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_«Ich bin der Andeuter, nicht der Ausdeuter ... - Kunstbulletin

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CMT Ja, ein Buch entsteht gleich mit <strong>der</strong> Form. Es findet selber<br />

seine Form. Als Verleger arbeitete Gachnang wie ein Künstler, er<br />

konzentrierte sich auf das Einzelwerk ; <strong>nicht</strong> um den Stil, son<strong>der</strong>n<br />

um die Stimmung des vorliegenden Inhalts sollte es gehen.<br />

JB Meret Oppenheim war eine <strong>der</strong> ganz wenigen Frauen, die in<br />

Gachnangs professionelles Interessensfeld gerieten. Sonst ist die<br />

Geschichte um ihn eine, die vor allem Männer betraf. Im Katalog<br />

« Das richtige Buch. Johannes Gachnang als Verleger » von 2005<br />

sind zwei Seiten aus <strong>der</strong> Publikation « Das Loch », eine Hommage<br />

an Rudolf Springer aus dem Jahr 1999, abgebildet, und man liest<br />

dort in Gachnangs Text : « … erlaube ich mir anzumerken, dass<br />

wir Männer in den frühen sechziger Jahren sehr wohl talentierte und<br />

begabte Frauen um uns hatten, bei uns erhielten sie aber we<strong>der</strong><br />

Rollen noch Auftritte. »<br />

CMT Hat das Johannes wirklich geschrieben ? Holla holla…<br />

bewun<strong>der</strong>nswert offen ! Unsere Zusammenarbeit am<br />

Meret Oppenheim-Buch hat bei ihm auf jeden Fall etwas ausgelöst.<br />

Später, 1988, als er Gastkurator <strong>der</strong> Ausstellung « Bil<strong>der</strong>streit » in<br />

Köln wurde, schlug ich ihm Künstlerinnen wie etwa Hannah Villiger,<br />

Isa Genzken, Marisa Merz, Agnes Martin und Eva Hesse vor, die<br />

er jedenfalls dann aufnahm. Meret Oppenheim interessierte ihn,<br />

weil sie sich in <strong>der</strong> Kunst <strong>nicht</strong> so sehr als Frau sah, son<strong>der</strong>n<br />

sagte, <strong>der</strong> Geist sei androgyn. Ihre Rolle als Frau reflektierte sie<br />

wohl, sah ihre Kunst aber <strong>nicht</strong> als weiblich. Über Gachnang<br />

lernte ich übrigens Louise Bourgeois kennen ; er legte mir die erste<br />

umfassende Ausstellung ihrer Arbeiten in <strong>der</strong> Zürcher Galerie<br />

Lelong ans Herz, als sich nur wenige für sie stark machten, sie noch<br />

als Erotomanin rezipiert wurde. Die spärlichen Auftritte <strong>der</strong> Frauen<br />

in Gachnangs Kunstkosmos haben wohl – vielleicht unbewusst<br />

– mit seinem heroisierenden Frauenbild zu tun. Weibliche Künstler<br />

sollten sich für ihn wie in einem Schutzraum bewegen, arbeiteten<br />

unstrategisch und schienen ihm deswegen <strong>nicht</strong> als künstlerische<br />

Positionen einsetzbar. Vielleicht hatte er aber auch eine Scheu,<br />

sie in die Schlacht zu werfen o<strong>der</strong> fand für sie keine Streitpartner.<br />

Er sah die Künstlerinnen für sich stehen : einsam, introvertiert, aber<br />

auch stark.<br />

JB Du warst es also, die Meret Oppenheim und Johannes Gachnang<br />

näher zusammenführte ?<br />

CMT Nein, Johannes hatte bereits 1983 mit ihr eine Ausstellung<br />

im Goethe-Institut in Genua gemacht. Dass er danach zwei ihrer<br />

zentralen Bücher in seinem Verlag veröffentlichte, war wie eine Art<br />

Rehabilitation. Da wusste er, dass er vorher etwas verpasst hatte.<br />

Inhaltlich gesehen interessierte ihn auch das Amateurhafte an<br />

Meret, das sie mit einer unglaublichen Präzision ausfüllte - eine<br />

Eigenschaft, die die beiden verband.<br />

JB So wie wohl auch Merets stetes Verweben von Literarischem<br />

und Künstlerischem. Du sprichst einen ganz wichtigen Punkt an :<br />

Johannes, <strong>der</strong> professionell arbeitende Amateur o<strong>der</strong> Dilettant.<br />

Kannst Du ausführen, wie er das handhabte ?<br />

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