Grundlagen sozialpädagogischer Diagnostik - Institut Suchtprävention
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Jugendtagung „Alles noch im grünen Bereich?“ 19 03 2013<br />
Bewältigungsstrategie, die „Geselligkeit“ im Zusammenhang mit der Gruppenintegration, der<br />
„Hedonismus“ als Zeichen eines Lifestyle-Phänomens und der „Protest“ als Form der<br />
Selbststilisierung zu nennen (vgl. Laging 2005, 154). Drogengebrauch als Protest gegen das<br />
vorherrschende Establishment verliert hingegen an Bedeutung.<br />
Ansätze zur Suchtentstehung<br />
Zum Thema der (jugendlichen) Suchtentwicklung bestehen unterschiedliche theoretische Ansätze auf<br />
interdisziplinärer Ebene. Dementsprechend finden sich soziologische, psychologische und<br />
biomedizinische Theorien bzw. Ansätze, wobei jeder Ansatz für sich alleine zu kurz greift. Daher<br />
stehen übergreifende bzw. multifaktorielle Ansätze im Vordergrund. Einen solchen bildet die<br />
bekannte Ursachentrias, in welcher die drei Variablen Person, Droge und Umwelt innerhalb eines<br />
soziokulturellen Kontextes in Wechselwirkung zueinander stehen, wobei die Suchtentwicklung einem<br />
fließenden und prozesshaften Geschehen gleichkommt (u.a. vgl. Sting/Blum 2003, 33ff). Ein<br />
modernes psychosoziales Verständnis der Suchtentwicklung favorisiert den sozialwissenschaftlichen<br />
Zugang mit seinem prozesshaft fließenden Erklärungsmodell, der sich deutlich vom vorherrschenden<br />
medizinischen Krankheitsmodell, welches vom Charakter her gegenständlich ist, abgrenzt (vgl.<br />
Degkwitz 2007, 60).<br />
Ansätze Suchtforschung<br />
Generell ist die reflexive Suchtforschung hervorzuheben, welche sich mit folgenden zwei<br />
wesentlichen Aufgaben beschäftigt: erstens versucht sie Widersprüche und Ambivalenzen des<br />
vorherrschenden medizinisch-psychiatrischen Suchtkonzepts kritisch zu hinterfragen, und zweitens<br />
versucht sie zwischen der sich über die Zeit verändernde Haltung im Umgang mit Drogengebrauch<br />
und -abhängigkeit aus gesellschaftlich-historischer Sicht und dem gegenwärtig vorzufindenden<br />
heterogenen Rahmenbedingungen im Kontext unterschiedlicher Interessen zu vermitteln. Hier sind<br />
hinsichtlich psychoaktiven Substanzkonsums mit Kultivierung, Akzeptanz, Pathologisierung und<br />
Kriminalisierung vier idealtypische Ansichten auszumachen. Vor diesem Hintergrund ist reflexive<br />
Suchtforschung gefordert zugrunde liegende Dynamiken und Mechanismen aufzudecken und<br />
wissenschaftlich zu untersuchen (vgl. Dollinger/Schmidt-Semisch 2007, 19ff).<br />
In diesem Zusammenhang fordert Stein-Hilbers (vgl. 1985/2007, 41ff) auch einen selbstreflexiven<br />
Ansatz ein, welcher mittels (1) Analyse der Selbstbetroffenheit (Phänomen gemeinsamer<br />
Betroffenheit), (2) Introspektion (Reflexion auf die eigene Biographie) und (3) Empathie (Einfühlen in<br />
die Realität anderer) methodisch umzusetzen ist.<br />
Beim salutogenetischen Ansatz (vgl. Antonovsky 1987/1997) untersucht die entsprechende<br />
Suchtforschung etwa jenen Umstand, weshalb manche Menschen in vergleichbar schwierigen und<br />
problembelasteten Voraussetzungen nicht abhängig und süchtig werden.<br />
<strong>Diagnostik</strong> im Jugendalter<br />
Im Rahmen pädagogisch-psychologischer <strong>Diagnostik</strong> im Jugendalter sind grundlegende Kenntnisse<br />
zur Lebensphase der Adoleszenz und ein interdisziplinäres Verständnis notwendig. Das erfordert die<br />
Einbeziehung sozialpädagogischer, entwicklungspsychologischer und jugendpsychiatrischer<br />
Perspektiven. Dabei bezieht sich der sozialpädagogische Blick auf die dritte Entwicklungsetappe<br />
(mittleres Jugendalter) der Sozialpädagogischen Diagnosen (vgl. Uhlendorff 2001, 104f), das<br />
Konsumverhalten im mittleren Jugendalter (vgl. Böhnisch 2002, 110ff) und die<br />
Lebensweltorientierung mit dem Ziel eines „gelingenderen“ Alltags (Thiersch 1992). Der<br />
entwicklungspsychologische Blick hat den Übergang von der Kindheit ins Erwachsenenalter im Fokus<br />
und zwar nach Hurrelmann (vgl. 2005, 27f und 33f) auf psychologischer wie soziologischer Ebene. Der<br />
jugendpsychiatrische Blick widmet sich u.a. der möglichen Komorbidität.<br />
Zum Thema des jugendlichen Drogenkonsums entwickelte sich aus der interdisziplinär angelegten<br />
RISA-Studie [Ritualdynamik und Salutogenese beim Gebrauch und Missbrauch psychoaktiver<br />
Substanzen] eine spannende mehrdimensionale Typenkonstruktion (vgl. Ullrich-Kleinmanns et al.<br />
2008, 19). Über motivationale Einflussgrößen und spezifische Persönlichkeitsstile kristallisierten sich<br />
schließlich acht Idealtypen – subkultureller Typus, interkultureller Typus, Grenzgänger-Typus,<br />
Martin Riesenhuber Seite 2