Foto: Fotolia 6 <strong>UniDAZ</strong> 02/2012 STUDIUM STUDIUM ALTERNATIVES 1. STAATSEXAMEN: ERFAHRUNGEN UND PERSPEKTIVEN An <strong>der</strong> Universität Tübingen, die seit diesem Sommer den Titel Elite- Uni trägt, präsentiert sich die sonst so traditionsreiche Pharmazie einmal von einer an<strong>der</strong>en Seite: Seit dem Sommersemester 2008 wird dort ein alternatives Prüfungsverfahren im 1. Staatsexamen angeboten. In Zeiten großer Bildungsreformen, wie G8 und Bologna, drängt sich immer häufiger die Frage auf, ob Neues wirklich besser ist o<strong>der</strong> nur eine unnötige Alternative darstellt, die man nicht vermisst hätte. Zur Abwechslung soll hier einmal von einer Bildungsreform die Rede sein, die viele Studenten vermissen werden - sollte sie sich nicht durchsetzen. DAS ALTERNATIVE VERFAHREN An die Stelle <strong>der</strong> bundeseinheitlichen Multiple-Choice-Klausuren am Ende des 4. Semesters treten als Versuchsregelung in Tübingen, wie bei einem Bachelorstudiengang, das Grundstudium begleitende Prüfungen. Diese finden jeweils im Anschluss an eine Lehrveranstaltung statt und gehen nach unterschiedlicher Gewichtung in die Endnote ein. Dabei handelt es sich vor allem um schriftliche Prüfungen, aber auch um eine abschließende mündliche Prüfung zur Fachnote Pharmazeutische Chemie und Analytik. Die Klausuren sind praktisch nie und wenn, dann nur teilweise in Multiple- Choice-Form gestellt. Auch gilt es regelmäßig Laborpraktika zu bestehen, um zu den jeweiligen Klausuren zugelassen zu werden. Es lohnt sich, die einzelnen Bewertungsfaktoren zu den Fachnoten in <strong>der</strong> Prüfungsordnung etwas genauer anzusehen. Entsprechendes Setzen von Prioritäten kann sich dabei durchaus positiv auf die Noten auswirken. Klausuren können maximal viermal geschrieben werden. Fällt man im zweiten Versuch durch, so muss die gesamte Lehrveranstaltung wie<strong>der</strong>holt werden und es gibt erneut zwei Versuche. Werden diese wie<strong>der</strong>um nicht bestanden kann das Studium an <strong>der</strong> Uni Tübingen nicht fortgeführt werden. Alle Pharmaziestudenten nehmen seit dem Sommersemester 2008 in Tübingen automatisch am alternativen Prüfungsverfahren teil. Entsprechend <strong>der</strong> Approbationsordnung ist aber auch in Tübingen eine Teilnahme am zentralen Prüfungsverfahren möglich. Dieses soll im Folgenden noch einmal kurz vorgestellt werden, um später die Unterschiede bei<strong>der</strong> Verfahren erläutern zu können. DAS IMPP-VERFAHREN Beim IMPP handelt es sich um das Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen. Das IMPP erstellt bundes - weit die Prüfungsaufgaben für den Ersten Abschnitt <strong>der</strong> Pharmazeutischen Prü- Foto: Fotolia fung. Es ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts, die die Landesprüfungsämter bei <strong>der</strong> Durchführung <strong>der</strong> bundeseinheitlichen schriftlichen Prüfungen nach <strong>der</strong> Approbationsordnung unterstützt. Die vier Examina am Ende des 4. Semesters bestehen ausschließlich aus Multiple-Choice-Aufgaben. Für die Bearbeitung je<strong>der</strong> Aufgabe stehen durchschnittlich 1½ Minuten Zeit zur Verfügung. Die Erfassung <strong>der</strong> Antworten erfolgt allein über extra dafür vorgesehene Antwortbelege, die rein maschinell ausgewertet werden, sodass beim Ausfüllen (nur mit Bleistift) penibel auf technische Richtlinien zu achten ist. Für das IMPP arbeiten sowohl festangestellte Wissenschaftler(innen) aller prüfungsrelevanten Fachrichtungen, als auch sachverständige Hochschullehrer(innen) im Nebenamt. Zu ihren Aufgaben gehören die Konzeption von Prüfungsaufgaben, die Erstellung <strong>der</strong> Fragenauswahl, die Kontrolle <strong>der</strong> Examensergebnisse sowie die Erarbeitung <strong>der</strong> Gegenstandskataloge. Zudem hat das IMPP auch den Auftrag, durch eigene Forschungsarbeiten zur Weiterentwicklung des Prüfungswesens (in Medizin, Pharmazie und Psychotherapie) beizutragen. PROBLEME Wie eng <strong>der</strong> Gestaltungsspielraum dieser Weiterentwicklung offenbar sein kann, konnte man als jüngstes Beispiel anhand des Alternativen Prüfungsverfahrens in <strong>der</strong> Pharmazeutischen Zeitung lesen (Ausgabe 16 / 2011). „Wir bedauern sehr, dass das alternative Prüfungsverfahren zum Wintersemester 2013 auslaufen wird, da für eine dauerhafte Einführung eine Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Approbationsordnung erfor<strong>der</strong>lich wäre“, ließ dort Frau Dr. Ulrike Müller, Vorsitzende des Prüfungsausschusses an <strong>der</strong> Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg ver- lauten. Als erste Hochschule in Deutschland hat die Universität Heidelberg im Jahr 2001 ein alternatives Prüfungsverfahren eingeführt und damit das IMPP-Verfahren vorübergehend ersetzt. Muss nun auch Tübingen, das sein alternatives Verfahren erst 2008 einführte um dessen Fortführung bangen? Noch gibt Prof. Dr. Lutz Heide, <strong>der</strong> Vorsitzende des Prüfungsausschusses in Tübingen, Anlass zum Optimismus: „Wir hoffen nein. Wir bemühen uns mit Unterstützung <strong>der</strong> Landesapothekerkammer darum, beim Ministerium eine Verlängerung <strong>der</strong> Genehmigung für unser alternatives Prüfungsverfahren zu erhalten“. Doch die Ähnlichkeit bei<strong>der</strong> Verfahren spricht nicht unbedingt dafür, dass es Tübingen an<strong>der</strong>s ergehen wird als Heidelberg: „Ja, wir haben uns an die Prüfungsordnung <strong>der</strong> Uni Heidelberg angelehnt“, antwortet Heide auf die Frage, ob Heidelberg eine gewisse Vorbildfunktion hatte. DIE APPROBATIONSORDNUNG „Natürlich kannten wir die rechtlichen Regelungen bereits zu Beginn <strong>der</strong> Einführung“, so Heide und so sahen die Professoren in Tübingen kein Problem in den Richtlinien <strong>der</strong> Approbationsordnung für Alternative Prüfungsverfahren. Die Approbationsordnung regelt unter § 8 die „Art <strong>der</strong> Prüfung“ und sieht dabei grundsätzlich die Möglichkeit alternativer Prüfungsverfahren vor: „Die […] zuständige Stelle kann abweichend […] zulassen, dass anstelle <strong>der</strong> schriftlichen Prüfung die im Ersten Abschnitt <strong>der</strong> Pharmazeutischen Prüfung gefor<strong>der</strong>ten Kenntnisse und Fähigkeiten auf an<strong>der</strong>e Art nachgewiesen werden können (alternatives Prüfungsverfahren).“ Dennoch gibt es dabei einige zu erfüllende Voraussetzungen: – Beschreibung eines Reformziels, welches die zu erwartenden qualitativen Verbesserungen aufzeigt und eine Gewährleistung einer sachgerechten, begleitenden und abschließenden Evaluierung. – Aufstellung einer beson<strong>der</strong>en Studienordnung. – Sicherstellung, dass Kenntnisse und Fähigkeiten in einer gleichwertigen Weise geprüft werden. – Freie Wahlmöglichkeit zwischen dem IMPP-Verfahren und dem Alternativen Verfahren sowie <strong>der</strong> Übergang zu einem an<strong>der</strong>en Studiengang <strong>der</strong> Pharmazie muss geregelt sein. 02/2012 <strong>UniDAZ</strong> 7 – Mindest- und Höchstdauer <strong>der</strong> Laufzeit dieses Prüfungsverfahrens müssen festgelegt sein und Verlängerungsanträge sind anhand von Evaluierungsergebnissen zu begründen. THEORIE UND PRAXIS Wie gestaltete sich letztlich die praktische Umsetzung? Unter beson<strong>der</strong>em Einsatz von Prof. Martin Wahl, dem aktuellen Leiter des Prüfungssekretariats in Tübingen, gelang es die wohl größte Hürde zu nehmen: die Erstellung <strong>der</strong> eigenen Prüfungsordnung. Diese musste mehrere Stationen <strong>der</strong> Prüfung und Korrektur durchlaufen: Professorenschaft, Studienkommission, Rechtsabteilung <strong>der</strong> Universität Tübingen, Landesprüfungsamt und Ministerien <strong>der</strong> Landesregierung. „Dabei gab es mehrfach Rückläufe und Korrekturwünsche. Das Verfahren dauerte mehrere Jahre“, beschreibt Heide den langwierigen Prozess. Doch nicht jede Station erwies sich dabei als reine Hürde: „Der damalige Leiter des Landesprüfungsamts hat uns sehr geholfen!“, betont Prof. Wahl. Zeitaufwendig, doch letztlich gut umsetzbar, so stellt sich das alternative Prüfungsverfahren dar, ist es einmal eingeführt. Aber wo liegt dann die Schwierigkeit bei <strong>der</strong> dauerhaften Einführung? „VOR DEM GESETZ“ Wie schon erwähnt muss die Höchstdauer <strong>der</strong> Laufzeit des Alternativen Prüfungsverfahrens festgelegt sein. Im Jahr 2009 bat Heidelberg, nach bereits einmaliger Verlängerung des Verfahrens von vier auf acht Jahre, um eine endgültige Genehmigung des Alternativen Prüfungsverfahrens. Das Ministerium für Arbeit und Soziales lehnte diesen Antrag <strong>der</strong> AAppO entsprechend ab und ge- Foto: Fotolia