Leidenschaft
Querspur: Das Zukunftsmagazin des ÖAMTC Ausgabe 03/2013
Querspur: Das Zukunftsmagazin des ÖAMTC
Ausgabe 03/2013
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Ulrich Beck, Elisabeth Beck-Gernsheim: „Fernliebe”;<br />
280 Seiten, Suhrkamp Verlag 2011<br />
Aaron Ben-Ze’ev: Love online: Emotions on the<br />
Internet. 302 Seiten; Cambridge: Cambridge<br />
University Press. 2004<br />
Foto: © Isolde Ohlbaum<br />
Aaron Ben-Ze’ev, Ruhama Goussinsky: In the Name of<br />
Love: Romantic Ideology and Its Victims. 260 Seiten;<br />
Oxford University Press, USA. 2008<br />
Aaron Ben-Ze’evs Blog „In the Name of Love“:<br />
www.psychologytoday.com/blog/in-the-name-love<br />
Philippinische Arbeitsmigrantinnen vernetzen sich<br />
http://mmceai.blogspot.co.at<br />
Elisabeth Beck-Gernsheim und ihr Mann Ulrick Beck prognostizierten schon 1998 den Wandel der Familie zu immer<br />
mehr global verstreuten Teilfamilien. Heute lebt das bekannte Soziologenehepaar selbst eine Fernliebe:<br />
Sie arbeitet in Norwegen, er in England. Diesem Lebenskonzept liegt jedoch eine freiwillige Entscheidung zugrunde.<br />
Gleichzeitig bedeutet dies jedoch<br />
nicht, dass die Sache mit der Liebe<br />
einfacher wird. Es sei schwieriger geworden,<br />
eine feste Beziehung zu erhalten.<br />
Wir lebten in einer leistungsorientierten<br />
Gesellschaft, sagt der<br />
Philosoph. Im Hinterkopf hätten viele<br />
Menschen ständig den Gedanken,<br />
dass es jemand „Besseren“ oder eine<br />
„bessere Beziehung“ für sie geben<br />
könnte. Daher werde in Krisensituationen<br />
an bestehenden Beziehungen<br />
weniger gearbeitet. „Das hat aber<br />
nichts mit Faulheit zu tun. Es spielt<br />
vielmehr die Überlegung mit, wieso<br />
hart gearbeitet werden sollte, wenn<br />
es so viele vermeintlich angenehmere<br />
Möglichkeiten gibt“, sagt er.<br />
DIE EINEN WOLLEN,<br />
DIE ANDEREN MÜSSEN:<br />
FERNFAMILIEN AUF<br />
ZWEI KONTINENTEN<br />
Im Fall von Jobnomaden aus Asien,<br />
Afrika oder Osteuropa verlangt das<br />
Thema Fernliebe eine andere Betrachtungsweise,<br />
betont Elisabeth<br />
Beck-Gernsheim: Vor allem das Phänomen,<br />
dass Frauen ihre Familien<br />
verlassen, um in einem anderen Land<br />
(fremde) Kinder zu betreuen oder alte<br />
und kranke Menschen zu pfl egen,<br />
nimmt zu. Im Unterschied zum Brain-<br />
Drain, dem Abwandern qualifi zierter<br />
Arbeitskräfte in reichere Länder,<br />
spricht man hier vom Care-Drain.<br />
So suche sich eine berufstätige Frau<br />
in Österreich zum Beispiel die Hilfe<br />
eines Au-pairs, „bevor sie ganz in ihrer<br />
eigenen Arbeit und Betreuungspfl<br />
icht der Kinder<br />
untergeht“, sagt Beck-Gernsheim.<br />
Die Geschichten von Arbeitsmigranten<br />
sind sehr unterschiedlich, ein<br />
Beispiel ist Elena Manulat, die heute<br />
46 Jahre alt ist. Sie stammt aus<br />
Mindanao, der südlichsten Insel der<br />
Philippinen und ging mit 20 Jahren in<br />
die USA. Ihre erste Tochter ließ sie<br />
damals für die Aussicht auf ein besseres<br />
Leben für sich und ihre Familie<br />
zurück.<br />
DER EXPORTSCHLAGER<br />
DER PHILIPPINEN SIND<br />
ARBEITSKRÄFTE<br />
Manulat ist kein Einzelfall. Wer weggeht,<br />
gilt auf den Philippinen als Held.<br />
Arbeitskraft ist das wichtigste Exportgut:<br />
Achteinhalb Millionen Menschen<br />
arbeiten in mehr als 200 Staaten der<br />
Welt. Täglich ziehen bis zu 4000 Philippiner<br />
weg und suchen anderswo<br />
ihr Glück. Dieser Schritt wird massiv<br />
von der Regierung gefördert.<br />
Die Geld-überweisungen der sogenannten<br />
OFW, den „Overseas Filipino<br />
Workers“, aus dem Ausland an ihre<br />
Verwandten in der Heimat machen<br />
jähr lich bis zu zwölf Prozent des<br />
Bruttoinlandprodukts aus.<br />
Solange die Philippinerinnen im Ausland<br />
sind, erfolgt die Zuwendung für<br />
ihre Familien in materieller Form –<br />
so wie bei getrennten Familien in<br />
den Industrieländern. Die „sunny<br />
days technologies“ ersetzen aber<br />
auch hier nur begrenzt die Erziehung<br />
der Kinder oder die Partnerschaft.<br />
FERNFAMILIE IST OFT<br />
EIN INDIVIDUELLES<br />
EXPERIMENT<br />
AUF ZEIT<br />
Die Folge auf dem asiatischen Kontinent<br />
sind: Enttäuschungen auf beiden<br />
Seiten. Das Geld, das im Ausland<br />
verdient wird, sichert den<br />
Wohlstand zu Hause nicht in dem<br />
Maße ab wie ursprünglich erhofft.<br />
Die Kinder und der Mann zeigen nicht<br />
genug Dankbarkeit für die Entbehrungen<br />
der Frau. Elena Manulat lebt<br />
heute wieder in Mindanaos Hauptstadt<br />
Davao City und engagiert sich<br />
im Verein „Mindanao Migrants“. Ihr ist<br />
wichtig, bei den betroffenen Angehörigen<br />
Verständnis für die im Ausland<br />
arbeitenden Familienmitglieder zu<br />
wecken. Arbeit hat sie genug. Denn<br />
weltweit wird die Fernfamilie in Zukunft<br />
weiter wachsen.<br />
Auch wenn ein Teil der Betroffenen<br />
das Projekt Fernfamilie nach einer<br />
bestimmten Zeit beendet und sich<br />
entschließt, wieder an einem Ort<br />
zusammen zu sein. <br />
16