Spuren des Glaubens
Die Grundlagen unseres Glaubens - verständlich erklärt.
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22<br />
versöhnt<br />
Sie ist eines jener Kinder, die im „Fremdvölkischen<br />
Kinderheim“ der Nazis in Pichl bei Wels<br />
die erste Zeit ihres Lebens verbringen mussten.<br />
Bis Ende 1946 waren im Schloss Etzelsdorf um<br />
die 80 Säuglinge von Zwangsarbeiterinnen aus<br />
Osteuropa untergebracht. Dreizehn von ihnen<br />
verstarben aufgrund mangelhafter Pflege und<br />
Ernährung im Herbst 1944 und wurden namenlos<br />
am Pichler Friedhof begraben. Jahrzehntelang<br />
schleppte die heute Mit-Sechzigerin diese „Herkunft“<br />
mit sich herum – und den Verdacht, dass<br />
die Frau, der sie zu Kriegsende mitgegeben wurde,<br />
nicht ihre wirkliche Mutter sei. Diese Härte<br />
<strong>des</strong> Anfangs blieb nicht folgenlos und zeigte Wirkung<br />
in ihrem Leben. Seit einigen Jahren aber hat<br />
sich etwas Wesentliches geändert. Zum einen ergab<br />
ein DNA-Test die Gewissheit, dass die Mutter<br />
nicht ihre leibliche Mutter war. Damit löste sich<br />
ein großer Knoten und eine neue freundschaftliche<br />
Beziehung wurde möglich. Zum anderen<br />
engagiert sich das einstige „Etzelsdorfer Kind“<br />
in einem vor Kurzem gestarteten Projekt, wo die<br />
Geschehnisse von Etzelsdorf aufgearbeitet und<br />
im Rahmen von Veranstaltungen und Begegnungen<br />
weitergegeben werden. Dieses Reden über<br />
ihre Herkunft, dieses Erzählen ihres Schicksals,<br />
hat sie Stück für Stück aus den alten „Fesseln“<br />
herausgelöst und versöhnt.<br />
Eine Arbeit, die sich auszahlt<br />
Am Beispiel der Lebensgeschichte dieser Frau<br />
zeigt sich gut, was Versöhnung bedeutet. Versöhnung<br />
heißt: das Geschehene annehmen und aushalten<br />
zu können, es nicht mehr unter den Teppich<br />
kehren zu müssen, sondern zu bejahen und<br />
in das Leben zu integrieren. Versöhnung heißt<br />
zugleich aber auch, verzeihen und vergeben zu<br />
können: diejenigen, die Schuld zugefügt haben,<br />
zu „entschuldigen“ und eine erlittene Verletzung<br />
nicht mehr anzurechnen.<br />
Solche Versöhnung und Vergebung kostet Kraft<br />
– und sicher auch Überwindung. Sie bedeuten<br />
harte, mitunter jahrelange Arbeit. Aber Versöhnung<br />
und Vergebung zahlen sich aus, denn<br />
Versöhnung und Vergebung entbinden vom<br />
Belastenden und machen auf diese Weise vom<br />
Vergangenen frei. Es entsteht innerer Friede<br />
– und Friede mit dem „Feind“. Wer hingegen<br />
unversöhnt lebt, wer nicht entschuldigen kann,<br />
der bleibt am Unheilvollen, am Unglücklichen,<br />
am Unheilen gebunden. Das Alte kann so eine<br />
ungeheure Macht über das eigene Leben bekommen.<br />
Der Balken im eigenen Auge …<br />
Eine große Hilfe auf diesem anspruchsvollen<br />
Weg der Versöhnung und Vergebung finden<br />
Christinnen und Christen in Jesus. Zwei seiner<br />
Worte, die für den Mut zur Versöhnung und für<br />
das Wagnis der Vergebung von Bedeutung sind,<br />
sollen exemplarisch vorgestellt werden. Zum einen<br />
lädt Jesus in der Bergpredigt ein, nüchtern<br />
und ehrlich auf sich selbst zu schauen: „Warum<br />
siehst du den Splitter im Auge deines Bruders,<br />
aber den Balken in deinem Auge bemerkst du<br />
nicht?“ (Matthäus 7,3). Worum es hier geht, ist,<br />
zu erkennen, dass jedem und jeder von uns nicht<br />
nur die Rolle <strong>des</strong> bzw. der Vergebenden zufällt.<br />
Vielmehr geht von jeder und jedem auch Unrecht<br />
aus und die anderen sind gefragt, uns immer<br />
wieder zu vergeben, uns gut gesonnen zu<br />
sein, es erneut mit uns auszuprobieren. Damit<br />
das eigene Leben gut gelingen kann, braucht es<br />
also Vergebung von Seiten der anderen – seien<br />
es die eigenen Kinder, der Partner/die Partnerin,<br />
die Nachbarn oder die ArbeitskollegInnen.<br />
Wenn das bewusst ist, dann gelingt es vielleicht<br />
leichter, Vergebung stets aufs Neue zu wagen.<br />
glaubens wert