DER CHOR DER HOFFNUNG
DER CHOR DER HOFFNUNG
DER CHOR DER HOFFNUNG
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Titelfoto: Wolfgang Schmidt zur Reportage: «Der Chor der Hoffnung – von der Straße auf die Bühne»<br />
06 2011<br />
ENDE <strong>DER</strong> EISZEIT<br />
Vor zwei Jahren fragte mich einer unserer Autoren, wie ich denn konkret die nächste Zukunft einschätzte.<br />
Solche Fragen haben einen großenVorzug:Was man auch sagt – irgendetwas davon tritt in<br />
irgendeiner Form immer ein.<br />
Meine Antwort war damals recht pessimistisch und enttäuschte meinen Gesprächspartner. Er hatte<br />
erwartet, dass ich seine Sicht der Dinge teilte:Wir befänden uns kurz vor gewaltigen gesellschaftlichen<br />
Umbrüchen und Durchbrüchen, die Menschen würden zunehmend aufwachen und ihr<br />
Schicksal selbst in die Hände nehmen. Ich dagegen wies auf die sinkende Popularität der «Grünen»<br />
hin, die großen Aufbruchbewegungen der Sechziger- und Siebzigerjahre seien verebbt, auch<br />
Obama werde rasch an seine Grenzen gelangen, die junge Generation suche heute eher die<br />
bürgerlichen Sicherheiten als das Experiment und so weiter – kurzum: Es sei nicht die Zeit für<br />
kulturelle Revolutionen.<br />
So kann man sich täuschen! Innerhalb weniger Jahre haben sich überall in der Welt Impulse durchgesetzt,<br />
die mit unaufhaltsamer Macht erstarrte, über Jahrzehnte gewachsene Strukturen aufbrachen und<br />
wegfegten. Regierungen änderten unter dem Druck solcherVolksbewegungen innerhalb wenigerTage<br />
ihren Kurs oder traten ab. Überzeugungen und knallharte Lobby-Bollwerke schmolzen dahin wie<br />
Schnee an der Sonne.Aufgebrachte Bürger bringen Technokraten und Besserwisser zum Schwitzen.<br />
Auffallend: Bei all dem ist Wärme und Feuer im Spiel. Nicht nur im menschlich-seelischen<br />
Bereich, sogar die Natur mobilisiert durch Klimawandel und Vulkanismus ihr verborgenes<br />
Wärmepotenzial. Wenn so viel Feuer frei wird, geht alles sehr schnell. Selbst das, was der Arzt<br />
Matthias Girke in diesem Heft als die «weiteste Wegstrecke auf diesem Planeten» bezeichnet – der<br />
mühsame Weg vom theoretischen Wissen bis zur konkreten Tat – wird plötzlich in Rekordzeit<br />
bewältigt.<br />
«Flamme bin ich sicherlich», so endet Friedrich Nietzsche sein Gedicht Ecce homo und definiert so<br />
den Kern des Menschen als ein aktives, alles verwandelndes Wärmewesen. Lassen wir uns von<br />
dieser Kraft der Wärme, die Erstarrtes in Bewegung bringt, befeuern, werden sich auch gesellschaftliche<br />
Eiszeiten (die unausweichlich eintreten müssen) überstehen lassen.<br />
Mit besten Sommergrüßen aus Stuttgart<br />
Frank Berger<br />
editorial 03<br />
Liebe Leserinnen,<br />
liebe Leser,