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Jonsdorf im Zittauer Gebirge

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<strong>Jonsdorf</strong> <strong>im</strong> <strong>Zittauer</strong> <strong>Gebirge</strong><br />

Fahrt mit Reisedienst Schröder und dem Reiseklub 55PLUS ------<br />

30.04. bis 06.05 2012<br />

30. April<br />

Ditmal schriew ick plattdüütsch un hochdüütsch.<br />

Wat wi so seihn, fäuhlt un beläwt hemm´n up uns´ Fohrt in dei Oberlausitz, dat<br />

hett mien Hart bewägt, un wenn mi wat bewägen deit, denn möt ick dat<br />

upschrieben.<br />

Wir sind früh am Zentrum in Lütten Klein. Der Bus kommt ebenfalls früh. Die<br />

Koffer werden eingeladen und überaus pünktlich gelangen wir zu den anderen<br />

Haltestellen<br />

Es wird eine wunderschöne Fahrt in den Frühling, durch den Frühling und mit<br />

dem Frühling in den äußersten Zipfel von der Lausitz.<br />

Frühjohr<br />

Gauden Dag, leiwes Frühjohr!<br />

Dat is eine Freud´!<br />

Du büst hier, du büst dor.<br />

Dei Natur ringsüm bläuht.<br />

Morgen is nu all Maien,<br />

un dei Barken sünd gräun.<br />

Dat gifft väl tau seih´n.<br />

Kiek, dei Awtböm daun bläuhn,<br />

un dei Fleeder bläuht ok all,<br />

deit dei Seel deip berührn.<br />

Dat´s doch gaut, werrer einmal<br />

dörch den´n Frühling tau führn.<br />

Gisela Reink<br />

1


Es ist wirklich eine Augenweide, 513 km durch den Frühling zu fahren. Als wir<br />

per Bus Berlin durchqueren, entdecken wir die ersten blühenden Fliederbüsche<br />

und die ersten Blüten an den Kastanienbäumen. Da lacht das Herze.<br />

Es blüht<br />

Der Raps, der blüht,<br />

der Flieder tut´s auch.<br />

Die Obstbäume prangen<br />

in weißer Pracht.<br />

Da freut sich´s Gemüt,<br />

es freut sich der Bauch,<br />

und das Herze? Es lacht. Gisela Reink<br />

Eine Fahrt durch diese Stadt ist <strong>im</strong>mer wieder interessant. Heute sehen wir den<br />

ehemals französischen Sektor. Der Flugplatz Tegel existiert noch, die alliierte<br />

Ausstellung von alten Flugzeugen ebenfalls. Wir sehen den Flugplatz<br />

Tempelhof und das asbestverseuchte Kongreßzentrum in Westberlin. Ich<br />

entdecke einen Hinweis auf die Avus- Bahn und stelle u. a. fest, dass auch in<br />

diesem Stadtteil viele Häuser „marode“ aussehen und sehr grauen,<br />

abgeblätterten Putz haben. Hier stehen noch viele Häuser aus den 30ger Jahren<br />

und aus der Gründerzeit. Über Schöneweide gelangen wir wieder auf die<br />

Autobahn. J. G. erklärt uns als alter Geograph nochmals die Eiszeiten, den<br />

2


Nördlichen und Südlichen Landrücken, denn es sind Fahrgäste dabei, die<br />

erstmals mit uns fahren.<br />

Unser Fahrer kennt sich gut aus, macht uns während der Fahrt auf viele Sehenswürdigkeiten<br />

aufmerksam, z.B. auch auf eine hochmoderne Rennbahn, die nach<br />

der Wende eine „Gefahr“ für andere westdeutsche Rennstrecken hätte werden<br />

können. Auf der Tribüne konnten sogar 29000 Zuschauer Platz finden.<br />

Ch. und ich haben einen guten Sitzplatz. Als ich die Berge sehe, geht mir das<br />

Herz auf. Einmal <strong>im</strong> Jahr möchte ich eben Berge sehen. Das war schon <strong>im</strong>mer<br />

so.<br />

Als wir Bautzen durchfahren stelle ich fest, dass es sehr warm sein muß, denn<br />

die Menschen laufen hier nur leichtbekleidet durch die Stadt. Diese alte Stadt ist<br />

sehr hübsch, auch wenn einige Neubauten nicht in das Stadtbild passen. Zwei<br />

dunkle Türme, hoch droben weiß- rot bemalt, zur Burganlage gehörend, gefallen<br />

mir besonders gut. Bautzen ist und bleibt eine schöne mittelalterliche Stadt der<br />

Sorben, auch wenn heutzutage mit dem Namen meistens etwas anderes<br />

verbunden wird. Ich freue mich, dass <strong>im</strong> sorbischen Lande noch viele Begriffe<br />

zweisprachig ausgewiesen werden und frage mich, ob das auch in M/V möglich<br />

wäre.<br />

Kurhaus-Hotel <strong>Jonsdorf</strong><br />

Vom Bus aus sehen wir am Berge einen befrackten Mann, der mit seinem<br />

Zylinder grüßend winkt. Wir fahren die Straße hoch, an dem Hotel vorbei. Der<br />

3


Bus muß am Straßenende wenden. Dann halten wir an dem Kurhaus und steigen<br />

aus.<br />

Der Frackmensch ist der Besitzer des Hotels und des Hotels „Jonas-Hof“.<br />

Nun steht er vor dem Kurhaus und spielt auf der Drehorgel eine<br />

Begrüßungsmelodie. Sein Personal bietet indessen Schmalzstullen und<br />

hauseigenen Kräuterschnaps an.<br />

Die Koffer werden auf die jeweiligen Flure/Etagen gebracht. Ich habe für mich<br />

allein ein Zweibett - Z<strong>im</strong>mer und blicke auf eine blühende Kastanie, die zum<br />

Kurpark gehört(Z<strong>im</strong>mer 12). N. , I., Ch. wohnen eine Etage höher.<br />

Ich kann vom Fenster aus auf die Terrasse und die Sonnenschirme sehen, die wir<br />

bei dem warmen Wetter sicher nutzen werden. Um 17 Uhr, sollen wir unten<br />

sein, um einen kleinen Rundgang zu machen. Da beginnt die 2. Überraschung.<br />

Schäfer Jonas, ein Mönch und der Gründer des Ortes <strong>im</strong> Mittelalter, in brauner<br />

4


Mönchskutte, vollbärtig, barfüßig, mit Schäferstock, braunem Hut und 8<br />

Schafen und Ziegen, führt uns durch den Kurpark, erzählt uns von der Gründung<br />

des Ortes und von Personen, die <strong>Jonsdorf</strong> aufbauten und berühmt machten.<br />

Es sind Schäfer Jonas, ein Leineweber und ein Steinbrecher, der aus dem<br />

hiesigen Gestein Mühlensteine herstellte. Bis 1918 wurden diese Steine sogar<br />

nach Chile exportiert. Die Gründer sind noch als steinerne Figuren über der Tür<br />

des Gemeindehauses zu sehen. Heute gibt es <strong>im</strong> Ort nur noch ein<br />

Schaubergwerk, aber auch eine Freilichtbühne gibt es in <strong>Jonsdorf</strong>, einen<br />

Gondelteich, eine Eishalle..<br />

Schäfer Jonas zeigt uns den Park mit seinem Bach, Café, Springbrunnen, das<br />

Becken zum Wassertreten und die Volieren mit verschiedenen Vögeln. Mir<br />

gefällt besonders der Fasan, und die hellgrauen Täubchen mit den roten Augen<br />

haben es mir auch angetan. Am Bach beobachte ich interessiert eine Ratte oder<br />

Bisamratte, die <strong>im</strong> Grundbach schw<strong>im</strong>mt und <strong>im</strong>mer wieder in einem<br />

Schlupfloch verschwindet. Überall grünt und blüht es. Der Park hat schöne<br />

Bäume und einen großen holzgeschnitzten Schäfer Jonas. Da lassen sich der<br />

Schäfer und J. G. fotografieren.<br />

5


Nu geiht dat plattdüütsch wierer:<br />

Dei Scheeper is natürlich dei Chef von dat Hotel. Ick kann mi gor nich nauch<br />

wunnern, dat hei uns ierst mit Frack un Zylinder wat vörspälen deit und denn<br />

barfaut ´ne Führung dörch den´n Park makt. Niegierig frag ick em: „Gehen Sie<br />

etwa auch <strong>im</strong> Winter barfuß?“ Hei secht fründlich: „Natürlich, wenn es nicht zu<br />

vereist ist.“ Alle Achtung. Mit dissen Mann kann dat allens noch spannend<br />

warden. Hei verlangt, dat wi an´n annern Morgen dat Warer peern sall´n. Is<br />

dat ´n Witz? Nee, nee, dat is sien Iernst...<br />

So stahn wi an´n annern Morgen, an´n 1. Mai, pünktlich p´rat, un uns Wirt führt<br />

mit Dudelkastenmusik vörwech. Frühstück gifft dat ierst na dat Warerpeern.<br />

Nich all gahn in dat Warer. Ick versäuk dat, denn ick heff in mien Läben all väl<br />

Warerpeern makt. As´n Adebor, oewer mi ümmer an dei Stang´n fasthollend,<br />

stolzier ick dörch dat kolle Gebirgswarer. Viermal schaff ick dei Rund´n, denn<br />

8


heff ick mi ok mienen Schnaps verdeint- un mi ward binnen warm, un dei Bein<br />

sünd dat ok gliek. Mit Dreihorgelmusik geiht dat nu tau´n Frühstücken. Dat<br />

Buffet süht gaut ut. Ick finn ok wat för mi ruter.<br />

1.Mai,Oberlausitz, meene Freeide, halb Zoahne…<br />

Der 1. Mai beginnt also mit dem Wassertreten.<br />

Täglich geht es nun durch die „Oberlausitz, meene Freeide“, und <strong>im</strong>mer um<br />

„halb Zoahne“, so auch heute.<br />

Wir fahren in Richtung Zittau, unternehmen eine kleine Stadtrundfahrt, biegen<br />

dann in Richtung Polen ab, durchfahren ein Stück des Landes und gelangen von<br />

dort aus nach Tschechien.<br />

Borrerblaumen<br />

Dei Raps, dei bläuht,<br />

dat Hart sick freut,<br />

doch dei Borrerblaumen<br />

benähmen sick mall...<br />

Sei sünd nu würklich oewerall.<br />

Bloten noch gäle Wieden?<br />

Wat sünd dat för Tieden!<br />

Bald fleigen´s as Fallschirms mit Bedacht<br />

un spälen furts Besatzungsmacht.<br />

So ward´n Wischen un Wieden versaut...<br />

Sech mi: Woför is dat nu gaut?<br />

Gisela Reink<br />

Natürlich werden uns die Ortschaften und Städte mit ihrer Geschichte erklärt.<br />

Was ich mir gemerkt habe, steht nun hier:<br />

Olbersdorf: In dieser Gegend befindet ich sehr viel Braunkohle, die seit<br />

früheren Zeiten schon abgebaut wurde. Laut Planung sollte Alt- Olbersdorf<br />

wegen der Braunkohlevorkommen abgerissen werden. Neue Häuser waren<br />

bereits gebaut worden. Mit der Wende gab es keinen Tagebau mehr. Aus dem<br />

großen Erdloch wurde der Olbersdorfer See, der der Erholung dienen soll.<br />

Zittau: Diese Stadt ist eine sehr schöne Stadt, ohne Kriegsschäden, die wir noch<br />

näher betrachten werden. Auch hier sollten Teile der Stadt der Braunkohle<br />

weichen. Es wurde das Restaurieren zu DDR-Zeiten vernachlässigt. Nach 22<br />

Jahren Einheit sind die meisten Häuser modernisiert worden.<br />

Geschichtlich gehörte Zittau von etwa 1300- bis etwa 1750 dem 6-Städtebund<br />

an. Die anderen Städte heißen: Bautzen, Kamenz, Lauban am Ufer des Quais,<br />

Görlitz, Löbau.<br />

Zur Gründung Zittaus: Der Fürst ritt um ein Stück Land. Bauern mussten<br />

hinter ihm eine Furche ziehen. Das sollte die Stadt Zittau werden. Heute leben<br />

hier cirka 26000 Einwohner. Die einzige Hochschule ist noch die Ing.-Schule<br />

für Elektrotechnik, die mit Liberec und Breslau kooperiert.(Europa-<br />

9


Hochschule?). Zum „gläsernen“ Verwaltungsgebäude sagt man hier: Klugscheißeraquarium...Der<br />

Fluß Mandau fließt in die Neisse. Die Stadt hatte eine<br />

innere und äußere Stadtmauer. Das hatte Ottokar von Böhmen so befohlen.<br />

Blumenuhr:<br />

Die berühmte Blumenuhr ist mit gelben und blauen Stiefmütterchen bepflanzt.<br />

Man benötigt dafür <strong>im</strong>mer etwa 4000- 6000 Pflanzen. Das sagt jedenfalls Herr<br />

Kreibich, der Reiseleiter. Er liebt seine He<strong>im</strong>at sehr und schwärmt, schwärmt.<br />

Mit seinen Meinungen bin ich nicht <strong>im</strong>mer einverstanden.<br />

Hei wiest uns den´n Schlachthoff von Zittau, dei nu ok leer steiht. Hei meint,<br />

dat dei Stadt dorför Gammelfleisch ut Bayern kriegen deit. Dat kann jo<br />

moeglich sien...<br />

Bogatynia wita = Reichenau grüßt...<br />

In Bogatynia wiest uns dei Reiseleiter up dat Postgebäude hen. Dor is ein<br />

Postilljon tau seihn mit einen blagen Ümhang. Dat wier dei Kleedung von dei<br />

sächsische Post. Dormit wiest hei uns, dat Bogatynia eis dat düütsche Reichenau<br />

wier. Vörher harn wi an dei Grenz na Polen noch wat tau kieken. Dei Reiseleiter<br />

makte up einen Minschen upmarksam, dei siet -zig Johrenden jeden düütschen<br />

Bus mit einen „Hitlergruß“ begrüßen deit. Dat kann doch nich wohr sien...Ja,<br />

dor steiht ein groter, dünner, ölleriger, unrasierter Mann. Siene Armaut kickt em<br />

ut dei Ogen un einen Tähn schient hei ok noch bloten in sienen Mund tau<br />

hemm´n. Tatsächlich, hei häwt den´n rechten Arm piel in dei Höcht, dei Hand<br />

wippt ein bäten. Dat is för mi iehrer ein Tauwinken un nich „dei Gruß“.<br />

Uterdem schient dei Mann all dement tau sien. Dor möt man em nicks<br />

andichten, mein ick. (As wi Polen verlaten, denk ick noch an ´ne Bemarkung in<br />

Zittau. Wenn man na Polen führt, führt man dörch dei Chopinstrat. Dorut<br />

makten Lüd´, dei in Polen na dei Wend´n billig inköpen wulln, ´ne Shopping-<br />

Strat.)<br />

Wi verlaten Opole Zroi/ Bad Oppelsdorf, nadem wi dat grote Brunkohlenlock<br />

von wieden seihn harn un hürten, dat dat hier dei höchsten Löhn´ gäben deit un<br />

väle Polen ein eigen Hus hemm´n daun. Ok hier bläuhn Raps un dei Awtböm<br />

10


oewerall. Int´ressant is, dat ein schmales Rapsfeld an dei Strat all dei Grenz na<br />

Tschechien is. Trennt ward Polen bloten dörch eine Scheid´, orrer einen Knick,<br />

as man bi uns segg´n deit, und dei pläugte Acker dorachter is all tschechisch. So<br />

führn wi einfach doran vörbie un denn dörch maiengräunet Holt na Tschechien.<br />

Dit Land hier üm Detrichow gehürte eis Wallenstein, denn dei Bibersteins,<br />

schließlich dei Kamp- Gallas. Südlicher harn dei Kinskys dat Segg´n.<br />

Weber besoechte ok dat Isergebirge, seech dei Wolfsschlucht un löt sick so<br />

inspirieren, dat dei „Freischütz“ entstünn´.<br />

Ich genieße die Fahrt durch Tschechien, verlebten wir doch früher mit unseren<br />

Kollegen und danach mit unseren Kindern und Freunden herrliche<br />

Ferien in der CSSR. Gern hätte ich mehr von Frydlant erblickt. Leider sehe ich<br />

Wallensteins Schloß nur aus der Ferne, ebenfalls die berühmte Kirche von<br />

Jablonec. Ich freue mich, durch Hermanice und Albertice zu fahren, denn auch<br />

hier gibt es genug Trabi- Spuren von uns.<br />

Schließlich landen wir in Liberec.<br />

Wir parken zwischen Rathaus und Theater.<br />

Ich freue mich, diese prächtigen Bauten noch einmal sehen, in einer<br />

tschechischen Gaststätte sitzen und einen kleinen Stadtrundgang machen zu<br />

können. Es ist sehr warm an diesem 1. Mai.<br />

1.Mai 2012<br />

Birkengrün am 1. Mai, 2. Keine Demos? Keine Fahnen?<br />

Apfelkirschenbirnenblüten, Haben alle Brot und Lohn?<br />

Flieder, Raps und allerlei Werksruinen lassen ahnen:<br />

sollte friedlich man behüten. Arme gibt´s zu viele schon.<br />

Gisela Reink<br />

Erster Mai in Liberec<br />

Ein großer, magerer, junger Mann,<br />

sehr ärmlich aussehend,<br />

schüchtern, stumm blickend,<br />

steht mit einem Zettel in der Hand<br />

am Rathaus der Stadt.<br />

Ein Busfahrer empfindet Mitleid<br />

und schenkt ihm einen EURO.<br />

Als sich der Mann glücklich<br />

für das viele Geld bedankt,<br />

gibt ihm der Fahrer<br />

noch eine Bockwurst mit Brot dazu.<br />

Der Beschenkte dankt, dankt, dankt<br />

und winkt den Reisenden bewegt nach.<br />

11


Plötzlich ist für ihn<br />

der 1. Mai zum Feiertag geworden.<br />

Gisela Reink<br />

Uns´ Bus höllt achter dat Rathus un vör dat Theater. In dei Stadt sünd woll väle<br />

Investoren taugang´n wäst, denn nich bloten dei historischen Buwarke seihn<br />

wunnerschön ut, nee, nee, dei Hannel bläuht woll ok. Wenn ick mi nich verhürt<br />

heff, gifft dat hier 18 grote Supermärkte orrer Kophüser. Dei sünd gewiß bugt<br />

worden, üm Kund´n ut dat Utland antaulocken. Hier gifft dat ok ´ne Bibliothek,<br />

dei dei düütsche Literatur von dei düütschen Inwahners ut verläden Tieden<br />

sammelt un upbewohren deit. Wi gahn bet na dei Stratenbahnschienen, dei ok<br />

bloten 75cm Spurbreid hemm´n, un ´ne Extraschien löppt as drütte dornäben,<br />

dormit man ok mit ´ne anner Bahn dei Streck afführn kann. Dat´s gaut<br />

12


dörchdacht, würklich. Hier un dor erkenn ick ein Hus werrer, denn ick bün jo<br />

vör dörtig un vierig Johrn öfters hier wäst.<br />

Nu möten wi den´n Barg werrer hoch, un J. G. is´n bäten kaputt. Dei Sünn<br />

schient bannig warm. Poor junge Lüd sitten up den´n Marktplatz un geneiten<br />

den´n frien Dag. Ünner dei Arkaden von ein Hus sitt in´n Schatten ein Mann un<br />

spält wunnerschön up siene Klarinett. Dor möt einen doch festlich üm dat Hart<br />

warden. Natürlich schmieten wi em `n Euro in dei Schal. As ein junger Kierl up<br />

eine Bank ein Sünnenbad nähmen deit, lecht J. G. sick up eine anner Bank un<br />

plägt siene Gesundheit. Wi willn in einen apen Laden inköpen. Ick mücht´ J. G.<br />

ein Ies spendieren. Dei Tschechin versteiht nich ein Wuurd düütsch un ick nich<br />

ein Wuurd tschechisch. Sei möt ierst telefonieren un anfragen, ob sei €<br />

annähmen kann. Sei un ick räden mit Händ´n un Fäut un verstahn uns nich. Sei<br />

kann 5€ annähmen, oewer bloten in Kronen rutergäben, dat versoecht sei mi mit<br />

Tahlen up einen Zettel tau verkloren. Dor lat ick dat Köpen sien un pack dat Ies<br />

werrer wech. Har ick ehr dei 5 € schenken süllt?<br />

Liberec is würklich grot, denn väle Dörper gehüren nu tau dei Stadt. Disse Stadt<br />

hett dordörch 120000 Inwahners.<br />

Wi führen in Richtung Jested. Up den´n Parkplatz von´n „Utspann“ können wi<br />

den´n Jested seihn. Hoch kamen wi nich, dat harn wi extra inplanen müsst.<br />

Disser Barg is´n „heiliger Barg“. Poormal wier ick tau DDR- Tieden all baben,<br />

un einmal in dei nägenziger Johren. Dat is ümmer ein Beläwnis, an dat ick mi<br />

giern erinnern dau.<br />

Nun geht es weiter in Richtung Varnsdorf. Ich genieße die herrliche Landschaft<br />

mit den Vulkanbergen.<br />

Dabei kommen wir durch das Dorf Zdzislawa. Von hier stammt die „Selige<br />

Sislava“, die inzwischen von dem Papst heiliggesprochen wurde und ihre letzte<br />

Ruhestätte in der Kirche von Jablonec fand. Wir werden auf fremdgenutzte<br />

Kirchen aufmerksam gemacht. Tschechien hat die meisten Atheisten.<br />

13


Restaurierte Kirchen sollen durch die deutschen Sudeten erst möglich geworden<br />

sein. In den sechziger, siebziger, achtziger Jahren habe ich viele Kirchen in der<br />

CSSR gesehen. Sie gefielen mir alle sehr gut und waren alle gepflegt.<br />

Varnsdorf soll mit Zigeunern vollgestopft sein, die alle aus Prag ausgesiedelt<br />

wurden. Wir sehen viele vor den Häusern sitzen. Haben sie Arbeit? Wie leben<br />

sie? Die Häuser sehen alle ein bisschen „unordentlich“ aus.<br />

Varnsdorf – Vietnamesischer Tempel<br />

16 Prozent der Varnsdorfer sollen Zigeuner sein. Wir werden auch auf ein<br />

Gebäude aufmerksam gemacht, leuchtend gelb gestrichen, von einem Kosovo –<br />

Albaner geleitet, in dem Geld gewaschen werden soll. In den Dörfern, noch<br />

mehr in Grenznähe, sollen ausschließlich Prostituierte wohnen, die den<br />

Straßenstrich nutzen. Meine Güte, wohin sind wir geraten? Gefällt das dem<br />

Land Tschechien? Ich finde das schrecklich.<br />

Ein Min<strong>im</strong>arkt, von Vietnamesen geleitet, bietet allerhand Waren an, von<br />

Weihnachtskugeln bis Alpa. Ich kaufe ein paar Kleinigkeiten. Ohne Alpa<br />

kein Besuch in Tschechien. Nach der Grenze sind es noch 7km bis <strong>Jonsdorf</strong>,<br />

also eigentlich ein schöner Fußweg.<br />

14


Auf dieser Fahrt sehen wir noch ein Sühnekreuz aus dem Mittelalter. Wer<br />

getötet hatte, musste ein Sühnekreuz anfertigen. Danach wurde er hingerichtet.<br />

Wir werden auf besonders schöne Sandsteine aufmerksam gemacht, z.B. auch<br />

auf die Elefantensteine, die ein Naturdenkmal der UNESCO sind. Um <strong>Jonsdorf</strong><br />

gibt es aber auch sehr bekannte Sandsteine, z.B. die Nonnenfelsen, zu denen es<br />

auch eine hübsche Sage gibt. Wir durchfahren natürlich Großschönau, wie auf<br />

den meisten Fahrten. Vor der Wende gab es 27 Webereien, heute 2. Vor der<br />

Wende arbeiteten hier 1600 Weber, heute 32...( Ich hoffe, ich habe mir die<br />

Zahlen richtig gemerkt). Die Erzeugnisse der Webereien hätten mich schon<br />

interessiert, besonders die Damastweberei, die eigentlich aus dem Orient stammt<br />

und vor langer Zeit hier he<strong>im</strong>isch wurde.<br />

Kurhaus: Ick bün kaputt. Dat warme Äten is nicks för mi. Ick lat mi Zägenkäs´<br />

un Brot gäben. Abends sitten wi up dei Terrass´ un kieken uns ein bäten<br />

Australien an, dei meisten kegeln.<br />

2. Mai, halb Zoahne -Oberlausitz, meene Freeide<br />

Dei grote Ütführlichkeit von gistern kümmt nu nich mihr, oewer dat wier miene<br />

Erinnerungsfohrt.<br />

Ick bün früh up un mak mienen Spaziergang dörch den´n Kurpark. Anner maken<br />

dat ok. Ick beobacht´ dei Aanten mit ehre Lütten un freu´ mi. Kuli un Pepier<br />

heff ick bi mi. So kann ick poor Vagels ut dei Volieren teiken. Bi dat Frühstück,<br />

Klock half nägen, hürn wi werrer dei Dreihorgel, un dei Wirt secht uns, wat hüt<br />

los is. Wi maken morgens ´ne Fohrt dörch dat westliche <strong>Zittauer</strong> <strong>Gebirge</strong><br />

namirrags dörch dat östliche...<br />

15


Wi seihn dei Nonnenfelsen bi Jonsdörp, hürn dei Sag´ dortau, seihn dat schönste<br />

Dörp Sachsens mit dei herrlichen Ümgebindehüser, dei mi ümmer werrer in<br />

Begeisterung versetten daun. Disse schöne Landschaft in disse schöne<br />

Johrestiet! Dat´s ein Beläwnis...<br />

16


Wi seihn den´n Oybin un dei Hochtietskirch´. Ick bün trurig, dat wi nich<br />

anhollen daun.<br />

Ein Beläwnis is dei Besichtigung von dei Kirch´ in Großschönau:<br />

17


Die Kirche wird von einem Förderverein gepflegt. Dies ist die 3. Kirche in<br />

diesem Ort. Das Taufbecken stammt noch aus der 2. Kirche des Mittelalters. Die<br />

2. Kirche entstand um 1550 an der heutigen Stelle. Durch die Entstehung der<br />

Damastweberei und den Zuzug von Hussiten aus Böhmen war diese<br />

evangelische Kirche zu klein geworden. So umbaute man sie innerhalb von 2<br />

Jahren und trug dann erst die alte ab. Erstaunlich ist, dass es 3 Emporen <strong>im</strong><br />

Kirchenrund gibt, die sogar noch hinter den Altar führen. Somit haben<br />

annähernd 2000 Menschen Platz. Diese Kirche wird auch viel für Konzerte<br />

genutzt. Die historische Orgel ist mit Latten aus einer Bettenfabrik nach dem<br />

Krieg verschalt worden. Die heutige Orgel ist ein Neubau von etwa 1949. Die<br />

Kunstwerke stammen zumeist von Großschönauer Künstlern. So beispielsweise<br />

das Lutherbild von dem Maler Häbler.<br />

Die Bilder an der ersten Empore, gemalt in verschiedenen Grautönen, wirken<br />

nicht nur plastisch. Bei entsprechendem<br />

Lichteinfall sehen sie wie Zinn- Bilder aus. Das Altarbild wurde von einem<br />

Künstler des Dorfes gemalt, der sich Schenau nannte (Johann Elezar Zeissig).<br />

18


Weil er so talentiert war konnte er trotz seiner Armut in Dresden und Paris<br />

studieren. Später war er Rektor der Kunstakademie in Dresden und leitete die<br />

Porzellanmalschule in Meißen.<br />

Das Bild schenkte er seiner He<strong>im</strong>atgemeinde Großschönau.<br />

Die Grabstelle und das Schaudenkmal von Schenau befinden sich an exponierter<br />

Stelle auf dem Friedhof. Viele alte Grabsteine von bekannten Familien sind auf<br />

diesem Friedhof zu sehen und erinnern ein bisschen an den Friedhof in Bad<br />

Wörishofen. Eine große Grabstelle mit einem gewaltigen Stein bewegt mich<br />

besonders. Sie ist den totgeborenen und ungeborenen Kindern gewidmet. Ich<br />

mache mir Gedanken und frage dann unseren Herrn Linke, der heute weder<br />

Schäfer Jonas noch Leierkastenmann ist, sondern auf dieser Fahrt als Reiseleiter<br />

fungiert. Er bestätigt meine Überlegungen.<br />

19


Die Rundfahrt nachmittags vergeht schneller. Es bleibt Zeit, einen Kaffee <strong>im</strong><br />

Café zu trinken. Die Mittagspause hatten wir für einen Imbiss <strong>im</strong> Hotel genutzt.<br />

Abends singen Männer und Frauen aus Großschönau alles, was sich singen lässt.<br />

Dazu gehört natürlich das Oberlausitzer He<strong>im</strong>atlied.(8 Sänger, 2 Gitarristen, 1<br />

Klavier).<br />

3. Mai, halb Zoahne- Oberlausitz, meene Freeide<br />

Morgens ist es schon so warm, dass man gemütlich auf der Terrasse sitzen kann.<br />

Wieder begrüßt uns Herr Linke mit der Drehorgel. Um „halb Zahne“ geht es<br />

heute mit seiner Tochter per Dampf-B<strong>im</strong>melbahn durch die Oberlausitz. Wir<br />

sitzen in einem offenen Waggon und haben vor uns eine Dampflock. Der Rauch<br />

ist nicht so angenehm, aber wir genießen trotz des scharfen Windes die<br />

Landschaft und die großen und kleinen, die alten und jungen Menschen, die uns<br />

fröhlich zuwinken. In Bertsdorf müssen wir allerdings in Richtung Zittau<br />

umsteigen.<br />

In Zittau werden wir fachkundig zur Blumenuhr geführt. Wir sitzen auf den<br />

Bänken <strong>im</strong> kleinen Park und warten auf die Musik, die täglich um 11 Uhr aus<br />

Porzellanglocken erklingt. Von Frankfurt aus wird die Uhreinstellung geleitet.<br />

Heute erklingen 2 Lieder: Sah ein Knab´ ein Röslein steh ´n und Am Brunnen<br />

vor dem Tore. Bei Sah ein Knab´ kann ich die Melodie überhaupt nicht<br />

erkennen, aber es gibt ja verschiedene Vertonungen... Das hübsche historische<br />

Gebäude, apfelsinenfarbig, nach Kirche oder Schloss aussehend, fungiert als<br />

Speise- und Bierlokal. Es ist ein Kultuhrgebäude.<br />

Wir gehen durch die Stadt, sehen schöne Bürgerhäuser und das restaurierte<br />

Rathaus. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass Teile dieser Stadt der<br />

Braunkohle weichen sollten. Vom 2. Weltkrieg war Zittau nicht betroffen, aber<br />

vom Siebenjährigen Krieg, bei dem Zittau durch Beschuss der Österreicher zum<br />

größten Teil zerstört wurde. Be<strong>im</strong> Neuaufbau wurde auch Schinkel zu Rate<br />

gezogen, und die Johanniskirche wurde nach seinen Plänen gebaut. Trotz der<br />

tollen Bauweise gefällt sie mir nicht, weil die Grautöne für meine Begriffe<br />

einfach nur kalt sind und mich innerlich frieren lassen. Wenn nach dem<br />

Restaurieren die bunten Bleiglasfenster wieder in ihrer Farbenpracht erstrahlen,<br />

mag alles anders sein. Die sehr große Christusfigur als Altarfigur ist<br />

ungewöhnlich, berührt mich aber auch nicht. Nur die Holzarbeiten an der<br />

Empore gefallen mir, weil es feine Reliefs sind. Wie Frauen so sind, ein paar<br />

kleine Läden werden aufgesucht. Dann geht es zum Bahnhof. Die „Gag - Figur“<br />

ist ein Bahnschaffner von der „Königlich sächsischen Staatsbahn“. Sein<br />

fehlendes Gesicht kann durch jedes menschliche Gesicht ersetzt werden, und so<br />

wird fleißig fotografiert.<br />

20


Wir steigen wieder in die B<strong>im</strong>melbahn mit ihrer 750 mm breiten Spur und<br />

speisen <strong>im</strong> „Barwagen“. Ein Mittagessen während der Fahrt.<br />

Na, das ist doch wieder die Idee von unserem Kurhaus- Besitzer. Es gibt einen<br />

sehr guten Eintopf und ein riesiges Stück Zupfkuchen.<br />

Wir fahren <strong>im</strong> offenen Wagen weiter nach Oybin.<br />

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Zur Hochzeitskirche soll man 70 Stufen steigen. Ich getraue mich nicht, andere<br />

von uns auch nicht, dabei soll der Aufstieg gar nicht so beschwerlich gewesen<br />

sein. Da ich zu gern einmal in meinem Leben auf dem Oybin gewesen wäre,<br />

spreche ich mit Fahrern, die per Bus die Menschen durch das „Land schaukeln“.<br />

Sie raten zum Warten, weil es eine kleine „Burgbahn“ gibt, die in 20 Minuten<br />

kommen würde. Es klappt. Wir können hochfahren, aber nichts besichtigen, da<br />

die Zeit fehlt. Das Hochgehen wäre sehr beschwerlich gewesen, das Hochfahren<br />

ist es auch. Wir werden durchgeschüttelt und durchgerüttelt. Das Bähnlein<br />

holpert und stößt uns bergauf. Der Fahrer erzählt uns allerhand. Wir sehen die<br />

Hölle, den Ritterweg, die Freilichtbühne. Auf dem Berg ist eine Burg, die später<br />

als Kloster genutzt wurde. Es befindet sich hier auch noch der Friedhof. Wer<br />

dort zur letzten Ruhe gebettet werden möchte, der wird dort beerdigt. Dieser<br />

Friedhof ist der einzige seiner Art in Europa.<br />

Jeder von uns genießt die Aussicht. Ehepaar W. schaffte den Weg sogar zu Fuß.<br />

Auf dem Oybin<br />

Ich wollte dich nicht nur sehen,<br />

ich wollte auch auf dir stehen,<br />

wollte berühren dein Sandsteinkleid,<br />

du Uraltgestein aus der Kreidezeit.<br />

Zwar nicht mit eigener Kraft,<br />

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doch ist es mir noch gelungen,<br />

dass ich´s bis oben geschafft.<br />

Beinahe hätt´ ich gesungen.<br />

Gisela Reink<br />

Sandsteinfelsen Oybin<br />

Der Oybin in Oybin-<br />

von der Erde geformt,<br />

von Kaisern und Kirchenleuten<br />

bewohnt,<br />

von den Dorfbewohnern<br />

als letzte Ruhestätte auserkoren,<br />

von Wanderern<br />

bestiegen und bewundert-<br />

ist und bleibt ein erdgeschichtlich<br />

interessanter,<br />

von Menschenhand geprägter,<br />

von Wäldern umhüllter<br />

besonderer Stein,<br />

mitten in der schönen Oberlausitz.<br />

Gisela Reink<br />

Danach geht es per Bahn nach Bertsdorf. Dort warten wir länger. Von dort bis<br />

nach <strong>Jonsdorf</strong> sind es nur einige Minuten.<br />

Abends soll gegrillt werden, wurde natürlich auch. Aber wegen des Wetters<br />

saßen wir in der Veranda. Ein Alleinunterhalter spielte und erzählte gekonnt.<br />

Als er He<strong>im</strong>atlieder aus verschiedenen Teilen Deutschlands spielte schlug ich<br />

vor, etwas aus Mecklenburg zu spielen, z. B. Wo die grünen Wiesen oder Wo<br />

dei Ostseewellen. Wie das so bei Texten ist, zuletzt sang ich fast allein- und das<br />

bei meiner St<strong>im</strong>me...<br />

4. Mai, halb Zahne- Oberlausitz, meene Freeide<br />

Heute geht es über Zittau nach Görlitz. Ich bin begeistert, wie schön diese Stadt<br />

aussieht. Anfang der achtziger Jahre hatte man bereits mit dem Restaurieren<br />

begonnen. Damals staunte ich schon über die schönen Häuser. Nun sind die<br />

meisten die reinsten Prachtstücke. Sie weisen auf den Reichtum der Stadt hin<br />

und haben die herrlichsten Stuckarbeiten an den Häusern. Es beeindruckt mich<br />

der „dicke Turm“, der heute ein historisches Museum ist. Am Stadttor sehe ich<br />

restaurierte Wappen von den Städten des 6 - Städtebundes (Görlitz, Zittau,<br />

Bautzen, Kamenz, Löbau, Lauban). Wir werden auf die Besonderheiten von<br />

Görlitz aufmerksam gemacht: Rathaus, Flüstersteine, die Kirche St. Peter und<br />

Paul. Die Sonnenorgel mit den hellgrünen Farbverzierungen beeindruckt<br />

genauso wie die herrliche goldverzierte Kanzel. Der große banklose Platz in der<br />

Kirche, der zum „Spielen“ genutzt wird, ist schon eine Besonderheit. Wir gehen<br />

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hinunter zur Neiße. Eine neue Brücke von 2005 führt in den polnischen Teil der<br />

Stadt, wir bummeln anschließend durch die Straßen von Görlitz.<br />

Für mich ist diese Fahrt auch eine Fahrt durch die Geschichte des<br />

Dreiländerecks.<br />

Sie ist dermaßen verzwickt, verworren, verwoben, als dass man die 3Teile dieser<br />

Region ganz trennen könnte. Willkürlich wurden <strong>im</strong> Laufe der Geschichte die<br />

Grenzen von Kaisern und Königen gezogen. Zeitweise gehörten die Lausitzer zu<br />

Böhmen, Österreich- Ungarn, dann wieder zu Wallenstein, dann zu Sachsen, zu<br />

Preußen, dann zu Deutschland. Die Liberecer gehörten zeitweise zu Österreich,<br />

zu Deutschland, danach zu den Tschechen. Die Oberlausitzer und die Menschen<br />

aus dem Isergebirge u.s.w. gehören eigentlich alle zum Stamm der Sudeten,<br />

schließlich ging, nach Gründung der Tschechoslowakei 1918, der Name Sudeten<br />

auf die <strong>im</strong> Norden wohnenden Deutschen über. Das Bergland ist hüben und<br />

drüben Lausitzer Bergland, wird aber nur noch in Tschechien so genannt.. Das<br />

polnische Bogatynia gehörte einst zum Kreis Zittau. Im Ergebnis des 2.<br />

Weltkrieges verkleinerte sich der <strong>Zittauer</strong> Kreis um die Hälfte.<br />

Der Einfluß der Österreicher, Böhmen, Ungarn auf die Bauweise in Görlitz,<br />

Zittau und andere Städte ist heute noch erkennbar. Diese Länder hatten auch<br />

einen erheblichen Einfluß auf die Industrie in dieser Region, denn hier wurde<br />

früher ausschließlich für Österreich- Ungarn produziert.<br />

Herrnhuter Unität: Ich freue mich, Herrnhut einmal näher kennenzulernen und<br />

merke, dass ich sehr wenig weiß. Die Herrnhuter gingen aus der<br />

Hussitenbewegung hervor. Sie wurden vertrieben und erhielten in der<br />

Oberlausitz Land. Als evangelische Freikirche missionieren sie in aller Welt. Es<br />

gibt an die 800.000 Herrnhuter auf der Erde. Die Unität ist eine kleine Stadt für<br />

sich. Wir haben die Gelegenheit, einen Blick in die „Kirche“ zu werfen:<br />

schlicht, weiße Bänke, quer stehend, hell. In einem der Häuser werden auch<br />

Behinderte betreut. Der Herrnhuter Weihnachtsstern wird hier noch <strong>im</strong>mer<br />

hergestellt und hat eine interessante Geschichte.<br />

Sorben: Die Sorben, Kroaten, Serben waren einst ein slawisches Volk <strong>im</strong> Osten,<br />

dass aus seiner He<strong>im</strong>at vertrieben wurde und sich <strong>im</strong> 6. Jahrhundert woanders<br />

ansiedelte. Die Sorben kamen in die Lausitz, die Serben und Kroaten siedelten<br />

sich auf dem Balkan an. Trotzdem verstehen sich die Menschen dieser Länder<br />

noch heute sprachlich. In der Lausitz siedelten die Sorben, Franken, Sudeten.<br />

Soviel Wirrwarr in der Geschichte dieses Gebietes ist für mich unbegreiflich.<br />

Bevor ich das alles hörte, hätte ich jede Erzählung als Revanchismus gesehen.<br />

Leider gibt es auch Menschen, die durch eigenes Erleben die Ergebnisse des 2.<br />

Weltkrieges nicht anerkennen wollen. Sie bedenken nicht, dass ihr Land über<br />

Jahrhunderte ein Spielball der internationalen Politik war.<br />

Ich lernte viele Menschen kennen, die voller He<strong>im</strong>atliebe die Traditionen ihrer<br />

He<strong>im</strong>at pflegen und den Urlaubern verständlich machen. Ich bin begeistert und<br />

berührt.<br />

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Kloster Marienthal ist ein wunderschönes restauriertes Kloster –gewesen. Bei<br />

dem großen Hochwasser vor einiger Zeit stand das Gelände komplett unter<br />

Wasser, etwa um die 2 Meter. In der Kirche stehen noch elektrische Heizungen,<br />

die Tag und Nacht diese wertvolle Räumlichkeit austrocknen sollen. Der Putz<br />

musste von den Mauern innerhalb und außerhalb des Klosters abgeschlagen<br />

werden, damit die Gemäuer austrocknen können. Überall wird gearbeitet. Bei<br />

mehr Zeit wäre eine Führung sicher wertvoll gewesen. Nun habe ich nur eine<br />

herrliche Landschaft mit Blick auf eine romantische Klosteranlage <strong>im</strong> Tale,<br />

sommerliches Wetter und blühende Rapsfelder in Erinnerung.<br />

Abends gibt es ein 6- Städte- Menü.<br />

5. Mai, halb Zoahne- Oberlausitz, meene Freeide<br />

Heute geht es zu den Spreequellen nach Neugersdorf, Ebersbach und Waldorf<br />

am Kottmar? Die Orte Neugersdorf und Ebersbach sind inzwischen eine Stadt<br />

geworden. Es gibt 3 Spreequellen. 1. wasserreichste Quelle, 2. älteste,<br />

historische Quelle, 3. am höchsten gelegene Quelle. Vor der 1. Quelle steht<br />

natürlich die Drehorgel. Wir hören Berliner Musike und erhalten eine Berliner<br />

Weiße mit „Schuß“. J.G. und der Fahrer versuchen sich auch an der Drehorgel.<br />

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Von dort geht es zur historischen Quelle mit dem Brunnenhäuschen aus Metall.<br />

Die Tochter von Herrn Linke führt uns heute wieder. Die Quelle am Kottmar<br />

befindet sich in etwa 800m Höhe. Der Weg durch den Wald steigt langsam an.<br />

Wir ruhen aus, fotografieren und lauschen dem Plätschern der höchsten<br />

Spreequelle. Die Mauern über der Quelle sind gleichzeitig ein Kriegerdenkmal<br />

von 1914 bis 1918.<br />

Eigentlich wollen wir durch Cunersdorf fahren, aber dort ist Dorffest. Wir<br />

besuchen noch die Sommerrodelbahn in Oberoderwitz. Ich staune, wer dort alles<br />

rodelt, J. G., Herr G., N. W., Frau R. u.a. Ältere Menschen haben eben auch<br />

noch ihre Freude daran...<br />

Abends Spanferkelessen und Tanz. Unser Wirt tritt als rosa Ferkelchen, barfuß,<br />

mit Harmonika auf. Abschließend spielen 2 Musiker zum Tanz auf.<br />

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Besonderheiten des Essens: Lausitzer Essen, 3 Länder - Menü, 6 Städte -<br />

Menü, Grillabend, Spanferkelessen, Essen in der Dampf - B<strong>im</strong>melbahn.<br />

Ein ganz besonderer Hotelbesitzer<br />

Er empfängt seine neuen Gäste<br />

in Frack und Zylinder,<br />

winkend, drehorgelnd,<br />

Schmalzstullen und hauseigenen<br />

Kräuterschnaps anbietend,<br />

seine Gäste täglich zum Frühstück<br />

mit Drehorgelmusik begrüßend,<br />

sie damit fröhlich auf den Tag einst<strong>im</strong>mend,<br />

als Schäfer Jonas in Mönchskutte, barfuß<br />

Schafe und Ziegen treibend,<br />

die Hotelgäste mit Land und Leuten<br />

bekannt machend,<br />

sie zum Wassertreten an<strong>im</strong>ierend,<br />

als Reiseleiter die He<strong>im</strong>at erklärend,<br />

rezitierend,<br />

die Mecklenburger mit seinem Dialekt<br />

bekannt machend,<br />

sich als harmonikaspielendes,<br />

barfüßiges Schweinchen<br />

humorvoll um die Gäste kümmernd.<br />

Das habe ich noch nie erlebt.<br />

Gisela Reink<br />

Oberlausitz, meene Freeide<br />

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Ich erfreue mich<br />

an der blühenden Natur,<br />

es schmerzen mich aber<br />

verfallende Industrielandschaften.<br />

Es verzaubern mich<br />

die grünenden Wälder<br />

in diesen Gebirgsgegenden.<br />

Ich muß einmal <strong>im</strong> Jahr<br />

die Berge sehen,<br />

könnte aber niemals<br />

ständig dort wohnen.<br />

Interessiert betrachte<br />

ich die jahrhundertealten<br />

Umgebindehäuser<br />

und wünsche mir,<br />

dass sie alle Zeiten überdauern.<br />

Ich bin begeistert,<br />

diese Fahrt mitgemacht zu haben<br />

und hoffe, dass die anderen Reisenden<br />

sich auch verzaubern lassen.<br />

Gisela Reink<br />

Die Rundfahrten durch die wunderschöne Oberlausitz bewirken, dass ich die<br />

umfangreiche Geschichte des Dreiländerecks nun besser verstehe. Am 6. Mai<br />

geht es he<strong>im</strong>wärts. Ich, ein bisschen lädiert, werde diesen zauberhaften Urlaub<br />

nie vergessen.<br />

Gisela Reink<br />

Den Text schrieb wie <strong>im</strong>mer in ungewöhnlicher Weise, Gisela Reink, unsere<br />

„Reiseschriftstellerin“ und Mitbegründerin des Rostocker Plattdüütsch Krinks<br />

Die Bildautoren: Elke Riedel (Graal-Müritz) und H. Jürgen Grebin (Rostock)<br />

versuchten, dem Text gerecht zu werden<br />

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