Euro-Info Nr. 06/2013
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In Artikel 9 der „allgemeinen Ausrichtung“ ist nun festgelegt,<br />
dass die Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene lediglich solche<br />
Maßnahmen ergreifen dürfen, die gerechtfertigt und verhältnismäßig<br />
sind, um die Einhaltung der Arbeitnehmer-<br />
Entsenderichtlinie zu kontrollieren. Dazu wird ein beispielhafter<br />
Katalog an Maßnahmen aufgeführt. Die Mitgliedstaaten werden<br />
verpflichtet, sämtliche Maßnahmen der <strong>Euro</strong>päischen Kommission<br />
anzuzeigen. Mit dieser Ausgestaltung des Katalogs ist sichergestellt,<br />
dass in Deutschland existierende Kontrollmaßnahmen<br />
im AEntG weiterhin durchgeführt werden können. Damit<br />
wird das gegenwärtige Niveau an Kontrollen, mit dem die<br />
deutschen Zollbehörden die Einhaltung der Arbeitnehmer-<br />
Entsenderichtlinie gewährleisten, nicht abgesenkt. Dies entspricht<br />
einer zentralen Forderung der BDA. Allerdings muss im<br />
weiteren Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich klargestellt<br />
werden, dass die Mitgliedstaaten die angewandten Kontrollmaßnahmen<br />
der <strong>Euro</strong>päischen Kommission lediglich anzeigen<br />
und nicht etwa genehmigen lassen müssen, damit Rechtssicherheit<br />
gewährleistet ist.<br />
In Artikel 12 der „allgemeinen Ausrichtung“ ist vorgesehen,<br />
dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, in der Bauwirtschaft<br />
eine Auftraggeberhaftung einzuführen. Auf freiwilliger Basis<br />
können sie darüber hinaus ein solches System in allen Branchen<br />
einführen. Diese Haftung soll sich auf den nicht abgeführten<br />
Mindestnettolohn und die Sozialkassenbeiträge im direkten<br />
Auftragsverhältnis beziehen. Ferner können die Mitgliedstaaten<br />
strengere Maßnahmen vorsehen, z. B. die Ausdehnung der<br />
Haftung auf die gesamte Nachunternehmerkette. Der Kompromiss<br />
sieht jedoch vor, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit<br />
haben, eine Exkulpation von der Auftraggeberhaftung vorzusehen.<br />
Dazu muss der Auftraggeber den Nachweis erbringen,<br />
dass er sich bei der Auftragsvergabe sorgfältig verhalten hat<br />
("due diligence"). Die vorgesehene verpflichtende Einführung<br />
einer Auftraggeberhaftung, also der Haftung im direkten Auftragsverhältnis,<br />
für die Bauwirtschaft existiert in Deutschland<br />
bereits für alle AEntG-Branchen (§ 14 AEntG). Insoweit löst der<br />
vom Rat gefundene Kompromiss keinen Umsetzungsbedarf in<br />
Deutschland aus. Auch wurde sichergestellt, dass durch die<br />
Möglichkeit der Exkulpation das in der deutschen Bauwirtschaft<br />
bewährte System der Präqualifizierung aufrechterhalten werden<br />
kann. Auch dies entspricht einer zentralen Forderung der BDA.<br />
Im weiteren Verfahren muss sichergestellt werden, dass der im<br />
Rat gefundene Kompromiss auch in den Trilog-Verhandlungen<br />
berücksichtigt wird. Zu Artikel 9 erscheint dies realistisch, da<br />
hierzu im Rat und im <strong>Euro</strong>päischen Parlament ein gleicher<br />
Grundkonsens über die Ausgestaltung des Katalogs an Maßnahmen<br />
besteht. Dagegen liegen die Positionen zu Artikel 12<br />
bisher weit auseinander: Im Gegensatz zum Rat fordert der<br />
Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des<br />
<strong>Euro</strong>päischen Parlaments eine verpflichtende Generalunternehmerhaftung<br />
in der gesamten Haftungskette ohne Möglichkeit<br />
der Exkulpation, die sich auf alle Branchen beziehen soll.<br />
Stefan Sträßer<br />
<strong>Euro</strong>päischer Qualitätsrahmen für Praktika<br />
Praktika sind Sprungbretter in Beschäftigung<br />
Die <strong>Euro</strong>päische Kommission hat am 4. Dezember <strong>2013</strong> eine<br />
Empfehlung für einen europäischen „Qualitätsrahmen für Praktika“<br />
vorgelegt. Der Qualitätsrahmen enthält Leitlinien, die gewährleisten<br />
sollen, „dass junge Menschen, die ein Praktikum<br />
absolvieren, unter sicheren Bedingungen wertvolle Arbeitserfahrungen<br />
sammeln“. Konkret werden die EU-Mitgliedstaaten<br />
dazu aufgefordert sicherzustellen, dass Praktika auf einer<br />
schriftlichen Praktikumsvereinbarung basieren, die u. a. die<br />
Lerninhalte und -ziele, die Dauer des Praktikums und die Arbeitszeiten<br />
regelt. Auch soll in der Vereinbarung festgehalten<br />
werden, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Praktikanten<br />
eine Aufwandsentschädigung erhalten. Der Kommissionsvorschlag<br />
bezieht sich ausschließlich auf freiwillige Praktika.<br />
Nicht abgedeckt durch den Qualitätsrahmen sind somit Praktika,<br />
die im Rahmen einer Schul- oder Studienordnung vorgeschrieben<br />
oder Teil einer Fortbildungsmaßnahme sind. Die <strong>Euro</strong>päische<br />
Kommission rechtfertigt ihren Vorschlag mit den<br />
vermeintlich überwiegend schlechten Arbeitsbedingungen und<br />
mangelnden Lerninhalten von Praktika.<br />
Aufgrund der Unterschiedlichkeit der nationalen Systeme hat<br />
die <strong>Euro</strong>päische Kommission mit dem Qualitätsrahmen zu<br />
Recht auf das Instrument einer Empfehlung zurückgegriffen<br />
und verzichtet überwiegend auf Vorschläge für verbindliche<br />
Maßnahmen. Dennoch ist es kontraproduktiv, wenn die <strong>Euro</strong>päische<br />
Kommission Praktika pauschal schlechte Arbeitsbedingungen<br />
und mangelnde Lerninhalte unterstellt. Die Situation<br />
der Praktikanten in Deutschland ist gut, dies belegen die Studien<br />
der Hochschul-<strong>Info</strong>rmations-System GmbH (HIS). Um die<br />
gute Situation für Praktikanten in Deutschland zu sichern, haben<br />
die Spitzenverbände der Wirtschaft in Zusammenarbeit mit<br />
den Bundesministerien für Arbeit und Soziales und für Bildung<br />
und Forschung schon 2011 den Leitfaden „Praktika - Nutzen für<br />
Praktikanten und Unternehmen“ erstellt. Dieser Leitfaden ist<br />
abrufbar unter:<br />
http://www.bmas.de/DE/Service/Publikationen/a742-Praktika-<br />
Nutzen-Praktikanten-Unternehmen.html<br />
Die Arbeitgeber wenden sich klar gegen den Missbrauch von<br />
Praktika. Ein Leitfaden mit freiwilligem Charakter, der klar abgrenzt<br />
zwischen Praktikanten, Trainees und Auszubildenden<br />
und auch den Wert von Praktika nach Ausbildung oder Studium<br />
anerkennt, ist daher zu begrüßen. Die konkrete Ausgestaltung<br />
dieser Leitfäden muss jedoch den Mitgliedstaaten und den nationalen<br />
Akteuren überlassen bleiben, damit diese den jeweiligen<br />
nationalen Besonderheiten Rechnung tragen kann. Aus<br />
deutscher Sicht besteht daher kein Handlungsbedarf für einen<br />
EU-weiten Qualitätsrahmen für Praktika.<br />
Praktika in der Schulzeit, im Rahmen eines Studiums oder auch<br />
unmittelbar vor Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit sind ein<br />
BDA | euro-info <strong>Nr</strong>. <strong>06</strong> | 20. Dezember <strong>2013</strong> 3