JAHRESBERICHT 2009 - NGD - Gruppe Norddeutsche Gesellschaft ...
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Dennoch kann sich Heike Paulsen zunächst<br />
nur schwer mit ihrer neuen<br />
Situation – eine kleinere Wohnung,<br />
durchgehende Betreuung, kein eigenes<br />
Einkommen – abfinden. „Statt meinen<br />
Kindern etwas bieten zu können, musste<br />
ich ja gewissermaßen wieder bei null<br />
anfangen“, sagt sie. Wenige Wochen nach<br />
ihrer Ankunft in Eckernförde muss sie<br />
wieder ins Krankenhaus – die Psychose<br />
ist mit voller Wucht zurückgekehrt. Ein<br />
Schock für Heike Paulsen. Halt findet<br />
sie in dieser schwierigen Situation beim<br />
Team der TIDE und ihrer Betreuerin Gabi<br />
Stumpf. „Ich habe ganz oft Besuch von<br />
ihr bekommen. Sie hat mir dann genau<br />
erklärt, was mit mir passiert, wofür die<br />
ganzen Medikamente sind und wie es mit<br />
mir weitergeht. Da fühlte ich mich das erste<br />
Mal ernst genommen“, erzählt sie.<br />
Gabi Stumpf, seit mehr als 20 Jahren<br />
Teil des TIDE-Teams, wirkt professionell,<br />
aufmerksam und dabei so gelassen, als<br />
könne sie so schnell nichts aus der Ruhe<br />
bringen. „Wir wollen unsere Klienten<br />
nicht zur Selbstständigkeit erziehen. Das<br />
wäre ein Widerspruch in sich. Vielmehr<br />
versuchen wir, mit ihnen in einen Dialog<br />
zu treten, um gemeinsam Lösungen<br />
und Perspektiven zu entwickeln.“ Ein<br />
Patentrezept hat sie dafür nicht. Je nach<br />
Situation ist sie stille Beobachterin im<br />
Hintergrund, fachkundige Beraterin oder<br />
energisch zupackende Krisenmanagerin.<br />
„Wir orientieren uns konsequent am jeweiligen<br />
Bedarf des Menschen“, bringt sie<br />
ihre Aufgabe und das Leitmotiv der TIDE<br />
auf den Punkt.<br />
„Ich habe hier gelernt,<br />
auch einmal nein zu sagen“<br />
Nach ihrer Rückkehr in die TIDE arbeitet<br />
Heike Paulsen gemeinsam mit ihrer<br />
Betreuerin daran, ihrem Alltag Struktur<br />
zu verleihen. Der erste Fixpunkt des<br />
Tages ist das gemeinsame Frühstück<br />
morgens um halb acht. „Gerade für<br />
Menschen mit Depressionen ist es wichtig,<br />
einen festen Termin für den Start<br />
in den Tag zu haben“, erklärt Gabi<br />
Stumpf. Heiter geht es dabei auch zu,<br />
weiß Heike Paulsen zu berichten: „Da<br />
wird dann immer Gesichtskontrolle gemacht.<br />
Frau Stumpf braucht uns nur<br />
anzuschauen, schon weiß sie wie die<br />
Stimmung ist.“ In vielen Gesprächen<br />
lernt sie, einen Zusammenhang zwischen<br />
ihrer individuellen Lebenssituation und<br />
ihrer Erkrankung herzustellen. Eine<br />
große Rolle spielt dabei der Umgang mit<br />
Überforderungen. „Ich habe hier gelernt,<br />
auch einmal nein zu sagen, falls mir eine<br />
Situation über den Kopf wächst“, erzählt<br />
Heike Paulsen. Wichtig für sie ist zudem<br />
der regelmäßige Austausch mit den anderen<br />
Klienten. Einmal in der Woche trifft<br />
sie sich mit der Frauengruppe und nimmt<br />
am Musikabend der TIDE teil. „Wir sind<br />
hier eine echte Gemeinschaft, tauschen<br />
uns aus, helfen einander und berichten<br />
von unseren Erlebnissen.“ Eine ganz neue<br />
Erfahrung für Heike Paulsen, die jahrelang<br />
nur für andere da gewesen ist.<br />
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