40 Zoom Jamaika auf der Lechleite Das Open Air „Reggae in Wulf“ dauert dieses Jahr zum ersten Mal drei Tage
Es dürfte nicht allzu viele Fußballvereine geben, die ihre Jahresfeier als Reggae-Open-Air gestalten. Ein Klub in Friedberg macht seit 15 Jahren - mit kurzer Unterbrechung - genau das. Im Jahr 2000 sollte das 30. Vereinsjubiläum des SV Wulfertshausen würdig begangen werden, doch statt Bierzelt und Kastelruther Spatzen wünschten sich die jungen Mitglieder einen Reggaeabend – und setzten sich durch. Mit zwei lokalen Bands und einem Soundsystem wurde die Veranstaltung trotz Dauerregens ein Riesenerfolg und die Geschichte von „Reggae in Wulf“ nahm ihren Lauf. 2004 setzten die Veranstalter mit dem Gastspiel der jamaikanischen Kultband Culture ein erstes großes Highlight und beschlossen, das Fest auf zwei Tage auszuweiten. Dieses Jahr wagt sich der Verein zum ersten Mal an ein dreitägiges Open Air. Nur eine Sache bleibt gleich: Der Gewinn fließt wie bei der ersten Ausgabe in die Jugendarbeit des Vereins. „Wulfertshausen ist immer noch eine Reggaehochburg“, sagt Markus Friedrich, bei „Reggae in Wulf“ verantwortlich für die Bandauswahl und von Anfang an dabei. Der 42jährige Speditionskaufmann organisierte bereits in den Neunzigern Reggaepartys im Sportheim, teilweise mit dem jetzigen Mitbetreiber der Mahagoni Bar, Claus Wiedemann. „Zwar sind in der Organisation zum größten Teil noch wir ‚Alten’ aktiv, aber der Nachwuchs mischt bereits kräftig mit.“ Und nicht nur das, die Mannschaft rekrutiert sich nach wie vor komplett aus dem Vereinsregister und allen Alterschichten. Lechhausen calling Die Historie hat aber nicht nur Sonnenseiten, irgendwann wurde dem Open Air sogar der Spitzname „Regen in Wulf“ angehängt, weil man regelmäßig mit Wetterunbilden konfrontiert war, denen die Fans aber Jahr für Jahr tapfer trotzten, sonst würde es das Festival wohl längst nicht mehr geben. 2009 stand man allerdings tatsächlich kurz davor, die Sache zu begraben. „Dass wir Polizei auf dem Gelände haben, ist für uns kein Problem“, erzählt Markus. „Vor sechs Jahren wurden die Kontrollen aber doch etwas übertrieben aus unserer Sicht, mit einem relativ harmlosen Ergebnis, das hat die ganze Festivalgemeinde verunsichert.“ Den „schlechten Touch“ musste man erst mal abschütteln, bevor’s im Jahr 2012 weiterging. Mittlerweile haben sich die Kontakte zu den Ordnungsbehörden und der Stadt Friedberg so weit verbessert, dass das Festival in einem gewissen Rahmen unterstützt wird und sich auch Bürgermeister Roland Eichmann als Fan geoutet hat. Warum der erfolgreiche Event noch nicht vom Stadtmarketing entdeckt wurde, ist sowieso ein Rätsel. Da mussten wohl beide Seiten umdenken, die Anbindung ans „Dorf“ (Wulfertshausen liegt etwa zwei Kilometer von Friedberg entfernt und wurde 1978 eingegliedert) wird seit jüngstem mit reduzierten Eintrittspreisen forciert. Probleme macht aber auch der „große Nachbar“: Im nahezu baumlosen Moos zwischen den Steilhängen der Lechleite und den Stadtgrenzen <strong>Augsburg</strong>s liegt nur die Friedberger Ach, je nach Windlage dringen die Klänge direkt in die Fuggerstadt . „Die meisten Beschwerden kommen aus Lechhausen“, erzählt Markus. Barfuß tanzen „Reggae in Wulf“ ist ein Festival, das auch nach 15 Jahren noch durch den Einsatz von rund 80 Ehrenamtlichen getragen wird und seine Besonderheit aus dem Vereinshintergrund schöpft. Die bis zu 750 Campinggäste nutzen die sanitären Einrichtungen im Sportheim, der Samstagnachmittag für Familien ist seit Jahren fester Bestandteil. Um dem Festivalgelände auf dem Vereinsparkplatz ein karibisches Flair zu verpassen, werden jedes Jahr mehrere Lkw-Ladungen Sand herangekarrt. Und auch hier haben die Wulfertshauser dazugelernt. „Wir benutzen zwei Sorten, die etwas feinere Form für den Bereich um die Bühne und einen etwas schwereren Sand um die Stände, damit’s nicht so auf die Schnitzelsemmel staubt“, sagt Markus und lacht. Angesichts der nun anstehenden, dreitägigen Ausgabe sind seine Mitstreiter und er wieder hochmotiviert: „Die letzten Jahre waren schon fast Routine, heuer ist alles ein bisschen anders.“ Der Sonntag ist ein Experiment, wenn auch mit einigermaßen sicherem Ausgang. Mit Hans Söllner und seinem Bayaman Sissdem haben die Jungs ein absolutes Zugpferd geholt, der Vorverkauf stimmt bereits mehr als hoffungsfroh. „Wir empfehlen, sich Karten im Vorfeld zu besorgen“, so Markus, „sonst könnte es sein, dass man vor verschlossenen Türen steht.“ Gut 1500 Zuschauern haben pro Tag auf dem Festivalgelände Platz, auf dem mit der „Rockers Corner“ 2014 zum ersten Mal eine zweite Area geschaffen wurde, mit DJs, Soundsystems und Lagerfeuer. „Bei uns spielt keine Band, die uns nicht gefällt“ An einer Besonderheit wollen die Wulfertshauser aber nicht schrauben: Drei bis vier Bands pro Abend sind im Vergleich zu anderen Festivals eher wenig. „Das stimmt, aber nachmittags ist der Publikumszuspruch erfahrungsgemäß eher gering, dafür spielen die Bands bei uns 75 bis 90 Minuten statt einer halben oder Dreiviertelstunde“, erklärt Markus. Das erhöht im Umkehrschluss die Verantwortung des Bookers. „Bei uns spielt keine Band, die uns nicht gefällt“, sagt Markus selbstbewusst. „Wir drücken damit unseren Von 31. Juli bis 02. August wird das Vereinsgelände im Friedberger Stadtteil Wulfertshausen wieder zum familienfreundlichen Paradies für Rastafaris – zum Finale am Sonntag kommt Hans Söllner. Geschmack aus, versuchen aber auch, möglichst viele Facetten des Genres anzuspielen.“ Umso größere Probleme bekommt man freilich bei der kurzfristigen Absage eines Künstlers, was zum Glück noch nicht oft vorgekommen ist. „20<strong>07</strong> konnte Yellowman nicht anreisen, weil in London der Flughafen gesperrt war. Wir haben in kürzester Zeit Ersatz aus Frankfurt geholt und die <strong>Augsburg</strong>er One Drop Band war sowieso auf dem Festival.“ Bei „Reggae in Wulf“ sind die Bands also wirklich handverlesen und dass dieses Händchen oftmals ein glückliches ist, beweist nicht zuletzt der Aachener Sänger Sebastian Sturm, der 20<strong>07</strong> als Newcomer in Wulfertshausen gastierte und <strong>2015</strong> als Co-Headliner zurückkehrt. Den Finalsonntag hat man ausgehend von Stargast Hans Söllner zum bayerischen Tag gemacht mit den Mundart-Künstlern Mista Wicked aus Rosenheim und den Kemptnern Losamol. Um den Erfolg nicht zu gefährden, sprechen sich die Veranstalter auch mit anderen Events in der Region ab: „Wir sind in Kontakt mit dem ‚Sunrise’ in Burtenbach, dem ‚Riding Higher’ in Odelzhausen, dem ‚Keep It Real Jam’ in Pfullendorf und dem ‚Afrika Karibik Fest’ in Wassertrüdingen“, erzählt Markus. Man schöpft aus derselben Publikumsquelle und wirft klugerweise keine Steine rein. Und regelmäßig begrüßen die Wulfertshauser sogar Gäste aus Städten wie Frankfurt oder Bremen, „das sind aber Ausreißer, die meisten kommen schon aus einem Umkreis von vielleicht 200 Kilometern.“ Und nun zum Wetter Einem gelungenen „Reggae in Wulf“ steht also auch in seiner 14. Ausgabe <strong>2015</strong> nichts im Weg. Oder? Ach ja, da war ja noch was: das Wetter. Der hundertjährige Kalender sagt für das letzte Juliwochenende ganz prosaisch: „Es ist schön warm, zeitweise sogar heiß.“ Noch Fragen? (flo) DAS LINE-UP <strong>2015</strong> Freitag, 31.<strong>07</strong>., ab 17.30 Uhr: Rootz Radicals Sebastian Sturm & Exile Airline Anthony B & Bornfire Band Samstag, 01.08., ab 16.15 Uhr: Unlimited Culture The Steadytones Jah Sun & House of Riddim Mr Vegas & 330 Madness Band Sonntag, 02.08., ab 14.00 Uhr: Losamol Mundart Mista Wicked & Band Hans Söllner & Bayaman Sissdem Tickets & Info unter: www.reggae-in-wulf.de