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Denis Gustavus - Interessengemeinschaft deutschsprachiger ...

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Renate Weidauer<br />

te r r a a U s t r i a i n c o g n i ta<br />

Die Sonne brannte unbarmherzig vom<br />

wolkenlosen Himmel, oben am Hang<br />

streckte ein Eisenholzbaum seinen ausgebleichten<br />

Stamm in die Höhe, gelbe Grasbüschel<br />

überwucherten den Weg, den verbranntes<br />

Buschwerk säumte. Etwas hing dort oben<br />

am dicksten Ast. Er kniff die Augen gegen<br />

die blendende Sonne zusammen, aber aus<br />

der Ferne erkannte er es nicht.<br />

Seine staubigen Schuhe sandten die Schritte<br />

in den harten Boden. Er ging rhythmisch,<br />

automatisch und fragte sich, als der dunkle<br />

Gegenstand in sein Blickfeld kam, ob er<br />

wirklich wissen wollte, was da hing und<br />

sich in der bewegungslosen Luft nur leicht<br />

drehte. Der Baum und dieses Etwas bildeten<br />

eine Einheit, so wie er sich mit diesem dürren,<br />

menschenfeindlichen Land eins glaubte,<br />

obwohl immer der Tatsache bewusst, dass<br />

er der Fremdkörper war. Das Land brauchte<br />

ihn nicht, nahm nicht einmal Notiz von<br />

ihm, der auf diesem Land, in diesem Land,<br />

lebte. Er aber brauchte das Land: die braune,<br />

verbrannte, staubige Erde, auf der er lief, auf<br />

der er schlief, eingehüllt in seinen Schlafsack,<br />

hautnah mit ihr und dennoch nicht eins. Die<br />

dürren Bäume und spärlichen Büsche, unter<br />

denen er nach Wasser grub und deren trockene<br />

Äste das Feuer nährten, auf dem er sich<br />

seinen Tee kochte und das Dörrfleisch, hatten<br />

etwas Feindseliges an sich. Hin und wieder<br />

schenkte diese Natur ihm Früchte, selten genug,<br />

eine kostbare Gabe.<br />

Schleichend war ihm die Erkenntnis gekommen,<br />

dass dieses Land ihn verneinte, ausschloss,<br />

sich ihm nie öffnen würde, wie eine<br />

widerspenstige Geliebte, dass diesem Land<br />

gegenüber all seine Anstrengungen, sein<br />

verzweifeltes Bemühen um ein Miteinander,<br />

vergeblich waren. Es gab nur Herrschaft, Dominanz<br />

der Natur über den Menschen, denn<br />

der einzelne Mensch konnte das Land nicht<br />

beherrschen, sich ihm zwar nähern, aber er<br />

musste sich ihm beugen. Partnerschaft, ein<br />

gegenseitiges Geben und Nehmen – unmög-<br />

prosa<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 17<br />

lich, dazu war das Land zu groß, zu eigenständig,<br />

zu hart, zu unmenschlich. Es duldete<br />

kaum Spuren der Menschen, hin und wieder<br />

Weidezäune, eine Buschpiste, dünne Ader auf<br />

staubtrockener Haut. Er wollte es hinter sich<br />

lassen, ein für alle Mal, es aufgeben und von<br />

sich stoßen, so, wie das Land ihn abgestoßen<br />

hatte – und doch, er kam nicht frei davon.<br />

Auf den Weg hatte er sich gemacht, ohne um<br />

das Ziel zu wissen, aus einer dumpfen Verzweiflung<br />

völligen Ausgestoßenseins heraus,<br />

aufgegeben. Er war einfach losgegangen durch<br />

den dürren, trockenen Busch.<br />

Jetzt aber wollte er doch wissen, was dort<br />

im Baum hing, auf ihn wartete, sich ihm anbot.<br />

Er näherte sich dem Hügel, einem heiligen Ort<br />

der Eingeborenen, wie er wusste, getrieben<br />

von dem Gedanken, erkunden zu müssen, was<br />

dort im Eisenholzbaum hing. Er fühlte sich auf<br />

seltsame Weise angezogen.<br />

Mühsam, in der Hitze keuchend, Schweiß lief<br />

ihm übers Gesicht, ohne, dass er sich die Mühe<br />

machte, ihn abzuwischen, stapfte er durch den<br />

Staub. Mit jedem Schritt in die Höhe weitete<br />

sich sein Blickfeld. Am höchsten Punkt, von<br />

dem aus er den Eisenholzbaum mit seinem<br />

Rätsel aus einem ganz anderen Blickwinkel<br />

sehen konnte, erblickte er unten , in der Ebene,<br />

unvermutet eine Art Schafsschuppen, auf<br />

jeden Fall ein einsames Gebäude in der Ferne,<br />

Menschenspur. Sein Blick sog sich daran fest.<br />

Eine dunkle Linie führte darauf zu, auf der anderen<br />

Seite ebenfalls - nicht erkennbar, woher,<br />

wohin, aus dem Nichts auftauchend und auf<br />

der anderen Seite im Nichts verschwindend.<br />

Als er jetzt, sich dem Baum nähernd, der ihn<br />

mit seltsamer Kraft herbei zu ziehen schien,<br />

seinen Blick nach oben richtete, konnte er noch<br />

immer keine Einzelheiten erkennen. Ohne<br />

Grund beschleunigte er seine Schritte, stand<br />

dann direkt unter dem seltsamen Etwas: kein<br />

Toter, wie er wohl insgeheim befürchtet hatte,<br />

eine Art Schilfmatte, eingeflochten Wurzeln<br />

und Knochen und gefärbte Zweige in bizarren<br />

Formen. Ein Wegweiser der Eingeborenen!<br />

Das erkannte er. Er aber konnte ihn nicht lesen!<br />

Wieder fühlte er sich zurück gestoßen.<br />

Ob der Hinweis sich auf das Gebäude unten<br />

bezog? Vielleicht eine Warnung bedeutete?

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