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Europa: Das unentdeckte Land - BdP Landesverband Schleswig ...

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7. August 2000, Madrid. Was für eine Hitze. Man kann<br />

keinen Schritt aus dem Bahnhof rausmachen, weil da kein<br />

Schatten mehr ist und man einfach mit dem Asphalt ver-<br />

schmelzen würde. Zum ersten Mal haben sie unser Ticket<br />

nicht akzeptiert, total ätzend. Wie willst du einem Schaffner,<br />

der noch nie etwas von Interrail gehört hat, erklären, dass<br />

dieser Wisch, der echt schon ranzig ist und einen dicken<br />

Rotweinfleck aus Estella hat, eine gültige Fahrkarte für vier<br />

Personen ist? <strong>Das</strong>s die Spanier kein Englisch sprechen, hät-<br />

te uns ja auch mal jemand erzählen können. Es ist einfach<br />

hoffnungslos, keiner konnte uns zur Hilfe eilen, niemand.<br />

Und die ganze Horde der anderen jungen Reisenden war auf<br />

einmal verschwunden. Er hat uns rausgeworfen, in irgend so<br />

einem Nest, was auf unserer Karte gerade noch so verzeich-<br />

net war: Medina del Campo. 14 Stunden saßen wir auf dem<br />

Bahnhofsvorplatz in der Sonne. Wenn ich die Finger spreize,<br />

dann sieht man schon das Weiße in den Zwischenräumen.<br />

Heute Nacht nach Portugal. Wenn wir zu viert sind, nerven<br />

wir uns ganz schön an. Hanna behauptet, sie hätte kein Geld<br />

mehr, und Lasse, dass er zu dick ist, deswegen haben uns die<br />

beiden jetzt eine Olivenöl-Tomaten-Diät verschrieben. Toll.<br />

11. August 2000, Lissabon. Meine Füße tun weh, aber die<br />

Stadt ist einfach ein Traum. Wir haben unser Lieblingscafé,<br />

in dem wir immer frühstücken. Die Leute reden so witzig<br />

hier. Lasse hat Blasen an den Füßen und hat sie sich aufge-<br />

24<br />

stochen. Vielleicht sollten wir ihm Sandalen schenken. Oder<br />

Badelatschen. Hanna hat mir heute Nacht erzählt, dass sie<br />

mit meinem Exfreund geknutscht hat. Ich hätte ihr am liebs-<br />

ten ins Gesicht gespuckt aber wir sind irgendwie zu erschöpft<br />

und zu denkfaul, um uns ordentlich zu streiten.<br />

15. August 2000, Gibraltar. Ich hätte es wissen müssen.<br />

Simon ist einfach der größte Verplaner der Welt. <strong>Das</strong>s er<br />

keine Karte lesen kann und Fahrpläne nur mit Mühe, ist ja<br />

fast noch niedlich. Und dass seine Brille ständig dreckig ist,<br />

stört mich auch nicht mehr so doll wie am Anfang. Aber wie<br />

zum Teufel kann dieser Vollidiot seinen Reisepass nicht mit-<br />

nehmen? Schlimmer noch, er besitzt gar keinen, hat er uns<br />

seelenruhig heute Morgen gestanden. Ich dachte, ich spinne,<br />

echt. Marokko ade. So ein Penner. Nach Madrid in die Bot-<br />

schaft müssten wir. <strong>Das</strong> Ticket nehm’ ich mal lieber an mich.<br />

Von Gibraltar aus kann man Afrika sehen. Na gut, erahnen.<br />

War wohl nix.<br />

17. August 2000, Granada. Alles vergessen. Granada hät-<br />

ten wir wahrscheinlich einfach übergangen, wenn wir nach<br />

Marokko gefahren wären. Ich bin echt für alles entschädigt,<br />

Granada ist Arabien für Anfänger. Teestuben, Wasserpfeifen,<br />

Orangenbäume, orientalisch wirkende Gebäude, leckerste<br />

Falafel, viele Marokkaner, die einem irgendeinen Scheiß an-<br />

drehen wollen. Und so billig alles. Hier bleiben wir.<br />

LRB 2’04

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