Die Zeitschrift für stud. iur. und junge Juristen - Iurratio
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Richter: „<strong>Die</strong> Wahrheit interessiert mich nicht“<br />
Auch das noch <strong>junge</strong> Jahr hat schon interessante <strong>und</strong> teils kuriose Entscheidungen bzw.<br />
deren Veröffentlichung zu Tage gebracht, wie nachfolgender Auszug belegt:<br />
Sex zwischen einem Vollzugsbeamten <strong>und</strong> einer Insassin<br />
verletzt Gebot der Zurückhaltung<br />
Wenn sich ein Klassenlehrer beim Verlassen der Unterrichtsräume<br />
von seinen Schülern in eine spaßig gemeinte Schneeballschlacht<br />
verwickeln lässt <strong>und</strong> dabei eine Augenverletzung erleidet,<br />
stellt dies einen <strong>Die</strong>nstunfall dar, für den ihm Unfallfürsorge zu gewähren<br />
ist. Das gilt selbst dann, wenn das Werfen<br />
von Schneebällen in der Schulordnung untersagt<br />
wird. Vorliegend war der Lehrer direkt am Auge von<br />
einem Schneeball getroffen worden <strong>und</strong> nach einer<br />
Operation an dem betroffenen Auge einen Monat<br />
lang dienstunfähig krankgeschrieben. <strong>Die</strong> Schulbehörde<br />
lehnte die Anerkennung als <strong>Die</strong>nstunfall ab<br />
<strong>und</strong> monierte zudem, der Lehrer habe durch die<br />
Missachtung des Schneeballschlachtverbots seine<br />
erzieherische Vorbildfunktion verletzt <strong>und</strong> dadurch<br />
den Interessen des <strong>Die</strong>nstherrn zuwider gehandelt.<br />
Das Verwaltungsgericht Freiburg gab der Klage des<br />
Lehrers statt <strong>und</strong> führte aus, dass der Unfall sich<br />
noch „in Ausübung des <strong>Die</strong>nstes“, nämlich am <strong>Die</strong>nstort <strong>und</strong> auch<br />
während der <strong>Die</strong>nstzeit ereignet habe, nämlich als der Lehrer beim<br />
Verlassen des Raums auf dem Weg zum Hauptgebäude von ca. 15<br />
Verletzt ein Justizvollzugsbeamter das Gebot der Zurückhaltung gegenüber<br />
Strafgefangenen in der Gestalt, dass er eine intime Beziehung zu einer<br />
Strafgefangenen aufnimmt, so ist die vorläufige <strong>Die</strong>nstenthebung sowie die Einbehaltung<br />
von 20 % der monatlichen Bezüge in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren<br />
rechtmäßig, da eine <strong>Die</strong>nstentfernung im Disziplinarverfahren<br />
aufgr<strong>und</strong> des gravierenden Verstoßes gegen <strong>Die</strong>nstpflichten überwiegend<br />
wahrscheinlich ist. Im vorliegenden Fall war im Herbst 2012 bekannt geworden,<br />
dass ein Beamter mit einer Gefangenen in deren Zelle bei offenstehender<br />
Zellentür einvernehmlichen Geschlechtsverkehr hatte. <strong>Die</strong>s war wiederum<br />
von einer Mitgefangenen beobachtet <strong>und</strong> der Anstaltsleitung gemeldet worden,<br />
nachdem der sexuelle Kontakt zum Gesprächsthema in der Anstalt geworden<br />
war. VG Trier, Beschluss v. 02.01.2013, 3 L 1564/12.<br />
Augenverletzung eines Lehrers durch<br />
Schneeballschlacht in Pause ist <strong>Die</strong>nstunfall<br />
Schülern seiner Klasse mit Schneeballwürfen empfangen worden sei.<br />
Er sei zunächst mit schützend vor das Gesicht gehaltener Mappe auf<br />
die Schüler zugerannt, habe versucht, den nahestehenden Werfern<br />
die Schneebälle aus der Hand zu schlagen <strong>und</strong> ihnen zugerufen, sie<br />
sollten aufhören, weil es unfair sei, wenn alle auf ihn<br />
werfen. Daraufhin sei eine allgemeine Schneeballschlacht<br />
entbrannt, bei der jeder auf jeden geworden<br />
hätte, woran er sich dann mit eigenen Würfen<br />
beteiligt habe. Er habe plausibel dargelegt, dass er<br />
wegen seines guten Verhältnisses zu den Schülern<br />
ihren Schneeballangriff nicht als böswillig, sondern<br />
als Ausdruck der Lebensfreude <strong>und</strong> für sich als Herausforderung<br />
begriffen habe <strong>und</strong> dass er sich mit<br />
einer bloßen Aufforderung aufzuhören <strong>und</strong> einem<br />
teilnahmslosen Verlassen des Handlungsortes auch<br />
als Pädagoge lächerlich gemacht hätte. Ob er gegen<br />
ein wirksames Verbot seines <strong>Die</strong>nstherrn verstoßen<br />
habe könne laut Verwaltungsgericht dahin stehen <strong>und</strong> sei zudem unerheblich,<br />
weil er dadurch nicht seine dienstunfallrechtliche Fürsorge<br />
verliere. VG Freiburg, Urteil v. 04.12.2012, 5 K 1220/11.<br />
Richter: „<strong>Die</strong> Wahrheit interessiert mich nicht“<br />
Der Klägervertreter hat im Zivilprozess beantragt, einen in der<br />
Schweiz ansässigen Zeugen zu hören. Auf die Ablehnung des<br />
Richters hin erinnerte ihn der Anwalt daran, dass es seine Aufgabe<br />
ist, die Wahrheit zu finden. Der Richter antwortete auf diesen<br />
Hinweis „die Wahrheit interessiert mich nicht“, weshalb der Anwalt<br />
einen Befangenheitsantrag gegen ihn stellte, welcher aber vom LG<br />
Chemnitz abgelehnt wurde. Es sah den Vorfall als nicht so gravierend<br />
an <strong>und</strong> folgte der Einlassung des Richters, wonach er wohl etwas<br />
überreagiert habe. Ebenfalls als unbegründet lehnte das OLG<br />
Dresden den Antrag ab. Dem trat das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht nun<br />
entschieden <strong>und</strong> mit deutlichen Worten entgegen. Nach Auffassung<br />
des Gerichts lasse die Äußerung „die Wahrheit interessiert mich<br />
nicht“ „an der Unvoreingenommenheit des Richters zweifeln“. Allein<br />
der böse Schein, also die objektive Möglichkeit der Befangenheit genüge,<br />
um einem Befangenheitsantrag statt zugeben. Ein gesetzlicher<br />
Richter sei der Wahrheit verpflichtet. Neben der grob unsachlichen<br />
Äußerung des Richters, die den Eindruck der Voreingenommenheit<br />
hervorrufe, sei auch die Auffassung des OLG Dresden „nicht ansatzweise<br />
nachvollziehbar“. Das LG Chemnitz muss nun erneut entscheiden.<br />
BVerfG, Beschluss v. 12.12.2012, 2 BvR 1750/12.<br />
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<strong>Iurratio</strong><br />
Ausgabe 1 / 2013