ANDREA SCHERZ, - hoteljournal.ch
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Peter WYss<br />
35 SEIT JAHREN KÜCHENDIREKTOR IM PALACE<br />
Er pflegt die Kü<strong>ch</strong>e wie zu den Zeiten des französis<strong>ch</strong>en Meisterko<strong>ch</strong>s<br />
Georges Auguste Escoffier: Seit über 35 Jahren leitet Peter Wyss die Kü<strong>ch</strong>e<br />
des Palace in Gstaad. In der Zwis<strong>ch</strong>ensaison ko<strong>ch</strong>t der Meister in den<br />
privaten Chalets von prominenten Gästen.<br />
Peter Wyss, Sie sind vom Gastroführer Guide Bleu 2012/13 zum<br />
besten Kü<strong>ch</strong>en<strong>ch</strong>ef der S<strong>ch</strong>weiz gewählt worden. Gratulation!<br />
Danke. Wir freuen uns natürli<strong>ch</strong> über die 10 Punkte vom Guide<br />
Bleu, genauso wie über die 16 Punkte vom Gault/Millau. Es ist<br />
au<strong>ch</strong> unser Ziel, dieses Niveau zu halten, do<strong>ch</strong> in allererster<br />
Linie müssen ni<strong>ch</strong>t die Tester, sondern die Gäste zufrieden sein.<br />
Im Palace verkehren sehr viele Prominente. Leute, die häufig reisen,<br />
die Welt sehen. Sind die Ansprü<strong>ch</strong>e dieser Mens<strong>ch</strong>en besonders<br />
ho<strong>ch</strong>?<br />
Das würde i<strong>ch</strong> so ni<strong>ch</strong>t sagen. Die Gäste erwarten von uns, dass<br />
sie fris<strong>ch</strong>e Produkte gut und s<strong>ch</strong>nell serviert bekommen. Heute<br />
Mittag zum Beispiel gab es Blut- und Leberwürste.<br />
Und die werden tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> bestellt?<br />
Aber si<strong>ch</strong>er! Meine Aufgabe als Kü<strong>ch</strong>endirektor ist es ja au<strong>ch</strong>,<br />
die Nebenprodukte zu verarbeiten. Es gibt ni<strong>ch</strong>t nur die Filetstücke!<br />
Das müssen au<strong>ch</strong> unsere Kö<strong>ch</strong>e lernen. Deshalb bringe<br />
i<strong>ch</strong> Ihnen au<strong>ch</strong> bei, wie man zum Beispiel einen guten O<strong>ch</strong>sens<strong>ch</strong>wanz<br />
zubereitet.<br />
In der Ho<strong>ch</strong>saison bes<strong>ch</strong>äftigen Sie 55 Kö<strong>ch</strong>e und a<strong>ch</strong>t Lehrlinge.<br />
Stehen Sie selber überhaupt no<strong>ch</strong> am Herd?<br />
Ja, i<strong>ch</strong> bin Ko<strong>ch</strong> mit Leib und Seele. Aber um auf Ihre Frage<br />
zurückzukommen: Wir sind hier im Palace zwei Chefs. Mein<br />
langjähriger Kollege Hugo Weibel ist Kü<strong>ch</strong>en<strong>ch</strong>ef und kümmert<br />
si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>wergewi<strong>ch</strong>tig um das Personal. I<strong>ch</strong> als Kü<strong>ch</strong>endirektor<br />
ma<strong>ch</strong>e die Menü- und Kartenplanung und<br />
kommuniziere mit den Gästen.<br />
Sie sagen, Essen sei au<strong>ch</strong> Entertainment …<br />
Das ist so! Es geht ja an Orten wie hier ni<strong>ch</strong>t darum,<br />
ein Hungergefühl zu befriedigen. Die Gäste wollen<br />
au<strong>ch</strong> kommunizieren, verlangen eine Atmosphäre,<br />
die stimmt.<br />
Und dann verkaufen si<strong>ch</strong> sogar Blut- und Leberwürste!<br />
Au<strong>ch</strong> die (la<strong>ch</strong>t). Aber grundsätzli<strong>ch</strong> müssen wir<br />
die ganze Bandbreite abdecken: von der Gerstensuppe<br />
übers Fondue bis hin zum kreativen<br />
Mehrgänger.<br />
Peter Wyss, seit 35 Jahren Kü<strong>ch</strong>endirektor<br />
im Palace und «bester Kü<strong>ch</strong>en<strong>ch</strong>ef der<br />
Deuts<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>weiz 2012» (Guide Bleu): «I<strong>ch</strong><br />
bin dem Palace, der Familie S<strong>ch</strong>erz, aber<br />
au<strong>ch</strong> den Gästen und der Region unendli<strong>ch</strong><br />
verbunden.»<br />
Ko<strong>ch</strong>en Sie au<strong>ch</strong> molekular oder experimentell?<br />
Wir probieren alles aus, au<strong>ch</strong> molekular. Zum Beispiel kann man<br />
bei uns ein Käsefondue haben, das mit Stickstoff zubereitet wird.<br />
Aber wir ma<strong>ch</strong>en au<strong>ch</strong> einfa<strong>ch</strong>e Käses<strong>ch</strong>nitten oder Hamburger.<br />
Die Hamburger kommen besonders gut an, vor allem in der<br />
Lobby. Wir verwenden dafür nur eigenes Fleis<strong>ch</strong> – die Basis für<br />
unsere gute und gesunde Kü<strong>ch</strong>e.<br />
Sti<strong>ch</strong>wort «gesund»: Bieten Sie au<strong>ch</strong> Wellness-Menüs an?<br />
Wir haben das mal ausprobiert, aber die Na<strong>ch</strong>frage war ni<strong>ch</strong>t da.<br />
Wenn die Leute bei uns sind, wollen sie es si<strong>ch</strong> gut gehen lassen<br />
– au<strong>ch</strong> kulinaris<strong>ch</strong>.<br />
Wie s<strong>ch</strong>wierig ist es für Sie, motivierte Mitarbeiter zu finden?<br />
Da spre<strong>ch</strong>en Sie ein grosses Thema an. Viele der jungen Kö<strong>ch</strong>e<br />
springen vom Beruf ab und besu<strong>ch</strong>en eine Hotelfa<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule,<br />
andere wandern ins Ausland ab. Der Job ist nun mal hart und<br />
die Arbeitsbedingungen mit den vielen Wo<strong>ch</strong>enenddiensten<br />
sind ni<strong>ch</strong>t die einfa<strong>ch</strong>sten.<br />
Sie haben während den 35 Palace-Jahren zig Dutzend Kö<strong>ch</strong>e<br />
ausgebildet. Hatten Sie selbst mal so etwas wie ein Vorbild?<br />
I<strong>ch</strong> erinnere mi<strong>ch</strong> an ein Wo<strong>ch</strong>enende in den Neunzigerjahren,<br />
da waren Fredy Girardet und Joël Robu<strong>ch</strong>on als Gastkö<strong>ch</strong>e hier<br />
und haben drei Bankette ausgeri<strong>ch</strong>tet.<br />
Sie waren au<strong>ch</strong> bei Ferran Adrian.<br />
Ja, zusammen mit Othmar S<strong>ch</strong>legel, der hier im Palace mein<br />
Vorgänger war. Es gab unter anderem Fraises de tomates. Das<br />
ist eigentli<strong>ch</strong> das, was wir Kö<strong>ch</strong>e sonst wegwerfen, aber Adrian<br />
hat mit dem Pariser Löffel die Kernen der Tomate rausgenommen<br />
und uns wie Erdbeeren serviert.<br />
Eckart Witzigmann sagt, die Zukunft der Kü<strong>ch</strong>e liege in der<br />
Regionalität und nur dort. Sehen Sie das au<strong>ch</strong> so?<br />
I<strong>ch</strong> bin einverstanden. Wobei i<strong>ch</strong> ergänzen mö<strong>ch</strong>te, dass die Basis<br />
stets das Grundprodukt ist.<br />
35 Jahre Palace. Haben Sie nie daran geda<strong>ch</strong>t, si<strong>ch</strong> selbstständig<br />
zu ma<strong>ch</strong>en?<br />
Nein, das war nie ein Thema. I<strong>ch</strong> habe mi<strong>ch</strong> mit 27 Jahren für<br />
dieses Haus ents<strong>ch</strong>ieden, ein emotionaler Ents<strong>ch</strong>eid, der immer<br />
no<strong>ch</strong> Gültigkeit hat. I<strong>ch</strong> bin diesem Haus, der Familie S<strong>ch</strong>erz,<br />
aber au<strong>ch</strong> den Gästen und der Region unendli<strong>ch</strong> verbunden.<br />
Was wollen Sie no<strong>ch</strong> errei<strong>ch</strong>en?<br />
I<strong>ch</strong> mö<strong>ch</strong>te weiterhin offen sein für Neues. In dem Zusammenhang<br />
steht für mi<strong>ch</strong> ein Besu<strong>ch</strong> im «besten Restaurant der Welt»,<br />
dem Noma in Kopenhagen, auf dem Programm. Wenn daneben<br />
au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> die Gesundheit stimmt und die Gäste zufrieden<br />
sind, dann bin i<strong>ch</strong> glückli<strong>ch</strong>.<br />
H<br />
34<br />
7–8I2012