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IF - Zeitschrift für angewandte Utopien

Projektarbeit an der FH Potsdam 2013

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if<br />

NO.<br />

ZEITSCHR<strong>IF</strong>T FÜR ANGEWANDTE UTOPIEN<br />

1<br />

Das ehepaar merkel<br />

POLYAMORIE<br />

warum monogamie nur eine möglichkeit ist<br />

Wie man untreue abschafft und<br />

trotzdem treue haben kann<br />

von Eifersucht und Besitzanspruch<br />

zu toleranz und mitfreude


if<br />

ZEITSCHR<strong>IF</strong>T FÜR AN<br />

GEWANDTE UTOPIEN<br />

NO. 1<br />

Das künftige ehepaar merkel<br />

POLYA<br />

MORIE<br />

warum monogamie nur eine möglichkeit ist<br />

Wie man untreue abschafft und<br />

trotzdem treue haben kann<br />

von Eifersucht und Besitzanspruch<br />

zu toleranz und mitfreude


Editorial<br />

Warum ist dieses Thema wichtig? Wie kamen wir<br />

darauf?<br />

4 5<br />

Er hörte leise Schritte hinter sich. Das bedeutete nichts Gutes. Wer würde ihm schon<br />

folgen, spät in der Nacht und dazu noch in dieser engen Gasse mitten im übel<br />

beleumundeten Hafenviertel? Gerade jetzt, wo er das Ding seines Lebens gedreht hatte<br />

und mit der Beute verschwinden wollte! Hatte einer seiner zahllosen Kollegen dieselbe<br />

Idee gehabt, ihn beobachtet und abgewartet, um ihn nun um die Früchte seiner<br />

Arbeit zu erleichtern? Oder gehörten die Schritte hinter ihm zu einem der unzähligen<br />

Gesetzeshüter dieser Stadt, und die stählerne Acht um seine Handgelenke würde gleich<br />

zuschnappen? Er konnte die Aufforderung stehen zu bleiben schon hören. Gehetzt sah<br />

er sich um. Plötzlich erblickte er den schmalen Durchgang. Blitzartig drehte er sich nach<br />

rechts und verschwand zwischen den beiden Gebäuden. Beinahe wäre er dabei über<br />

den umgestürzten Mülleimer gefallen, der mitten im Weg lag. Er versuchte, sich in der<br />

Dunkelheit seinen Weg zu ertasten und erstarrte: Anscheinend gab es keinen anderen<br />

Ausweg aus diesem kleinen Hof als den Durchgang, durch den er gekommen war. Die<br />

Schritte wurden lauter und lauter, er sah eine dunkle Gestalt um die Ecke biegen.<br />

Fieberhaft irrten seine Augen durch die nächtliche Dunkelheit und suchten einen Ausweg.<br />

War jetzt wirklich alles vorbei, waren alle Mühe und alle Vorbereitungen umsonst? Er<br />

presste sich ganz eng an die Wand hinter ihm und hoffte, der Verfolger würde ihn<br />

übersehen, als plötzlich neben ihm mit kaum wahrnehmbarem Quietschen eine Tür im<br />

nächtlichen Wind hin und her schwang. Könnte dieses der flehentlich herbeigesehnte<br />

Ausweg aus seinem Dilemma sein? Langsam bewegte er sich auf die offene Tür...


inhalt<br />

sie haben‘s schon gemacht -<br />

simone de beauvoir, gustav klimt ...8<br />

faktisch: Ein paar zahlen ..................14<br />

Das ewige ideal: wer sagt eigentlich,<br />

dass wir monogam sind?..........................16<br />

die Foto-serie „Bored couples“<br />

von magnum-fotograf martin parr..........22<br />

Legende No.1: Polyamorie ...........................4<br />

reportage über das „gesellschaftsphänomen<br />

polyamory“....................................34<br />

Legende No.2: Besitzanspruch.........................40<br />

die grosse lüge: nicht Untreue zerstört,<br />

sondern falsch verstandene treue..................42<br />

Legende No.3: eifersucht.....................................48<br />

Interview mit einem paar-therapeuten<br />

(der auch in einer poly-beziehung lebt)................52<br />

lyrics „Liebe Zu Dritt“ von Zweiraum-Wohnug......58<br />

60 ...................................meine WG ist meine familie:<br />

Erfahrungsbericht einer polyamoren<br />

66........................................Commitment<br />

68..............a crazy little thing called...<br />

compersion - Die Mitfreude<br />

76....................Legende No.5: toleranz<br />

80..interview mit francisco camacho,<br />

dessen kunst-aktion zur<br />

legalisierung von gruppenhochzeiten<br />

beitrug<br />

86..................poesie: freiheit der liebe<br />

88................Wie man jemandem, den man<br />

mag, sagt, dass man polyamorös l(i)eben<br />

möchte - do‘s & Don‘ts<br />

92..............................juli Zeh über die Zeit,<br />

wenn A. Merkel<br />

mit ihren Ehemännern<br />

zum Nato-Gipfel fliegt<br />

100...............................................Impressum


8 9<br />

Sie haben‘s schon gemacht<br />

Polyamorie ist keine Neuerfindung, sondern<br />

eher eine Wiederentdeckung. Bereits im 19.<br />

Jahrhunderts gab es Intellektuelle und<br />

KünstlerInnen, die in Poly-Beziehungen lebten.<br />

Darunter Simone de Beauvoir und Jean-<br />

Paul Sartre, Virginia Woolf oder Gustav Klimt.


Polyamory is quickly growing and gaining more ground as an alternative<br />

to monogamy, and for many people that is a great thing. But always keep<br />

in mind that there are people who are opposed to that kind of lifestyle,<br />

or who may just be misinformed. Spread the information! Knowledge is<br />

power, and if more people knew the facts about non-monogamous relationships,<br />

there would likely be more understanding.<br />

If you‘re trying to talk to your romantic interest (or current partner) about<br />

non-monogamy, then give them some literature.The Ethical Slut,Opening<br />

Up, andPolyamory are great books on the subject; there are countless webpages<br />

and forums and even a podcast devoted to it. Always remember to<br />

keep an open mind and an open heart!<br />

10<br />

Tell your current partner or partners about<br />

your interest, if that is what is agreed upon.<br />

When first meeting a new romantic interest,<br />

it can be easy to get caught up in the flurry<br />

of hormones, but you should always keep<br />

your partner‘s feelings in mind. Make sure<br />

to follow any previous arrangement you may<br />

have created. Call your current partner while<br />

still in front of the romantic interest. Usually,<br />

„Hey babe, I just made this bangin‘ hot<br />

chick,“ isn‘t going to win you any points.<br />

11<br />

Simone de Beauvoir & Jean-Paul Sartre<br />

Virginia Woolf<br />

Arnold Zweig<br />

Do: Tell the person you‘re interested in early on. Try to drop it in casual conversation: „My husband and my girlfriend and I all<br />

saw that movie together, we really loved it.“ The earlier in the night you tell them about it, the longer you‘ll have to talk about it.<br />

Don‘t: Tell them the morning after. In their bed. As they make waffles. Aside from just being rude, it‘s a lot like lying, and<br />

it is most certainly NOT responsible non-monogamy. In order for it not to be cheating or taking advantage of someone‘s<br />

feelings, all parties have to be fully informed of the situation. Anyway, you should probably be helping with breakfast.


John Maynard Keynes<br />

12<br />

Do: Answer any questions they might have! This is probably new to them, and<br />

even if it isn‘t, they might ask you questions about your relationship or partners.<br />

Questions are a good thing; at least they‘re not judging you. Don‘t: Roll your<br />

eyes at questions you‘ve probably heard a thousand times. No, it‘s not cheating;<br />

no, it‘s not polygamy; no, I don‘t sleep with animals. Just grin and bear it.<br />

13<br />

Gustav KLimt mit Emilie Flöge<br />

Do: Explain it in language that they can understand. To someone who has never heard of it, ‚polyamory‘ is a daunting word. ‚Responsible<br />

non-monogamy‘ isn‘t really much better. „It‘s like an open relationship...“ is a pretty good way to start. I know most poly couples balk at the term<br />

open relationship, since it‘s so umbrella and it has so many negative connotations, but so long as you explain your personal relationship, hopefully<br />

there won‘t be any misunderstandings. Don‘t: Laugh at them if they don‘t know what ‚polyamory‘ is, or give them a one word explanation.<br />

Berthold Brecht<br />

Do: Give them some space. A lot of the time after disclosing the nature your relationship,<br />

someone might need time to think about it. Even if they don‘t seem too<br />

surprised or put-off, you still want to move slowly. This kind of relationship gets<br />

complicated very quickly, and you want to make sure everyone‘s needs are met.<br />

Don‘t: Be a missionary. By that I mean, don‘t force them to your side, or force them to<br />

make a decision one way or the other. It may take time, and maybe you hate waiting,<br />

but it will do more harm than good to try to force anything. Things to Keep In Mind


faktisch<br />

Scheidungen, Eheschließungen,<br />

Scheidungsrate<br />

1890 6.200<br />

Weißrußland 68<br />

1900 9.152 476.491 1,9 %<br />

Rußland 65<br />

1910 15.016 496.396 3,0 %<br />

Schweden 64<br />

Paar-Therapeuten in<br />

1920 36.542 894.978 4,2 %<br />

Großbritannien 53<br />

USA 49<br />

1930 40.722 570.241 7,2 %<br />

Deutschland<br />

Deutschland (Stand 2000) 46<br />

1939 61.789 774.163 8,0 %<br />

Frankreich 43<br />

1950 75.268 516.282 14,6 %<br />

Schweiz 43<br />

1955 42.800 443.439 9,6 %<br />

1999 190.760 44,3 %<br />

Österreich 38<br />

1960 44.391 500.354 8,1 %<br />

2000 194.408 46,4 %<br />

Dänemark 35<br />

Spanien 17<br />

1965 58.718 492.128 12,0 %<br />

2001 197.498 50,7 %<br />

Italien 12<br />

1970 76.520 444.510 17,2 %<br />

2002 204.200 52,1 %<br />

Türkei 6<br />

1975 106.829 386.681 27,6 %<br />

2003 213.975 55,9 %<br />

1976 108.363 365.728 29,6 %<br />

2004 213.691 33,9 %<br />

1977 74.719 358.487 17,2 %<br />

2005 201.700 51,9 %<br />

1978 32.578 328.215 9,9 %<br />

2006 190.928 51,1 %<br />

1979 79.602 344.823 23,1 %<br />

2007 187.072 50,7 %<br />

1980 96.351 362.408 26,6 %<br />

2008 191.948 50,9 %<br />

1981 109.645 359.658 30,5 %<br />

2009 185.817 49,1 %<br />

1982 118.609 361.966 32,8 %<br />

2010 187.027 48,9 %<br />

1983 121.475 369.963 32,8 %<br />

2011 187.640 49,7%<br />

1984 130.744 364.140 35,9 %<br />

Kirchliche Hochzeiten in<br />

1985 128.268 364.661 35,2 %<br />

Deutschland: 2012<br />

14 1990 123.041 516.388 23,8 %<br />

15<br />

1991 136.484 454.291 30,0 %<br />

1992 135.179 453.428 32,8 %<br />

1993 156.646 442.605 35,4 %<br />

1994 166.496 440.244 37,8 %<br />

1995 170.000 430.334 39,5 %<br />

1996 176.203 427.297 41,2 %<br />

1997 188.483 422.776 44,6 %<br />

1998 192.954 417.420 46,2 %<br />

1999 190.760 430.674 44,3 %<br />

2000 194.408 418.550 46,4 %<br />

2001 197.498 389.594 50,7 %<br />

2002 204.200 391.967 52,1 %<br />

2003 213.975 382.911 55,9 %<br />

2004 213.691 395.992 53,9 %<br />

2005 201.700 388.451 51,9 %<br />

2006 190.928 373.681 51,1 %<br />

2007 187.072 368.922 50,7 %<br />

2008 191.948 377.055 50,9 %<br />

2009 185.817 378.439 49,1 %<br />

2010 187.027 382.047 48,9 %<br />

2011 187.640 377.816 49,7 %<br />

Straftaten aus Eifersucht<br />

im Jahr 2013<br />

Gesamt 654 800<br />

Davon Tötungsdelikte 2034<br />

Männer 87 %<br />

Frauen 13 %<br />

Ehrenmorde<br />

in Deutschland: 2012<br />

Katholisch 54<br />

Evangelisch 34<br />

Muslimisch 79<br />

Jüdisch 69<br />

Episkopalisch 23<br />

Baptistisch 78<br />

Buddhistisch 45<br />

Scheidungsraten nach Ländern<br />

Anteil geschiedener Ehen<br />

(im Verhältnis zu den neu geschlossenen)<br />

Katholisch 54<br />

Evangelisch 34<br />

Muslimisch 79<br />

Jüdisch 69<br />

Episkopalisch 23<br />

Baptistisch 78<br />

Buddhistisch 45<br />

Sachbeschädigungen<br />

wegen Untreue (2012 in Euro)<br />

Gesamt 17 Millionen<br />

Schäden an Autos 12<br />

Hausbrände 2<br />

Frauen 6


Das ewige Ideal<br />

von Stefanie Schramm, Fotos von Kevin N. Murphy<br />

Wie wollen wir es mit der Treue halten? Und wie halten wir durch? Psychologen ergründen<br />

Wunsch und Wirklichkeit. Laut einer Studie wünschen sich mehr als 90 Prozent der Menschen<br />

Treue, 50 Prozent der Befragten gaben an, schon einmal fremdgegangen zu sein. 3 Prozent<br />

aller Säugetiere gehen Paarbeziehungen ein, wirklich monogam leben davon die wenigsten.


Fast alle wollen es, doch nur die Hälfte tut es: treu sein, lebenslang. Wunsch und Wirklichkeit klaffen drastisch<br />

auseinander. Der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach, schon klar. Doch trotz breitgetretener Promi-Affären, Seitensprung-Dramen<br />

im Bekanntenkreis, eigener Fehltritte – der innige Wunsch nach Exklusivität mit dem oder der<br />

einen ist offenbar nicht zu zerstören. »Es ist verblüffend, aber das Ideal der Treue übersteht mühelos alle Varianten<br />

des Zeitgeistes – bürgerliche, unbürgerliche, antibürgerliche, konservative, liberale, rechte, linke«, schreibt der<br />

Journalist Markus Spieker in seinem gerade erschienenen Buch Mono. Die Lust auf Treue. Und der Autor Matthias<br />

Kalle feiert in seinem demnächst erscheinenden Buch Erstmal <strong>für</strong> immer ausgerechnet die Heirat aus Liebe als die<br />

Revolution der 30-jährigen Scheidungskinder. Warum überlebt das Ideal der Treue die stete Widerlegung durch die<br />

Realität? Warum streben wir immer wieder aufs Neue danach?<br />

Wo doch der Reiz des Unbekannten stärker denn je lockt. Wo wir doch längst ein unausgesprochenes Zugeständnis<br />

gemacht haben: Heute gilt nicht mehr nur als treu, wer sein ganzes Leben exklusiv mit dem oder der einen verbringt;<br />

es reicht schon, wenn man einem Partner nach dem anderen die Treue hält. Serielle Monogamie also, Treue light.<br />

Biologen bescheinigen uns ohnehin nur bedingte Eignung. Allenfalls »sozial monogam« sei homo sapiens – ein<br />

gemeinsames Nest ja, sexuelle Exklusivität na ja. Alles kruder, pessimistischer Biologismus? Sagen wir es so:<br />

Angesichts unserer evolutionären Vergangenheit ist es geradezu verblüffend, dass die Hälfte der Menschen es<br />

schafft, treu zu sein. Bei den allermeisten Lebewesen ist es mit der Monogamie nämlich nicht weit her. Selbst die<br />

zur Zweisamkeit neigenden Vögel, die possierlichen Blaumeisen, die romantisch verklärten Schwäne – sie wurden<br />

fast allesamt per DNA-Vaterschaftstest der Untreue überführt.<br />

Die Wirklichkeit<br />

Damit beginnt der heikle Teil. Ständig verbreiten Männermagazine, Frauenzeitschriften und Internetforen Umfragen<br />

zu Bettgeschichten (nicht selten angefertigt im Auftrag von Kondomherstellern). Was soll man da glauben? Selbst<br />

die wenigen streng wissenschaftlichen Befragungen, auf denen dieser Artikel fußt, stoßen an Grenzen. In den peinlich<br />

genauen Interviews des US-Sexforschers Alfred Kinsey , der darauf spezialisiert war, seinen Probanden intime<br />

Details zu entlocken, führte in den vierziger und fünfziger Jahren keine andere Frage so oft zu der Antwort: »No<br />

comment.« Auch in der aktuellen pairfam-Studie verweigern rund drei Prozent die Auskunft.<br />

Wenn die delikaten Fragen an der Reihe sind, lassen die pairfam-Interviewer daher die Teilnehmer ihre Antworten<br />

selbst in den Laptop tippen. »Sie sind angewiesen, in ihren Unterlagen zu wühlen oder zum Klo zu gehen«, sagt<br />

Walper. Dennoch müsse man mit den Daten vorsichtig umgehen: »Auch unsere Testpersonen haben bisher eher<br />

zurückhaltend geantwortet.« Sie hofft aber, dass sich in ihrer repräsentativen Längsschnittstudie über die Jahre<br />

hinweg ein Vertrauensverhältnis aufbaut. Wenn dann 2020 mehr Affären ans Licht kommen, muss das nicht heißen,<br />

dass die Deutschen untreuer geworden sind – sondern womöglich nur ehrlicher.<br />

Anders als die Hamburg-Leipziger fragt die pairfam-Studie ausschließlich nach Seitensprüngen im jeweils vergangenen<br />

Jahr. Damit sinkt der Anteil der Fremdgänger erheblich, das zeigte bereits die Befragung der Großstädter.<br />

Während 50 Prozent irgendwann in ihrem Leben schon einmal untreu waren, waren es in der aktuellen Beziehung<br />

28 Prozent und im vergangenen Jahr weniger als 10 Prozent. Man könnte auch sagen: Die meisten Menschen sind<br />

die meiste Zeit in ihrem Leben tatsächlich treu.<br />

Unsere mäßige Monogamie ist da schon eine gewaltige kulturelle Leistung wider jede Natur. Aber was entscheidet<br />

18<br />

letztlich, ob wir treu sind? Und: Stehen Wollen und Sein wirklich so unauflösbar im Widerspruch zueinander, wie<br />

Die Daten von pairfam deuten nun auf ein überraschendes Phänomen hin. Ähnlich wie schon in der ersten gaben<br />

die eingangs zitierten Zahlen es glauben machen? Eine Standpunktbestimmung in fünf Schritten.<br />

jetzt auch in der zweiten Runde 4,5 Prozent der Teenager einen Seitensprung im vergangenen Jahr an – aber nur 19<br />

1,8 Prozent der Teilnehmer Ende 30. Während die Jugendlichen also Treue als weitaus wichtiger bezeichnen, sind<br />

Der Wunsch<br />

sie in der Realität weniger treu.<br />

Die Treue erscheint uns attraktiv. Das sagen alle Umfragen, alle Statistiken. Der Psychologe Christoph Kröger, Leiter<br />

der Psychotherapieambulanz der Technischen Universität Braunschweig, hat sie in einer Übersichtsstudie zusammengetragen.<br />

Er findet den starken Wunsch nach Treue wenig überraschend: »Wertvorstellungen sind sehr robust,<br />

sehr konservativ. Wenn man das auf dieser abstrakten Ebene abfragt, erhält man natürlich solche Antworten.«<br />

Frühere Umfragen lieferten allerdings nur Momentaufnahmen, statistische Schnappschüsse. Endlich der Konjunktur<br />

der Treue und des Wunsches danach auf die Spur kommen wollen die Psychologin Sabine Walper von der Münchner<br />

Ludwig-Maximilians-Universität und ihre Kollegen vom Projekt pairfam. Seit 2008 befragen sie 12402 Deutsche<br />

zu Partnerschaft und Familie, jedes Jahr aufs Neue, 14 Jahre lang. Ein enormer Aufwand. Gerade fängt Walper an,<br />

die Ergebnisse der zweiten Welle auszuwerten, voller Ungeduld. »Ich würde liebend gern ein paar Jahre vorspulen.«<br />

Bisher sehen die Forscher den großen Wunsch nach Treue bestätigt – und machten eine hochspannende Entdeckung:<br />

Am wichtigsten ist Exklusivität den Jugendlichen (geboren zwischen 1990 und 1994). Der Aussage »Fremdgehen<br />

wäre <strong>für</strong> mich ein ernsthaftes Beziehungsproblem« stimmen 77 Prozent von ihnen »voll und ganz« zu, bei<br />

den 20 Jahre älteren Testpersonen sind es nur 62 Prozent. Die eingangs erwähnte Hamburg-Leipziger Studie von<br />

2002 (die aktuellste abgeschlossene zu dem Thema, die sich allerdings auf Großstädte beschränkt) hatte bereits in<br />

eine ähnliche Richtung gedeutet: Die 30-Jährigen waren wesentlich strenger als die 60-Jährigen. Das passt ins Bild<br />

einer jungen Generation, die sich wieder auf alte Werte besinnt, wie diverse Jugendstudien zeigen. Eine Generation,<br />

die Exklusivität weit höher schätzt als ihre Eltern?<br />

»Nirgendwo klaffen Wunsch und Wirklichkeit so weit auseinander wie bei den ganz Jungen«, sagt die Psychologin<br />

Walper. Und Silja Matthiesen vom Institut <strong>für</strong> Sexualforschung der Universität Hamburg meint: »Bei Jugendlichen<br />

zeigt sich das Problem der Treue wie unter einem Brennglas.« Sie hat an der Hamburg-Leipziger Studie mitgearbeitet<br />

und erforscht besonders die Sexualität von Jugendlichen. »Treue ist <strong>für</strong> Teenager ein ganz wichtiger Wert, und<br />

Untreue beginnt schon beim ›Fremdknutschen‹.« In der Praxis aber wechselten sie sehr schnell den Partner, sobald<br />

sie jemand Neues interessiere – pro forma bleibe die Exklusivität gewahrt. »Aber die Idee der Treue ist ja eine andere«,<br />

sagt Matthiesen. »Der große Wunsch danach entspringt dem Versuch der Jugendlichen, in der komplizierten<br />

Welt der Beziehungen Ordnung zu schaffen, sich an einfachen Maßstäben zu orientieren.«<br />

Wenn sich also regelmäßig neun von zehn Erwachsenen Treue wünschen, dann ist auch das womöglich vor allem<br />

eins: ein Wunsch. Er spricht vom Bedürfnis nach Verlässlichkeit, der Sehnsucht nach geordneten Verhältnissen –<br />

gerade weil die Wirklichkeit oft anders aussieht. So gesehen widerspricht die Sehnsucht der Realität gar nicht, sie<br />

ergibt sich im Gegenteil aus ihr.<br />

Die Lust auf Neues<br />

Für Evolutionsbiologen ist die Sache klar: Die Chance, dass die eigenen Gene weiterverbreitet werden, wächst<br />

sowohl mit der Qualität als auch mit der Quantität des Nachwuchses. Und Männer können mehr Kinder haben,<br />

wenn sie mehr Frauen haben. Frauen wiederum können sich, um gesündere, klügere, hübschere Kinder zu be-


Untreue hat einen natürlichen Gegenspieler – unser tief verwurzeltes Bedürfnis nach Bindung. Das begründen<br />

die Evolutionspsychologen gewohnt nüchtern: Die Überlebenschancen der Sprösslinge steigen, wenn sich beide<br />

Elternteile um diese kümmern. Das gilt umso mehr, je aufwendiger die Aufzucht ist. Und da ist der Mensch einsame<br />

Spitze. Entsprechend wichtig ist eine starke emotionale Bindung, <strong>für</strong> die sich in der Biochemie des Hirns zwei Botenstoffe<br />

herausgebildet haben, die Hormone Oxytozin und Vasopressin. Ein Team um den schwedischen Genetiker<br />

Hans Walum vom Karolinska-Institut in Stockholm fand heraus, dass Männer, bei denen ein Gen <strong>für</strong> den Vasopressin-Rezeptor<br />

verändert war, seltener verheiratet waren und häufiger Ehekrisen oder Scheidungen durchmachten<br />

(und obendrein von ihren Ehefrauen ein schlechteres Zeugnis ausgestellt bekamen).<br />

Es widerspricht allen bisherigen Erkenntnissen, ein einzelnes »Treuegen« <strong>für</strong> Monogamie zu suchen. Jedoch haben<br />

verschiedene Studien gezeigt, dass Menschen mit einem guten Selbstwertgefühl, geringen narzisstischen oder<br />

neurotischen Persönlichkeitszügen und geringer depressiver Veranlagung seltener fremdgingen. Ob jemand treu ist,<br />

hängt also durchaus mit seiner Persönlichkeit zusammen – die wiederum in Teilen erblich ist.<br />

Außerdem erhöhen äußere Einflüsse die Bindung zwischen zwei Partnern und senken das Untreue-Risiko. »Das sind<br />

vor allem der Haus-und-Hof-Faktor und ein gemeinsamer Bekanntenkreis«, sagt der Psychologe Kröger – gemeinsame<br />

Investitionen also und soziale Kontrolle. Welche Rolle hingegen Kinder spielen, ist umstritten: »Sie können<br />

natürlich zusammenschweißen, aber eine Beziehung auch extrem belasten.« Und auch die Wirkung des Faktors Ehe<br />

ist undurchsichtig. Zwar sind Verheiratete nur halb so oft untreu wie Unverheiratete, doch vielleicht heiraten ja treue<br />

Menschen einfach eher als untreue. Religiosität indes befördert die Tugendhaftigkeit nur äußerst bedingt: Gläubige<br />

sind nicht per se treuer, sondern nur dann, wenn sie ohnehin mit ihrer Beziehung sehr zufrieden sind. Dagegen lasse<br />

eine als feindlich wahrgenommene Außenwelt die Sehnsucht nach Beständigkeit in der Beziehung deutlich wachsen,<br />

sagt Kröger. »Wer zum Beispiel im Beruf Druck verspürt, dem ist die Partnerschaft als sicherer Hort wichtig.«<br />

20 21<br />

kommen, gezielt interessante Erzeuger angeln (zusätzlich zum verlässlichen Versorger). Spätestens wenn in einer<br />

Der Wille zur Treue<br />

Partnerschaft die Kinder aus dem Gröbsten heraus seien, wachse daher die Lust auf Abwechslung. Und das Ende<br />

der Verliebtheit markiere den Beginn eines »neuen genetischen Projekts«, wie es der Evolutionspsychologe Dietrich<br />

Klusmann vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf trocken formuliert.<br />

Die Empirie der Untreue scheint das zu bestätigen. Fast drei Viertel der Fremdgänger aus der Hamburg-Leipziger<br />

Studie nannten schlicht den »Reiz des Neuen« als Grund – ebenso viele fühlten sich weder unglücklich in ihrer<br />

Partnerschaft noch sexuell unbefriedigt. Offenbar lockt das Fremde auf die Dauer selbst dann, wenn das Bekannte<br />

glücklich und zufrieden macht. »Die meisten erwischt es in einer an sich guten Beziehung aus Zufall«, sagt Kurt<br />

Starke, einer der Autoren der Hamburg-Leipziger Studie. Zufall? Vom »Gelegenheitskonzept« spricht der Braunschweiger<br />

Psychologe Christoph Kröger. Und Gelegenheiten <strong>für</strong> den Zufall gibt es heute mehr denn je: Wir sind<br />

mobiler, treffen auf mehr fremde Menschen in kürzerer Zeit. Überall auf der Welt und selbst im eigenen Wohnzimmer<br />

– das Internet eröffnet dem Reiz des Neuen Myriaden Möglichkeiten. Schon suchen in Krögers Ambulanz erste<br />

Paare Hilfe, weil ein Partner über das Internet untreu wurde. Dabei muss es nicht einmal zum Äußersten kommen.<br />

»Untreue definiert jeder <strong>für</strong> sich. Es braucht da<strong>für</strong> nicht unbedingt Körperkontakt«, sagt die Psychologin Sabrina<br />

Brüstle von der Universität Zürich. Sie fängt gerade an, die Untreue im Internet zu erforschen – natürlich mit einer<br />

Onlineumfrage. Erste Ergebnisse erwartet sie im Sommer, schon jetzt überrascht sie aber: »Es nehmen wesentlich<br />

mehr Leute teil, als ich je gedacht hätte.«<br />

Die Sehnsucht nach Beständigkeit<br />

Mit diesen Möglichkeiten der Moderne konfrontiert und dem Erbe der Evolution im Gepäck ist es eigentlich eher<br />

erstaunlich, dass wir nicht alle zu notorischen Seitenspringern und Fremdgängern werden. Doch die Neigung zur<br />

Was <strong>für</strong> ein Gezerre! Da tuschelt uns via Gene und Hormone dauernd die Evolution ins Ohr (»Reizvolles Neuland<br />

hier, heimeliges Territorium dort!«). Da funkt unsere Persönlichkeit dazwischen (»Eine günstige Gelegenheit zur<br />

Affäre, wie prächtig <strong>für</strong> das Ego!«). Dann die Ratio (»Aber das Reihenhaus!«). Und schließlich, natürlich, das tiefe<br />

Gefühl – die Liebe zum Partner.<br />

Egal ob Psychologie oder Soziologie, Anthropologie oder Hirnforschung: Die Wissenschaft liefert uns eine Vielzahl<br />

von Einflussfaktoren <strong>für</strong> die Treue – und die Erkenntnis, dass keiner davon allein unser Verhalten bestimmt. Was<br />

entscheidet also, ob wir treu sind oder nicht? »Treue ist ein kognitiver Prozess«, sagt der Zürcher Paartherapeut Guy<br />

Bodenmann, nämlich die willentliche Entscheidung <strong>für</strong> die Exklusivität. »Es geht um commitment. Auf mehreren<br />

Ebenen, natürlich auf der emotionalen und der sexuellen. Aber eben vor allem mit dem Willen.« Commitment –<br />

da<strong>für</strong> gibt es ein schönes deutsches, ein wenig altmodisch klingendes Wort: Hingabe.<br />

Außerdem erhöhen äußere Einflüsse die Bindung zwischen zwei Partnern und senken das Untreue-Risiko. »Das sind<br />

vor allem der Haus-und-Hof-Faktor und ein gemeinsamer Bekanntenkreis«, sagt der Psychologe Kröger – gemeinsame<br />

Investitionen also und soziale Kontrolle. Welche Rolle hingegen Kinder spielen, ist umstritten: »Sie können<br />

natürlich zusammenschweißen, aber eine Beziehung auch extrem belasten.« Und auch die Wirkung des Faktors Ehe<br />

ist undurchsichtig. Zwar sind Verheiratete nur halb so oft untreu wie Unverheiratete, doch vielleicht heiraten ja treue<br />

Menschen einfach eher als untreue. Religiosität indes befördert die Tugendhaftigkeit nur äußerst bedingt: Gläubige<br />

sind nicht per se treuer, sondern nur dann, wenn sie ohnehin mit ihrer Beziehung sehr zufrieden sind. Dagegen lasse<br />

eine als feindlich wahrgenommene Außenwelt die Sehnsucht nach Beständigkeit in der Beziehung deutlich wachsen,<br />

sagt Kröger. »Wer zum Beispiel im Beruf Druck verspürt, dem ist die Partnerschaft als sicherer Hort wichtig.«


Love and<br />

marriage...<br />

Mit der Fotoserie „Bored Couples“ wagt Magnum-Fotograf Martin Parr<br />

einen ironisch-liebevollen Blick auf Paare.<br />

Nach einer gewissen<br />

Zeit, man sagt nach<br />

zwei Jahren des Zusammenlebens<br />

oder nach<br />

den zweiten Kind, kommt<br />

nach dem Abenteuer der<br />

Liebe die Langeweile, der<br />

Alltag. Schonungslos lichtet<br />

Martin Parr Paare ab,<br />

die sich scheinbar nichts<br />

mehr zu sagen haben, die<br />

mit ausdruckslosen Gesichtern<br />

umherblicken, sich<br />

anschweigen. Tatsächlich<br />

wissen wir aber nicht, was<br />

die Menschen in dem Augenblick<br />

des Fotografiertwerdens<br />

empfunden haben,<br />

was authentisch ist und was<br />

Annahme.


24 25


26 27


28 29


30 31


legende no.1<br />

→ Polyamorie<br />

32 33<br />

Polyamory (englisches Kunstwort aus griechisch πpolýs „viel, mehrere“ und<br />

lateinisch amor „Liebe“, eingedeutscht auch Polyamorie) ist ein Oberbegriff<br />

<strong>für</strong> die Praxis, Liebesbeziehungen zu mehr als einem Menschen zur gleichen<br />

Zeit zu haben.[1] Dies geschieht mit vollem Wissen und dem Einverständnis<br />

aller beteiligten Partner.[2]<br />

Die angestrebten Beziehungen sind langfristig und vertrauensvoll<br />

angelegt und schließen normalerweise (aber nicht notwendigerweise)<br />

Verliebtheit, Zärtlichkeit und Sexualität mit ein. Menschen, die diese Art<br />

von nichtmonogamen Beziehungen führen oder sich vorstellen können, in<br />

solchen zu leben, werden als „polyamor“ oder „polyamorös“ bezeichnet.<br />

Andere Bezeichnungen wie „polyamid“ oder „polyamant“ sind innerhalb der<br />

Poly-Community ungebräuchlich und werden nur vereinzelt verwendet. Seit<br />

den 1960er Jahren sind Erfahrungs- und Kommunikationsnetzwerke von<br />

Menschen entstanden, die in solchen Beziehungen leben und sich teilweise über<br />

das Internet darüber austauschen und sich hierin gegenseitig unterstützen.<br />

Weltanschaulich stellt das polyamore Konzept die Vorstellung in Frage,<br />

dass Zweierbeziehungen die einzig erstrebenswerte oder mögliche Form<br />

des Zusammenlebens darstellen. Das Konzept bejaht, dass ein Mensch mit<br />

mehreren Personen zur gleichen Zeit Liebesbeziehungen haben kann.


34 35<br />

Das Modell der Zukunft<br />

Von Henryk M. Broder, Collagen von Paul Kroker<br />

Eine neue sexuelle Subkultur formiert sich in den USA:<br />

Bekennende Polygamisten beider Geschlechter verlangen die<br />

Anerkennung ihrer Lebensform. Polyamory heißt die Bewegung, die<br />

das Familienleben des nächsten Jahrhunderts bestimmen möchte.


Nancy und Darrell waren schon 15 Jahre miteinander verheiratet,<br />

als Darrell eines Tages, gleich nach dem Frühstück, plötzlich sagte:<br />

„Nancy, ich möchte nicht sterben, ohne vorher noch mit einer<br />

anderen Frau zusammengewesen zu sein.“ Worauf Nancy, <strong>für</strong> Darrell<br />

völlig unerwartet, erwiderte: „Ich auch nicht.“<br />

Nancy, inzwischen 51, und Darrell, 53, waren beide unberührt in den<br />

Stand der Ehe getreten. Alles, was sie über Sexualität wußten, hatten sie<br />

sich miteinander erarbeitet. Bis zu jenem Tag, als sie beschlossen, ihre<br />

Ehe „zu öffnen“, hatten sie auch nicht darüber gesprochen, was ihnen<br />

fehlte und was sie gern ausprobieren würden.<br />

Danach wurde alles schlagartig anders. „Ich hatte ein paar Dutzend<br />

Affären im Laufe eines Jahres“, erinnert sich Nancy, „mit Männern und<br />

mit Frauen.“<br />

Seitdem sind 13 weitere Jahre vergangen, Nancy und Darrell sind noch<br />

immer miteinander verheiratet, doch sie treiben es nicht mehr so wild wie<br />

früher. „Wir leben jetzt in einer festen Beziehung“, sagt Nancy, „in der es<br />

nicht nur auf Sex ankommt.“<br />

Magazins bilden ein „Polylove Network“, sie verkehren miteinander im<br />

Internet und treffen sich zu Konferenzen und Workshops, zuletzt bei der<br />

„Loving More‘‘s East Coast Conference“ Mitte September in den Catskills,<br />

100 Meilen nördlich von New York, wo 150 Polylovers drei Tage lang<br />

Erfahrungen austauschten und den liebevollen Umgang miteinander und<br />

mit „radikaler Ehrlichkeit“ übten.<br />

Wunschträume. „Dabei sind wir absolut pro Familie“, sagt Brett, „viel<br />

mehr als diejenigen, die überzeugt sind, daß man sich scheiden lassen<br />

sollte, bevor man eine neue Beziehung anfängt. Wir glauben nicht, daß<br />

man da<strong>für</strong> erst die Familie zerstören muß, ganz im Gegenteil.“<br />

Die „sozialen Kosten“ <strong>für</strong> den Erhalt der „Monogamie-Fassade“<br />

seien enorm - Gewalt in den Familien, Unmengen von Scheidungen,<br />

beschädigte Kinderseelen. „In Wirklichkeit haben die meisten Menschen<br />

mehr als einen Partner. Wir nennen die Dinge beim Namen. Wir sagen:<br />

Hört auf zu lügen, hört auf, euch etwas vorzumachen!“<br />

Wie alle Träger von missionarischen Ideen glauben auch die Polylove-<br />

Aktivisten an einen monokausalen Zusammenhang von Elend und<br />

Erlösung. Die Monogamie ist die Ursache allen Übels, ihre Abschaffung der<br />

Schlüssel zum allgemeinen Glück. „Wir repräsentieren eine revolutionärevolutionäre<br />

Kraft“, sagt Ryam, „allein durch unsere Lebensweise<br />

werden wir den Kurs der menschlichen Zivilisation dramatisch und positiv<br />

beeinflussen.“<br />

Doch bevor die ganze Menschheit auf den richtigen Weg kommt, müssen<br />

ein paar banale Probleme des polyamoren Alltags gelöst werden. „Wir<br />

Die feste Beziehung, von der Nancy spricht, das sind Ed, 57, und<br />

Eds Plädoyer <strong>für</strong> Polylove oder Polyamory, wie die neue Form der<br />

Wie alle potentiellen Massenbewegungen hat auch das „Polylove haben einen Schlafplan aufgestellt, der genau regelt, wer mit wem<br />

Marianne, 47, die ihrerseits einiges hinter sich haben. Ed war schon<br />

Vielweiberei bzw. Vielmännerei von ihren Anhängern genannt wird,<br />

Network“ klein angefangen - 1984 mit einem fotokopierten Newsletter, nächtigt. Es läuft darauf hinaus, daß ich rotiere“, sagt Poohzen, 37, eine<br />

36<br />

zweimal verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder, Marianne ist einmal<br />

den Ryam, Allen und Barry an Freunde verteilten, denen sie ihre<br />

37<br />

geschieden und Mutter zweier Töchter. Ed, Professor <strong>für</strong> Soziologie an der<br />

State University of New York in Oswego, und Marianne, die aus der Pfalz<br />

stammt und bei einer karitativen Einrichtung beschäftigt ist, wohnen<br />

zusammen im Norden des Staates New York; Nancy, die als Therapeutin<br />

<strong>für</strong> „alternative lifestyles“ arbeitet, und ihr Mann Darrell, der an einer<br />

High School unterrichtet, leben in Rochester.<br />

Die beiden Paare besuchen sich gegenseitig an Wochenenden und fahren<br />

gemeinsam in Ferien. „Wir führen eine stabile Gruppenehe“, sagt Ed,<br />

„der einzige Unterschied zwischen uns und monogamen Paaren ist der,<br />

daß wir mehr als eine intime Beziehung zur selben Zeit haben. Aber<br />

wir sind keine Swinger, wir sind nicht auf schnellen Sex aus, wir sind<br />

<strong>für</strong>einander da, jeder kümmert sich um die anderen.“<br />

Das Kleeblatt kommuniziert sexuell über Kreuz, darüber hinaus sorgen<br />

ganz normale Interessen <strong>für</strong> den nötigen inneren Zusammenhalt.<br />

„Darrell und ich verstehen uns toll“, sagt Ed, „wir sind beide Macintosh-<br />

Fans.“ Als Soziologe kennt er natürlich auch das Umfeld seines privaten<br />

Experiments. „50 Prozent aller Ehen in den USA werden geschieden, die<br />

meisten Amerikaner praktizieren serielle Monogamie, haben einen festen<br />

Partner nach dem anderen und nebenbei noch Affären. Das ist falsch<br />

und verlogen. Wir praktizieren Polylove, offen und ehrlich. Wir sind das<br />

Familienmodell des nächsten Jahrhunderts.“<br />

klingt so, als ginge es ihm darum, die „family values“ zu verteidigen, die<br />

in der US-Kultur eine so große Rolle spielen.<br />

In einer Gesellschaft, in der vorehelicher Sex noch immer verpönt ist und<br />

ein Seitensprung bei Berufssoldaten reicht, um aus der Armee entlassen<br />

zu werden, fühlen sich sogar praktizierende Polygamisten den geltenden<br />

Werten verpflichtet - Partnerschaft, Fürsorge und Verantwortung, oder<br />

wie es im Beziehungs-Amerikanisch heißt: to care, to share, to commit.<br />

Ob es Ralph Reed ist, bis vor kurzem Führer der konservativen<br />

und homophoben Christian Coalition, der spricht, oder ein Aktivist<br />

der Schwulen- und Lesbenbewegung, der die Legalisierung<br />

gleichgeschlechtlicher Beziehungen fordert, sie benutzen dieselben<br />

Begriffe, um als moralisch einwandfrei dazustehen. Doch während die<br />

Schwulenbewegung inzwischen offen auftritt und in Städten wie New<br />

York und San Francisco zu einer Kraft geworden ist, mit der jeder Politiker<br />

rechnen muß, geht Polyamory erst in Stellung.<br />

Logistisches Zentrum der Bewegung ist die Stadt Boulder im Bundesstaat<br />

Colorado. Hier erscheint LOVING MORE - NEW MODELS FOR<br />

RELATIONSHIPS. Die rund 3000 Bezieher des professionell gemachten<br />

polyamore Dreiecksbeziehung erklären wollten. Ryam, heute 43, und<br />

Barry, ebenfalls 43, waren miteinander ordentlich verheiratet und hatten<br />

Allen, 50, als Dritten in ihren Bund aufgenommen. Es war ihnen zu<br />

mühsam, alle Anfragen - „Wie macht ihr das?“ - einzeln zu beantworten.<br />

Dazugekommen sind Brett und Ruth. Ryam, die in Los Angeles Psychologie<br />

und Soziologie studiert hat, ist noch immer mit Barry verheiratet, hat aber<br />

mit Brett, der „interpersonal communication studies“ an der Universität<br />

von Oklahoma mit einem B. A. abgeschlossen hat, einen Sohn - den<br />

zweijährigen Zeke. Ryams Mann, Barry, ist mit Ruth zusammen, nur<br />

Allen, „der alles reparieren kann, was im Haus kaputtgeht“, ist derzeit<br />

allein. Am liebsten spielt er mit Zeke, während dessen Eltern, Ryam und<br />

Brett, an der nächsten Ausgabe von LOVING MORE arbeiten.<br />

Im Laufe der Jahre ist aus der alternativen Lebensform und dem Bedürfnis,<br />

sie anderen mitzuteilen, ein Full-time-Job geworden. Und eine Mission,<br />

denn nach wie vor „ist es ein totales Tabu, mit mehr als einem Partner<br />

zusammenzusein, eine größere Sünde, als Sex mit einem Partner des<br />

gleichen Geschlechts zu haben“, sagt Brett.<br />

Anders als bei den Schwulen habe sich noch kein Promi als „poly“ geoutet,<br />

gebe es keine „poly support groups“, wie sie bei den „gay and lesbian<br />

communities“ ganz selbstverständlich seien. Eine „poly pride parade“<br />

nach dem Vorbild der New Yorker „gay pride parade“ läge jenseits aller<br />

Buchhalterin, die mit ihren drei Männern Jeff, Steve und Sam in Albany<br />

lebt.<br />

Poohzen heißt eigentlich Susan, sie hat sich aus „Pooh the bear“ und<br />

„Zen-Buddism“ einen neuen Vornamen geformt, mit dem sie in der Poly-<br />

Szene inzwischen recht bekannt ist. „Ich bin seit 21 Jahren polygam, ein<br />

Mann reicht mir nicht, ich brauche die Abwechslung, wer mit mir etwas<br />

anfangen will, muß akzeptieren, daß ich von Natur aus polygam bin, das<br />

ist es, was meine Persönlichkeit ausmacht.“ Zuerst war Jeff da, dann kam<br />

Steve, und als Sam sich um sie bemühte, da mußte er sich der ganzen


Kostet es schon viel Kraft und Disziplin, eine normale Zweierbeziehung<br />

zu organisieren, steigt der Aufwand bei Poly-Familien ins Gigantische.<br />

Der Terror der Intimität und der permanente Zwang zur Kommunikation<br />

lassen weder Raum <strong>für</strong> Geheimnisse noch <strong>für</strong> Unvorhergesehenes. Jeder<br />

Schritt muß im voraus bedacht und im nachhinein bewertet werden.<br />

Worin liegen die Vorteile einer Poly-Familie, wenn es nicht die sexuelle<br />

Abwechslung sein soll?<br />

„Die Frage ist falsch gestellt“, sagt Dwight, 42, Computer-Techniker<br />

bei einem Internet-Provider, es komme nicht auf die Vorteile an,<br />

sondern darauf, „daß man erfolgreich und effektiv kommuniziert, das<br />

ist der Schlüssel“. Dwight ist seit über drei Jahren mit Stephanie, 23,<br />

zusammen, vor vier Monaten hat er beim Surfen im Internet Maria, 37,<br />

kennengelernt. Die drei sind zusammen 102 Jahre alt und 243 Kilo<br />

schwer. Meistens kommt Maria, die in Somerville bei Boston wohnt, nach<br />

Worcester, wo Dwight und Stephanie leben.<br />

Gleich beim ersten Besuch gab es einen typischen Kommunikationsfehler.<br />

„Dwight kam zu mir und sagte, daß er mit Maria schlafen wollte“, erinnert<br />

sich Stephanie, „ich hatte angenommen, er würde bei mir schlafen.“ „Es<br />

war meine Schuld“, sagt Dwight, „ich hab‘‘ die Situation verkorkst, ich<br />

hätte mit den beiden vorher reden müssen.“ Die Krise endete damit, daß<br />

Dwight die Nacht auf dem Sofa verbrachte, ganz allein.<br />

Dwight hat eine lesbische Schwester, die mit seinem Lebensstil nicht<br />

einverstanden ist. „Sie sagt, es komme mir nur auf Sex an, ich meine es<br />

nicht ernst.“ Die Unterstellungen kränken ihn. „Ich habe noch nie soviel<br />

in mich hineingehorcht, mich ständig gefragt, was tue ich und warum,<br />

wie jetzt.“<br />

Man müsse viel Geduld haben und viel Ärger in Kauf nehmen, wenn man<br />

in ei- ner Poly-Beziehung bestehen wolle. Inzwischen wissen Dwight,<br />

Stephanie und Maria, was sie einander zumuten können. Auf Reisen<br />

teilen sie sich ein Zimmer mit zwei Doppelbetten, möchten aber über<br />

Details nicht reden.<br />

„Wir sind alle älter und reifer geworden“, sagt Sascha, 57, der auf<br />

Hawaii lebt, die meiste Zeit aber in den USA unterwegs ist. „Wir legen<br />

auf die Qualität unserer Beziehungen mehr Wert und überlegen uns, mit<br />

wem wir bis zum Ende unseres Lebens zusammenbleiben wollen.“<br />

Auf Saschas Visitenkarte stehen sechs Berufe, darunter „holotropic<br />

breathworker“, „pastlife therapist“ und „tantra educator“. Eigentlich ist<br />

„ganz wenige Ehen, die so lange gehalten haben wie unsere Gruppener<br />

aber ein „Beziehungsberater“, der sich auf Poly-Gruppen spezialisiert<br />

Ehe“, schließlich sei sie mit ihren Männern schon länger zusammen<br />

hat. Er hält Workshops über die richtigen Formen der „Poly-Etikette“ und<br />

38 als ihre Schwester, zusamengerechnet, mit deren drei Männern, die sie<br />

39<br />

verbreitet, wo immer er auftaucht, gute Laune. Kein Wunder, hat er doch<br />

nacheinander geheiratet hat. „Wir sind eine sehr stabile Familie.“<br />

„13 Primaries, die sich verschworen haben, mich glücklich zu machen“.<br />

Poly-Gruppe vorstellen und alle zum Essen ausführen. „Wir sind keine<br />

Kommune“, sagt Poohzen, „wir sind eine richtige Familie, keiner kann<br />

kommen und gehen, wie es ihm paßt, wer mit uns leben will, muß uns<br />

heiraten.“<br />

Steve, Poohzens zweiter Mann, der mit ihr zu der Konferenz in<br />

den Catskills gekommen ist, während Jeff und Sam ihren Jobs<br />

nachgehen und das gemeinsame Haus in Albany hüten, hat eine<br />

Weile eine Liebesbeziehung mit Sam gehabt; während ihn mit<br />

Jeff die Liebe zur Rockmusik verbindet. Folgerichtig spricht er von<br />

„unseren Ehemännern“. Jeff, sagt Poohzen, hat derzeit ein Problem,<br />

„er braucht mehr feminine Energie, als ich ihm geben kann“ - und<br />

sucht deswegen eine zweite Frau. „Wir werden alles durchsprechen,<br />

wir werden uns durch unsere Gefühle durcharbeiten.“<br />

Das kann „ziemlich schmerzlich sein, aber am Ende sehr nützlich, denn<br />

Sex ist nur die Glasur auf dem Kuchen, der Kuchen selbst besteht aus<br />

Kommunikation“. Der Aufwand lohne sich, meint Poohzen, sie kenne nur<br />

Fünf seiner „Primaries“ leben in Hawaii, drei in Los Angeles, die übrigen<br />

in New York und an der Ostküste. Daheim in Hawaii lädt er sonntags<br />

zu „Love-ins“ ein, zu denen alle seine lokalen „Primaries“ kommen,<br />

manche in Begleitung ihrer jeweiligen „Secondaries“, die wiederum ihre<br />

„Primaries“ mitbringen.<br />

„Ganz normale Heterosexuelle, die keine Schwierigkeiten haben,<br />

Homosexuelle zu akzeptieren, freaken aus, wenn sie uns über den Weg<br />

laufen“, dabei sei Polyamory die natürlichste und gesündeste Sache der<br />

Welt. „Wenn man sich in jemanden verliebt, muß man diejenigen, die<br />

man bereits liebt, nicht aufgeben.“<br />

Früher oder später, sagt Sascha, wird sich das Modell durchsetzen,<br />

wir leben schließlich in einer Kommunikationsgesellschaft, in der die<br />

Individuen aufeinander zugehen und ihr Wissen miteinander teilen.<br />

Und allen, die trotzdem an ihren monogamen Beziehungen festhalten<br />

wollen, ruft er zu: „Wir denken, ihr seid auch okay, und wir hoffen, daß<br />

ihr glücklich seid!“<br />

* Stephen Baldwin, Lara Flynn Boyle, Josh Charles in „Einsam-Zweisam-<br />

Dreisam“, USA 1993.


legende no.2<br />

→ besitz-anspruch<br />

Besitzansprüche werden von manchen psychologischen<br />

Autoren <strong>für</strong> ein Stück der menschlichen Natur angesehen<br />

(H. Schultz-Hencke), wobei das «Haben-Wollen» in der<br />

oralen Phase, das «Behalten-Wollen» in der analen Phase<br />

erworben wurde. Doch scheint diese Vermutung nur die<br />

40<br />

Eigenheiten der Ackerbau- und Industriekulturen zu<br />

berücksichtigen, während in den meisten Primitivkulturen<br />

41<br />

das kollektive Eigentum eine wichtigere Rolle spielt und<br />

in den vor-ackerbaulichen Gesellschaften der Jäger und<br />

Sammler Besitz tatsächlich eine Bürde ist. Jeder kann nur<br />

soviel besitzen, wie er (oder seine Frau) tragen will oder<br />

kann.<br />

Fotos: Yellow Press<br />

Von großer psychologischer Bedeutung ist ferner die<br />

«besitzergreifende Liebe», ein auf den Menschen<br />

<strong>angewandte</strong>r Besitzanspruch, bei dem die Eigenentwicklung<br />

des geliebten Menschen unterdrückt wird, der letztlich dem<br />

Narzißmus des besitzergreifend Liebenden dienen muß.<br />

Durch solche Besitzansprüche kommt es in Beziehungen<br />

zwischen Erwachsenen zu Eifersuchts-Konflikten, oft auch<br />

zum Ende der Beziehung selbst. Besitzergreifende Liebe<br />

von Eltern kann je nach ihrer Intensität und der Heftigkeit,<br />

mit der Abweichungen des Kindes bestraft werden, zu<br />

schweren seelischen Einbußen an Selbständigkeit führen.<br />

Extrembeispiele finden sich in Familien mit einem an<br />

Schizophrenie leidenden Mitglied, wo zum Beispiel ein<br />

zwanzigjähriges Mädchen keinen Büstenhalter schließen<br />

und keine passenden Schuhe kaufen kann, weil immer<br />

alles die Mutter erledigt hat.


Die groSSe Lüge<br />

42 43<br />

Nicht Untreue zerstört unser Beziehungsleben,<br />

sondern falsch verstandene Treue. Das muss sich ändern.<br />

Ein Manifest von Michèle Binswanger.<br />

Fotos: Getty Images


Er wolle keine Beziehung, sagte mir der Mann, in dessen Bett uns die Lust versagen, wir können so tun, als gäbe es sie nicht. Aber<br />

und Romantik“, sagte er. Mannes. Doch dann wurde die Liebe Hotelzimmer, auf einem Boot, am Strand. Man befindet sich in einer<br />

ich nach einer feuchtfröhlichen Nacht gelandet war. Ich war es ist eine Täuschung. Als Liebende halten wir uns <strong>für</strong> die vornehmen<br />

zunehmend zum romantischen Ideal verklärt, die innereheliche besonderen Stimmung, leichtsinnig, vielleicht betrunken. Das Handy<br />

achtzehn Jahre alt, er siebenundzwanzig – und mir war das Protagonisten einer Verfilmung von Romeo und Julia. Was die<br />

Sexualität wurde aufgewertet, die außereheliche sanktioniert. liegt im Hotel, ist auf lautlos gestellt, die Batterien sind leer. Da<br />

recht. Ich sagte ihm, ich käme selber gerade aus einer Beziehung.<br />

Wolle mich einfach ein bisschen rumtreiben ohne Verpflichtungen.<br />

menschliche Sexualität angeht, wird aber Planet der Affen gespielt.<br />

Trotz ihrer romantischen Veranlagung, ist unsere Spezies reichlich<br />

Im Verlaufe des zwanzigsten Jahrhunderts verlor die Ehe ihre<br />

wirtschaftliche und soziale Bedeutung zunehmend. Sexualität so: Der<br />

ist dieser Mann oder diese Frau, die Situation ist vollkommen, wie<br />

im Paradies. Ein magischer Moment kommt zum anderen, wie unter<br />

sexbesessen. Weltweit fließen täglich Milliarden in den industriellen<br />

Mann ist genetisch dazu prädestiniert, seinen reichlich vorhandenen der Regie eines geheimen Zaubers. Und die wenigsten Menschen<br />

Wir waren uns einig und trafen uns wieder. Wir kochten zusammen,<br />

Komplex, der Sexualität verkauft. Pornografie und Prostitution,<br />

Samen möglichst weit zu streuen, während die Frau ihre wertvollen möchten die Erinnerung an solche Momente missen, weil wir damit<br />

machten ausgedehnte Touren mit dem Bike, besuchten Konzerte<br />

Partnerbörsen und Seitensprungportale, Pharmaindustrie und<br />

reproduktiven Organe sorgfältig hütet und schließlich das Männchen an die Wurzeln unserer Herkunft rühren.<br />

und lagen lange Sonntage im Bett. An einem dieser Sonntage,<br />

Paartherapeuten verdienen daran, die Symptome unserer Krankheit<br />

ranlässt, welches auch geeignet erscheint, die Kinder aufzuziehen.<br />

ich war inzwischen zwanzig, sprachen wir über unser Verhältnis.<br />

Die frühen Menschen, argumentieren Ryan und Jethá, zogen als<br />

zu lindern. Aber zur Ursache stoßen sie nicht vor. Der moderne PR-<br />

Der Mann muss Untreue unterbinden, um seine Energie nicht auf<br />

Unsere Beziehung. Ob es in diesen Jahren daneben vielleicht noch<br />

Jäger und Sammler in Gruppen herum, in denen die Geschlechter<br />

Manager, der zu seinem Pediküre-Termin einen veganen Lunch<br />

Kuckuckskinder zu verschwenden, die Frau will sicherstellen, dass der<br />

andere gegeben habe. Es hatte. Erst schilderte er mir ein paar<br />

gleichberechtigt lebten. In den prähistorischen Hippie-Kommunen<br />

bestellt, hat nämlich mehr mit seinen behaarten Urahnen gemein,<br />

Mann seine Ressourcen nicht mit anderen Frauen teilt. Wie haben<br />

Liebesabenteuer. Dann gab ich meine Handvoll zum Besten. Worauf<br />

wurde Sex ebenso geteilt wie die Beute, weil da <strong>für</strong> die nomadische<br />

als er es wahrhaben möchte. Dies ist auch der Grund, warum unsere<br />

divergierende reproduktive Veranlagungen, und die monogame Ehe<br />

er schweigsam wurde, sich schließlich anzog und mich verließ.<br />

Lebensform die beste Überlebensstrategie darstellte. Die Besiedelung<br />

kulturellen Modelle so zuverlässig scheitern.<br />

sei unser Kompromiss, heißt es.<br />

des Landes änderte dann alles: das Bevölkerungswachstum, die<br />

Nach zwei Wochen kam er zurück und bat mich, es nochmals zu<br />

Wir pathologisieren Fremdgeher<br />

Anpassung an patriarchaler Gesellschaften<br />

politischen Organisationsformen, Götter, Familienstrukturen und<br />

versuchen. Ich lehnte ab. Nicht wegen seiner anderen Geschichten,<br />

Geschlechterhierarchien. Die Konzepte von Besitz, Reichtum und<br />

44<br />

sondern weil er unsere Abmachung verraten hatte: Wir sind<br />

zusammen, weil wir uns viel bedeuten. Treue ist da<strong>für</strong> keine<br />

Bedingung.In der Schweiz befinden sich rund drei Viertel der<br />

Bevölkerung in einer Partnerschaft. Die meisten wünschen sich,<br />

dass diese Beziehung ihnen alles bietet, eine emotionale Heimat,<br />

Stabilität und sexuelle Erfüllung. Die Liebe ist, wie Paartherapeut<br />

Nach meinem Erlebnis mit dem eifersüchtigen Mann habe ich studiert,<br />

einen Beruf erlernt, zwei Kinder geboren und viele Krisen gemeistert.<br />

Noch mehr Krisen habe ich passiv miterlebt, von Freundinnen und<br />

Freunden. Und immer geht es um dasselbe. Insbesondere wenn<br />

Kinder im Spiel sind, erlahmt die Lust auf den Partner mit den Jahren.<br />

Nicht aber der Appetit auf Sex. Und wenn wir auch einige Monate,<br />

Doch diese Vorstellung hat nichts mit unserer menschlichen Natur zu<br />

tun. Dies ist jedenfalls die These, welche die Evolutionspsychologen<br />

Christopher Ryan und Cacilda Jethá in ihrem viel beachteten Buch<br />

Sex at Dawn aufstellen. Die entsprechenden Muster, so die beiden<br />

Autoren, zeugen von einer kulturellen Anpassung an die sozialen<br />

Bedingungen patriarchaler Gesellschaften.<br />

einer Erblinie wurden eingeführt. Um sicherzustellen, dass nur ihre<br />

biologischen Kinder von den Früchten ihrer harten Arbeit profitierten,<br />

mussten die Männer zusehen, dass ihre Frauen mit niemand anderem<br />

sexuelle Kontakte pflegten. Die Frauen wurden als Eigentum des<br />

Mannes in den Haushalt einverleibt, ihr Zugang zu den Ressourcen<br />

an ihre Sexualität geknüpft.<br />

45<br />

Klaus Heer sagt, monogam. Nur der Mensch ist es nicht.<br />

vielleicht sogar Jahre gut mit unseren Lügen leben können, so kann<br />

Populationsgenetische Untersuchungen des Schweizerischen Mit dem Christentum kam ein rigides moralisches Korsett dazu, das<br />

es das Leben nicht lassen, uns stets aufs Neue herauszufordern.<br />

In Umfragen geben 36 Prozent der Frauen und 44 Prozent der<br />

Nationalfonds haben ergeben, dass Monogamie eine verhältnismäßig der weiblichen Lust die Luft ganz abschnürte. Das zeigt bis heute<br />

Männer an, Sex außerhalb der festen Beziehung gehabt zu haben.<br />

Ganze 72 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer verrieten,<br />

dass sie es gern tun würden, wenn sie Gelegenheit hätten. Manche<br />

Experten sprechen davon, dass 90 Prozent der Männer im Laufe ihres<br />

Lebens fremdgehen, bei den Frauen sind es drei Viertel. Untreue ist<br />

denn auch einer der Hauptgründe, warum Ehen in den westlichen<br />

Ich habe viele Beziehungen am Problem falscher Treueerwartungen<br />

zerbrechen sehen. Und so frage ich mich heute: Ist es vielleicht gar<br />

nicht die Untreue, die Ehen kaputt macht, sondern die unrealistische<br />

Erwartung, dass Sex nur innerhalb der Ehe stattfinden soll? Warum<br />

pathologisieren wir Fremdgeher und stigmatisieren sie moralisch,<br />

wenn sie doch eigentlich der Normalfall sind? Warum halten wir es<br />

junge Erscheinung ist und erst mit der Erfindung der Landwirtschaft<br />

vor rund 20.000 Jahren aufkam. Ebenfalls bekannt ist, dass unsere<br />

Vorfahren nicht nur mit ihresgleichen verkehrten, sondern auch mit<br />

anderen Hominidenarten. (Was die Vermutung zulässt, dass schon<br />

der frühe Mensch dem Alkohol zugeneigt war.) Die regelmäßigen<br />

Romanzen zwischen Homo sapiens und Neandertaler haben sich<br />

Wirkung. Frauen fahren tatsächlich auf Männer mit Status ab und<br />

stecken lieber immense Energie in ihr Aussehen, um mit einer guten<br />

Partie ihren gesellschaftlichen Status zu verbessern. Aber das hat<br />

weniger mit einem biologischen Programm zu tun, sondern ist eine<br />

soziale Konsequenz der Tatsache, dass wir in einer Welt leben, in der<br />

die Männer über Jahrhunderte die Ressourcen kontrollierten.<br />

Industrienationen reihenweise kollabieren. 50 Prozent beträgt die <strong>für</strong> normaler, von einer monogamen Kurzzeitbeziehung zur nächsten<br />

sogar in unserem Erbgut niedergeschlagen, das bis zu vier Prozent<br />

Scheidungsrate in der Schweiz, dazu werden immer weniger Ehen zu eilen, als außereheliche sexuelle Kontakte in Kauf zu nehmen?<br />

Neandertaler-DNA enthält. Daraus muss man schließen, dass aus<br />

Immer mehr Frauen wollen Sex ohne Bindung<br />

geschlossen, und die Beziehungen sind heute kürzer und serieller.<br />

Untreue zerstört Vertrauen, zerbricht Hoffnungen, Herzen und<br />

Familien. Die entscheidende Frage ist aber nicht, warum wir eigentlich<br />

nicht treu sein können. Sondern warum unser Beziehungsideal auf<br />

einer Lüge gründet. Die Lüge, dass wir uns immer treu sein werden.<br />

Denn sexuelle Treue im umfassenden Sinn ist unmöglich. Wir können<br />

Warum halten wir dieses als serielle Monogamie bekannte Muster <strong>für</strong><br />

tauglicher, als uns vom Dogma der Monogamie zu verabschieden?<br />

Ist es vielleicht gar nicht der Partner, der uns betrügt, sondern die<br />

Liebe selbst? Zerstört uns also nicht die Untreue, sondern die Treue?<br />

Ich stellte diese Frage dem Sexualtherapeuten und Autor<br />

Ulrich Clement. „Unser Liebesmodell stammt aus Bürgertum<br />

solchen Verbindungen auch Kinder hervorgingen, welche aufgezogen<br />

und in die prähistorische Gesellschaft integriert wurden. Würde unser<br />

genetisches Programm tatsächlich so spielen, wie oben skizziert,<br />

hätten die Hominidenmischlinge wohl kaum eine Chance auf ein<br />

Überleben gehabt. Die meisten Menschen wissen, wie es sich anfühlt,<br />

die erste große Liebe zu betrügen. Es passiert in einem schäbigen<br />

Dass Frauen ihre Bettgefährten stets vorsichtiger gewählt haben als<br />

umgekehrt, weil sie das Risiko der Schwangerschaft trugen, besagt<br />

nichts über ihre Lust. Tatsache ist, dass die Erfindung der Pille und die<br />

Emanzipation das weibliche Sexualverhalten revolutioniert haben.<br />

Heute ist es <strong>für</strong> Frauen durchaus nicht mehr ausgefallen, sich auf<br />

Sex ohne Bindung einzulassen, eine größere Anzahl Sexualpartner zu


46<br />

haben, sich selber zu befriedigen oder sich auf gleichgeschlechtliche<br />

Beziehungen einzulassen. Ich kenne Single-Frauen, die mit vielen<br />

verschiedenen Männern schlafen und das auch genießen. Aber sie<br />

achten tunlichst darauf, dass niemand davon erfährt.<br />

Liebesmodell stammt aus Bürgertum und Romantik<br />

Clement. „Unser Liebesmodell stammt aus Bürgertum und<br />

Romantik“, sagte er. In vormodernen Ehen gehörte Untreue dazu,<br />

zumindest die des Mannes. Doch dann wurde die Liebe zunehmend<br />

zum romantischen Ideal verklärt, die innereheliche Sexualität<br />

wurde aufgewertet, die außereheliche sanktioniert. Im Verlaufe<br />

des zwanzigsten Jahrhunderts verlor die Ehe ihre wirtschaftliche<br />

und soziale Bedeutung zunehmend. Übrig blieb das romantische<br />

Phantasma, scharf bewacht von der Eifersucht. Ohne Eifersucht<br />

gäbe es kein Anspruch auf Exklusivität, kein Treueproblem, keine<br />

am Küchentisch durchdiskutierten Nächte, keine unversöhnlichen<br />

Trennungen. Eifersucht, so Clement, ist ein kulturübergreifender<br />

Reflex. Doch die Bewertung des Gefühls variiert kulturell beträchtlich.<br />

In patriarchalen Kulturen, welche die Ehre des Mannes an die Treue<br />

der Frau knüpfen, kann sie mörderische Konsequenzen haben.<br />

Denn die Frau gehört dem Mann, sie soll ihre Sexualität ihm allein<br />

vorbehalten.<br />

Untersuchungen des Schweizerischen Nationalfonds haben ergeben,<br />

dass Monogamie eine verhältnismäßig junge Erscheinung ist und<br />

erst mit der Erfindung der Landwirtschaft vor rund 20.000 Jahren<br />

aufkam. Ebenfalls bekannt ist, dass unsere Vorfahren nicht nur mit<br />

ihresgleichen verkehrten, sondern auch mit anderen Hominidenarten.<br />

(Was die Vermutung zulässt, dass schon Denn Schwangerschaften<br />

lassen sich verhüten, aber eine Frau riskiert heute noch immer den<br />

Ruf, wenn sie sich verhält wie ein Single-Mann und Gelegenheiten<br />

beim Schopf packt. Also ganz normal. „Was die Sexualwissenschaft<br />

an Geschlechtsunterschieden gefunden zu haben meinte“, so<br />

Clement, „hat sich praktisch auf null reduziert. Beeindruckend ist<br />

eher die Ähnlichkeit als der Unterschied.“<br />

Das erste Mal Untreue war eine Befreiung<br />

Ich hatte schon einige Erfahrung mit untreuen Freunden, bevor ich<br />

selber meine erste große Liebe betrog. Er war amerikanischer Student<br />

in der Schweiz, und nach zwei Jahren Beziehung fuhren wir erstmals<br />

getrennt in die Ferien. Er zum Theaterfestival, ich zum Klettern mit<br />

ein paar Leuten. Aber dann reisten alle ab, nur mein Kletterpartner<br />

und ich blieben zurück. Wir sicherten uns in der Wand, saßen Seite<br />

an Seite vor dem Kocher, lagen nebeneinander im Zelt. Und plötzlich<br />

lagen wir aufeinander. Nicht weil ich eine Beziehung zu diesem<br />

47<br />

Mann wollte, sondern weil es die naheliegendste Sache der Welt<br />

Darwin definierte das evolutionäre Standardmodell der menschlichen<br />

war. Als ich von den Ferien zurückkam und meinem Freund davon<br />

Sexualität so: Der Mann ist genetisch dazu prädestiniert, seinen<br />

erzählte, stand er auf und sagte: „Ich gehe. Zurück nach Amerika.“<br />

reichlich vorhandenen Samen möglichst weit zu streuen, während<br />

Ich war am Boden zerstört. Nach einigen Wochen fragte mich mein<br />

die Frau ihre wertvollen reproduktiven Organe sorgfältig hütet und<br />

Vater, was eigentlich mit mir los sei. Ich schilderte ihm tränenreich<br />

schließlich das Männchen ranlässt, welches auch geeignet erscheint,<br />

meine Verfehlungen und die schrecklichen Konsequenzen. Mein Vater<br />

die Kinder aufzuziehen. Der Mann muss Untreue unterbinden, um<br />

sagte: „Wenn er nicht einmal so etwas aushält, dann war er es nicht<br />

seine Energie nicht auf Kuckuckskinder zu verschwenden, die Frau<br />

wert.“<br />

will sicherstellen, dass der Mann seine Ressourcen nicht mit anderen<br />

Frauen teilt. Wie haben divergierende reproduktive Veranlagungen,<br />

und die monogame Ehe sei unser Kompromiss, heißt es. Doch diese<br />

Vorstellung hat nichts mit unserer menschlichen Natur zu tun.<br />

Dies ist jedenfalls die These, welche die Evolutionspsychologen<br />

Christopher Ryan und Cacilda Jethá in ihrem viel beachteten Buch<br />

Sex at Dawn aufstellen. Die entsprechenden Muster, so die beiden<br />

Autoren, zeugen von einer kulturellen Anpassung an die sozialen<br />

Bedingungen patriarchaler Gesellschaften. Populationsgenetische<br />

Unser Wunsch nach einer langjährigen, tiefen Partnerschaft entspricht<br />

letztlich der Sehnsucht danach, eine Familie, eine Heimat zu haben.<br />

Ein legitimer, ein menschlicher Wunsch. Vielleicht sollten wir einfach<br />

anerkennen, dass Sexualität auch eine Art Heimat ist und ein Recht<br />

darauf hat, gelebt zu werden. Dass wir uns in unseren individuellen<br />

Bedürfnissen finden und nicht nach <strong>für</strong> uns vorgesehenen Rollen<br />

leben müssen. Einfacher werden Beziehungen dadurch nicht. Aber<br />

wenn man davon ausgeht, dass jede Beziehung ein Kunstwerk ist.


legende no.3<br />

48 49<br />

→ E<strong>IF</strong>ERSUCHT<br />

Für das zusammengesetzte Substantiv Eifersucht (von indoeuropäisch ai = Feuer;<br />

althochdeutsch eiver = das Herbe, Bittere, Erbitterung und althochdeutsch suht<br />

= Krankheit, Seuche) existieren Belege erst seit dem 16. Jahrhundert, das davon<br />

abgeleitete Adjektiv eifersüchtig erst seit dem 17. Jahrhundert. Es beschreibt eine<br />

schmerzhafte Emotion, die man bei einer nicht oder nur in ungenügendem Maße<br />

erhaltenen Anerkennung (Aufmerksamkeit, Liebe, Respekt oder Zuneigung) seitens<br />

einer hoch geschätzten – vor allem geliebten – Bezugsperson gegenüber einer<br />

damit tatsächlich oder vermeintlich stärker begünstigten verspürt, von der man<br />

(umgangssprachlich) „ausgestochen“ wird. Eifersucht entsteht, wenn der Anspruch<br />

auf Zuneigung oder Liebe vermeintlich oder real durch den Partner dadurch in Frage<br />

gestellt wird, dass er ebendiese Zuneigung oder Liebe jemand anderem als einem<br />

selbst entgegenbringt und dadurch eine starke Verlustangst auslöst. Dies kann sehr<br />

drastische, auch gewalttätige Handlungen bewirken.


Er hat eine andere<br />

- wie schön!<br />

50 51<br />

Kann man mehrere Menschen zur gleichen<br />

Zeit lieben? Darf man das? Paartherapeut<br />

Markus Bärlocher sagt: Kein Grund zur<br />

Trennung, sondern zur Freude.<br />

Ein Gespräch über Eifersucht.<br />

Text: Violetta Simon, Grafiken: Ulrich Freyberg<br />

„Lotus Heaven“


52<br />

Markus<br />

Bärlocher,<br />

57, arbeitet<br />

als Familienund<br />

Paartherapeut in<br />

Nürnberg. Er hat sich auf ein<br />

Phänomen spezialisiert, das die<br />

Fachwelt Polyamory nennt. Gemeint<br />

sind Beziehungen, in denen ganz offiziell<br />

ein Dritter oder mehrere Partner mit im Bunde<br />

sind. Der gebürtige Schweizer hat selber verschiedene<br />

polyamore Beziehungen geführt. TB sprach mit ihm über<br />

Eifersucht und Verlustängste.<br />

TB: Hallo Herr Bärlocher, wie geht es Ihren Frauen?<br />

Bärlocher: Danke, danke. Aber gerade lebe ich eher zölibatär.<br />

TB: Was genau versteht man unter einer polyamoren Beziehung?<br />

Bärlocher: Die offene, ehrliche und langfristige Liebe zu mehreren Menschen im gegenseitigen<br />

Einvernehmen - als Alternative zum verletzenden Fremdgehen.<br />

TB: Wie bezeichnet man diese Personengruppe - als Polyamoristen?<br />

Bärlocher: Es gibt keine Bezeichnung da<strong>für</strong>. Die Lebensform nennt sich Polyamory, mit Betonung auf dem ersten o. Das Adjektiv ist<br />

polyamor. Man könnte sagen: Ich lebe in einer polyamoren Beziehung oder liebe mehrere Menschen.<br />

TB: Wann haben Sie dieses Gefühl erstmals bewusst gespürt?<br />

Bärlocher: In der dritten Klasse hatte ich zwei Freundinnen. Der einen habe ich unter der Bank die Hand gehalten, während ich der<br />

anderen in ihre tiefschwarzen Augen blickte. Vom Unterricht habe ich nichts miTBekommen.<br />

TB: Wie fanden die beiden das?<br />

Bärlocher: Wir waren uns absolut einig - die reine Form von Polyamory, wenn Sie so wollen.<br />

TB: Wo haben Sie das dann erstmals ausgelebt?<br />

Bärlocher: In der Studentenzeit. Wir waren locker drauf, es war eine freie offene Art des Miteinanderumgehens. Man hat gelebt und<br />

geliebt.<br />

TB: Haben Sie nie be<strong>für</strong>chtet, jemand anderen zu verletzen?<br />

Bärlocher: Diese Frage stellt sich <strong>für</strong> mich nicht. Ich sehe das Problem des Verletztseins immer als Frage der eigenen Wirklichkeit.<br />

TB: Das sagen Sie jetzt als Psychologe. Aber wie haben Sie es als junger Mann erlebt?<br />

Bärlocher: Damals war Eifersucht einfach nur ein dummes Gefühl. Man stürzte sich auf den anderen und drohte: Wenn du meine<br />

Freundin nicht in Frieden lässt, gibt es ein blaues Auge.<br />

TB: Und heute, alles überwunden?<br />

Bärlocher: Selbstverständlich bin ich eifersüchtig. Auch heute noch.<br />

TB: Trotz polyamorer Lebensweise!<br />

Bärlocher: Ich kann es nicht verhindern. Überwinden kann ich es schon.<br />

TB: Wie haben Sie das geschafft?<br />

Bärlocher: Indem ich Verständnis <strong>für</strong> die Phänomene der Eifersucht erlangt habe. Eifersucht ist ja kein Gefühl, sonder ein Konglomerat<br />

von vielen Gefühlen, vor allem: Verlustangst und Neid. Beide kann man sich genauer ansehen.<br />

TB: Wäre es nicht einfacher, sich mit einem Partner zu begnügen?<br />

Bärlocher: Man kann diese Gefühle natürlich aussperren und sich versprechen, treu zu sein „bis dass der Tod uns scheidet“. Das tun viele<br />

ja auch. Und glauben ernsthaft daran.<br />

TB: Befremdet Sie das?<br />

Bärlocher: Ja, selbstverständlich. Auch wenn ich Paare kennengelernt habe, denen das gelingt.<br />

TB: Aber Sie müssen zugeben, dass es emotional und psychologisch weniger aufwändig ist, treu zu sein, als sich täglich aufs Neue mit<br />

Eifersucht herumzuschlagen.<br />

Bärlocher: Das sehe ich anders. Treue bedeutet ja nicht nur das Erhalten der Gefühle. Auch die Gefühle zu Dritten muss ich unterdrücken.<br />

Und ich verlange, dass der andere seine Gefühle zu Dritten ebenfalls unterdrückt. Sonst kippt das ganze System.<br />

TB: Ist Eifersucht also ein typisches Problem monogamer Beziehungen?<br />

Bärlocher: Nein, sie ist in jeder Beziehung eine Herausforderung. Man geht nur verschieden damit um. In einer monogamen<br />

Beziehung löst man das durch die sexuelle Ausschließlichkeit und nennt das Treue.<br />

TB: Ist Eifersucht automatisch schlecht?<br />

Bärlocher: Für mich haben Gefühle an sich nie einen negativen Beigeschmack. Sie sind ein Ausdruck von<br />

Lebensenergie.<br />

TB: Dann muss Eifersucht auch nicht bekämpft werden?<br />

Bärlocher: Ich will nichts bekämpfen, schon gar nicht als Therapeut. Ich will sehen:<br />

Was machen wir daraus?<br />

TB: Aber überwinden muss man sie ...<br />

Bärlocher: Ich weiß nicht, ich kann gut damit leben. Sie hilft<br />

mir, genauer hinzusehen, mich besser kennenzulernen.<br />

Sie hilft mir, meinen Partner kennenzulernen<br />

und die Beziehung zu vertiefen. Eifersucht<br />

ist auch eine Folge der Illusion, Liebe<br />

wäre etwas Garantiertes. Diese<br />

Illusion verdeckt aber<br />

nur unsere tieferen<br />

Ängste.<br />

„Energy Rose“


Wie Eifersucht entsteht und wie man sie überwindet, lesen Sie auf der nächsten Seite ...<br />

Er hat eine andere - wie schön!<br />

TB: Wie entsteht Eifersucht?<br />

Bärlocher: In erster Linie basiert dieses Gefühl auf Trennungs- und Verlustangst, Angst vor dem Alleinsein,<br />

Verlust der Geborgenheit, ökonomischer oder emotionaler Sicherheit, Angst vor Ohnmacht, aber auch Angst<br />

vor Autonomie oder Verlust der Autonomie. Und schließlich hat Eifersucht etwas mit Angst vor der<br />

Endlichkeit zu tun. Wir alle werden älter und sterben. Davor haben die meisten Menschen eine tiefe,<br />

unterschwellige Furcht. Eifersucht hat mit Todesangst zu tun.<br />

TB: Wie kann ich dagegen vorgehen?<br />

Bärlocher: Erst einmal aufdröseln: Welche Ängste stecken dahinter? Was be<strong>für</strong>chte<br />

ich konkret? Dann sprechen Sie mit Ihrem Partner darüber: Seine Gefühle,<br />

meine Gefühle, wie gehen wir damit um? Wenn er sie liebt, wird er darauf<br />

eingehen. Er wird ernst nehmen, was Sie fühlen und sich wünschen.<br />

TB: Und wenn mir das nicht reicht? Wenn die Eifersucht nicht<br />

verschwindet? Wenn sie krankhaft ist?<br />

Bärlocher: Dann hilft nur eine Therapie. Es kommt<br />

übrigens auch vor, dass der andere die Eifersucht<br />

des Partners bewusst instrumentalisiert, um ihn<br />

zu unterdrücken.<br />

TB: Jetzt machen Sie sich aber über mich lustig!<br />

Bärlocher: Aber nein. Ich denke nur, wenn jemand sagt: Ich will es nicht wissen, steckt Angst dahinter. Verlustangst, Neid<br />

oder Angst, teilen zu müssen.<br />

TB: Wie entsteht diese Angst?<br />

Bärlocher: Die meisten haben sich als Kind geschworen: Wenn ich groß bin, will ich nie mehr teilen<br />

müssen.<br />

TB: Was müssen Kinder denn teilen?<br />

Bärlocher: Eine Tochter den Vater, der immer mit der<br />

Mutter zusammen ist. Oder der Erstgeborene, der ein<br />

Geschwisterchen bekommt, und sich fragt: Warum noch ein Kind, die haben doch<br />

mich! Das sind grundlegende Fragen, auf die kein Kind wirklich erschöpfend<br />

Antworten findet.<br />

TB: Und wie geht es weiter?<br />

Bärlocher: Später sind wir alle auf der Suche nach dem<br />

Prinzen, der den Vater ersetzt und mit dem wir das leben<br />

können. Kaum kommt ein Dritter ins Spiel, bricht das<br />

alles wieder auf: Die existenziellen Verlustängste<br />

kommen wieder hoch.<br />

TB: Sind Kinder, die in einer polyamoren<br />

TB: Glauben Sie, dass Eifersucht<br />

Beziehung aufwachsen, später vor<br />

54 in der Natur des Menschen liegt -<br />

Eifersucht gefeit?<br />

55<br />

ähnlich wie Neid oder Angst?<br />

Bärlocher: Davon würde ich nicht<br />

ausgehen. Dieses Grundmuster Vater/<br />

Mutter/Kind ist in unserer Kultur einfach zu fest<br />

verankert.<br />

Bärlocher: Nicht unbedingt. Es gibt<br />

Menschen, die kennen keine Eifersucht. Es<br />

gibt andere, die erleben das erst spät in ihrem<br />

Leben zum ersten Mal. Ich kann mir das auch nicht<br />

erklären. In diesem Moment komme ich mir vor, als<br />

hätte ich einen genetischen Defekt.<br />

TB: ... mit dem Sie offenbar ganz gut zurechtkommen ...<br />

Bärlocher: Kennen Sie den Begriff der Mitfreude?<br />

TB: Sagt mir was. Ich kann mich aber nur bis zu einer gewissen Grenze mitfreuen.<br />

Bärlocher: Dennoch wäre es theoretisch möglich, dass ein Partner einem anderen innig<br />

nahe ist und Sie sich darüber freuen?<br />

TB: Da halte ich es lieber mit der - in monogamen Beziehungen verbreiteten - Theorie: Was ich<br />

nicht weiß, macht mich nicht heiß.<br />

Bärlocher: Wenn Sie meinen ...<br />

TB: Sie halten das <strong>für</strong> Selbstbetrug?<br />

Bärlocher: Ja, aber das macht ja nichts - wenn Sie und Ihr Partner damit gut fahren, ist es doch in Ordnung.<br />

TB: Wie lerne ich, statt Eifersucht Mitfreude zu empfinden<br />

- muss ich dazu in Therapie?<br />

Bärlocher: Nein. Man kann sich erst einmal fragen: Wieso mache ich<br />

einen Unterschied zwischen Freunden und Liebespartner? Hier tritt das<br />

Kuchenmodell in Erscheinung: Wenn ich einen Bruder habe, verliere ich die<br />

Hälfte der Liebe meiner Mutter. Liebe ist aber unerschöpflich.<br />

TB: Das weiß ich auch - im Kopf. Dennoch würde ich lügen, wenn ich sage: Ich freu<br />

mich ja so <strong>für</strong> dich, dass du mit Helga eine Woche auf die Malediven fliegst.<br />

Bärlocher: Also lügen und heucheln darf man in dieser Hinsicht keinesfalls. Da ist eine wichtige<br />

Regel: Immer ehrlich und offen sein - auch in Bezug auf Dinge, die mich verletzen. Sonst vergebe ich<br />

mir und der Beziehung eine Entwicklungschance.<br />

TB: Was verstehen Sie in einer polyamoren Beziehung unter Treue?<br />

Bärlocher: Treue ist Beständigkeit, Dauer, Langfristigkeit, Ehrlichkeit, Offenheit. Mit anderen Worten: Den anderen<br />

verlässlich und verbindlich Liebe schenken. Treue bedeutet aber auch, sich selbst, seinen Gefühlen und Wünschen treu zu<br />

sein und diese mit seinem Partner zu teilen. Treue bedeutet Absprachen einzuhalten. In Poly-Beziehungen werden Dritte nicht<br />

„Window of Joy“


ängstlich oder entrüstet ausgegrenzt, sondern freundschaftlich und liebevoll einbezogen.<br />

TB: Was erwarten Sie von ihrer Partnerin?<br />

Bärlocher: Ich erwarte Ehrlichkeit. Ich erwarte nicht, dass sie ausschließlich mit mir<br />

eine Liebesbeziehung hat. Sondern dass sie treu im Sinne von verlässlich und<br />

verbindlich in der Liebe zu mir ist. Wenn eine neue Liebe dazukommt, verliert<br />

das Alte nicht plötzlich an Wert, sondern darf dauerhaft sein. Dazu gehört,<br />

dass ich mich bewusst <strong>für</strong> die Liebe öffne.<br />

TB: Hatten Sie schon eine Beziehung, in der Sie einer von beiden<br />

Männern waren?<br />

Bärlocher: Selbstverständlich ...<br />

TB: Wie war es <strong>für</strong> Sie, als der andere ins Spiel kam?<br />

Bärlocher: Im ersten Moment ist es immer ein doppeltes<br />

Gefühl - Mitfreude einerseits, unangenehme Gefühle<br />

andererseits. Ich dachte mir: Jetzt muss ich mich mit Neid,<br />

Konkurrenz auseinandersetzen, muss mich beweisen, fühle<br />

Angst, sie zu verlieren.<br />

TB: Und wenn man sich dann geeinigt hat - macht man alles<br />

zu dritt?<br />

Bärlocher: Nein, natürlich nicht! Aber manche Polys leben<br />

auch miteinander. Und wenn sich so etwas wie „Dreieinigkeit“<br />

einstellt, ist es wunderschön.<br />

TB: Wo liegt <strong>für</strong> mich der Vorteil, wenn ich mir einen Menschen mit<br />

einem anderen teilen muss?<br />

Bärlocher: Sie denken schon wieder im Kuchenmodell. Es entsteht ein<br />

qualitativer Gewinn, nicht ein quantitativer. Wenn ich jemanden liebe,<br />

freue ich mich, dass es ihm gutgeht. Menschen, die da<strong>für</strong> offen sind, erkennen:<br />

Eigentlich ist es Quatsch, nicht zu teilen. Wir gewinnen mehr Liebe - alle drei!<br />

TB: Kann so eine Beziehung denn halten?<br />

Bärlocher: Ich kenne Beziehungen, die halten 20, 30 Jahre. Neulich hatte ich einen Mann, der lebt<br />

mit der Mutter seiner Kinder und einer gemeinsamen Freundin. Die eine Frau hat einen zweiten Mann, die<br />

andere hat immer mal wieder einen Geliebten.<br />

TB: Wie reagiert eine Frau darauf, wenn Sie ihr erklären, dass sie nicht die Einzige ist?<br />

Bärlocher: Verschieden. Das geht von „Du Schweinehund!“ über „Und was sagt deine Frau dazu?“ bis zu „Endlich mal jemand, der<br />

auch so fühlt.“<br />

TB: Auch wenn Sie jetzt wieder mit dem Kuchen kommen: Mein Tag hat nur 24 Stunden. In einer Poly-Beziehung sehe ich meine Partner<br />

doch seltener. Oder soll ich mich zerreißen?<br />

Bärlocher: Ich kenne Polys, die ihre Arbeit deswegen reduziert haben.<br />

TB: Wie bitte?<br />

Bärlocher: Einige sagen, mir ist Beziehung im Leben wichtiger als Reichtum.<br />

TB: Klingt beunruhigend ...<br />

Bärlocher: Das sehe ich nicht so. Manche Menschen ertrinken in Arbeit, andere haben keine. Jeder sollte überlegen: Was ist mir wichtig<br />

im Leben.<br />

TB: Also Teilzeit arbeiten, um seine Partner zu sehen?<br />

Bärlocher: Ich kenne gestandene Führungskräfte, die erkennen plötzlich: Sie wissen nichts von ihren Kindern, weil sie nie Zeit <strong>für</strong> sie<br />

hatten. Das ist auch nichts anderes.<br />

TB: Wären Sie theoretisch bereit, sich einem monogamen Partner zuliebe anzupassen?<br />

Bärlocher: Das habe ich schon mehrmals gemacht. In vielen Phasen einer Beziehung ist gegenseitige Anpassung notwendig.<br />

TB: Aber grundsätzlich wünschen Sie sich was anderes?<br />

Bärlocher: Grundsätzlich wünsche ich mir, dass alle Menschen frei sind in ihren Gefühlen. Meine Liebsten genauso wie ich selber.<br />

TB: Ist es nicht so - je mehr ich jemanden liebe, desto eifersüchtiger bin ich?<br />

Bärlocher: Das ist Quatsch.<br />

TB: Ist Polyamory die Beziehungsform der Zukunft?<br />

Bärlocher: Die Bekanntheit nimmt derzeit zwar zu, auch eine andere Wahrnehmung ist zu erkennen, <strong>für</strong> ein Umdenken<br />

reicht es aber nicht.<br />

TB: Ihre persönliche Definition von Eifersucht ...<br />

Bärlocher: Eifersucht ist eine Chance, <strong>für</strong> die eigene Entwicklung und <strong>für</strong> die<br />

gemeinsame Entwicklung. Viele Menschen haben Angst vor Eifersucht<br />

und versuchen, sie zu unterdrücken. Dabei ist sie gar nicht das<br />

Hauptproblem. Es geht um die Chancen, die Energie, die entsteht,<br />

wenn man sich befreit von inneren Zwängen. Das ist was<br />

Schönes - egal, ob in einer Zweier- oder Achterbeziehung.<br />

Das können wir alle lernen.<br />

TB: Darf ich Ihnen zum Schluss noch eine Strophe<br />

aus Rilkes „Engelliedern“ vorlesen?<br />

Bärlocher: Aber bitte!<br />

TB: Seit mich mein Engel nicht mehr<br />

bewacht, kann er frei seine Flügel entfalten<br />

und die Stille der Sterne durchspalten, -<br />

denn er muss meine einsame Nacht nicht<br />

mehr die ängstlichen Hände halten - seit<br />

mein Engel mich nicht mehr bewacht.<br />

Bärlocher: Klingt hübsch, können Sie<br />

mir das mal schicken?<br />

TB: Gern! Herr Bärlocher, ich bedanke<br />

mich <strong>für</strong> das Gespräch.<br />

„Wheel of Live“


lyrics<br />

Liebe<br />

zu<br />

ich liebe es,<br />

liebe zu machen<br />

am liebsten zu dritt<br />

das ist total out<br />

das ist hippieshit<br />

aber ich sag es laut<br />

ich liebe liebe zu dritt<br />

dritt<br />

das ist hippieshit<br />

aber ich sag es laut<br />

ich liebe liebe zu dritt<br />

58 59<br />

ich liebe es,<br />

von 4 händen gestreichelt<br />

zu werden<br />

ist der eine müde, der zweite<br />

ist fit<br />

uuuh! bei der liebe zu dritt<br />

uuuuuh<br />

ich liebe liebe zu dritt<br />

ich liebe es,<br />

liebe zu machen<br />

am liebsten zu dritt<br />

das ist total out<br />

es ist sexy, ekstatisch<br />

tierisch, animalisch<br />

crazy, romantisch<br />

es ist kommunistisch<br />

uuuuuh<br />

ich liebe liebe zu dritt<br />

uuuuuh<br />

es lebe die liebe zu dritt!<br />

Lyrics:<br />

Zwei-Raum-Wohnung<br />

(F.Cactus/v.Finsterwalde)


Meine wg ist<br />

meine Familie.<br />

60 61<br />

Ein Kommentar von Heike Dombrowski, die seit einigen Jahren in<br />

einer festen offenen Beziehung lebt und sich da<strong>für</strong> einsetzt, dass diese<br />

Form der Lebensgemeinschaft auch vor dem Gesetz anerkannt wird.<br />

Fotos: Theresa Bergens


Sex- und Liebesbeziehungen sind heute so vielfältig wie nie. Der Staat muss seine Gesetze an diese<br />

Vielfalt der Lebensstile anpassen und Mehrelternschaften ermöglichen.<br />

Während ich diesen Text schreibe, ist mein Freund bei einer anderen Frau. Das ist nicht unüblich: Studien<br />

erzählen davon, dass eine große Zahl von Verpartnerten schon mal Spaß in fremden Betten hatte.<br />

Fremdgehen ist prickelnd. Für den allein zu Hause sitzenden Dritten ist es hingegen nicht so prickelnd,<br />

wenn ein Treueversprechen gebrochen wird. Doch monogame, nicht offene Zweierbeziehungen geraten<br />

oft in eine Krise und werden oft beendet, wenn ein Partner Lust auf eine andere Person hat - oder,<br />

nachdem es schon passiert ist. Wer sich in einer offenen Beziehung befindet, hat es da meist leichter.<br />

Mit mehreren Menschen gleichzeitig in einer institutionalisierten Liebesbeziehung zu sein, bezeichnet<br />

man als Polyamorie. Viele entscheiden sich <strong>für</strong> diese Beziehungsform, weil sie einen geliebten Partner<br />

nicht aufgeben wollten, nur weil er mit einer anderen Person geschlafen hat. Andere tun es aus politischen<br />

Gründen: Sie sind besonders liberal oder besonders kritisch gegenüber Besitzverhältnissen und<br />

wollen diese auch in Beziehungen abschaffen. Unabhängig von ihrer Motivation verdienen Polyamore<br />

Toleranz und Anerkennung. Die Gleichsetzung von Mehrfachbeziehungen mit Promiskuität ist unzutreffend<br />

- und manchmal auch diskriminierend.<br />

Liebesbeziehungen oder gar Sex mit politischer Bedeutung aufzuladen ist allerdings ein Irrweg. Nicht<br />

62 alles Private ist politisch! Bei der Liebe ist der Bauch, das Irrationale wichtig - in der Politik sind es<br />

63<br />

Argumente und Fakten. Herrschaftsverhältnisse über das Bett zu ändern, kann nicht funktionieren und<br />

macht auch keinen Spaß. Insofern sollte Polyamorie weniger ein politisches Projekt denn vielmehr eine<br />

Lebensform sein, die gleichberechtigt neben der monogamen Zweierbeziehung und vielen anderen Lebensformen<br />

betrachtet werden muss.<br />

Beziehungen sind heute weitaus vielfältiger als das, was gesetzlich als Normalfall festgelegt ist. Es gibt<br />

Alleinerziehende, Geschiedene mit neuen Partnern, Gemeinschaften, Polyamore, Nichtverheiratete - und<br />

das alles in homo-, bi- und heterosexuell. In Berlin wachsen mehr als die Hälfte aller Kinder nicht in<br />

einer klassischen Kleinfamilie auf. Sie können von einigen familienpolitischen Vergünstigungen nicht<br />

profitieren - und das ist ungerecht.<br />

Damit Gerechtigkeit in der Lebensformenpolitik wieder hergestellt wird, müssen einige Gesetze geändert<br />

werden. Der Staat muss dem Grundsatz der Familienneutralität gerecht werden. Das meist frauendiskriminierende<br />

Ehegattensplitting muss abgeschafft werden. Endlich müssen auch Homosexuelle ein vollwertiges<br />

Adoptionsrecht erhalten. Und es muss über die Einführung eines Familienvertrags nachgedacht<br />

werden.<br />

Die Idee beim Familienvertrag: Menschen, die <strong>für</strong>einander Verantwortung übernehmen wollen, unterzeichnen<br />

einen Vertrag mit Rechten und Pflichten. Dieser soll bei einer staatlichen Stelle, zum Beispiel


eim Jugendamt, geschlossen werden. Mit dem Familienvertrag würden Mehrelternschaften möglich.<br />

Das betrifft nicht nur Groß-WGs, die gemeinsam Kinder aufziehen wollen oder Polybeziehungsnetze<br />

- auch Neuverpartnerte, Alleinerziehende und Homosexuelle würden von der Einführung eines Familienvertrags<br />

profitieren.<br />

Noch aber ist die Idee des Familienvertrags wolkig. Bevor man die bewährte Ehe über Bord wirft,<br />

müssen die juristischen und sozialen Folgen dieser Idee überprüft werden. Es könnte ja sein, dass<br />

Kinder in Mehrfachbeziehungen zum Spielball von Streitigkeiten der Eltern werden - auch wenn die<br />

Forschung nahe legt, dass es gut <strong>für</strong> die Entwicklung von Kindern ist, wenn sie mehrere Bezugspersonen<br />

haben. Drei sind mehr als zwei, und vier mehr als drei - unterschiedliche Bezugspersonen, mit denen<br />

die Kinder sprechen können und die den Kindern etwas beibringen können. Mit dem Artikel sechs des<br />

Grundgesetzes, der Ehe und Familie besonders schützt, wäre eine Abschaffung des Ehegattensplittings<br />

und vermutlich auch der Familienvertrag durchaus vereinbar.<br />

in Familienvertrag ist zeitgemäß in einer Gesellschaft, die vielfältiger wird, mobiler und flexibler. Manche<br />

postulieren den Wandel von der Kleinfamilie zum Freundesschwarm. Der Freundesschwarm lässt sich mit<br />

Internetdiensten, die zeigen, wer sich gerade an welchem Ort befindet, organisieren. Der Wandel vom<br />

Bipolaren zum Vernetzten passt in die Zeit.<br />

Weltweite Kommunikation macht heute neue Beziehungsformen möglich. In einer globalisierten Arbeitswelt<br />

64<br />

gibt es immer mehr Fernbeziehungen. Manchmal sind die Partner wochen- oder monatelang von-<br />

65<br />

einander getrennt. Über Chat oder Internettelefon ist es trotzdem problemlos möglich, eine intensivere<br />

Beziehung zu führen als das durchschnittliche deutsche Ehepaar, das gerade mal acht Minuten am Tag<br />

miteinander kommuniziert.<br />

Das Netz bietet auch mannigfaltige Möglichkeiten <strong>für</strong> diejenigen, die ihren Trieb anderswo ausleben<br />

wollen als in einer festen Liebesbeziehung - in letzter Zeit wird dies gern unter dem Modebegriff Casual<br />

Sex subsumiert. Unterschiedlichste Datingbörsen bieten <strong>für</strong> jeden Geschmack etwas. Mittlerweile ist es<br />

auch <strong>für</strong> Frauen keine Peinlichkeit mehr, sich in einer solchen herumzutreiben. Dabei zeigt sich, dass sich<br />

im Netz die Partnerwahlmuster aus der Offlinewelt reproduzieren: Gleich und Gleich gesellt sich gern,<br />

Frauen schlafen fast immer nach oben - meist klicken Akademikerinnen etwa Männer ohne Studium<br />

unerbittlich weg.<br />

Sicherlich wird es irgendwann auch möglich sein, körperlichen Sex über das Netz zu machen. Doch darum<br />

geht es nicht. Es geht um Liebe und Beziehungen - und warum die nur auf einen Partner beschränkt<br />

sein und nicht weitergedacht werden sollen, ist rational wenig erklärlich.<br />

Meine WG ist meine Familie, ich liebe mehr Menschen als nur meinen Freund. Und der hat sich inzwischen<br />

auch wieder gemeldet.


legende no.4<br />

→ Commitment<br />

Der englische Begriff Commitment ist schwer vollwertig zu übersetzen,<br />

er bedeutet so viel wie „Engagement“, „Festlegung“ oder<br />

„Hingabe“ im Sinne von innengeleitete Verbindlichkeit, ein Wert,<br />

der etwa die Stelle der traditionellen Treue einnimmt. Polyamory<br />

umfasst den Gedanken, eine bestehende Beziehung nicht zugunsten<br />

einer neu entstehenden zusätzlichen Beziehung aufzugeben<br />

oder ihr die Ressourcen, die sie zum Bestehen braucht (Zeit, Aufmerksamkeit,<br />

Hingabe), zu entziehen.<br />

Auch wenn das nicht <strong>für</strong> alle Beziehungen gewährleistet werden<br />

kann (zum Beispiel werden erweiterte Freundschaften oft zurückstecken<br />

müssen, wenn eine Person mit ihrem Partner an einen<br />

weit entfernten Ort umzieht) und nicht alle Menschen, die Polyamory<br />

66 praktizieren, auch eine hohe Verbindlichkeit anstreben,<br />

kann eine solche <strong>für</strong> eine Partnerschaft (Primary Relationship),<br />

67<br />

die eine gewisse Tiefe und Vertrautheit erreichen soll, sehr wichtig<br />

sein. Die Aussage, dass eine Partnerschaft verbindlich ist, bedeutet<br />

den Willen, sie nicht zugunsten einer anderen Beziehung<br />

aufzugeben und sich loyal in Bezug auf die Partnerschaft zu verhalten.<br />

Commitment wird oft eher als Willenserklärung statt als<br />

bindende Verpflichtung gesehen, da letztlich ohnehin die freie<br />

Entscheidung der beteiligten Personen den Ausschlag geben wird.<br />

Commitment im Sinne der Polyamory kann wohl, muss jedoch<br />

nicht bedeuten, dass eine Beziehung auf unbestimmte Zeit eingegangen<br />

wird. Beziehungen können auch auf Zeit bestehen und ihr<br />

Ende bedeutet nach Ansicht vieler Vertreter der Polyamory nicht<br />

notwendigerweise, dass die Beziehung gescheitert ist.<br />

Wesentlich ist, dass Commitment nie von einem der Partner stillschweigend<br />

angenommen werden darf, sondern Ergebnis eines<br />

gegenseitigen Abstimmungs- und Klärungsprozesses sein muss,<br />

bei dem alle offenen Fragen und Konflikte, welche die Beziehung<br />

gefährden könnten, geklärt werden. (Quelle: Wikipedia)


68 69<br />

A cra z y lit tle<br />

thing called...<br />

Über das Gegenteil von Eifersucht: Die Compersion oder auch Mitfreude<br />

Text von Eric Francis, Bilder von Lenka Duranova<br />

„Eine große Blume in einer kleinen Stadt“


For Valentine‘s Day, I have a word for you: „Compersion.“ It‘s probably not a word you‘ve ever heard.<br />

Compersion begins the first time we are turned on by someone else‘s pleasure, or the idea of someone<br />

else‘s love for anyone besides us. You may think this is totally out-to-lunch. But for some people it‘s<br />

totally natural. There are those who are not the „jealous type,“ and then there are those who just love<br />

love, no matter who‘s it is. We all know it‘s possible. We may have an idea of how good it would feel<br />

to dissolve into the safety, freedom and unconditional acceptance of our lovers and all that they are,<br />

including the other people that they may love, and how great it would feel to let them experience all that<br />

we are, including the other people we may love. This way of being is called compersion.<br />

We‘ve all found ourselves in a corresponding reality at one time or another: trapped by love. Loving<br />

someone, feeling open and real with them and sensing it could last forever, and then, mysteriously,<br />

another soul enters the scene of our lives, conversations develop, minds meet, sexual interests may<br />

grow...we know that there‘s not really a conflict, or that there should not be one...but there is, or seems<br />

to be...and we are left with a huge question of what to do, because our present partner will probably just<br />

freak out if we tell them about our experience. And the contradiction is that the experience of this new<br />

person is so good. It is so real. And yet it threatens to destabilize what we call love.<br />

Usually, the fear of loss of control<br />

70<br />

When informed that love is growing with someone outside of a primary relationship, most people are,<br />

71<br />

at first, unlikely to respond with compersion. They may not quite be washed over with joy and tell you<br />

that your love for this other person is thoroughly beautiful. Usually, at first, people respond with fear<br />

-- usually, the fear of loss of control. And it‘s that control that we are called upon to give up when we<br />

embrace compersion.<br />

If what I hear is true, then a lot of people reading this are already getting nervous. The idea of allowing<br />

our partner to be free may seem like a wild concept, the last thing we would ever do. Visions of this person,<br />

our very lover, in another person‘s arms, can burn through us like hot coals. But more to the point,<br />

the whole idea of really feeling our feelings without denial or resistance is a daring thing in itself. For so<br />

much of what we call love is really about resistance, and hiding who we are, and possessing the other<br />

and hence ignoring their reality, and judging ourselves for being imperfect because we are so controlling.<br />

Hardly what you could call the divine light of freedom. But many people feel that freedom is dangerous.<br />

Now, relationships are complicated enough without adding other people to the equation. Yet these other<br />

people seem to somehow add themselves. We notice them in this insanely isolated, fragmented world<br />

we live in, especially so because the way we create our relationships is extremely isolating, in a time in<br />

history in which we so desperately need community. So when people we really like show up in our jobs<br />

„Bonds“


and in our email boxes and move into apartments next door, when we pick up on their scent and want<br />

to include them in our lives, it‘s not something we typically want to resist or hide from the world. It‘s<br />

something to celebrate.<br />

Having noticed reality, we may feel a need to keep going, to keep exploring. We need to allow ourselves<br />

to be free. And this will take work. We need to teach people to love us for who we are. We need to learn<br />

compersion for others -- to feel and express the love that loves them for who they are. This is not as<br />

hard as it sounds. And taking the journey is all the more appealing if we realize that all the fear and<br />

insecurity that emerged when a second love interest entered the picture were already there all along, a<br />

kind of festering toxin we were living with in a secret shadow world that always seemed to haunt the<br />

relationship. When the light is brought in, and the toxins are purged, and we are seen for who we are,<br />

we can really begin living.<br />

So one thing you can count on, if you are in a situation where you need to teach another person compersion,<br />

is that they may relate to the fact that it‘s better to be alive than dead. And the only way they can<br />

love you is when they are alive. That means really free. Really understanding and aware and loving you,<br />

not an image they have of you. And you need to learn to love them, not an image you have of them. It<br />

is tricky. It is challenging. But it is possible.<br />

72 It is tricky. It is challenging. But it is possible.<br />

73<br />

Compersion is an idea that emerged from something called the „polyamorous“ culture, a segment of<br />

society in which people openly choose to have more than one committed lover. In such arrangements,<br />

it obviously becomes necessary to work through jealousy, but in the early days of the polyamorous movement,<br />

something else was discovered: once jealousy was understood and hearts opened, great feelings<br />

of warmth, pleasure and appreciation became available at the idea of peoples‘ partners loving others. In<br />

other words, the bliss of love and sexual ecstasy would expand in a wave-like ripple. When people drop<br />

their guard and just feel, so much pleasure is possible -- more than we ever imagined.<br />

Sure, other stuff comes up, but it was already there, and it‘s as though love is washing it out of us so<br />

that we can really be free. And that other stuff -- resentment, anger, fear of abandonment, and the rest<br />

-- all needs to come up in order to give the relationship a chance to have life. Swept under the rug, these<br />

things are far more damaging.<br />

Growing through them is a process. It‘s relatively easy go get turned on witnessing another human<br />

being‘s ecstasy or erotic joy. It‘s a lot more challenging to live with the implications this experience seems<br />

to have in our relationships, and is part of the delicate walk of negotiating our sense of security in the<br />

universe. We don‘t want to lose this other person who is so dear to us, whether we lose them to another<br />

„Gemeinsam“


person, or because they can‘t deal with their fear of losing us.<br />

Love, as we often define it, is usually considered to be an exclusive rather than inclusive game. Someone<br />

loves you and therefore doesn‘t love anyone else. But when you add it up, this usually comes out to a<br />

loss, because in our short visits to the planet, in a healthy state of mind, we might want to love everyone<br />

who is righteous and true, and to return the love of everyone who touches our hearts, and call that safety<br />

and nothing else. For living in the constant fear of loss and betrayal is hardly safety; it is hardly the<br />

security we say we seek; it is a setup for total paranoia, but strangely, sadly, it‘s called love.<br />

And as for sex -- it‘s no big secret that we‘re turned on by many people. But it‘s only been the „moral<br />

high ground“ of certain, let‘s say, social movements, that has instigated the idea anything but strict<br />

heterosexual monogamy and sex for reproduction only is permissible. In this world, do we need to live<br />

by these ancient codes? Well, not if we are honest.<br />

So we must, on one level, be ready to let go of those relationships in which we cannot be free, if what<br />

we seek is the freedom to be who we are. This does not hold just for sex and affection; it holds for those<br />

walks in the woods and those paintings that never get painted and the short stories that never get<br />

written. It has to do with not living where we want and not following all our other dreams. It is all part of<br />

the same thing, and it never ceases to amaze me to what extent sexual freedom parallels all these other<br />

freedoms. And freedom means that change is possible; freedom by definition implies change.<br />

In the context of a close relationship where these matters arise, it‘s important to stay focused on selflove.<br />

Selflove is the basis of all love anyway. If the process of your relationship is moving toward compersion,<br />

what you may notice is that sex with your primary partner was never hotter. Aware of the potential for<br />

change, we tend to appreciate what we have ever more. So enjoy these enhanced experiences, and<br />

don‘t expect them to end as long as you‘re really being honest, because honesty leads to intimacy and<br />

intimacy is a good doorway to erotic passion.<br />

It is true that if one‘s lover has sex with another person, or even gets close to another person, they may<br />

But selflove is an extraordinarily powerful tool in this process. I suggest you masturbate together, one at<br />

choose to be with that person and not you. And this is a possibility we have to face no matter what.<br />

a time, without touching. This will assist greatly when both partners are willing to work through a jealous<br />

Living the way of compersion brings this to the surface where we can see it and work with it.<br />

crisis because it creates a very clear picture that the other is sexually independent of us. And it is a fairly<br />

Yet remember that more often, jealousy has nothing to do with one‘s partner actually having sex or<br />

easy vision of sexual independence to see the beauty in. Let your erotic energy and that of your partner<br />

sharing love outside the relationship. It is about the imagined fear of loss. We can become jealous at<br />

wash away the fear, the discord, the pain and the insecurity of what you once called love.<br />

74 75<br />

the mere idea or suspicion of this, or at our partner‘s fantasies, and even at the love shared with him<br />

or herself. In plenty of relationships people stop masturbating (and creating art or music or writing or<br />

taking long walks in the woods) because it‘s perceived as a threat by their partner. And that is not life.<br />

Compersion takes us to the next realm beyond. It is about being with and appreciating our partners for<br />

their desires, dreams, wishes and their personal journey to selflove. It‘s about being real, and having<br />

relationships as real people.<br />

And how do we get there?<br />

Start by telling the truth. This is what we need anyway. Sharing this truth we possess in our hearts,<br />

the essence of our being, is supposedly why we got involved with this other person in the first place.<br />

It‘s important to tell the truth gently, clearly and without the fear or the intention of hurting the other<br />

person, but not holding back, either. Then, because we are claiming the birthright of love, we must love<br />

them through their reactions and responses. This is a commitment it‘s best to go into the situation with.<br />

And we must love ourselves through their reactions, which is to say, not feeling guilty about who we are.<br />

So listen carefully, and let your partner own his or her feelings.<br />

We must be ready to put love -- real love, which I am calling compersion -- above any given relationship.<br />

„PRINZessin“<br />

Feel, if you can, how how erotic a jealous experience can be. When you are feeling jealous, swim into<br />

the core of the experience. Encourage your partner to do the same. Help them if you can. Right inside<br />

the jealous episode is a fiery core of erotic passion. It may surprise you how good it feels, and if you get<br />

there, you can be sure you‘re stepping right into compersion.<br />

Last -- or actually first -- ask for help. Talk to understanding friends who you know will not encourage<br />

you to lie about your feelings, or judge you for being honest. But if you are on a spiritual path, ask your<br />

inner teacher for help. Whether you call this teacher the Goddess, God, the Holy Spirit, angels or by any<br />

other name, the only way spiritual agency responds is if we open the door. The movement from jealousy<br />

to compersion is one of the most direct spiritual paths there is, because we are learning so much of what<br />

spiritual programs attempt to teach: unconditional love, surrender, forgiveness, freedom, safety, and,<br />

most important, loving the way Spirit loves us: equally with everyone else. Loving this way may be the<br />

only spiritual lesson there is.<br />

We know we live in a harshly moralistic society which serves to deny creativity, love and pleasure at<br />

every turn. The very fact of being willing and daring to explore another person‘s sexual responses, ideas,<br />

desires, feelings and realities is a challenge to this morality and control. To do so outside the bounds of<br />

a one-on-one relationship is even more daring, but, it seems, for many people, to be an inevitability.


legende no.5<br />

→ TOLERANZ<br />

76<br />

Toleranz, auch Duldsamkeit, ist allgemein ein Geltenlassen<br />

und Gewährenlassen fremder Überzeugungen,<br />

Handlungsweisen und Sitten. Umgangssprachlich ist<br />

damit heute häufig auch die Anerkennung einer Gleichberechtigung<br />

gemeint, die jedoch über den eigentlichen<br />

Begriff („Duldung“) hinausgeht.<br />

77<br />

Das zugrundeliegende Verb tolerieren wurde im 16. Jahrhundert<br />

aus dem lateinischen tolerare („erdulden“, „ertragen“)<br />

entlehnt. Das Adjektiv tolerant in der Bedeutung<br />

„duldsam, nachsichtig, großzügig, weitherzig“ ist seit dem<br />

18. Jahrhundert, der Zeit der Aufklärung, belegt. Ebenso<br />

die Gegenbildung intolerant, als „unduldsam, keine andere<br />

Meinung oder Weltanschauung gelten lassend als<br />

die eigene“.<br />

Der Gegenbegriff zu Toleranz ist die Intoleranz, in der<br />

Bedeutung „Unduldsamkeit“ im 18. Jahrhundert aus dem<br />

französischen intolérance entlehnt. Als Steigerung der<br />

Toleranz gilt die Akzeptanz, die verstehende Haltung gegenüber<br />

einer anderen Person oder ihrem Verhalten.


Wie alles anfing<br />

Sein Kunstprojekt „Group marriage“ 2009 in Amsterdam beim „My Name is Spinoza“-Festival<br />

gab den Anstoß: Heute sind Gruppen-Hochzeiten in den Niederlanden gesetzlich erlaubt. Francisco<br />

Camacho erzählt über sein Projekt, das damals Spinoza und welche Dynamik sich danach entspann.<br />

Text: Violetta Simon, Fotos: Flickr<br />

78 79


Kann man mehrere Menschen zur gleichen Zeit lieben? Darf man<br />

das?Paartherapeut Markus Camacho sagt: Kein Grund zur Trennung,<br />

sondern zur Freude. Ein Gespräch über Eifersucht.<br />

Man stürzte sich auf den anderen und drohte: Wenn du meine<br />

Freundin nicht in Frieden lässt, gibt es ein blaues Auge.<br />

VS: Und heute, alles überwunden?<br />

Markus Camacho, 57, arbeitet als Familien- und Paartherapeut<br />

in Nürnberg. Er hat sich auf ein Phänomen spezialisiert, das die<br />

Fachwelt Polyamory nennt. Gemeint sind Beziehungen, in denen<br />

ganz offiziell ein Dritter oder mehrere Partner mit im Bunde sind. Der<br />

gebürtige Schweizer hat selber verschiedene polyamore Beziehungen<br />

geführt. VS sprach mit ihm über Eifersucht und Verlustängste.<br />

VS: Hallo Herr Camacho, wie geht es Ihren Frauen?<br />

Camacho: Danke, danke. Aber gerade lebe ich eher zölibatär.<br />

VS: Was genau versteht man unter einer polyamoren Beziehung?<br />

Camacho: Die offene, ehrliche und langfristige Liebe zu mehreren<br />

Menschen im gegenseitigen Einvernehmen - als Alternative zum<br />

verletzenden Fremdgehen.<br />

VS: Wie bezeichnet man diese Personengruppe - als Polyamoristen?<br />

Camacho: Es gibt keine Bezeichnung da<strong>für</strong>. Die Lebensform nennt VS: Befremdet Sie das?<br />

sich Polyamory, mit Betonung auf dem ersten o. Das Adjektiv<br />

ist polyamor. Man könnte sagen: Ich lebe in einer polyamoren<br />

Camacho: Ja, selbstverständlich. Auch wenn ich Paare kennengelernt<br />

80 Beziehung oder liebe mehrere Menschen.<br />

habe, denen das gelingt.<br />

81<br />

VS: Wann haben Sie dieses Gefühl erstmals bewusst gespürt?<br />

Camacho: In der dritten Klasse hatte ich zwei Freundinnen. Der<br />

einen habe ich unter der Bank die Hand gehalten, während ich der<br />

anderen in ihre tiefschwarzen Augen blickte. Vom Unterricht habe<br />

ich nichts miVSekommen.<br />

VS: Wie fanden die beiden das?<br />

Camacho: Wir waren uns absolut einig - die reine Form von<br />

Polyamory, wenn Sie so wollen.<br />

VS: Wo haben Sie das dann erstmals ausgelebt?<br />

Camacho: In der Studentenzeit. Wir waren locker drauf, es war eine<br />

freie offene Art des Miteinanderumgehens. Man hat gelebt und<br />

geliebt.<br />

VS: Haben Sie nie be<strong>für</strong>chtet, jemand anderen zu verletzen?<br />

Camacho: Diese Frage stellt sich <strong>für</strong> mich nicht. Ich sehe das Problem<br />

des Verletztseins immer als Frage der eigenen Wirklichkeit.<br />

Camacho: Selbstverständlich bin ich eifersüchtig. Auch heute noch.<br />

VS: Trotz polyamorer Lebensweise!<br />

Camacho: Ich kann es nicht verhindern. Überwinden kann ich es<br />

schon.<br />

VS: Wie haben Sie das geschafft?<br />

Camacho: Indem ich Verständnis <strong>für</strong> die Phänomene der Eifersucht<br />

erlangt habe. Eifersucht ist ja kein Gefühl, sonder ein Konglomerat<br />

von vielen Gefühlen, vor allem: Verlustangst und Neid. Beide kann<br />

man sich genauer ansehen.<br />

VS: Wäre es nicht einfacher, sich mit einem Partner zu begnügen?<br />

Camacho: Man kann diese Gefühle natürlich aussperren und sich<br />

versprechen, treu zu sein „bis dass der Tod uns scheidet“. Das tun<br />

viele ja auch. Und glauben ernsthaft daran.<br />

VS: Aber Sie müssen zugeben, dass es emotional und psychologisch<br />

weniger aufwändig ist, treu zu sein, als sich täglich aufs Neue mit<br />

Eifersucht herumzuschlagen.<br />

Camacho: Das sehe ich anders. Treue bedeutet ja nicht nur<br />

das Erhalten der Gefühle. Auch die Gefühle zu Dritten muss ich<br />

unterdrücken. Und ich verlange, dass der andere seine Gefühle zu<br />

Dritten ebenfalls unterdrückt. Sonst kippt das ganze System.<br />

VS: Ist Eifersucht also ein typisches Problem monogamer<br />

Beziehungen?<br />

Camacho: Nein, sie ist in jeder Beziehung eine Herausforderung. Man<br />

geht nur verschieden damit um. In einer monogamen Beziehung löst<br />

man das durch die sexuelle Ausschließlichkeit und nennt das Treue.<br />

VS: Ist Eifersucht automatisch schlecht?<br />

Camacho: Für mich haben Gefühle an sich nie einen negativen<br />

Beigeschmack. Sie sind ein Ausdruck von Lebensenergie.<br />

VS: Dann muss Eifersucht auch nicht bekämpft werden?<br />

VS: Das sagen Sie jetzt als Psychologe. Aber wie haben Sie es als<br />

junger Mann erlebt?<br />

Camacho: Damals war Eifersucht einfach nur ein dummes Gefühl.<br />

Camacho: Ich will nichts bekämpfen, schon gar nicht als Therapeut.<br />

Ich will sehen: Was machen wir daraus?<br />

VS: Aber überwinden muss man sie ...


Polyamory is quickly growing and gaining more ground as an alternative to<br />

monogamy, and for many people that is a great thing. But always keep in<br />

mind that there are people who are opposed to that kind of lifestyle, or who<br />

may just be misinformed. Spread the information! Knowledge is power, and<br />

if more people knew the facts about non-monogamous relationships, there<br />

would likely be more understanding.<br />

If you‘re trying to talk to your romantic interest (or current partner) about<br />

non-monogamy, then give them some literature.The Ethical Slut,Opening Up,<br />

andPolyamory are great books on the subject; there are countless webpages<br />

and forums and even a podcast devoted to it. Always remember to keep an<br />

open mind and an open heart!<br />

82 83


Camacho: Ich weiß nicht, ich kann gut damit leben. Sie hilft mir,<br />

genauer hinzusehen, mich besser kennenzulernen. Sie hilft mir,<br />

meinen Partner kennenzulernen und die Beziehung zu vertiefen.<br />

Eifersucht ist auch eine Folge der Illusion, Liebe wäre etwas<br />

Garantiertes. Diese Illusion verdeckt aber nur unsere tieferen Ängste.<br />

Wie Eifersucht entsteht und wie man sie überwindet, lesen Sie auf<br />

der nächsten Seite ...<br />

Er hat eine andere - wie schön!<br />

VS: Wie entsteht Eifersucht?<br />

Camacho: In erster Linie basiert dieses Gefühl auf Trennungs- und<br />

Verlustangst, Angst vor dem Alleinsein, Verlust der Geborgenheit,<br />

ökonomischer oder emotionaler Sicherheit, Angst vor Ohnmacht,<br />

aber auch Angst vor Autonomie oder Verlust der Autonomie. Und<br />

schließlich hat Eifersucht etwas mit Angst vor der Endlichkeit zu<br />

tun. Wir alle werden älter und sterben. Davor haben die meisten<br />

Menschen eine tiefe, unterschwellige Furcht. Eifersucht hat mit<br />

Todesangst zu tun.<br />

VS: Wie kann ich dagegen vorgehen?<br />

Camacho: Erst einmal aufdröseln: Welche Ängste stecken dahinter?<br />

Was be<strong>für</strong>chte ich konkret? Dann sprechen Sie mit Ihrem Partner<br />

VS: Wie kann ich dagegen vorgehen?<br />

darüber: Seine Gefühle, meine Gefühle, wie gehen wir damit um? Camacho: Erst einmal aufdröseln: Welche Ängste stecken dahinter?<br />

84 Wenn er sie liebt, wird er darauf eingehen. Er wird ernst nehmen, Was be<strong>für</strong>chte ich konkret? Dann sprechen Sie mit Ihrem Partner<br />

was Sie fühlen und sich wünschen.<br />

85<br />

VS: Und wenn mir das nicht reicht? Wenn die Eifersucht nicht<br />

verschwindet? Wenn sie krankhaft ist?<br />

Camacho: Dann hilft nur eine Therapie. Es kommt übrigens<br />

auch vor, dass der andere die Eifersucht des Partners bewusst<br />

instrumentalisiert, um ihn zu unterdrücken.<br />

VS: Glauben Sie, dass Eifersucht in der Natur des Menschen liegt -<br />

ähnlich wie Neid oder Angst?<br />

Camacho: Nicht unbedingt. Es gibt Menschen, die kennen keine<br />

Eifersucht. Es gibt andere, die erleben das erst spät in ihrem Leben<br />

zum ersten Mal. Ich kann mir das auch nicht erklären. In diesem<br />

Moment komme ich mir vor, als hätte ich einen genetischen Defekt.<br />

VS: ... mit dem Sie offenbar ganz gut zurechtkommen ...<br />

Camacho: Kennen Sie den Begriff der Mitfreude?<br />

VS: Sagt mir was. Ich kann mich aber nur bis zu einer gewissen<br />

Grenze mitfreuen.<br />

Camacho: Dennoch wäre es theoretisch möglich, dass ein Partner<br />

einem anderen innig nahe ist und Sie sich darüber freuen?<br />

VS: Da halte ich es lieber mit der - in monogamen Beziehungen<br />

verbreiteten - Theorie: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.<br />

Camacho: Wenn Sie meinen ...<br />

VS: Sie halten das <strong>für</strong> SelbsVSetrug?<br />

Camacho: Ja, aber das macht ja nichts - wenn Sie und Ihr Partner<br />

damit gut fahren, ist es doch in Ordnung.<br />

VS: Jetzt machen Sie sich aber über mich lustig!<br />

Camacho: Aber nein. Ich denke nur, wenn jemand sagt: Ich will es<br />

nicht wissen, steckt Angst dahinter. Verlustangst, Neid oder Angst,<br />

teilen zu müssen.<br />

VS: Wie entsteht Eifersucht?<br />

Camacho: In erster Linie basiert dieses Gefühl auf Trennungs- und<br />

Verlustangst, Angst vor dem Alleinsein, Verlust der Geborgenheit,<br />

ökonomischer oder emotionaler Sicherheit, Angst vor Ohnmacht, aber<br />

auch Angst vor Autonomie oder Verlust der Autonomie. Und schließlich<br />

hat Eifersucht etwas mit Angst vor der Endlichkeit zu tun. Wir alle<br />

werden älter und sterben. Davor haben die meisten Menschen eine<br />

tiefe, unterschwellige Furcht. Eifersucht hat mit Todesangst zu tun.<br />

darüber: Seine Gefühle, meine Gefühle, wie gehen wir damit um?<br />

Wenn er sie liebt, wird er darauf eingehen. Er wird ernst nehmen, was<br />

Sie fühlen und sich wünschen.<br />

VS: Und wenn mir das nicht reicht? Wenn die Eifersucht nicht<br />

verschwindet? Wenn sie krankhaft ist?<br />

Camacho: Dann hilft nur eine Therapie. Es kommt übrigens auch vor,<br />

dass der andere die Eifersucht des Partners bewusst instrumentalisiert,<br />

um ihn zu unterdrücken.<br />

VS: Glauben Sie, dass Eifersucht in der Natur des Menschen liegt -<br />

ähnlich wie Neid oder Angst?<br />

Camacho: Nicht unbedingt. Es gibt Menschen, die kennen keine<br />

Eifersucht. Es gibt andere, die erleben das erst spät in ihrem Leben<br />

zum ersten Mal. Ich kann mir das auch nicht erklären. In diesem<br />

Moment komme ich mir vor, als hätte ich einen genetischen Defekt.<br />

VS: ... mit dem Sie offenbar ganz gut zurechtkommen ...<br />

Camacho: Kennen Sie den Begriff der Mitfreude?<br />

VS: Jetzt machen Sie sich aber über mich lustig!<br />

Camacho: Aber nein. Ich denke nur, wenn jemand sagt: Ich will es<br />

nicht wissen, steckt Angst dahinter. Verlustangst, Neid oder Angst,<br />

teilen zu müssen.


poesie<br />

Der Weg dorthin (Hans Kruppa)<br />

Freiheit,<br />

erkauft durch Oberflächlichkeit<br />

in der Liebe,<br />

ist zu teuer bezahlte Freiheit.<br />

Liebe,<br />

erkauft durch den Verlust<br />

86<br />

an Freiheit<br />

87<br />

ist zu teuer bezahlte Liebe.<br />

Liebe, die keine Freiheit kostet,<br />

und Freiheit,<br />

die keine Liebe kostet,<br />

ist das Ziel.<br />

Der Weg dorthin -<br />

ein Seiltanz,<br />

mit verbundenen Augen.<br />

Christin-Isabell Kühn „Dansereuse“


Telling Someone You Like You‘re Polyamorous:<br />

The Do‘s and Don‘ts<br />

Coming Out: A Complicated Issue<br />

Text: Grete Liffers<br />

Bild: Annika Sporleder<br />

Grafik: Theresa Bergens<br />

It‘s always hard to tell someone about your non-monogamous relationship.<br />

People have very strong opinions on the issue, and you always run the risk<br />

of someone you never expected telling you it‘s wrong. The process is even<br />

harder when you‘re trying to tell someone you‘re actually attracted to about<br />

your relationship dynamic. Usually, it‘s someone you know is interested in<br />

you romantically, but you don‘t want to scare them away. Or maybe you‘re<br />

afraid they‘ll stereotype you before you get a chance to explain. Either way,<br />

here are a couple of tried and true methods for telling someone you‘re just<br />

getting to know that you‘re in a relationship - but still interested in them.<br />

88 89<br />

„Lakenszene“<br />

Polyamory is quickly growing and gaining more ground as an alternative to monogamy,<br />

and for many people that is a great thing. But always keep in mind that there are people<br />

who are opposed to that kind of lifestyle, or who may just be misinformed. Spread the<br />

information! Knowledge is power, and if more people knew the facts about non-monogamous<br />

relationships, there would likely be more understanding.<br />

If you‘re trying to talk to your romantic interest (or current partner) about non-monogamy,<br />

then give them some literature.The Ethical Slut,Opening Up, andPolyamory are


Tell the person you‘re interested in early on. Try to<br />

drop it in casual conversation: „My husband and my<br />

girlfriend and I all saw that movie together, we really<br />

loved it.“ The earlier in the night you tell them about<br />

it, the longer you‘ll have to talk about it.<br />

Tell them the morning after. In their bed. As they make<br />

waffles. Aside from just being rude, it‘s a lot like lying,<br />

and it is most certainly NOT responsible non-monogamy.<br />

In order for it not to be cheating or taking advantage of<br />

someone‘s feelings, all parties have to be fully informed of<br />

the situation. Anyway, you should probably be helping with<br />

breakfast.<br />

Give them some space. A lot of the time after disclosing the nature<br />

your relationship, someone might need time to think about it. Even<br />

if they don‘t seem too surprised or put-off, you still want to move<br />

slowly. This kind of relationship gets complicated very quickly, and<br />

you want to make sure everyone‘s needs are met.<br />

Tell your current partner or partners about your interest,<br />

if that is what is agreed upon. When first meeting<br />

a new romantic interest, it can be easy to get caught<br />

up in the flurry of hormones, but you should always<br />

keep your partner‘s feelings in mind. Make sure to follow<br />

any previous arrangement you may have created.<br />

Be a missionary. By that I mean, don‘t force them to your<br />

side, or force them to make a decision one way or the<br />

other. It may take time, and maybe you hate waiting, but<br />

it will do more harm than good to try to force anything.<br />

90 91<br />

Explain it in language that they can understand. To someone who has<br />

never heard of it, ‚polyamory‘ is a daunting word. ‚Responsible non-monogamy‘<br />

isn‘t really much better. „It‘s like an open relationship...“ is a<br />

pretty good way to start. I know most poly couples balk at the term open<br />

relationship, since it‘s so umbrella and it has so many negative connotations,<br />

but so long as you explain your personal relationship, hopefully<br />

there won‘t be any misunderstandings.<br />

Laugh at them if they don‘t know what<br />

‚polyamory‘ is, or give them a one word<br />

explanation.<br />

Answer any questions they might have! This is probably new<br />

to them, and even if it isn‘t, they might ask you questions<br />

about your relationship or partners. Questions are a good<br />

thing; at least they‘re not judging you.<br />

Call your current partner while still in front of the<br />

romantic interest. Usually, „Hey babe, I just made this<br />

bangin‘ hot chick,“ isn‘t going to win you any points.<br />

Roll your eyes at questions you‘ve probably heard<br />

a thousand times. No, it‘s not cheating; no, it‘s not<br />

polygamy; no, I don‘t sleep with animals. Just grin<br />

and bear it.


20 25<br />

92 93<br />

juli zeh erzählt wie angela merkel mit ihren<br />

beiden ehemännern zum nato-gipfel fährt -<br />

und warum es deshalb eigentlich auch keiner NATO mehr bedarf.<br />

Deutschland im Jahr 2025. Bundeskanzlerin Angela Merkel und der britische Premier-Minister James Cameron<br />

hatten sich von Anfang an gut verstanden. Und auch Achim Sauer und Cameron. 2015 dann heirateten<br />

Merkel, Sauer und Cameron. Das ist Geschichte. Anlässlich des 10-jährigen Hochzeitstags zieht Juli Zeh nun<br />

Bilanz, wie die Gesellschaft sich seitdem gewandelt hat. Und warum es nun auch keiner Nato mehr Bedarf.


Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet. »Wie ein Hund! « sagte er,<br />

es war, als sollte die Scham ihn überleben. Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem<br />

ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Und es war ihnen wie eine Bestätigung ihrer neuen Träume und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die Tochter<br />

als erste sich erhob und ihren jungen Körper dehnte. »Es ist ein eigentümlicher Apparat«, sagte der Offizier zu dem Forschungsreisenden und überblickte<br />

mit einem gewissermaßen bewundernden Blick den ihm doch wohlbekannten Apparat. Sie hätten noch ins Boot springen können, aber der Reisende hob<br />

ein schweres, geknotetes Tau vom Boden, drohte ihnen damit und hielt sie dadurch von dem Sprunge ab. In den letzten Jahrzehnten ist das Interesse an<br />

Hungerkünstlern sehr zurückgegangen. Aber sie überwanden sich, umdrängten den Käfig und wollten sich gar nicht fortrühren. Jemand musste Josef K.<br />

verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet. »Wie ein Hund! « sagte er, es war, als sollte die Scham<br />

ihn überleben. Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt.<br />

Und es war ihnen wie eine Bestätigung ihrer neuen Träume und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die Tochter als erste sich erhob und ihren<br />

jungen Körper dehnte. »Es ist ein eigentümlicher Apparat«, sagte der Offizier zu dem Forschungsreisenden und überblickte mit einem gewissermaßen<br />

bewundernden Blick den ihm doch wohlbekannten Apparat. Sie hätten noch ins Boot springen können, aber der Reisende hob ein schweres, geknotetes<br />

Tau vom Boden, drohte ihnen damit und hielt sie dadurch von dem Sprunge ab. In den letzten Jahrzehnten ist das Interesse an Hungerkünstlern sehr<br />

zurückgegangen.<br />

Aber sie überwanden sich, umdrängten den Käfig und wollten sich gar nicht fortrühren. Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er<br />

etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet. »Wie ein Hund! « sagte er, es war, als sollte die Scham ihn überleben. Als Gregor Samsa<br />

eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Und es war ihnen wie eine<br />

Bestätigung ihrer neuen Träume und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die Tochter als erste sich erhob und ihren jungen Körper dehnte. »Es ist ein<br />

eigentümlicher Apparat«, sagte der Offizier zu dem Forschungsreisenden und überblickte mit einem gewissermaßen bewundernden Blick den ihm doch<br />

wohlbekannten Apparat. Sie hätten noch ins Boot springen können, aber der Reisende hob ein schweres, geknotetes Tau vom Boden, drohte ihnen damit<br />

und hielt sie dadurch von dem Sprunge ab. In den letzten Jahrzehnten ist das Interesse an Hungerkünstlern sehr zurückgegangen. Aber sie überwanden<br />

sich, umdrängten den Käfig und wollten sich gar nicht fortrühren. Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte,<br />

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wurde er eines Morgens verhaftet. »Wie ein Hund! « sagte er, es war, als sollte die Scham ihn überleben. Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen<br />

Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Und es war ihnen wie eine Bestätigung ihrer neuen Träume<br />

95<br />

und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die Tochter als erste sich erhob und ihren jungen Körper dehnte. »Es ist ein eigentümlicher Apparat«, sagte<br />

der Offizier zu dem Forschungsreisenden und überblickte mit einem gewissermaßen bewundernden Blick den ihm doch wohlbekannten Apparat. Sie<br />

hätten noch ins Boot springen können, aber der Reisende hob ein schweres, geknotetes Tau vom Boden, drohte ihnen damit und hielt sie dadurch von<br />

dem Sprunge ab. In den letzten Jahrzehnten ist das Interesse an Hungerkünstlern sehr zurückgegangen.<br />

Aber sie überwanden sich, umdrängten den Käfig und wollten sich gar nicht fortrühren. Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er<br />

etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet. »Wie ein Hund! « sagte er, es war, als sollte die Scham ihn überleben. Als Gregor Samsa<br />

eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Und es war ihnen wie eine<br />

Bestätigung ihrer neuen Träume und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die Tochter als erste sich erhob und ihren jungen Körper dehnte. »Es ist ein<br />

eigentümlicher Apparat«, sagte der Offizier zu dem Forschungsreisenden und überblickte mit einem gewissermaßen bewundernden Blick den ihm doch<br />

wohlbekannten Apparat. Sie hätten noch ins Boot springen können, aber der Reisende hob ein schweres, geknotetes Tau vom Boden, drohte ihnen damit<br />

und hielt sie dadurch von dem Sprunge ab. In den letzten Jahrzehnten ist das Interesse an Hungerkünstlern sehr zurückgegangen. Aber sie überwanden<br />

sich, umdrängten den Käfig und wollten sich gar nicht fortrühren. Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte,<br />

wurde er eines Morgens verhaftet. »Wie ein Hund! « sagte er, es war, als sollte die Scham ihn überleben. Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen<br />

Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Und es war ihnen wie eine Bestätigung ihrer neuen Träume<br />

und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die Tochter als erste sich erhob und ihren jungen Körper dehnte. »Es ist ein eigentümlicher Apparat«, sagte<br />

der Offizier zu dem Forschungsreisenden und überblickte mit einem gewissermaßen bewundernden Blick den ihm doch wohlbekannten Apparat. Sie<br />

hätten noch ins Boot springen können, aber der Reisende hob ein schweres, geknotetes Tau vom Boden, drohte ihnen damit und hielt sie dadurch von<br />

dem Sprunge ab. In den letzten Jahrzehnten ist das Interesse an Hungerkünstlern sehr zurückgegangen.<br />

Aber sie überwanden sich, umdrängten den Käfig und wollten sich gar nicht fortrühren. Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er<br />

etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet. »Wie ein Hund! « sagte er, es war, als sollte die Scham ihn überleben. Als Gregor Samsa<br />

eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Und es war ihnen wie eine


Bestätigung ihrer neuen Träume und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die Tochter als erste sich erhob und ihren jungen Körper dehnte. »Es ist ein<br />

eigentümlicher Apparat«, sagte der Offizier zu dem Forschungsreisenden und überblickte mit einem gewissermaßen bewundernden Blick den ihm doch<br />

wohlbekannten Apparat. Sie hätten noch ins Boot springen können, aber der Reisende hob ein schweres, geknotetes Tau vom Boden, drohte ihnen damit<br />

und hielt sie dadurch von dem Sprunge ab. In den letzten Jahrzehnten ist das Interesse an Hungerkünstlern sehr zurückgegangen. Aber sie überwanden<br />

sich, umdrängten den Käfig und wollten sich gar nicht fortrühren. Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte,<br />

wurde er eines Morgens verhaftet. »Wie ein Hund! « sagte er, es war, als sollte die Scham ihn überleben. Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen<br />

Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt.<br />

Und es war ihnen wie eine Bestätigung ihrer neuen Träume und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die Tochter als erste sich erhob und ihren<br />

jungen Körper dehnte. »Es ist ein eigentümlicher Apparat«, sagte der Offizier zu dem Forschungsreisenden und überblickte mit einem gewissermaßen<br />

bewundernden Blick den ihm doch wohlbekannten Apparat. Sie hätten noch ins Boot springen können, aber der Reisende hob ein schweres, geknotetes<br />

Tau vom Boden, drohte ihnen damit und hielt sie dadurch von dem Sprunge ab. In den letzten Jahrzehnten ist das Interesse an Hungerkünstlern sehr<br />

zurückgegangen. Aber sie überwanden sich, umdrängten den Käfig und wollten sich gar nicht fortrühren. Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn<br />

ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet. »Wie ein Hund! « sagte er, es war, als sollte die Scham ihn überleben. Als Gregor<br />

Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Und es war ihnen wie<br />

eine Bestätigung ihrer neuen Träume und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die Tochter als erste sich erhob und ihren jungen Körper dehnte. »Es ist<br />

ein eigentümlicher Apparat«, sagte der Offizier zu dem Forschungsreisenden und überblickte mit einem gewissermaßen bewundernden Blick den ihm doch<br />

wohlbekannten Apparat. Sie hätten noch ins Boot springen können, aber der Reisende hob ein schweres, geknotetes Tau vom Boden, drohte ihnen damit<br />

und hielt sie dadurch von dem Sprunge ab. In den letzten Jahrzehnten ist das Interesse an Hungerkünstlern sehr zurückgegangen. Aber sie überwanden<br />

sich, umdrängten den Käfig und wollten sich gar nicht fortrühren. Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte,<br />

wurde er eines Morgens verhaftet. »Wie ein Hund! « sagte er, es war, als sollte die Scham ihn überleben. Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen<br />

Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Und es war ihnen wie eine Bestätigung ihrer neuen Träume<br />

und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die Tochter als erste sich erhob und ihren jungen Körper dehnte. »Es ist ein eigentümlicher Apparat«, sagte<br />

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der Offizier zu dem Forschungsreisenden und überblickte mit einem<br />

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Aber sie überwanden sich, umdrängten den Käfig und wollten sich gar nicht fortrühren. Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er<br />

etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet. »Wie ein Hund! « sagte er, es war, als sollte die Scham ihn überleben. Als Gregor Samsa<br />

eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Und es war ihnen wie eine<br />

Bestätigung ihrer neuen Träume und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die Tochter als erste sich erhob und ihren jungen Körper dehnte. »Es ist ein<br />

eigentümlicher Apparat«, sagte der Offizier zu dem Forschungsreisenden und überblickte mit einem gewissermaßen bewundernden Blick den ihm doch<br />

wohlbekannten Apparat. Sie hätten noch ins Boot springen können, aber der Reisende hob ein schweres, geknotetes Tau vom Boden, drohte ihnen damit<br />

und hielt sie dadurch von dem Sprunge ab. In den letzten Jahrzehnten ist das Interesse an Hungerkünstlern sehr zurückgegangen. Aber sie überwanden<br />

sich, umdrängten den Käfig und wollten sich gar nicht fortrühren. Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte,<br />

wurde er eines Morgens verhaftet. »Wie ein Hund! « sagte er, es war, als sollte die Scham ihn überleben. Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen<br />

Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt.<br />

Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet. »Wie ein Hund! « sagte er,<br />

es war, als sollte die Scham ihn überleben. Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem<br />

ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Und es war ihnen wie eine Bestätigung ihrer neuen Träume und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die Tochter<br />

als erste sich erhob und ihren jungen Körper dehnte. »Es ist ein eigentümlicher Apparat«, sagte der Offizier zu dem Forschungsreisenden und überblickte<br />

mit einem gewissermaßen bewundernden Blick den ihm doch wohlbekannten Apparat. Sie hätten noch ins Boot springen können, aber der Reisende hob<br />

ein schweres, geknotetes Tau vom Boden, drohte ihnen damit und hielt sie dadurch von dem Sprunge ab. In den letzten Jahrzehnten ist das Interesse<br />

an Hungerkünstlern sehr zurückgegangen. Aber sie überwanden sich, umdrängten den Käfig und wollten sich gar nicht fortrühren. Jemand musste Josef<br />

K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet. »Wie ein Hund! « sagte er, es war, als sollte die<br />

Scham ihn überleben. Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer<br />

verwandelt. Und es war ihnen wie eine Bestätigung ihrer neuen Träume und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die Tochter als erste sich erhob und<br />

ihren jungen Körper dehnte. »Es ist ein eigentümlicher Apparat«, sagte der Offizier zu dem Forschungsreisenden und überblickte mit einem gewissermaßen<br />

bewundernden Blick den ihm doch wohlbekannten Apparat.


Und es war ihnen wie eine Bestätigung ihrer neuen Träume und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die Tochter als erste sich erhob und ihren<br />

jungen Körper dehnte. »Es ist ein eigentümlicher Apparat«, sagte der Offizier zu dem Forschungsreisenden und überblickte mit einem gewissermaßen<br />

bewundernden Blick den ihm doch wohlbekannten Apparat. Sie hätten noch ins Boot springen können, aber der Reisende hob ein schweres, geknotetes<br />

Tau vom Boden, drohte ihnen damit und hielt sie dadurch von dem Sprunge ab. In den letzten Jahrzehnten ist das Interesse an Hungerkünstlern sehr<br />

zurückgegangen. Aber sie überwanden sich, umdrängten den Käfig und wollten sich gar nicht fortrühren. Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn<br />

ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet. »Wie ein Hund! « sagte er, es war, als sollte die Scham ihn überleben. Als Gregor<br />

Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Und es war ihnen wie<br />

eine Bestätigung ihrer neuen Träume und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die Tochter als erste sich erhob und ihren jungen Körper dehnte. »Es ist<br />

ein eigentümlicher Apparat«, sagte der Offizier zu dem Forschungsreisenden und überblickte mit einem gewissermaßen bewundernden Blick den ihm doch<br />

wohlbekannten Apparat. Sie hätten noch ins Boot springen können, aber der Reisende hob ein schweres, geknotetes Tau vom Boden, drohte ihnen damit<br />

und hielt sie dadurch von dem Sprunge ab. In den letzten Jahrzehnten ist das Interesse an Hungerkünstlern sehr zurückgegangen. Aber sie überwanden<br />

sich, umdrängten den Käfig und wollten sich gar nicht fortrühren. Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte,<br />

wurde er eines Morgens verhaftet. »Wie ein Hund! « sagte er, es war, als sollte die Scham ihn überleben. Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen<br />

Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Und es war ihnen wie eine Bestätigung ihrer neuen Träume<br />

und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die Tochter als erste sich erhob und ihren jungen Körper dehnte. »Es ist ein eigentümlicher Apparat«, sagte<br />

der Offizier zu dem Forschungsreisenden und überblickte mit einem<br />

Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet. »Wie ein Hund! « sagte er,<br />

es war, als sollte die Scham ihn überleben. Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem<br />

ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Und es war ihnen wie eine Bestätigung ihrer neuen Träume und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die Tochter<br />

als erste sich erhob und ihren jungen Körper dehnte. »Es ist ein eigentümlicher Apparat«, sagte der Offizier zu dem Forschungsreisenden und überblickte<br />

mit einem gewissermaßen bewundernden Blick den ihm doch wohlbekannten Apparat. Sie hätten noch ins Boot springen können, aber der Reisende hob<br />

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ein schweres, geknotetes Tau vom Boden, drohte ihnen damit und hielt sie dadurch von dem Sprunge ab. In den letzten Jahrzehnten ist das Interesse<br />

an Hungerkünstlern sehr zurückgegangen. Aber sie überwanden sich, umdrängten den Käfig und wollten sich gar nicht fortrühren. Jemand musste Josef<br />

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K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet. »Wie ein Hund! « sagte er, es war, als sollte die<br />

Scham ihn überleben. Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer<br />

verwandelt. Und es war ihnen wie eine Bestätigung ihrer neuen Träume und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die Tochter als erste sich erhob und<br />

ihren jungen Körper dehnte. »Es ist ein eigentümlicher Apparat«, sagte der Offizier zu dem Forschungsreisenden und überblickte mit einem gewissermaßen<br />

bewundernden Blick den ihm doch wohlbekannten Apparat.<br />

Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet. »Wie ein Hund! « sagte er,<br />

es war, als sollte die Scham ihn überleben. Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem<br />

ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Und es war ihnen wie eine Bestätigung ihrer neuen Träume und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die Tochter<br />

als erste sich erhob und ihren jungen Körper dehnte. »Es ist ein eigentümlicher Apparat«, sagte der Offizier zu dem Forschungsreisenden und überblickte<br />

mit einem gewissermaßen bewundernden Blick den ihm doch wohlbekannten Apparat. Sie hätten noch ins Boot springen können, aber der Reisende hob<br />

ein schweres, geknotetes Tau vom Boden, drohte ihnen damit und hielt sie dadurch von dem Sprunge ab. In den letzten Jahrzehnten ist das Interesse an<br />

Hungerkünstlern sehr zurückgegangen. Aber sie überwanden sich, umdrängten den Käfig und wollten sich gar nicht fortrühren. Jemand musste Josef K.<br />

verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet. »Wie ein Hund! « sagte er, es war, als sollte die Scham<br />

ihn überleben. Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt.<br />

Und es war ihnen wie eine Bestätigung ihrer neuen Träume und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die Tochter als erste sich erhob und ihren<br />

jungen Körper dehnte. »Es ist ein eigentümlicher Apparat«, sagte der Offizier zu dem Forschungsreisenden und überblickte mit einem gewissermaßen<br />

bewundernden Blick den ihm doch wohlbekannten Apparat. Sie hätten noch ins Boot springen können, aber der Reisende hob ein schweres, geknotetes<br />

Tau vom Boden, drohte ihnen damit und hielt sie dadurch von dem Sprunge ab. In den letzten Jahrzehnten ist das Interesse an Hungerkünstlern sehr<br />

zurückgegangen. Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer<br />

verwandelt. Und es war ihnen wie eine Bestätigung ihrer neuen Träume und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die Tochter als erste sich erhob und<br />

ihren jungen Körper dehnte. »Es ist ein eigentümlicher Apparat«, sagte der Offizier zu dem Forschungsreisenden.<br />

Juli Zeh<br />

geboren 1971, hat sich als Schriftstellerin einen Namen gemacht mit ihren<br />

gesellschafts-kritsch analytischen Büchern. Auch auf anderer Ebene hat sich<br />

sich immer wieder eingemischt in aktuelle politische Debatten und zusammen<br />

mit Kolleg _ innen zu Diskussionen angeregt. Zu den bekanntesten Werken<br />

gehören „Spieltrieb“, „Adler und Engel“. Sie lebt und arbeitet in Berlin.


Impressum<br />

V.i.S.d.P<br />

Timm Klotzek<br />

Redaktion<br />

Marc Baumann (Mitarbeit)<br />

Johannes Waechter<br />

Technik<br />

Wolfgang Lübke<br />

Onlinemarketing<br />

Judith Kampl (Mitarbeit)<br />

AutorInnen<br />

Timm Klotzek<br />

Marc Baumann (Mitarbeit)<br />

Johannes Waechter<br />

Wolfgang Lübke<br />

Judith Kampl<br />

Dirk Schmidt<br />

Jürgen Maukner<br />

Claudia Stelz<br />

FotografInnen:<br />

Grafik<br />

Johannes Waechter<br />

Dirk Schmidt (Mitarbeit)<br />

Wolfgang Lübke<br />

100 Grafilu (Autoren-Illustrationen)<br />

Judith Kampl<br />

101<br />

Dirk Schmidt<br />

Anzeigen<br />

Jürgen Maukner<br />

Jürgen Maukner (Gesamtanzeigenleitung)<br />

Claudia Stelz<br />

Claudia Stelz (Stellvertretung)<br />

Grafik:<br />

Geschäftsführung<br />

Johannes Waechter<br />

Stefan Rohr<br />

Wolfgang Lübke<br />

Anschrift<br />

Magazin Verlagsgesellschaft<br />

Süddeutsche Zeitung mbH<br />

Hultschiner Straße 8<br />

81677 München<br />

Bildnachweise:<br />

Seite : Getty Images<br />

Seite : Flickr<br />

Seite : Judith Kampl<br />

Seite : Wolfgang Lübke<br />

Seite 32, 48,60-65, 101: Theresa Bergens<br />

Unser herzlicher Dank geht an:<br />

Timm Klotzek, Marc Baumann (Mitarbeit), Johannes Waechter, Wolfgang<br />

Lübke Judith Kampl, Dirk Schmidt, Jürgen Maukner, Claudia Stelz

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