin „immer die besten Ideen<br />
zusammen“.<br />
Fasten mit Getreide und Gemüse<br />
findet Claudia Nichterl sowieso<br />
l ustvoller „und der Gewichtsverlust<br />
ist fast genauso hoch wie beim<br />
Nullfasten – mit dem Vorteil, nicht<br />
Muskelmasse zu verlieren“. Denn<br />
Nicht-Essen und nur Wasser oder<br />
Brühe zu trinken bedeutet auch,<br />
Muskelmasse und Eiweißanteile im<br />
Körper zu verlieren. „Das sieht man<br />
heute schon kritisch, deswegen wird<br />
auch gar nicht mehr so viel Nulldiät<br />
empfohlen. Es gibt zudem modifiziertes<br />
Fasten, mit gedünstetem<br />
Gemüse und das hat genauso einen<br />
Effekt“, weiß Claudia Nichterl. Gegen<br />
wöchentliche Fastentage spricht ihrer<br />
Meinung nach aber nichts: Ein bis<br />
zwei Mal in der Woche einen Gemüse-,<br />
Suppen-, Erdäpfel- oder Reis-<br />
Gemüse-Tag einzulegen oder nach<br />
dem Wochenende zu beschließen,<br />
dass man am Montagabend nichts<br />
isst, ist durchaus legitim.<br />
Essen mit Rhythmus<br />
Was heute als „Dinner Cancelling“<br />
bekannt ist, kannten die alten Chinesen<br />
schon längst. Und sie wussten<br />
auch schon lange um den regenerierenden<br />
Effekt - heute auch „Anti-<br />
Aging“ genannt. Da wären wir auch<br />
schon bei den Ideen der Neuzeit. Was<br />
sich nämlich zunehmend durchsetzt,<br />
ist das intermittierende Fasten (intermittere<br />
= unterbrechen; aussetzen).<br />
Sicherlich auch, weil die totalen Rückzugsmöglichkeiten<br />
zeitlich und räumlich<br />
heutzutage nicht so gegeben und<br />
im normalen Alltagsstress nicht leicht<br />
umsetzbar sind. Aber wie bereits erwähnt:<br />
Allein schon der Verzicht auf<br />
das Abendessen bringt’s und wirkt<br />
sich positiv auf die Gewichtsabnahme<br />
aus. Denn wenn das Abendessen<br />
ausgelassen wird, kommt es zu<br />
einem leichten Absinken des nächtlichen<br />
Glukosespiegels im Blut. In<br />
der Nacht kommt es zudem zu einem<br />
Anstieg der Melatoninproduktion<br />
sowie zu einer Neubildung von<br />
Wachstumshormonen.<br />
<strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>59
Und jetzt kommt’s: Wachstumshormone<br />
bauen Fettzellen ab. „Eine<br />
Reduktion der Nahrungsaufnahme<br />
entlastet das Verdauungssystem und<br />
der Körper hat dann mehr Ressourcen,<br />
um Zellreparaturarbeiten durchzuführen“,<br />
so Claudia Nichterl. „Man<br />
schläft besser und die nächtliche Hormonproduktion<br />
wird optimiert. Wenn<br />
man dann noch gezielt Lebensmittel<br />
zu sich nimmt, die viele Vitamine und<br />
Mineralstoffe liefern, hat das zusätzlich<br />
einen Effekt auf die Gesundheit<br />
sowie auf die Schönheit, auf die Haut<br />
und auf das generelle Wohlbefinden.“<br />
Über kurz oder lang<br />
Für die, die vor allem auf das Abendessen<br />
nicht verzichten können, ist<br />
die so genannte „Warrior Diet“ von<br />
Ori Hofmekler eine Alternative. Diese<br />
klassischen „Abendesser“ – das können<br />
aber auch Frühstücker oder Mittagesser<br />
sein – essen ein Mal am Tag<br />
ordentlich, bis sie satt sind. Dann wird<br />
20 Stunden gefastet. Beim „Leangains-Protokoll“<br />
von Martin Berkhan<br />
wird ein täglicher Wechsel zwischen<br />
16 Stunden Fasten und acht Stunden<br />
Essen empfohlen. Die Uhrzeit<br />
ist nicht so wichtig, nur das Intervall.<br />
D.h., wenn von 10 bis 18 Uhr gegessen<br />
wird, dauert die Fastenzeit von 18 bis<br />
10 Uhr am nächsten Tag. Bei „Eat-<br />
Stop-Eat“ rät Brad Pillon, nur ein bis<br />
zwei Mal die Woche zu fasten, dafür<br />
aber länger. Hier beträgt die Fastenzeit<br />
24 bis 36 Stunden – jedoch sollte<br />
es immer so angelegt werden, dass<br />
man am Tag vor bzw. nach dem Fasten<br />
mindestens eine Mahlzeit hat.<br />
Beispiel: Frühstück um 9 Uhr am<br />
Montag und nächste Mahlzeit wieder<br />
am Dienstag 21 Uhr. Bernhard<br />
Ludwig nennt seine Methode „10in2“.<br />
Das ist für „Alles-oder-nichts-Typen“<br />
und Gern-Esser eine Möglichkeit, Gesundheit<br />
und Gewicht in Balance zu<br />
halten. Es geht darum, zu essen, was<br />
man will – jeden zweiten Tag. D.h. einen<br />
Tag essen (1), einen Tag fasten (0).<br />
Summa summarum<br />
Letztendlich kommt es immer auf<br />
die Energiebilanz an. Es soll im Laufe<br />
des Tages eine gewisse Kalorienzufuhr<br />
erreicht werden, die man am<br />
besten mit Sport und Bewegung unterstützt.<br />
Summa summarum sollte<br />
die Wochenbilanz stimmen. „Manchen<br />
fällt es unter der Woche leichter,<br />
die können durch die Arbeitswoche<br />
kontrollierter essen und möchten am<br />
Wochenende fasten, bei anderen ist<br />
es umgekehrt“, weiß Claudia Nichterl<br />
aus Erfahrung.<br />
Ihr großes Anliegen ist, die Menschen<br />
wieder unabhängig von den vielen<br />
Heilversprechen und Lehren zu machen.<br />
„Wenn jemand ein Mal im Jahr<br />
eine Woche fasten will und es ihm<br />
gut tut, dann soll er es machen und<br />
es sich auch nicht ausreden lassen“,<br />
so Claudia Nichterl. „Die Menschen<br />
sollten wieder dieses Selbstbewusstsein<br />
haben, den eigenen Bauch spüren<br />
zu lassen – ob man jetzt Rhythmen<br />
einhält oder nicht, solange das<br />
nicht verkrampft, fanatisch oder<br />
mit Zwang ist. Ich bemerke in den<br />
letzten Jahren eine Steigerung von<br />
eingebildeten Allergien und Unverträglichkeiten<br />
sowie ein dauerndes<br />
Schlechtmachen der Nahrung. Dabei<br />
sind die meisten keine echten<br />
Allergien, sondern Unverträglichkeiten<br />
und meist deswegen, weil man<br />
zu einseitig isst, sich keine Zeit zum<br />
Essen nimmt oder vorwiegend von<br />
Industrienahrung lebt. Viele Menschen<br />
können nicht einmal mehr<br />
selber kochen, weil sie angeblich keine<br />
Zeit haben – um dann drei Stunden<br />
vor dem Fernseher zu sitzen. 20<br />
Minuten für eine Essenszubereitung<br />
werden schon als zu viel betrachtet<br />
– dabei braucht eine Tiefkühlpizza<br />
auch 20 Minuten im Backofen. In der<br />
Zeit habe ich mir schon längst etwas<br />
Gutes gekocht.<br />
Für mich ist Kochen essenziell und<br />
Lebensqualität. Eine Stunde am<br />
Tag meiner Nahrungsversorgung zu<br />
widmen ist für mich die Basis. Denn<br />
meine Körperzellen sind das, was ich<br />
zu mir nehme, und ich bin von der<br />
Heilwirkung der Lebensmittel zutiefst<br />
überzeugt. Wer sich selbst z.B. eine<br />
Karottensuppe kocht, braucht keine<br />
Panik zu haben – denn eine Karotte<br />
hat noch nie eine Glute beinhaltet. “ <br />
<br />
Eliana Crisafulli<br />
Was bringt’s?<br />
Fasten<br />
•• ist reinigend: entgiftet,<br />
entschlackt,<br />
•• steigert die Vitalität,<br />
•• stärkt die Selbstheilungskräfte<br />
des Körpers und wirkt sich dadurch<br />
positiv auf die gesamte<br />
Gesundheit aus – u.a. regulieren<br />
sich Blutzuckerspiegel<br />
und Choles terinwerte, Hautkrankheiten<br />
wie Neurodermitis<br />
verbessern sich ...,<br />
•• hat somit einen Anti-Agesowie<br />
Better-Age-Effekt bzw.<br />
steigert die Lebenserwartung,<br />
•• gönnt dem oft überforderten<br />
Verdauungssystem eine Pause.<br />
Die Energie kann für andere<br />
wichtige Körpertätigkeiten<br />
eingesetzt werden wie zum<br />
Beispiel für Zellre paraturen,<br />
•• ist ein idealer Einstieg in eine<br />
Ernährungsumstellung oder<br />
Diät. Denn ein richtiger Bruch<br />
– also totaler sowie schneller<br />
Entzug von Zucker, Koffein,<br />
Fertiglebensmitteln und Süßigkeiten<br />
– fällt den meisten<br />
leichter als z.B. nur die Schokolade<br />
wegzulassen oder „ab<br />
morgen gesund zu essen ...“ ,<br />
•• hilft bei saisonalen Ernährungsumstellungen:<br />
In der chinesischen<br />
Medizin wird Fasten<br />
auch als Nahrungsumstellung<br />
von z.B. schwerer Winterkost<br />
auf leichtere Sommerkost<br />
eingesetzt,<br />
•• hat eine erleichternde Wirkung<br />
auf vielen Ebenen: Seelischer<br />
Ballast wird gleich mitverdaut<br />
und abgeladen,<br />
•• ist eine gute Gelegenheit, auf<br />
sämtliche Reize und Einflüsse<br />
von außen zu verzichten und<br />
auch vielleicht gleichzeitig eine<br />
Internet-, Handy- oder Facebook-Pause<br />
einzulegen ...<br />
10 <strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>5
Männer, Tattoos, PiercingS<br />
Haut und Körper als Symbol<br />
Tattoos und Piercings erfreuen sich in der westlichen Welt<br />
steigender Beliebtheit. Etwa jeder fünfte Österreicher trägt<br />
eine Tätowierung. Die Diskussionen über gesundheitliche<br />
Risiken beschäftigen seit langem die Medizin.<br />
Beim Tätowieren werden<br />
Farbstoffe in die Haut<br />
eingebracht, die dann von<br />
Makrophagen ‚gefressen‘ und so<br />
fixiert werden“, erklärt Dr. Georg Pfau,<br />
Sexualmediziner und Männerarzt in<br />
Linz. „Unter Piercing versteht man<br />
das Anbringen von Schmuckstücken<br />
an den verschiedensten Körperteilen.“<br />
Es wird geschätzt, dass in Österreich<br />
etwa 500.000 Personen ein Piercing<br />
tragen. Tattoos und Piercings sollen<br />
vor allem die sexuelle Attraktivität<br />
betonen. Männer benützen die Sexualität<br />
zur Selbstdarstellung, sie<br />
neigen dazu, ihre „Männlichkeit“ zu<br />
unterstreichen. Die Motive sind daher<br />
Totenköpfe oder Raubtiere. Ganz<br />
grundsätzlich dient das Tätowieren<br />
aber auch dem Protest gegen das<br />
Establishment, dessen Motor das von<br />
den bürgerlichen Schichten gepflegte<br />
Stigma gegenüber Tätowierten ist.<br />
Andere Motive sind die Dokumentation<br />
einer Zusammengehörigkeit, die<br />
Institutionalisierung einer Beziehung<br />
oder das Symbol für die Zugehörigkeit<br />
zu einer okkulten Vereinigung.<br />
Mögliche Komplikationen sind Entzündungen,<br />
Infektionen, Allergien<br />
und Tumore. Georg Pfau: „Fest steht,<br />
dass die Beurteilung der Prävalenz<br />
von Komplikationen schwerfällt, weil<br />
Tattoo- und Piercingstudios außerhalb<br />
der Medizin tätig sind.“ Die Zusammensetzung<br />
der Farbstoffe wird<br />
häufig als „Betriebsgeheimnis“ betrachtet.<br />
Ärzte fordern seit langem<br />
die Standardisierung der Farbstoffzusammensetzung.<br />
„Das Hauptproblem<br />
liegt aber ganz woanders. Früher oder<br />
später wollen 50 Prozent ihre Tattoos<br />
wieder loswerden – möglichst ohne<br />
Narben oder Rückstände.“ Allerdings<br />
ist es nach Durchsicht der Datenlage<br />
bis heute nicht möglich, Tattoos verlässlich<br />
spur- und narbenlos zu entfernen,<br />
auch nicht unter Zuhilfenahme<br />
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<strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>511
•• MENSCH<br />
Die von Victor Gruen vorgeschlagene Idee der begrünten und autofreien Fußgängerzone in der Wiener Kärntner Straße erntete vor<br />
allem Hohn und Spott. Ein Motorjournal veröffentlichte sogar die Karikatur einer Mariahilfer Straße mit Blumen und Gras. Sandy Gold<br />
hat die Karikatur der 70er-Jahre für uns nachempfunden.<br />
Artwork: Sandy Gold<br />
12 <strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>5
Victor Gruen, Architekt, Umweltpionier und Städteplaner, war seiner Zeit voraus.<br />
PORTRÄT: Victor Gruen<br />
Der Weg der Fußgängerzonen<br />
Der Umstand, dass wir auf eine Karrikatur gestoßen sind, die in den 70er-Jahren<br />
die Mariahilfer Straße als Fußgängerzone karikierte, weil zum damaligen Zeitpunkt<br />
die Fußgängerzone in der Kärntner Straße zur Diskussion stand, fanden wir sehr<br />
amüsant. Vor allem, weil der Schuss damals nach hinten losging und die Menschen<br />
die Idee als schön und wünschenswert sahen. Nun, über 40 Jahre später, wurde es<br />
zur Wirklichkeit. Wir nahmen das zum Anlass, den Menschen zu porträtieren, der<br />
das damals initiiert hat. Die Rede ist von Victor Gruen, einem außergewöhnlichen<br />
Mann, dessen Interesse immer darin bestand, die Stadt als lebenswerten Raum für<br />
Menschen zu gestalten, und der mit seinen Ideen bereits zu seiner Zeit Nachhaltigkeit<br />
bewies. Ihm ging es immer um soziale, menschliche und ökologische Aspekte.<br />
Er war einer der bekanntesten Architekten des 20. Jahrhunderts und gilt als der<br />
Erfinder der Shopping-Malls und der Fußgängerzone. Doch die Vaterschaft an den<br />
Shopping-Centern lehnte er später klar ab: „Ich weigere mich, Alimente für diese<br />
Bastardobjekte zu zahlen. Sie haben unsere Städte zerstört.“<br />
<strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>513
Victor Gruen leitete in Wien ein politisches Kabarett, das den Faschismus aufs Korn<br />
nahm. 1934 wurde es verboten, Victor Gruen musste flüchten. Das Reunion-Konzert der<br />
Wiener Kabarett-Gruppe fand aber Jahre später – wie versprochen – in New York statt.<br />
Gemeinsam mit seiner Frau Elsie Krummeck<br />
verfasste Victor Gruen 1943 einen<br />
Artikel über die Idee der Shopping-Town.<br />
In Österreich gilt Victor Gruen als<br />
geistiger Vater der ersten Wiener<br />
Fußgängerzone, die 1974 trotz<br />
heftigster Kritik in der Kärntner<br />
Straße eingerichtet wurde. Sein<br />
damaliges Argument: „Autos kaufen<br />
nichts!“ Spaßhalber schlugen seine<br />
Kritiker vor, auch gleich die Mariahilfer<br />
Straße zu begrünen und von<br />
den Autos zu befreien. Das wurde<br />
letztlich Realität. Aber der Konsum<br />
beherrscht mittlerweile nicht nur<br />
die Einkaufszentren und die Städte,<br />
sondern ist in unserer Gesellschaft<br />
zum obersten Prinzip geworden.<br />
Der Gruen-Effekt<br />
Unter dem Gruen-Effekt versteht<br />
man die Desorientierung, die auf<br />
Besucher eines Shopping-Centers<br />
angesichts der Unübersichtlichkeit<br />
und Größe des Gebäudes einwirkt.<br />
Diese strategische Verwirrung führt<br />
dazu, dass die ursprünglichen Ziele<br />
des Besuchs und die klaren Kaufwünsche<br />
von einem ziellosen Flanieren,<br />
Schauen und Kaufen verdrängt<br />
werden. Beim Gruen-Effekt wird den<br />
Konsumenten die Identität gestohlen,<br />
sie werden Teil dieses Theaters<br />
und müssen sich den Weg aus dem<br />
Geschäft quasi freikaufen. Das ist<br />
Verführung und Manipulation zugleich.<br />
Der Name des Effekts geht<br />
auf Victor Gruen zurück. Der hatte<br />
aber eigentlich eine ganz andere Idee<br />
mit diesen Shopping-Towns.<br />
Alles begann in Wien<br />
Geboren wurde er in Wien am 18. Juli<br />
1903 als Victor David Grünbaum. Die<br />
Hauptstadt pulsierte damals mit seinen<br />
Theatern, Kabaretts, Konzerten<br />
und Kaffeehäusern, war ein lebendiges<br />
Zentrum des geistigen und<br />
kulturellen Treibens. Das Rote Wien<br />
der Zwischenkriegszeit beeinflusste<br />
Victor Gruen nachhaltig. Er kritisierte<br />
offen die Nationalsozialisten und war<br />
bekennender Sozialdemokrat.<br />
Zwischen 1926 und 1934 renovierte<br />
Victor Gruen kleine Geschäfte und<br />
Wohnungen (unter anderem von<br />
Otto Bauer), am Abend leitete er ein<br />
politisches Kabarett mit einer Gruppe<br />
Sozialisten um Jura Soyfer und Robert<br />
Ehrenzweig. „Dort kämpften 30<br />
Theaterbegeisterte mit Witz, Charme<br />
und Ironie gegen den Faschismus“,<br />
erinnerte er sich später in Interviews.<br />
Das Kabarett wurde 1934 verboten.<br />
Victor Gruen verbrannte alle Programmhefte<br />
und Unterlagen und<br />
gab ein Versprechen ab: „Wenn sich<br />
möglichst viele von uns nach New<br />
York durchschlagen, werde ich dort<br />
eine Wiener Theatergruppe organisieren.“<br />
Niemand glaubte damals daran;<br />
aber seine Hartnäckigkeit setzte sich<br />
durch. Das Reunion-Konzert fand<br />
Jahre später in New York wirklich statt.<br />
Aber seine Ausreise aus Österreich<br />
war schwierig. Über Umwege schaffte<br />
es Victor Gruen ins Reisebüro, um<br />
Flugtickets für die Schweiz zu kaufen.<br />
Dort erreichte ihn ein Anruf: „Bleib<br />
wo du bist, eure Wohnung wurde<br />
von der Gestapo besetzt.“ In der Not<br />
telefonierte er mit seinem Tischler.<br />
Drei Stunden später stand dieser als<br />
Sturmtruppenführer verkleidet vor der<br />
Tür. Victor Gruen: „Er fuhr uns in seiner<br />
gestohlenen Uniform zum Flughafen<br />
und rettete uns so das Leben!“<br />
Ankunft in New York<br />
Als Victor Gruen 1939 nach New<br />
York kommt, arbeitet er vorerst am<br />
Broadway und gestaltet Bühnendesigns.<br />
Schon bald bekommt er<br />
aber von österreichischen Geschäftsleuten<br />
Aufträge, ihre Shops in New<br />
York neu zu gestalten. Für das Ge-<br />
14 <strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>5
Aus der Sehnsucht nach dem Flair des europäischen, lebendigen und kulturell pulsierenden Stadtkerns heraus skizzierte Victor Gruen<br />
die multifunktionale Shopping-Town: In den zersiedelten US-Vorstädten sollte dadurch eine kombinierte Bühne für soziale und<br />
kommerzielle Interaktion entstehen. Schon damals Teil des Plans: Die Autos parkten auf dem Dach des Zentrums.<br />
Fotos: pooldoks/Victor Gruen Associates, aus „The Gruen-Effect“<br />
schäft „Lederer“ entwickelt Victor<br />
Gruen damals jene Elemente, mit<br />
denen er Jahre später die Shopping-<br />
Mall bauen wird. Die Formen sind auf<br />
das Notwendigste reduziert, sind in<br />
jeder Größenordnung einsetzbar –<br />
sowohl in der Innenarchitektur wie in<br />
der Stadtplanung. Schon bald folgten<br />
größere Aufträge.<br />
Gemeinsam mit seiner Frau Elsie<br />
Krummeck schrieb Victor Gruen 1943<br />
für eine Architekturzeitschrift einen<br />
richtungsweisenden Artikel. Das Vorbild<br />
eines europäischen Stadtkerns<br />
im Hinterkopf, skizzierten sie ein<br />
multifunktionales Einkaufszentrum:<br />
die Shopping-Town. Für die zersiedelte<br />
US-Vorstadt sollte dadurch<br />
eine kombinierte Bühne für soziale<br />
und kommerzielle Interaktion entstehen.<br />
Die neuen Zentren waren als<br />
sozialer Kristallisationspunkt des Gemeinschaftslebens<br />
gedacht.<br />
Von der Shopping-Town<br />
zur Shopping-Mall<br />
In der Autostadt Detroit griff der Besitzer<br />
des Hudson-Kaufhauses den<br />
Vorschlag auf und 1954 wurde das<br />
erste Einkaufszentrum eröffnet: das<br />
Northland Center. Dort waren das<br />
Hudson-Kaufhaus, 80 Geschäfte, ein<br />
Auditorium, Kaffeehäuser, ein Theater<br />
und ein Postamt untergebracht.<br />
Das Problem: Victor Gruen unterschätzte<br />
die Gier des Kapitals. Denn<br />
findige Geschäftsleute erkannten<br />
bald, dass diese sozialen Strukturen<br />
wie Postämter oder Theater nicht<br />
notwendig waren. Aus den Shopping-<br />
Towns wurden Shopping-Malls mit<br />
einem einzigen Ziel: Jeder Quadratmeter<br />
diente der Profitmaximierung.<br />
Alles wurde dem Denken nach mehr<br />
Kommerz, Geld und Profit untergeordnet.<br />
Aus der polyfunktionalen<br />
Shopping-Town wurden reine Verkaufsmaschinen.<br />
Das neue Modell<br />
der Shopping-Mall wurde über ganz<br />
Amerika verbreitet. Die tragische Nebenerscheinung:<br />
Die existierenden<br />
Stadtzentren wurden zerstört.<br />
Victor Gruen: „Die Geister, die ich<br />
gerufen hatte, übernahmen unheilvoll<br />
die ganze Welt. Von Profitgier<br />
beflügelte Super-Einkaufsmaschinen<br />
machten aus Stadtkernen leere<br />
Schalen. In den Innenstädten wohnten<br />
in der Zwischenzeit nur noch<br />
diskriminierte Bevölkerungsschichten,<br />
die privilegierten Weißen waren<br />
weggezogen.“<br />
Zurück in Wien<br />
In den späten 60er-Jahren kehrte<br />
Victor Gruen nach Wien zurück und<br />
beschäftigte sich mit der Revitalisierung<br />
der Stadtzentren. Denn während<br />
er versucht hatte, das europäische<br />
Stadtzentrum auf die US-Vorstädte<br />
zu übertragen, waren konsumorientierte<br />
Shopping-Malls bis nach Europa<br />
vorgedrungen und drohten auch<br />
hier das Modell des urbanen Lebens<br />
zu zerstören. Victor Gruen nahm in<br />
seiner Geburtsstadt den Kampf gegen<br />
das Auto, für Fußgeherzonen<br />
und eine belebte Innenstadt auf.<br />
Willkommen war er in Wien aber<br />
nicht. Die Wiener Architektenkammer<br />
erkannte Victor Gruen den Titel<br />
Architekt ab und stellte ihn 1967 vor<br />
Gericht, weil er als Jude im nationalsozialistischen<br />
Wien versäumt hatte,<br />
sein Studium abzuschließen. Als einer<br />
der bedeutendsten Architekten<br />
des 20. Jahrhunderts wurde er in<br />
Wien verurteilt, durfte nur mehr den<br />
Titel „architect“ führen und musste<br />
sogar 10.000 Schilling an die Kammer<br />
zahlen. Er nahm’s mit Galgenhumor:<br />
„Hoffentlich wird mich der<br />
Kellner im Landtmann ab jetzt mit<br />
Herr Architect ansprechen ...“<br />
<strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>5<strong>15</strong>
Heute unvorstellbar: der Wiener<br />
Graben, als er noch von Autos befahrbar<br />
war. Mehr Bilder aus der Zeit gibt<br />
es in dem Buch „Vintage Vienna“,<br />
Infos: vintagevienna.at<br />
Umweltpionier und Stadtplaner<br />
Viel früher als andere Menschen wurde<br />
Victor Gruen zum Visionär einer<br />
ökologisch nachhaltigen Entwicklung<br />
und beschäftigte sich mit Alternativen<br />
zu Autoverkehr und Atomstrom.<br />
In Wien gründete er 1973 das Zentrum<br />
für Umweltfragen. Schon 1977 schlug<br />
Victor Gruen eine raschere Verbreitung<br />
der Sonnenenergie, Wasserkraft<br />
und Erdwärme in Österreich vor.<br />
Als Städteplaner versuchte er seine<br />
ökologischen Ideen umzusetzen.<br />
Ziel müsse immer ein Streben nach<br />
höchster Qualität des menschlichen<br />
Lebens in Harmonie mit der Natur<br />
sein. Victor Gruen empfahl, die ganze<br />
Wiener Innenstadt als Umweltoase<br />
mit Fußgängerzone zu adaptieren.<br />
In seiner Charta für Wien finden sich<br />
die Grundlagen einer ökologisch verträglichen<br />
und menschengerechten<br />
Stadtentwicklung. Viele Ideen sind<br />
bis heute gültig. In Wien sind Projekte<br />
wie Donauinsel, Stadtentwicklung,<br />
die Fußgängerzone oder die Citybusse<br />
auf ihn zurückzuführen.<br />
Letztlich wurden aber in Wien nur Teile<br />
seines Konzepts umgesetzt. Viele<br />
Maßnahmen stießen auf offenen Widerstand.<br />
Dennoch wurden 1974 die<br />
Kärntner Straße und der Graben zur<br />
Fußgängerzone umgebaut.<br />
In Österreich gilt Victor Gruen seither<br />
auch als geistiger Vater der ersten<br />
großen Wiener Fußgängerzone. Aus<br />
Spott über die Idee der grünen belebten<br />
Innenstadt schlugen damals<br />
seine Kritiker vor, gleich die Mariahilfer<br />
Straße zu begrünen und von den Autos<br />
zu befreien. Eine Karikatur in einer<br />
Autozeitschrift zeigte diese begrünte<br />
Mariahilfer Straße. Dass 2<strong>01</strong>5 die Fußgängerzone<br />
auf der Mariahilfer Straße<br />
Realität ist, hätte Victor Gruen sicher<br />
gefreut; er starb aber 1980 in Wien.<br />
Allerdings wäre Victor Gruen mit<br />
der Umsetzung seiner Ideen nicht<br />
ganz einverstanden gewesen. In der<br />
Reali tät hat der Gruen-Effekt, den<br />
zielorientierten Käufer in flanierende<br />
Shopper zu verwandeln, auf das ganze<br />
Leben übergegriffen. Mittlerweile<br />
huldigen ganze Städte nur mehr<br />
den Göttern der Warenwelt, das soziale<br />
Zentrum ist verloren gegangen.<br />
Konsum ist zum obersten Prinzip<br />
der Stadtplanung, der ökonomischen<br />
Strukturen, der sozialen Beziehungen<br />
und auch der Politik geworden. Dennoch<br />
liegt die letzte Entscheidung bei<br />
uns: Definieren wir uns als denkende<br />
Menschen oder als fremdgesteuerte<br />
Konsumenten?<br />
<br />
Thomas Stodulka<br />
Quellen & Infos:<br />
Trailer zum Film auf:<br />
zoe.imwebtv.at/<br />
victorgruen<br />
The Gruen Effect,<br />
dergrueneffekt.at<br />
Der Gruen Effekt, Dokumentarfilm:<br />
www.hoanzl.at/der-grueneffekt-the-gruen-effect.html<br />
Filmfonds Wien<br />
filmfonds-wien.at/filme/<br />
der-gruen-effekt<br />
Dialog Mariahilfer Straße<br />
dialog-mariahilferstrasse.at<br />
Foto: Ingeborg & Andreas Schneider / Privatarchiv Philipp Schneider<br />
16 <strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>5
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•• MENSCH<br />
österreich hilft Afrika<br />
„Wenn du willst,<br />
kann ich deine Mutter sein“<br />
Die ungewöhnlichsten Geschichten schreibt meist das Leben selbst. Statt an ihrer<br />
Scheidung zu verzweifeln und zu verbittern, entschied sich die Internistin Dr. Claudia Furian<br />
spontan aus dem Herzen heraus für eine neue Aufgabe in ihrem Leben. Sie sagte zu einem<br />
völlig unbekannten <strong>15</strong>-jährigen Waisenjungen bei einem Afrika-Fest in Graz spontan:<br />
„Wenn du willst, kann ich deine Mutter sein!“ Sarif Konte, der aus dem vom Bürgerkrieg<br />
geschüttelten Liberia auf abenteuerlichen Wegen bis nach Graz gekommen war, nahm<br />
das Angebot an. Dem noch nicht genug: Heute arbeiten die beiden gemeinsam an drei<br />
Hilfsprojekten im westafrikanischen Kleinstaat Gambia - an die 1.000 Menschen<br />
werden von Claudia Furian versorgt. Eine Schule in den Slums, ein Dach über dem Kopf<br />
für 250 Waisenkinder und eine gynäkologische Klinik entstanden innerhalb von zehn<br />
Jahren auf Grund ihrer Privatinitiative. Wie immer fehlt es aber vor allem an Geld,<br />
um das schon Geschaffene auch zu erhalten. Spenden erwünscht.<br />
Eigentlich hatte Dr. Claudia<br />
Furian nach der Scheidung<br />
im Jahr 2003 schon ein<br />
Flugticket nach Ruanda zu einem<br />
dortigen Hilfsprojekt in der Tasche.<br />
„Eher zufällig bin ich aber mit einer<br />
Freundin zu einer Afro-Night ins<br />
Grazer Studentenzentrum gegangen<br />
– vollkommen untypisch für mich“,<br />
erinnert sich die Internistin. Dort hat<br />
sie einen <strong>15</strong>-jährigen Burschen mit<br />
Schirmmütze getroffen, der aussah<br />
wie ihr drei Jahre älterer Sohn – „nur<br />
halt schwarz“. Sarif Konte war damals<br />
<strong>15</strong>. Seine Eltern waren schon acht<br />
Jahre zuvor im Bürgerkrieg in Liberia<br />
umgebracht worden. Furian: „Ich hab<br />
ihn angeschaut und ganz spontan<br />
gesagt: Wenn du willst, kann ich deine<br />
Mutter sein.“ Er hat kurz überlegt<br />
und dann einfach zugesagt.<br />
Sarif lebte nach dem Tod seiner Eltern<br />
drei Jahre als U-Boot beim ehemaligen<br />
Hausmeister der Familie, bis<br />
er außer Landes geschmuggelt werden<br />
konnte. In Gambia hat er in einer<br />
Kochbude mehr schlecht als recht<br />
gelebt. Über Gambia ist er dann mit<br />
einem italienischen Schiff nach Genua<br />
und von dort mit dem Zug nach<br />
Graz gekommen.<br />
Mother reloaded<br />
„So wurde ich eben zum zweiten<br />
Mal Mutter“, erinnert sich Furian. Sie<br />
arbeitete damals noch im LKH Graz<br />
West. Dort wurde Sarif auch untersucht,<br />
die Bilanz war eher traurig:<br />
Es fehlte ihm eine Niere, er hatte<br />
einen Herzfehler, der schon in Afrika<br />
operiert worden war, und auf einem<br />
Auge war er blind. „Wir zogen<br />
nach Hartberg, die Strukturen im<br />
LKH waren schwierig, vor allem die<br />
Nachtdienste“, erzählt die Internistin.<br />
Bis heute betreibt sie eine Ordination<br />
und schreibt auch oft bis in die<br />
Nacht hinein Gutachten für das Gericht,<br />
um finanziell über die Runden<br />
zu kommen. Sarif war zuerst in einer<br />
Waldorfschule, lernte dann bei einem<br />
Tapezierer und einem Tischler. Aber<br />
es gab immer Probleme mit seiner<br />
Gesundheit, dem Herz oder einem<br />
Bandscheibenvorfall. Leider wurde er<br />
auch immer depressiver, hatte Heimweh<br />
und verlor zunehmend an Freude,<br />
Kraft und Lebensmut. Zudem gab<br />
es auch immer wieder Probleme mit<br />
Rassismus. „Manche Leute haben ihn<br />
ohne irgendeinen Grund beschimpft<br />
– auch aus der Nachbarschaft. Wir<br />
waren eigentlich nie integriert“, so<br />
Furian. Außerdem stellte Sarif fest:<br />
„Ihr habt alles, aber ihr könnt es nicht<br />
genießen und sitzt alleine in euren<br />
Wohnungen.“<br />
Back to the roots<br />
Deshalb entstand der Plan, dass Sarif<br />
wieder nach Afrika geht. 2009 übersiedelte<br />
der nunmehr erwachsene<br />
Mann, der sechs Sprachen spricht,<br />
nach Gambia. Er wollte seinem Land<br />
die Hilfe geben, die auch er erhal-<br />
18 <strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>5
„Mama Afrika“: Dr. Claudia Furian mit<br />
Adoptivsohn Sarif Konte.<br />
Ustas kümmert sich mit seiner<br />
Familie um 250 Waisenkinder.<br />
Die Lehrerin Bassi unterrichtet arme<br />
Kinder in den Slums von Serekunda.<br />
Fotos: Dr. Claudia Furian<br />
ten hat. Am Anfang sammelte Furian<br />
Sachspenden in Österreich und<br />
schickte diese im Container nach Afrika.<br />
Ein eher sinnloses Unterfangen,<br />
denn für die Kosten – rund 4.000<br />
Euro – „kann man in Afrika drei Mal<br />
so viel kaufen“.<br />
Klinik, Waisenheim & Schule<br />
Als Furian aber eine komplette<br />
Gynäkologie-Ordinationsausstattung<br />
geschenkt bekam, entstand die Idee,<br />
eine kleine Ambulanz in Serekunda<br />
aufzubauen. Sarif fand schnell ein<br />
passendes Areal. Eine Gynäkologin<br />
und zwei Schwestern wurden vor Ort<br />
angestellt und es konnte losgehen.<br />
Mittlerweile arbeiten in der ausgebauten<br />
Geburtsklinik rund 25 Menschen,<br />
rund 1.000 Patientinnen werden<br />
jährlich behandelt. Es ist das einzige<br />
Spital in Serekunda, einer Stadt mit<br />
300.000 Einwohnern, in dem Patientinnen<br />
unentgeltlich untersucht<br />
und behandelt werden. Ein Höhepunkt<br />
war die Geburt von Vierlingen.<br />
So ganz nebenbei finanzieren Furian<br />
und ihr Adoptivsohn aber auch<br />
noch zwei weitere Projekte in Afrika.<br />
Die Lehrerin Bassi unterrichtete arme<br />
Kinder in ihrer eigenen Wellblechhütte<br />
in den Slums von Serekunda. Furian:<br />
„Jetzt können wir in der neu erbauten<br />
Schule drei Lehrer bezahlen, rund 80<br />
Kinder bekommen täglich eine Jause<br />
und die nötigen Lernmaterialien.“<br />
Auch Ustas wird unterstützt. Mit seiner<br />
Familie kümmert er sich seit Jahren<br />
um rund 250 Waisenkinder, die<br />
von ihm mit Nahrung und Kleidung<br />
versorgt werden. Bezahlt wird aber<br />
letztlich alles von Claudia Furian,<br />
auch wenn es immer wieder Spenden<br />
gibt. Das Problem sind vor allem<br />
die Kosten für die Klinik, die Gehälter<br />
und die Medikamente. Furian: „Sarif<br />
hat vor Ort alles perfekt organisiert,<br />
aber letztlich leben alle von mir! Ich<br />
versorge im Monat rund 1.000 Leute.“<br />
Letztes Jahr war Furian so erschöpft,<br />
frustriert und entmutigt, dass sie<br />
schon aufgeben wollte. Aber dann<br />
wäre alles umsonst gewesen. „Und<br />
es ist so bezaubernd, wie Sarif auf die<br />
Menschen zugeht, sie angreift und<br />
ihnen hilft. Er ist ein wirklich herzensguter<br />
Mensch. Auch deshalb konnte<br />
ich das ganze Projekt nicht einfach<br />
stoppen“, erklärt Furian ihre Motive.<br />
Beim Erzählen über Afrika und ihre<br />
Hilfsprojekte staunt Furian manchmal<br />
selbst, was sie und ihr Adoptivsohn<br />
Sarif in Gambia auf die Beine<br />
gestellt haben. „Aber es war nicht<br />
immer nur rosig“, beschreibt sie auch<br />
ihre Zweifel und Ängste. „Ich war<br />
auch depressiv, hatte Angst vorm<br />
finanziellen Risiko, habe auch schon<br />
mal getobt und geschrien.“ Dennoch:<br />
Bereut habe sie ihr Engagement nie<br />
und würde alles wieder so machen.<br />
<br />
Thomas Stodulka<br />
Info über das Hilfsprojekt:<br />
Webseite: oesterreich-hilft-afrika.at<br />
Spendenkonto: „Österreich hilft<br />
Afrika“, Stmk. Sparkasse.<br />
Nr. 19700-030463, BLZ 208<strong>15</strong><br />
<strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>519
•• MENSCH<br />
Foto: Stephan Boroviceny<br />
porträt: ronny kokert<br />
Rebellen von heute:<br />
hart & weich zugleich<br />
Viele interessante Geschichten beginnen oft unter widrigsten Umständen und wie<br />
immer liegt es an einem selbst, was man daraus macht – ob man daran wächst oder<br />
zerbricht. Ob man seinen Träumen folgt oder resigniert. Ronny Kokert hat beschlossen<br />
zu kämpfen, ist daran zerbrochen, um wieder zu wachsen. Er hat seinen Traum so<br />
verbissen gelebt, dass er zum Alptraum wurde und er sich wieder seines ursprünglichen<br />
Traumes besann. Heute weiß er: „Wer kämpfen kann, braucht nicht mehr zu<br />
kämpfen.“ Und er weiß wirklich, wovon er spricht. Denn erst als er keinen äußeren<br />
Feind mehr, sondern nur sein eigenes inneres Ego bekämpfen musste, gelang ihm der<br />
Durchbruch und er wurde tatsächlich Weltmeister. Erst dann war er so weit, die alten<br />
asiatischen Weisheiten mit dem Hier und Jetzt zu verbinden und seine eigene<br />
Methode zu entwickeln. Seine Methode heißt Shinergy und vereint die Zen-Philosophie<br />
innerer und äußerer asiatischer Kampfkünste mit den modernen Erkenntnissen<br />
westlicher Sportwissenschaft. Eine Kombination für Körper und Geist, für Menschen<br />
von heute im Hier und Jetzt.<br />
20 <strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>5
Ronny Kokert im<br />
Video-Interview:<br />
Sein Leben, seine Gedanken,<br />
seine Methode auf<br />
zoe.imwebtv.at/ronny<br />
Foto: Michael Obex<br />
Die Geschichte von Ronny<br />
Kokert begann alles andere<br />
als einfach. Mit dreizehn<br />
Jahren erkrankte er an einer Knochenmarksentzündung,<br />
die ihn von<br />
einem Tag auf den anderen ans Bett<br />
fesselte. Jedoch war diese Zeit eine<br />
absolut wichtige in seinem Leben,<br />
denn er beschäftigte sich intensiv<br />
mit dem, was ihn tatsächlich begeisterte<br />
– mit Kampfkünsten. Ein Jahr<br />
lang konnte er sich kaum rühren und<br />
während die anderen Kinder herumtollten,<br />
träumte er im Krankenbett<br />
von seinen ruhmreichen Heldentaten<br />
als Samurai-Krieger. Er verschlang<br />
alte asiatische Schriften und Bücher<br />
über abendländische Kriegskünste<br />
wie z.B. das Kybalion, Taoismus und<br />
das I-Ging und las so gut wie alles,<br />
was er zu dem Thema finden konnte.<br />
Freund und Lehrmeister war ihm in<br />
dieser Zeit seine Katze. Er beobachtete<br />
sie, wie sie sich, im Gegensatz zu<br />
ihm, geschmeidig, schnell und elegant<br />
bewegte. Es war auch eine Geschichte<br />
mit einer Katze, die ihn auf die Zen-<br />
Philosophie brachte. In dem Buch<br />
„Wunderbare Katze und andere Zen-<br />
Texte“ fängt nämlich eine Katze erst<br />
dann eine Ratte, weil sie gelassen und<br />
ohne viel Kraftaufwand den richtigen<br />
Moment abwarten kann ...<br />
Vom Traum zum Alptraum<br />
Mit <strong>15</strong>, wieder geheilt, aber den Umständen<br />
entsprechend ungelenkig,<br />
machte er sich an die praktische<br />
Umsetzung der gelernten Prinzipien.<br />
Von seiner Vision angetrieben,<br />
ein Krieger zu werden, meditierte<br />
und trainierte er täglich intensiv – oft<br />
heimlich im Wald, weil von den anderen<br />
belächelt. Schließlich begann<br />
er mit olympischem Taekwondo<br />
und Vollkontakt-Taekwondo und<br />
startete mit 21 erstmals bei Wettkämpfen.<br />
Doch wie das so oft mit<br />
Träumen ist – die Realität ist eine<br />
andere. Obwohl Ronny Kokert zehnfacher<br />
Landesmeister und fünffacher<br />
Taekwondo-Staatsmeister wurde,<br />
war er nicht glücklich.<br />
Jeder Augenblick ist einzigartig<br />
Der Leistungsdruck wurde immer<br />
größer, es ging nur darum, Medaillen<br />
zu gewinnen. Er musste es sich und<br />
anderen ständig beweisen, kämpfte<br />
gegen jeden – auch privat, egal wo er<br />
hinkam. Das Leben eines „Helden“<br />
hatte er sich anders vorgestellt. Zu<br />
allem Übel stellte er noch dazu fest,<br />
dass er sich trotz Titel und schwarzem<br />
Gürtel eigentlich nicht verteidigen<br />
konnte. Dazu heute Ronny<br />
Kokert: „Kein Wunder, diese starren<br />
Bewegungsabläufe klassischer<br />
Kampfkünste funktionieren nicht<br />
in der Selbstverteidigung, weil jede<br />
Situation einzigartig ist! Es kommt<br />
immer anders, als man trainiert –<br />
wie im Leben auch, wo auch jeder<br />
Augenblick einzigartig ist!“ Zudem<br />
störte ihn, dass es in der klassischen<br />
Trainingsmethode nicht um Persönlichkeitsentwicklung<br />
und schon gar<br />
nicht um Freiheit ging. Frustriert besann<br />
sich der enttäuschte Krieger wieder<br />
der alten Weisheiten und begann<br />
nach einem Konzept zu trainieren, das<br />
auf dem Zen basiert und freie variable<br />
Bewegungen im Augenblick zum Inhalt<br />
hat. Sein erklärtes Ziel war nicht<br />
nur, sich selbst verteidigen zu können,<br />
sondern auch die Fähigkeit, im Leben<br />
flexibel und gegenwärtig agieren<br />
zu können, und das vor allem dann,<br />
wenn man in Stress- und Angstsituationen<br />
unter Druck steht.<br />
Durchbrechende Einsichten<br />
1998 gelang ihm dann buchstäblich<br />
der große Durchbruch: Ronny Kokert<br />
wurde „Open World Champion“ im<br />
Bruchtest-Finale. „Ich hatte mich all<br />
die Jahre abgemüht, andere zu besiegen<br />
und mein Ego aufzubauen,<br />
aber erst dann, als es niemanden<br />
mehr gab, den ich besiegen musste,<br />
außer mich selbst, gelang mir der Erfolg<br />
und ich wurde Weltmeister. Das<br />
ist der Grund, warum ich das tue,<br />
was ich mache. Weil ich weiß, wie<br />
es sich anfühlt, wenn man ein Gefangener<br />
der Umstände ist. Weil ich<br />
weiß, wie es sich anfühlt, wenn man<br />
schwach ist, wenn man Barrieren gegenübersteht.<br />
Und weil ich weiß, wie<br />
es sich anfühlt, wenn man diese Barrieren<br />
überwindet. Weil ich weiß, wie<br />
sich Freiheit anfühlt, die in uns selbst<br />
beginnt.“ Dies war auch der Moment,<br />
wo er wusste, dass er nun seiner eigenen<br />
Technik einen Namen geben<br />
würde und er so weit war, sein eigenes<br />
Institut aufzumachen. Der Name seiner<br />
Methode ist Shinergy. Der heutige<br />
Slogan „Rebells with a cause“.<br />
<br />
Eliana Crisafulli<br />
<strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>521
•• SCHÖNHEIT<br />
Moderne und schonende Hilfe bei Krampfadern<br />
Auf die Beine geschaut<br />
Krampfadern gehören zu den häufigsten auch optisch wahrnehmbaren<br />
Erkrankungen in unserer Gesellschaft. Fast alle Menschen bekommen im<br />
Laufe ihres Lebens diese oberflächlichen Erweiterungen in den venösen<br />
Gefäßen. Meist handelt es sich um ein kosmetisches Problem, aber hinter<br />
jeder harmlosen Krampfader kann auch ein ernstes medizinisches Problem<br />
stecken. Dank moderner Methoden gibt es heute aber schonende Behandlungsmöglichkeiten.<br />
Frauen sind zwar häufiger betroffen, aber Männer<br />
leiden dafür stärker unter Krampfadern.<br />
22 <strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>5
Untersuchungen aus den<br />
90er-Jahren haben gezeigt,<br />
dass die Häufigkeit von<br />
Krampfadern extrem unterschätzt<br />
wird. Rund 80 Prozent haben<br />
irgendwann krampfadernartige Veränderungen<br />
gefunden, oft als Zeichen<br />
eines sich anbahnenden medizinischen<br />
Problems. Obwohl fast doppelt<br />
so viele Frauen wie Männer Krampfadern<br />
haben, kommen schwere<br />
Befunde wie Entzündungen und<br />
Geschwüre bei beiden Geschlechtern<br />
ähnlich häufig vor.<br />
Männer leiden stärker<br />
Männer leiden stärker unter Krampfadern,<br />
denn sie unterschätzen die Gefahren<br />
und zögern den Gang zum Arzt<br />
hinaus. Die meisten Venenschwächen<br />
sind genetisch bedingt und werden<br />
vererbt. Hat ein Elternteil Krampfadern,<br />
liegt die Chance bei rund 50<br />
Prozent, selbst darunter zu leiden.<br />
Eine echte Prophylaxe ist schwierig.<br />
Die gute Nachricht: Krampfadernerkrankungen<br />
kann man aber günstig<br />
beeinflussen – mit viel Bewegung,<br />
die Beine zwischendurch hochlagern<br />
und Übergewicht vermeiden.<br />
Jede Unterbrechung mit Bewegung<br />
der Beine hat einen günstigen Effekt<br />
auf die Venenwand. Da können<br />
schon Kleinigkeiten helfen: bei langen<br />
Autofahrten ein Zwischenstopp<br />
und einmal ums Auto gehen; den<br />
sitzenden Bürojob bewusst durch<br />
einen kurzen Spaziergang unterbrechen.<br />
Als Grundregel gilt: Liegen<br />
und laufen ist besser als sitzen und<br />
stehen! Generell ist aber jede Art<br />
von regelmäßiger Bewegung hilfreich:<br />
Wandern, Joggen, Spazieren,<br />
Schwimmen. Tanzen und Gymnastik<br />
sind sogar ideal zur Vorbeugung von<br />
Venenerkrankungen.<br />
In den Anfangsstadien sind Krampfadern<br />
vor allem an den Beinen nur<br />
unschön. Die erweiterten, kleinen<br />
Hautvenen – genannt Besenreiser<br />
– können ohne das Vorliegen von<br />
Krampfadern auftreten. Sie sind kein<br />
gesundheitliches Problem. Auch alle<br />
Verfärbungen, Dellen und Knoten<br />
sind eher ein kosmetisches Problem.<br />
Aber diese Beschwerden, die durch<br />
einen Venenstau entstehen, sind<br />
schleichend und oft werden Veränderungen<br />
gar nicht wahrgenommen. Ob<br />
die tiefer liegenden Gefäße schon eine<br />
Fehlfunktion aufweisen, zeigt sich erst<br />
bei einer Ultraschalluntersuchung. Auf<br />
jeden Fall sollten Krampfadernleiden<br />
immer behandelt werden, um ernstere<br />
Komplikationen zu vermeiden.<br />
Schönheit & Gesundheit<br />
Den Patienten geht es neben dem<br />
medizinischen vor allem um den ästhetischen<br />
Anspruch. In den letzten<br />
Jahrzehnten haben sich die folgenden<br />
Methoden als besonders schonend<br />
und gleichzeitig effektiv herausgestellt,<br />
um Krampfadern auch<br />
ohne störende Narben zu behandeln.<br />
Die am längsten erprobte Methode<br />
ist die operative Entfernung der<br />
Vene. Da sich diese Methode im Laufe<br />
der Jahre weiterentwickelt hat, ist<br />
der Eingriff minimal.<br />
Lasern statt schneiden<br />
Seit den späten 90er-Jahren steht<br />
zusätzlich die Lasertherapie zur Verfügung.<br />
Diese Methode ist laut aktuellen<br />
Studien ebenso effektiv und<br />
nachhaltig wie die Operation. Mit<br />
einem Laser spezieller Wellenlänge<br />
werden dabei mit einem einzigen<br />
kleinen Einstich erkrankte Venen<br />
auch über lange Strecken abgedichtet.<br />
Auch die Behandlung von Varizen<br />
mit Schaumverödungen hat<br />
sich etabliert. Kleinere Krampfadern<br />
können mit wenigen Punktionen<br />
ausgeschaltet werden, aber auch für<br />
wiederkehrende Krampfadern ist die<br />
Methode ideal, um einen großen Eingriff<br />
zu vermeiden.<br />
Zwar kommt etwa die Hälfte der betroffenen<br />
Menschen wegen der optischen<br />
Verbesserung zur Behandlung,<br />
aber letztlich verhindert dies dennoch<br />
medizinisch ernstere Probleme.<br />
Schöne Beine sind – bezogen auf die<br />
Krampfadern – daher auch immer<br />
gesunde Beine.<br />
<br />
Dr. Niklas J. Spitzer<br />
fakten<br />
Videoinfos von<br />
Venenspezialist und<br />
Gefäßchirurg<br />
Dr. Niklas Spitzer auf<br />
zoe.imwebtv.at/venen<br />
•• 90 % aller Krampfadern<br />
können ohne große Operation<br />
behandelt werden.<br />
•• Schöne Beine ohne Krampfadern<br />
sind auch oft eine<br />
medizinische Notwendigkeit.<br />
•• 80 % aller Krampfadern<br />
sind vererbt.<br />
•• Kompressions- und Stützstrümpfe<br />
lindern Beschwerden,<br />
verhindern aber keine<br />
Krampfadern.<br />
•• Ein Warnsymptom ist der<br />
nächtliche Wadenkrampf.<br />
•• Krampfadern müssen nicht<br />
immer mit einer erhöhten<br />
Thromboseneigung<br />
einhergehen.<br />
•• Oberflächliche Venenentzündungen<br />
können ein Hinweis<br />
auf tiefe Thrombosen<br />
sein – das gehört unbedingt<br />
abgeklärt und behandelt.<br />
•• Unbehandelt können<br />
Krampfadern schwere<br />
medizinische Folgen haben.<br />
•• Verfärbungen am<br />
Unterschenkel sind<br />
ein Alarmzeichen.<br />
<strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>523
•• SCHÖNHEIT<br />
WIRKSTOFFE & ESSENZEN<br />
Echt kräftig: Sanddorn<br />
Der Winter hat es uns kalt-warm gegeben. Kälte und trockene Heizungsluft<br />
trocknen die Haut aus und machen sie spröde. Hilfe bringt der Sanddorn,<br />
denn die Vielfalt an Vitaminen und anderen Inhaltstoffen machen ihn zu einer<br />
wertvollen Pflanze. Sanddorn ist ein Tausendsassa unter den Wirkstoffen und<br />
für innere sowie äußere Anwendungen geeignet. Ob als Nahrungszusatz,<br />
Medizin oder kosmetisches Pflegemittel: Sanddorn ist und macht stark.<br />
Sanddorn (lat. Hippophae<br />
Rhamnoides) ist ein sehr<br />
reichhaltiges Ölgewächs.<br />
Aufgrund seiner zahlreichen Vitamine<br />
und Inhaltstoffe ist er eine<br />
sehr wertvolle Pflanze für die Küche,<br />
Medizin und Kosmetik. Sanddornbeeren<br />
weisen einen ungewöhnlich<br />
hohen Vitamin-C-Gehalt auf; schon<br />
drei Löffel Saft decken den kompletten<br />
Tagesbedarf eines Erwachsenen<br />
ab. Aber auch Provitamin A, Vitamin<br />
E, Beta-Carotin, Linolsäure und<br />
wertvolle Mineralstoffe wie Kalzium,<br />
Kalium, Magnesium, Natrium und<br />
Phosphor finden sich im Saft der<br />
orangeroten Beeren. Die Besonderheit<br />
des Sanddorns ist jedoch sein<br />
Gehalt an Vitamin B12. Er gehört zu<br />
den wenigen Pflanzen, die dieses<br />
Vitamin enthalten, und wird so<br />
zum wichtigen Ernährungszusatz für<br />
Vegetarier und Veganer. Die Beeren<br />
werden zu Fruchtsaft, Marmelade<br />
und Likör verarbeitet oder als aromatische<br />
Zutat in Tees verwendet.<br />
Als Heilpflanze ist der Sanddorn<br />
schon seit dem Mittelalter bekannt<br />
und findet bis heute in der Medizin<br />
Anwendung, wobei die Früchte nur in<br />
Form von Säften und Extrakten verwendet<br />
werden. Nebenwirkungen bei<br />
der Einnahme sind keine bekannt. In<br />
erster Linie wird der Sanddorn bei<br />
Immunschwäche, Vitaminmangel,<br />
Erkältungskrankheiten und fieberhaften<br />
Infekten eingesetzt. Aber auch<br />
bei Herzschwäche, Darmentzündungen<br />
und Schleimhauterkrankungen<br />
findet er Verwendung. In Osteuropa<br />
wird die Heilpflanze schon lange zur<br />
Heilung von Strahlenschäden, z.B.<br />
Röntgenstrahlen, genutzt.<br />
In der Kosmetik werden sowohl Kerne<br />
als auch Fruchtfleisch zur Gewinnung<br />
von Pflanzenöl für Hautpflegeprodukte<br />
verwendet. Der Sanddorn<br />
ist ein echter Schönheitsexperte.<br />
Das reichhaltige Öl schützt die Haut<br />
und stärkt ihre Barrierefunktion. Die<br />
im Öl enthaltenen mehrfach gesät-<br />
24 <strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>5
tigten Fettsäuren, wie z.B. Linolsäure,<br />
wirken beruhigend und entzün-<br />
MIX-TIPP Wir sind die erste fair-trade und Bio<br />
zertifizierte physikalische<br />
Vitamin-Smoothie: Krankenanstalt in der Steiermark<br />
dungshemmend. Sensible, trockene,<br />
raue, schuppige, anspruchsvolle und Sanddornsaft ist eine wahre<br />
spröde Haut wird mit Sanddorn Vitaminbombe für den Körper. Da<br />
geschmeidig. In ihm enthaltenes Sanddornsaft sehr sauer ist, sollte man<br />
Beta-Carotin schützt vor den Auswirkungen<br />
schädlicher UV-Strahlung. oder Birkenzucker süßen. Als Smoothie<br />
ihn zum Einnehmen mit Honig, Stevia<br />
Zudem stärkt Sanddorn die Abwehrkräfte,<br />
kurbelt<br />
mit Obst gemischt, eignet er sich als<br />
Massagen<br />
die Regeneration Powerfrühstück oder als Snack für<br />
der Hautzellen an und verringert die<br />
Physiotherapie<br />
zwischendurch.<br />
Faltenbildung.<br />
All das macht das Sanddornöl zu<br />
Zutaten: 1 Mango, 300 ml Mandelmilch,<br />
200 ml Orangensaft,<br />
Elektro- und Ultraschalltherapie<br />
einem besonders wertvollen Wirkstofföl<br />
Jontophorese, für die Pflege reifer Kryotherapie<br />
und anspruchsvoller<br />
Moor / Haut. Parafango Auf Grund seines Zubereitung: Mango schälen, in kleine Stücke schneiden und mit<br />
100 ml Sanddornsaft, 3 EL Honig<br />
weitreichenden Wurzelsystems kann<br />
Mandelmilch, Orangensaft, Sanddornsaft und Honig im<br />
er auch Ärzte auf für: sandigen Dünen gedeihen,<br />
Orthopädie wo sonst kaum und noch Neurologie<br />
Pflanzen<br />
Mixer vermischen, in Gläser füllen und genießen.<br />
wachsen. Seine enorme Widerstandskraft<br />
ist das augenfälligste<br />
Sanddornmaske:<br />
Zutaten:<br />
Kassenverträge<br />
1 EL<br />
mit<br />
Sanddornsaft, 1 Eigelb, 2 EL Mehl<br />
Merkmal des Sanddorns. Und es BVA, ist SVA, KFA, VAEB, Rückverrechnung<br />
genau diese Pflanzenkraft, die der mit allen Zubereitung: anderen Zutaten Kassen vermischen und die Maske gleichmäßig auf das<br />
Mensch sich zu Nutze machen kann.<br />
Gesicht auftragen. Etwa zehn Minuten einwirken lassen<br />
<br />
Martina Patienten Reitinger erhalten Therapien auch zu und Hause danach und mit in lauwarmem Heimen Wasser abspülen.<br />
Grieskai 104, 8020 Graz - Tel.: 722 100 - www.physiomur.at -buero@physiomur.at<br />
Die sexualmedizinische Praxis Graz wurde Anfang Februar 2<strong>01</strong>5 eröffnet. Um PatientInnen mit<br />
Sexualstörungen optimal behandeln zu können, ordinieren hier fünf sexualmedizinisch geschulte<br />
Ärzte und Ärztinnen zusammen mit je einer sexualmedizinisch geschulten Pysiotherapeutin und einer<br />
Medizinische Masseurin unter einem Dach.<br />
Sexualmedizinische Praxis Graz<br />
Wir bieten auch eine<br />
Anmeldung:<br />
telefonische Sexualberatung durch<br />
Münzgrabenstraße 7<br />
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www.sexmed.at<br />
Öffnungszeiten: Telefonische Terminvereinbarung: von Montag bis Donnerstag von 7-19 Uhr, Freitag von 7-14 Uhr<br />
<strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>525
•• BERUFSWELT<br />
GENERATIONSKONFLIKTE<br />
Der Job im Wandel der Zeit<br />
Die Welt erschafft sich täglich neu. Was gestern noch richtig und wichtig war, ist<br />
heute nicht mehr gefragt. Techniken, die gestern hochmodern waren, sind heute<br />
Schnee von gestern. Im Laufe der Zeit verändern sich selbst die eigenen Werte. Was<br />
für einen gestern noch wesentlich war, ist heute nicht mehr vorstellbar. Dabei werden<br />
aber die Kollegen mit der Zeit immer jünger und die Kunden auch. Während sich die<br />
Arbeitswelt immer schneller dreht, prallen verschiedene Generationen, Bedürfnisse,<br />
Lebenssituationen und Weltbilder aufeinander. Die Frage ist: Was können Alt & Jung<br />
voneinander lernen?<br />
Viele Menschen erleben im<br />
Laufe der Zeit eine Veränderung<br />
im Berufsleben.<br />
Denn mit den Jahren geht es meist<br />
immer mehr darum, Beruf und Familie<br />
zu vereinen. Der Wunsch nach Karriere<br />
tritt im Alter zwischen 40 und 45<br />
oft in den Hintergrund. Andererseits<br />
beginnt die physische Leistungsfähigkeit<br />
oder die geistige Beweglichkeit<br />
abzunehmen. Die Risikobereitschaft<br />
sinkt generell, während sich aber das<br />
Urteilsvermögen und die Kommunikations-<br />
oder Kooperationsfähigkeit<br />
weiterentwickelt haben.<br />
Abseits der körperlichen Veränderung<br />
gilt es aber, eine andere große Herausforderung<br />
zu meistern: Es werden<br />
auch die Kollegen immer jünger – früher<br />
oder später zumeist dann auch<br />
die vorgesetzte Führungskraft. Zusätzlich<br />
verändern sich mit der jüngeren<br />
Generation auch die Bedürfnisse<br />
der Kunden hinsichtlich Kommunikationsverhalten<br />
oder Authentizität.<br />
Die Anforderungen steigen, um im<br />
Job erfolgreich zu bleiben. Oftmals<br />
26 <strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>5
greifen jahrelang erlernte Strategien<br />
im Extremfall nicht mehr. Über kurz<br />
oder lang bleibt dann auch der Erfolg<br />
aus. Klassische negative Symptome<br />
in dieser Lebensphase sind das<br />
krampfhafte „Sich-beweisen-Wollen<br />
oder Machtkämpfe mit Kollegen und<br />
Vorgesetzten. Der generelle Arbeitsfrust<br />
lässt das Interesse an der eigenen<br />
Aufgabe schwinden, oft geht das<br />
bis zur inneren Kündigung.<br />
Jeder ist sein eigener Herr<br />
Aber dieser negativen Entwicklung<br />
kann man rechtzeitig entgegensteuern.<br />
Der erste und zugleich wichtigste<br />
Schritt ist, zu erkennen, dass jeder<br />
Mensch die Freiheit hat, die eigene<br />
innere Einstellung zu wählen bzw.<br />
seine Situation zu ändern. Es ist ausdrücklich<br />
erlaubt, die eigene Position<br />
im Berufsleben zu hinterfragen, den<br />
Sinn zu suchen. Dann sollten noch<br />
eine Portion Mut, Offenheit und<br />
Lernwille hinzukommen. Das ist die<br />
Basis, um positive Strategien in dieser<br />
Lebensphase zu entwickeln. Es<br />
geht darum, das Leben neu zu begreifen:<br />
Was ist wichtig, was wertvoll<br />
– beruflich und privat. Was stiftet am<br />
meisten Sinn: die Karriere, die Aufgabe,<br />
Erfolg oder Ergebnis?<br />
Helfen kann bei der Suche nach<br />
dem Sinn die Situation in der Firma.<br />
Werden die Prinzipien der systemischen<br />
Sichtweise verwendet, ist für<br />
Ideen und Interaktionen auch Platz.<br />
Bei der systemischen Führung werden<br />
ganzheitlich alle Interaktionen<br />
berücksichtigt: zwischen Führungskräften,<br />
Mitarbeitern, Kollegen, Kunden,<br />
Lieferanten, Finanziers, Markt,<br />
Gesellschaft, Kultur und Umwelt. Es<br />
geht um das gezielte Intervenieren<br />
in Kommunikations- und Erwartungsstrukturen<br />
der Beteiligten, um<br />
dadurch die Selbstorganisation zu<br />
fördern. Um die negativen Folgen<br />
direktiver Übersteuerung und Überregulierung<br />
zu vermeiden, wird in der<br />
Führungsforschung auf partizipative<br />
Stile, teilautonome Gruppen, Vernetzung<br />
sowie Zwischenabhängigkeiten<br />
(seiner sozialen Entitäten) in Systemen<br />
hingewiesen.<br />
Altkluges im Heute leben<br />
Eine mögliche erfolgversprechende<br />
Strategie für den Einzelnen kann<br />
sein, sich nicht länger als Lehrer,<br />
sondern als Begleiter und Mentor für<br />
die „nachkommenden“ Kollegen zu<br />
sehen. Aber die Situation ist immer<br />
von beiden Seiten aus zu sehen, junge<br />
und alte Mitarbeiter sollten offen<br />
sein für die andere Generation. Denn<br />
auch alle Jüngeren sind nicht nur unerfahren<br />
und berufsblind, sie haben<br />
vielleicht auch Ideen und verstehen<br />
meist die heutigen Medien und Strömungen<br />
besser.<br />
Denken Sie selbst zurück? Wer hat<br />
Sie inspiriert, als Sie in das Berufsleben<br />
eingestiegen sind? Und vor<br />
allem warum? In meinem persönlichen<br />
Fall waren es jene Menschen,<br />
die mich unterstützt haben und mir<br />
Handlungsoptionen eröffnet haben.<br />
Menschen mit nur „oberlehrerhaftem“<br />
Verhalten haben sich nicht<br />
dauerhaft in meinem Gedächtnis<br />
verankert. Auch heute möchte jeder<br />
(junge) Mensch seinen eigenen Weg<br />
finden, experimentieren und sich<br />
entwickeln – auch um den Preis des<br />
Fehlermachens. Lernen heißt, in diesem<br />
Zusammenhang die Fähigkeiten<br />
zu erweitern und nicht notwendigerweise<br />
mehr Informationen aufzunehmen.<br />
Oft ist es besser, zu begleiten<br />
und zu unterstützen, als immer<br />
nur mit guten Ratschlägen überzeugen<br />
zu wollen.<br />
Inspiration & Motivation<br />
Als Führungskraft ist es in dieser Lebensphase<br />
umso wichtiger, andere<br />
Menschen zu inspirieren, Werte vorzuleben<br />
und eine Unternehmenskultur<br />
zu etablieren, in der Fehler<br />
ausdrücklich erwünscht sind. Das<br />
Ziel heißt gemeinsam lernen, sich<br />
gemeinsam entwickeln. „Aus Fehlern<br />
lernt man“ ist nicht nur ein alter<br />
Spruch, sondern Tatsache.<br />
Eine aktive Kommunikationskultur<br />
kann das Wissen der älteren Mitarbeiter<br />
mit der Wissbegier der jüngeren<br />
Kollegen vereinen. Dies verankert<br />
Wissen dauerhaft im Unternehmen.<br />
Es sollte immer auch Ziele jenseits<br />
der klassischen betriebswirtschaftlichen<br />
Kennzahlen geben. Ein derartiges<br />
Vorgehen kann alle Mitarbeiter<br />
begeistern und erzeugt nebenbei<br />
auch noch kreative Spannung. Eine<br />
moderne Führungsarbeit besteht<br />
darin, Stärken und Fähigkeiten von<br />
Mitarbeitern zu erkennen und entsprechend<br />
zu nutzen. Erfolg kann<br />
auch durch die Förderung von positiven<br />
Elementen in einer Organisation<br />
entstehen, die Ziele müssen nicht<br />
immer nur Profitmaximierung und<br />
Umsatzsteigerung lauten.<br />
Mag. Robert Kaltenbrunner<br />
<strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>527
•• BERUFSWELT<br />
Unternehmensphilosophie<br />
Business as unusual<br />
Was ist das verrückteste Hotel der Stadt? Ja, es ist das 25h-Hotel, das sich<br />
seinen Slogan „we are all mad here“ groß und gerne auf die Fahnen schreibt –<br />
abgesehen davon, dass der Name sowieso schon darauf hindeutet. Das Konzept<br />
dahinter spiegelt den Zeitgeist der heutigen Stadtmenschen wider: eine<br />
Kombination aus Lockerheit und Professionalität, Kreativität ist gepaart mit<br />
Funktion, Nachhaltigkeit mit Design, Wohnzimmergemütlichkeit mit Nachtleben,<br />
vor allem aber flexibles Denken gepaart mit selbstbewusster Individualität.<br />
Wir haben beim „Urban Jungle“ in Berlin und dem „Zirkusspektakel“<br />
in Wien hinter die Kulissen geschaut.<br />
Der Name wie auch der Slogan<br />
„we are all mad here“ sollen<br />
zum Ausdruck bringen, dass<br />
„wir das Leben mit einem kleinen<br />
Augenzwinkern betrachten“, erklärt<br />
Fanny Holzer, auf deren Visitenkarte<br />
neben General Manager auch Zirkusdirektorin<br />
steht. „Wir wollen ein professionelles<br />
Service bieten, aber das<br />
muss deswegen nicht todernst sein,<br />
wir sind da lockerer. Unsere Gäste<br />
sollen sich bei uns wohlfühlen.“<br />
Was die 25 Stunden zu bedeuten haben,<br />
erklärt Fanny Holzer so: „Heutzutage<br />
wollen die Menschen immer<br />
mehr und mehr, sie rennen ständig<br />
allem nach. Die 24 Stunden sind da<br />
meist nicht genug. Wir wollen Hotels<br />
schaffen, wo man sich erholen und<br />
kreativ sein kann. Wir möchten unseren<br />
Gästen eine relaxte Zeit verschaffen,<br />
in der sie sich wohlfühlen. Aber<br />
es gibt viele Interpretationen davon,<br />
meine persönliche ist, sich diese 25.<br />
Stunde als Stunde zu nehmen, in der<br />
man sich selbst etwas Gutes tut. Man<br />
kann diese Stunden aber auch sammeln<br />
und z.B. auf Reisen gehen.“<br />
Zirkusspektakel in Wien<br />
Jedes der 25h-Hotels – in Hamburg,<br />
Frankfurt, Berlin, Zürich und Wien –<br />
hat einen speziellen Standort und<br />
dazupassenden Style. Das wird auch<br />
in Zukunft so bleiben. In Wien wurde<br />
das Thema Zirkus und Spektakel<br />
gewählt. „Wien war gemeinsam mit<br />
Paris und Hamburg eine der ersten<br />
Zirkusstädte, schon im 18. Jahrhundert<br />
hat sich im Bereich des Praters<br />
ein Zirkus etabliert. Wir spielen auch<br />
sehr mit der Einrichtung, die wir<br />
ihm Hotel haben, sie ist wie im Zirkus:<br />
alles schnell veränderbar.“ Das<br />
frühere Studentenheim beim Museumsquartier,<br />
das für seine legendären<br />
Partys berühmt war, wurde<br />
2<strong>01</strong>0 zum Hotel umgebaut und noch<br />
parallel mit dem Studentenheim betrieben,<br />
bis das gesamte Hotel 2<strong>01</strong>3<br />
endgültig fertiggestellt wurde. Mittlerweile<br />
ist die originellste Bar der<br />
Stadt mit sensationellem Ausblick<br />
zum Wohnzimmer nicht nur für Ho-<br />
25h in Wien<br />
28 <strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>5
25h in Berlin<br />
Fotos: 25h Hotels<br />
telgäste, sondern auch für viele Wiener<br />
geworden. „Uns ist dieser Mix aus<br />
internationalen sowie Wiener Gästen<br />
sehr wichtig. Denn man kann in der<br />
schönsten Bar der Welt sitzen – wenn<br />
man dort alleine ist, wird man sich<br />
nicht wohlfühlen.“ Veranstaltungen<br />
wie Literaturabende, Konzerte, DJ-<br />
Lines etc. sorgen für abwechslungsreiches<br />
Programm und Besucher.<br />
Großstadtdschungel Berlin<br />
Die „Monkeybar“ im Berliner 25h-<br />
Hotel ist gleichfalls von Einheimischen<br />
gut besucht. „Für mich ist das<br />
Besondere am 25h-Hotel, dass wir es<br />
immer wieder schaffen, Teil der Stadt<br />
zu sein und auch Gäste aus der Stadt<br />
gerne kommen“, erklärt General Manager<br />
Michael Wünsch, seines Zeichens<br />
auch Zoodirektor ;-)<br />
„D.h., wenn du im 25h-Hotel absteigst,<br />
bist du nicht Zaungast, sondern<br />
mittendrin. Du schaust nicht<br />
von außen zu, wie die Stadt so tickt,<br />
sondern du bist Teil davon, weil die<br />
Stadt im Hotel ist.“ Das Thema Großstadtdschungel<br />
im Berliner 25hours<br />
kommt natürlich auch nicht von ungefähr:<br />
Es wurde direkt neben dem<br />
Zoo in der City West gebaut.<br />
„Die 25h-Hotels sind immer individuell,<br />
d.h., es wird immer in jeder Stadt<br />
ein eigenes Konzept gemacht mit einer<br />
eigenen Geschichte, die das Hotel<br />
erzählen möchte“, verdeutlicht Michael<br />
Wünsch. „Unser Hotel liegt auf der<br />
einen Seite Richtung Zoo, dort haben<br />
wir unsere Jungle-Zimmer mit Fenstern<br />
bis zum Boden, wo man den<br />
Affen und Elefanten vom Zimmer<br />
oder der Hängematte aus zuschauen<br />
kann. Auf der anderen Seite, Richtung<br />
Großstadtdschungel, findet man die<br />
Urban-Zimmer mit von einem japanischen<br />
Künstler gestalteter Streetart an<br />
den Wänden.“<br />
Rundum stimmig<br />
Abgesehen vom Design, dem guten<br />
Essen, der tollen Aussicht usw. gibt es<br />
noch einen wichtigen Punkt: nämlich<br />
den Umgang mit Nachhaltigkeit und<br />
Ressourcen. „Der Einkauf ist uns sehr<br />
wichtig. Es ist nicht alles bio oder alles<br />
regional, aber wir legen Wert darauf,<br />
zu sehen, woher das Produkt kommt<br />
– und unsere Kräuter bauen wir zum<br />
Beispiel selber an“, freut sich Michael<br />
Wünsch. Gegen die Anreise mit dem<br />
eigenen Auto spricht das urbane<br />
mobilitätskonzept. In allen Hotels gibt<br />
es Räder und Minis zum kostenlosen<br />
Ausborgen – in Berlin hängen die Räder<br />
sogar im Zimmer.<br />
Der Mensch im Mittelpunkt<br />
Ob Partner oder Mitarbeiter, bei der<br />
Auswahl wird sehr stark darauf geschaut,<br />
dass alles zusammenpasst.<br />
Die Mitarbeiter dürfen ihre Persönlichkeit<br />
und Individualität leben und<br />
sollen mit eigenen Ideen kommen.<br />
Das dies kein einfacher Weg ist,<br />
sind sich Fanny Holzer und Michael<br />
Wünsch einig. Denn auch der Gast<br />
wird bei 25h individuell behandelt<br />
und der verantwortungsvolle Umgang<br />
damit – angefangen beim Du-<br />
Wort – will gelernt sein.<br />
„Es ist sicherlich einfacher, alle Gäste<br />
gleich zu behandeln, als sich auf<br />
jeden Einzelnen einzustellen“, erklärt<br />
Michael Wünsch. „Aber das ist für<br />
mich das Besondere an den 25h-<br />
Hotels, dass der Mensch mehr im<br />
Mittelpunkt steht: unsere Gäste, aber<br />
auch wir als Mitarbeiter. In vielen Bereichen<br />
ist es uns wichtiger, den richtigen<br />
Menschen zu finden und ihn zu<br />
schulen, als einen Roboter zu haben,<br />
der zwar perfekt trainiert ist, aber<br />
überhaupt keine Seele rüberbringt.“<br />
Fanny Holzer schlägt in die selbe Kerbe:<br />
„Es spiegelt unser Konzept wider:<br />
Es ist anstrengend, man muss viel<br />
mit den Mitarbeitern kommunizieren.<br />
Und auf der anderen Seite ist es sehr<br />
schön zu sehen, dass sie selber ihre<br />
Persönlichkeit mehr darstellen können<br />
– und dass das auch erwünscht<br />
ist. Mir gefällt an meinem eigenen<br />
Job, dass man seine Ideen einbringen<br />
kann und das sogar soll. Man<br />
wird ständig animiert, selber Ideen zu<br />
haben. Das inspiriert mich und meine<br />
Mitarbeiter sehr.“<br />
<br />
Eliana Crisafulli<br />
Interviews mit<br />
Fanny Holzer und<br />
Michael Wünsch<br />
auf zoe.imwebtv.at/25h<br />
<strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>529
•• LEBENSART<br />
Foto: Soles del Sur<br />
amateurtheater Soles del sur<br />
Die theatralischen Spanier<br />
Es gibt viele Möglichkeiten, Menschen kennen zu lernen, sich mit Freunden zu<br />
treffen, eine Fremdsprache zu lernen bzw. die eigene Muttersprache im Ausland<br />
zu sprechen, neue Herausforderungen zu suchen oder seinen Kindertraum<br />
auszuleben. Die kreativste davon ist, Theater zu machen. Bei der spanischen<br />
Theatergruppe „Los Soles del Sur“ findet man alles in einem: Begeisterung,<br />
Leidenschaft, Spanischkurs, Familie, Psychotherapie und vor allem Spaß.<br />
Alles begann mit einer Spanierin,<br />
die nach Wien kam.<br />
Susana Rodríguez hatte in<br />
Madrid schon in einem Amateurtheater<br />
gespielt und vermisste es hier.<br />
Nachdem es keine spanische Theatergruppe<br />
in Wien gab, beschloss sie,<br />
selbst eine zu gründen, und war total<br />
erstaunt, wie viele Menschen zum<br />
ersten Treffen gekommen waren.<br />
Noch dazu, wo es nicht nur Landsleute,<br />
sondern spanisch sprechende<br />
Menschen aus aller Welt waren.<br />
Die meisten kamen aus Neugierde<br />
und ohne irgendeine Art Bühnenerfahrung.<br />
Einige hatten während<br />
der Schulzeit ein bisschen Theater<br />
gespielt, andere schon Erfahrungen<br />
in einem Amateurtheater gesammelt.<br />
Das war der Beginn von „Los Soles<br />
del Sur“ Ende 2<strong>01</strong>1.<br />
Gruppendynamik<br />
Vom ersten Augenblick an verstanden<br />
sich die Leute ausgesprochen<br />
gut und man ging es zuerst mal vorsichtig<br />
an. In Form von mehreren<br />
kurzen Stücken mit kleineren Rollen,<br />
die jeweils auf den Leib geschrieben<br />
waren. Mittlerweile gibt es die Gruppe<br />
bereits das fünfte Jahr und Susana<br />
Rodríguez ist selbst nicht mehr dabei.<br />
Aitana Vivó Gordón, die Susana bei<br />
der Regiearbeit immer wieder unterstützt<br />
hatte, übernahm kurzerhand<br />
die neue Herausforderung. Aufgewachsen<br />
in Wien und Spanien, hatte<br />
sie während ihrer Schulzeit im Wiener<br />
Lycee France bereits Theater gespielt.<br />
„Ich habe in Valencia drei Jahre lang<br />
Schauspielkunst in einem Privatinstitut<br />
neben meiner Arbeit als Kindererzieherin<br />
studiert. Das war das, was<br />
ich tatsächlich machen wollte, aber<br />
leider war es recht brotlos. Mir war<br />
es aber trotzdem wichtig, die Schauspielausbildung<br />
zu machen.“ Zur Frage,<br />
was sie am Theater so fasziniert,<br />
kommt zum Leuchten in den Augen<br />
ein begeistertes „Alles! Schon alleine,<br />
dass ich 1.000 Leben erleben und<br />
daraus lernen kann! Ich vermittle das<br />
auch ständig der Gruppe – man kann<br />
immer und überall lernen. Ich beob-<br />
30 <strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>5
achte Leute in der U-Bahn, wie sie<br />
sich bewegen oder sprechen. Ich höre<br />
bei absurden Gesprächen, wie sie jeden<br />
Tag vorkommen, zu und beobachte<br />
die jeweilige Situation. Theater<br />
spielen erlaubt dir, von den anderen<br />
zu lernen und nimmt dir Barrieren<br />
und Vorurteile.“<br />
Professionelle Amateure<br />
Aitanas erstes Stück als Regisseurin<br />
bei Los Soles del Sur war letztes Jahr<br />
ein sehr berührendes Drama, „La<br />
Barca sin Pescador“ (Das Fischerboot<br />
ohne Fischer), das die Truppe<br />
wirklich mit Bravour gemeistert hat.<br />
Es war eine absolute Leistungssteigerung<br />
und kein einfaches Stück.<br />
„Als Regisseurin muss ich sagen, die<br />
Gruppe hat ein echt gutes Amateurniveau.<br />
Amateurtheater wird oft als<br />
zweitklassig angesehen, das ist unfair.<br />
Viele können aus verschiedenen<br />
Gründen nicht hauptberuflich Theater<br />
spielen, aber wenn man etwas<br />
mit all seiner Intensität macht, ist es<br />
zwar amateurhaft, aber ich bin sehr<br />
stolz darauf. Amateur zu sein heißt<br />
nicht, unprofessionell zu sein, sondern<br />
es nur auf eine andere Art zu<br />
präsentieren. Wir haben sicher mehr<br />
Visionen und Freude dabei, weil wir<br />
unsere Stücke selber aussuchen und<br />
ein Gruppe sind. Ein professioneller<br />
Schauspieler bekommt ein Stück<br />
und eine Rolle beim Casting und ein<br />
Papier und macht, was er einbringen<br />
kann. Bei uns ist es ein Projekt von<br />
allen und von jedem Einzelnen. So<br />
einen Enthusiasmus findet man eher<br />
in einer Theatergruppe wie unserer<br />
als in einer professionellen.“<br />
Zudem benötigt eine eigene Theatergruppe<br />
viel mehr Einsatz, als „nur“<br />
seine Rolle zu lernen. Vom Kostüm<br />
über die Werbung bis zum Sponsoring<br />
bedarf es der Mithilfe von allen.<br />
Viel Zeit, Energie und Einsatz ist erforderlich<br />
sowie die Unterstützung<br />
und das Verständnis der jeweiligen<br />
Partner. Speziell kurz vor der Aufführung<br />
wird intensiv bis tief in die Nacht<br />
oft in den Wohnungen geprobt, obwohl<br />
die meisten einen Job und<br />
zusätzlich Familie haben. Was im<br />
Gespräch mit allen unisono herauskommt,<br />
ist die Einheit und Zugehörigkeit<br />
in der Gruppe. Das Miteinander,<br />
das Lernen voneinander, das Eingehen<br />
aufeinander. Für alle ist es eine<br />
Bereicherung in ihrem Leben, weil<br />
sie mehr Lebensfreude und Energie<br />
daraus gewonnen haben. Sie haben<br />
innige Freundschaften geschlossen<br />
und eine Art Wahlfamilie gefunden,<br />
sind persönlich gewachsen und haben<br />
sehr viel für sich, über sich und<br />
über andere gelernt: „Unser Horizont<br />
hat sich erweitert, weil eine andere<br />
Person sein zu können, in diese hineinzuschlüpfen<br />
und sich damit auseinanderzusetzen,<br />
wie dieser Mensch<br />
denkt, bringt auch persönlich viel.“<br />
Auch Pärchen, die gemeinsam in der<br />
Amateurgruppe spielen, konnten sich<br />
auf eine neue Art erfahren und begegnen.<br />
Hier kommt noch dazu, dass das<br />
multikulturelle Ensemble einen Weg<br />
gefunden hat, das die andere Sprache<br />
– die oft Menschen voneinander<br />
entfernt – sie in diesem Fall zusammenbringt.<br />
Gemeinsam wollen sie<br />
sich selbst immer wieder übertreffen,<br />
besser werden und weiter lernen. Jetzt<br />
stellen sie sich der nächsten großen<br />
Herausforderung – der berühmten<br />
spanischen Komödie „Los Palomos“<br />
(Die Täuber). Intensiv wird schon an<br />
den Rollen und Vorbereitungen für<br />
die Aufführungen im Juni gearbeitet,<br />
denn das neue Stück muss mindestens<br />
genauso gut sein wie das alte –<br />
wenn nicht besser. Wir werden sehen!<br />
<br />
Eliana Crisafulli<br />
wer glänzen will, muss leuchten!<br />
Wir legen Wert auf Qualität, schnelle Projektumsetzung und hohe Umweltstandards.<br />
Wir verwenden seit mehreren Jahren nur mehr die sparsame<br />
und langlebige LED-Technologie. Auch im Bereich Parking-Signs setzen wir<br />
neue Maßstäbe bei Parkleitsystemen und Garageninformationssystemen mit<br />
der SMD-LED-Technologie.<br />
<strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>531
•• LEBENSART<br />
Foto: Pamela Russman<br />
Interview: Elisabeth scharang<br />
Die Frau der Tat<br />
Elisabeth Scharang ist freie Film- und Fernsehregisseurin, Drehbuchautorin sowie<br />
Radio- und Fernsehmoderatorin, die sich mit ziemlich heftigen Themen auseinander -<br />
setzt. Dabei sucht die schon mehrfach ausgezeichnete Medienfrau ihre Projekte nie nach<br />
Themen aus oder danach, ob diese „gut ankommen“. Ihr geht es immer um die Menschen<br />
und ihre Geschichten. Eigentlich wollte sie Politikwissenschaft, Soziologie und Philosophie<br />
studieren – aber der zufällige Einstieg in die Medienwelt als Radiomoderatorin bei FM4<br />
brachte sie schließlich auf einen anderen Weg, „der mehr mit dem Leben zu tun hatte<br />
als das Soziologiestudium im ersten Semester“. Ob Radio, Fernsehen oder Film: Mit<br />
Zivilcourage und ohne viel darüber nachzudenken, ob es gelingen wird oder nicht –<br />
„weil daheim zu sitzen und sich auszumalen, ob es etwas wird, bringt nichts“ –, nimmt<br />
sie Themen unter die Lupe, die unter die Haut gehen: das leidvolle Schicksal von Juden,<br />
das Tabuthema Intersexualität, aber auch Verurteilte wie Otto Muehl, Franz Fuchs und<br />
jetzt aktuell Jack Unterweger. Dazwischen gab es allerdings auch einmal etwas komplett<br />
anderes: Mit „Kick Out Your Boss“ wollte sie neue Denkweisen und Möglichkeiten in der<br />
Arbeitswelt aufzeigen und schaffte eine Diskussionsgrundlage, die nun online weitergeht.<br />
Nun wollten wir genauer wissen, was Elisabeth Scharang selbst für ein Mensch ist.<br />
32 <strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>5
In deinen Projekten setzt du dich<br />
vorwiegend mit sehr starken sowie<br />
komplett unterschiedlichen Themen<br />
auseinander. Wie kommst du auf<br />
diese Themen, was ist dein persönlicher<br />
Zugang?<br />
Was mich interessiert, sind Menschen.<br />
Es geht um Geschichten, die<br />
Menschen einem erzählen, die man<br />
erfährt und aus denen man dann<br />
etwas macht, damit sie andere Menschen<br />
erfahren oder auf etwas aufmerksam<br />
machen. Bei mir sind es<br />
nie Themen, die ich suche, es sind<br />
Menschen. Bei Otto Muehl stellte sich<br />
für mich zum ersten Mal die große<br />
Frage: Wie geht man mit den vielen<br />
Wahrheiten um, weil jeder Mensch<br />
eine eigene hat. Das war gerade bei<br />
der Geschichte ein großes Thema. Es<br />
ging darum, zu schauen, wo positioniere<br />
ich mich, was für Verantwortung<br />
nimmt man einer Geschichte<br />
gegenüber, die man transportiert<br />
und die dann für die Leute draußen<br />
„die Wahrheit“ ist.<br />
Du machst vor allem traurige Filme.<br />
Wie bist du aufgewachsen? Waren<br />
schwere Schicksale bzw. Leid ein<br />
Thema in deiner Kindheit oder Umgebung,<br />
dass dich solche Schicksale<br />
anziehen?<br />
Mich hat vieles geprägt, aber man<br />
kann nicht sagen, dass ich Filme<br />
mache, weil ich das oder das erlebt<br />
habe. Es sind viele Sachen, die ein<br />
Weltbild prägen, wie ein Kasten, der<br />
sich langsam füllt mit viel verschiedenem<br />
Zeug. Ich war in einer modernen<br />
Schule mit jungen Lehrern<br />
und wir hatten immer wieder eine<br />
Aus einandersetzung mit Geschichte<br />
und Politik. Als ich 14 war, kam<br />
Rosa Jochmann als KZ-Überlebende<br />
zu einer Schulveranstaltung und<br />
hielt eine Rede. Das hat mich sehr<br />
geprägt. Ich war aber auch ein sehr<br />
Kreisky-geprägtes Kind oder ein<br />
Kind, das gewohnt war, auf Demos<br />
zu gehen. Meine Mutter war Sozialdemokratin,<br />
mein Vater ist Kommunist.<br />
Bei uns zu Hause hörten wir „Die<br />
Schmetterlinge“ und ich höre sie bis<br />
heute noch gerne. Das hat Power<br />
und da geht’s um was, das sind<br />
Sachen, die ein Weltbild prägen. Ich<br />
leiste es mir, traurige Geschichten zu<br />
erzählen, weil ich kein trauriges Leben<br />
habe. Es ist für mich keine Belastung,<br />
es deprimiert mich nicht, weil es nicht<br />
das Leben ist, das ich führe.<br />
Was willst du mit deinen Filmen<br />
bewirken oder verändern?<br />
Mit Kunst macht man grundsätzlich<br />
immer nur ein Angebot. Ob die Leute<br />
das nehmen können, weil gerade die<br />
Zeit reif ist, weiß man nie. Aber das<br />
ist das Schöne bei Filmen sowie bei<br />
Büchern – sie sind nicht weg, sie können<br />
warten. Ich persönlich finde es<br />
schön, zu sehen, was möglich ist und<br />
was die Leute damit tun. Entweder<br />
es macht jemandem Mut, es eröffnet<br />
eine neue Perspektive oder es ärgert<br />
oder man hat einfach ein gutes Gespräch<br />
mit einer Freundin darüber.<br />
Im besten Fall berührt es jemanden<br />
auf allen Ebenen, worauf ich mir<br />
dann wieder etwas rausholen kann.<br />
Wenn ich einen Film über Juden mache,<br />
dann geht man nicht aus dem<br />
Kino und ist super drauf. Aber beim<br />
Film „Kick Out Your Boss“ wollte ich<br />
einmal einen Film machen, wo die<br />
Leute rausgehen und sagen: „Leute,<br />
jetzt gehen wir es an!“<br />
Was ist dein Credo, Lebensmotto?<br />
Liebe. Ich finde, es geht tatsächlich<br />
um Liebe. Sei es, dass man die Liebe<br />
zu einem Menschen hat oder die<br />
Liebe zur Musik, im besten Fall die<br />
Liebe zu sich selber. Das hat nichts<br />
mit Glauben an die Liebe zu tun. An<br />
die brauche ich nicht zu glauben. Sie<br />
ist und wenn sie mal nicht ist, dann<br />
sind das nicht so schöne Tage und<br />
eher freudlose Zeiten.<br />
Was ist dir absolut zuwider?<br />
Kontrolle, Humorlosigkeit und wenn<br />
mich wer anschreit.<br />
Derzeit arbeitest du an deinem neuen<br />
Film über Jack Unterweger, der<br />
im Herbst in die Kinos kommt. Was<br />
war hier der Anreiz?<br />
Mein Produzent und ich kannten ihn<br />
persönlich, wir haben beide mit ihm<br />
gearbeitet. Ich beim Radio, er beim<br />
Film. Es hat uns beide immer verstört,<br />
dass in der Öffentlichkeit nur<br />
die Geschichte von jemandem, der<br />
zwölf Frauen ermordet hat, übrig<br />
geblieben ist. Es sagt niemand etwas<br />
dazu, dass er nicht rechtskräftig<br />
verurteilt wurde, weil es in der ersten<br />
Instanz hängen geblieben ist. Und<br />
er sich dann das Leben genommen<br />
hat. Es redet niemand darüber, dass<br />
dieser Prozess auf einer sehr dünnen<br />
Beweislage gelaufen ist. Für mich<br />
ging es da nicht um das Thema<br />
Schuld oder Unschuld. Ich erwarte<br />
mir von dem Land, in dem ich lebe,<br />
ein Rechtssystem, das sauber arbeitet.<br />
Es ist egal, wer da vorne sitzt, es<br />
kann jeden treffen. Da geht es um<br />
Menschen, um Tote und Angeklagte.<br />
Das war für mich der Motor, um diese<br />
Geschichte anzuschauen. Ich habe<br />
sieben Jahre lang dafür gebraucht<br />
und es zwei Mal hingeschmissen,<br />
aber es war keine Sekunde Zeit daran<br />
verschwendet, ich habe sehr viel<br />
dabei gelernt.<br />
<br />
Eliana Crisafulli<br />
Filmtrailer &<br />
Interviews mit<br />
Elisabeth Scharang:<br />
zoe.imwebtv.at/<br />
elisabethscharang<br />
<strong>Zoë</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>533
•• LEBENSART<br />
Foto: Bastei Lübbe<br />
Buch-tipp<br />
Das Jesus-Video<br />
Interview mit<br />
Andreas Eschbach<br />
zoe.imwebtv.at/<br />
eschbach<br />
Sechzehn Jahre nach seinem Kultroman „Das Jesus-Video“ hat Andreas Eschbach<br />
als Fortsetzung und Vorgeschichte „Der Jesus-Deal“ herausgebracht. Im<br />
„Jesus-Video“ geht es um eine Jagd nach einem Video, das ein Zeitreisender von<br />
Jesus Christus gemacht hat und das irgendwo in Israel versteckt ist. Die Handlung<br />
besteht aus einem Wettrennen zwischen dem Hobby-Archäologen Stephen<br />
Foxx, dem Vatikan, den Medien und Geheimdiensten.<br />
Am Ende des Buches bleibt das<br />
Resümee, dass es eigentlich egal ist, ob die<br />
Zeitreise funktioniert, ob jemals wirklich ein Jesus<br />
Christus gelebt hat oder nicht. Wichtig ist<br />
nur seine Botschaft – und was die Kirche daraus<br />
gemacht hat. Das Buch „Der Jesus-Deal“<br />
ist zwar die Fortsetzung, man erkennt als Leser<br />
auch alte Charaktere, aber die Geschichte<br />
könnte auch für sich alleine stehen. Das Video<br />
über Jesus befindet sich im Besitz eines evangelikalen<br />
Milliardärs, der eine Zeitreise organisiert,<br />
um die Kreuzigung und Auferstehung<br />
von Jesus zu beweisen und damit seinen Missionsauftrag erfüllen zu können.<br />
Er schreckt vor nichts zurück, nicht einmal vor einem Weltuntergangsszenario.<br />
Erschreckend sind ein paar Details, die ans heutige Amerika erinnern: religiöse<br />
Fanatiker, die Darwins Evolutionstheorie leugnen, im Biologieunterricht nur von<br />
Gottes Plan sprechen und die sich im Leben streng nach der Bibel und 2.000<br />
Jahre alten Gleichnissen richten. Auf jeden Fall spielen die Videokassette von Jesus<br />
und die Auseinandersetzung mit ihm und seinen Ideen auch im neuen Buch<br />
eine wesentliche Rolle. Dennoch werden die Handlungsfäden ganz unerwartet<br />
und neu gesponnen. Für alle Leser, denen es am Anfang zu religiös erscheint (ein<br />
bisschen zu viele Bibelzitate sind es vielleicht): Das Buch steigert sich und wird<br />
immer spannender.<br />
Der Jesus-Deal, Andreas Eschbach, Bastei Lübbe 2<strong>01</strong>4. Thriller,<br />
733 Seiten, ISBN: 978-3-431-03900-9<br />
Trailer zum Film:<br />
zoe.imwebtv.at/<br />
ewigleben<br />
Film-Tipp<br />
Das ewige Leben<br />
Auch in der vierten Verfilmung<br />
eines Krimis von Wolf Haas<br />
tritt der Anti-Held Brenner<br />
(Hader) als Hauptdarsteller auf.<br />
Als gescheiterte Existenz zieht<br />
er nach Graz in das Haus seiner<br />
verstorbenen Mutter. Als er<br />
seinen alten Polizeischulfreund,<br />
den Kleinkrimineller Köck (Düringer),<br />
aufsucht, um sich Geld<br />
auszuborgen, steht auf einmal<br />
auch Aschenbrenner (Moretti)<br />
als Kriminalinspektor da. Wenig<br />
später ist Köck tot und Brenner<br />
liegt mit einem Kopfschuss im<br />
Krankenhaus.<br />
Das ewige Leben, Regie: Wolfgang<br />
Murnberger. Ö/D 2<strong>01</strong>5, 123 Minuten<br />
Foto: Dor Film<br />
kultur-tipp<br />
Das Wienerliedfestival:<br />
wean hean<br />
Neuestes vom Wienerlied! Das Festival wean hean wirft<br />
zwischen 16. April und 11. Mai 2<strong>01</strong>5 zum 16. Mal seine Anker<br />
in Wien aus. Frischer Wind treibt in die Stadt und zerstreut<br />
in heftigen Böen Wienerlieder und Weana Tanz in alle Richtungen.<br />
Dreizehn Veranstaltungen an acht verschiedenen<br />
Orten eifern mit dem blauen Himmel um die Wette, aber<br />
gegen den Wind gestrichene Abende zeichnen einen Monat<br />
lang ein plastisches Wienerlied-Panorama. wean hean steht<br />
für Traditionell-Originäres mit Haltekraft, denn ohne Anker<br />
trägt uns der Wind davon. Das Festival steht aber auch für<br />
Bockbeiniges und Kratzbürstiges. Deshalb lichtet das Wienerliedfestival<br />
die Anker, hisst die Segel und hält Kurs auf<br />
Neuland. Geht kein Wind, dann heißt es rudern. Was zählt,<br />
ist der Ankerwurf in die Zukunft. Das Tempo bestimmt in<br />
diesem Fall nicht, was gute Wiener Musik ausmacht.<br />
Ernst Molden und Nino<br />
Gewinnspiel !<br />
Birgit Denk<br />
2 x 2 Karten für Freitag, 8. Mai 2<strong>01</strong>5<br />
in der Ottakringer Brauerei:<br />
5/8erl in Ehr’n, Birgit Denk, Nino aus Wien, Ernst<br />
Molden, Skero, Amira Ben Saoud, Radek Knapp,<br />
Cornelia Travnicek u.a.<br />
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