Als Spross einer italienischen Unternehmerfamilie hat Matteo di ...

IdealesHEIM im Mai 2009 „Industrie Design“
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Professionell: Matteo
di Montezemolo,
getroffen im Poltrona-
Frau-Showroom
an der Via Moscova.
Kurzbiografie
Matteo di Montezemolo, geboren
1977 in Turin, ist verheiratet und hat
ein Kind. Er war für Ferrari, Acqua di
Parma und zuletzt Tommy Hilfiger
tätig. 2003 gründete er mit seinem
Vater Luca die Gruppe Charme
Investments, zu der die Poltrona
Frau Group und das Kaschmir-Label
Ballantyne gehören.
Montezemolo
Industrie Design
Als Spross einer italienischen Unternehmerfamilie
hat Matteo di Montezemolo Designkultur im Blut.
IdealesHEIM hat sich mit ihm über Möbelmarken, die
Mailänder Messe und die Krise unterhalten.
Text: Hans Georg Hildebrandt Porträt: Maurice Haas
Keine Fragen über Privates, so
lautete die Vorgabe für das
Interview mit Matteo di Montezemolo,
dem Delegierten des
Verwaltungsrates der Investmentgesellschaft
Charme Investments in der
Poltrona Frau Group und Vizepräsidenten von
Poltrona Frau. Zeit für Privates blieb auch keine
während des Treffens im Mailänder Showroom
des Labels aus dem süditalienischen Tolentino.
Matteo di Montezemolo präsentiert sich als
ebenso ernsthafter wie engagierter Geschäftsmann,
der über Zahlen und Profile der Labels
in seiner Gruppe präzise und rasch Auskunft
News 2009: Fronzoni
Color, von A. G.
Fronzoni für Cappellini.
Sixties-Klassiker in
ganz neuen Farben.
geben kann. Matteo ist der Sohn von Luca
Cordero di Montezemolo, 62, einem der einflussreichsten
Persönlichkeiten Italiens. Luca
di Montezemolo wurde 1991 Chef von Ferrari,
1997 wurde er an die Spitze von Maserati berufen.
Die Investmentgesellschaft Charme ist
ein Vorhaben von Vater und Sohn, realisiert mit
zusätzlichen Finanzen aus den besten Kreisen
Italiens. Charme brachte die Poltrona Frau
Group im Jahr 2006 an die Mailänder Börse,
aber unter keinem guten Stern. Trotz gutem
Geschäftsgang dümpelt die Aktie der Poltrona
Frau Group heute 70 Prozent unter dem Wert
am Erstverkaufstag.
News 2009: «Scratch»
von Patrick Norguet
für Cappellini.
Kontraste zwischen
hart und weich.
Matteo di Montezemolo, die Poltrona Frau
Group scheint sehr verschiedene Markenhersteller
zu umfassen. Wie passen diese
unterschiedlichen Labels zusammen?
Wir haben vor fünf Jahren eine klare Strategie
festgelegt, als wir Poltrona Frau aufkaufen
konnten. Dabei handelt es sich um eine klassisch-moderne,
aber zeitgemässe Marke im
hochwertigen Bereich. Wir wollten diese Marke
mit weiteren Brands ergänzen, um das Angebot
zu vergrössern. Dafür brauchten wir etwas
Gegensätzliches – und fanden es in Cappellini.
Das ist reine Modernität, das ist auch der Name,
unter dem die Gruppe mit heutigen Designern →

IdealesHEIM im Mai 2009 „Industrie Design“
Komfort: Freundlicher
Empfang auf Modell
«Chester» (ca. CHF
14 500), einem Top-
Seller der Kollektion.
Matteo di Montezemolo: „Viele kleine
Hersteller werden nicht überleben können.“
→ arbeitet. Anschliessend wollten wir etwas
in der Mitte platzieren. Das war Cassina. Diese
Marke repräsentiert die Entwicklung der italienischen
Design-Industrie seit dem Zweiten
Weltkrieg bis heute. Cassina besitzt die Rechte
an der Kollektion I Maestri, in der einige der
wichtigsten Designs überhaupt zusammengefasst
sind. Wir haben uns übrigens zu keiner
Zeit gefragt, was man gerade kaufen kann,
sondern wir gingen nach dem Kriterium vor, was
am besten zu Poltrona Frau passen würde.
Welche Position hat denn das Label Alias in
diesem Markenfächer?
Dieses Label war Teil der Übernahme von
Cassina. Bei Alias geht es um Technologie, um
die Arbeit mit Fiberglas, Stahl und Aluminium.
Bei Alias haben wir ausserdem vor zwei Jahren
die Outdoor-Kollektion lanciert, mit der Design
erstmals auch so ausgeführt wurde, dass
man es ganzjährig draussen lassen kann. Hier
haben wir eine Menge wichtiges Know-how erschlossen.
(Diese Kollektion wurde zu grossen
Teilen von Alfredo Häberli entworfen; Red.)
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Wie kam es, dass diese Marken auf dem
Markt waren, als Sie Ihr Portfolio zusammenstellten?
Das war nicht der Fall. Wir haben uns nach der
Übernahme von Poltrona Frau mit den Besitzern
jeder einzelnen Marke zusammengesetzt
und sie davon überzeugt, dass wir die richtigen
Partner für sie sind. Also einerseits mit Giulio
Cappellini und andererseits mit den damaligen
Besitzern von Cassina, einer französischen
Investorengruppe.
Giulio Cappellini arbeitet noch für Sie, richtig?
Ja, er ist für die Produktentwicklung und das
Marketing verantwortlich und Mitglied eines
strategischen Komitees auf Gruppenstufe.
Wie haben Sie die Besitzer überzeugt?
Jeder Hersteller weiss heute, dass Grösse ein
wichtiger Faktor ist, wenn man Erfolg haben
will. Der Konsolidierungsprozess in der Designbranche
ist noch lange nicht abgeschlossen
und kleine Hersteller hochwertiger Markenmöbel,
die zwischen zwanzig und sechzig
Millionen Euro umsetzen, haben wenig Chancen,
dem steigenden Kostendruck die Stirn zu
bieten. Sie werden keine Möglichkeit haben,
um in neue Technologie zu investieren, und sie
werden keine Chance haben, Synergien mit anderen
Marken zu nutzen. Deshalb ist es richtig,
mehrere Labels zusammenzufassen und so
Kosten zu sparen. Ich kann Ihnen sagen, dass
es weitere grosse Konsolidierungen geben wird
– es wird in fünf Jahren auch nur noch vier oder
fünf Fluglinien und vier oder fünf Automarken
geben.
Nehmen Sie Einfluss auf Entscheidungen im
Bereich des Designs?
Da gibt es bessere Leute als mich. Aber ich will
immer ganz genau verstehen, wie die einzelnen
Marken positioniert sind, was Strategie und
Verkäufe angeht. Und ich will auch Bescheid
wissen, ob die jeweiligen Designer die Visionen
für die einzelnen Marken verstehen.
Wie bringen Sie die früheren Designs und
die neuen Kreationen der einzelnen Marken
News 2009: Skizze für
«Archibald» von
Jean-Marie Massaud
für Poltrona Frau.
zusammen, ohne im Profil unklar oder
rückwärtsgewandt zu werden?
Bei Poltrona Frau ist das kein Problem. Wir
nehmen jedes Jahr eines der alten Designs,
aktualisieren es und bringen es neu auf den
Markt. Dies Marke besteht seit 1912, es
besteht kein Mangel. Aus diesem Erbe ergibt
sich auch das Profil der Marke für die Zukunft.
Bei Cassina haben wir die Kollektion I Maestri,
wo nur etwa alle fünf Jahre ein neues Produkt
dazukommt. Die Aufgabe dieser Marke ist es,
perfekte Designs und perfekte industrielle
Fertigung zu bieten. Avantgardistisch zu sein,
ist die Aufgabe von Cappellini und Alias.
Wie beurteilen Sie den Entscheid, die
Poltrona Frau Group an die Börse zu bringen?
Es war richtig, weil Design eine Industrie werden
muss. Unsere doppelte Aufgabe in diesem
Prozess ist es, einerseits Design und Italien als
Industriestandort für das Publikum weiterhin
attraktiv wirken zu lassen. Aber die Industrialisierung
ist ebenso wichtig, weil es sonst
kein Design made in Italy mehr geben wird.
Dass ein Teil der Aktien an der Börse gehandelt
wird, bringt andererseits den nötigen Druck,
um jederzeit transparent zu bleiben und die
Kosten tief zu halten. Natürlich ist es schade,
dass der Kurs so tief ist. Die Gruppe ist derzeit
unterbewertet.
News 2009: «Polo»
von Piero Lissoni für
Poltrona Frau.
Warum stellten Sie einen Manager als CEO
ein, der zuvor bei Coca-Cola gearbeitet hat?
Der neue CEO hat die Aufgabe, im Hintergrund
der einzelnen Marken Synergien nutzbar
zu machen, also beispielsweise im Bereich
des Einkaufs oder der Logistik. Wir müssen
in Bereichen Einsparungen vornehmen, in
denen der Kunde nichts davon merkt, denn die
Labels sollen im Vordergrund so unabhängig
wirken, wie sie tatsächlich sind. Als Coca-Cola-
Manager hat unser neuer CEO zum Beispiel die
Anzahl Produktionsstandorte in Italien von 22
auf 8 reduziert. Er versteht auch die Notwendigkeit,
die Unterschiede der einzelnen Marken
noch deutlicher herauszuarbeiten.
Wie stellen Sie sich der Krise entgegen?
Wir werden dank unserer Grösse überleben.
Natürlich machen wir im Moment keine Pläne,
um 20 Prozent zu wachsen oder Ähnliches.
Aber wir schaffen es dank gutem Management,
Geld zu sparen und ohne Verluste durch die
Krise zu kommen.
Im Moment suchen viele Hersteller ihr Heil
im Contracting-Geschäft.
Diese antizyklische Eigenschaft des Contracting
ist wichtig. Es entspricht rund 30 Prozent
unseres Umsatzes. Ausserdem hat die Gruppe
für alle Bedürfnisse etwas zu bieten. Derzeit
News 2009: «Eve»
von Piero Lissoni für
Cassina. Hochwertige
Stahl-Leder-Arbeit für
jeden Zweck.
arbeiten wir Aufträge ab, die vor zwei Jahren
erteilt wurden. Contracting ist für uns aber
strategisch nicht entscheidend.
Es fällt auf, dass die Poltrona Frau Group
mit keinem ihrer Labels an der Mailänder
Messe vertreten ist. Weshalb?
Wir sind mit der Organisation der Messe nicht
zufrieden. Es fängt mit der Erschliessung an:
Die vollen Züge am Morgen sind niemandem
zuzumuten. Und am Abend müssen wir um
sechs Uhr schliessen, dabei suchen wir eine
Gelegenheit, uns auch abends um die Kunden
zu kümmern. Wir haben uns deshalb ganz
in die Stadt Mailand verlegt und zeigen die
Neuheiten in einem gemeinsamen Showroom
sowie in den einzelnen Geschäften, die wir in
der City ohnehin haben.
Wird Europa seine führende Stellung im
Design behalten können?
Wir dürfen sicher nicht schläfrig werden.
Europa war immer sehr einflussreich, was den
Osten angeht. Aber es gibt dort zunehmend
Konkurrenz – weniger in China, wo es immer
um den Preis geht. Aber persönlich sehe ich
in Indien eine sehr spannende Designbranche
entstehen, die man beobachten muss. Wovor
ich gar keinen Respekt habe: vor Unternehmen,
die kopieren. n

IdealesHEIM im Mai 2009 „Industrie Design“
Marken-Sammlung
Unter dem Namen „Poltrona Frau Group“ haben
Luca und Matteo di Montezemolo einen ganzen
Fächer spannender Marken vereint. Dabei wurde
Wert auf unverwechselbare Profile gelegt.
Gufram
Einerseits ist die Marke
für ihre gewagten
Multipli-Kreationen aus
Schaumstoff (Kaktus,
Lippen-Sofa) bekannt.
Andererseits ist sie mit
Sitzgelegenheiten für
öffentliche Räume ein
strategisch wichtiger
Umsatzbringer.
Gebrüder
Thonet
Vienna
Wiener Schmäh. Die
Marke profitiert von
handwerklicher Tradition
(Bugholz) und ist in Wien
domiziliert. Nicht zu verwechseln
mit Thonet im
deutschen Frankenberg
(Trennung der Firmen
wegen Kriegswirren).
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Poltrona
Frau →
Verkörperte Tradition:
Die Traditionsmarke gibt
es seit 1912, Handarbeit
dominiert nach wie vor.
Angesichts des Aufwandes
sind die Preise
für die hochwertigen
Frau-Möbel durchaus
vertretbar. In der Regel
eher konservative Looks.
← Cappellini
Trendsetter. Detailversessen
und von hoher
Qualität, ist Cappellini
der Name in der Gruppe,
welcher für typisch italienisches
Design steht –
verspielt und freundlich,
immer wieder für Hits
gut. Bild: «Stitch» von
Adam Goodrum.
← Alias
Das Techno-Label der
Gruppe, mit Leichtigkeit
und Technologie-Kompetenz
als wichtigsten
Merkmale. Pionier für
das Geschäft mit dem
Outdoor-Design. Hier
Modell «Ghisa», Gusseisen,
Design Riccardo
Blumer, Matteo Borghi.
Nemo
Die Licht-Quelle. Wer
einen kompletten
Markenfächer anbieten
will, muss auch Licht anbieten.
Die Marke Nemo
gilt als Untermarke von
Cassina und besitzt die
Rechte an der Kollektion
«Sirrah», vorher iGuzzini.
Schwergewicht auf
Objekteinrichtung.
← Cassina
Legenden. Die Kollektion
I Maestri umfasst
einige der wichtigsten
Entwürfe von internationalen
Designern
wie Le Corbusier (Bild),
Mackintosh, F. L. Wright
und vielen mehr. Die Kollektion
I Contemporanei
sammelt die Entwürfe
heutiger Kreativer.
Leserdienst 118