Konjunktur
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Konjunktur</strong> (27.JANUAR 2015)<br />
Aufschwung setzt sich zögernd fort<br />
Der Wirtschaft geht es gut: Das Jahr 2014 wurde mit 1,5 Prozent Wirtschaftswachstum besser<br />
als erwartet, der DAX erreicht ein Allzeithoch, Kredite sind günstig wie nie, der Euro ist so<br />
schwach, dass außerhalb Europas „Made in Germany“ nicht nur „gut“, sondern auch „günstig“<br />
bedeutet. Sinkende Benzinpreise bringen den Haushalten mehr Geld ins Portemonnaie.<br />
Der Wirtschaft geht es schlecht: China hat selbst nach seiner eigenen, immer etwas dubiosen<br />
Statistik das niedrigste Wachstum seit einem Vierteljahrhundert. In der Ukraine wird gekämpft –<br />
2.500 km von uns entfernt, weniger weit als zum Badestrand in Antalya. Frankreich schwächelt,<br />
Italien schwächelt, Griechenland hat gewählt. Die EZB droht, den Euro aufzuweichen, der<br />
Mindestlohn treibt Lohnniveau und Bürokratenblüten, auf breiter Front erhöhen Kommunen die<br />
Gewerbe- und die Grundsteuer.<br />
Wie soll da eine <strong>Konjunktur</strong>prognose stimmig sein? Die Industrie- und Handelskammer (IHK)<br />
Hanau–Gelnhausen–Schlüchtern hat ihre Mitgliedsunternehmen befragt. Die Ergebnisse zeigen:<br />
Es geht weiter aufwärts, denn die IHK rechnet mit einem Wirtschaftswachstum von einem<br />
Prozent aber die Vorsicht dominiert. Und vor allem: Die Branchen entwickeln sich auseinander,<br />
was sich im Einsatz des Internets zeigt.<br />
„2015 wird ein ordentliches Jahr, aber leise knirscht es im Gebälk. Vielleicht werden wir in fünf<br />
Jahren blühende Gewerbegebiete, aber verödete Innenstädte haben und uns erinnern, dass 2015<br />
die letzte Gelegenheit war, dass der Einzelhandel sich auf das Internet einstellt“, fasst IHK-<br />
Hauptgeschäftsführer Dr. Gunther Quidde die widersprüchlichen Signale aus der Wirtschaft<br />
zusammen: „Fast überall das gleiche Bild: den Unternehmen geht es besser als vor einem halben,<br />
aber schlechter als vor einem Jahr. Die Zukunftserwartungen driften auseinander.“<br />
Laut Auswertung der aktuellen <strong>Konjunktur</strong>-Umfrage im Main-Kinzig-Kreis von Anfang Januar<br />
2015 bewerten 39,0 Prozent der Unternehmen ihre gegenwärtige Lage als „gut“. „Das ist ein<br />
sehr ordentlicher Wert, der zwar einen Prozentpunkt tiefer liegt als vor einem Jahr, aber 1,8<br />
Punkte besser als vor einem halben“, berichtet Quidde. Verrechnet man optimistische und<br />
pessimistische Bewertungen miteinander, erhält man einen Saldo von 26,2 Punkten. Ein guter<br />
Wert, denn er kann im Prinzip zwischen -100 und +100 liegen. Ganz anders der<br />
Zukunftsoptimismus: Sein Saldo aus positiven und negativen Erwartungen fällt mit 4,3 Punkten<br />
nicht sehr positiv aus und viel schwächer als die Bewertung der aktuellen Lage. Insgesamt sind<br />
die Unternehmen also mit dem Heute viel zufriedener als mit dem Morgen.<br />
„Kurzfristig läuft es gut. Aber schon mittelfristig dominiert eine skeptische Ungewissheit. Das ist<br />
der Moment, in denen in den Unternehmen die Weichen für die Zukunft gestellt werden. Viele<br />
Unternehmer überlegen gerade jetzt, wie sie sich fit für die Zukunft machen. Der Umgang mit<br />
dem Internet ist dafür ganz entscheidend. Deswegen war das Thema auch Bestandteil unserer<br />
Umfrage – mit überraschenden Ergebnissen!“, meint Quidde.<br />
Interessant ist zu sehen, welche Branchen überdurchschnittlich optimistisch in die Zukunft<br />
schauen. Da ist zunächst das Gastgewerbe. Bei ihm liegt der Saldo für die zukünftige<br />
Entwicklung mit 9,1 mehr als doppelt so hoch wie in der Gesamtwirtschaft. Noch optimistischer<br />
sind die unternehmensbezogenen Dienstleistungen (21,4) und – möglicherweise befeuert durch<br />
die niedrigen Treibstoffkosten – das Verkehrsgewerbe (33,3).
Viel pessimistischer schauen andere Branchen in die Zukunft. Bei ihnen ist der Saldo der<br />
Erwartungen deutlich unter null gefallen. Dazu gehören die Produzenten von Gebrauchsgütern<br />
(- 7,7) wie von Investitionsgütern (- 14,3) sowie das Baugewerbe (-33,3). Besonders auffällig ist<br />
der Pessimismus bei den personenbezogenen Dienstleistern mit ihrem Saldo von -40. „Auffällig<br />
ist, dass genau jene Branche, die pessimistisch in die Zukunft schauen, auch jene sind, die fest<br />
von einem Ende der bisher guten Binnenkonjunktur überzeugt sind – etwa 80 Prozent sehen<br />
darin ihr größtes Risiko“, fasst Quidde zusammen und ärgert sich: „Quer über alle Branchen<br />
hinweg werden eher weiter steigende Arbeitskosten und allgemein die wirtschaftlichen<br />
Rahmenbedingungen als größte Risiken wahr genommen. Sie fürchtet jedes zweite<br />
Unternehmen. Da spüren wir die Bremsspur des Mindestlohns und die Drohung steigender<br />
Sozialabgaben durch Rentengeschenke!“<br />
Diese Verschlechterung der Rahmenbedingungen gilt deutschlandweit. Um eine<br />
Rahmenbedingung wird der Main-Kinzig-Kreis allerdings weithin beneidet: die<br />
Internetanbindung. Mitte 2015 wird der Kreis fast flächendeckend an das schnelle Internet<br />
angeschlossen sein. Wie stellen sich die Unternehmen darauf ein? „Auch hier sind die<br />
Unterschiede zwischen den Branchen sehr groß“, meint Quidde: „Banken und Versicherungen<br />
sind da Vorreiter – drei Viertel nutzen in diesen Branchen das Internet als Vertriebskanal. In der<br />
Gastronomie ist es fast jeder zweite. Was mir Sorgen macht, ist der Einzelhandel. Dort nutzt nur<br />
jedes sechste Unternehmen das Internet. Gemeinsam mit der Bauindustrie ist das der geringste<br />
Wert. Doch während man Häuser auch künftig nicht übers Netz gebaut bekommt, wissen wir<br />
doch alle, dass Versandhandel funktioniert – oft zu Lasten des Einzelhandels. Das ist dramatisch,<br />
denn stirbt der Einzelhandel, stirbt auch die Innenstadt. Appelle an das Publikum, im eigenen Ort<br />
zu kaufen, reichen nicht aus, um den Niedergang der Branche zu stoppen!“<br />
Der Einzelhandel nennt auch ganz andere Gründe als die Gesamtwirtschaft, wenn er gefragt<br />
wird, warum er nicht auf Online-Vertrieb setzt. Während insgesamt 62 Prozent der<br />
Unternehmen meinen, nicht die geeigneten Produkte zu haben, sind es im Einzelhandel nur elf<br />
Prozent. Aber 44 Prozent der Einzelhändler halten den Online-Handel für unrentabel, 33 Prozent<br />
beklagen fehlendes Know-how, gegenüber 13 Prozent (unrentabel) und sieben Prozent (Knowhow)<br />
quer durch alle Branchen.<br />
„Es gibt im Main-Kinzig-Kreis gute Beispiele, dass auch kleinere Einzelhändler sehr erfolgreich<br />
das Internet zum Vertrieb nutzen. Aber in dieser Branche herrscht noch immer große<br />
Verunsicherung über das Internet. Wir als IHK sind dabei, gegen zu steuern. Ende 2014 startete<br />
die IHK in Zusammenarbeit mit dem Verein „IT 4 Work“ und dem Beratungs- und<br />
Informationszentrum Elektronischer Geschäftsverkehr (BIEG) ein Projekt das stationären<br />
Einzelhändlern den Weg in den Onlinehandel erleichtern soll. Partner vor Ort sind die jeweiligen<br />
Gewerbevereine. Im Fokus stehen dabei vor allem die Innenstädte im MKK. Aber am Schluss<br />
muss jeder Händler für sich selbst entscheiden, wie er das Internet nutzt. Verzichtet er darauf,<br />
freut sich die Konkurrenz. An der schlechten Internetverbindung liegt es jedenfalls nicht mehr<br />
im Main-Kinzig-Kreis: Die halten nur noch 2,8 Prozent aller Unternehmen für ein Problem, um<br />
selbst im Internet aktiv zu werden“, betont Quidde.