13.06.2015 Aufrufe

Platon - Politeia - Huber-tuerkheim.de

Platon - Politeia - Huber-tuerkheim.de

Platon - Politeia - Huber-tuerkheim.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Platon</strong>: <strong>Politeia</strong><br />

chend – nämlich erst wissenschaftlich und noch nicht philosophisch (dialektisch) –<br />

erfassten I<strong>de</strong>en. Hier wer<strong>de</strong>n die I<strong>de</strong>en noch isoliert für sich als einzelne, nicht aber im<br />

Lichte <strong>de</strong>s Ganzen thematisiert, d. h. sie wer<strong>de</strong>n als so und so beschaffene einfach<br />

vorausgesetzt, ohne dass die Konstitution je<strong>de</strong>r einzelnen durch das Ganze aller I<strong>de</strong>en<br />

schon reflektiert wür<strong>de</strong>, das doch die Voraussetzung ist für das Dasein und das Verstehens<br />

je<strong>de</strong>r einzelnen I<strong>de</strong>e. In dieser Vergessenheit <strong>de</strong>r Voraussetzungen entspricht<br />

<strong>de</strong>r einzelne Sonnelichtschatten bzw. das einzelne Sonnenlichtbild <strong>de</strong>r Sphäre <strong>de</strong>r<br />

Wissenschaft im Liniengleichnis.<br />

D. Die Wesen selbst stehen für die philosophisch, d. h. im Lichte <strong>de</strong>s Ganzen erfassten<br />

I<strong>de</strong>en <strong>de</strong>s Liniengleichnisses. Das Betrachten z. B. <strong>de</strong>s Löwen selbst (<strong>de</strong>r I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s<br />

Löwen, nicht bloß diesen o<strong>de</strong>r jenen empirischen Löwen) ist ein Sinnbild für eine Betrachtung,<br />

die <strong>de</strong>n gesamten Daseinskreis <strong>de</strong>s Löwen, seine Verflechtung in alle Kontexte<br />

(sein Selbstsein, seine Ästhetik, seine Symbolik, seine Herkunft, seine ökologischen<br />

Funktionen, seine Darstellung in <strong>de</strong>r Kunst, seine zu achten<strong>de</strong> Wür<strong>de</strong> als Geschöpf,<br />

das nicht von Gna<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Menschen lebt) erfasst und synoptisch zusammenschaut.<br />

Der „Löwe selbst“ ist <strong>de</strong>r Löwe, wie er nicht nur aus dieser o<strong>de</strong>r jener Perspektive,<br />

unter dieser o<strong>de</strong>r jener Metho<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn insgesamt und in <strong>de</strong>r ganzen Ordnung<br />

all <strong>de</strong>r Momente erfasst, die das Löwesein im Gesamtkontext <strong>de</strong>s Seins überhaupt<br />

ausmachen. Erst wenn <strong>de</strong>r Blick das Einzelne sieht, dieses aber nicht isoliert für<br />

sich, son<strong>de</strong>rn im Horizont <strong>de</strong>s „Himmels“ (516 ab) erfasst, kann erkannt wer<strong>de</strong>n, dass<br />

alle Dinge in einem einzigen Licht zusammenhängen und durch dasselbe Licht je<strong>de</strong>s<br />

einzelne als es selbst und alle in ihrem Zusammenhang verstehbar wer<strong>de</strong>n.<br />

E. Hängen die vielen Einzelwesen in <strong>de</strong>m einen Licht zusammen, so ist es <strong>de</strong>r eine Urgrund<br />

dieses Lichts – die Sonne selbst –, welche sich selbst und die Fülle ihrer Kraft<br />

in <strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>r einzelnen Wesen und Dinge manifestiert. Die Sonne <strong>de</strong>s Höhlengleichnisses<br />

entspricht <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s Guten im Liniengleichnis.<br />

Erst D. und E. zusammen in ihrer gleichzeitigen Gegenläufigkeit machen die philosophische<br />

Gesamtschau <strong>de</strong>r Welt aus: Das Einzelne führt zum Urgrund <strong>de</strong>s Ganzen, <strong>de</strong>r Urgrund<br />

<strong>de</strong>s Ganzen zeigt sich als Welt einzelner und zusammenhängen<strong>de</strong>r Dinge – zu einem Ganzen<br />

freilich, das we<strong>de</strong>r vollkommen <strong>de</strong>utlich noch material o<strong>de</strong>r hinsichtlich <strong>de</strong>r Mannigfaltigkeit<br />

seiner Perspektiven abgeschlossen gegeben sein kann.<br />

Die Weisen <strong>de</strong>s Weltverstehens 83<br />

(62) Das Höhlengleichnis kennt drei Weisen <strong>de</strong>s Weltverstehens: Die Verstehensweise in<br />

<strong>de</strong>r Höhle, die Verstehensweise <strong>de</strong>s Aufstiegs und schließlich die Verstehensweise <strong>de</strong>s offenen<br />

Raumes <strong>de</strong>r im Sonnenlicht gelegenen Welt im Licht außerhalb <strong>de</strong>r Höhle.<br />

[a]<br />

Die Höhlenschatten repräsentieren die gesamte Wirklichkeit, wenngleich un<strong>de</strong>utlich<br />

und unreflektiert. In <strong>de</strong>n Schatten sind die Bil<strong>de</strong>r und die sie tragen<strong>de</strong>n Menschen<br />

(und an<strong>de</strong>ren natürlichen Wesen) am Werk, und die natürlichen Wesen (samt <strong>de</strong>n artefaktebil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Menschen) existieren und wirken nur vermöge <strong>de</strong>r Sonne. So sind in<br />

<strong>de</strong>n Schatten implizit alle Bereiche <strong>de</strong>s Wirklichen präsent.<br />

Die Höhle ist <strong>de</strong>r Bereich <strong>de</strong>s intuitiven unmittelbares Sinnverstehens. Hierbei han<strong>de</strong>lt<br />

es sich um die menschliche Alltagspraxis, die auf unreflektierte Ziele fixiert ist<br />

83 <strong>Huber</strong> 2006, §§ 156-175<br />

46

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!