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Querspur: Das Zukunftsmagazin des ÖAMTC Ausgabe 04/2013
Querspur: Das Zukunftsmagazin des ÖAMTC
Ausgabe 04/2013
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Foto: © gehlarchitects.com<br />
Unterschiedliche Konzepte und Namen<br />
Viele Namen sind im Umlauf, um die von allen Verkehrsteilnehmern benützte<br />
Flächen zu beschreiben, zum Beispiel:<br />
Das Shared-Space-Konzept, am niederländischen Keuning Instituut<br />
unter Hans Mondermann erarbeitet, ist mittlerweile ein eingetragenes<br />
Markenzeichen. Die ersten Ansätze kamen völlig ohne Verkehrszeichen,<br />
Bodenmarkierungen oder Ampeln aus.<br />
Das Berner Modell setzt auf Koexistenz statt Dominanz, alle Beteiligten<br />
erarbeiten die optimale Lösung gemeinsam. Ziel ist Vermeidung<br />
und Verlagerung von KFZ-Verkehr und die verträgliche Abwicklung<br />
des verbleibenden Verkehrs.<br />
In Begegnungszonen sind Fußgänger und Radfahrer zum Benutzen<br />
der gesamten Verkehrsfläche befugt und gegenüber anderen Fahrzeugen<br />
mit Ausnahme der Straßenbahn im Vorrang. Dieser ursprünglich<br />
in der Schweiz definierte Begriff wird derzeit auch in Österreich<br />
so verwendet.<br />
In Koexistenz- und Mischverkehrszonen ist die Geschwindigkeit<br />
auf 30 km/h beschränkt, Autofahrer und Fußgänger teilen sich die Verkehrsfläche<br />
in verträglichem Miteinander.<br />
Der Versuch, alle diese Flächen mit einer einheitlichen Definition und<br />
einheitlichen Rechten und Pflichten zusammenzufassen, führt zum<br />
Vorschlag des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, den Überbegriff<br />
„Gemeinschaftsstraßen“ einzuführen.<br />
Im Bild: Das Projekt New Road in Brighton, Großbritannien<br />
Zukunftsmodell also, weil der Lernprozess<br />
der Nutzer viel kürzer ist. Es<br />
ist wie mit leicht bedien baren Smartphones,<br />
Homepages oder dem von<br />
Regalen geleiteten Weg durch den<br />
Supermarkt: Was intuitiv erfasst wird,<br />
braucht keinen kognitiven Zwischenschritt<br />
und erschließt sich schneller.<br />
Geistige Barrierefreiheit sozusagen.<br />
SMARTE GESTALTUNG<br />
FÜHRT ZU<br />
ERWÜNSCHTEM<br />
VERHALTEN<br />
Ein umfassendes Modell, bei dem<br />
Design im Straßenverkehr zum Einsatz<br />
kommt, sind Gemeinschaftsstraßen –<br />
ein Sammelbegriff, der aufgrund der<br />
relativen Neuartigkeit des dahin terliegenden<br />
Konzeptes gern verwendet<br />
wird. Er steht für mehrere ähnliche<br />
Modelle, bei dem unterschiedliche<br />
Verkehrsteilnehmer Flächen gemeinsam<br />
nutzen können (siehe Infobox).<br />
Dabei steht bei Shared Spaces die<br />
Sicherheit im Vordergrund; beim so<br />
genannten Modell der Koexistenz<br />
geht es um das flüssige Vorankommen<br />
aller Verkehrsteilnehmer; bei Begegnungszonen<br />
liegt der Fokus auf<br />
der gesteigerten Aufenthaltsqualität<br />
auf der jeweiligen Straße, die zum<br />
Verweilen einladen soll. Allen Modellen<br />
liegt zugrunde, dass die jeweilige<br />
Zone überwiegend durch ihre Gestaltung<br />
suggeriert, welches Verhalten<br />
erwünscht und angebracht ist.<br />
UNSICHERHEIT<br />
ERHÖHT<br />
SICHERHEIT<br />
Essenziell ist die Oberflächengestaltung<br />
der Verkehrsräume, die eine gewisse<br />
Struktur aufweisen: Die Übergänge<br />
der Flächen sind sanft und frei<br />
von schroffen Randsteinen, damit der<br />
Eindruck einer ungeteilten Fläche erhalten<br />
bleibt. Die Fahrbahn sollte<br />
zwar Platz für entgegenkommende<br />
LKW bieten, durch farbliche Gestaltung<br />
jedoch eng erscheinen, damit<br />
Fahrzeuglenker ihre Geschwindigkeit<br />
reduzieren. Auch visuelle Barrieren<br />
wie zum Beispiel die quer zur<br />
Fahrtrichtung verlaufenden, andersfarbigen<br />
Streifen wie jene des Grazer<br />
Sonnenfelsplatzes oder die Rhomben<br />
auf der Londoner Exhibition Road<br />
wirken bremsend. Fußgänger dürfen<br />
überall queren. Der Ansatz funktioniert<br />
auch deshalb, weil fehlende Verkehrszeichen<br />
zu einer gewissen Unsicherheit<br />
bei den Menschen führen. Paradoxer<br />
weise steigert diese wiederum<br />
die Umsichtigkeit und gegenseitige<br />
Rück sichtnahme, weshalb die Sicherheit<br />
schlussendlich erhöht wird. Auch<br />
entwickeln Verkehrsteilnehmer gegen<br />
intuitiv Erfassbares kaum Widerstand,<br />
gegen <strong>Regeln</strong>, die sie als solche<br />
empfinden und befolgen müssen,<br />
eher schon. Und Hans Monderman,<br />
als Erfinder des Shared Space einer<br />
der Pioniere der Gemeinschaftsstraßen,<br />
postulierte, dass die übermäßige<br />
Regulierung des Verkehrs dazu führe,<br />
dass sich Verkehrsteilnehmer ihrer<br />
Verantwortung entledigt sähen. Ohne<br />
Regelung durch Ampeln und Schilder<br />
aber müsse man die Verantwortung<br />
wieder selbst wahrnehmen.<br />
DESIGN KANN<br />
ANGSTRÄUME<br />
REDUZIEREN<br />
Neben der Bodengestaltung innerhalb<br />
von Gemeinschaftsstraßen vermittelt<br />
die sogenannte Möblierung<br />
<strong>Regeln</strong> gleichsam intuitiv: Bänke und<br />
Pflanzen laden zum Verweilen ein, die<br />
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