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militär AKTUELL 2 2015

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WELTGESCHEHEN<br />

Aktuelle Konflikte,<br />

Krisen und<br />

Analysen — S. 8<br />

<strong>militär</strong><br />

KATASTROPHENHELFER<br />

Brigadier Alois<br />

Hirschmugl im<br />

Interview — S. 20<br />

FALLSCHIRMSRINGEN<br />

Militär Aktuell tritt<br />

zum Rundkappen-<br />

Basiskurs an — S. 36<br />

DAS NEUE<br />

ÖSTERREICHISCHE<br />

MILITÄRMAGAZIN<br />

AUSGABE 2|15<br />

EURO 3,80<br />

<strong>AKTUELL</strong><br />

GENERAL I. R. HORST PLEINER:<br />

„Das Heer sollte sich<br />

nicht auf Katastrophenhilfe<br />

und Assistenzeinsätze<br />

beschränken!“ — S. 40<br />

DROHNEN-PIONIER HANS G. SCHIEBEL:<br />

„Wir sind auf der ganzen<br />

Welt präsent, und das sehr<br />

erfolgreich!“ — S. 46<br />

Militär Aktuell zu<br />

Besuch im Gebirgskampfzentrum<br />

in<br />

der Anton-Wallner-<br />

Kaserne.<br />

BUNDESHEER-SEILSCHAFT<br />

Gipfelstürmer


WELTGESCHEHEN<br />

Aktuelle Konflikte,<br />

Krisen und<br />

Analysen — S. 8<br />

<strong>militär</strong><br />

KATASTROPHENHELFER<br />

Brigadier Alois<br />

Hirschmugl im<br />

Interview — S. 20<br />

FALLSCHIRMSRINGEN<br />

Militär Aktuell tritt<br />

zum Rundkappen-<br />

Basiskurs an — S. 36<br />

DAS NEUE<br />

ÖSTERREICHISCHE<br />

MILITÄRMAGAZIN<br />

AUSGABE 2|15<br />

EURO 3,80<br />

<strong>AKTUELL</strong><br />

GENERAL I. R. HORST PLEINER:<br />

„Das Heer sollte sich<br />

nicht auf Katastrophenhilfe<br />

und Assistenzeinsätze<br />

beschränken!“ — S. 40<br />

DROHNEN-PIONIER HANS G. SCHIEBEL:<br />

„Wir sind auf der ganzen<br />

Welt präsent, und das sehr<br />

erfolgreich!“ — S. 46<br />

Militär Aktuell zu<br />

Besuch im Gebirgskampfzentrum<br />

in<br />

der Anton-Wallner-<br />

Kaserne.<br />

BUNDESHEER-SEILSCHAFT<br />

Gipfelstürmer


E D I T O R I A L<br />

0 0 3<br />

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER<br />

D<br />

ie Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer<br />

hat sich in den vergangenen Monaten<br />

dramatisch zugespitzt. Schon Anfang Juni<br />

hat die Zahl der seit Jahresbeginn in Italien<br />

eingetroffenen Flüchtlinge die Marke von<br />

50.000 überschritten, Tausende weitere<br />

sind beim Versuch gestorben, mittels Booten nach Europa<br />

zu gelangen. Mit einer Militärmission will die Europäische<br />

Union nun der tragischen Entwicklung gegensteuern<br />

und das Schleusen von Flüchtlingen über das Mittelmeer<br />

unterbinden. Ob der unter dem Kommando von Konter -<br />

admiral Enrico Credendino stehende Marineeinsatz allerdings<br />

das Problem an der Wurzel packen und damit eine<br />

Besserung der Ist-Situation bewirken kann, darf bezweifelt<br />

werden. Menschenrechtsaktivisten wie Pro-Asyl-Geschäftsführer<br />

Günter Burkhardt kritisieren die entsprechenden<br />

Pläne jedenfalls vollinhaltlich, Militärs wie Bundeswehr-<br />

Generalinspekteur Volker Wieker gehen sie in ihrer ersten<br />

und zweiten Phase (und für alles darüber hinaus braucht<br />

es ein zu Redaktionsschluss nicht absehbares UN-Mandat)<br />

nicht weit genug. „Die Schlepperbanden wird man langfristig<br />

nur beherrschen können, wenn man die Ursache<br />

dieser Flüchtlingsströme bekämpft, und die liegen in Ländern<br />

wie Somalia oder Nigeria“, so Wieker. Wir haben uns<br />

des Themas im Rahmen unserer Rubik „Kontroverse“ angenommen,<br />

Meinungen dazu eingeholt und die geplanten<br />

Phasen der Marinemission – deren Startschuss mit Ende<br />

Juni erfolgen soll – zusammengefasst (ab Seite 16).<br />

Ähnlich brisant wie die Marinemission im Mittelmeer<br />

gestalten sich derzeit auch die Atomverhandlungen der<br />

UN-Vetomächte und Deutschland (5+1) mit dem Iran.<br />

Zwar wurde im April in Lausanne ein Grundsatzbeschluss<br />

gefasst, wie so oft spießt es sich aber nun bei den Details,<br />

die bis Ende Juni ausformuliert sein sollen. Explizit von<br />

den Gesprächen ausgenommen ist das von den iranischen<br />

Revolutionsgarden betriebene Programm ballistischer<br />

Mittelstreckenraketen – und nicht nur unser Autor Georg<br />

Mader (Analyse ab Seite 14) fragt sich, warum ein Land<br />

derartige Systeme benötigt, wenn sie nicht mit ABC-<br />

Sprengköpfen bestückt werden können?<br />

Darüber hinaus gibt es in dieser Ausgabe einiges zu entdecken:<br />

IFK-Experte Predrag Jureković analysiert die Einflussnahme<br />

Russlands am Westbalkan (ab Seite 10), mit Brigadier<br />

Alois Hirschmugl haben wir den Ablauf internationaler<br />

Katastropheneinsätze besprochen (ab Seite 20) und in<br />

unserer „Sicherheit & Wirtschaft“-Strecke (ab Seite 42)<br />

dokumentieren wir mit Steyr Motors und Drohnenhersteller<br />

Schiebel zwei ökonomische Erfolgsstorys in Rot-Weiß-<br />

Rot. Zudem haben wir dem Heereslogistikzentrum Wels<br />

(ab Seite 28) und dem Strategischen Führungslehrgang an<br />

der Landesverteidigungsakademie (ab Seite 34) Besuche<br />

abgestattet und mit General i. R. Horst Pleiner einen Bogen<br />

über 60 Jahre Bundesheer gespannt (ab Seite 40).<br />

Viel Spaß beim Lesen wünscht die Redaktion<br />

COV E R FOTO : W W W.W I L D B I L D. AT/ D O R I S W I L D FOTO : ST E FA N T E S C H<br />

GEWINNSPIEL – Fertig zum Absprung?<br />

Gemeinsam mit unserem Partner Steinadler verlosen wir einen Rundkappen-Basiskurs (Reportage<br />

dazu ab Seite 36) im Wert von 370 Euro bei der International Military Airborne Training School<br />

(IMATS) am ungarischen Flughafen Siófok-Kilit. Was du tun musst, um am Gewinnspiel teilzunehmen?<br />

Poste bis 31. Juli auf unserer Facebook-Seite www.facebook.com/militaeraktuell<br />

ein Foto von dir, das zeigt, warum gerade du den Basiskurs gewinnen solltest. Die fünf besten<br />

Fotos kommen ins Finale, und wer dann für sein Bild zwischen 1. und 10. August die meisten<br />

„Likes“ sammelt, gewinnt den Hauptpreis.<br />

ImPrESSum<br />

medieninhaber und Herausgeber:<br />

QMM Quality Multi Media GmbH,<br />

Beatrixgasse 32, A-1030 Wien<br />

FN 349501 y, UID:ATU65891526,<br />

Chefredaktion: Jürgen Zacharias,<br />

j.zacharias@qmm.at<br />

key Account management:<br />

Thomas Jusko, t.jusko@qmm.at<br />

Artdirektion: Gottfried Halmschlager<br />

textchef: Jakob Hübner<br />

Fotoredaktion: Nati Senegacnik<br />

redaktion, Beirat und textbeiträge:<br />

Klaus J. Bade, Walter Feichtinger,<br />

Herwig Jedlaucnik, Predrag Jureković,<br />

Johannes Luxner, Georg Mader,<br />

Thomas Mayer, Dieter Muhr,<br />

Hans Schneeweiß, Stefan Tesch<br />

Hersteller: PrintandSmile<br />

redaktionskontakt:<br />

Brigitte Janko, b.janko@qmm.at,<br />

Tel. 01/342 242-0, Mariahilfer Str. 51,<br />

5. Stiege, A-1060 Wien, Österreich<br />

Geschäftsführung: Andreas Dressler,<br />

a.dressler@qmm.at, Günther Havranek<br />

www.qmm.at<br />

m I L I t ä r A k t u E L L


0 0 4 I N H A L T<br />

INHALT<br />

028<br />

Am Prüfstand: Das Heereslogistikzentrum Wels ist das<br />

technische Prüf- und Systemzentrum für den<br />

Bergepanzer M88A1 und den Kampfpanzer Leopard 2A4.<br />

032<br />

Hoch<br />

hinaus mit dem Bundesheer:<br />

Ziel der Gebirgsausbildung ist<br />

es, die Truppe auch in alpinem<br />

Gelände beweglich zu halten.<br />

003 EDITORIAL, IMPRESSUM<br />

006 MOMENTUM<br />

Ein Leopard 2A4FIN in Aktion.<br />

008 WELTGESCHEHEN<br />

Aktuelle Kurzmeldungen<br />

aus aller Welt.<br />

010 KRISE AM WESTBALKAN<br />

Die Spannungen zwischen dem<br />

Westen und Russland im Kontext<br />

des Ukraine-Konflikts halten<br />

auch den Westbalkan in Atem.<br />

014 ZÄHE GESPRÄCHE<br />

Militär Aktuell-Autor Georg<br />

Mader analysiert die aktuellen<br />

Atomverhandlungen mit dem Iran.<br />

016 KONTROVERSE<br />

Ist die EU-Entscheidung,<br />

<strong>militär</strong>isch gegen die Schlepperbanden<br />

im Mittelmeer<br />

vorzugehen, zielführend?<br />

020 INTERVIEW<br />

Brigadier Alois Hirschmugl über<br />

internationale Katastrophenhilfe,<br />

„AFDRU plus“ und eine engere<br />

Zusammenarbeit mit zivilen<br />

Hilfsorganisationen.<br />

022 NEUES AUS DEM HEER<br />

Aktuelle Kurzmeldungen aus<br />

dem Bundesheer.<br />

024 ABC-ABWEHREXPERTE<br />

Ein Tag mit Hauptmann Gerald<br />

Bauer von der ABC-Abwehrschule<br />

in Korneuburg.<br />

028 TRUPPENBESUCH<br />

Wichtige Drehscheibe: Wir<br />

werfen einen Blick hinter die<br />

Kulissen des Heereslogistikzentrums<br />

Wels.<br />

032 KLETTERPARTIE<br />

Zu Besuch im Gebirgskampfzentrum<br />

in der Anton-Wallner-<br />

Kaserne in Saalfelden.<br />

034 TOP-AUSBILDUNG<br />

Der strategische Führungslehrgang<br />

vermittelt zivilen und <strong>militär</strong>ischen<br />

Entscheidungsträgern<br />

sicherheitspolischen Background.<br />

036 REPORTAGE<br />

Militärisches Fallschirmspringen:<br />

Bei IMATS internationale<br />

Sprungabzeichen erwerben.<br />

FOTO S : S E B AST I A N F R E I L E R , W W W.W I L D B I L D. AT/ D O R I S W I L D, ST E FA N T E S C H , N A D J A M E I ST E R , B E I G E ST E L LT I L LU ST R AT I O N : C L AU D I A M O L I TO R I S<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


040 INTERVIEW<br />

General i. R. Horst Pleiner: „Das<br />

Bundesheer hat seine Einsatzbereitschaft<br />

mehrfach bewiesen!“<br />

042 RÜSTUNGSNEWS<br />

Neuheiten aus der Welt der<br />

Rüstungs- und Sicherheitstrechnik.<br />

044 GLOBAL PLAYER<br />

Steyr Motors ist mit seinen<br />

Produkten prädestiniert für<br />

<strong>militär</strong>ische Anwendungen.<br />

046 INTERVIEW<br />

Schiebel-Chef Hans G. Schiebel<br />

über den erfolgreichen Einsatz<br />

seiner Drohnen in der Ostukraine,<br />

potenzielle Neukunden<br />

und innovative Produkte.<br />

050 SCHLUSSPUNKT<br />

Hält Europa auch vor dem<br />

Hintergrund der Ukraine-Krise<br />

an der Reduktion seiner Militäretats<br />

fest? Eine Analyse von<br />

Oberstleutnant Herwig Jedlaucnik.<br />

051 INFOGRAFIK<br />

Die Leistungsmerkmale der<br />

neuen Waffenstation des<br />

Radpanzers Pandur.<br />

051<br />

I N D I E S E M H E F T<br />

Kampfwertsteigerung für den Radpanzer: Das Bundesheer stattet seine<br />

Pandur-Flotte mit einer elektrisch fernbedienbaren Waffenstation aus.<br />

„Wir wollen mithelfen,<br />

das Sterben im<br />

Mittelmeer zu beenden!“<br />

Drohnenhersteller Hans G. Schiebel<br />

im Gespräch mit Militär Aktuell.<br />

046<br />

036<br />

Kurz<br />

vor dem Absprung: Militär Aktuell-Autor Stefan Tesch (im<br />

Bild 2. v. r.) hat bei der International Military Airborne Training<br />

School einen Rundkappen-Basiskurs besucht – und bestanden!<br />

040<br />

60 Jahre Bundesheer: General i. R. Horst Pleiner<br />

sprach mit Militär Aktuell-Autor Oberst Dieter<br />

Muhr über die Entwicklung des Bundesheeres<br />

in den vergangenen sechs Jahrzehnten.<br />

M I L I T ä R A K T U E L L


0 0 6 P A N O R A M A<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


M O M E N T U M<br />

Im scharfen Schuss<br />

Diese spektakuläre aufnahme zeigt<br />

einen finnischen Leopard 2A4FIN.<br />

Die finnische 2A4-Flotte besteht aus<br />

124 Fahrzeugen (von denen zwölf<br />

zur ersatzteilgewinnung dienen),<br />

die 2002 und 2003 aus dem Bestand<br />

der Bundeswehr übernommen<br />

wurden und die veralteten T55-<br />

und T72GM1 ablösten. Seit wenigen<br />

Wochen gehören zur finnischen Panzerflotte<br />

auch 20 Leopard 2A6 (der<br />

erste teil von für 200 millionen euro<br />

insgesamt angekauften 100 Fahrzeugen),<br />

die von der niederländischen<br />

armee übernommen wurden.<br />

FOTO : W W W. M I L . F I / P U O LU ST U SVO I M AT/ J A R N O R I I P I N E N<br />

m i l i t ä r a k t u e l l


0 0 8 w E L T & S T R A T E G I E<br />

SYRIEN/IRAK<br />

NIMMT DER<br />

ISLAMISCHE STAAT<br />

NUN EUROPA<br />

INS VISIER?<br />

Seit Monaten engagieren sich die USA gemeinsam mit Verbündeten<br />

(Saudi-Arabien, Jordanien, Katar) im Kampf gegen den Islamischen<br />

Staat – wirklich bremsen konnte der Einsatz den Vormarsch der<br />

Terrormiliz allerdings nicht. Zwar wurden bei bislang rund 4.000 Luftangriffen<br />

Hunderte IS-Kämpfer getötet und zahlreiche Fahrzeuge<br />

zerstört, die jüngsten Eroberungen der antiken Stadt Palmyra und der<br />

westirakischen Provinzhauptstadt Ramadi konnten trotzdem nicht<br />

verhindert werden. In Syrien kontrolliert der Islamische Staat damit<br />

bereits 50 Prozent des Staatsterritoriums (auf dem auch die meisten<br />

Öl- und Gasfelder des Landes liegen), und längst setzen sich Filialen<br />

der Terrorgruppe auch in Nordafrika fest. Ziel der IS-Kommandos in<br />

Libyen, Algerien, Ägypten und Tunesien ist Machtgewinn vor Ort,<br />

parallel dazu sollen – laut einem BBC-Bericht – von den neuen Basen<br />

aber auch systematisch Angriffe auf Europa gestartet werden.<br />

IM FOKUS<br />

STREITKRÄFTE<br />

ASERBAIDSCHANS<br />

IM ÜBERBLICK<br />

67.100<br />

Soldaten<br />

314<br />

Kampfpanzer<br />

47<br />

Kampfflugzeuge<br />

ASERBAIDSCHAN<br />

Die Kaliber, mit denen sich aserbaidschanische und armenische<br />

Einheiten entlang der Waffenstillstandslinie um Berg-Karabach<br />

beschießen, werden immer größer. Die mehrheitlich von Armeniern<br />

bewohnte Region war im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion Schauplatz<br />

eines Sezessionskriegs, der 1992 in einen offenen Krieg zwischen<br />

Armenien und Aserbaidschan mündete. 1994 wurde zwar<br />

ein Waffenstillstand geschlossen, wirklich geruht haben die Kämpfe<br />

seitdem nicht. Während der Konflikt früher mit Kleinwaffen geführt<br />

wurde, kommen nun vermehrt auch Artillerie, Drohnen und Flugzeuge<br />

zum Einsatz. In den ersten vier Monaten <strong>2015</strong> zählte das Caspian Defense Studies Institute 31 Todesopfer, die<br />

steigenden Militärbudgets Armeniens und Aserbaidschans lassen eine weitere Intensivierung des Konflikts vermuten.<br />

Dabei zeigt sich ein deutliches Ungleichgewicht: So steigerte Aserbaidschan seinen Verteidigungshaushalt<br />

seit 2004 von 160 Millionen Euro auf heute 4,4 Milliarden Euro, Armenien lässt sich seine Truppen allerdings<br />

nur 400 Millionen Euro kosten – immer noch viel Geld bei einem Staatshaushalt von 2,9 Milliarden Euro.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


W E LT G E S C H E H E N<br />

Europa (wiEdEr) im fokus<br />

Die Vereinigten staaten haben ende 2011 eine<br />

strategische schubumkehr eingelegt: Weg von<br />

europa und hin zum asiatischen raum wollte<br />

Washington wirtschaftliche wie <strong>militär</strong>ische<br />

prioritäten neu setzen. knapp vier jahre, die<br />

Ukraine-krise und steigende spannungen mit<br />

russland später intensivieren die Usa nun auch<br />

wieder ihre bemühungen in europa und verlegen<br />

bereits abgezogenes schweres Gerät zurück auf<br />

den alten kontinent. Im Februar wurden zwölf<br />

erdkampfflugzeuge vom typ A-10 Thunderbolt-II<br />

nach spangdahlem in rheinland-pfalz beordert,<br />

2014 war bereits ein ganzes bataillon mit 29<br />

Abrams-kampfpanzern und 33 Bradley-schützenpanzern<br />

nach Grafenwöhr zurückgebracht<br />

worden. bis jänner des kommenden jahres soll<br />

der bestand auf brigadestärke hochgefahren<br />

werden. ab 1. Februar 2016 wären damit wieder<br />

zumindest 220 amerikanische kampfwagen<br />

in europa stationiert.<br />

TOP 3<br />

diE mächtigstEn<br />

armEEn dEr wElt<br />

1 Der „Global Firepower Index“ vergleicht<br />

anhand der truppenstärke und<br />

<strong>militär</strong>ischen ausrüstung die armeen<br />

der Welt. Insgesamt beeinflussen mehr<br />

als 50 Faktoren den Index, der umso<br />

niedriger ausfällt, je stärker eine armee<br />

bewertet wird. Den niedrigsten Wert<br />

im ranking erzielen mit 0,1661 die Usa.<br />

2 hinter dem ewigen rivalen landet<br />

russland mit einem Wert von 0,1865<br />

auf dem zweiten platz der rangliste.<br />

3 platz drei geht – mit respektabstand<br />

vor dem viertplatzierten Indien –<br />

mit einem Wert von 0,2315 an china.<br />

Österreich nimmt mit 0,9444 immerhin<br />

platz 34 unter 126 Nationen ein.<br />

SCHWEDEN, NORWEGEN & CO:<br />

NORDLÄNDER RÜCKEN ZUSAMMEN<br />

Schweden, Finnland und die NATO-Länder Island, Norwegen und Dänemark<br />

reagieren auf die geänderte Sicherheitslage in Osteuropa und das<br />

„aggressive Verhalten Russlands“ mit verstärkter Kooperation. Die fünf<br />

nordischen Länder wollen in Zukunft vermehrt Geheimdienstinformationen<br />

austauschen, gemeinsame Übungen abhalten und die Zusammenarbeit<br />

mit den baltischen<br />

Ländern vorantreiben.<br />

Schweden und Finnland<br />

versuchen darüber<br />

hinaus auch andere<br />

Kooperationen zu<br />

intensivieren, in der<br />

Übung „Arctic Challenge“<br />

trainierten sie gemeinsam<br />

mit sechs<br />

NATO-Ländern und der<br />

Schweiz den Ernstfall.<br />

„wir wissen alle, dass es<br />

keine <strong>militär</strong>ische lösung<br />

der streitigkeiten im südchinesischen<br />

meer gibt!“<br />

Ashton Carter, US-Verteidigungsminister<br />

Im Südchinesischen Meer gewinnen die Territorialstreitigkeiten<br />

zwischen China, Taiwan, Brunei, Malaysia, Japan, Vietnam<br />

und den Philippinen an Schärfe. Seit Jahren diskutieren die Länder über<br />

die Spratly-Inseln, nun versuchen sie mit dem Bau von Stützpunkten und Landebahnen Tat -<br />

sachen zu schaffen. Aus Sicht der USA geht China dabei besonders dominant vor, US-Außenminister<br />

Ashton Carter forderte daher, die territorialen Ansprüche „zu beenden“ und diplomatische<br />

Lösungen zu suchen. Wenig überraschend zeigte sich Peking davon unbeeindruckt.<br />

Foto s : G e t t y I m aG e s , U. s . a I r Fo r c e p h oto by m ast e r s Gt. b l a k e r . b o r s I c , pas I r a j a l a<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 1 0 W E L T & S T R A T E G I E<br />

D<br />

er Westbalkan, zu<br />

dem der Großteil der<br />

Nachfolgestaaten des<br />

früheren Jugoslawien<br />

und Albanien gezählt wird, befindet<br />

sich anhaltend in einem komplexen<br />

Prozess noch nicht abgeschlossener<br />

Staatsbildungs- und Friedensprozesse.<br />

Offene bilaterale Fragen, autoritäre<br />

Tendenzen, nationalistische Rückschläge<br />

und negative ökonomische<br />

Daten stellen auch weiterhin ein potenziell<br />

gefährliches Gemisch für diese<br />

Region dar. Ein Warnsignal in diese<br />

Richtung waren Mitte Mai die Aus -<br />

einandersetzungen zwischen mazedonischen<br />

Sicherheitskräften und einer<br />

bewaffneten albanischen Gruppe im<br />

nordmazedonischen Kumanovo. Dabei<br />

wurden acht mazedonische Polizisten<br />

und zehn Albaner, die auf ihren<br />

Kampfanzügen die Symbole der früheren<br />

Guerilla UÇK trugen, getötet.<br />

Die Spannungen zwischen „dem Westen“<br />

und Russland im Kontext des<br />

Ukraine-Krieges wirken sich tendenziell<br />

negativ auf den Konsolidierungsprozess<br />

am Westbalkan aus. Für diesen<br />

Teil Südosteuropas sind der EU- und<br />

NATO-Integrationsprozess die wichtigsten<br />

Stabilisierungsinstrumente.<br />

Feststellbare Versuche Russlands,<br />

seinen politischen und ökonomischen<br />

Einfluss auf dem Westbalkan auszubauen,<br />

erschweren in einigen Westbalkanländern<br />

allerdings die konstruktive<br />

Fortsetzung der westlichen Integrationspolitik.<br />

Für Russland hat der<br />

Westbalkan zwar geopolitisch nicht<br />

dieselbe Bedeutung wie das sogenannte<br />

„Nahe Ausland“, Moskau scheint<br />

durch den Ausbau seines Einflusses in<br />

dieser Region aber die EU schwächen<br />

zu wollen. Anstatt unter dem EU-Dach<br />

zusammenzuwachsen, entsteht im<br />

Kontext der Ukrainekrise in diesem<br />

Teil Südosteuropas eine neue politische<br />

Spaltung – und zwar zwischen<br />

jenen Ländern, die die EU-Sanktionen<br />

gegenüber Russland mittragen (Albanien,<br />

Kroatien, Montenegro und<br />

Kosovo) und jenen, die in dieser Frage<br />

zwischen dem Westen und Russland<br />

äquidistant sein wollen (Bosnien und<br />

Herzegowina, Mazedonien und<br />

Serbien). Serbien, das bis 2014 im<br />

Rahmen des Projektes „South Stream“<br />

energiepolitisch sehr auf die Zusammenarbeit<br />

mit Russland gesetzt hat,<br />

sieht sich neben der Kosovofrage in<br />

seinen EU-Beitrittsbemühungen<br />

zusätzlich unter Druck gesetzt. Eine<br />

energiepolitische Neuorientierung<br />

Belgrads – im Sinne einer stärkeren<br />

Diversifizierung – ist angedacht, es<br />

wird aber nicht einfach werden, diesen<br />

neuen Energiekurs nach dem vor -<br />

läufigen Ende von „South Stream“<br />

umzusetzen.<br />

In Bosnien und Herzegowina besitzt<br />

Putin mit seinem treuen politischen<br />

Anhänger – dem Präsidenten<br />

des Staatsteils Republika<br />

Srpska, Milorad Dodik – die<br />

Möglichkeit, direkt westliche<br />

Stabilisierungspolitik zu un-<br />

RINGEN UM DEN<br />

WESTBA<br />

Geopolitische Spannungen zwischen Russland<br />

und dem Westen sind auch am Westbalkan<br />

spürbar. Moskaus politische und ökonomische<br />

Interessen widersprechen dort teilweise der<br />

westlichen Konsolidierungspolitik<br />

in Form der EU- und NATO-Integration.<br />

Text: PREDRAG JUREKOVIĆ<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


W E S T B A L K A N<br />

terminieren. Unter Putin hat Russland<br />

bisher serbische Sezessionsbestrebungen<br />

in Bosnien und Herzegowina eher<br />

angestachelt als sie kritisiert. Den Westen<br />

beschuldigt Moskau, Bosnien und<br />

Herzegowina, aber auch die anderen<br />

Westbalkanländer, in die EU und<br />

NATO „drängen zu wollen“.<br />

Vor diesem Hintergrund hat Russland<br />

im November 2014 im UN-Sicherheitsrat<br />

erstmals nicht der Verlängerung der<br />

Friedensoperation EUFOR-ALTHEA in<br />

Bosnien und Herzegowina zugestimmt,<br />

sondern sich der Stimme enthalten.<br />

FOTO : G E T T Y I M AG E S<br />

LKAN<br />

ANHALTENDER KONFLIKT<br />

Am 9. und 10. Mai kamen im<br />

mazedonischen Kumanovo bei<br />

Kämpfen zwischen mazedonischen<br />

Polizisten und Albanern 18 Menschen<br />

ums Leben. Dieser Albaner erinnert<br />

in der kosovarischen Hauptstadt<br />

Priština an die Kämpfe.<br />

Die konservative Regierung<br />

Mazedoniens sieht sich wegen<br />

der langjährigen griechischen<br />

Blockadepolitik im EU- und<br />

NATO-Beitrittsprozess vom<br />

Westen im Stich gelassen. Eine<br />

Annäherung an Russland ist deshalb<br />

möglich, wenn auch ein totaler<br />

Schwenk wegen Mazedoniens geografischer<br />

Lage eher unwahrscheinlich erscheint.<br />

Als interessantes Gegen beispiel<br />

erscheint im Vergleich dazu Montenegro,<br />

das sich trotz der umfangreichen<br />

russischen Investitionen in diesem<br />

Land für die eindeutige Unterstützung<br />

der EU-Politik in der Ukrainekrise entschieden<br />

hat.<br />

Nach der Aufnahme Kroatiens im Juli<br />

2013 hat die EU den technischen<br />

Prozess der Heranführung der Westbalkanländer<br />

zwar fortgesetzt, insgesamt<br />

wurde diese Region von Brüssel in<br />

ihrer außenpolitischen Prioritätensetzung<br />

aber „bescheiden vernachlässigt“.<br />

Dies scheint sich wegen der russischen<br />

Balkanambitionen wieder zu ändern.<br />

Eine Kurskorrektur wäre auf jeden Fall<br />

notwendig. Erste Anzeichen für eine<br />

proaktivere Politik der EU könnte die<br />

deutsch-britische Reformagenda für<br />

Bosnien und Herzegowina sein sowie<br />

ein vermehrtes Bemühen der EU, den<br />

Westbalkan in seine Verkehrs- und<br />

Energieprojekte einzubinden. Während<br />

mit dem Dialog zwischen Belgrad und<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 1 2 W E l T & S T R A T E G I E<br />

Prishtina/Priština seit 2011 anscheinend<br />

ein probates Format gefunden<br />

wurde, um positive politische Prozesse<br />

in der Kosovofrage zu unterstützen,<br />

fehlen noch entsprechende Impulse der<br />

EU gegenüber Mazedonien. In diesem<br />

Fall geht es zum einen um die Deeskalierung<br />

innenpolitischer Fragen – im<br />

Fokus steht hier insbesondere die<br />

DESTABILISIERUNG ALS ZIEL<br />

Russlands Präsident Wladimir<br />

Putin will über eine politische<br />

Spaltung des Westbalkans die<br />

Europäische Union schwächen.<br />

Beendigung der innenpolitischen Polarisierung<br />

und die Stärkung vertrauensbildender<br />

Maßnahmen in den inter -<br />

ethnischen Beziehungen. Die zweite<br />

wichtige Herausforderung besteht<br />

darin, eine brauchbare Lösung im<br />

Namensstreit zwischen Mazedonien<br />

und Griechenland zu finden und damit<br />

die längjährige Blockadepolitik von<br />

Athen bei der Integration Mazedoniens<br />

in die EU und NATO zu beenden.<br />

Die USA unterstützen die Integrationspolitik<br />

der EU gegenüber den Westbalkanländern,<br />

zweifeln jedoch des<br />

Öfteren an der Durchsetzungsfähigkeit<br />

der Union. Serbien und die anderen<br />

Westbalkanländer werden „in line of<br />

fire“ (US-Außenminister Kerry) der<br />

geopolitischen Spannungen mit Russland<br />

gesehen. Ziel der USA ist es vor<br />

allem, am Westbalkan die NATO-Integration<br />

voranzutreiben und NATO-<br />

Partnerschaften zu vertiefen, um dem<br />

verstärkten russischen Einfluss etwas<br />

entgegensetzen zu können. Im Mittelpunkt<br />

der NATO-Integration steht derzeit<br />

insbesondere Montenegro, das sich<br />

im Konflikt mit Russland eindeutig auf<br />

die Seite des Westens gestellt hat.<br />

Trotzdem ist noch nicht gesichert, dass<br />

Montenegro Ende <strong>2015</strong> eine Einladung<br />

erhalten wird, der NATO beizutreten.<br />

Die NATO macht dies vor allem von<br />

der Durchführung rechtsstaatlicher<br />

Reformen und von der Erhöhung der –<br />

derzeit eher niedrigen Akzeptanz – des<br />

NATO-Beitritts in der montenegrinischen<br />

Bevölkerung abhängig.<br />

Der Autor ist Leiter des Referats<br />

Konfliktanalyse am IFK mit Forschungsschwerpunkt<br />

Südosteuropa.<br />

Der Westbalkan im geopolitischen Sog<br />

Brigadier Walter<br />

Feichtinger ist seit<br />

2002 Leiter des Instituts<br />

für Friedenssicherung und<br />

Konfliktmanagement (IFK)<br />

an der Landesverteidigungsakademie.<br />

Der Gewaltausbruch in Mazedonien im<br />

Mai <strong>2015</strong> und die Reaktion Russlands,<br />

das das Schreckgespenst einer „farbigen<br />

Revolution“ à la Ukraine oder Georgien<br />

an die Wand malt, machen auf zwei<br />

Aspekte aufmerksam: Erstens ist die<br />

Konflikttransformation in Mazedonien,<br />

aber auch in anderen Nachfolgestaaten<br />

des ehemaligen Jugoslawien, noch nicht<br />

abgeschlossen und zweitens kann<br />

Moskau die Integrationsbemühungen<br />

der EU massiv stören und hintertreiben.<br />

Dabei drängen sich einige Fragen auf:<br />

Wie ist es beispielsweise möglich, dass<br />

der leidige Namensstreit mit Griechenland<br />

noch immer die Aufnahme Mazedoniens<br />

in EU und NATO blockiert? Warum<br />

ist es bislang zu keiner nachhaltigen Konsolidierung<br />

gekommen, was weiterhin<br />

die Präsenz internationaler Friedenstruppen<br />

in Bosnien-Herzegowina und Kosovo<br />

erfordert? Hat die EU-Repräsentanten<br />

der Mut verlassen oder haben sie das<br />

Interesse an einem Westbalkan, der auf<br />

sicheren eigenen Beinen steht, verloren?<br />

Das wäre fatal, denn wie die aktuelle<br />

Entwicklung zeigt, ist die Sache nicht<br />

„gegessen“ und eröffnet Russland<br />

die Möglichkeit, seinen Einfluss in der<br />

Region zu Ungunsten Europas zu stärken.<br />

Aber welche Ziele verfolgt Russland gegenüber<br />

dem Westbalkan und dabei<br />

auch gegenüber der EU? So könnte die<br />

Störung des EU-Erweiterungsprozesses<br />

als geopolitische Machtdemonstration<br />

und Reaktion auf westliche Sanktionen<br />

wegen des russischen Vorgehens in der<br />

Ukraine verstanden werden. Vermutlich<br />

geht es ebenso um simple wirtschaftsund<br />

energiepolitische Interessen, wie<br />

Überlegungen hinsichtlich neuer Pipelinerouten<br />

für russisches Gas und Öl<br />

zeigen. Dabei kommt auch einzelnen<br />

Staaten wie Mazedonien besondere<br />

Bedeutung zu.<br />

Es liegt allerdings an den EU-Staaten,<br />

über die tatsächlichen Auswirkungen des<br />

geopolitischen Umbruchs im Osten auf<br />

den Westbalkan zu entscheiden. Denn<br />

die EU legt Zeitpunkt und Kriterien von<br />

Aufnahmen fest, sie entscheidet mittelund<br />

langfristig durch Öl- und Gaskäufe<br />

über den Nutzen russischer Pipelineprojekte<br />

und sie bestimmt das zukünftige<br />

Verhältnis zu Moskau.<br />

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0 1 4 W E L T & S T R A T E G I E<br />

KEINE VERHANDLUNGSSACHE<br />

Obwohl sinnvoll, ist das<br />

von den Revolutionsgarden<br />

betriebene Programm ballistischer<br />

Mittelstreckenraketen (im Bild eine<br />

Shabab-III) explizit von den aktuellen<br />

Gesprächen ausgenommen.<br />

AUF DER ZIEL GERADEN<br />

Der jahrelange Atomstreit mit dem Iran scheint kurz vor einer diplomatischen<br />

Lösung. Unser Autor Georg Mader hat sich die bislang abgesteckten Verhandlungseckpunkte<br />

angesehen und deren <strong>militär</strong>ische Auswirkungen analysiert.<br />

iele Jahre hatten sich der<br />

V<br />

Iran und der Westen<br />

nichts zu sagen. Zumindest<br />

nichts Freundliches.<br />

Insbesondere mit den<br />

USA tauschte Teheran<br />

regelmäßig Drohungen, immer wieder<br />

stand der schwelende Konflikt kurz vor<br />

einer <strong>militär</strong>ischen Eskalation. Seit dem<br />

Amtsantritt des iranischen Präsidenten<br />

Hassan Rohani 2013 hat sich das Klima<br />

aber deutlich gebessert, im April kam es<br />

in Lausanne sogar zu einem Durchbruch<br />

im jahrelangen Atomstreit. Bei<br />

den Verhandlungen über das iranische<br />

Atomprogramm haben sich die fünf<br />

UN-Vetomächte und Deutschland (5+1)<br />

mit dem Iran auf Eckpunkte für eine abschließende<br />

Vereinbarung ge einigt, die<br />

nun bis Ende Juni im Detail ausformuliert<br />

werden sollen. Der Westen erwartet<br />

sich mehr Kontrolle über das iranische<br />

Atomprogramm, Teheran wünscht<br />

eine Lockerung oder Aufhebung der<br />

nach der Revolution 1979 verhängten<br />

und 2010 verschärften UN-/US- und<br />

EU-Sanktionen. Die Maßnahmen machen<br />

der iranischen Ölwirtschaft<br />

schwer zu schaffen und blockieren dringend<br />

benötige Devisen-Einnahmen.<br />

Der eifrig twitternde und facebookende<br />

iranische Außenminister Mohammed<br />

Dschawad Sarif zeigt sich optimistisch,<br />

bis Ende Juni eine endgültige Einigung<br />

zu erzielen: „Eine solche ist sehr wahrscheinlich,<br />

vorausgesetzt unsere Verhandlungspartner<br />

meinen es ernst.“<br />

Auch der russische Vize-Außenminister<br />

Sergej Rjabkow sieht eine Niederschrift<br />

„auf dem besten Weg. Im Vergleich zu<br />

VERHANDLUNGSPARTNER EU-Außen -<br />

beauftragte Federica Mogherini und Irans<br />

Außenminister Mohammed Dschawad Sarif.<br />

April haben wir im Mai auf Expertenebene<br />

wichtige Schritte geschafft.“ Jene<br />

Passagen, die dem Vernehmen nach bereits<br />

akkordiert sind, lehnen sich an das<br />

Lausanne-Arbeitspapier an (siehe Infokasten).<br />

Was man darüber hinaus den<br />

Gesprächen entnehmen kann, klingt<br />

FOTO S : G E T T Y I M AG E S<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


I R A N<br />

nach einer „Achterbahn“ von positiven<br />

über skeptische bis hin zu ablehnenden<br />

Einschätzungen. Auch Rjabkow sieht –<br />

trotz allem Opptimismus – in den weiteren<br />

Gesprächen noch große Herausforderungen;<br />

insbesondere was die<br />

<strong>militär</strong>ische Dimension des iranischen<br />

Atomprogramms betrifft. Dabei geht es<br />

etwa um kürzlich von Frankreichs Außenminister<br />

Laurent Fabius ins Spiel<br />

gebrachte neue oder weiterführende Inspektionen<br />

iranischer Nukleareinrichtungen,<br />

in denen die Atomenergiebehörde<br />

IAEO <strong>militär</strong>ische Anlagen vermutet.<br />

Iranische Militärs und Revolutionsgarden<br />

wollen Inspektionen allerdings<br />

nicht zulassen, zu oft seien IAEO-<br />

Erkenntnisse bei US-Diensten gelandet.<br />

Aus demselben Grund möchte man<br />

auch keine Befragungen iranischer Nuklearwissenschaftler,<br />

der oberste geistliche<br />

Führer des Iran, Ajatollah Ali Khamenei,<br />

nannte diese Gespräche kürzlich<br />

„Verhöre“. Da wird weiterhin tiefes<br />

Misstrauen sichtbar, im Gespräch mit<br />

iranischen Entscheidungsträgern ist<br />

immer wieder auch von „Augenhöhe“,<br />

„Respekt“ und „Erpressung“ die Rede.<br />

Erschwerend kommt hinzu, dass der<br />

Iran den Fortbestand der verhassten<br />

Sanktionen als „rote Linie“ definiert und<br />

mit Vertragsunterzeichnung deren vollinhaltliche<br />

Aufhebung erwartet. Das<br />

scheint aber schwierig, hat der US-Kongress<br />

doch jüngst Präsident Obama ein<br />

Gesetz abgetrotzt, welches dem Kongress<br />

30 Tage Zeit zur Prüfung eines<br />

BISHERIGE VERHANDLUNGSERGEBNISSE<br />

• Der Iran muss keine seiner Atomanlagen<br />

zerstören, seine nukleare<br />

und schwer mit Luftabwehr umgebene<br />

• Die lange geheime, tief verbunkerte<br />

Infrastruktur bleibt weitgehend intakt. Anreicherungsanlage Fordow (südlich<br />

Die Uran anreicherung soll aber nur<br />

von Teheran) soll in ein Forschungszentrum<br />

für Nukleartechnologie<br />

mehr in der bestehenden Anlage<br />

Natanz stattfinden.<br />

umgewandelt werden.<br />

• Die Zahl installierter Zentrifugen soll von • Teheran muss sämtliche Urananreicherung<br />

bis zu 25 Jahre lang einem<br />

19.000 auf rund 6.100 gesenkt werden.<br />

• Weiters erklärt sich die Islamische<br />

mehr stufigen System von Beschränkungen<br />

und Kontrollen unterwerfen.<br />

Republik bereit, Uran fortan nur noch<br />

auf 3,67 Prozent anzureichern. Für den • Auch alle anderen nuklearen Aktivitäten<br />

Bau eines nuklearen Gefechtskopfes<br />

des Iran werden bis zu 25 Jahre kontrolliert.<br />

bräuchte Teheran auf 90 Prozent • Nach Ablauf dieser Zeiträume Anreicherung,<br />

Forschung und Entwicklung<br />

angereicheres Uran.<br />

• Die Menge des bereits auf 3,67<br />

nur unter ständiger Kontrolle durch die<br />

Prozent angereicherten Urans wird für IAEO.<br />

15 Jahre von 10.000 auf 300 Kilogramm<br />

reduziert.<br />

bestehenden Anreicherungsanlagen in<br />

• Stilllegung von mehr als zwei Drittel der<br />

• Der Deuteriumoxid-Reaktor Arak<br />

den ersten zehn Jahren.<br />

wird umgebaut, sodass er kein für • Im Gegenzug soll der Westen sämtliche<br />

Atomwaffen nutzbares Plutonium<br />

seiner für den Golfstaat schmerzhaften<br />

produzieren kann.<br />

Wirtschaftssanktionen aufheben.<br />

solchen Vertrages und ein Vetorecht<br />

einräumt. Zudem müssten UN-Sicherheitsrat<br />

und EU-Kommission zum selben<br />

Zeitpunkt eine Aufhebung beschließen.<br />

Bereits geklärt wurde unter<br />

den G5+1, wie die Sanktionen – auch<br />

ohne UN-Resolution – wieder in Kraft<br />

gesetzt werden könnten, sollte Teheran<br />

dereinst doch an nuklearen Gefechtsköpfen<br />

arbeiten. Das wäre der sogenannte<br />

„Breakout“, vor dem US-Senatoren<br />

als auch Israel immer warnen –<br />

den Luftwaffeneinsatz dagegen hat Jerusalem<br />

weiterhin als Möglichkeit auf<br />

dem Radar. Erst im April übten 150 israelische<br />

Jets um Kreta gegen eine grie-<br />

chische Version des russischen S-<br />

300PMU-Luftabwehrsystems, das<br />

Moskau heuer an den Iran liefern<br />

möchte. Ungeklärt ist, was um das von<br />

den Revolutionsgarden betriebene Programm<br />

ballistischer Mittelstreckenraketen<br />

wie Shahab-III oder Seijil passiert,<br />

welches laut Teheran aktuell explizit<br />

„kein Verhandlungsgegenstand“<br />

ist. Aber wofür benötigt der Iran Raketen<br />

mit 2.500 Kilometer Reichweite,<br />

ohne ABC-Sprengköpfe zu besitzen?<br />

Die Treffergenauigkeit von Seijil mit<br />

konventionellem Kopf dürfte sich auf<br />

Flächenziele wie Häfen beschränken,<br />

ohne jene massiv zu zerstören.<br />

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0 1 6 w e l t & s t r a t e g i e<br />

KAMPF DEN<br />

SCHLEPPERN<br />

Beobachten, Durchsuchen, Ausschalten: Die EU will in<br />

drei Phasen <strong>militär</strong>isch gegen Schlepper im Mittelmeer<br />

vorgehen – auch eine österreichische Beteiligung an<br />

der Mission ist geplant. Text: JÜRGEN ZACHARIAS<br />

on EUNAVFOR Med, die in drei<br />

Phasen ablaufen und sogar Einsätze<br />

von Spezialeinheiten in libyschen<br />

Häfen und anderswo am Festland<br />

möglich machen soll. Ziel der EU-<br />

Flotte sei es jedenfalls, „das Geschäftsmodell<br />

der Schmuggler zu<br />

zerschlagen“, sagte die EU-Außenbe-<br />

PHASE 1: BEOBACHTEN<br />

In einem ersten Schritt gilt es die Situation möglichst<br />

genau zu analysieren. Mithilfe von Schiffen,<br />

Überwachungsflugzeugen, Drohnen und<br />

Satelliten will man sich ein Bild von der Lage an<br />

der libyschen Küste machen und den Aktivitäten<br />

der Schlepper auf die Schliche kommen,<br />

um ihre Routen und Vorgangsweisen nachvollziehen<br />

zu können. Anschließend werden die<br />

Informationen über das vom italienischen<br />

Konteradmiral Enrico Credendino geführte<br />

Missions-Hauptquartier in Rom an alle beteiligten<br />

Länder weitergeleitet. Die Kosten für die<br />

Mission werden aktuell auf 11,82 Millionen<br />

Euro geschätzt – damit sollen eine zweimonatige<br />

Startphase und ein erstes Mandat von<br />

zwölf Monaten abgedeckt sein.<br />

WESTAFRIKA-ROUTE<br />

GASTKOMMENTAR<br />

VORDERGRÜNDIG & INEFFEKTIV!<br />

DIE WICHTIGSTEN<br />

FLÜCHTLINGSROUTEN<br />

KLAUS J. BADE ist Migrationsforscher, Publizist, Politikberater und war Begründer<br />

des Osnabrücker Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien.<br />

Der in der eU-Migrationsagenda vorgesehene<br />

„Kampf gegen organisierte schlepperbanden“<br />

ist als solcher wichtig, im Blick auf den damit<br />

verfolgten Zweck aber vordergründig, unzureichend<br />

und ineffektiv. Denn an die stelle der Bekämpfung der<br />

Fluchtursachen in den ausgangsräumen tritt hier die Bekämpfung<br />

der symptome. schleuserboote schon vor<br />

den nordafrikanischen Küsten zu zerstören, wäre nur<br />

eine art bellizistischer showeffekt im sinne von <strong>militär</strong>ischem<br />

„schiffchen versenken“; denn die schleuserboote<br />

sind als totalverlust einkalkuliert. Die rechnung der schlepperorganisationen<br />

ginge also auch auf, wenn die Flüchtlinge dann<br />

an Bord von eU-einsatzschiffen europa erreichen würden.<br />

Unvertretbar wäre die gefährdung der Flüchtlinge an Bord der<br />

verfolgten Boote von schleppern, die mit allen Mitteln versuchen<br />

werden, sich der Festnahme zu entziehen – bei schlauchbooten mit<br />

starken Motoren beispielsweise durch das bekannte beidseitige<br />

„abwerfen“ der Passagiere, bei größeren schiffen mit Beiboot etwa<br />

durch die Versenkung des schiffes. in beiden Fällen verwandelt<br />

dieses Vorgehen die Verfolger zwangsläufig in retter, was die<br />

Verfolgung der flüchtenden täter behindert.<br />

eine Zerstörung von verdächtigen transportmitteln an land wiederum<br />

wäre ein eingriff in die souveränitätsrechte libyens, wofür<br />

es ein UN-Mandat kaum geben dürfte, zumal die international anerkannte<br />

regierung des krisengeschüttelten landes sich eine solche<br />

intervention schon verbeten hat.<br />

A<br />

ngesichts der Flüchtlingskrise<br />

im Mittelmeer<br />

mit Tausenden<br />

Toten will die Europäische<br />

Union nun <strong>militär</strong>isch<br />

gegen die Schlepper vorgehen.<br />

Am 18. Mai beschlossen die<br />

EU-Außenminister die Marinemissiauftragte<br />

Federica Mogherini. Dazu<br />

sollen „systematisch“ Schiffe und<br />

Vermögenswerte „identifiziert, beschlagnahmt<br />

und zerstört“ werden,<br />

„bevor sie von den Schmugglern<br />

eingesetzt werden“.<br />

Obwohl der endgültige Startschuss<br />

für die Mission mit Ende Juni gegeben<br />

werden soll, laufen die Planungen<br />

unter dem Kommando von Enrico<br />

Credendino auf Hochtouren. Der<br />

italienische Konteradmiral hat für<br />

seinen Stab 170 Experten aus 15 EU-<br />

Staaten angefordert, darunter auch<br />

vier österreichische Offiziere. Deren<br />

Entsendung lässt mit Redaktionsschluss<br />

wegen des Fehlens eines EU-<br />

Mandats für die Mission allerdings<br />

noch auf sich warten – ein politischer<br />

Grundsatzbeschluss dafür ist<br />

jedenfalls vorhanden. „Wir unterstützen<br />

politisch die Mission im Kampf<br />

gegen die Schlepper“, sagte Verteidigungsminister<br />

Gerald Klug kurz<br />

nach Bekanntwerden der Pläne. Den<br />

Fokus sehe er allerdings mehr bei<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


K O N T R O V E R S E<br />

DER 3-PHASEN-PLAN<br />

VON EUNAVFOR MED<br />

PHASE 2:<br />

DURCHSUCHEN<br />

In dieser Phase sollen potenzielle<br />

Flüchtlingsboote in internationalen<br />

Gewässern gestoppt, durchsucht,<br />

beschlagnahmt oder auch<br />

zerstört werden. Die Flüchtlinge<br />

würden im Fall der Fälle von EU-<br />

Booten übernommen werden.<br />

WESTLICHE<br />

MITTELMEER-<br />

ROUTE<br />

ZENTRALE<br />

MITTELMEER-ROUTEN<br />

ÖSTLICHE<br />

MITTELMEER-<br />

ROUTEN<br />

PHASE 3: AUSSCHALTEN<br />

Als mögliche weitere Stufe ist vorgesehen, das Problem „an seiner Wurzel“ zu bekämpfen. Die<br />

Schiffe sollen dafür auch direkt vor der libyschen Küste und in Häfen zum Einsatz kommen, was<br />

allerdings die Zustimmung der Regierung des afrikanischen Landes voraussetzt. Libyen hat dies<br />

in Person von Außenminister Mohammed al-Dairi bis zum Redaktionsschluss allerdings abgelehnt.<br />

In weiterer Folge könnten dann Spezialkräfte auch an Land gegen die Menschenhändler vorgehen.<br />

Fotos: Getty Images, 123rf, Bundesheer/Harald Minich, beigestellt Quelle: Frontex<br />

ZAHL DER FLÜCHTLINGE: STEILER ANSTIEG<br />

Im vergangenen Jahr kamen laut der EU-Grenzschutzbehörde Frontex rund<br />

283.000 illegale Einwanderer in die Europäische Union, davon 221.600 über<br />

das Mittelmeer. Im Jahr davor wählten diese Fluchtroute nur 64.800 Flüchtlinge.<br />

92.100<br />

51.000 60.200 121.300<br />

2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014<br />

MEINUNG<br />

VERTEIDIGUNGSMINISTER GERALD KLUG<br />

53.100 64.800<br />

„DIE GRUNDSÄTZLICHE POSITION<br />

ÖSTERREICHS IST KLAR: WIR<br />

UNTERSTÜTZEN POLITISCH DIE MISSION IM<br />

KAMPF GEGEN DIE SCHLEPPER.“<br />

221.600


0 1 8 w e l t & s t r a t e g i e<br />

MEINUNG<br />

„DIE SCHLEPPERBANDEN WIRD MAN<br />

LANGFRISTIG NUR BEHERRSCHEN<br />

KÖNNEN, WENN MAN DIE URSACHEN<br />

DIESER FLÜCHTLINGSSTRÖME BEKÄMPFT.”<br />

BUNDESWEHR-GENERALINSPEKTEUR VOLKER WIEKER<br />

MEINUNG<br />

HERKUNFTSLÄNDER<br />

DER MITTELMEER-<br />

FLÜCHTLINGE 2014<br />

Im vergangenen Jahr flohen<br />

insgesamt 221.600 Menschen über<br />

das Mittelmeer nach Europa, davon<br />

mehr als 170.000 nach Italien.<br />

„DER RICHTIGE WEG, UM SCHLEPPERN<br />

IHRE GESCHÄFTSGRUNDLAGE ZU<br />

ENTZIEHEN, IST ES, LEGALE WEGE<br />

NACH EUROPA ZU ÖFFNEN .“<br />

PRO ASYL-GESCHÄFTSFÜHRER GÜNTER BURKHARDT<br />

SYRIEN<br />

ERITREA<br />

MALI<br />

42.323<br />

34.329<br />

9.938<br />

MEINUNG<br />

„WIR MÜSSEN DAS GESCHÄFTSMODELL<br />

DER SCHLEUSER ZERSTÖREN UND IHNEN<br />

DIE SCHIFFE NEHMEN, DIE DIE GRUNDLAGE<br />

FÜR DEN MENSCHENHANDEL SIND.“<br />

EU-AUSSENBEAUFTRAGTE FEDERICA MOGHERINI<br />

NIGERIA<br />

GAMBIA<br />

SOMALIA<br />

9.000<br />

8.707<br />

5.756<br />

Oben angeführt ist die Zahl der in Italien angekommenen<br />

Flüchtlinge 2014 nach Hauptherkunftsländern gereiht.<br />

Aufklärung und Rettung als in der<br />

umstrittenen Zerstörung von Schlepperbooten:<br />

„Dass Flüchtlinge durch<br />

die Mission zu Schaden kommen, ist<br />

nicht akzeptabel.“<br />

Wann ein UN-Mandat für die Mission<br />

zu erwarten ist, vermag derzeit<br />

niemand zu sagen – UN-Generalsekretär<br />

Ban Ki-moon zeigte sich<br />

diesbezüglich zuletzt skeptisch. Als<br />

Stolperstein könnte sich dafür vor allem<br />

die libysche Regierung erweisen,<br />

die für ihre Zustimmung (ohne die<br />

Russland und China im UN-Sicherheitsrat<br />

mit einem Veto drohen)<br />

verlangt, dass die EU über den Einsatz<br />

ausschließlich mit ihr und nicht<br />

auch mit Rebellenmilizen verhandelt.<br />

Diese kontrollieren aktuell allerdings<br />

große Teile des nordafrikanischen<br />

Landes, insbesondere auch großflächige<br />

Küstenabschnitte, die zentraler<br />

Teil der Mission wären. Zumindest<br />

war nach dem jüngsten Zusammentreffen<br />

der italienischen EU-Außenbeauftragten<br />

Federica Mogherini mit<br />

dem libyschen Außenminister Mohammed<br />

al-Dairi von „konstruktiven<br />

Gesprächen“ die Rede.<br />

GASTKOMMENTAR<br />

SICHERHEITSPOLITISCHES ZIEL<br />

THOMAS MAYER ist Brüssel-Korrespondent des Standard,<br />

der Kommentar ist am 18. Mai im Standard erschienen.<br />

Der einsatz <strong>militär</strong>ischer Kräfte zur Verhinderung<br />

von weiteren Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer<br />

ist prinzipiell legitim. es wäre geradezu<br />

zynisch, wenn die europäische staatengemeinschaft<br />

jetzt nicht alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel<br />

einsetzen würde, um tausende Menschenleben zu<br />

retten, die im aktuellen Chaos der Fluchtwellen aus<br />

den Kriegs- und Krisengebieten des Nahen Ostens<br />

und Nordafrikas auf dem spiel stehen.<br />

Die warme sommerzeit ist Flüchtlingszeit. Das wussten die regierungen<br />

in den eU-staaten seit langem. aber niemand fand es der Mühe<br />

wert, sich rechtzeitig darauf vorzubereiten, die zivilen Mittel aufzustocken,<br />

die Küstenwachen (und aufnahmelager) entsprechend auszurüsten.<br />

Nun muss man auf das zurückgreifen, was man hat: soldaten,<br />

schiffe, satelliten und anderes <strong>militär</strong>isches gerät in den armeen, um<br />

die aufgabe akut bewältigen zu können. Die lage unterscheidet sich<br />

diesbezüglich gar nicht so sehr von jener bei anderen Katastropheneinsätzen.<br />

Da muss man sich keine illusionen machen.<br />

ganz anders verhält es sich aber, wenn es um die Zerstörung der<br />

Boote der schlepperbanden geht. Dabei geht es nicht nur um humanitäre<br />

aspekte und Flüchtlinge, wie nun behauptet wird. in wahrheit<br />

befürchten die regierungen, dass die terroristen des is libyen im<br />

schatten des Flüchtlingsdramas ganz „übernehmen“ könnten. Der<br />

Militäreinsatz hat auch ein sicherheitspolitisches Ziel.<br />

Fotos: Andrea Bienert/Bundeswehr, Getty Images, Picturedesk, beigestellt<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 1 8 w e l t & s t r a t e g i e<br />

MEINUNG<br />

„DIE SCHLEPPERBANDEN WIRD MAN<br />

LANGFRISTIG NUR BEHERRSCHEN<br />

KÖNNEN, WENN MAN DIE URSACHEN<br />

DIESER FLÜCHTLINGSSTRÖME BEKÄMPFT.”<br />

BUNDESWEHR-GENERALINSPEKTEUR VOLKER WIEKER<br />

MEINUNG<br />

HERKUNFTSLÄNDER<br />

DER MITTELMEER-<br />

FLÜCHTLINGE 2014<br />

Im vergangenen Jahr flohen<br />

insgesamt 221.600 Menschen über<br />

das Mittelmeer nach Europa, davon<br />

mehr als 170.000 nach Italien.<br />

„DER RICHTIGE WEG, UM SCHLEPPERN<br />

IHRE GESCHÄFTSGRUNDLAGE ZU<br />

ENTZIEHEN, IST ES, LEGALE WEGE<br />

NACH EUROPA ZU ÖFFNEN .“<br />

PRO ASYL-GESCHÄFTSFÜHRER GÜNTER BURKHARDT<br />

SYRIEN<br />

ERITREA<br />

MALI<br />

42.323<br />

34.329<br />

9.938<br />

MEINUNG<br />

„WIR MÜSSEN DAS GESCHÄFTSMODELL<br />

DER SCHLEUSER ZERSTÖREN UND IHNEN<br />

DIE SCHIFFE NEHMEN, DIE DIE GRUNDLAGE<br />

FÜR DEN MENSCHENHANDEL SIND.“<br />

EU-AUSSENBEAUFTRAGTE FEDERICA MOGHERINI<br />

NIGERIA<br />

GAMBIA<br />

SOMALIA<br />

9.000<br />

8.707<br />

5.756<br />

Oben angeführt ist die Zahl der in Italien angekommenen<br />

Flüchtlinge 2014 nach Hauptherkunftsländern gereiht.<br />

Aufklärung und Rettung als in der<br />

umstrittenen Zerstörung von Schlepperbooten:<br />

„Dass Flüchtlinge durch<br />

die Mission zu Schaden kommen, ist<br />

nicht akzeptabel.“<br />

Wann ein UN-Mandat für die Mission<br />

zu erwarten ist, vermag derzeit<br />

niemand zu sagen – UN-Generalsekretär<br />

Ban Ki-moon zeigte sich<br />

diesbezüglich zuletzt skeptisch. Als<br />

Stolperstein könnte sich dafür vor allem<br />

die libysche Regierung erweisen,<br />

die für ihre Zustimmung (ohne die<br />

Russland und China im UN-Sicherheitsrat<br />

mit einem Veto drohen)<br />

verlangt, dass die EU über den Einsatz<br />

ausschließlich mit ihr und nicht<br />

auch mit Rebellenmilizen verhandelt.<br />

Diese kontrollieren aktuell allerdings<br />

große Teile des nordafrikanischen<br />

Landes, insbesondere auch großflächige<br />

Küstenabschnitte, die zentraler<br />

Teil der Mission wären. Zumindest<br />

war nach dem jüngsten Zusammentreffen<br />

der italienischen EU-Außenbeauftragten<br />

Federica Mogherini mit<br />

dem libyschen Außenminister Mohammed<br />

al-Dairi von „konstruktiven<br />

Gesprächen“ die Rede.<br />

GASTKOMMENTAR<br />

SICHERHEITSPOLITISCHES ZIEL<br />

THOMAS MAYER ist Brüssel-Korrespondent des Standard,<br />

der Kommentar ist am 18. Mai im Standard erschienen.<br />

Der einsatz <strong>militär</strong>ischer Kräfte zur Verhinderung<br />

von weiteren Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer<br />

ist prinzipiell legitim. es wäre geradezu<br />

zynisch, wenn die europäische staatengemeinschaft<br />

jetzt nicht alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel<br />

einsetzen würde, um tausende Menschenleben zu<br />

retten, die im aktuellen Chaos der Fluchtwellen aus<br />

den Kriegs- und Krisengebieten des Nahen Ostens<br />

und Nordafrikas auf dem spiel stehen.<br />

Die warme sommerzeit ist Flüchtlingszeit. Das wussten die regierungen<br />

in den eU-staaten seit langem. aber niemand fand es der Mühe<br />

wert, sich rechtzeitig darauf vorzubereiten, die zivilen Mittel aufzustocken,<br />

die Küstenwachen (und aufnahmelager) entsprechend auszurüsten.<br />

Nun muss man auf das zurückgreifen, was man hat: soldaten,<br />

schiffe, satelliten und anderes <strong>militär</strong>isches gerät in den armeen, um<br />

die aufgabe akut bewältigen zu können. Die lage unterscheidet sich<br />

diesbezüglich gar nicht so sehr von jener bei anderen Katastropheneinsätzen.<br />

Da muss man sich keine illusionen machen.<br />

ganz anders verhält es sich aber, wenn es um die Zerstörung der<br />

Boote der schlepperbanden geht. Dabei geht es nicht nur um humanitäre<br />

aspekte und Flüchtlinge, wie nun behauptet wird. in wahrheit<br />

befürchten die regierungen, dass die terroristen des is libyen im<br />

schatten des Flüchtlingsdramas ganz „übernehmen“ könnten. Der<br />

Militäreinsatz hat auch ein sicherheitspolitisches Ziel.<br />

Fotos: Andrea Bienert/Bundeswehr, Getty Images, Picturedesk, beigestellt<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 2 0 H E E R & M E H R<br />

IM ERNSTFALL<br />

ZÄHLT JEDE STUNDE!<br />

Brigadier Alois Hirschmugl koordiniert als Experte für multinationales<br />

Krisenmanagement Katastropheneinsätze für EU und Vereinte Nationen.<br />

Wir haben mit ihm einen fiktiven Notfall durchgespielt. Interview: JÜRGEN ZACHARIAS<br />

Herr Brigadier, angenommen,<br />

im Iran passiert<br />

ein Erdbeben und<br />

internationale Hilfe<br />

wird angefordert. Wie<br />

sind dann die Abläufe?<br />

Sowohl bei Union Civil Protection der<br />

EU (Anm.: UCP) als auch bei der United<br />

Nations Disaster Assessment and Coordination<br />

(Anm.: UNDAC) gibt es sogenannte<br />

Emergency Response Coordination<br />

Centers, die Katastrophenfälle und<br />

deren Entwicklung beobachten und –<br />

vorausgesetzt der Iran bittet um internationale<br />

Hilfe – eine Alarmierung<br />

rausgeben. Focal point dafür ist das Innenministerium<br />

und von dort werden<br />

das Verteidigungsministerium und<br />

Hilfsorganisationen benachrichtigt.<br />

Deren Aufgabe ist es, verfügbare Ressourcen<br />

zu melden; ob jemand geschickt<br />

wird, ist schlussendlich gesamtstaatlich<br />

auch eine politische Entscheidung.<br />

Das klingt nach einer langen<br />

Entscheidungskette?<br />

Ja, aber die ist für einen geordneten Ablauf<br />

unbedingt notwendig. Um die Zeitspannen<br />

trotzdem kurz zu halten, beginnt<br />

die für AFDRU (Anm.: Austrian<br />

Forces Disaster Relief Unit des Bundesheeres)<br />

zuständige ABC-Abwehrschule<br />

unmittelbar bei Bekanntwerden einer<br />

Katastrophe schon damit, die eigenen<br />

Möglichkeiten abzuklären.<br />

Also noch vor einer Alarmierung?<br />

Genau. Im virtuellen On-Site Operations<br />

Coordination Centre (Anm.: kurz<br />

VOSOCC) sind sofort nach einer Katastrophe<br />

Infos zur Lage vor Ort abrufbar,<br />

vor allem auch, welche Hilfe und Ausrüstung<br />

benötigt wird. Das vereinfacht<br />

die Planung und erlaubt den Hilfstrupps,<br />

sich vorab auf die Gegebenheiten<br />

einzustellen.<br />

Gilt die Alarmierung dann auch für<br />

Sie selbst?<br />

Natürlich, so kann ich schon vorab<br />

abklären, ob ich im Falle einer Alarmierung<br />

verfügbar wäre. Im Ernstfall zählt<br />

jede Stunde, gerade bei Erdbeben ist die<br />

Zeitspanne für Hilfe knapp. Wenn ich in<br />

den Einsatzraum geschickt werde, versuche<br />

ich noch rasch Infos zur Lage und<br />

zum Land allgemein einzuholen und<br />

Kartenmaterial zu besorgen.<br />

Sie sind Teil eines Erstteams der UNO<br />

oder EU, das vor den meisten Hilfstrupps<br />

im Katastrophengebiet ankommt.<br />

Was ist ihre Aufgabe vor Ort?<br />

Grundsätzlich die Koordination der internationalen<br />

und oft auch nationalen<br />

Hilfe. Wir bekommen vor Ort vom<br />

ranghöchsten lokalen Entscheidungsträger<br />

in einem kurzen Meeting einen<br />

Überblick über die Ist-Situation, die sich<br />

wesentlich von der Situation bei unserem<br />

Abflug unterscheiden kann. Parallel<br />

dazu beginnen wir mit eigenen Erkundungen<br />

und bauen eine Organisationsstruktur<br />

(Anm.: OSOCC) und ein sogenanntes<br />

Reception Departure Center<br />

auf, über das ankommenden Elemente<br />

über die aktuelle Situation informiert<br />

werden.<br />

Bekommen die Teams dort auch alle<br />

notwendigen Infos für ihren Einsatz?<br />

Ja, wir bringen sie bei Ankunft auf den<br />

Ist-Stand und geben ihnen alle relevanten<br />

Infos wie ihre Base of Operation<br />

oder Sicherheitsaspekte. Wir selbst<br />

bekommen dort einen Überblick,<br />

welche Teams mit welchem Gerät<br />

wann eintreffen und können diese<br />

bereits entsprechend einplanen.<br />

Mit welchen Problemen sind Sie<br />

dabei konfrontiert?<br />

ZUR PERSON<br />

1960 in Bad Gleichenberg geboren,<br />

rückte Alois Hirschmugl 1978 zum<br />

Jägerbataillon 19 ein. Aktuell ist der<br />

Brigadier als Rechtsberater im Militärkommando<br />

Steiermark und als Berater<br />

für Internationale Humanitäre<br />

und Katastrophenhilfe der SIV tätig.<br />

Zudem ist Alois Hirschmugl seit 1999<br />

im Katastrophenmanagement UN-<br />

DAC der Vereinten Nationen und seit<br />

2006 auch im Gemeinschaftsverfahren<br />

der Europäischen Kommission<br />

Union Civil Protection (UCP) tätig.<br />

Zwischen 2007 und 2010 fungierte er<br />

als Stiftungsrat des Global Humanitarian<br />

Forums in Genf unter Kofi Annan.<br />

FOTO S : B E I G E ST E L LT<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


I N T E R V I E W<br />

WELTWEIT UNTERWEGS<br />

Brigadier Alois Hirschmugl<br />

bei UNDAC-Einsätzen in<br />

Bangladesch (links oben)<br />

und Albanien (rechts)<br />

sowie im Kofi Annan<br />

International Peacekeeping<br />

Training Center in Ghana<br />

(links unten).<br />

Da gibt es einige, angefangen von Einzelpersonen<br />

und Teams, die kulturelle<br />

Gegebenheiten vor Ort nicht akzeptieren<br />

und in einem Land mit Alkoholverbot<br />

– um beim Beispiel Iran zu<br />

bleiben – Bier trinken müssen. Ein<br />

Problem ist auch die Flut an Hilfsteams:<br />

Waren bei der Flutkatastrophe<br />

in Mosambik im Jahr 2000 beispielsweise<br />

147 nationale und internationale<br />

Organisationen vor Ort, so waren es<br />

beim Erdbeben in Haiti 2010 schon<br />

mehr als 1.500 …<br />

… was die Koordination nicht unbedingt<br />

erleichtert.<br />

Genau, und darum finde ich es auch<br />

gut, wenn sich Länder bei Katastrophen<br />

ganz genau ansehen, wen sie ins Land<br />

lassen und wen nicht. Es macht keinen<br />

Sinn, wenn Hunderte Rescue Teams<br />

kommen, für die ich keinen Bedarf<br />

mehr habe. Diesbezüglich kommt es<br />

aber jetzt immer mehr zu einem Umdenken,<br />

und das gilt auch für die Kontingentsgrößen.<br />

Es werden zusehends<br />

kleinere Teams geschickt sowie Einzelexperten,<br />

die oft effektiver und besser<br />

helfen können.<br />

Qualität geht also vor Quantität?<br />

Definitiv, zwei oder drei Experten, die<br />

beispielsweise Hangrutschungen bei einer<br />

Flutkatastrophe beurteilen können,<br />

bewirken mehr als eine Hundertschaft,<br />

die ich nur zum Schaufeln einteilen<br />

kann. Aber leider ist das nicht immer<br />

leicht in die Köpfe der Entscheidungsträger<br />

zu bekommen …<br />

… weil es sich medial besser macht,<br />

mehr Leute zu schicken?<br />

Das ist oft der Grund, wobei wir bemerken,<br />

dass die Entsendung von Experten<br />

dasselbe positive Medienecho bringt.<br />

Mit dem Unterschied, dass mir vor Ort<br />

mehr geholfen ist und der Einsatz auch<br />

weniger Geld kostet.<br />

Dieser Fokus auf Experten soll doch<br />

in Zukunft auch im Bundesheer unter<br />

der Bezeichnung „AFDRU plus“<br />

gelebt werden?<br />

Dazu führen wir aktuell jedenfalls Diskussionen,<br />

in denen es darum geht, das<br />

bestehende AFRDU-System um weitere<br />

<strong>militär</strong>ische Komponenten zu erweitern.<br />

Das Bundesheer hat ja nicht nur<br />

Experten im ABC-Abwehrbereich, sondern<br />

auch Pioniere und weitere Experten,<br />

die im Bedarfsfall auch in der Katastrophenhilfe<br />

zum Einsatz kommen<br />

könnten, was unsere ohnehin schon<br />

große Expertise in diesem Bereich<br />

nochmals verbessern würde.<br />

Gleichzeitig soll neben „AFDRU<br />

plus“ auch die Zusammenarbeit mit<br />

zivilen Helfern intensiviert werden.<br />

Auch das wird diskutiert, es sollen in<br />

Zukunft vermehrt Synergien genutzt<br />

werden. Wenn man im gleichen Einsatzraum<br />

ist, reicht es beispielsweise<br />

aus, eine statt fünf Küchen mitzunehmen,<br />

eine engere Kooperation hätte<br />

sicher auch beim Transport der Hilfskräfte<br />

Vorteile. In Summe könnten wir<br />

dann mehr leisten und parallel dazu unsere<br />

Kostenstrukturen verschlanken –<br />

das wäre eine Win-win-Situation!


0 2 2 h e e r & M e h r<br />

DYNAMIC<br />

FORSCHUNG & INNOVATION:<br />

LEISTUNGSSCHAU IN WIEN<br />

ende april veranstaltete die abteilung für Wissenschaft,<br />

Forschung und entwicklung (WFe) an der landesverteidigungsakademie<br />

(lVak) einen sogenannten Forschungsmarkttag. zwei<br />

tage lang wurde in Präsentationen und an 14 Messeständen<br />

über aktuelle Forschungsprojekte im Bundesheer informiert.<br />

unter anderem gab dabei das Institut für Friedenssicherung und<br />

Konfliktmanagement (IFK) einblicke in seine Forschungsarbeit<br />

und die theresianische Militärakademie stellte ein Projekt über<br />

„computerunterstützte ausbildung und Fernlehre” vor. Mit dem<br />

austrian Institute of technology (aIt) und Joanneum research<br />

berichteten auch zwei WFe-Partner aus ihrem Forschungsalltag.<br />

Foto s : B u n d e s h e e r , B u n d e s h e e r / G u n t e r P u s c h , I F K ,<br />

M I c h a e l st e l z h a M M e r , J Ü r G e n z ac h a r I as<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


N E W S A U S D E N S T R E I T K R Ä F T E N<br />

MULTINATIONALES MANÖVER<br />

Von 13. bis 24. April trainierten Soldaten der 3. Panzergrenadier -<br />

brigade bei der Übung „Dynamic Response“ am Truppenübungsplatz<br />

Allentsteig die Einsatzarten „Verzögerung“ und<br />

„Angriff“. Das Übungsszenario: Auf Basis einer UN-Resolution<br />

wurde eine von der EU geführte multinationale Eingreiftruppe<br />

(EUFOR) in ein fiktives Land entsandt. So konnten die Konfliktparteien<br />

zwar getrennt und eine demilitarisierte Zone eingerichtet<br />

werden, allerdings kam es nach Jahren der Stabilität<br />

wieder zu heftigen Zusammenstößen zwischen den Streit -<br />

parteien. Die EU-Truppe sollte nun eine weitere Eskalation<br />

verhindern. Unterstützt wurden die österreichischen Einheiten<br />

dabei durch Soldaten der Panzerbrigade 21 aus Deutschland<br />

und der 7. mechanisierten Brigade der tschechischen Armee.<br />

Insgesamt nahmen 1.400 Soldaten mit zahlreichen gepanzerten<br />

Fahrzeugen (unter anderem Leopard 2A4 des Bundesheeres<br />

und 2A6 der Bundeswehr ) sowie Hubschrauber und Flächenflugzeuge<br />

des Bundesheeres an der Übung teil.<br />

AFDRU FEIERT 25-JAHR-JUBILÄUM<br />

BUNDESHEER<br />

JUBILÄUMSMÜNZE<br />

Anlässlich des 60-jährigen Jubiläums des<br />

Bundesheeres gab die Münze Österreich<br />

im Frühjahr die 5-Euro-Münze „Bundesheer<br />

– Schutz & Hilfe“ heraus. Auf der<br />

Vorderseite der von Künstler Herbert<br />

Wähner gestalteten Jubiläumsmünze<br />

sind ein Soldat mit Sturmgewehr und<br />

Barrett, der Transporthubschrauber<br />

S-70 Black Hawk und das Hoheitszeichen<br />

zu sehen, auf der Rückseite die Wappen<br />

der neun Bundesländer. Die symbolische<br />

Übergabe der Münze fand am Fliegerhorst<br />

Brumowski in Langenlebarn statt.<br />

Gerhard Starsich, Generaldirektor der<br />

Münze Österreich, überreichte sie an<br />

Verteidigungsminister Gerald Klug.<br />

Infolge eines Erdbebeneinsatzes 1988 in Armenien<br />

(das Bundesheer stellte von 10. bis 20. Dezember ein<br />

119 Mann zählendes Kontingent) gründete das<br />

Bundesheer 1990 die Katastrophenhilfseinheit AFDRU.<br />

Seither haben 734 Soldaten der „Austrian Forces<br />

Disaster Relief Unit“ bei elf Einsätzen in neun Ländern<br />

Katastrophenhilfe geleistet. Zu den größten AFDRU-<br />

Missionen zählen der Erdbebeneinsatz 1999 in der<br />

Türkei und ein Hilfseinsatz nach dem Tsunami 2004<br />

auf Sri Lanka. Zuletzt halfen 78 Soldaten von AFDRU<br />

im Mai 2014 bei der Hochwasserkatastrophe in Nord-<br />

Bosnien. Gefeiert wurde das 25-jährige Jubiläum im<br />

Rahmen des Traditionstags der ABC-Abwehrschule<br />

im Mai in der Dabsch-Kaserne in Korneubug. Die Einheit<br />

besteht aus 452 Berufs- und Milizsoldaten, die bei<br />

Bedarf durch Rettungshundeteams verstärkt werden.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 2 4 H E E R & M E H R<br />

„Wir werden auch<br />

gerufen, wenn<br />

Reizstoffe aus dem<br />

Zweiten Weltkrieg<br />

gefunden werden.“<br />

Hauptmann Gerald Bauer<br />

DER ABC<br />

ABWEHR<br />

EXPERTE<br />

Die Experten der ABC-Abwehrschule in Korneuburg sind in ihrem Alltag mit<br />

atomaren, biologischen und chemischen Gefahrenstoffen beschäftigt. Hauptmann<br />

Gerald Bauer ist studierter Chemiker und arbeitet im Team mit Physikern und<br />

Veterinär-Offizieren. Text: JOHANNES LUXNER Fotos: NADJA MEISTER<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


T R U P P E N B E S U C H<br />

intErviEw<br />

„Ebola und Anthrax waren<br />

schon ema bei uns!“<br />

HOCH TECHNISIERT Spezialgeräte, wie diverse<br />

Detektionsgeräte, gehören zur Standardausrüstung<br />

der Mitarbeiter der ABC-Abwehrschule. Bei manchen<br />

Substanzen ist es ratsam, genügend Abstand zu halten.<br />

MOBILE EINHEIT Hauptmann Gerald Bauer befindet sich<br />

hier in einem als Labor eingerichteten, transportfähigen<br />

Container. Dieser war zuvor bereits jahrelang im Kosovo<br />

im Einsatz, um Trinkwasser zu untersuchen.<br />

Probenahmen, Analysen, aber auch<br />

das Aufbereiten von Trinkwasser zählt<br />

unter anderem zu den Tätigkeiten der<br />

Mitarbeiter der ABC-Abwehrschule<br />

(ABCAbwS) in Korneuburg. Hauptmann<br />

Gerald Bauer berichtet aus seinem Alltag.<br />

Mit welchen Aufgaben sind Sie beruflich<br />

konfrontiert?<br />

Die zehn Mitarbeiter meines Elements sind<br />

mit der feldmäßigen Identifikation von Gefahrenstoffen<br />

beschäftigt, etwa bei Funden<br />

am Flughafen. Wir haben aber auch schon<br />

verdächtiges Pulver im Innenministerium<br />

untersucht und wir werden auch gerufen,<br />

wenn Reizstoffe aus dem Zweiten Weltkrieg<br />

gefunden werden. Außerdem gibt es<br />

Bereitschaftsdienst: Zuletzt im Zuge der<br />

Ebola-Epidemie oder auch damals, als<br />

Anthrax ein großes Thema war. Im Team<br />

befinden sich Experten wie Chemiker,<br />

Physiker und Veterinär-Offiziere. Ich<br />

selbst bin Chemiker.<br />

Beschränkt sich Ihr Aufgabengebiet auf<br />

Österreich?<br />

Es kommt immer wieder zu Auslandseinsätzen.<br />

Im Kosovo zum Beispiel wurden<br />

Umweltstatusanalysen durchgeführt und<br />

2014 waren wir in Bosnien, um nach der<br />

Hochwasserkatastrophe Hilfe zu leisten.<br />

Wir sind prinzipiell für sehr viel gerüstet.<br />

Mittels Wasser- und Trinkwasseranalytik<br />

können wir auch humanitäre Einsätze<br />

unterstützen und durch den Veterinär Hygienekontrollen<br />

durchführen. Außerdem<br />

bilden wir aus – erst unlängst waren Bundeswehr-Angehörige<br />

auf Weiterbildung<br />

im Bereich ABC-Probenahme bei uns.<br />

Worin liegen bei so vielen Aufgaben die<br />

größten Herausforderungen?<br />

Das Beschaffungswesen ist nicht auf kleine,<br />

hoch spezialisierte Elemente wie uns<br />

ausgelegt. In unseren Labors und bei den<br />

mobilen Analyseeinheiten sind viele Spezialgeräte<br />

wie Detektionsgeräte im Einsatz<br />

und es gibt viele Arbeitsmittel mit Ablaufdatum<br />

oder Einwegmaterialien. All das<br />

muss gewartet und angeschafft werden.<br />

Das verursacht natürlich hohe Kosten und<br />

entsprechenden logistischen Aufwand.<br />

VOLLE MONTUR Besonders<br />

gefährliche Stoffe verlangen nach<br />

besonderer Ausrüstung. Bei der<br />

Probenahme ist eine berührungsfreie<br />

Übergabe sehr wichtig.<br />

OBACHT! STRAHLUNG! Auch<br />

radioaktive Zerfallsprozesse sind<br />

für Gerald Bauer Thema. Die<br />

Spezialgeräte sind auch für<br />

Einsätze an der Grenze oder für<br />

Großveranstaltungen gedacht.<br />

WAS IST DRIN? Hier geht es um<br />

die chemische Wasseranalyse mittels<br />

Photometrie. Sie erlaubt die Verfolgung<br />

der Dynamik chemischer<br />

Prozesse von strahlungsabsorbierenden<br />

chemischen Verbindungen.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


Fotos: Bundesheer/Harald Minich/Julia Fenyvesi<br />

Hubschrauberpilot<br />

Soldat<br />

im Auslandseinsatz<br />

Truppenärztin<br />

Panzergrenadier<br />

Entminungsdienstexperte<br />

Textiltechnikerin<br />

Unser<br />

Heer<br />

Grundwehrdiener<br />

bei der ABC-Abwehr<br />

Milizsoldat<br />

Gebirgsjäger<br />

hat viele<br />

Gesichter<br />

Die Menschen sind die größte Stärke und<br />

das wertvollste Gut des Bundesheeres.<br />

Ihre Qualität, Professionalität und<br />

Motivation sind ausschlaggebend für<br />

die Erfüllung der Aufträge und Aufgaben<br />

des Bundesheeres.<br />

Lehrling<br />

Heeresleistungssportler<br />

Pionier<br />

www.facebook.com/bundesheer


0 2 8 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

WELSER<br />

LOGISTIK-PROFIS<br />

Das Heereslogistikzentrum Wels deckt die Sparten Technik, Lagerlogistik,<br />

Transportlogistik und Lehrlingsausbildung ab. Die Oberösterreicher sind<br />

außerdem technisches Prüf- und Systemzentrum für das Waffensystem<br />

Leopard 2A4 und den Bergepanzer M88A1. Text: JÜRGEN ZACHARIAS Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />

Der Ernstfall mag im<br />

Tschad stattfinden, in<br />

Afghanistan, in der<br />

Ukraine, in Niederösterreich,<br />

in Salzburg,<br />

in Kärnten oder an einem<br />

anderen Ort, den wir aktuell noch<br />

nicht auf dem Radar haben; die Vorbereitung<br />

und Durchführung der Folgeversorgung<br />

als Gütersammelbasis dafür<br />

läuft aber in jedem Fall über die Heereslogistikzentren<br />

(kurz HLogZ) des<br />

Bundesheeres und damit in Oberösterreich<br />

über den Schreibtisch von Oberst<br />

Alfred Kaser. Der Kommandant des<br />

HLogZ Wels sitzt in seinem Arbeitszimmer<br />

in der Hessenkaserne und blättert<br />

mit erkennbarem Stolz durch eine<br />

80 Seiten starke Festschrift zum 10-jährigen<br />

Jubiläum seiner Dienststelle am 1.<br />

April. Darin sind Bilder und Informationen<br />

zur Gründung der Kfz-Anstalt<br />

Wels im Jahr 1955 und der Heereszeuganstalt<br />

(HZA) 13 Jahre später zu<br />

finden. Aber auch zur Umbenennung<br />

des Heeresfeldzeuglagers Hörsching<br />

1977 in Heeresfeldzeuglager (HFzL),<br />

zur Bildung der Heeresversorgungsanstalt<br />

(kurz HVA) aus Fusion der HFzL<br />

und der Heereswirtschaftsanstalten<br />

(HWiA) im Jahr 1997 und schließlich<br />

auch zur Zusammenführung von HVA<br />

und HZA 2005 zum HLogZ Wels.<br />

„Wir haben damit einen 50-jährigen<br />

Evolutionsprozess abgeschlossen und<br />

einen modernen Dienstleister auf Heeresebene<br />

geschaffen, der sowohl lagerseitige<br />

als auch technische Kompetenzen<br />

abdeckt“, blickt Oberst Kaser im<br />

Gespräch mit Militär Aktuell zurück.<br />

Wie die fünf anderen Logistikzentren<br />

des Bundesheeres ist das HLogZ Wels<br />

für die Lagerung, Bereitstellung und<br />

Verteilung von fast allen Versorgungsgütern<br />

(das Lager umfasst 6.000 Paletten-Stellplätze<br />

und mehr als 30.000<br />

verschiedene Güter!) für den täglichen<br />

Betrieb, Übungen sowie Einsätze im<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


T R U P P E N B E S U C H<br />

In- und Ausland verantwortlich. „Wir<br />

sind auch Gütersammelbasis für Auslandseinsätze<br />

und das Containerzentrum<br />

des Bundesheeres. Darüber hinaus<br />

ist die Transportlogistik mit Hakenladern,<br />

Großraumbussen und Lkw<br />

ein zentrales Standbein, das HLogZ<br />

Wels ist auch das technische Prüf- und<br />

Systemzentrum für den Kampfpanzer<br />

Leopard 2A4 und den schweren Bergepanzer<br />

M88A1“, sagt Oberst Kaser.<br />

„Unsere Leute prüfen Motoren, Einzelkomponenten<br />

und Materialien; auch<br />

die Materialerhaltung von schweren<br />

Motoren, Generatoren, Startern, Einspritzpumen<br />

und Turmdrehlagern fällt<br />

in unseren Aufgabenbereich.“<br />

KOMMANDANTEN-<br />

STOLZ Oberst Alfred<br />

Kaser (im Gespräch mit<br />

Militär Aktuell-Chefredakteur<br />

Jürgen Zacharias) ist<br />

von den Fähigkeiten des<br />

HLogZ Wels überzeugt.<br />

Zur Ausstattung gehört<br />

auch der modernste Getriebeprüfstand<br />

Europas.<br />

difizierte Nebelwurfanlage. Etwas weiter<br />

erinnert eine ausgeschlachtete<br />

Wanne entfernt an ihr einstiges Dasein<br />

als Kampfpanzer. Irgendwie. Ohne<br />

Schwingarme, Ketten und Aufbauten<br />

könnte das Ungetüm auch als eiserne<br />

Materialreserve eines Stahlkonzerns<br />

durchgehen – trotzdem hilft es dem<br />

Bundesheer, Geld zu sparen. Die ausgebauten<br />

und neben der Leo-Wanne aufgelegten<br />

Elemente – Drehstäbe, Munitionshalterung,<br />

Tank, Getriebe, Kettenspanner<br />

und Kabelbäume – sind kostengünstige<br />

Ersatzteile für die bestehende<br />

Panzer-Flotte. „Wir prüfen die<br />

Teile auf Funktionalität, reinigen und<br />

befunden sie und lagern sie ein“, sagt<br />

Oberst Kaser. „Bei Bedarf können wir<br />

jederzeit auf die eigenen Bestände zurückgreifen<br />

und müssen die Ersatzteile<br />

nicht teuer zukaufen.“<br />

Auch in anderen Bereichen spart das<br />

Bundesheer durch die Arbeit des<br />

HLogZ Wels viel Geld. So schweißen<br />

Michael Wölfl und Alexander<br />

Hödl in der Metallwerkstätte<br />

gerade an einem insgesamt 25<br />

Meter langen Doppelponton<br />

(besteht aus zwei je 12,5 Meter langen<br />

Wie komplex die Thematik ist, wird einige<br />

Minuten später und mehrere hundert<br />

Meter weiter in der modernen<br />

Panzerwerkstätte anschaulich. Während<br />

vorne in der riesigen Halle der<br />

Turm eines Leo im Testlauf dreht und<br />

ein Stück weiter zwei Techniker mit der<br />

obligatorischen F4-Fristenarbeit an einem<br />

weiteren Kampfpanzer beschäftigt<br />

sind (der Turm wurde zu diesem<br />

Zweck abgehoben), erhält im hinteren<br />

Bereich der Halle ein M88A1 eine mo-<br />

HEERESLOGISTIK-<br />

ZENTRUM WELS<br />

Im Jahr 2005 aus der<br />

Fusion von Heeresversorgungsanstalt<br />

(HVA) und Heereszeuganstalt<br />

(HZA)<br />

entstanden, ist das<br />

Heereslogistikzentrum<br />

(HLogZ) Wels<br />

heute eines von insgesamt sechs<br />

HLogZ des Bundesheeres. Es ist<br />

dem Kommando Einsatzunterstützung<br />

unterstellt. Neben der Lagerung,<br />

Bewirtschaftung von Tauschgerät,<br />

Umschlag, Verteilung und<br />

Rücknahme, Aussonderung und<br />

Verwertung von Gebrauchs- und<br />

Verbrauchsgütern und Transportaufgaben<br />

im Rahmen des Zentralen<br />

Transportmanagements gehören zu<br />

den Hauptaufgaben der rund 200<br />

Mitarbeiter die Lehrlingsausbildung<br />

und der Betrieb des Containerzentrums.<br />

Im IKT-Bereich erfolgt der<br />

Aufbau, die Wartung und Entstörung<br />

der zugeordneten IKT-Infrastruktur<br />

sowie die Wartung und<br />

Reparatur von Schießanlagen,<br />

elektronischen Sicherungsanlagen,<br />

Funkgeräten und Computern.<br />

Darüber hinaus ist das HLogZ Wels<br />

das technische Systemzentrum des<br />

Bundesheeres. Seine Mitarbeiter<br />

führen Grundüberholungen, Modifikationen,<br />

Kampfwertsteigerungen,<br />

schwere Reparaturen und Prüfungen<br />

für die zugeordneten Großsysteme<br />

Leopard 2A4 (inkl. Fahrschulpanzer)<br />

und Bergepanzer<br />

M88A1 durch. Darüber hinaus<br />

gehören auch die Instandsetzung<br />

von Heeres-Kfz sowie die Materialerhaltung<br />

von schweren Motoren,<br />

aller (Panzer-) Getriebe, Generatoren,<br />

Startern, Einspritzpumpen<br />

und Turmdrehlagern zum<br />

Aufgabengebiet des HLogZ Wels.<br />

Salzburg<br />

Niederösterreich<br />

Oberösterreich<br />

Kärnten<br />

Steiermark<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 3 0 H E E R & M E H R<br />

AUFTRAGSFERTIGUNG<br />

Michael Wölfl und Alexander<br />

Hödl arbeiten an einem 25<br />

Meter langen Doppelponton<br />

für das Pionierbataillon 3.<br />

Elementen) für das Pionierbataillon 3<br />

und die Prüfmeister des HLogZ können<br />

die im Leopard und Ulan verbauten<br />

Antriebskomponenten auf einem<br />

eigenen Getriebeprüfstand („der modernste<br />

Europas“, so Kaser) und Motorprüfstand<br />

(„darauf können Motoren<br />

bis 2.000 kW geprüft werden“) direkt<br />

vor Ort auf Herz und Nieren testen.<br />

Zur umfangreichen Ausstattung gehören<br />

auch eine Magnetpulverprüfbank,<br />

zwei Getriebe-, ein Lenkgetriebe-, ein<br />

Generator- und Starterprüfstand. Außerdem<br />

wurde vor Ort eine Referenzanlage<br />

für die Feuerleitanlage des Leopard<br />

2A4 („etwas Vergleichbares gibt<br />

es sonst nirgendwo“, so Kaser) realisiert<br />

und erleichtert ein Platinenprüfstand<br />

die Fehlersuche an den elektronischen<br />

Bauteilen. Mechatronikerin Eli-<br />

sabeth Brandlmayr, Mitarbeiterin in<br />

der Panzerwerkstätte (siehe auch Interview<br />

auf dieser Seite unten), weiß um<br />

die Vorteile derartiger Systeme: „Dadurch<br />

werden Arbeitsabläufe deutlich<br />

beschleunigt und wir können uns auf<br />

andere Aufgaben konzentrieren.“ Im<br />

Fall der jungen Technikerin gehört<br />

dazu auch die Lehrlingsausbildung.<br />

Insgesamt befinden sich beim HLogZ<br />

Wels aktuell 20 Lehrlinge in zehn verschiedenen<br />

Berufen in Ausbildung, in<br />

der Hochphase 2009 waren es sogar<br />

34. „Das Thema ist uns sehr wichtig“,<br />

sagt Oberst Kaser, „wir sind der größte<br />

Lehrlingsausbilder des Bundesheeres<br />

und übernehmen nach der Ausbildung<br />

auch überdurchschnittlich viele unserer<br />

Lehrlinge in den Regelbetrieb.“<br />

Auch Bernhard Maier, Leiter der IKT-<br />

Abteilung des HLogZ Wels, hat seine<br />

Ausbildung vor Ort gemacht. Nun ist<br />

er mit seinen 20 Mitarbeitern (dazu<br />

kommen vier Lehrlinge) für Aufbau,<br />

Wartung und Reparatur aller Fernmel-<br />

„Mir taugt die Komplexität der Aufgaben!“<br />

ELISABETH BRANDLMAYR<br />

ist Mechatronikerin in der<br />

Panzerwerkstätte des<br />

Heereslogistikzentrums Wels.<br />

Frau Brandlmayr, was genau gehört<br />

alles zu Ihrem Aufgabengebiet?<br />

Ich bin hier als Mechatronikerin in<br />

der Panzerwerkstätte vor allem für die<br />

Überprüfung der Platinen des Leopard<br />

Kampfpanzers zuständig. Dazu baue<br />

ich die Platinen unten in der großen<br />

Werkstätte selbst aus den Fahrzeugen<br />

aus, die Prüfung erfolgt anschließend<br />

mithilfe eines Platinenprüfstands …<br />

… der automatisch alle Fehler<br />

anzeigt?<br />

Nein, das Gerät zeigt mir zwar an, in<br />

welchem Bereich es Fehlfunktionen<br />

erkennt, die detaillierte Fehlersuche<br />

und – wenn möglich – auch Reparatur<br />

muss ich dann aber schon selbst durchführen.<br />

Trotzdem ist der Platinenprüfstand<br />

natürlich eine enorme<br />

Erleichterung, der die Arbeit deutlich<br />

beschleunigt. Bevor wir die reparierten<br />

Platinen dann wieder in den Leopard<br />

einbauen, überprüfen wir vorher deren<br />

Funktion zwei Räume weiter in einer<br />

Referenz-Prüfanlage, die wir hier in<br />

Wels selbst aufgebaut haben.<br />

Damit lässt sich feststellen, ob einzelne<br />

Teile und Platinen Fehlfunktionen<br />

aufweisen?<br />

Genau. Wir haben dort alle elektronischen<br />

Komponenten eines Leopard-<br />

Turms dargestellt, was es vergleichbar<br />

unseres Wissens nirgendwo sonst gibt.<br />

Damit können wir selbst Platinen auf ihre<br />

Funktionalität überprüfen, aber auch<br />

Entfernungsmesser und viele andere<br />

Komponenten. Ohne die Prüfanlage<br />

müssten wir die Reparaturen teuer bei<br />

den Herstellern in Auftrag geben.<br />

Was genau gefällt Ihnen an Ihrer<br />

Arbeit hier im Heereslogistikzentrum?<br />

Mit taugt vor allem die Komplexität der<br />

Aufgaben und dass ich mit sehr außergewöhnlichen<br />

Fahrzeugen und Systemen<br />

zu tun habe. Ich kann hier viele<br />

Bereiche abdecken, die es anderswo<br />

nicht gibt, und das war auch der Grund,<br />

warum ich hier meine Lehre begonnen<br />

habe. Nach zwei Schnuppertagen war<br />

ich so begeistert, dass ich gleich anfangen<br />

wollte; mittlerweile bin ich ausgelernt<br />

und bilde selbst Lehrlinge aus.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


T R U P P E N B E S U C H<br />

de- und Computernetzwerke des Bundesheeres<br />

in Oberösterreich verantwortlich.<br />

„Wir sind auch für Wartung<br />

und Reparatur der Schießanlagen zuständig,<br />

zudem warten und betreuen<br />

wir die Alarm- und Zutrittsanlagen und<br />

zu einem Teil auch die Brandmeldeanlagen.“<br />

Die IKT-Werkstätte in Hörsching<br />

prüft und repariert das neue Truppenfunkgerät<br />

CONRAD ebenso wie alle<br />

PCs und deren Peripheriegeräte.<br />

LOGISTIK-DREHSCHEIBE Das Lager des HLogZ Wels umfasst 30.000 verschiedene Güter.<br />

Ein ähnlich breites Aufgabengebiet<br />

deckt Guido Pirklbauer, Kommandant<br />

der Lehrwerkstätte, ab. Bei ihm absolvieren<br />

alle Lehrlinge („auch Sattler,<br />

Tischler und Mechatroniker“) eine 6-<br />

wöchige Grundausbildung, die Metalltechniker<br />

sind sogar 20 Wochen in der<br />

Lehrwerkstätte. Im Rahmen einer Ausbildungskooperation<br />

darf Guido<br />

Pirklbauer einmal im Jahr auch Lehrlinge<br />

der E-Werke Wels und der Firma<br />

Silbergasser (Mercedes-Benz Servicepartner)<br />

begrüßen, im Gegenzug können<br />

Bundesheer-Lehrlinge bei den beiden<br />

Firmen extern Erfahrungen sammeln.<br />

„Das ist ganz wichtig”, sagt<br />

Oberst Kaser, „durch diese Zusammenarbeit<br />

können wir Ausbildungsinhalte<br />

abdecken, über die wir selbst nicht verfügen,<br />

und unsere Qualifikationen weiter<br />

steigern.“ Und das – darauf legt<br />

Oberst Kaser Wert – sei schließlich<br />

oberstes Gebot der Stunde. „Die Herausforderung<br />

der Zukunft wird es<br />

sein, mit wesentlich weniger Personal<br />

die gleichen Leistungen zu bringen wie<br />

derzeit, und das vor dem Hintergrund<br />

einer bevorstehenden Aufwertung des<br />

HLogZ Wels im Zuge des Strukturpakets<br />

ÖBH 2018 durch Übernahme von<br />

zusätzlichen logistischen Funktionalitäten<br />

in und über die Region Oberösterreich<br />

hinaus.“


0 3 2 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

1 2<br />

3<br />

KLETTERKURS<br />

Im Alpenland Österreich hat das Bergsteigen eine lange Tradition – auch beim<br />

Bundesheer. Militär Aktuell hat deshalb im Gebirgskampfzentrum in der Anton-Wallner-<br />

Kaserne in Saalfelden eine olivgrüne Seilschaft auf einer Klettertour begleitet.<br />

Text: HANS SCHNEEWEISS Fotos: www.wildbild.at/DORIS WILD<br />

Zivile Bergsteiger begeben sich ins<br />

Gebirge, um Gipfel zu erobern. Der<br />

Gebirgsdienst beim Bundesheer hingegen<br />

stellt sich etwas anderen Herausforderungen:<br />

Ziel der Ausbildung<br />

ist es, die Truppe in unwegsamem<br />

Gelände möglichst mobil zu halten<br />

und somit bei Bedarf auch im Gebirge<br />

Einsätze ausführen zu können.<br />

Vor einer Klettertour wird bekanntlich<br />

die Ausrüstung gepackt – und das ist<br />

beim Bundesheer nicht anders. Im<br />

Rucksack steckt das Equipment (1)<br />

für einen Tag: Da ist etwa ein Regenschutz<br />

mit dabei, aber auch Kleidung.<br />

Außerdem führen die Soldaten eine<br />

Isomatte mit sich und tragen eine<br />

Kampfweste. Seile sind beim Militär<br />

olivfarben oder grau. Der Kampfschuh<br />

Hochgebirge ist niedriger als der<br />

normale Kampfschuh und hat eine<br />

steifere Sohle.<br />

Alles in allem trägt ein Soldat damit<br />

30 bis 35 Kilogramm am Buckel.<br />

Ist der Ausgangspunkt für die Bergtour<br />

erreicht, wird der Klettergurt (2)<br />

angelegt – der weist keine Unterschiede<br />

zu dem einer zivilen Ausrüstung auf.<br />

Anschließend werden Reepschnüre<br />

(3) festgeknotet und Karabiner (4)<br />

eingehängt. Damit können sich die<br />

Soldaten später am Berg sichern.<br />

Soldaten mit Bergführer-Ausbildung<br />

tragen auch ein eigenes Abseilgerät<br />

(5) und können sich damit selbst abseilen.<br />

Rekruten, werden immer von<br />

qualifizierten Soldaten (6) abgeseilt.<br />

Vor der Besteigung bereitet ein Bergführer<br />

das Gelände auf. Dazu bringt er<br />

Haken am Fels an, durch die er dann<br />

entlang der Kletterroute ein Seil zieht,<br />

in das sich die nachfolgenden Soldaten<br />

einklinken können. Dadurch sind sie<br />

beim Klettern gesichert, mithilfe der<br />

Haken können sie sich auch über<br />

schwierige Stellen hinweghelfen.<br />

Der Aufstieg erfolgt entlang des<br />

Seilgeländers (7).<br />

Bergab wird der Soldat dann abgeseilt<br />

(8). Dazu hängt er sich ins Seil und<br />

wird von einem sichernden Kameraden<br />

langsam abgelassen. Dabei stößt<br />

er sich mit Füßen immer wieder vom<br />

Fels ab, die Hände baumeln rechts und<br />

links vom Körper. Mit der Meldung:<br />

„Stand!“ und „Seil frei“ geben unten<br />

angekommene Soldaten dann<br />

Bescheid, dass der nächste abgeseilt<br />

werden kann.<br />

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0 3 4 H E E R & M E H R<br />

STRATEGISCHES<br />

DENKEN & HANDELN<br />

Beim Strategischen Führungslehrgang an der<br />

Landesverteitigungsakademie bekommen <strong>militär</strong>ische und zivile<br />

Entscheidungsträger einen Einblick in aktuelle sicherheitspolitische<br />

Herausforderungen. Und Zugang zur Strategic Community. Text: OBERST DIETER MUHR<br />

as tun, wenn ein<br />

W<br />

elektromagnetischer<br />

Impuls die<br />

Infrastruktur<br />

lahmlegt? Wenn<br />

Terroristen die<br />

Wasserversorgung großflächig schädigen<br />

und wenn Pandemien, Bioattacken<br />

oder Kontaminationen drohen? Die<br />

Teilnehmer am Strategischen Führungslehrgang<br />

suchen Antworten auf<br />

Fragestellungen wie diese, pro Jahr<br />

nehmen rund 20 <strong>militär</strong>ische und zivile<br />

Entscheidungsträger aus den verschiedensten<br />

Bereichen an der Ausbildung<br />

(die drei Module finden an verlängerten<br />

Wochenenden statt) teil. Kürzlich<br />

endete der 12. Lehrgang an der Landesverteidigungsakademie<br />

in Wien und für<br />

Generalleutnant Erich Csitkovits, den<br />

Kommandanten der Akademie, gibt es<br />

nichts Vergleichbares: „Heutige sicherheitspolitische<br />

Herausforderungen sind<br />

komplex, vielschichtig, verwoben und<br />

müssen in einem umfassenden Ansatz<br />

bewältigt werden. Wir fordern intensiv<br />

vernetztes, systemisches ressort- und<br />

institutionsübergreifendes Denken und<br />

Handeln. Teilnehmer sind ausschließlich<br />

Personen, die bereits Entscheidungsträger<br />

sind. Das ist ein ganz außergewöhnlicher<br />

und einzigartiger<br />

Lehrgang für Spitzenkräfte.“<br />

Brigadier Kurt Wagner, Militärkommandant<br />

von Wien, hat zuvor acht<br />

Lehrgänge geleitet: „Die Teilnehmer<br />

sollen sich vernetzen, Risiken und Gefahren<br />

rechtzeitig erkennen und Chancen<br />

und Möglichkeiten nutzen können.<br />

Die Organisation in drei Modulen<br />

kommt ihnen dabei entgegen.“ Auf die<br />

Frage nach besonderen Aha-Erlebnissen<br />

meint Wagner: „Die Komplexität<br />

der sicherheitspolitischen Herausforderungen<br />

hat einige durchaus überrascht.<br />

Am eindrucksvollsten waren die praktischen<br />

Erlebnisse wie die Simulation einer<br />

Geiselnahme oder die Exkursion zu<br />

Auslandsmissionen des Bundesheeres.“<br />

Dort wurde mit politischen und <strong>militär</strong>ischen<br />

Entscheidungsträgern diskutiert,<br />

auch mit Diplomaten. Und mit<br />

jungen österreichischen Soldaten, die<br />

ihre Erfahrungen aus Einsätzen schilderten.<br />

Brigadier Wagner: „Wir versuchen,<br />

das persönliche Wissen und Bewusstsein<br />

um strategisches Denken<br />

und Handeln im Interesse des Arbeitgebers<br />

und zum Nutzen der Gesell-<br />

„Das ist ein ganz<br />

außergewöhnlicher und<br />

einzigartiger Lehrgang<br />

für Spitzenkräfte.”<br />

GENERALLEUTNANT ERICH CSITKOVITS<br />

„Wir haben zu aktuellen<br />

Bedrohungen ein<br />

umfassendes Lagebild<br />

bekommen.”<br />

WIEN HOLDING-DIREKTORIN SIGRID OBLAK<br />

„Die Teilnehmer sollen<br />

sich vernetzen; Risiken<br />

und Gefahren rechtzeitig<br />

erkennen können.”<br />

BRIGADIER KURT WAGNER<br />

FOTO S : B U N D E S H E E R / M AG . H E L M U T VO G L , B E I G E ST E L LT<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


S T R A T E G I S C H E R F Ü H R U N G S L E H R G A N G<br />

EINZIGARTIGES<br />

ANGEBOT<br />

Bislang wurden<br />

zwölf Lehrgänge<br />

abgehalten, die 260<br />

Absolventen sind<br />

untereinander ausgezeichnet<br />

vernetzt.<br />

schaft zu erweitern.“ Werden dabei<br />

auch aktuelle Bedrohungsszenarien<br />

eingeblendet? „Definitiv“, wie Absolventin<br />

und Wien Holding-Direktorin<br />

Sigrid Oblak bestätigt: „Wir haben zu<br />

Sicherheit und aktuellen Bedrohungen<br />

ein umfassendes Lagebild bekommen.“<br />

Die bislang 260 Absolventen (15 Prozent<br />

davon Frauen) sind untereinander<br />

ausgezeichnet vernetzt und bilden die<br />

sogenannte Strategic Community. Um<br />

sie nachhaltig zu fördern, wird zwei<br />

Mal jährlich ein Absolvententreffen<br />

organisiert sowie ein strategisches<br />

Planspiel angeboten. Harald Mahrer,<br />

Staatsekretär im Bundesministerium<br />

für Wissenschaft, Forschung und<br />

Wirtschaft, hat den Lehrgang ebenfalls<br />

absolviert und greift, wie er meint,<br />

„selbstverständlich – egal ob es das Inland<br />

oder Ausland betrifft“ auf das<br />

„umfangreiche Wissen der Community<br />

und die einmaligen Netzwerkzugänge“<br />

zurück. Mahrer gegenüber Militär<br />

Aktuell: „In meinen unterschiedlichen<br />

Rollen in der Privatwirtschaft und über<br />

mein gesellschaftspolitisches Engagement<br />

habe ich stark als Multiplikator<br />

für die Strategic Community gewirkt.“<br />

Und Direktorin Oblak betont: „Ich<br />

nehme immer wieder bei unterschiedlichsten<br />

Fragestellungen Kontakt mit<br />

anderen Mitgliedern auf.“<br />

Für Brigadier Kurt Wagner gab es auch<br />

während der Lehrgänge immer wieder<br />

besondere Momente: „Es hat mich jedesmal<br />

aufs Neue fasziniert, wie innerhalb<br />

weniger Stunden aus den Teilnehmern<br />

eine Gemeinschaft wurde, sie<br />

sich austauschen, voneinander und<br />

miteinander lernen und Neues aufnehmen.<br />

Natürlich war auch jeder Abschluss<br />

eines Lehrganges ein besonderer<br />

Moment.“ Und das wird er wohl<br />

auch in den kommenden Jahren sein –<br />

die Zukunft des Lehrgangs scheint jedenfalls<br />

gesichert, das Interesse an<br />

einer Teilnahme ist nach wie vor sehr<br />

groß. Offensichtlich gelingt es dabei,<br />

„Wissen und Kompetenz zu bündeln,<br />

um aktuellen und zukünftigen Herausforderungen<br />

begegnen zu können“, wie<br />

es Brigadier Wagner ausdrückt. Sein<br />

Fazit: „Die Fortführung liegt nach wie<br />

vor im Interesse der Gesellschaft und<br />

des Bundesheeres.“ Generalleutnant<br />

Erich Csitkovits denkt schon weiter:<br />

„Wir werden uns in Zukunft noch<br />

mehr auf die Ursachen und Wurzeln<br />

von Entwicklungen konzentrieren,<br />

Zusammenhänge herausarbeiten und<br />

Themen praktisch erleben lassen.“<br />

Praxis geht also auch beim Strategischen<br />

Führungslehrgang vor Theorie.


0 3 6 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

VOM HIMMEL<br />

FALLEN<br />

Militärisches Fallschirmspringen ist Nervenkitzel pur. Trotzdem hat<br />

Stefan Tesch den Sprung ins Leere gewagt und für Militär Aktuell einen<br />

Rundkappen-Basiskurs absolviert. Text & Fotos: STEFAN TESCH<br />

er Körper zittert. Ich<br />

Dbin hoch konzentriert.<br />

Zeit für Angst bleibt<br />

nur wenig, doch das<br />

Herz pocht ungewöhnlich<br />

stark. Was kommt<br />

auf mich zu? Wie fühlt sich der Schritt<br />

ins Leere an? 24 Springer sitzen angespannt<br />

im russischen Mil Mi-8. Der<br />

Jumpaster gibt das Zeichen, die Sicherheitsgurte<br />

zu lösen. Der Blick aus<br />

dem hinten offenen Hubschrauber<br />

zeigt Felder, Wiesen und in der Ferne<br />

den Plattensee. Plötzlich brüllt der<br />

Jumpmaster Kommandos mit eindringlicher<br />

Stimme: „Stand up!“<br />

„Check static line!“ „Check equipment!“<br />

„Sound off for equipment<br />

check!“ Die Absetzhöhe von 600 Metern<br />

ist erreicht, die erste Gruppe<br />

steht dicht gedrängt in der Maschine<br />

und wartet auf den Moment des Absetzens.<br />

„Stand by!“ Der erste Springer<br />

geht in Position. „Go!“ und er verschwindet<br />

hinter dem Hubschrauber<br />

im Nichts.<br />

Gedanken schießen wirr durch den<br />

Kopf. Umdrehen? Unmöglich. Wer<br />

jetzt in der Reihe zum Absprung bereit<br />

steht, muss raus. Noch ein Springer<br />

vor mir. In zwei Sekunden wird es für<br />

mich ernst. Worauf hab ich mich hier<br />

eingelassen? Der Kopf sagt „nein“. Zu<br />

spät. Der Springer vor mir stürzt sich<br />

hinaus. Ein Schritt vor bis zur Kante.<br />

Unter mir zieht die beschauliche Landschaft<br />

vorbei. „Go!“ Der Jumpmaster<br />

unterstützt sein Kommando mit einem<br />

Schlag auf meine Schulter. Augen zu,<br />

W E I T E R E FOTO S : I M ATS<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


P A N O R A M A<br />

KEIN ZURÜCK<br />

Wer jetzt im Hubschrauber<br />

sitzt, muss springen.<br />

Die Nerven liegen auch<br />

deshalb vor dem Sprung<br />

bei allen blank.<br />

SPRUNGABZEICHEN<br />

ERWERBEN<br />

IN DER LUFT Rund eineinhalb Minuten dauert der Sprung aus 600 Metern Höhe. Um die<br />

Landezone zu treffen, muss man den Fallschirm gegen den Wind drehen.<br />

raus. Ich falle zwei Sekunden ungebremst<br />

ins Leere. Über mir der<br />

Downwash des Rotors, Zischen, Pfeifen<br />

und Knattern. Alle Muskeln sind<br />

jetzt aufs Äußerste gespannt.<br />

Ein kräftiger Ruck, der sich öffnende<br />

Fallschirm bremst den freien Fall abrupt<br />

ab. Ich hänge in den Gurten und<br />

blicke nach oben. Erleichterung – die<br />

Kappe bildet einen schönen Kreis und<br />

die 30 Leinen, mit denen ich an der<br />

Rundkappe hänge, sind nicht verwickelt.<br />

Jetzt wird es ruhig, denn der<br />

Klang des Hubschraubers verliert sich<br />

in der Ferne. Auf einmal formt sich der<br />

Mund unweigerlich zum Lächeln.<br />

Freude sprüht durch den Körper. Man<br />

könnte schreien, die Welt umarmen.<br />

Für das bleibt aber keine Zeit, denn<br />

jetzt geht es ans Steuern. Schnell den<br />

Schirm drehen, damit man den Wind<br />

im Gesicht hat. Nur so kann man verhindern,<br />

weit abgetrieben zu werden.<br />

Durch die Löcher in der Kappe gleitet<br />

der Schirm etwa fünf Meter pro Sekunde<br />

nach vorne. Hat der Wind ungefähr<br />

die gleiche Geschwindigkeit, segelt<br />

man fast senkrecht nach unten. Vertikal<br />

sinkt man mit vier bis fünf Metern<br />

pro Sekunde und hängt damit knapp<br />

anderthalb Minuten bis zur Landung<br />

am Schirm.<br />

Jetzt gilt es, die Landezone, eine circa<br />

400 mal 600 Meter große Wiese am<br />

Flughafen, zu treffen. Hört sich leichter<br />

an, als es beim ersten Mal tatsächlich<br />

ist. Rundkappen lassen sich wesentlich<br />

schlechter lenken als Flächenschirme.<br />

Man kann sich damit lediglich drehen<br />

und so mithilfe des Windes steuern.<br />

Windböen verdrehen den Schirm immer<br />

wieder und man muss ständig<br />

nachkorrigieren. Es sieht gut aus. Zäune,<br />

Gebäude und Bäume sind zumindest<br />

keine im Weg. Unter mir nur ebene,<br />

gemähte Wiese. Ich sehe wie Springer<br />

vor mir landen und wie andere<br />

noch oberhalb von mir in der Luft<br />

sind. Der Hubschrauber dreht seine<br />

zweite Runde und setzt den Rest der<br />

Gruppe ab. Die vielen Fallschirme am<br />

Himmel ergeben ein majestätisches<br />

Bild.<br />

Noch 30 Meter bis zum Boden. Konzentriert<br />

prüfe ich den Fleck Wiese, wo<br />

ich voraussichtlich landen werde. Nun<br />

heißt es, das zu tun, was man in der<br />

Ausbildung davor drillmäßig verinnerlicht<br />

hat: Beine fest zusammen und<br />

Auf Wunsch kann man im Rahmen<br />

des Basiskurses mehrere Sprungabzeichen<br />

(„Wings“) erwerben: Das<br />

Luxemburg MPAA Basic beispielsweise<br />

und je nach Anwesenheit der<br />

jeweiligen Jumpmaster auch das<br />

US Basic, das Israeli IDF sowie das<br />

tschechische Abzeichen. Für Fortgeschrittene<br />

besteht die Möglichkeit,<br />

unter anderem das Freifall-Abzeichen<br />

des US-Militärs (gültige Freifalllizenz<br />

ist notwendig), das US-Naval-Marine-Corps-Abzeichen<br />

(zehn<br />

Sprünge), sowie Luxemburg MPAA<br />

Senior und Master (25 beziehungsweise<br />

50 Sprünge) zu erlangen. Der<br />

Basiskurs mit drei Sprüngen kostet<br />

370 Euro. Hinzu kommen noch<br />

knapp 100 Euro für Essen und<br />

Unterkunft am Flughafengelände.<br />

Ein Kurs inklusive niederländischer<br />

A-Lizenz (fünf Sprünge) kommt auf<br />

440 Euro.<br />

Weitere Infos unter www.imats.eu,<br />

Kurse auch buchbar über<br />

www.steinadler.com<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 3 8 H E E R & M E H R<br />

um einen möglichst langen freien Fall<br />

oder Kunststücke in der Luft, sondern<br />

um das rasche und sichere Absetzen<br />

aus Flugzeugen oder Hubschraubern.<br />

Jeder Schirm ist mittels einer Leine<br />

(Static Line) mit dem Luftfahrzeug<br />

verbunden, welche ihn nach dem<br />

Absprung aus dem Packsack (D-Bag)<br />

reißt und damit automatisch öffnet.<br />

Der Vorteil: Man kann es alleine und<br />

ohne Fallschirmsprungschein absolvieren,<br />

lediglich die Anwesenheit<br />

eines Jumpmasters ist notwendig.<br />

MASSARBEIT Die Rundkappe selbst zu packen erfordert viel Übung, höchste Konzentration<br />

(Sicherheit geht schließlich vor) und eine kräftige Portion Geduld.<br />

Bis zum Sprung sind es aber viele<br />

Stunden intensiver Ausbildung, schriftliche<br />

Prüfung und unzählige Wiederholungen.<br />

Solch einen Basiskurs mit<br />

drei Sprüngen bietet zum Beispiel die<br />

International Military Airborne Training<br />

School (IMATS, buchbar auch<br />

über www.steinadler.com) am ungarischen<br />

Flughafen Siófok-Kiliti, nahe<br />

dem Plattensee, an. Zu Beginn steht<br />

dort das korrekte Ausführen der sogeleicht<br />

abwinkeln. Noch zehn Meter.<br />

Wird die Landung hart? Werde ich<br />

überknöcheln? Meine schweren Stiefel<br />

berühren den Boden, sofort rolle ich<br />

über die linke Seite bis über die Schulter<br />

ab. Geschafft! Der erste Gedanke:<br />

Absolut verrückt! Ich möchte sofort<br />

wieder springen. Im Gegensatz zum<br />

weit verbreiteten Freifallspringen mit<br />

Flächenfallschirmen aus mehreren<br />

Tausend Metern, beträgt die Absetzhöhe<br />

beim <strong>militär</strong>ischen Automatensprung<br />

mit Rundkappe nur wenige<br />

Hundert Meter. Hier geht es nicht<br />

GENERALPROBE<br />

Erst wenn alle Abläufe<br />

am Boden perfekt<br />

funktionieren, geht es<br />

zum Hubschrauber.<br />

Vor dem ersten<br />

Sprung erfolgt<br />

nochmals eine Wiederholung<br />

der wichtigsten<br />

Handgriffe.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


P A N O R A M A<br />

nannten Landerolle am Programm. Der<br />

tschechische Jumpmaster Lukas, ein<br />

ehemaliger Fallschirmjäger, bildet die<br />

Teilnehmer mit streng <strong>militär</strong>ischem<br />

Ton aus. Nur wer sich perfekt über die<br />

gesamte Körperseite abrollt und gleichzeitig<br />

die Beine geschlossen hält, besteht<br />

unter seinem prüfenden Blick.<br />

Dies ist essenziell, um sich später bei<br />

der „echten“ Landung nicht zu verletzen.<br />

Weiter geht es in den Hangar, wo<br />

der Hubschrauber parkt. Ein US-amerikanischer<br />

Jumpmaster, der den Kurs<br />

unterstützt, führt die Teilnehmer mit<br />

scharfen Kommandos an die Abläufe<br />

im Hubschrauber heran. Jeder hat seinen<br />

fixen Platz in der Absprungreihenfolge.<br />

Jedes Kommando, jeder Check,<br />

muss schreiend wiederholt werden.<br />

Nachdem jeder im Gurtzeug vom<br />

Hangardach hängend „probegesessen“<br />

ist und Lukas' Verständnisfragen beantwortet<br />

hat, geht es ans Packen der<br />

Schirme. Keine leichte Aufgabe, die<br />

RÜCK-VERSICHERUNG Der Reserveschirm am Bauch ist im unwahrscheinlichen Fall der Fälle<br />

die Lebensversicherung des Fallschirmspringers.Links im Bild Autor Stefan Tesch.<br />

unzähligen Handgriffe richtig auszuführen,<br />

falsch gepackte Schirme können<br />

zu missglückten Sprüngen führen.<br />

Mehrere Zwischenschritte des Packens<br />

muss man vom Jumpmaster kontrollieren<br />

lassen. Wenn alles passt, darf man<br />

weitermachen. Zum Einsatz kommen<br />

die einander sehr ähnlichen US-Modelle<br />

MC1-1D sowie SF-10A. Fertig.<br />

Der Schirm ist gepackt und es geht in<br />

Zweierreihe rasch zum Hubschrauber,<br />

der schon bereitsteht. Die tief stehende<br />

Abendsonne verspricht einen atemberaubenden<br />

Sunset-Jump.


0 4 0 H E E R & M E H R<br />

DAS BUNDESHEER<br />

IST EINE<br />

ERFOLGSGESCHICHTE!<br />

General i. R. Horst Pleiner war von 2000 bis 2002 Generaltruppeninspektor<br />

und kennt das Bundesheer wie kein Zweiter. Militär Aktuell hat mit ihm einen<br />

Blick zurück auf 60 Jahre Bundesheer geworfen. Interview: OBERST DIETER MUHR<br />

err General, sind 60<br />

HJahre Bundesheer eine<br />

Erfolgsgeschichte?<br />

Ja, vor allem wegen des<br />

Einsatzwillens von Berufssoldaten<br />

und Wehrpflichtigen.<br />

Das Bundesheer hat seine<br />

Einsatzbereitschaft 1956 beim Ungarnaufstand,<br />

1967 und 1968 während des<br />

Prager Frühlings und 1991 beim Zerfall<br />

von Jugoslawien bewiesen. Nicht zu vergessen<br />

auch die zahlreichen Auslandseinsätze<br />

und die mehrjährige Grenzraumüberwachung<br />

ab 1990.<br />

Welche waren dabei die wesentlichsten<br />

Richtungsentscheidungen?<br />

Die erste erfolgte 1960 mit der Beteiligung<br />

an Einsätzen der UN, die zweite<br />

1971 mit der Entscheidung für die<br />

Raumverteidigung als Instrument der<br />

Abhaltung. Sie brachte eine glaubhafte<br />

Aufgabenstellung für das Bundesheer<br />

und überwand die davorliegende unzureichende<br />

Identität des Heeres. Die dritte<br />

folgte schließlich mit dem Beitritt zur<br />

Partnerschaft für den Frieden, die den<br />

Weg zur multinationalen Kooperation<br />

in internationalen Einsätzen öffnete.<br />

Konnte das Bundesheer jemals seinen<br />

Auftrag nicht erfüllen?<br />

Ja, um zu vermeiden, dass die Situation<br />

eskaliert, musste die Truppe während<br />

der Krise in der Tschechoslowakei einen<br />

Abstand von 30 Kilometern zur Grenze<br />

einhalten. Das war weder im Sinne der<br />

Neutralität noch wurde das dem Sicherheitsbedürfnis<br />

der Bevölkerung gerecht.<br />

Das Heer ist auch ein Produkt seiner<br />

Geschichte. Trägt es an Altlasten?<br />

Jede Organisation trägt an ihrer Vergangenheit<br />

und das Bundesheer hat oft darunter<br />

gelitten, dass die Politik strategisch-politische<br />

Zielsetzungen für das<br />

Militär vermeidet. Jegliche Versäumnisse<br />

schleppt man mit der Organisation<br />

mit und sie wirken sich mehr oder weniger<br />

auf die Einsatzbereitschaft aus.<br />

Es gab nur wenige Perioden mit klaren<br />

Vorgaben. Die sind aber absolut notwendig,<br />

weil organisatorische Veränderungen<br />

aufwendig sind.<br />

Welche Perioden mit klaren Vorgaben<br />

waren das?<br />

Das war in den Amtszeiten der Minister<br />

Otto Rösch, Werner Fasslabend und<br />

Herbert Scheibner so. Diese Minister<br />

haben aber auch besondere Situationen<br />

vorgefunden, die konkrete sicherheitspolitische<br />

Zielsetzungen für das Bundesheer<br />

verlangten. Die Ära Rösch war<br />

von den Spannungen zwischen der<br />

NATO und dem Warschauer Pakt mit<br />

dem NATO-Doppelbeschluss zur<br />

Nachrüstung und den nachfolgenden<br />

vertrauensbildenden Maßnahmen in<br />

der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit<br />

in Europa gekennzeichnet.<br />

Bei Fasslabend hatten wir den Beitritt<br />

zur EU mit einer positiven sicherheitspolitischen<br />

Haltung von Regierung<br />

und Opposition und in der Ära Scheibner<br />

hatte man sich auf die nachfolgenden<br />

sicherheitspolitischen Entwicklungen<br />

eingestellt. Letzteres hält noch heute<br />

an; leider nur mehr abgeschwächt.<br />

Sind die Vorgaben heute klar, oder<br />

steht das Bundesheer an einer<br />

Wegkreuzung?<br />

Prinzipiell steht das Bundesheer vor keiner<br />

Wegkreuzung. Vielmehr bewegt es<br />

sich auf einer mehrspurigen Autobahn.<br />

ZUR PERSON<br />

Geboren 1941 in Salzburg, ist General<br />

i. R. Horst Pleiner 1959 als Einjährig<br />

Freiwilliger zum Feldjägerbataillon 29<br />

eingerückt. Ab 1960 Militärakademie,<br />

1963 Ausmusterung als Leutnant zur<br />

Jägerschule, Verwendung im Stab des<br />

Jägerbataillons 29, 1969 bis 1972 Hörer<br />

am 6. Generalstabskurs. Von 1975 bis<br />

1978 Kommandant des 8. Generalstabskurses,<br />

1978/1979 stellvertretender<br />

Leiter der Operationsabteilung im<br />

Ministerium, ab 1987 Leiter der Führungsabteilung<br />

im Ministerium. 1990<br />

wird Pleiner Leiter der Generalstabsgruppe<br />

B und von 2000 bis Ende 2002<br />

Generaltruppeninspektor.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


I N T E R V I E W<br />

IM GESPRÄCH<br />

General i. R. Horst Pleiner<br />

und Militär Aktuell-Autor<br />

Oberst Dieter Muhr.<br />

FOTO S : N A D J A M E I ST E R , H B F/ D O L E S C H A L<br />

Es wird zu entscheiden sein,<br />

welchen Weg es gehen soll.<br />

Voraussetzung dafür ist,<br />

dass sicherheitspolitische<br />

und strategische Zielsetzungen<br />

formuliert und priorisierte<br />

und tatsächlich finanzierte<br />

Fähigkeiten abgeleitet<br />

werden. Dabei muss berücksichtigt<br />

werden, dass aktuell<br />

sich beschleunigende operativ-taktische,<br />

strategische<br />

und technische Entwicklungen<br />

ständig neue <strong>militär</strong>ische<br />

Erfordernisse verlangen.<br />

Ein aktuelles Beispiel:<br />

Sollte die EU gegen die<br />

Schlepper im Mittelmeer aktiv<br />

vorgehen, stellt sich die<br />

Frage, wie sich Österreich<br />

daran beteiligen will. Auf so<br />

etwas muss das Militär immer<br />

vorbereitet sein.<br />

Die Autobahnspuren sind<br />

Katastrophenhilfe und<br />

Landesverteidigung?<br />

Ja, wobei das eine das andere<br />

nicht ausschließt. Ein Heer<br />

sollte sich jedoch nicht auf<br />

Katastrophenhilfe und Assistenzen<br />

beschränken. Da<br />

ist zwar <strong>militär</strong>ische Organisationsfähigkeit<br />

gefragt, es<br />

geht aber nicht um <strong>militär</strong>ische<br />

Fähigkeiten zur Erreichung<br />

von politisch-strategischen<br />

Zielsetzungen. Der<br />

<strong>militär</strong>ische Teil der Landesverteidigung<br />

bleibt Kerngeschäft,<br />

muss im strategischen<br />

Rahmen durchdacht<br />

werden und die Handlungsmöglichkeiten<br />

eines Kleinstaats<br />

berücksichtigen. Die<br />

vorliegenden strategischen<br />

Dokumente beantworten<br />

das nicht ausreichend. Vom<br />

Bundesheer wird eine zu<br />

große Bandbreite verlangt,<br />

die seinem Budget und den<br />

politischen Möglichkeiten<br />

des Landes nicht entspricht.<br />

Eine klarere Prioritätenreihung<br />

sollte aktuell und dringend<br />

festgelegt werden.<br />

Gilt ihr Zitat „So viel Geld,<br />

so viel Bundesheer“ also<br />

immer noch?<br />

Das gilt generell, das ist Realpolitik.<br />

Und nirgends ist<br />

Realpolitik so gefragt, wie<br />

beim Militär. Wunschdenken<br />

bringt keine <strong>militär</strong>ischen<br />

Fähigkeiten. Die Verantwortung<br />

der Politik ist es,<br />

klare Zielvorgaben zu geben,<br />

und sie muss akzeptieren,<br />

dass das Militär dazu Mittel<br />

braucht. Oder sie muss akzeptieren,<br />

dass bestimmte<br />

Zielsetzungen nicht oder<br />

nur teilweise erreicht werden<br />

können. Dann darf man<br />

das Militär aber nicht dafür<br />

verantwortlich machen,<br />

wenn es problematisch wird.<br />

Wird das Bundesheer vor<br />

diesem Hintergrund weiter<br />

eine Erfolgsgeschichte<br />

sein?<br />

Dazu sind jetzt Entscheidungen<br />

notwendig. Der Erfolg<br />

des Militärs liegt in der Erfüllung<br />

der Aufgaben, um<br />

die sicherheitspolitischen<br />

Zielsetzungen der Republik<br />

zu erreichen. Die rein <strong>militär</strong>ischen<br />

Fähigkeiten des Bundesheeres<br />

dürfen nicht das<br />

Ergebnis nur politischer Verhandlungen<br />

sein. Die Politik<br />

gibt Ziele und den Rahmen<br />

durch das Budget und Personalstärken<br />

vor, aber die<br />

Ableitung der dann notwendigen<br />

<strong>militär</strong>ischen Erfordernisse<br />

ist Sache der Experten<br />

des Militärs. Man kann<br />

schon sagen, das Bundesheer<br />

bekommt nur so viel<br />

Geld. Aber die Militärs müssen<br />

dann beurteilen, was damit<br />

an Aufgaben wie umgesetzt<br />

werden kann. Im Übrigen<br />

sollte man sich in einer<br />

Zeit der Budgetknappheit<br />

darauf vorbereiten, was<br />

getan werden sollte, wenn<br />

wieder mehr Geld da ist.<br />

COBRA – Spezial-<br />

Einsatzhandschuh<br />

von ESKA®<br />

Der COBRA von ESKA® garantiert selbst in kritischen<br />

Situationen besten Schutz Ihrer Hände, sein Trageverhalten<br />

gibt Sicherheit. Bestechend sind auch Grifffreudigkeit,<br />

Anziehhilfe und Taktilität. Anatomisch der Handform angepasst,<br />

fachmännisch zugeschnitten und ebenso technisch<br />

verarbeitet erreicht der COBRA im gesamten Innenhandbereich<br />

die höchste Schnittschutzklasse 5 nach EN 388.<br />

Der Handschuh ist mit reißfesten, feuerresistenten<br />

Kevlar®-Fäden verarbeitet. Der feuerresistente Sicherheitsprotektor<br />

beugt Verletzungen vor und garantiert<br />

in diesem Bereich uneingeschränkten Schlagschutz. Bis<br />

zum Stulpeneinsatz bestehen Innenhand,<br />

Fingerzwischen- und Seitenteile aus stark<br />

hydrophobiertem Silikon-Carbon-<br />

Leder. Das neue Schnittschutzfutter<br />

aus Kevlar® mit<br />

Stahl-Fiberglas und<br />

Silberfäden wirkt<br />

antibakteriell,<br />

antistatisch, geruchshemmend<br />

und<br />

temperaturregulierend.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 4 2<br />

S I C h E R h E I T & W I R T S C h A F T<br />

IDEX:<br />

MILLIARDENMARKT<br />

Die International Defence Expo (kurz<br />

IDEX) in Abu Dhabi hat sich in den<br />

vergangenen Jahren zur größten regionalen<br />

Rüstungsmesse entwickelt<br />

und konnte heuer eine erneute Steigerung<br />

auf 1.200 Aussteller vermelden.<br />

Das hohe Interesse kommt nicht<br />

von ungefähr, die Golfregion und der<br />

Nahe Osten gelten aufgrund der dort<br />

anhaltend hohen Nachfrage nach Sicherheitstechnik<br />

bei Rüstungsherstellern<br />

als „Schlüsselregion“. Abu<br />

Dhabi bestätigte diese Einschätzung<br />

und zeichnete alleine Verträge über<br />

3,84 Milliarden Euro. Eröffnet wurde<br />

die Expo mit einer 30-minütigen<br />

Show, bei der in allen drei Dimensionen<br />

die Rückeroberung eines Containerhafenterminals<br />

von einer Terrorgruppe<br />

durch VAE-Spezialeinheiten<br />

demonstriert wurde. In den Messegesprächen<br />

fielen neue Achsen abseits<br />

der großen Player auf, etwa zwischen<br />

der Ukraine und den Vereinigten Aarabischen<br />

Emiraten oder Südafrika<br />

und Ländern der Kaukasusregion.<br />

Der Österreich-Pavillon beherbergte<br />

20 heimische Hersteller wie Schiebel,<br />

Steyr Mannlicher, Steyr Motors,<br />

Glock, Hirtenberger und Palfinger.<br />

IM FOKUS<br />

DER KONZERN<br />

IM ÜBERBLICK<br />

11.800<br />

Mitarbeiter<br />

3,68 Mrd. Euro<br />

Umsatz (2014)<br />

Top-Produkte<br />

Kampfflugzeuge<br />

Mirage & Rafále<br />

DASSAULT<br />

Der französische Rüstungskonzern Dassault konnte endlich<br />

Exportaufträge für seine Rafále an Land ziehen. 15 Jahre hatte<br />

der Hersteller keine Abnehmer außerhalb Frankreichs für das<br />

über Libyen, Irak und Mali kampferprobte Mehrzweckkampfflugzeug<br />

gefunden, und nun muss die Produktion von einer<br />

Maschine pro Monat auf zweieinhalb gesteigert werden. Eine Bestellung für 18+6 Rafále der Serie 3 trudelte jüngst<br />

von Katar ein (zum Preis von 5,24 Milliarden Euro inklusive Waffenpaket und Ausbildung von 130 Mann), zuvor<br />

hatte sich Ägypten für den Kauf von 24 Jets entschieden. Staatschef as-Sisi möchte die Flugzeuge am liebsten<br />

gestern einflotten, bei den Eröffnungsfeierlichkeiten des neuen Suezkanals im Sommer sollen französische Jets<br />

in ägyptischen Farben Flagge zeigen. Zu guter Letzt konnte Dassault nun auch in Indien Nägel mit Köpfen machen:<br />

Nachdem 2012 die Lieferung von 126 Rafále fix schien, zerschlug sich der Auftrag doch noch. Vor dem Hintergrund<br />

der unbekümmert aufrüstenden Nachbarn China und Pakistan und der kurz vor ihrem Lebensende stehenden<br />

MiG-21 und MiG-27 der Inder wurde nun der Kauf von 36 Rafále beschlossen – zum Preis von 6,55 Milliarden Euro.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


N E W S A U S D E R S I C H E R H E I T S B R A N C H E<br />

TOP 3<br />

DIE BESTEN<br />

FLUGSHOWS <strong>2015</strong><br />

WARBIRDS<br />

IM FOKUS<br />

In Duxford bilden<br />

nur historische<br />

Flugzeuge das<br />

Programm.<br />

1 Die größte <strong>militär</strong>ische Flughow<br />

Europas geht mit der Royal International<br />

Air-Tattoo in Großbritannien<br />

über die Bühne. Von 17. bis 19. Juli<br />

auf der Royal Air Force Station Fairford.<br />

www.airtattoo.com<br />

2 Praktische, weil naheliegende Alternative<br />

zur abgesagten Airpower in<br />

Österreich ist das Slovak International<br />

Air Fest (kurz SIAF) auf der Sliac<br />

Airbase. Am 29. und 30. August.<br />

www.siaf.sk/en<br />

3 Für Fans sogenannter „Warbirds“<br />

aus dem Zweiten Weltkrieg ist die<br />

Battle-of-Britain 75th Anniversary<br />

Show von 19. bis 20. September in<br />

Duxford in der Nähe von Cambridge<br />

ein Muss. www.iwm.org.uk<br />

„WIR BEKOMMEN IMMER MEHR ANFRAGEN!“<br />

FOTO S : G E O R G M A D E R , DASSAU LT, B E I G E ST E L LT<br />

SIMGUN ist ein österreichisches Unternehmen, das<br />

professionelle Duellsimulatoren für den Gamingbereich<br />

und behördliche sowie <strong>militär</strong>ische Anwendungsgebiete<br />

herstellt. Wir haben mit Geschäftsführer Patrick Riedesser<br />

über die Vorteile seiner Produkte gesprochen.<br />

Herr Riedesser, hat sich das SIMGUN-Geschäftsmodell<br />

aus dem Adventure- und Entertainment-Bereich hin zur<br />

<strong>militär</strong>ischen Verwendung entwickelt oder verlief die<br />

Entwicklung umgekehrt?<br />

Zu Beginn wurde SIMGUN für den Gaming Markt entwickelt,<br />

mit der ganz klaren Prämisse, das beste System am<br />

Markt zu werden. Dabei haben wir die verwendeten<br />

Techniken der Rüstungsindustrie als Maßstab genommen<br />

und bei den Recherchen festgestellt, dass diese mit<br />

heutiger Technik viel smarter umzusetzen wären. Mittlerweile<br />

übertrumpfen wir die meisten Anbieter bei Laserreichweite<br />

und Genauigkeit und deshalb werden die<br />

Anfragen aus dem behördlichen Bereich auch immer<br />

zahlreicher. Wir haben daher unser Geschäftsfeld mit<br />

diesem Kundensegment erweitert und bieten maßgeschneiderte<br />

Lösungen in diesem Bereich an.<br />

PATRICK<br />

RIEDESSER<br />

ist Geschäftsführer<br />

von SIMGUN<br />

und vor allem<br />

vom guten Preis-<br />

Leistungs-Verhältnis<br />

seiner Produkte<br />

überzeugt.<br />

Wie ist die Gewichtung von <strong>militär</strong>ischem und zivilem<br />

Bereich?<br />

Wir gehen davon aus, dass sich das Verhältnis bis Ende des<br />

Jahres auf etwa 50:50 einpendeln wird.<br />

Es gibt auch andere Anbieter von Duell- und Schützensimulationssystemen.<br />

Was macht SIMGUN besser und kann das<br />

System auch einen Schützenzug mit der Wirkung all seiner<br />

Waffen spiegeln?<br />

Es gibt weltweit eine Handvoll Hersteller dieser Duellsimulatoren,<br />

deren Produkte durch ihr hohes Alter und ihre hohe<br />

Komplexität einige Nachteile aufweisen. Was wir immer wieder<br />

hören, sind hohes Gewicht, sperrige Westen und geringe<br />

Reichweite des Lasers bei Tageslicht. Derzeit bieten wir unsere<br />

Technik nur für die Infanterie an. Eine Fahrzeuglösung<br />

samt „Rocket Launcher“ wird es bis Ende <strong>2015</strong> geben.<br />

Was kann sich eine Polizei- oder Heeresspezialeinheit in Zeiten<br />

immer kleinerer Verteidigungsetats mit SIMGUN sparen?<br />

Viel Geld. Bei uns geht es mit einem System für einen Mann<br />

bei etwa 1.500 Euro los. Im Vergleich dazu muss man bei den<br />

Produkten mancher Rüstungshersteller eine Null anhängen.<br />

Natürlich sind diese Systeme dann oft komplexer, aber diese<br />

Komplexität ist nicht immer von Vorteil und führt oft genug<br />

auch am eigentlichen Ziel vorbei.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 4 4 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />

ROT-W E I S S-ROT E<br />

MOTORENPROFIS<br />

Der oberösterreichische Antriebsspezialist Steyr Motors hat im<br />

globalen Markt mit Hochleistungsdieselmotoren eine feine Nische besetzt –<br />

das schließt auch <strong>militär</strong>ische Anwendungen ein. Text: JÜRGEN ZACHARIAS<br />

er industriell geprägte<br />

D<br />

Norden Steyrs ist nicht<br />

die schönste Seite der<br />

oberösterreichischen<br />

Statutarstadt. Zwischen<br />

dem Stadtteil Niedergleink<br />

und dem Stadtgutteich prägen<br />

entlang der B309 Firmen wie Profactor,<br />

AVL List, Kappa und NKE Austria die<br />

Peripherie, ihre Areale haben sie mit<br />

Stabgitterzäunen, glänzenden Fassaden<br />

und Sichtbetonelementen abgesteckt.<br />

Mittendrin in diesem urban-industrialisierten<br />

Konglomerat schreibt mit<br />

Steyr Motors ein automotiver Nischenplayer<br />

an einer Erfolgsstory (auch in<br />

<strong>militär</strong>ischen Anwendungsbereichen),<br />

die vor eineinhalb Jahrzehnten kaum<br />

jemand für möglich gehalten hätte.<br />

Damals (wir schreiben das Jahr 2001)<br />

wurde der Motorenspezialist mittels<br />

eines Management-Buyouts aus der<br />

Magna-Gruppe gelöst und als komplett<br />

eigenständiges Unternehmen gegründet.<br />

Ein Blick auf das Logo macht klar,<br />

dass die Wurzeln des Betriebs viel tiefer<br />

gehen und bis zur altehrwürdigen<br />

Steyr-Daimler-Puch AG zurückreichen.<br />

Mit seinen bis zu 17.000 Beschäftigten<br />

fertigte der traditionsreiche Industrieriese<br />

im alten Jahrhundert hochwertige<br />

Waffen, Fahrräder, Traktoren, Motoren,<br />

Wälzlager und Fahrzeuge für den<br />

Weltmarkt, intern ließ der Staatskonzern<br />

aber zunehmend Effizienz vermissen.<br />

Mitte der 1980er-Jahre kam es<br />

dann, wie es wohl kommen musste; die<br />

schmerzliche Wahrheit der Misswirtschaft<br />

krachte durch die Decke; der Betrieb<br />

wurde filetiert: Die Waffenproduktion<br />

wurde in die Steyr Mannlicher<br />

GmbH ausgegliedert, der Lkw-Bereich<br />

ging an MAN, die Wälzlager-Fertigung<br />

an SKF, die Motorensparte an Magna<br />

STEYR MOTORS IM MILITÄRISCHEN ALLTAG<br />

Triebwerke von Steyr Motors finden heute in einer ganzen<br />

Reihe <strong>militär</strong>ischer Plattformen Verwendung. So wurde in<br />

den im Vorjahr vom Bundesheer angekauften und von der<br />

ÖSWAG Werft in Linz gefertigten Arbeits- und Transportbooten<br />

der 6-Zylinder-Motor SE266E40 (190 kW/258 PS) verbaut.<br />

Auch die Sturm- und Flachwasserboote Watercat M9 des finnischen<br />

Herstellers Marine Alutech (Auslieferung noch in<br />

diesem Jahr an das Bundesheer) werden von Motoren aus<br />

oberösterreichischer Produktion angetrieben.<br />

Zum Einsatz kommen Steyr-Motors -Triebwerke sowie APUs<br />

(Hilfsmotoren) auch im neuen Thales Flaggschiff Hawkei, im<br />

Kampfpanzer Leopard 2A7+, im Patrouillenfahrzeug AMPV<br />

und im Spähwagen Fennek 2 von Krauss-Maffei Wegmann sowie<br />

im Spähpanzer Scorpion CVR(T) von ALVIS und in den gepanzerten<br />

Transportfahrzeugen Alligator 8x8 und BvS10 der<br />

schwedischen BAE-Tochter Hägglunds. Zu Kunden von Steyr<br />

Motors zählen weiters AM General (mit dem leichten Transporter<br />

HMMWV/RECAP), UROVESA aus Spanien (mit dem<br />

leicht gepanzerten Militärfahrzeug VAMTAC S3 und dem T5)<br />

und der französische Hersteller Panhard mit den Produkten<br />

PVP XL, TC54 und VBL.<br />

BREITES PORTFOLIO<br />

Aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit<br />

und<br />

Robustheit kommen<br />

Motoren von Steyr<br />

Motors auch häufig<br />

in <strong>militär</strong>ischen Fahrzeugen<br />

zum Einsatz.<br />

FOTO S : 2 0 1 3 B A E SYST E M S , B U N D E S H E E R / M I C H A E L ST E I N B E R G E R , ST E Y R - M OTO R S .CO M , B E I G E ST E L LT<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


S T E Y R M O T O R S<br />

und 2001 die Monoblock-Familie an<br />

Steyr Motors. Rasch verstand es die<br />

oberösterreichische Neugründung, mit<br />

Hochleistungsdieselmotoren für anspruchsvolle<br />

Anwendungen eine internationale<br />

Vorreiterrolle (der Exportanteil<br />

liegt bei 99 Prozent) als Engineering-Spezialist<br />

einzunehmen. Heute gehören<br />

zum Produktportfolio kompakte<br />

und langlebige Dieselmotoren und Aggregate<br />

sowie dieselelektrische Hybrid-<br />

Antriebe, die im industriellen Sektor,<br />

vor allem aber in den Bereichen Marine<br />

und Spezialfahrzeuge zum Einsatz<br />

kommen. „Unsere Produkte zeichnen<br />

sich durch Robustheit, Leistungsdichte<br />

MILLIONEN-INVES-<br />

TITION Steyr Motors<br />

erweiterte seine Kapazitäten<br />

in Steyr um<br />

eine 3.600 Quadratmeter<br />

große Lagerund<br />

Prototypenhalle,<br />

Büroflächen und neue<br />

Motoren-Prüfstände.<br />

und Kosteneffizienz aus“, sagt Geschäftsführer<br />

Michael Aschaber, „und<br />

deshalb werden wir überall dort stark<br />

nachgefragt, wo es darum geht, verlässliche<br />

und gewichtsoptimierte Triebwerke<br />

mit viel Leistung auf wenig Platz zu<br />

realisieren, die darüber hinaus mit verschiedenen<br />

Kraftstoffen betrieben werden<br />

können.“<br />

Dazu zählen auch <strong>militär</strong>ische Anwendungsbereiche.<br />

Die 2-, 4- und 6-Zylinder-Motoren<br />

von Steyr Motors finden<br />

etwa im Leopard 2A7+ als APU und in<br />

den neuen Arbeits- und Transportbooten<br />

des Bundesheeres Verwendung (siehe<br />

Produktübersicht). „Auch wenn wir<br />

von Kunden aus diesem Bereich für<br />

unsere hochwertigen Produkte geschätzt<br />

werden, verstehen wir uns nicht<br />

als Militärmotorenhersteller, sondern<br />

als Produzent leistungsfähiger Dieselund<br />

Hybridmotoren“, so Michael<br />

Aschaber. Nachsatz: „Und damit sind<br />

wir höchst erfolgreich.“ Der Umsatz<br />

konnte 2014 von 33,7 auf 39,9 Millionen<br />

Euro gesteigert werden, die Mitarbeiterzahl<br />

stieg auf 200 und wird sich<br />

in den kommenden Jahren wohl weiter<br />

erhöhen. Grund dafür ist laut Vertriebsleiter<br />

Michael Brandl „die sehr<br />

gute Auftragslage“, aber auch der Ende<br />

Mai mit einem Grand Opening abgeschlossene<br />

17,6 Millionen Euro teure<br />

Ausbau am Firmensitz in Steyr. „Der<br />

Zubau lässt uns viel Spielraum für die<br />

Zukunft“, sagt Michael Aschaber, „in<br />

Kombination mit der permanenten<br />

Weiterentwicklung und Leistungssteigerung<br />

unserer Produkte blicken wir in<br />

eine erfolgreiche Zukunft.“ Das gilt für<br />

den zivilen Bereich, aber auch für <strong>militär</strong>ische<br />

Einsatzgebiete.


0 4 6 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />

DER<br />

CAMCOPTER<br />

ALS ÜBERFLIEGER<br />

Interview: GEORG MADER<br />

Der Camcopter S-100 hat dem österreichischen Drohnenhersteller<br />

Schiebel weltweites Renommee gebracht. Das Nachfolgemodell steht bereits<br />

in den Startlöchern, Unternehmer Hans. G. Schiebel sieht aber auch für<br />

sein erfolgreiches Flaggschiff noch Luft nach oben.<br />

H<br />

err Schiebel, Ihre<br />

Camcopter S-100<br />

fliegen im Rahmen<br />

der OSZE-Beobachtermission<br />

SMM in<br />

der Ukraine. Hält der<br />

Waffenstillstand aus ihrer Sicht?<br />

Wir sind in der Ukraine im Einsatz,<br />

von unseren Operators erfahren wir<br />

aber nichts über die Aufklärungs -<br />

ergebnisse; die gehen direkt an die<br />

OSZE. Aber natürlich haben wir<br />

mittlerweile gute Kontakte zu beiden<br />

Seiten aufgebaut, und da muss man<br />

zu dem Schluss kommen, dass ein<br />

Waffenstillstand im Sinne des Wortes<br />

wohl anders aussieht.<br />

Für euch läuft der Einsatz aber trotz<br />

des anhaltenden Konflikts weiter?<br />

Ich habe da jetzt akut keine Sorgen,<br />

dass der Einsatz plötzlich abgebrochen<br />

werden könnte. Wir haben gute Mannschaften<br />

dort, die trotz der Situation<br />

durchaus motiviert sind und auch sehr<br />

qualifiziert, was die Sensorauswertung<br />

betrifft. Da konnten wir und können wir<br />

enorme Erfahrungswerte sammeln.<br />

Sie profitieren also vom operativen<br />

Dauerbetrieb?<br />

Natürlich, das ist unser bislang größter<br />

Einsatz. Wir fliegen an sieben Tagen die<br />

Woche 24 Stunden rund um die Uhr<br />

mit zumindest einem Gerät. Insgesamt<br />

haben wir vier Camcopter im Einsatz.<br />

Da wir die großen Wartungen aber in<br />

Wr. Neustadt durchführen, rotieren wir<br />

die Plattformen ständig hin und her,<br />

was bislang problemlos funktionierte.<br />

Dadurch lernen wir gerade im logistischen<br />

Bereich und bei der Wartung<br />

der Geräte viel dazu.<br />

HOHE NACHFRAGE Aktuell sind weltweit rund 250 Schiebel Camcopter S-100 im Einsatz.<br />

Lassen sich auch operativ Rückschlüsse<br />

ziehen? Bis Jänner gab es immer<br />

wieder Versuche massiver elektronischer<br />

Störung (Anm.: Jamming)<br />

und im Februar haben Sie bestätigt,<br />

dass ein Gerät verloren ging.<br />

Ja, leider wurde ein S-100 abgeschossen,<br />

aber dieses Risiko besteht immer.<br />

Am meisten haben wir sicherlich beim<br />

von Ihnen angesprochen Jamming-<br />

Thema gelernt. Wir können mittlerweile<br />

gut mit Anti-Jamming-Ausrüstung<br />

umgehen und dadurch die Be -<br />

einflussung unserer Links weitgehend<br />

unterbinden.<br />

Auch in Somalia wurde 2013 ein<br />

amerikanischer S-100 abgeschossen.<br />

Stimmt, die USA haben das damals<br />

bestätigt. Aber mehr wissen wir auch<br />

nicht, wir haben dazu keine Details.<br />

FOTO : G E O R G M A D E R<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


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Ohne Übung klappt nichts –<br />

auch keine Abwehr mit<br />

Pfefferspray. Deshalb<br />

beinhaltet das Trainings-<br />

Set von Fox Labs neben<br />

dem scharfen Spray „Mean<br />

Green“ auch ein praktisches<br />

Trainingsspray ohne<br />

Wirkstoff.<br />

So kann man den Einsatz<br />

ohne Gefahr für die<br />

Übungspartner trainieren.<br />

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2<br />

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von Defcon 5 eignet sich für<br />

viele Zwecke: Hier kann man<br />

jede Menge EDC-Equipment,<br />

Trink­flaschen und vieles mehr<br />

unterbringen.<br />

Die hochwertige Tasche<br />

hat die Maße 20 x 18 x 8<br />

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extrem widerstandsfähigem<br />

1000D-Nylon im Farbton<br />

OD Grün. Dank der MOLLE-<br />

Schlaufen auf der Rückseite<br />

lässt sie sich variabel<br />

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0 4 8 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />

tun. Das vergangene halbe Jahr war mit<br />

so vielen Themen ausgefüllt, dass keine<br />

Zeit für zukunftsweisende Gedanken<br />

blieb. Außerdem würde die Bezeichnung<br />

„Nachfolgemodell“ bedeuten, dass<br />

der S-100 ausläuft. Der ist aber noch<br />

lange kein Auslaufmodell, wird laufend<br />

verbessert und permanent an die neuesten<br />

technischen Standards angepasst.<br />

„WIR BLICKEN GUT GERÜSTET IN DIE ZUKUNFT“ Schiebel-Chef und Eigentümer<br />

Hans G. Schiebel sieht für seine innovative Drohnen weltweit gute Absatzchancen.<br />

Können Sie uns zumindest verraten,<br />

wo überall S-100 im Einsatz sind?<br />

Soll ich Ihnen sagen, wo sie überall<br />

nicht zum Einsatz kommen? (lacht) Im<br />

Ernst, es sind weltweit fast 250 Geräte<br />

unterwegs, aber über die ohnehin<br />

bekannten Nutzer hinaus können<br />

und dürfen wir nichts sagen.<br />

Ein breites Einsatzgebiet scheinen<br />

Schiffe zu sein, oder? Zumindest<br />

sind S-100 immer wieder auch auf<br />

Schiffsdemonstrationen zu sehen.<br />

Bislang waren es 17 verschiedene Fahrzeuge,<br />

von deren Hinterdecks geflogen<br />

und demonstriert wurde, was wir können.<br />

Da ist also schon eine ziemliche<br />

Routine vorhanden, und natürlich gibt<br />

es auch Marinen, die das System integriert<br />

haben, wie beispielsweise die<br />

Italiener. Das System findet sich auch<br />

auf der französischen Lafayette-Klasse.<br />

Auf den deutschen Fregatten aber<br />

nicht – und das, obwohl 2012 bereits<br />

die Ausrüstung vereinbart war?<br />

Da hatten wir die Ausschreibung<br />

gewonnen, bald danach ereignete sich<br />

aber der Eurohawk-Skandal, und die<br />

ganze Zulassungsproblematik poppte<br />

auf. Im Nachhall haben die deutschen<br />

Behörden gemeint, sie könnten unsere<br />

Geräte nicht zulassen, weil es keine<br />

Zulassungsbestimmungen gäbe und<br />

deswegen dürften die Geräte auch nicht<br />

beschafft werden.<br />

Beschafft wurde und wird der S-100<br />

immer wieder auch von zivilen Behörden<br />

und Organisationen. So sind<br />

zwei Camcopter etwa auch auf dem<br />

unter maltesischer Flagge fahrenden<br />

Flüchtlings-Rettungsschiff Phoenix<br />

stationiert. Wie läuft der Einsatz?<br />

Sehr gut, wir sind mittlerweile das zweite<br />

Jahr mit zwei Geräten an Bord und<br />

konnten bislang bei der Rettung von<br />

insgesamt 4.441 Menschen mitwirken …<br />

… weil die Geräte dabei helfen, den<br />

Horizont des Schiffes zu erweiteren?<br />

Genau. Mithilfe unserer Geräte, Tageslicht-<br />

und Infrarotvideos sind nicht nur<br />

Rettungen bei Tag, sondern auch bei<br />

Nacht und bei schwerer See möglich.<br />

Da gelingt es in der Folge immer wieder,<br />

Hunderte Flüchtlinge an Bord zu nehmen,<br />

und wir alle bei Schiebel sind sehr<br />

stolz auf diese Zusammenarbeit. Wir<br />

wollen mithelfen, das Sterben im<br />

Mittelmeer zu beenden.<br />

Es scheint, als wäre Schiebel damit<br />

weltweit gut aufgestellt. Oder gibt<br />

es einen Hoffnungsmarkt oder<br />

eine Hoffnungsregion, auf die Sie<br />

besonderes Augenmerk richten?<br />

Wie Sie selbst sagen, sind wir auf der<br />

ganzen Welt präsent, und das sehr erfolgreich.<br />

Wir können uns jedenfalls<br />

nicht über zu wenig Arbeit oder zu<br />

geringe Nachfrage beklagen.<br />

Erwarten Sie sich dahingehend vom<br />

2012 angekündigten Nachfolge -<br />

modell S-200 nochmals einen Schub?<br />

Natürlich, wobei der S-200 bislang nur<br />

als Projekt steht und wir noch nicht angefangen<br />

haben, ihn zu bauen. Wir können<br />

auch nicht sagen, wann das so weit<br />

sein wird, denn momentan haben wir<br />

mit dem S-100 noch alle Hände voll zu<br />

Aber wir können davon ausgehen,<br />

dass der S-200 größer wird?<br />

Die Grundform wird ähnlich sein und<br />

auch die Rotorkopfauslegung und andere<br />

Grundprinzipien werden wir beibehalten,<br />

aber natürlich wird der S-200<br />

größer ausfallen. Wir rechnen mit 660<br />

Kilogramm Startgewicht, was eine<br />

Zu ladung inklusive Treibstoff von 300<br />

Kilogramm und rund 20 Stunden Flugdauer<br />

bedeuten würde. Ausstattungsmäßig<br />

rechnen wir aktuell mit einem<br />

guten Gimbal Sensorelement und mit<br />

einem Synthetic Aperture Radar.<br />

Denken Sie neben dem neuen Modell<br />

auch über neue Standorte und Partner<br />

nach? Boeing wurde da früher<br />

beispielsweise mehrfach genannt.<br />

Natürlich hoffen wir, dass wir wachsen.<br />

Wir haben ein gutes Produkt, sind weltweit<br />

anerkannt und Sie werden niemanden<br />

auf dem Markt finden, der sagt,<br />

dass unser Produkt schlecht wäre. Dazu<br />

kommt ein weltweit wachsender Markt<br />

in diesem Bereich – wir sehen uns also<br />

ganz gut für die Zukunft gerüstet.<br />

Gilt das auch für den Standort<br />

Österreich? Hierzulande sehen Sie<br />

sich doch immer wieder einer sehr<br />

kritischen Öffentlichkeit gegenüber.<br />

Durch unseren Einsatz bei der OSZE-<br />

Mission in der Ukraine und auf der<br />

Phoenix ist die öffentliche Meinung<br />

über uns zuletzt deutlich besser geworden.<br />

Leider ist die Exportbewilligungs-Situation<br />

in Österreich weiter<br />

unbefriedigend. Durch das Außenwirtschaftsgesetz<br />

werden den Beamten<br />

massive Hürden in den Weg gelegt.<br />

Einer Kammer-Studie zufolge ist die<br />

Situation in Österreich weit restrik -<br />

tiver als in Schweden oder in der<br />

Schweiz. Abgesehen davon ist<br />

Österreich aber ein hervorragender<br />

Standort mit höchst qualifizierten<br />

Mitarbeitern und hoher Flexibilität.<br />

FOTO : B E I G E ST E L LT<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


MÜNZE „BUNDESHEER – SCHUTZ UND HILFE“<br />

IN ROT-WEISS-ROTER<br />

MISSION<br />

Der Black-Hawk-Hubschrauber ziert unsere 5-Euro-Münze, und das Bundesheer schützt mit seiner Hilfe Österreich.<br />

Vor 60 Jahren, im Mai 1955, wurde es infolge der Unterzeichnung des Staatsvertrags neugegründet. „Österreich ist frei!“,<br />

das bedeutete gleichzeitig: Österreich ist wieder wehrhaft. Das Österreichische Bundesheer: eine Institution im Dienste der<br />

Menschen innerhalb und außerhalb unseres Landes. Schutz zu bieten und Hilfe zu leisten, dazu sind die österreichischen<br />

Soldatinnen und Soldaten stets bereit!<br />

Erhältlich aus Silber edel verpackt oder aus Kupfer zum Nennwert in den Geldinstituten, im Sammelservice der Österreichischen<br />

Post AG, in den Filialen des Dorotheums, im Münzhandel, in den Münze Österreich-Shops Wien und Innsbruck sowie<br />

unter www.muenzeoesterreich.at.<br />

MÜNZE ÖSTERREICH. WERTE, DIE DAS LEBEN PRÄGT.


0 5 0 s c h l u s s p u n k t<br />

RÜSTET EUROPA<br />

JETZT WIEDER AUF?<br />

Mit der Ukraine-Krise ist der <strong>militär</strong>ische Faktor der Sicherheitspolitik auch innerhalb<br />

Europas wieder deutlich sichtbar geworden. Wird dadurch der Trend der vergangenen Jahre,<br />

<strong>militär</strong>ische Ausgaben in Europa zu senken, umgekehrt? Oberstleutnant Herwig Jedlaucnik,<br />

Mitarbeiter am Institut für Strategie und Sicherheitspolitik an der Landesverteidigungsakademie<br />

in Wien, hat für Militär Aktuell die europäischen Verteidigungsbudgets analysiert.<br />

Bereits seit den 1980er-Jahren findet<br />

in europa eine sukzessive reduktion<br />

<strong>militär</strong>ischer ausgaben statt.<br />

nach der eskalation der lage in der ukraine,<br />

verbunden mit der Verschlechterung<br />

der Beziehungen zwischen den westlichen<br />

staaten und russland, haben einige<br />

nordische länder, vor allem aber die staaten<br />

osteuropas, ihre <strong>militär</strong>ausgaben nun<br />

aber wieder erhöht. Im Großteil europas<br />

hat die ukraine-krise jedoch kein strategisches<br />

umdenken mit entsprechenden<br />

budgetären konsequenzen ausgelöst;<br />

der langfristige trend der reduktion europäischer<br />

<strong>militär</strong>ausgaben wurde (vorerst)<br />

kaum gebremst. Gesamteuropa hat seine<br />

<strong>militär</strong>ausgaben, gemessen am BIp-anteil,<br />

2014 um rund 5 prozent und <strong>2015</strong><br />

um weitere 1,6 prozent reduziert. die reduktion<br />

<strong>2015</strong> entspricht dabei in etwa<br />

dem 10-jährigen schnitt. <strong>2015</strong> wird<br />

europa somit knapp 1,5 prozent seines<br />

BIp für Verteidigungszwecke aufwenden.<br />

„Auch die Eskalation<br />

der Lage in der Ukraine<br />

hat nur in wenigen<br />

Staaten Europas<br />

ein strategisches<br />

Umdenken ausgelöst.“<br />

MIT GUTEM BEISPIEL VORAN? Auch Großbritannien schraubt seine Rüstungsausgaben zurück.<br />

es ist zwar davon auszugehen, dass es<br />

nach erholung der europäischen Wirtschaft<br />

in vielen west- und zentraleuropäischen<br />

staaten wieder zu einem leichten<br />

nominellen anstieg der <strong>militär</strong>ausgaben<br />

kommen wird, dennoch ist in den nächsten<br />

Jahren ein absinken der europäischen<br />

Verteidigungsbudgets sogar unter 1,5<br />

prozent des BIp wahrscheinlich. alle staaten<br />

europas zusammengenommen werden<br />

<strong>2015</strong> zwar fast 300 milliarden usdollar<br />

(272 milliarden euro) für ihre Verteidigung<br />

ausgeben, stehen damit aber<br />

nur noch für 16 prozent der globalen <strong>militär</strong>aktivitäten.<br />

europas anteil hat sich damit<br />

in den letzten 20 Jahren fast halbiert!<br />

etwas anders stellt sich die situation bei<br />

den direkt an europa angrenzenden<br />

mächten dar: russland verstärkte 2014<br />

und <strong>2015</strong> seine <strong>militär</strong>ischen anstrengungen<br />

und wird <strong>2015</strong> vermutlich 4,5 prozent<br />

des BIp dafür aufbringen. die türkei<br />

wiederum stellt 2,3 bis 2,4 prozent des<br />

BIp für sein Verteidigungsbudget bereit.<br />

mittelfristig kristallisiert sich als trend die<br />

trennung zwischen europäischen Frontund<br />

etappenstaaten heraus. die an russland,<br />

dessen Vasallenstaat Weißrussland<br />

oder die türkei angrenzenden staaten<br />

werden voraussichtlich ebenso wie Frankreich<br />

und mit gewissen Fragezeichen<br />

eventuell auch Großbritannien um die<br />

2 prozent des BIp für <strong>militär</strong>ausgaben<br />

bereitstellen. die beiden letztgenannten<br />

benötigen die entsprechenden <strong>militär</strong>ischen<br />

mittel zur absicherung ihrer außereuropäischen<br />

Gebiete und Interessen<br />

sowie zur erhaltung ihrer atomaren Fähigkeiten.<br />

die nato-etappenstaaten werden<br />

hingegen vermutlich nur 1 bis 1,5<br />

prozent, die westeuropäischen allianzfreien<br />

0,5 bis 1 prozent ihres BIp für Verteidigungsaufgaben<br />

aufwenden. da in<br />

Österreich weder der konflikt mit russland<br />

noch andere geostrategische entwicklungen<br />

als verteidigungspolitisch<br />

relevante Bedrohung wahrgenommen<br />

werden, wird auch hier der langfristige<br />

trend beibehalten werden. Österreich<br />

hat seine <strong>militär</strong>ausgaben, gemessen<br />

am BIp, seit 2000 noch deutlicher als Gesamteuropa<br />

(minus 20 prozent) sukzessive<br />

um rund 30 prozent reduziert. auch<br />

2014 und <strong>2015</strong> senkte es sein Verteidigungsbudget,<br />

gemessen am BIp, um jeweils<br />

6 bis 6,5 prozent. es wird damit<br />

<strong>2015</strong> weniger als 50 prozent dessen, was<br />

europa für seine Verteidigung aufwendet,<br />

ausgeben. nach nato-standards gemessen,<br />

betragen die österreichischen<br />

<strong>militär</strong>ausgaben 2,3 milliarden euro (0,69<br />

prozent des BIp). aufgrund der inflationsbedingt<br />

real steigenden personal- und Betriebskosten<br />

wird es daher zu einer extremen<br />

reduktion an Investitionen kommen.<br />

Foto s : G e t t y I m aG e s , B u n d e s h e e r / t r I p p o lt<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 5 1 P a n o r a M a<br />

Seit fast 20 Jahren versieht<br />

der Pandur im Bundesheer<br />

zuverlässig Dienst. Jetzt<br />

werden die Radpanzer mit<br />

dem Einbau einer neuen<br />

Waffenstation modifiziert.<br />

Text: HANS SCHNEEWEISS<br />

PANDUR: HI<br />

Ein Pandur war einst ein Leibgardist schen Bedrohungen schützen und sicher<br />

der Edelleute in Slawonien. Der<br />

zum und durch das Gefechtsfeld<br />

namensgleiche sechsrädrige Mannschaftstransporter<br />

transportieren. 1996 kaufte das Bun-<br />

wurde von Steyr desheer 68 Stück der gepanzerten<br />

Spezialfahrzeuge in Eigeninitiative Mannschaftstransporter in der Version<br />

entwickelt und hat eine ähnliche Aufgabe:<br />

A1 und bringt sie seitdem auch bei<br />

Er soll Soldaten vor <strong>militär</strong>i-<br />

friedenssichernden und -erhaltenden<br />

I l lu st r at I o n e n : C l au d I a M o l I to r I s<br />

WAFFENSTATION<br />

Bislang musste der turm vom Bordschützen<br />

händisch bewegt werden.<br />

der richtvorgang war aufwendig, ungenau<br />

und zeitintensiv. optische Visier -<br />

einrichtungen standen ebenfalls nicht<br />

zur Ver fügung. Vor allem aber ragte der<br />

Kopf des Bordschützen ungeschützt<br />

aus dem Fahrzeug heraus, was eine<br />

erheb liche gefährdung des soldaten<br />

bedeutete.<br />

die neue elektrisch fernbedienbare<br />

Waffenstation (eFWs) ist um 360 grad<br />

schwenkbar und wird mittels display<br />

und Joystick aus dem Inneren des Fahrzeugs<br />

bedient. gezielt wird entweder<br />

mit einem Periskop oder optoelektronischen<br />

sensoren. die Waffenstation<br />

wird mithilfe elektrischer Motoren<br />

geschwenkt und ausgerichtet.<br />

NEBELWURFANLAGE<br />

die nebelwurfanlage<br />

ist – wie schon beim A1 –<br />

nicht mehr starr an der<br />

Wanne angebracht,<br />

sondern am 360 grad<br />

drehbaren turm be -<br />

festigt. die verhüllende<br />

nebelwand kann<br />

dadurch leichter in<br />

richtung des gegners<br />

abgefeuert werden und<br />

ermöglicht im einsatzfall<br />

ein sicheres absetzen<br />

des Fahrzeuges aus<br />

gefahrenzonen.<br />

FACTBOX<br />

Mannschaftstransporter A2 Pandur<br />

Hersteller Steyr Spezialfahrzeug GmbH (SSF)<br />

Gewicht 13,5 Tonnen<br />

Motor Steyr 6-Zylinder-4-Takt-Dieselmotor<br />

Motorleistung 260 PS<br />

Höchstgeschwindigkeit 105 km/h<br />

Steigfähigkeit bis zu 70 Prozent<br />

Besatzung bis zu neun Mann<br />

Bewaffnung 12,7 mm üsMG M2<br />

Stationierung Jägerbataillon 17 in Straß<br />

lä<br />

5,7<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


I N F O G R A F I K<br />

GHTECH-TURM<br />

Auslandseinsätzen zum Einsatz. Etwa<br />

im Kosovo, auf den Golanhöhen oder<br />

in Afghanistan. Um stets up to date<br />

zu sein, haben die Fahrzeuge seit ihrer<br />

Indienststellung bereits mehrere<br />

Modifikationen durchlaufen. Aktuell<br />

trägt das Bundesheer den geänderten<br />

RÄDER<br />

Jedes rad des Pandur hat eine einzelrad -<br />

aufhängung. die anordnung der längs- und<br />

Querlenker gewährleistet eine außerordentliche<br />

steifigkeit im Gelände. die räder sind<br />

außerdem mit notlaufelementen ausgerüstet,<br />

dank der das Fahrzeug auch mit beschädigten<br />

reifen weiterfahren kann.<br />

Umständen in internationalen Einsätzen<br />

mit dem Einbau einer elektrisch<br />

fernbedienbaren Waffenstation<br />

Rechnung. Pro Monat werden zwei<br />

Pandur im Heereslogistikzentrum in<br />

Graz zur Version A2 umgebaut, die<br />

ersten Fahrzeuge wurden bereits an<br />

BEOBACHTUNG<br />

Für eine bessere Beobachtung<br />

des Gefechtsfeldes bei tag und<br />

nacht sind eine tageslicht -<br />

kamera, eine Wärmebildkamera<br />

und ein suchscheinwerfer ein -<br />

gebaut. Über zwei Bildschirme<br />

ermöglichen sie den einsatz<br />

unter splitterschutz, bei nacht<br />

und schlechtem Wetter.<br />

das Jägerbataillon 17 in Straß über -<br />

geben. Ab August <strong>2015</strong> sollen die<br />

kampfwertgesteigerten Fahrzeuge<br />

dann auch im Kosovo zum Einsatz<br />

kommen.<br />

INTERVIEW<br />

„Dadurch geben sich<br />

neue Möglichkeiten!“<br />

Major Georg Pilz<br />

ist stellvertretender<br />

Kommandant des<br />

Jägerbataillons 17.<br />

Foto : B M lVs / Ka H r<br />

änGe<br />

Meter<br />

HöHe<br />

2,7 Meter<br />

TREFFERGENAUIGKEIT<br />

der A2 verfügt über eine vollstabilisierte<br />

Waffenanlage. Ziele können damit auch<br />

während der Fahrt beobachtet oder<br />

bekämpft werden. ein laserentfernungsmesser<br />

liefert auch bei wechselnden und<br />

schwierigen Wetterbedingungen genaue<br />

entfernungsangaben.<br />

PANZERUNG<br />

die geschweißte und selbst -<br />

tragende Wanne des radpanzerfahrzeuges<br />

besteht aus hochfestem<br />

Panzerstahl. sie ist<br />

Gas- und wasserdicht und<br />

bietet schutz gegen Patronen-<br />

Beschuss bis maximal 7,62 mm.<br />

der Wannenboden ist mit einem<br />

Mine Protection Carpet ausgekleidet.<br />

Im Frontbereich ist der<br />

Panzerschutz des Fahrzeugs<br />

verstärkt und hält auch 14,5-mmtreffern<br />

stand.<br />

BreIte<br />

2,5 Meter<br />

Was zeichnet den Pandur aus?<br />

Feuerkraft, Beweglichkeit, Funkverbindung,<br />

Schutz und die Verlegungsfähigkeit<br />

auch mit dem Transportflugzeug<br />

C-130 Hercules sind die wichtigsten<br />

Merkmale, die den Pandur seit<br />

über fünfzehn Jahren zum wichtigsten<br />

Gefechtsfahrzeug für Auslandsein -<br />

sätze des Bundesheeres machen.<br />

Trotzdem wurde jetzt eine<br />

Kampfwertsteigerung notwendig?<br />

Durch die Modifikation auf die Version<br />

A2 ist es erstmals möglich, dass die<br />

Bordwaffe – das 12,7 mm überschwere<br />

Maschinengewehr – vollständig unter<br />

Panzerschutz und somit ohne Gefährdung<br />

des Bordschützen bedient werden<br />

kann. Die Tagsichtkamera und<br />

das Wärmebildgerät der neuesten<br />

Generation führen darüber hinaus<br />

zu einem Quantensprung im Bereich<br />

der Beobachtungsmöglichkeiten.<br />

Wie wird die Waffenstation bedient?<br />

Die elektrisch fernbedienbare Waffenstation<br />

kann sowohl vom Bordschützen<br />

als auch vom Panzerkommandanten<br />

aus dem Inneren des Fahrzeuges bedient<br />

werden. Diese beiden Soldaten<br />

verfügen bei ihren Plätzen über ein<br />

Display und einen Joystick, mit denen<br />

die Waffenstation bedient wird.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


Kriege<br />

Museum<br />

gehören ins<br />

Das Heeresgeschichtliche Museum erweiterte um eine zusätzliche Außenstelle!<br />

Bunkeranlage Ungerberg<br />

Die Schauanlage Ungerberg (U3) wurde 1959/1960<br />

als eine der ersten Anlagen eines breiten Sperrriegels<br />

errichtet. Diese hatte im Zusammenwirken mit<br />

anderen im Abschnitt befindlichen Anlagen und<br />

Waffensystemen den Zweck, feindliche, mechanisierte<br />

Kräfte entlang der Bundesstraße 10 (B10) in<br />

Richtung Wien aufzuhalten. Hierfür wurden starke<br />

Sperrriegel zwischen Leitha und Neusiedlersee errichtet.<br />

Die Bunkerlinie, nach dem damaligen Verteidigungsminister<br />

Karl Schleinzer (Verteidigungsminister<br />

von 1961 bis 1964) auch Schleinzerwall<br />

genannt, war mit ihren festen Anlagen und sonstigen<br />

Befestigungen bis 1964 in ihren Grundzügen<br />

fertiggestellt. Während des »Kalten Krieges« galt<br />

der Wall als Bollwerk und erste Verteidigungslinie<br />

bei Angriffen aus dem Osten. Die Schauanlage<br />

Ungerberg zeigt heute noch die umfassenden Anstrengungen,<br />

die unternommen wurden, um Angriffen<br />

möglichst lange standzuhalten.<br />

Konzipierte Waffensysteme<br />

» Vier CENTURION – Panzertürme mit 10,5 cm<br />

Kanonen<br />

» Zwei 10,5 cm Feldhaubitzen als Artillerie bzw.<br />

» Grabengeschütz<br />

» Fünf MG-Kuppeln<br />

» Panzerabwehrrohr-Kuppeln und<br />

» 10 befestigte Zwei-Mann-Kampfdeckungen<br />

Zufahrt über B10 durch<br />

Bruck/Leitha und Bruckneudorf<br />

B10<br />

Bruck an der Leitha<br />

Bahnhof<br />

A4 - Ost Autobahn<br />

B10 - Budapester Straße<br />

Leitha Leitha<br />

Parkplatz vor<br />

Bahnschranken<br />

Anfahrtsplan<br />

Bunkeranlage<br />

Ungerberg<br />

Knoten<br />

Bruckneudorf<br />

A4 - Ost Autobahn<br />

Abfahrt<br />

Parndorf<br />

B10<br />

A6 - Nordost Autobahn<br />

Zufahrt über A4<br />

Abfahrt Parndorf<br />

Parndorf<br />

B10 - Budapester Straße<br />

Zufahrt über B10<br />

durch Parndorf<br />

Fixe Öffnungszeiten<br />

Die Anlage kann von September bis Juni jeden<br />

letzten Freitag und Samstag des Monats um 10:00,<br />

12:00 und 14:00 Uhr besichtigt werden. Gruppen<br />

bis maximal 15 Personen können an diesen Tagen<br />

auch außerhalb der Zeiten eine Führung buchen.<br />

Variable Öffnungszeiten<br />

Voranmeldung bei: OStv Josef Hatos<br />

Tel: 05020114 42051 / Mobil: 0699 196 61 807<br />

Email: tuepl.bruckneudorf@bmlvs.gv.at<br />

HGM-Außenstelle<br />

Bunkeranlage<br />

Ungerberg<br />

www.hgm.at


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