militär AKTUELL 2 2015
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WELTGESCHEHEN<br />
Aktuelle Konflikte,<br />
Krisen und<br />
Analysen — S. 8<br />
<strong>militär</strong><br />
KATASTROPHENHELFER<br />
Brigadier Alois<br />
Hirschmugl im<br />
Interview — S. 20<br />
FALLSCHIRMSRINGEN<br />
Militär Aktuell tritt<br />
zum Rundkappen-<br />
Basiskurs an — S. 36<br />
DAS NEUE<br />
ÖSTERREICHISCHE<br />
MILITÄRMAGAZIN<br />
AUSGABE 2|15<br />
EURO 3,80<br />
<strong>AKTUELL</strong><br />
GENERAL I. R. HORST PLEINER:<br />
„Das Heer sollte sich<br />
nicht auf Katastrophenhilfe<br />
und Assistenzeinsätze<br />
beschränken!“ — S. 40<br />
DROHNEN-PIONIER HANS G. SCHIEBEL:<br />
„Wir sind auf der ganzen<br />
Welt präsent, und das sehr<br />
erfolgreich!“ — S. 46<br />
Militär Aktuell zu<br />
Besuch im Gebirgskampfzentrum<br />
in<br />
der Anton-Wallner-<br />
Kaserne.<br />
BUNDESHEER-SEILSCHAFT<br />
Gipfelstürmer
WELTGESCHEHEN<br />
Aktuelle Konflikte,<br />
Krisen und<br />
Analysen — S. 8<br />
<strong>militär</strong><br />
KATASTROPHENHELFER<br />
Brigadier Alois<br />
Hirschmugl im<br />
Interview — S. 20<br />
FALLSCHIRMSRINGEN<br />
Militär Aktuell tritt<br />
zum Rundkappen-<br />
Basiskurs an — S. 36<br />
DAS NEUE<br />
ÖSTERREICHISCHE<br />
MILITÄRMAGAZIN<br />
AUSGABE 2|15<br />
EURO 3,80<br />
<strong>AKTUELL</strong><br />
GENERAL I. R. HORST PLEINER:<br />
„Das Heer sollte sich<br />
nicht auf Katastrophenhilfe<br />
und Assistenzeinsätze<br />
beschränken!“ — S. 40<br />
DROHNEN-PIONIER HANS G. SCHIEBEL:<br />
„Wir sind auf der ganzen<br />
Welt präsent, und das sehr<br />
erfolgreich!“ — S. 46<br />
Militär Aktuell zu<br />
Besuch im Gebirgskampfzentrum<br />
in<br />
der Anton-Wallner-<br />
Kaserne.<br />
BUNDESHEER-SEILSCHAFT<br />
Gipfelstürmer
E D I T O R I A L<br />
0 0 3<br />
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER<br />
D<br />
ie Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer<br />
hat sich in den vergangenen Monaten<br />
dramatisch zugespitzt. Schon Anfang Juni<br />
hat die Zahl der seit Jahresbeginn in Italien<br />
eingetroffenen Flüchtlinge die Marke von<br />
50.000 überschritten, Tausende weitere<br />
sind beim Versuch gestorben, mittels Booten nach Europa<br />
zu gelangen. Mit einer Militärmission will die Europäische<br />
Union nun der tragischen Entwicklung gegensteuern<br />
und das Schleusen von Flüchtlingen über das Mittelmeer<br />
unterbinden. Ob der unter dem Kommando von Konter -<br />
admiral Enrico Credendino stehende Marineeinsatz allerdings<br />
das Problem an der Wurzel packen und damit eine<br />
Besserung der Ist-Situation bewirken kann, darf bezweifelt<br />
werden. Menschenrechtsaktivisten wie Pro-Asyl-Geschäftsführer<br />
Günter Burkhardt kritisieren die entsprechenden<br />
Pläne jedenfalls vollinhaltlich, Militärs wie Bundeswehr-<br />
Generalinspekteur Volker Wieker gehen sie in ihrer ersten<br />
und zweiten Phase (und für alles darüber hinaus braucht<br />
es ein zu Redaktionsschluss nicht absehbares UN-Mandat)<br />
nicht weit genug. „Die Schlepperbanden wird man langfristig<br />
nur beherrschen können, wenn man die Ursache<br />
dieser Flüchtlingsströme bekämpft, und die liegen in Ländern<br />
wie Somalia oder Nigeria“, so Wieker. Wir haben uns<br />
des Themas im Rahmen unserer Rubik „Kontroverse“ angenommen,<br />
Meinungen dazu eingeholt und die geplanten<br />
Phasen der Marinemission – deren Startschuss mit Ende<br />
Juni erfolgen soll – zusammengefasst (ab Seite 16).<br />
Ähnlich brisant wie die Marinemission im Mittelmeer<br />
gestalten sich derzeit auch die Atomverhandlungen der<br />
UN-Vetomächte und Deutschland (5+1) mit dem Iran.<br />
Zwar wurde im April in Lausanne ein Grundsatzbeschluss<br />
gefasst, wie so oft spießt es sich aber nun bei den Details,<br />
die bis Ende Juni ausformuliert sein sollen. Explizit von<br />
den Gesprächen ausgenommen ist das von den iranischen<br />
Revolutionsgarden betriebene Programm ballistischer<br />
Mittelstreckenraketen – und nicht nur unser Autor Georg<br />
Mader (Analyse ab Seite 14) fragt sich, warum ein Land<br />
derartige Systeme benötigt, wenn sie nicht mit ABC-<br />
Sprengköpfen bestückt werden können?<br />
Darüber hinaus gibt es in dieser Ausgabe einiges zu entdecken:<br />
IFK-Experte Predrag Jureković analysiert die Einflussnahme<br />
Russlands am Westbalkan (ab Seite 10), mit Brigadier<br />
Alois Hirschmugl haben wir den Ablauf internationaler<br />
Katastropheneinsätze besprochen (ab Seite 20) und in<br />
unserer „Sicherheit & Wirtschaft“-Strecke (ab Seite 42)<br />
dokumentieren wir mit Steyr Motors und Drohnenhersteller<br />
Schiebel zwei ökonomische Erfolgsstorys in Rot-Weiß-<br />
Rot. Zudem haben wir dem Heereslogistikzentrum Wels<br />
(ab Seite 28) und dem Strategischen Führungslehrgang an<br />
der Landesverteidigungsakademie (ab Seite 34) Besuche<br />
abgestattet und mit General i. R. Horst Pleiner einen Bogen<br />
über 60 Jahre Bundesheer gespannt (ab Seite 40).<br />
Viel Spaß beim Lesen wünscht die Redaktion<br />
COV E R FOTO : W W W.W I L D B I L D. AT/ D O R I S W I L D FOTO : ST E FA N T E S C H<br />
GEWINNSPIEL – Fertig zum Absprung?<br />
Gemeinsam mit unserem Partner Steinadler verlosen wir einen Rundkappen-Basiskurs (Reportage<br />
dazu ab Seite 36) im Wert von 370 Euro bei der International Military Airborne Training School<br />
(IMATS) am ungarischen Flughafen Siófok-Kilit. Was du tun musst, um am Gewinnspiel teilzunehmen?<br />
Poste bis 31. Juli auf unserer Facebook-Seite www.facebook.com/militaeraktuell<br />
ein Foto von dir, das zeigt, warum gerade du den Basiskurs gewinnen solltest. Die fünf besten<br />
Fotos kommen ins Finale, und wer dann für sein Bild zwischen 1. und 10. August die meisten<br />
„Likes“ sammelt, gewinnt den Hauptpreis.<br />
ImPrESSum<br />
medieninhaber und Herausgeber:<br />
QMM Quality Multi Media GmbH,<br />
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FN 349501 y, UID:ATU65891526,<br />
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redaktion, Beirat und textbeiträge:<br />
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Herwig Jedlaucnik, Predrag Jureković,<br />
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Thomas Mayer, Dieter Muhr,<br />
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Hersteller: PrintandSmile<br />
redaktionskontakt:<br />
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Tel. 01/342 242-0, Mariahilfer Str. 51,<br />
5. Stiege, A-1060 Wien, Österreich<br />
Geschäftsführung: Andreas Dressler,<br />
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m I L I t ä r A k t u E L L
0 0 4 I N H A L T<br />
INHALT<br />
028<br />
Am Prüfstand: Das Heereslogistikzentrum Wels ist das<br />
technische Prüf- und Systemzentrum für den<br />
Bergepanzer M88A1 und den Kampfpanzer Leopard 2A4.<br />
032<br />
Hoch<br />
hinaus mit dem Bundesheer:<br />
Ziel der Gebirgsausbildung ist<br />
es, die Truppe auch in alpinem<br />
Gelände beweglich zu halten.<br />
003 EDITORIAL, IMPRESSUM<br />
006 MOMENTUM<br />
Ein Leopard 2A4FIN in Aktion.<br />
008 WELTGESCHEHEN<br />
Aktuelle Kurzmeldungen<br />
aus aller Welt.<br />
010 KRISE AM WESTBALKAN<br />
Die Spannungen zwischen dem<br />
Westen und Russland im Kontext<br />
des Ukraine-Konflikts halten<br />
auch den Westbalkan in Atem.<br />
014 ZÄHE GESPRÄCHE<br />
Militär Aktuell-Autor Georg<br />
Mader analysiert die aktuellen<br />
Atomverhandlungen mit dem Iran.<br />
016 KONTROVERSE<br />
Ist die EU-Entscheidung,<br />
<strong>militär</strong>isch gegen die Schlepperbanden<br />
im Mittelmeer<br />
vorzugehen, zielführend?<br />
020 INTERVIEW<br />
Brigadier Alois Hirschmugl über<br />
internationale Katastrophenhilfe,<br />
„AFDRU plus“ und eine engere<br />
Zusammenarbeit mit zivilen<br />
Hilfsorganisationen.<br />
022 NEUES AUS DEM HEER<br />
Aktuelle Kurzmeldungen aus<br />
dem Bundesheer.<br />
024 ABC-ABWEHREXPERTE<br />
Ein Tag mit Hauptmann Gerald<br />
Bauer von der ABC-Abwehrschule<br />
in Korneuburg.<br />
028 TRUPPENBESUCH<br />
Wichtige Drehscheibe: Wir<br />
werfen einen Blick hinter die<br />
Kulissen des Heereslogistikzentrums<br />
Wels.<br />
032 KLETTERPARTIE<br />
Zu Besuch im Gebirgskampfzentrum<br />
in der Anton-Wallner-<br />
Kaserne in Saalfelden.<br />
034 TOP-AUSBILDUNG<br />
Der strategische Führungslehrgang<br />
vermittelt zivilen und <strong>militär</strong>ischen<br />
Entscheidungsträgern<br />
sicherheitspolischen Background.<br />
036 REPORTAGE<br />
Militärisches Fallschirmspringen:<br />
Bei IMATS internationale<br />
Sprungabzeichen erwerben.<br />
FOTO S : S E B AST I A N F R E I L E R , W W W.W I L D B I L D. AT/ D O R I S W I L D, ST E FA N T E S C H , N A D J A M E I ST E R , B E I G E ST E L LT I L LU ST R AT I O N : C L AU D I A M O L I TO R I S<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
040 INTERVIEW<br />
General i. R. Horst Pleiner: „Das<br />
Bundesheer hat seine Einsatzbereitschaft<br />
mehrfach bewiesen!“<br />
042 RÜSTUNGSNEWS<br />
Neuheiten aus der Welt der<br />
Rüstungs- und Sicherheitstrechnik.<br />
044 GLOBAL PLAYER<br />
Steyr Motors ist mit seinen<br />
Produkten prädestiniert für<br />
<strong>militär</strong>ische Anwendungen.<br />
046 INTERVIEW<br />
Schiebel-Chef Hans G. Schiebel<br />
über den erfolgreichen Einsatz<br />
seiner Drohnen in der Ostukraine,<br />
potenzielle Neukunden<br />
und innovative Produkte.<br />
050 SCHLUSSPUNKT<br />
Hält Europa auch vor dem<br />
Hintergrund der Ukraine-Krise<br />
an der Reduktion seiner Militäretats<br />
fest? Eine Analyse von<br />
Oberstleutnant Herwig Jedlaucnik.<br />
051 INFOGRAFIK<br />
Die Leistungsmerkmale der<br />
neuen Waffenstation des<br />
Radpanzers Pandur.<br />
051<br />
I N D I E S E M H E F T<br />
Kampfwertsteigerung für den Radpanzer: Das Bundesheer stattet seine<br />
Pandur-Flotte mit einer elektrisch fernbedienbaren Waffenstation aus.<br />
„Wir wollen mithelfen,<br />
das Sterben im<br />
Mittelmeer zu beenden!“<br />
Drohnenhersteller Hans G. Schiebel<br />
im Gespräch mit Militär Aktuell.<br />
046<br />
036<br />
Kurz<br />
vor dem Absprung: Militär Aktuell-Autor Stefan Tesch (im<br />
Bild 2. v. r.) hat bei der International Military Airborne Training<br />
School einen Rundkappen-Basiskurs besucht – und bestanden!<br />
040<br />
60 Jahre Bundesheer: General i. R. Horst Pleiner<br />
sprach mit Militär Aktuell-Autor Oberst Dieter<br />
Muhr über die Entwicklung des Bundesheeres<br />
in den vergangenen sechs Jahrzehnten.<br />
M I L I T ä R A K T U E L L
0 0 6 P A N O R A M A<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
M O M E N T U M<br />
Im scharfen Schuss<br />
Diese spektakuläre aufnahme zeigt<br />
einen finnischen Leopard 2A4FIN.<br />
Die finnische 2A4-Flotte besteht aus<br />
124 Fahrzeugen (von denen zwölf<br />
zur ersatzteilgewinnung dienen),<br />
die 2002 und 2003 aus dem Bestand<br />
der Bundeswehr übernommen<br />
wurden und die veralteten T55-<br />
und T72GM1 ablösten. Seit wenigen<br />
Wochen gehören zur finnischen Panzerflotte<br />
auch 20 Leopard 2A6 (der<br />
erste teil von für 200 millionen euro<br />
insgesamt angekauften 100 Fahrzeugen),<br />
die von der niederländischen<br />
armee übernommen wurden.<br />
FOTO : W W W. M I L . F I / P U O LU ST U SVO I M AT/ J A R N O R I I P I N E N<br />
m i l i t ä r a k t u e l l
0 0 8 w E L T & S T R A T E G I E<br />
SYRIEN/IRAK<br />
NIMMT DER<br />
ISLAMISCHE STAAT<br />
NUN EUROPA<br />
INS VISIER?<br />
Seit Monaten engagieren sich die USA gemeinsam mit Verbündeten<br />
(Saudi-Arabien, Jordanien, Katar) im Kampf gegen den Islamischen<br />
Staat – wirklich bremsen konnte der Einsatz den Vormarsch der<br />
Terrormiliz allerdings nicht. Zwar wurden bei bislang rund 4.000 Luftangriffen<br />
Hunderte IS-Kämpfer getötet und zahlreiche Fahrzeuge<br />
zerstört, die jüngsten Eroberungen der antiken Stadt Palmyra und der<br />
westirakischen Provinzhauptstadt Ramadi konnten trotzdem nicht<br />
verhindert werden. In Syrien kontrolliert der Islamische Staat damit<br />
bereits 50 Prozent des Staatsterritoriums (auf dem auch die meisten<br />
Öl- und Gasfelder des Landes liegen), und längst setzen sich Filialen<br />
der Terrorgruppe auch in Nordafrika fest. Ziel der IS-Kommandos in<br />
Libyen, Algerien, Ägypten und Tunesien ist Machtgewinn vor Ort,<br />
parallel dazu sollen – laut einem BBC-Bericht – von den neuen Basen<br />
aber auch systematisch Angriffe auf Europa gestartet werden.<br />
IM FOKUS<br />
STREITKRÄFTE<br />
ASERBAIDSCHANS<br />
IM ÜBERBLICK<br />
67.100<br />
Soldaten<br />
314<br />
Kampfpanzer<br />
47<br />
Kampfflugzeuge<br />
ASERBAIDSCHAN<br />
Die Kaliber, mit denen sich aserbaidschanische und armenische<br />
Einheiten entlang der Waffenstillstandslinie um Berg-Karabach<br />
beschießen, werden immer größer. Die mehrheitlich von Armeniern<br />
bewohnte Region war im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion Schauplatz<br />
eines Sezessionskriegs, der 1992 in einen offenen Krieg zwischen<br />
Armenien und Aserbaidschan mündete. 1994 wurde zwar<br />
ein Waffenstillstand geschlossen, wirklich geruht haben die Kämpfe<br />
seitdem nicht. Während der Konflikt früher mit Kleinwaffen geführt<br />
wurde, kommen nun vermehrt auch Artillerie, Drohnen und Flugzeuge<br />
zum Einsatz. In den ersten vier Monaten <strong>2015</strong> zählte das Caspian Defense Studies Institute 31 Todesopfer, die<br />
steigenden Militärbudgets Armeniens und Aserbaidschans lassen eine weitere Intensivierung des Konflikts vermuten.<br />
Dabei zeigt sich ein deutliches Ungleichgewicht: So steigerte Aserbaidschan seinen Verteidigungshaushalt<br />
seit 2004 von 160 Millionen Euro auf heute 4,4 Milliarden Euro, Armenien lässt sich seine Truppen allerdings<br />
nur 400 Millionen Euro kosten – immer noch viel Geld bei einem Staatshaushalt von 2,9 Milliarden Euro.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
W E LT G E S C H E H E N<br />
Europa (wiEdEr) im fokus<br />
Die Vereinigten staaten haben ende 2011 eine<br />
strategische schubumkehr eingelegt: Weg von<br />
europa und hin zum asiatischen raum wollte<br />
Washington wirtschaftliche wie <strong>militär</strong>ische<br />
prioritäten neu setzen. knapp vier jahre, die<br />
Ukraine-krise und steigende spannungen mit<br />
russland später intensivieren die Usa nun auch<br />
wieder ihre bemühungen in europa und verlegen<br />
bereits abgezogenes schweres Gerät zurück auf<br />
den alten kontinent. Im Februar wurden zwölf<br />
erdkampfflugzeuge vom typ A-10 Thunderbolt-II<br />
nach spangdahlem in rheinland-pfalz beordert,<br />
2014 war bereits ein ganzes bataillon mit 29<br />
Abrams-kampfpanzern und 33 Bradley-schützenpanzern<br />
nach Grafenwöhr zurückgebracht<br />
worden. bis jänner des kommenden jahres soll<br />
der bestand auf brigadestärke hochgefahren<br />
werden. ab 1. Februar 2016 wären damit wieder<br />
zumindest 220 amerikanische kampfwagen<br />
in europa stationiert.<br />
TOP 3<br />
diE mächtigstEn<br />
armEEn dEr wElt<br />
1 Der „Global Firepower Index“ vergleicht<br />
anhand der truppenstärke und<br />
<strong>militär</strong>ischen ausrüstung die armeen<br />
der Welt. Insgesamt beeinflussen mehr<br />
als 50 Faktoren den Index, der umso<br />
niedriger ausfällt, je stärker eine armee<br />
bewertet wird. Den niedrigsten Wert<br />
im ranking erzielen mit 0,1661 die Usa.<br />
2 hinter dem ewigen rivalen landet<br />
russland mit einem Wert von 0,1865<br />
auf dem zweiten platz der rangliste.<br />
3 platz drei geht – mit respektabstand<br />
vor dem viertplatzierten Indien –<br />
mit einem Wert von 0,2315 an china.<br />
Österreich nimmt mit 0,9444 immerhin<br />
platz 34 unter 126 Nationen ein.<br />
SCHWEDEN, NORWEGEN & CO:<br />
NORDLÄNDER RÜCKEN ZUSAMMEN<br />
Schweden, Finnland und die NATO-Länder Island, Norwegen und Dänemark<br />
reagieren auf die geänderte Sicherheitslage in Osteuropa und das<br />
„aggressive Verhalten Russlands“ mit verstärkter Kooperation. Die fünf<br />
nordischen Länder wollen in Zukunft vermehrt Geheimdienstinformationen<br />
austauschen, gemeinsame Übungen abhalten und die Zusammenarbeit<br />
mit den baltischen<br />
Ländern vorantreiben.<br />
Schweden und Finnland<br />
versuchen darüber<br />
hinaus auch andere<br />
Kooperationen zu<br />
intensivieren, in der<br />
Übung „Arctic Challenge“<br />
trainierten sie gemeinsam<br />
mit sechs<br />
NATO-Ländern und der<br />
Schweiz den Ernstfall.<br />
„wir wissen alle, dass es<br />
keine <strong>militär</strong>ische lösung<br />
der streitigkeiten im südchinesischen<br />
meer gibt!“<br />
Ashton Carter, US-Verteidigungsminister<br />
Im Südchinesischen Meer gewinnen die Territorialstreitigkeiten<br />
zwischen China, Taiwan, Brunei, Malaysia, Japan, Vietnam<br />
und den Philippinen an Schärfe. Seit Jahren diskutieren die Länder über<br />
die Spratly-Inseln, nun versuchen sie mit dem Bau von Stützpunkten und Landebahnen Tat -<br />
sachen zu schaffen. Aus Sicht der USA geht China dabei besonders dominant vor, US-Außenminister<br />
Ashton Carter forderte daher, die territorialen Ansprüche „zu beenden“ und diplomatische<br />
Lösungen zu suchen. Wenig überraschend zeigte sich Peking davon unbeeindruckt.<br />
Foto s : G e t t y I m aG e s , U. s . a I r Fo r c e p h oto by m ast e r s Gt. b l a k e r . b o r s I c , pas I r a j a l a<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 1 0 W E L T & S T R A T E G I E<br />
D<br />
er Westbalkan, zu<br />
dem der Großteil der<br />
Nachfolgestaaten des<br />
früheren Jugoslawien<br />
und Albanien gezählt wird, befindet<br />
sich anhaltend in einem komplexen<br />
Prozess noch nicht abgeschlossener<br />
Staatsbildungs- und Friedensprozesse.<br />
Offene bilaterale Fragen, autoritäre<br />
Tendenzen, nationalistische Rückschläge<br />
und negative ökonomische<br />
Daten stellen auch weiterhin ein potenziell<br />
gefährliches Gemisch für diese<br />
Region dar. Ein Warnsignal in diese<br />
Richtung waren Mitte Mai die Aus -<br />
einandersetzungen zwischen mazedonischen<br />
Sicherheitskräften und einer<br />
bewaffneten albanischen Gruppe im<br />
nordmazedonischen Kumanovo. Dabei<br />
wurden acht mazedonische Polizisten<br />
und zehn Albaner, die auf ihren<br />
Kampfanzügen die Symbole der früheren<br />
Guerilla UÇK trugen, getötet.<br />
Die Spannungen zwischen „dem Westen“<br />
und Russland im Kontext des<br />
Ukraine-Krieges wirken sich tendenziell<br />
negativ auf den Konsolidierungsprozess<br />
am Westbalkan aus. Für diesen<br />
Teil Südosteuropas sind der EU- und<br />
NATO-Integrationsprozess die wichtigsten<br />
Stabilisierungsinstrumente.<br />
Feststellbare Versuche Russlands,<br />
seinen politischen und ökonomischen<br />
Einfluss auf dem Westbalkan auszubauen,<br />
erschweren in einigen Westbalkanländern<br />
allerdings die konstruktive<br />
Fortsetzung der westlichen Integrationspolitik.<br />
Für Russland hat der<br />
Westbalkan zwar geopolitisch nicht<br />
dieselbe Bedeutung wie das sogenannte<br />
„Nahe Ausland“, Moskau scheint<br />
durch den Ausbau seines Einflusses in<br />
dieser Region aber die EU schwächen<br />
zu wollen. Anstatt unter dem EU-Dach<br />
zusammenzuwachsen, entsteht im<br />
Kontext der Ukrainekrise in diesem<br />
Teil Südosteuropas eine neue politische<br />
Spaltung – und zwar zwischen<br />
jenen Ländern, die die EU-Sanktionen<br />
gegenüber Russland mittragen (Albanien,<br />
Kroatien, Montenegro und<br />
Kosovo) und jenen, die in dieser Frage<br />
zwischen dem Westen und Russland<br />
äquidistant sein wollen (Bosnien und<br />
Herzegowina, Mazedonien und<br />
Serbien). Serbien, das bis 2014 im<br />
Rahmen des Projektes „South Stream“<br />
energiepolitisch sehr auf die Zusammenarbeit<br />
mit Russland gesetzt hat,<br />
sieht sich neben der Kosovofrage in<br />
seinen EU-Beitrittsbemühungen<br />
zusätzlich unter Druck gesetzt. Eine<br />
energiepolitische Neuorientierung<br />
Belgrads – im Sinne einer stärkeren<br />
Diversifizierung – ist angedacht, es<br />
wird aber nicht einfach werden, diesen<br />
neuen Energiekurs nach dem vor -<br />
läufigen Ende von „South Stream“<br />
umzusetzen.<br />
In Bosnien und Herzegowina besitzt<br />
Putin mit seinem treuen politischen<br />
Anhänger – dem Präsidenten<br />
des Staatsteils Republika<br />
Srpska, Milorad Dodik – die<br />
Möglichkeit, direkt westliche<br />
Stabilisierungspolitik zu un-<br />
RINGEN UM DEN<br />
WESTBA<br />
Geopolitische Spannungen zwischen Russland<br />
und dem Westen sind auch am Westbalkan<br />
spürbar. Moskaus politische und ökonomische<br />
Interessen widersprechen dort teilweise der<br />
westlichen Konsolidierungspolitik<br />
in Form der EU- und NATO-Integration.<br />
Text: PREDRAG JUREKOVIĆ<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
W E S T B A L K A N<br />
terminieren. Unter Putin hat Russland<br />
bisher serbische Sezessionsbestrebungen<br />
in Bosnien und Herzegowina eher<br />
angestachelt als sie kritisiert. Den Westen<br />
beschuldigt Moskau, Bosnien und<br />
Herzegowina, aber auch die anderen<br />
Westbalkanländer, in die EU und<br />
NATO „drängen zu wollen“.<br />
Vor diesem Hintergrund hat Russland<br />
im November 2014 im UN-Sicherheitsrat<br />
erstmals nicht der Verlängerung der<br />
Friedensoperation EUFOR-ALTHEA in<br />
Bosnien und Herzegowina zugestimmt,<br />
sondern sich der Stimme enthalten.<br />
FOTO : G E T T Y I M AG E S<br />
LKAN<br />
ANHALTENDER KONFLIKT<br />
Am 9. und 10. Mai kamen im<br />
mazedonischen Kumanovo bei<br />
Kämpfen zwischen mazedonischen<br />
Polizisten und Albanern 18 Menschen<br />
ums Leben. Dieser Albaner erinnert<br />
in der kosovarischen Hauptstadt<br />
Priština an die Kämpfe.<br />
Die konservative Regierung<br />
Mazedoniens sieht sich wegen<br />
der langjährigen griechischen<br />
Blockadepolitik im EU- und<br />
NATO-Beitrittsprozess vom<br />
Westen im Stich gelassen. Eine<br />
Annäherung an Russland ist deshalb<br />
möglich, wenn auch ein totaler<br />
Schwenk wegen Mazedoniens geografischer<br />
Lage eher unwahrscheinlich erscheint.<br />
Als interessantes Gegen beispiel<br />
erscheint im Vergleich dazu Montenegro,<br />
das sich trotz der umfangreichen<br />
russischen Investitionen in diesem<br />
Land für die eindeutige Unterstützung<br />
der EU-Politik in der Ukrainekrise entschieden<br />
hat.<br />
Nach der Aufnahme Kroatiens im Juli<br />
2013 hat die EU den technischen<br />
Prozess der Heranführung der Westbalkanländer<br />
zwar fortgesetzt, insgesamt<br />
wurde diese Region von Brüssel in<br />
ihrer außenpolitischen Prioritätensetzung<br />
aber „bescheiden vernachlässigt“.<br />
Dies scheint sich wegen der russischen<br />
Balkanambitionen wieder zu ändern.<br />
Eine Kurskorrektur wäre auf jeden Fall<br />
notwendig. Erste Anzeichen für eine<br />
proaktivere Politik der EU könnte die<br />
deutsch-britische Reformagenda für<br />
Bosnien und Herzegowina sein sowie<br />
ein vermehrtes Bemühen der EU, den<br />
Westbalkan in seine Verkehrs- und<br />
Energieprojekte einzubinden. Während<br />
mit dem Dialog zwischen Belgrad und<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 1 2 W E l T & S T R A T E G I E<br />
Prishtina/Priština seit 2011 anscheinend<br />
ein probates Format gefunden<br />
wurde, um positive politische Prozesse<br />
in der Kosovofrage zu unterstützen,<br />
fehlen noch entsprechende Impulse der<br />
EU gegenüber Mazedonien. In diesem<br />
Fall geht es zum einen um die Deeskalierung<br />
innenpolitischer Fragen – im<br />
Fokus steht hier insbesondere die<br />
DESTABILISIERUNG ALS ZIEL<br />
Russlands Präsident Wladimir<br />
Putin will über eine politische<br />
Spaltung des Westbalkans die<br />
Europäische Union schwächen.<br />
Beendigung der innenpolitischen Polarisierung<br />
und die Stärkung vertrauensbildender<br />
Maßnahmen in den inter -<br />
ethnischen Beziehungen. Die zweite<br />
wichtige Herausforderung besteht<br />
darin, eine brauchbare Lösung im<br />
Namensstreit zwischen Mazedonien<br />
und Griechenland zu finden und damit<br />
die längjährige Blockadepolitik von<br />
Athen bei der Integration Mazedoniens<br />
in die EU und NATO zu beenden.<br />
Die USA unterstützen die Integrationspolitik<br />
der EU gegenüber den Westbalkanländern,<br />
zweifeln jedoch des<br />
Öfteren an der Durchsetzungsfähigkeit<br />
der Union. Serbien und die anderen<br />
Westbalkanländer werden „in line of<br />
fire“ (US-Außenminister Kerry) der<br />
geopolitischen Spannungen mit Russland<br />
gesehen. Ziel der USA ist es vor<br />
allem, am Westbalkan die NATO-Integration<br />
voranzutreiben und NATO-<br />
Partnerschaften zu vertiefen, um dem<br />
verstärkten russischen Einfluss etwas<br />
entgegensetzen zu können. Im Mittelpunkt<br />
der NATO-Integration steht derzeit<br />
insbesondere Montenegro, das sich<br />
im Konflikt mit Russland eindeutig auf<br />
die Seite des Westens gestellt hat.<br />
Trotzdem ist noch nicht gesichert, dass<br />
Montenegro Ende <strong>2015</strong> eine Einladung<br />
erhalten wird, der NATO beizutreten.<br />
Die NATO macht dies vor allem von<br />
der Durchführung rechtsstaatlicher<br />
Reformen und von der Erhöhung der –<br />
derzeit eher niedrigen Akzeptanz – des<br />
NATO-Beitritts in der montenegrinischen<br />
Bevölkerung abhängig.<br />
Der Autor ist Leiter des Referats<br />
Konfliktanalyse am IFK mit Forschungsschwerpunkt<br />
Südosteuropa.<br />
Der Westbalkan im geopolitischen Sog<br />
Brigadier Walter<br />
Feichtinger ist seit<br />
2002 Leiter des Instituts<br />
für Friedenssicherung und<br />
Konfliktmanagement (IFK)<br />
an der Landesverteidigungsakademie.<br />
Der Gewaltausbruch in Mazedonien im<br />
Mai <strong>2015</strong> und die Reaktion Russlands,<br />
das das Schreckgespenst einer „farbigen<br />
Revolution“ à la Ukraine oder Georgien<br />
an die Wand malt, machen auf zwei<br />
Aspekte aufmerksam: Erstens ist die<br />
Konflikttransformation in Mazedonien,<br />
aber auch in anderen Nachfolgestaaten<br />
des ehemaligen Jugoslawien, noch nicht<br />
abgeschlossen und zweitens kann<br />
Moskau die Integrationsbemühungen<br />
der EU massiv stören und hintertreiben.<br />
Dabei drängen sich einige Fragen auf:<br />
Wie ist es beispielsweise möglich, dass<br />
der leidige Namensstreit mit Griechenland<br />
noch immer die Aufnahme Mazedoniens<br />
in EU und NATO blockiert? Warum<br />
ist es bislang zu keiner nachhaltigen Konsolidierung<br />
gekommen, was weiterhin<br />
die Präsenz internationaler Friedenstruppen<br />
in Bosnien-Herzegowina und Kosovo<br />
erfordert? Hat die EU-Repräsentanten<br />
der Mut verlassen oder haben sie das<br />
Interesse an einem Westbalkan, der auf<br />
sicheren eigenen Beinen steht, verloren?<br />
Das wäre fatal, denn wie die aktuelle<br />
Entwicklung zeigt, ist die Sache nicht<br />
„gegessen“ und eröffnet Russland<br />
die Möglichkeit, seinen Einfluss in der<br />
Region zu Ungunsten Europas zu stärken.<br />
Aber welche Ziele verfolgt Russland gegenüber<br />
dem Westbalkan und dabei<br />
auch gegenüber der EU? So könnte die<br />
Störung des EU-Erweiterungsprozesses<br />
als geopolitische Machtdemonstration<br />
und Reaktion auf westliche Sanktionen<br />
wegen des russischen Vorgehens in der<br />
Ukraine verstanden werden. Vermutlich<br />
geht es ebenso um simple wirtschaftsund<br />
energiepolitische Interessen, wie<br />
Überlegungen hinsichtlich neuer Pipelinerouten<br />
für russisches Gas und Öl<br />
zeigen. Dabei kommt auch einzelnen<br />
Staaten wie Mazedonien besondere<br />
Bedeutung zu.<br />
Es liegt allerdings an den EU-Staaten,<br />
über die tatsächlichen Auswirkungen des<br />
geopolitischen Umbruchs im Osten auf<br />
den Westbalkan zu entscheiden. Denn<br />
die EU legt Zeitpunkt und Kriterien von<br />
Aufnahmen fest, sie entscheidet mittelund<br />
langfristig durch Öl- und Gaskäufe<br />
über den Nutzen russischer Pipelineprojekte<br />
und sie bestimmt das zukünftige<br />
Verhältnis zu Moskau.<br />
FOTO S : G E T T y I M AG E S , N A D J A M E I ST E R<br />
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0 1 4 W E L T & S T R A T E G I E<br />
KEINE VERHANDLUNGSSACHE<br />
Obwohl sinnvoll, ist das<br />
von den Revolutionsgarden<br />
betriebene Programm ballistischer<br />
Mittelstreckenraketen (im Bild eine<br />
Shabab-III) explizit von den aktuellen<br />
Gesprächen ausgenommen.<br />
AUF DER ZIEL GERADEN<br />
Der jahrelange Atomstreit mit dem Iran scheint kurz vor einer diplomatischen<br />
Lösung. Unser Autor Georg Mader hat sich die bislang abgesteckten Verhandlungseckpunkte<br />
angesehen und deren <strong>militär</strong>ische Auswirkungen analysiert.<br />
iele Jahre hatten sich der<br />
V<br />
Iran und der Westen<br />
nichts zu sagen. Zumindest<br />
nichts Freundliches.<br />
Insbesondere mit den<br />
USA tauschte Teheran<br />
regelmäßig Drohungen, immer wieder<br />
stand der schwelende Konflikt kurz vor<br />
einer <strong>militär</strong>ischen Eskalation. Seit dem<br />
Amtsantritt des iranischen Präsidenten<br />
Hassan Rohani 2013 hat sich das Klima<br />
aber deutlich gebessert, im April kam es<br />
in Lausanne sogar zu einem Durchbruch<br />
im jahrelangen Atomstreit. Bei<br />
den Verhandlungen über das iranische<br />
Atomprogramm haben sich die fünf<br />
UN-Vetomächte und Deutschland (5+1)<br />
mit dem Iran auf Eckpunkte für eine abschließende<br />
Vereinbarung ge einigt, die<br />
nun bis Ende Juni im Detail ausformuliert<br />
werden sollen. Der Westen erwartet<br />
sich mehr Kontrolle über das iranische<br />
Atomprogramm, Teheran wünscht<br />
eine Lockerung oder Aufhebung der<br />
nach der Revolution 1979 verhängten<br />
und 2010 verschärften UN-/US- und<br />
EU-Sanktionen. Die Maßnahmen machen<br />
der iranischen Ölwirtschaft<br />
schwer zu schaffen und blockieren dringend<br />
benötige Devisen-Einnahmen.<br />
Der eifrig twitternde und facebookende<br />
iranische Außenminister Mohammed<br />
Dschawad Sarif zeigt sich optimistisch,<br />
bis Ende Juni eine endgültige Einigung<br />
zu erzielen: „Eine solche ist sehr wahrscheinlich,<br />
vorausgesetzt unsere Verhandlungspartner<br />
meinen es ernst.“<br />
Auch der russische Vize-Außenminister<br />
Sergej Rjabkow sieht eine Niederschrift<br />
„auf dem besten Weg. Im Vergleich zu<br />
VERHANDLUNGSPARTNER EU-Außen -<br />
beauftragte Federica Mogherini und Irans<br />
Außenminister Mohammed Dschawad Sarif.<br />
April haben wir im Mai auf Expertenebene<br />
wichtige Schritte geschafft.“ Jene<br />
Passagen, die dem Vernehmen nach bereits<br />
akkordiert sind, lehnen sich an das<br />
Lausanne-Arbeitspapier an (siehe Infokasten).<br />
Was man darüber hinaus den<br />
Gesprächen entnehmen kann, klingt<br />
FOTO S : G E T T Y I M AG E S<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
I R A N<br />
nach einer „Achterbahn“ von positiven<br />
über skeptische bis hin zu ablehnenden<br />
Einschätzungen. Auch Rjabkow sieht –<br />
trotz allem Opptimismus – in den weiteren<br />
Gesprächen noch große Herausforderungen;<br />
insbesondere was die<br />
<strong>militär</strong>ische Dimension des iranischen<br />
Atomprogramms betrifft. Dabei geht es<br />
etwa um kürzlich von Frankreichs Außenminister<br />
Laurent Fabius ins Spiel<br />
gebrachte neue oder weiterführende Inspektionen<br />
iranischer Nukleareinrichtungen,<br />
in denen die Atomenergiebehörde<br />
IAEO <strong>militär</strong>ische Anlagen vermutet.<br />
Iranische Militärs und Revolutionsgarden<br />
wollen Inspektionen allerdings<br />
nicht zulassen, zu oft seien IAEO-<br />
Erkenntnisse bei US-Diensten gelandet.<br />
Aus demselben Grund möchte man<br />
auch keine Befragungen iranischer Nuklearwissenschaftler,<br />
der oberste geistliche<br />
Führer des Iran, Ajatollah Ali Khamenei,<br />
nannte diese Gespräche kürzlich<br />
„Verhöre“. Da wird weiterhin tiefes<br />
Misstrauen sichtbar, im Gespräch mit<br />
iranischen Entscheidungsträgern ist<br />
immer wieder auch von „Augenhöhe“,<br />
„Respekt“ und „Erpressung“ die Rede.<br />
Erschwerend kommt hinzu, dass der<br />
Iran den Fortbestand der verhassten<br />
Sanktionen als „rote Linie“ definiert und<br />
mit Vertragsunterzeichnung deren vollinhaltliche<br />
Aufhebung erwartet. Das<br />
scheint aber schwierig, hat der US-Kongress<br />
doch jüngst Präsident Obama ein<br />
Gesetz abgetrotzt, welches dem Kongress<br />
30 Tage Zeit zur Prüfung eines<br />
BISHERIGE VERHANDLUNGSERGEBNISSE<br />
• Der Iran muss keine seiner Atomanlagen<br />
zerstören, seine nukleare<br />
und schwer mit Luftabwehr umgebene<br />
• Die lange geheime, tief verbunkerte<br />
Infrastruktur bleibt weitgehend intakt. Anreicherungsanlage Fordow (südlich<br />
Die Uran anreicherung soll aber nur<br />
von Teheran) soll in ein Forschungszentrum<br />
für Nukleartechnologie<br />
mehr in der bestehenden Anlage<br />
Natanz stattfinden.<br />
umgewandelt werden.<br />
• Die Zahl installierter Zentrifugen soll von • Teheran muss sämtliche Urananreicherung<br />
bis zu 25 Jahre lang einem<br />
19.000 auf rund 6.100 gesenkt werden.<br />
• Weiters erklärt sich die Islamische<br />
mehr stufigen System von Beschränkungen<br />
und Kontrollen unterwerfen.<br />
Republik bereit, Uran fortan nur noch<br />
auf 3,67 Prozent anzureichern. Für den • Auch alle anderen nuklearen Aktivitäten<br />
Bau eines nuklearen Gefechtskopfes<br />
des Iran werden bis zu 25 Jahre kontrolliert.<br />
bräuchte Teheran auf 90 Prozent • Nach Ablauf dieser Zeiträume Anreicherung,<br />
Forschung und Entwicklung<br />
angereicheres Uran.<br />
• Die Menge des bereits auf 3,67<br />
nur unter ständiger Kontrolle durch die<br />
Prozent angereicherten Urans wird für IAEO.<br />
15 Jahre von 10.000 auf 300 Kilogramm<br />
reduziert.<br />
bestehenden Anreicherungsanlagen in<br />
• Stilllegung von mehr als zwei Drittel der<br />
• Der Deuteriumoxid-Reaktor Arak<br />
den ersten zehn Jahren.<br />
wird umgebaut, sodass er kein für • Im Gegenzug soll der Westen sämtliche<br />
Atomwaffen nutzbares Plutonium<br />
seiner für den Golfstaat schmerzhaften<br />
produzieren kann.<br />
Wirtschaftssanktionen aufheben.<br />
solchen Vertrages und ein Vetorecht<br />
einräumt. Zudem müssten UN-Sicherheitsrat<br />
und EU-Kommission zum selben<br />
Zeitpunkt eine Aufhebung beschließen.<br />
Bereits geklärt wurde unter<br />
den G5+1, wie die Sanktionen – auch<br />
ohne UN-Resolution – wieder in Kraft<br />
gesetzt werden könnten, sollte Teheran<br />
dereinst doch an nuklearen Gefechtsköpfen<br />
arbeiten. Das wäre der sogenannte<br />
„Breakout“, vor dem US-Senatoren<br />
als auch Israel immer warnen –<br />
den Luftwaffeneinsatz dagegen hat Jerusalem<br />
weiterhin als Möglichkeit auf<br />
dem Radar. Erst im April übten 150 israelische<br />
Jets um Kreta gegen eine grie-<br />
chische Version des russischen S-<br />
300PMU-Luftabwehrsystems, das<br />
Moskau heuer an den Iran liefern<br />
möchte. Ungeklärt ist, was um das von<br />
den Revolutionsgarden betriebene Programm<br />
ballistischer Mittelstreckenraketen<br />
wie Shahab-III oder Seijil passiert,<br />
welches laut Teheran aktuell explizit<br />
„kein Verhandlungsgegenstand“<br />
ist. Aber wofür benötigt der Iran Raketen<br />
mit 2.500 Kilometer Reichweite,<br />
ohne ABC-Sprengköpfe zu besitzen?<br />
Die Treffergenauigkeit von Seijil mit<br />
konventionellem Kopf dürfte sich auf<br />
Flächenziele wie Häfen beschränken,<br />
ohne jene massiv zu zerstören.<br />
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KAMPF DEN<br />
SCHLEPPERN<br />
Beobachten, Durchsuchen, Ausschalten: Die EU will in<br />
drei Phasen <strong>militär</strong>isch gegen Schlepper im Mittelmeer<br />
vorgehen – auch eine österreichische Beteiligung an<br />
der Mission ist geplant. Text: JÜRGEN ZACHARIAS<br />
on EUNAVFOR Med, die in drei<br />
Phasen ablaufen und sogar Einsätze<br />
von Spezialeinheiten in libyschen<br />
Häfen und anderswo am Festland<br />
möglich machen soll. Ziel der EU-<br />
Flotte sei es jedenfalls, „das Geschäftsmodell<br />
der Schmuggler zu<br />
zerschlagen“, sagte die EU-Außenbe-<br />
PHASE 1: BEOBACHTEN<br />
In einem ersten Schritt gilt es die Situation möglichst<br />
genau zu analysieren. Mithilfe von Schiffen,<br />
Überwachungsflugzeugen, Drohnen und<br />
Satelliten will man sich ein Bild von der Lage an<br />
der libyschen Küste machen und den Aktivitäten<br />
der Schlepper auf die Schliche kommen,<br />
um ihre Routen und Vorgangsweisen nachvollziehen<br />
zu können. Anschließend werden die<br />
Informationen über das vom italienischen<br />
Konteradmiral Enrico Credendino geführte<br />
Missions-Hauptquartier in Rom an alle beteiligten<br />
Länder weitergeleitet. Die Kosten für die<br />
Mission werden aktuell auf 11,82 Millionen<br />
Euro geschätzt – damit sollen eine zweimonatige<br />
Startphase und ein erstes Mandat von<br />
zwölf Monaten abgedeckt sein.<br />
WESTAFRIKA-ROUTE<br />
GASTKOMMENTAR<br />
VORDERGRÜNDIG & INEFFEKTIV!<br />
DIE WICHTIGSTEN<br />
FLÜCHTLINGSROUTEN<br />
KLAUS J. BADE ist Migrationsforscher, Publizist, Politikberater und war Begründer<br />
des Osnabrücker Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien.<br />
Der in der eU-Migrationsagenda vorgesehene<br />
„Kampf gegen organisierte schlepperbanden“<br />
ist als solcher wichtig, im Blick auf den damit<br />
verfolgten Zweck aber vordergründig, unzureichend<br />
und ineffektiv. Denn an die stelle der Bekämpfung der<br />
Fluchtursachen in den ausgangsräumen tritt hier die Bekämpfung<br />
der symptome. schleuserboote schon vor<br />
den nordafrikanischen Küsten zu zerstören, wäre nur<br />
eine art bellizistischer showeffekt im sinne von <strong>militär</strong>ischem<br />
„schiffchen versenken“; denn die schleuserboote<br />
sind als totalverlust einkalkuliert. Die rechnung der schlepperorganisationen<br />
ginge also auch auf, wenn die Flüchtlinge dann<br />
an Bord von eU-einsatzschiffen europa erreichen würden.<br />
Unvertretbar wäre die gefährdung der Flüchtlinge an Bord der<br />
verfolgten Boote von schleppern, die mit allen Mitteln versuchen<br />
werden, sich der Festnahme zu entziehen – bei schlauchbooten mit<br />
starken Motoren beispielsweise durch das bekannte beidseitige<br />
„abwerfen“ der Passagiere, bei größeren schiffen mit Beiboot etwa<br />
durch die Versenkung des schiffes. in beiden Fällen verwandelt<br />
dieses Vorgehen die Verfolger zwangsläufig in retter, was die<br />
Verfolgung der flüchtenden täter behindert.<br />
eine Zerstörung von verdächtigen transportmitteln an land wiederum<br />
wäre ein eingriff in die souveränitätsrechte libyens, wofür<br />
es ein UN-Mandat kaum geben dürfte, zumal die international anerkannte<br />
regierung des krisengeschüttelten landes sich eine solche<br />
intervention schon verbeten hat.<br />
A<br />
ngesichts der Flüchtlingskrise<br />
im Mittelmeer<br />
mit Tausenden<br />
Toten will die Europäische<br />
Union nun <strong>militär</strong>isch<br />
gegen die Schlepper vorgehen.<br />
Am 18. Mai beschlossen die<br />
EU-Außenminister die Marinemissiauftragte<br />
Federica Mogherini. Dazu<br />
sollen „systematisch“ Schiffe und<br />
Vermögenswerte „identifiziert, beschlagnahmt<br />
und zerstört“ werden,<br />
„bevor sie von den Schmugglern<br />
eingesetzt werden“.<br />
Obwohl der endgültige Startschuss<br />
für die Mission mit Ende Juni gegeben<br />
werden soll, laufen die Planungen<br />
unter dem Kommando von Enrico<br />
Credendino auf Hochtouren. Der<br />
italienische Konteradmiral hat für<br />
seinen Stab 170 Experten aus 15 EU-<br />
Staaten angefordert, darunter auch<br />
vier österreichische Offiziere. Deren<br />
Entsendung lässt mit Redaktionsschluss<br />
wegen des Fehlens eines EU-<br />
Mandats für die Mission allerdings<br />
noch auf sich warten – ein politischer<br />
Grundsatzbeschluss dafür ist<br />
jedenfalls vorhanden. „Wir unterstützen<br />
politisch die Mission im Kampf<br />
gegen die Schlepper“, sagte Verteidigungsminister<br />
Gerald Klug kurz<br />
nach Bekanntwerden der Pläne. Den<br />
Fokus sehe er allerdings mehr bei<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
K O N T R O V E R S E<br />
DER 3-PHASEN-PLAN<br />
VON EUNAVFOR MED<br />
PHASE 2:<br />
DURCHSUCHEN<br />
In dieser Phase sollen potenzielle<br />
Flüchtlingsboote in internationalen<br />
Gewässern gestoppt, durchsucht,<br />
beschlagnahmt oder auch<br />
zerstört werden. Die Flüchtlinge<br />
würden im Fall der Fälle von EU-<br />
Booten übernommen werden.<br />
WESTLICHE<br />
MITTELMEER-<br />
ROUTE<br />
ZENTRALE<br />
MITTELMEER-ROUTEN<br />
ÖSTLICHE<br />
MITTELMEER-<br />
ROUTEN<br />
PHASE 3: AUSSCHALTEN<br />
Als mögliche weitere Stufe ist vorgesehen, das Problem „an seiner Wurzel“ zu bekämpfen. Die<br />
Schiffe sollen dafür auch direkt vor der libyschen Küste und in Häfen zum Einsatz kommen, was<br />
allerdings die Zustimmung der Regierung des afrikanischen Landes voraussetzt. Libyen hat dies<br />
in Person von Außenminister Mohammed al-Dairi bis zum Redaktionsschluss allerdings abgelehnt.<br />
In weiterer Folge könnten dann Spezialkräfte auch an Land gegen die Menschenhändler vorgehen.<br />
Fotos: Getty Images, 123rf, Bundesheer/Harald Minich, beigestellt Quelle: Frontex<br />
ZAHL DER FLÜCHTLINGE: STEILER ANSTIEG<br />
Im vergangenen Jahr kamen laut der EU-Grenzschutzbehörde Frontex rund<br />
283.000 illegale Einwanderer in die Europäische Union, davon 221.600 über<br />
das Mittelmeer. Im Jahr davor wählten diese Fluchtroute nur 64.800 Flüchtlinge.<br />
92.100<br />
51.000 60.200 121.300<br />
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014<br />
MEINUNG<br />
VERTEIDIGUNGSMINISTER GERALD KLUG<br />
53.100 64.800<br />
„DIE GRUNDSÄTZLICHE POSITION<br />
ÖSTERREICHS IST KLAR: WIR<br />
UNTERSTÜTZEN POLITISCH DIE MISSION IM<br />
KAMPF GEGEN DIE SCHLEPPER.“<br />
221.600
0 1 8 w e l t & s t r a t e g i e<br />
MEINUNG<br />
„DIE SCHLEPPERBANDEN WIRD MAN<br />
LANGFRISTIG NUR BEHERRSCHEN<br />
KÖNNEN, WENN MAN DIE URSACHEN<br />
DIESER FLÜCHTLINGSSTRÖME BEKÄMPFT.”<br />
BUNDESWEHR-GENERALINSPEKTEUR VOLKER WIEKER<br />
MEINUNG<br />
HERKUNFTSLÄNDER<br />
DER MITTELMEER-<br />
FLÜCHTLINGE 2014<br />
Im vergangenen Jahr flohen<br />
insgesamt 221.600 Menschen über<br />
das Mittelmeer nach Europa, davon<br />
mehr als 170.000 nach Italien.<br />
„DER RICHTIGE WEG, UM SCHLEPPERN<br />
IHRE GESCHÄFTSGRUNDLAGE ZU<br />
ENTZIEHEN, IST ES, LEGALE WEGE<br />
NACH EUROPA ZU ÖFFNEN .“<br />
PRO ASYL-GESCHÄFTSFÜHRER GÜNTER BURKHARDT<br />
SYRIEN<br />
ERITREA<br />
MALI<br />
42.323<br />
34.329<br />
9.938<br />
MEINUNG<br />
„WIR MÜSSEN DAS GESCHÄFTSMODELL<br />
DER SCHLEUSER ZERSTÖREN UND IHNEN<br />
DIE SCHIFFE NEHMEN, DIE DIE GRUNDLAGE<br />
FÜR DEN MENSCHENHANDEL SIND.“<br />
EU-AUSSENBEAUFTRAGTE FEDERICA MOGHERINI<br />
NIGERIA<br />
GAMBIA<br />
SOMALIA<br />
9.000<br />
8.707<br />
5.756<br />
Oben angeführt ist die Zahl der in Italien angekommenen<br />
Flüchtlinge 2014 nach Hauptherkunftsländern gereiht.<br />
Aufklärung und Rettung als in der<br />
umstrittenen Zerstörung von Schlepperbooten:<br />
„Dass Flüchtlinge durch<br />
die Mission zu Schaden kommen, ist<br />
nicht akzeptabel.“<br />
Wann ein UN-Mandat für die Mission<br />
zu erwarten ist, vermag derzeit<br />
niemand zu sagen – UN-Generalsekretär<br />
Ban Ki-moon zeigte sich<br />
diesbezüglich zuletzt skeptisch. Als<br />
Stolperstein könnte sich dafür vor allem<br />
die libysche Regierung erweisen,<br />
die für ihre Zustimmung (ohne die<br />
Russland und China im UN-Sicherheitsrat<br />
mit einem Veto drohen)<br />
verlangt, dass die EU über den Einsatz<br />
ausschließlich mit ihr und nicht<br />
auch mit Rebellenmilizen verhandelt.<br />
Diese kontrollieren aktuell allerdings<br />
große Teile des nordafrikanischen<br />
Landes, insbesondere auch großflächige<br />
Küstenabschnitte, die zentraler<br />
Teil der Mission wären. Zumindest<br />
war nach dem jüngsten Zusammentreffen<br />
der italienischen EU-Außenbeauftragten<br />
Federica Mogherini mit<br />
dem libyschen Außenminister Mohammed<br />
al-Dairi von „konstruktiven<br />
Gesprächen“ die Rede.<br />
GASTKOMMENTAR<br />
SICHERHEITSPOLITISCHES ZIEL<br />
THOMAS MAYER ist Brüssel-Korrespondent des Standard,<br />
der Kommentar ist am 18. Mai im Standard erschienen.<br />
Der einsatz <strong>militär</strong>ischer Kräfte zur Verhinderung<br />
von weiteren Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer<br />
ist prinzipiell legitim. es wäre geradezu<br />
zynisch, wenn die europäische staatengemeinschaft<br />
jetzt nicht alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel<br />
einsetzen würde, um tausende Menschenleben zu<br />
retten, die im aktuellen Chaos der Fluchtwellen aus<br />
den Kriegs- und Krisengebieten des Nahen Ostens<br />
und Nordafrikas auf dem spiel stehen.<br />
Die warme sommerzeit ist Flüchtlingszeit. Das wussten die regierungen<br />
in den eU-staaten seit langem. aber niemand fand es der Mühe<br />
wert, sich rechtzeitig darauf vorzubereiten, die zivilen Mittel aufzustocken,<br />
die Küstenwachen (und aufnahmelager) entsprechend auszurüsten.<br />
Nun muss man auf das zurückgreifen, was man hat: soldaten,<br />
schiffe, satelliten und anderes <strong>militär</strong>isches gerät in den armeen, um<br />
die aufgabe akut bewältigen zu können. Die lage unterscheidet sich<br />
diesbezüglich gar nicht so sehr von jener bei anderen Katastropheneinsätzen.<br />
Da muss man sich keine illusionen machen.<br />
ganz anders verhält es sich aber, wenn es um die Zerstörung der<br />
Boote der schlepperbanden geht. Dabei geht es nicht nur um humanitäre<br />
aspekte und Flüchtlinge, wie nun behauptet wird. in wahrheit<br />
befürchten die regierungen, dass die terroristen des is libyen im<br />
schatten des Flüchtlingsdramas ganz „übernehmen“ könnten. Der<br />
Militäreinsatz hat auch ein sicherheitspolitisches Ziel.<br />
Fotos: Andrea Bienert/Bundeswehr, Getty Images, Picturedesk, beigestellt<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 1 8 w e l t & s t r a t e g i e<br />
MEINUNG<br />
„DIE SCHLEPPERBANDEN WIRD MAN<br />
LANGFRISTIG NUR BEHERRSCHEN<br />
KÖNNEN, WENN MAN DIE URSACHEN<br />
DIESER FLÜCHTLINGSSTRÖME BEKÄMPFT.”<br />
BUNDESWEHR-GENERALINSPEKTEUR VOLKER WIEKER<br />
MEINUNG<br />
HERKUNFTSLÄNDER<br />
DER MITTELMEER-<br />
FLÜCHTLINGE 2014<br />
Im vergangenen Jahr flohen<br />
insgesamt 221.600 Menschen über<br />
das Mittelmeer nach Europa, davon<br />
mehr als 170.000 nach Italien.<br />
„DER RICHTIGE WEG, UM SCHLEPPERN<br />
IHRE GESCHÄFTSGRUNDLAGE ZU<br />
ENTZIEHEN, IST ES, LEGALE WEGE<br />
NACH EUROPA ZU ÖFFNEN .“<br />
PRO ASYL-GESCHÄFTSFÜHRER GÜNTER BURKHARDT<br />
SYRIEN<br />
ERITREA<br />
MALI<br />
42.323<br />
34.329<br />
9.938<br />
MEINUNG<br />
„WIR MÜSSEN DAS GESCHÄFTSMODELL<br />
DER SCHLEUSER ZERSTÖREN UND IHNEN<br />
DIE SCHIFFE NEHMEN, DIE DIE GRUNDLAGE<br />
FÜR DEN MENSCHENHANDEL SIND.“<br />
EU-AUSSENBEAUFTRAGTE FEDERICA MOGHERINI<br />
NIGERIA<br />
GAMBIA<br />
SOMALIA<br />
9.000<br />
8.707<br />
5.756<br />
Oben angeführt ist die Zahl der in Italien angekommenen<br />
Flüchtlinge 2014 nach Hauptherkunftsländern gereiht.<br />
Aufklärung und Rettung als in der<br />
umstrittenen Zerstörung von Schlepperbooten:<br />
„Dass Flüchtlinge durch<br />
die Mission zu Schaden kommen, ist<br />
nicht akzeptabel.“<br />
Wann ein UN-Mandat für die Mission<br />
zu erwarten ist, vermag derzeit<br />
niemand zu sagen – UN-Generalsekretär<br />
Ban Ki-moon zeigte sich<br />
diesbezüglich zuletzt skeptisch. Als<br />
Stolperstein könnte sich dafür vor allem<br />
die libysche Regierung erweisen,<br />
die für ihre Zustimmung (ohne die<br />
Russland und China im UN-Sicherheitsrat<br />
mit einem Veto drohen)<br />
verlangt, dass die EU über den Einsatz<br />
ausschließlich mit ihr und nicht<br />
auch mit Rebellenmilizen verhandelt.<br />
Diese kontrollieren aktuell allerdings<br />
große Teile des nordafrikanischen<br />
Landes, insbesondere auch großflächige<br />
Küstenabschnitte, die zentraler<br />
Teil der Mission wären. Zumindest<br />
war nach dem jüngsten Zusammentreffen<br />
der italienischen EU-Außenbeauftragten<br />
Federica Mogherini mit<br />
dem libyschen Außenminister Mohammed<br />
al-Dairi von „konstruktiven<br />
Gesprächen“ die Rede.<br />
GASTKOMMENTAR<br />
SICHERHEITSPOLITISCHES ZIEL<br />
THOMAS MAYER ist Brüssel-Korrespondent des Standard,<br />
der Kommentar ist am 18. Mai im Standard erschienen.<br />
Der einsatz <strong>militär</strong>ischer Kräfte zur Verhinderung<br />
von weiteren Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer<br />
ist prinzipiell legitim. es wäre geradezu<br />
zynisch, wenn die europäische staatengemeinschaft<br />
jetzt nicht alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel<br />
einsetzen würde, um tausende Menschenleben zu<br />
retten, die im aktuellen Chaos der Fluchtwellen aus<br />
den Kriegs- und Krisengebieten des Nahen Ostens<br />
und Nordafrikas auf dem spiel stehen.<br />
Die warme sommerzeit ist Flüchtlingszeit. Das wussten die regierungen<br />
in den eU-staaten seit langem. aber niemand fand es der Mühe<br />
wert, sich rechtzeitig darauf vorzubereiten, die zivilen Mittel aufzustocken,<br />
die Küstenwachen (und aufnahmelager) entsprechend auszurüsten.<br />
Nun muss man auf das zurückgreifen, was man hat: soldaten,<br />
schiffe, satelliten und anderes <strong>militär</strong>isches gerät in den armeen, um<br />
die aufgabe akut bewältigen zu können. Die lage unterscheidet sich<br />
diesbezüglich gar nicht so sehr von jener bei anderen Katastropheneinsätzen.<br />
Da muss man sich keine illusionen machen.<br />
ganz anders verhält es sich aber, wenn es um die Zerstörung der<br />
Boote der schlepperbanden geht. Dabei geht es nicht nur um humanitäre<br />
aspekte und Flüchtlinge, wie nun behauptet wird. in wahrheit<br />
befürchten die regierungen, dass die terroristen des is libyen im<br />
schatten des Flüchtlingsdramas ganz „übernehmen“ könnten. Der<br />
Militäreinsatz hat auch ein sicherheitspolitisches Ziel.<br />
Fotos: Andrea Bienert/Bundeswehr, Getty Images, Picturedesk, beigestellt<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 2 0 H E E R & M E H R<br />
IM ERNSTFALL<br />
ZÄHLT JEDE STUNDE!<br />
Brigadier Alois Hirschmugl koordiniert als Experte für multinationales<br />
Krisenmanagement Katastropheneinsätze für EU und Vereinte Nationen.<br />
Wir haben mit ihm einen fiktiven Notfall durchgespielt. Interview: JÜRGEN ZACHARIAS<br />
Herr Brigadier, angenommen,<br />
im Iran passiert<br />
ein Erdbeben und<br />
internationale Hilfe<br />
wird angefordert. Wie<br />
sind dann die Abläufe?<br />
Sowohl bei Union Civil Protection der<br />
EU (Anm.: UCP) als auch bei der United<br />
Nations Disaster Assessment and Coordination<br />
(Anm.: UNDAC) gibt es sogenannte<br />
Emergency Response Coordination<br />
Centers, die Katastrophenfälle und<br />
deren Entwicklung beobachten und –<br />
vorausgesetzt der Iran bittet um internationale<br />
Hilfe – eine Alarmierung<br />
rausgeben. Focal point dafür ist das Innenministerium<br />
und von dort werden<br />
das Verteidigungsministerium und<br />
Hilfsorganisationen benachrichtigt.<br />
Deren Aufgabe ist es, verfügbare Ressourcen<br />
zu melden; ob jemand geschickt<br />
wird, ist schlussendlich gesamtstaatlich<br />
auch eine politische Entscheidung.<br />
Das klingt nach einer langen<br />
Entscheidungskette?<br />
Ja, aber die ist für einen geordneten Ablauf<br />
unbedingt notwendig. Um die Zeitspannen<br />
trotzdem kurz zu halten, beginnt<br />
die für AFDRU (Anm.: Austrian<br />
Forces Disaster Relief Unit des Bundesheeres)<br />
zuständige ABC-Abwehrschule<br />
unmittelbar bei Bekanntwerden einer<br />
Katastrophe schon damit, die eigenen<br />
Möglichkeiten abzuklären.<br />
Also noch vor einer Alarmierung?<br />
Genau. Im virtuellen On-Site Operations<br />
Coordination Centre (Anm.: kurz<br />
VOSOCC) sind sofort nach einer Katastrophe<br />
Infos zur Lage vor Ort abrufbar,<br />
vor allem auch, welche Hilfe und Ausrüstung<br />
benötigt wird. Das vereinfacht<br />
die Planung und erlaubt den Hilfstrupps,<br />
sich vorab auf die Gegebenheiten<br />
einzustellen.<br />
Gilt die Alarmierung dann auch für<br />
Sie selbst?<br />
Natürlich, so kann ich schon vorab<br />
abklären, ob ich im Falle einer Alarmierung<br />
verfügbar wäre. Im Ernstfall zählt<br />
jede Stunde, gerade bei Erdbeben ist die<br />
Zeitspanne für Hilfe knapp. Wenn ich in<br />
den Einsatzraum geschickt werde, versuche<br />
ich noch rasch Infos zur Lage und<br />
zum Land allgemein einzuholen und<br />
Kartenmaterial zu besorgen.<br />
Sie sind Teil eines Erstteams der UNO<br />
oder EU, das vor den meisten Hilfstrupps<br />
im Katastrophengebiet ankommt.<br />
Was ist ihre Aufgabe vor Ort?<br />
Grundsätzlich die Koordination der internationalen<br />
und oft auch nationalen<br />
Hilfe. Wir bekommen vor Ort vom<br />
ranghöchsten lokalen Entscheidungsträger<br />
in einem kurzen Meeting einen<br />
Überblick über die Ist-Situation, die sich<br />
wesentlich von der Situation bei unserem<br />
Abflug unterscheiden kann. Parallel<br />
dazu beginnen wir mit eigenen Erkundungen<br />
und bauen eine Organisationsstruktur<br />
(Anm.: OSOCC) und ein sogenanntes<br />
Reception Departure Center<br />
auf, über das ankommenden Elemente<br />
über die aktuelle Situation informiert<br />
werden.<br />
Bekommen die Teams dort auch alle<br />
notwendigen Infos für ihren Einsatz?<br />
Ja, wir bringen sie bei Ankunft auf den<br />
Ist-Stand und geben ihnen alle relevanten<br />
Infos wie ihre Base of Operation<br />
oder Sicherheitsaspekte. Wir selbst<br />
bekommen dort einen Überblick,<br />
welche Teams mit welchem Gerät<br />
wann eintreffen und können diese<br />
bereits entsprechend einplanen.<br />
Mit welchen Problemen sind Sie<br />
dabei konfrontiert?<br />
ZUR PERSON<br />
1960 in Bad Gleichenberg geboren,<br />
rückte Alois Hirschmugl 1978 zum<br />
Jägerbataillon 19 ein. Aktuell ist der<br />
Brigadier als Rechtsberater im Militärkommando<br />
Steiermark und als Berater<br />
für Internationale Humanitäre<br />
und Katastrophenhilfe der SIV tätig.<br />
Zudem ist Alois Hirschmugl seit 1999<br />
im Katastrophenmanagement UN-<br />
DAC der Vereinten Nationen und seit<br />
2006 auch im Gemeinschaftsverfahren<br />
der Europäischen Kommission<br />
Union Civil Protection (UCP) tätig.<br />
Zwischen 2007 und 2010 fungierte er<br />
als Stiftungsrat des Global Humanitarian<br />
Forums in Genf unter Kofi Annan.<br />
FOTO S : B E I G E ST E L LT<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
I N T E R V I E W<br />
WELTWEIT UNTERWEGS<br />
Brigadier Alois Hirschmugl<br />
bei UNDAC-Einsätzen in<br />
Bangladesch (links oben)<br />
und Albanien (rechts)<br />
sowie im Kofi Annan<br />
International Peacekeeping<br />
Training Center in Ghana<br />
(links unten).<br />
Da gibt es einige, angefangen von Einzelpersonen<br />
und Teams, die kulturelle<br />
Gegebenheiten vor Ort nicht akzeptieren<br />
und in einem Land mit Alkoholverbot<br />
– um beim Beispiel Iran zu<br />
bleiben – Bier trinken müssen. Ein<br />
Problem ist auch die Flut an Hilfsteams:<br />
Waren bei der Flutkatastrophe<br />
in Mosambik im Jahr 2000 beispielsweise<br />
147 nationale und internationale<br />
Organisationen vor Ort, so waren es<br />
beim Erdbeben in Haiti 2010 schon<br />
mehr als 1.500 …<br />
… was die Koordination nicht unbedingt<br />
erleichtert.<br />
Genau, und darum finde ich es auch<br />
gut, wenn sich Länder bei Katastrophen<br />
ganz genau ansehen, wen sie ins Land<br />
lassen und wen nicht. Es macht keinen<br />
Sinn, wenn Hunderte Rescue Teams<br />
kommen, für die ich keinen Bedarf<br />
mehr habe. Diesbezüglich kommt es<br />
aber jetzt immer mehr zu einem Umdenken,<br />
und das gilt auch für die Kontingentsgrößen.<br />
Es werden zusehends<br />
kleinere Teams geschickt sowie Einzelexperten,<br />
die oft effektiver und besser<br />
helfen können.<br />
Qualität geht also vor Quantität?<br />
Definitiv, zwei oder drei Experten, die<br />
beispielsweise Hangrutschungen bei einer<br />
Flutkatastrophe beurteilen können,<br />
bewirken mehr als eine Hundertschaft,<br />
die ich nur zum Schaufeln einteilen<br />
kann. Aber leider ist das nicht immer<br />
leicht in die Köpfe der Entscheidungsträger<br />
zu bekommen …<br />
… weil es sich medial besser macht,<br />
mehr Leute zu schicken?<br />
Das ist oft der Grund, wobei wir bemerken,<br />
dass die Entsendung von Experten<br />
dasselbe positive Medienecho bringt.<br />
Mit dem Unterschied, dass mir vor Ort<br />
mehr geholfen ist und der Einsatz auch<br />
weniger Geld kostet.<br />
Dieser Fokus auf Experten soll doch<br />
in Zukunft auch im Bundesheer unter<br />
der Bezeichnung „AFDRU plus“<br />
gelebt werden?<br />
Dazu führen wir aktuell jedenfalls Diskussionen,<br />
in denen es darum geht, das<br />
bestehende AFRDU-System um weitere<br />
<strong>militär</strong>ische Komponenten zu erweitern.<br />
Das Bundesheer hat ja nicht nur<br />
Experten im ABC-Abwehrbereich, sondern<br />
auch Pioniere und weitere Experten,<br />
die im Bedarfsfall auch in der Katastrophenhilfe<br />
zum Einsatz kommen<br />
könnten, was unsere ohnehin schon<br />
große Expertise in diesem Bereich<br />
nochmals verbessern würde.<br />
Gleichzeitig soll neben „AFDRU<br />
plus“ auch die Zusammenarbeit mit<br />
zivilen Helfern intensiviert werden.<br />
Auch das wird diskutiert, es sollen in<br />
Zukunft vermehrt Synergien genutzt<br />
werden. Wenn man im gleichen Einsatzraum<br />
ist, reicht es beispielsweise<br />
aus, eine statt fünf Küchen mitzunehmen,<br />
eine engere Kooperation hätte<br />
sicher auch beim Transport der Hilfskräfte<br />
Vorteile. In Summe könnten wir<br />
dann mehr leisten und parallel dazu unsere<br />
Kostenstrukturen verschlanken –<br />
das wäre eine Win-win-Situation!
0 2 2 h e e r & M e h r<br />
DYNAMIC<br />
FORSCHUNG & INNOVATION:<br />
LEISTUNGSSCHAU IN WIEN<br />
ende april veranstaltete die abteilung für Wissenschaft,<br />
Forschung und entwicklung (WFe) an der landesverteidigungsakademie<br />
(lVak) einen sogenannten Forschungsmarkttag. zwei<br />
tage lang wurde in Präsentationen und an 14 Messeständen<br />
über aktuelle Forschungsprojekte im Bundesheer informiert.<br />
unter anderem gab dabei das Institut für Friedenssicherung und<br />
Konfliktmanagement (IFK) einblicke in seine Forschungsarbeit<br />
und die theresianische Militärakademie stellte ein Projekt über<br />
„computerunterstützte ausbildung und Fernlehre” vor. Mit dem<br />
austrian Institute of technology (aIt) und Joanneum research<br />
berichteten auch zwei WFe-Partner aus ihrem Forschungsalltag.<br />
Foto s : B u n d e s h e e r , B u n d e s h e e r / G u n t e r P u s c h , I F K ,<br />
M I c h a e l st e l z h a M M e r , J Ü r G e n z ac h a r I as<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
N E W S A U S D E N S T R E I T K R Ä F T E N<br />
MULTINATIONALES MANÖVER<br />
Von 13. bis 24. April trainierten Soldaten der 3. Panzergrenadier -<br />
brigade bei der Übung „Dynamic Response“ am Truppenübungsplatz<br />
Allentsteig die Einsatzarten „Verzögerung“ und<br />
„Angriff“. Das Übungsszenario: Auf Basis einer UN-Resolution<br />
wurde eine von der EU geführte multinationale Eingreiftruppe<br />
(EUFOR) in ein fiktives Land entsandt. So konnten die Konfliktparteien<br />
zwar getrennt und eine demilitarisierte Zone eingerichtet<br />
werden, allerdings kam es nach Jahren der Stabilität<br />
wieder zu heftigen Zusammenstößen zwischen den Streit -<br />
parteien. Die EU-Truppe sollte nun eine weitere Eskalation<br />
verhindern. Unterstützt wurden die österreichischen Einheiten<br />
dabei durch Soldaten der Panzerbrigade 21 aus Deutschland<br />
und der 7. mechanisierten Brigade der tschechischen Armee.<br />
Insgesamt nahmen 1.400 Soldaten mit zahlreichen gepanzerten<br />
Fahrzeugen (unter anderem Leopard 2A4 des Bundesheeres<br />
und 2A6 der Bundeswehr ) sowie Hubschrauber und Flächenflugzeuge<br />
des Bundesheeres an der Übung teil.<br />
AFDRU FEIERT 25-JAHR-JUBILÄUM<br />
BUNDESHEER<br />
JUBILÄUMSMÜNZE<br />
Anlässlich des 60-jährigen Jubiläums des<br />
Bundesheeres gab die Münze Österreich<br />
im Frühjahr die 5-Euro-Münze „Bundesheer<br />
– Schutz & Hilfe“ heraus. Auf der<br />
Vorderseite der von Künstler Herbert<br />
Wähner gestalteten Jubiläumsmünze<br />
sind ein Soldat mit Sturmgewehr und<br />
Barrett, der Transporthubschrauber<br />
S-70 Black Hawk und das Hoheitszeichen<br />
zu sehen, auf der Rückseite die Wappen<br />
der neun Bundesländer. Die symbolische<br />
Übergabe der Münze fand am Fliegerhorst<br />
Brumowski in Langenlebarn statt.<br />
Gerhard Starsich, Generaldirektor der<br />
Münze Österreich, überreichte sie an<br />
Verteidigungsminister Gerald Klug.<br />
Infolge eines Erdbebeneinsatzes 1988 in Armenien<br />
(das Bundesheer stellte von 10. bis 20. Dezember ein<br />
119 Mann zählendes Kontingent) gründete das<br />
Bundesheer 1990 die Katastrophenhilfseinheit AFDRU.<br />
Seither haben 734 Soldaten der „Austrian Forces<br />
Disaster Relief Unit“ bei elf Einsätzen in neun Ländern<br />
Katastrophenhilfe geleistet. Zu den größten AFDRU-<br />
Missionen zählen der Erdbebeneinsatz 1999 in der<br />
Türkei und ein Hilfseinsatz nach dem Tsunami 2004<br />
auf Sri Lanka. Zuletzt halfen 78 Soldaten von AFDRU<br />
im Mai 2014 bei der Hochwasserkatastrophe in Nord-<br />
Bosnien. Gefeiert wurde das 25-jährige Jubiläum im<br />
Rahmen des Traditionstags der ABC-Abwehrschule<br />
im Mai in der Dabsch-Kaserne in Korneubug. Die Einheit<br />
besteht aus 452 Berufs- und Milizsoldaten, die bei<br />
Bedarf durch Rettungshundeteams verstärkt werden.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 2 4 H E E R & M E H R<br />
„Wir werden auch<br />
gerufen, wenn<br />
Reizstoffe aus dem<br />
Zweiten Weltkrieg<br />
gefunden werden.“<br />
Hauptmann Gerald Bauer<br />
DER ABC<br />
ABWEHR<br />
EXPERTE<br />
Die Experten der ABC-Abwehrschule in Korneuburg sind in ihrem Alltag mit<br />
atomaren, biologischen und chemischen Gefahrenstoffen beschäftigt. Hauptmann<br />
Gerald Bauer ist studierter Chemiker und arbeitet im Team mit Physikern und<br />
Veterinär-Offizieren. Text: JOHANNES LUXNER Fotos: NADJA MEISTER<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
T R U P P E N B E S U C H<br />
intErviEw<br />
„Ebola und Anthrax waren<br />
schon ema bei uns!“<br />
HOCH TECHNISIERT Spezialgeräte, wie diverse<br />
Detektionsgeräte, gehören zur Standardausrüstung<br />
der Mitarbeiter der ABC-Abwehrschule. Bei manchen<br />
Substanzen ist es ratsam, genügend Abstand zu halten.<br />
MOBILE EINHEIT Hauptmann Gerald Bauer befindet sich<br />
hier in einem als Labor eingerichteten, transportfähigen<br />
Container. Dieser war zuvor bereits jahrelang im Kosovo<br />
im Einsatz, um Trinkwasser zu untersuchen.<br />
Probenahmen, Analysen, aber auch<br />
das Aufbereiten von Trinkwasser zählt<br />
unter anderem zu den Tätigkeiten der<br />
Mitarbeiter der ABC-Abwehrschule<br />
(ABCAbwS) in Korneuburg. Hauptmann<br />
Gerald Bauer berichtet aus seinem Alltag.<br />
Mit welchen Aufgaben sind Sie beruflich<br />
konfrontiert?<br />
Die zehn Mitarbeiter meines Elements sind<br />
mit der feldmäßigen Identifikation von Gefahrenstoffen<br />
beschäftigt, etwa bei Funden<br />
am Flughafen. Wir haben aber auch schon<br />
verdächtiges Pulver im Innenministerium<br />
untersucht und wir werden auch gerufen,<br />
wenn Reizstoffe aus dem Zweiten Weltkrieg<br />
gefunden werden. Außerdem gibt es<br />
Bereitschaftsdienst: Zuletzt im Zuge der<br />
Ebola-Epidemie oder auch damals, als<br />
Anthrax ein großes Thema war. Im Team<br />
befinden sich Experten wie Chemiker,<br />
Physiker und Veterinär-Offiziere. Ich<br />
selbst bin Chemiker.<br />
Beschränkt sich Ihr Aufgabengebiet auf<br />
Österreich?<br />
Es kommt immer wieder zu Auslandseinsätzen.<br />
Im Kosovo zum Beispiel wurden<br />
Umweltstatusanalysen durchgeführt und<br />
2014 waren wir in Bosnien, um nach der<br />
Hochwasserkatastrophe Hilfe zu leisten.<br />
Wir sind prinzipiell für sehr viel gerüstet.<br />
Mittels Wasser- und Trinkwasseranalytik<br />
können wir auch humanitäre Einsätze<br />
unterstützen und durch den Veterinär Hygienekontrollen<br />
durchführen. Außerdem<br />
bilden wir aus – erst unlängst waren Bundeswehr-Angehörige<br />
auf Weiterbildung<br />
im Bereich ABC-Probenahme bei uns.<br />
Worin liegen bei so vielen Aufgaben die<br />
größten Herausforderungen?<br />
Das Beschaffungswesen ist nicht auf kleine,<br />
hoch spezialisierte Elemente wie uns<br />
ausgelegt. In unseren Labors und bei den<br />
mobilen Analyseeinheiten sind viele Spezialgeräte<br />
wie Detektionsgeräte im Einsatz<br />
und es gibt viele Arbeitsmittel mit Ablaufdatum<br />
oder Einwegmaterialien. All das<br />
muss gewartet und angeschafft werden.<br />
Das verursacht natürlich hohe Kosten und<br />
entsprechenden logistischen Aufwand.<br />
VOLLE MONTUR Besonders<br />
gefährliche Stoffe verlangen nach<br />
besonderer Ausrüstung. Bei der<br />
Probenahme ist eine berührungsfreie<br />
Übergabe sehr wichtig.<br />
OBACHT! STRAHLUNG! Auch<br />
radioaktive Zerfallsprozesse sind<br />
für Gerald Bauer Thema. Die<br />
Spezialgeräte sind auch für<br />
Einsätze an der Grenze oder für<br />
Großveranstaltungen gedacht.<br />
WAS IST DRIN? Hier geht es um<br />
die chemische Wasseranalyse mittels<br />
Photometrie. Sie erlaubt die Verfolgung<br />
der Dynamik chemischer<br />
Prozesse von strahlungsabsorbierenden<br />
chemischen Verbindungen.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
Fotos: Bundesheer/Harald Minich/Julia Fenyvesi<br />
Hubschrauberpilot<br />
Soldat<br />
im Auslandseinsatz<br />
Truppenärztin<br />
Panzergrenadier<br />
Entminungsdienstexperte<br />
Textiltechnikerin<br />
Unser<br />
Heer<br />
Grundwehrdiener<br />
bei der ABC-Abwehr<br />
Milizsoldat<br />
Gebirgsjäger<br />
hat viele<br />
Gesichter<br />
Die Menschen sind die größte Stärke und<br />
das wertvollste Gut des Bundesheeres.<br />
Ihre Qualität, Professionalität und<br />
Motivation sind ausschlaggebend für<br />
die Erfüllung der Aufträge und Aufgaben<br />
des Bundesheeres.<br />
Lehrling<br />
Heeresleistungssportler<br />
Pionier<br />
www.facebook.com/bundesheer
0 2 8 H E E R &<br />
M<br />
E H R<br />
WELSER<br />
LOGISTIK-PROFIS<br />
Das Heereslogistikzentrum Wels deckt die Sparten Technik, Lagerlogistik,<br />
Transportlogistik und Lehrlingsausbildung ab. Die Oberösterreicher sind<br />
außerdem technisches Prüf- und Systemzentrum für das Waffensystem<br />
Leopard 2A4 und den Bergepanzer M88A1. Text: JÜRGEN ZACHARIAS Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />
Der Ernstfall mag im<br />
Tschad stattfinden, in<br />
Afghanistan, in der<br />
Ukraine, in Niederösterreich,<br />
in Salzburg,<br />
in Kärnten oder an einem<br />
anderen Ort, den wir aktuell noch<br />
nicht auf dem Radar haben; die Vorbereitung<br />
und Durchführung der Folgeversorgung<br />
als Gütersammelbasis dafür<br />
läuft aber in jedem Fall über die Heereslogistikzentren<br />
(kurz HLogZ) des<br />
Bundesheeres und damit in Oberösterreich<br />
über den Schreibtisch von Oberst<br />
Alfred Kaser. Der Kommandant des<br />
HLogZ Wels sitzt in seinem Arbeitszimmer<br />
in der Hessenkaserne und blättert<br />
mit erkennbarem Stolz durch eine<br />
80 Seiten starke Festschrift zum 10-jährigen<br />
Jubiläum seiner Dienststelle am 1.<br />
April. Darin sind Bilder und Informationen<br />
zur Gründung der Kfz-Anstalt<br />
Wels im Jahr 1955 und der Heereszeuganstalt<br />
(HZA) 13 Jahre später zu<br />
finden. Aber auch zur Umbenennung<br />
des Heeresfeldzeuglagers Hörsching<br />
1977 in Heeresfeldzeuglager (HFzL),<br />
zur Bildung der Heeresversorgungsanstalt<br />
(kurz HVA) aus Fusion der HFzL<br />
und der Heereswirtschaftsanstalten<br />
(HWiA) im Jahr 1997 und schließlich<br />
auch zur Zusammenführung von HVA<br />
und HZA 2005 zum HLogZ Wels.<br />
„Wir haben damit einen 50-jährigen<br />
Evolutionsprozess abgeschlossen und<br />
einen modernen Dienstleister auf Heeresebene<br />
geschaffen, der sowohl lagerseitige<br />
als auch technische Kompetenzen<br />
abdeckt“, blickt Oberst Kaser im<br />
Gespräch mit Militär Aktuell zurück.<br />
Wie die fünf anderen Logistikzentren<br />
des Bundesheeres ist das HLogZ Wels<br />
für die Lagerung, Bereitstellung und<br />
Verteilung von fast allen Versorgungsgütern<br />
(das Lager umfasst 6.000 Paletten-Stellplätze<br />
und mehr als 30.000<br />
verschiedene Güter!) für den täglichen<br />
Betrieb, Übungen sowie Einsätze im<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
T R U P P E N B E S U C H<br />
In- und Ausland verantwortlich. „Wir<br />
sind auch Gütersammelbasis für Auslandseinsätze<br />
und das Containerzentrum<br />
des Bundesheeres. Darüber hinaus<br />
ist die Transportlogistik mit Hakenladern,<br />
Großraumbussen und Lkw<br />
ein zentrales Standbein, das HLogZ<br />
Wels ist auch das technische Prüf- und<br />
Systemzentrum für den Kampfpanzer<br />
Leopard 2A4 und den schweren Bergepanzer<br />
M88A1“, sagt Oberst Kaser.<br />
„Unsere Leute prüfen Motoren, Einzelkomponenten<br />
und Materialien; auch<br />
die Materialerhaltung von schweren<br />
Motoren, Generatoren, Startern, Einspritzpumen<br />
und Turmdrehlagern fällt<br />
in unseren Aufgabenbereich.“<br />
KOMMANDANTEN-<br />
STOLZ Oberst Alfred<br />
Kaser (im Gespräch mit<br />
Militär Aktuell-Chefredakteur<br />
Jürgen Zacharias) ist<br />
von den Fähigkeiten des<br />
HLogZ Wels überzeugt.<br />
Zur Ausstattung gehört<br />
auch der modernste Getriebeprüfstand<br />
Europas.<br />
difizierte Nebelwurfanlage. Etwas weiter<br />
erinnert eine ausgeschlachtete<br />
Wanne entfernt an ihr einstiges Dasein<br />
als Kampfpanzer. Irgendwie. Ohne<br />
Schwingarme, Ketten und Aufbauten<br />
könnte das Ungetüm auch als eiserne<br />
Materialreserve eines Stahlkonzerns<br />
durchgehen – trotzdem hilft es dem<br />
Bundesheer, Geld zu sparen. Die ausgebauten<br />
und neben der Leo-Wanne aufgelegten<br />
Elemente – Drehstäbe, Munitionshalterung,<br />
Tank, Getriebe, Kettenspanner<br />
und Kabelbäume – sind kostengünstige<br />
Ersatzteile für die bestehende<br />
Panzer-Flotte. „Wir prüfen die<br />
Teile auf Funktionalität, reinigen und<br />
befunden sie und lagern sie ein“, sagt<br />
Oberst Kaser. „Bei Bedarf können wir<br />
jederzeit auf die eigenen Bestände zurückgreifen<br />
und müssen die Ersatzteile<br />
nicht teuer zukaufen.“<br />
Auch in anderen Bereichen spart das<br />
Bundesheer durch die Arbeit des<br />
HLogZ Wels viel Geld. So schweißen<br />
Michael Wölfl und Alexander<br />
Hödl in der Metallwerkstätte<br />
gerade an einem insgesamt 25<br />
Meter langen Doppelponton<br />
(besteht aus zwei je 12,5 Meter langen<br />
Wie komplex die Thematik ist, wird einige<br />
Minuten später und mehrere hundert<br />
Meter weiter in der modernen<br />
Panzerwerkstätte anschaulich. Während<br />
vorne in der riesigen Halle der<br />
Turm eines Leo im Testlauf dreht und<br />
ein Stück weiter zwei Techniker mit der<br />
obligatorischen F4-Fristenarbeit an einem<br />
weiteren Kampfpanzer beschäftigt<br />
sind (der Turm wurde zu diesem<br />
Zweck abgehoben), erhält im hinteren<br />
Bereich der Halle ein M88A1 eine mo-<br />
HEERESLOGISTIK-<br />
ZENTRUM WELS<br />
Im Jahr 2005 aus der<br />
Fusion von Heeresversorgungsanstalt<br />
(HVA) und Heereszeuganstalt<br />
(HZA)<br />
entstanden, ist das<br />
Heereslogistikzentrum<br />
(HLogZ) Wels<br />
heute eines von insgesamt sechs<br />
HLogZ des Bundesheeres. Es ist<br />
dem Kommando Einsatzunterstützung<br />
unterstellt. Neben der Lagerung,<br />
Bewirtschaftung von Tauschgerät,<br />
Umschlag, Verteilung und<br />
Rücknahme, Aussonderung und<br />
Verwertung von Gebrauchs- und<br />
Verbrauchsgütern und Transportaufgaben<br />
im Rahmen des Zentralen<br />
Transportmanagements gehören zu<br />
den Hauptaufgaben der rund 200<br />
Mitarbeiter die Lehrlingsausbildung<br />
und der Betrieb des Containerzentrums.<br />
Im IKT-Bereich erfolgt der<br />
Aufbau, die Wartung und Entstörung<br />
der zugeordneten IKT-Infrastruktur<br />
sowie die Wartung und<br />
Reparatur von Schießanlagen,<br />
elektronischen Sicherungsanlagen,<br />
Funkgeräten und Computern.<br />
Darüber hinaus ist das HLogZ Wels<br />
das technische Systemzentrum des<br />
Bundesheeres. Seine Mitarbeiter<br />
führen Grundüberholungen, Modifikationen,<br />
Kampfwertsteigerungen,<br />
schwere Reparaturen und Prüfungen<br />
für die zugeordneten Großsysteme<br />
Leopard 2A4 (inkl. Fahrschulpanzer)<br />
und Bergepanzer<br />
M88A1 durch. Darüber hinaus<br />
gehören auch die Instandsetzung<br />
von Heeres-Kfz sowie die Materialerhaltung<br />
von schweren Motoren,<br />
aller (Panzer-) Getriebe, Generatoren,<br />
Startern, Einspritzpumpen<br />
und Turmdrehlagern zum<br />
Aufgabengebiet des HLogZ Wels.<br />
Salzburg<br />
Niederösterreich<br />
Oberösterreich<br />
Kärnten<br />
Steiermark<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 3 0 H E E R & M E H R<br />
AUFTRAGSFERTIGUNG<br />
Michael Wölfl und Alexander<br />
Hödl arbeiten an einem 25<br />
Meter langen Doppelponton<br />
für das Pionierbataillon 3.<br />
Elementen) für das Pionierbataillon 3<br />
und die Prüfmeister des HLogZ können<br />
die im Leopard und Ulan verbauten<br />
Antriebskomponenten auf einem<br />
eigenen Getriebeprüfstand („der modernste<br />
Europas“, so Kaser) und Motorprüfstand<br />
(„darauf können Motoren<br />
bis 2.000 kW geprüft werden“) direkt<br />
vor Ort auf Herz und Nieren testen.<br />
Zur umfangreichen Ausstattung gehören<br />
auch eine Magnetpulverprüfbank,<br />
zwei Getriebe-, ein Lenkgetriebe-, ein<br />
Generator- und Starterprüfstand. Außerdem<br />
wurde vor Ort eine Referenzanlage<br />
für die Feuerleitanlage des Leopard<br />
2A4 („etwas Vergleichbares gibt<br />
es sonst nirgendwo“, so Kaser) realisiert<br />
und erleichtert ein Platinenprüfstand<br />
die Fehlersuche an den elektronischen<br />
Bauteilen. Mechatronikerin Eli-<br />
sabeth Brandlmayr, Mitarbeiterin in<br />
der Panzerwerkstätte (siehe auch Interview<br />
auf dieser Seite unten), weiß um<br />
die Vorteile derartiger Systeme: „Dadurch<br />
werden Arbeitsabläufe deutlich<br />
beschleunigt und wir können uns auf<br />
andere Aufgaben konzentrieren.“ Im<br />
Fall der jungen Technikerin gehört<br />
dazu auch die Lehrlingsausbildung.<br />
Insgesamt befinden sich beim HLogZ<br />
Wels aktuell 20 Lehrlinge in zehn verschiedenen<br />
Berufen in Ausbildung, in<br />
der Hochphase 2009 waren es sogar<br />
34. „Das Thema ist uns sehr wichtig“,<br />
sagt Oberst Kaser, „wir sind der größte<br />
Lehrlingsausbilder des Bundesheeres<br />
und übernehmen nach der Ausbildung<br />
auch überdurchschnittlich viele unserer<br />
Lehrlinge in den Regelbetrieb.“<br />
Auch Bernhard Maier, Leiter der IKT-<br />
Abteilung des HLogZ Wels, hat seine<br />
Ausbildung vor Ort gemacht. Nun ist<br />
er mit seinen 20 Mitarbeitern (dazu<br />
kommen vier Lehrlinge) für Aufbau,<br />
Wartung und Reparatur aller Fernmel-<br />
„Mir taugt die Komplexität der Aufgaben!“<br />
ELISABETH BRANDLMAYR<br />
ist Mechatronikerin in der<br />
Panzerwerkstätte des<br />
Heereslogistikzentrums Wels.<br />
Frau Brandlmayr, was genau gehört<br />
alles zu Ihrem Aufgabengebiet?<br />
Ich bin hier als Mechatronikerin in<br />
der Panzerwerkstätte vor allem für die<br />
Überprüfung der Platinen des Leopard<br />
Kampfpanzers zuständig. Dazu baue<br />
ich die Platinen unten in der großen<br />
Werkstätte selbst aus den Fahrzeugen<br />
aus, die Prüfung erfolgt anschließend<br />
mithilfe eines Platinenprüfstands …<br />
… der automatisch alle Fehler<br />
anzeigt?<br />
Nein, das Gerät zeigt mir zwar an, in<br />
welchem Bereich es Fehlfunktionen<br />
erkennt, die detaillierte Fehlersuche<br />
und – wenn möglich – auch Reparatur<br />
muss ich dann aber schon selbst durchführen.<br />
Trotzdem ist der Platinenprüfstand<br />
natürlich eine enorme<br />
Erleichterung, der die Arbeit deutlich<br />
beschleunigt. Bevor wir die reparierten<br />
Platinen dann wieder in den Leopard<br />
einbauen, überprüfen wir vorher deren<br />
Funktion zwei Räume weiter in einer<br />
Referenz-Prüfanlage, die wir hier in<br />
Wels selbst aufgebaut haben.<br />
Damit lässt sich feststellen, ob einzelne<br />
Teile und Platinen Fehlfunktionen<br />
aufweisen?<br />
Genau. Wir haben dort alle elektronischen<br />
Komponenten eines Leopard-<br />
Turms dargestellt, was es vergleichbar<br />
unseres Wissens nirgendwo sonst gibt.<br />
Damit können wir selbst Platinen auf ihre<br />
Funktionalität überprüfen, aber auch<br />
Entfernungsmesser und viele andere<br />
Komponenten. Ohne die Prüfanlage<br />
müssten wir die Reparaturen teuer bei<br />
den Herstellern in Auftrag geben.<br />
Was genau gefällt Ihnen an Ihrer<br />
Arbeit hier im Heereslogistikzentrum?<br />
Mit taugt vor allem die Komplexität der<br />
Aufgaben und dass ich mit sehr außergewöhnlichen<br />
Fahrzeugen und Systemen<br />
zu tun habe. Ich kann hier viele<br />
Bereiche abdecken, die es anderswo<br />
nicht gibt, und das war auch der Grund,<br />
warum ich hier meine Lehre begonnen<br />
habe. Nach zwei Schnuppertagen war<br />
ich so begeistert, dass ich gleich anfangen<br />
wollte; mittlerweile bin ich ausgelernt<br />
und bilde selbst Lehrlinge aus.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
T R U P P E N B E S U C H<br />
de- und Computernetzwerke des Bundesheeres<br />
in Oberösterreich verantwortlich.<br />
„Wir sind auch für Wartung<br />
und Reparatur der Schießanlagen zuständig,<br />
zudem warten und betreuen<br />
wir die Alarm- und Zutrittsanlagen und<br />
zu einem Teil auch die Brandmeldeanlagen.“<br />
Die IKT-Werkstätte in Hörsching<br />
prüft und repariert das neue Truppenfunkgerät<br />
CONRAD ebenso wie alle<br />
PCs und deren Peripheriegeräte.<br />
LOGISTIK-DREHSCHEIBE Das Lager des HLogZ Wels umfasst 30.000 verschiedene Güter.<br />
Ein ähnlich breites Aufgabengebiet<br />
deckt Guido Pirklbauer, Kommandant<br />
der Lehrwerkstätte, ab. Bei ihm absolvieren<br />
alle Lehrlinge („auch Sattler,<br />
Tischler und Mechatroniker“) eine 6-<br />
wöchige Grundausbildung, die Metalltechniker<br />
sind sogar 20 Wochen in der<br />
Lehrwerkstätte. Im Rahmen einer Ausbildungskooperation<br />
darf Guido<br />
Pirklbauer einmal im Jahr auch Lehrlinge<br />
der E-Werke Wels und der Firma<br />
Silbergasser (Mercedes-Benz Servicepartner)<br />
begrüßen, im Gegenzug können<br />
Bundesheer-Lehrlinge bei den beiden<br />
Firmen extern Erfahrungen sammeln.<br />
„Das ist ganz wichtig”, sagt<br />
Oberst Kaser, „durch diese Zusammenarbeit<br />
können wir Ausbildungsinhalte<br />
abdecken, über die wir selbst nicht verfügen,<br />
und unsere Qualifikationen weiter<br />
steigern.“ Und das – darauf legt<br />
Oberst Kaser Wert – sei schließlich<br />
oberstes Gebot der Stunde. „Die Herausforderung<br />
der Zukunft wird es<br />
sein, mit wesentlich weniger Personal<br />
die gleichen Leistungen zu bringen wie<br />
derzeit, und das vor dem Hintergrund<br />
einer bevorstehenden Aufwertung des<br />
HLogZ Wels im Zuge des Strukturpakets<br />
ÖBH 2018 durch Übernahme von<br />
zusätzlichen logistischen Funktionalitäten<br />
in und über die Region Oberösterreich<br />
hinaus.“
0 3 2 H E E R &<br />
M<br />
E H R<br />
1 2<br />
3<br />
KLETTERKURS<br />
Im Alpenland Österreich hat das Bergsteigen eine lange Tradition – auch beim<br />
Bundesheer. Militär Aktuell hat deshalb im Gebirgskampfzentrum in der Anton-Wallner-<br />
Kaserne in Saalfelden eine olivgrüne Seilschaft auf einer Klettertour begleitet.<br />
Text: HANS SCHNEEWEISS Fotos: www.wildbild.at/DORIS WILD<br />
Zivile Bergsteiger begeben sich ins<br />
Gebirge, um Gipfel zu erobern. Der<br />
Gebirgsdienst beim Bundesheer hingegen<br />
stellt sich etwas anderen Herausforderungen:<br />
Ziel der Ausbildung<br />
ist es, die Truppe in unwegsamem<br />
Gelände möglichst mobil zu halten<br />
und somit bei Bedarf auch im Gebirge<br />
Einsätze ausführen zu können.<br />
Vor einer Klettertour wird bekanntlich<br />
die Ausrüstung gepackt – und das ist<br />
beim Bundesheer nicht anders. Im<br />
Rucksack steckt das Equipment (1)<br />
für einen Tag: Da ist etwa ein Regenschutz<br />
mit dabei, aber auch Kleidung.<br />
Außerdem führen die Soldaten eine<br />
Isomatte mit sich und tragen eine<br />
Kampfweste. Seile sind beim Militär<br />
olivfarben oder grau. Der Kampfschuh<br />
Hochgebirge ist niedriger als der<br />
normale Kampfschuh und hat eine<br />
steifere Sohle.<br />
Alles in allem trägt ein Soldat damit<br />
30 bis 35 Kilogramm am Buckel.<br />
Ist der Ausgangspunkt für die Bergtour<br />
erreicht, wird der Klettergurt (2)<br />
angelegt – der weist keine Unterschiede<br />
zu dem einer zivilen Ausrüstung auf.<br />
Anschließend werden Reepschnüre<br />
(3) festgeknotet und Karabiner (4)<br />
eingehängt. Damit können sich die<br />
Soldaten später am Berg sichern.<br />
Soldaten mit Bergführer-Ausbildung<br />
tragen auch ein eigenes Abseilgerät<br />
(5) und können sich damit selbst abseilen.<br />
Rekruten, werden immer von<br />
qualifizierten Soldaten (6) abgeseilt.<br />
Vor der Besteigung bereitet ein Bergführer<br />
das Gelände auf. Dazu bringt er<br />
Haken am Fels an, durch die er dann<br />
entlang der Kletterroute ein Seil zieht,<br />
in das sich die nachfolgenden Soldaten<br />
einklinken können. Dadurch sind sie<br />
beim Klettern gesichert, mithilfe der<br />
Haken können sie sich auch über<br />
schwierige Stellen hinweghelfen.<br />
Der Aufstieg erfolgt entlang des<br />
Seilgeländers (7).<br />
Bergab wird der Soldat dann abgeseilt<br />
(8). Dazu hängt er sich ins Seil und<br />
wird von einem sichernden Kameraden<br />
langsam abgelassen. Dabei stößt<br />
er sich mit Füßen immer wieder vom<br />
Fels ab, die Hände baumeln rechts und<br />
links vom Körper. Mit der Meldung:<br />
„Stand!“ und „Seil frei“ geben unten<br />
angekommene Soldaten dann<br />
Bescheid, dass der nächste abgeseilt<br />
werden kann.<br />
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0 3 4 H E E R & M E H R<br />
STRATEGISCHES<br />
DENKEN & HANDELN<br />
Beim Strategischen Führungslehrgang an der<br />
Landesverteitigungsakademie bekommen <strong>militär</strong>ische und zivile<br />
Entscheidungsträger einen Einblick in aktuelle sicherheitspolitische<br />
Herausforderungen. Und Zugang zur Strategic Community. Text: OBERST DIETER MUHR<br />
as tun, wenn ein<br />
W<br />
elektromagnetischer<br />
Impuls die<br />
Infrastruktur<br />
lahmlegt? Wenn<br />
Terroristen die<br />
Wasserversorgung großflächig schädigen<br />
und wenn Pandemien, Bioattacken<br />
oder Kontaminationen drohen? Die<br />
Teilnehmer am Strategischen Führungslehrgang<br />
suchen Antworten auf<br />
Fragestellungen wie diese, pro Jahr<br />
nehmen rund 20 <strong>militär</strong>ische und zivile<br />
Entscheidungsträger aus den verschiedensten<br />
Bereichen an der Ausbildung<br />
(die drei Module finden an verlängerten<br />
Wochenenden statt) teil. Kürzlich<br />
endete der 12. Lehrgang an der Landesverteidigungsakademie<br />
in Wien und für<br />
Generalleutnant Erich Csitkovits, den<br />
Kommandanten der Akademie, gibt es<br />
nichts Vergleichbares: „Heutige sicherheitspolitische<br />
Herausforderungen sind<br />
komplex, vielschichtig, verwoben und<br />
müssen in einem umfassenden Ansatz<br />
bewältigt werden. Wir fordern intensiv<br />
vernetztes, systemisches ressort- und<br />
institutionsübergreifendes Denken und<br />
Handeln. Teilnehmer sind ausschließlich<br />
Personen, die bereits Entscheidungsträger<br />
sind. Das ist ein ganz außergewöhnlicher<br />
und einzigartiger<br />
Lehrgang für Spitzenkräfte.“<br />
Brigadier Kurt Wagner, Militärkommandant<br />
von Wien, hat zuvor acht<br />
Lehrgänge geleitet: „Die Teilnehmer<br />
sollen sich vernetzen, Risiken und Gefahren<br />
rechtzeitig erkennen und Chancen<br />
und Möglichkeiten nutzen können.<br />
Die Organisation in drei Modulen<br />
kommt ihnen dabei entgegen.“ Auf die<br />
Frage nach besonderen Aha-Erlebnissen<br />
meint Wagner: „Die Komplexität<br />
der sicherheitspolitischen Herausforderungen<br />
hat einige durchaus überrascht.<br />
Am eindrucksvollsten waren die praktischen<br />
Erlebnisse wie die Simulation einer<br />
Geiselnahme oder die Exkursion zu<br />
Auslandsmissionen des Bundesheeres.“<br />
Dort wurde mit politischen und <strong>militär</strong>ischen<br />
Entscheidungsträgern diskutiert,<br />
auch mit Diplomaten. Und mit<br />
jungen österreichischen Soldaten, die<br />
ihre Erfahrungen aus Einsätzen schilderten.<br />
Brigadier Wagner: „Wir versuchen,<br />
das persönliche Wissen und Bewusstsein<br />
um strategisches Denken<br />
und Handeln im Interesse des Arbeitgebers<br />
und zum Nutzen der Gesell-<br />
„Das ist ein ganz<br />
außergewöhnlicher und<br />
einzigartiger Lehrgang<br />
für Spitzenkräfte.”<br />
GENERALLEUTNANT ERICH CSITKOVITS<br />
„Wir haben zu aktuellen<br />
Bedrohungen ein<br />
umfassendes Lagebild<br />
bekommen.”<br />
WIEN HOLDING-DIREKTORIN SIGRID OBLAK<br />
„Die Teilnehmer sollen<br />
sich vernetzen; Risiken<br />
und Gefahren rechtzeitig<br />
erkennen können.”<br />
BRIGADIER KURT WAGNER<br />
FOTO S : B U N D E S H E E R / M AG . H E L M U T VO G L , B E I G E ST E L LT<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
S T R A T E G I S C H E R F Ü H R U N G S L E H R G A N G<br />
EINZIGARTIGES<br />
ANGEBOT<br />
Bislang wurden<br />
zwölf Lehrgänge<br />
abgehalten, die 260<br />
Absolventen sind<br />
untereinander ausgezeichnet<br />
vernetzt.<br />
schaft zu erweitern.“ Werden dabei<br />
auch aktuelle Bedrohungsszenarien<br />
eingeblendet? „Definitiv“, wie Absolventin<br />
und Wien Holding-Direktorin<br />
Sigrid Oblak bestätigt: „Wir haben zu<br />
Sicherheit und aktuellen Bedrohungen<br />
ein umfassendes Lagebild bekommen.“<br />
Die bislang 260 Absolventen (15 Prozent<br />
davon Frauen) sind untereinander<br />
ausgezeichnet vernetzt und bilden die<br />
sogenannte Strategic Community. Um<br />
sie nachhaltig zu fördern, wird zwei<br />
Mal jährlich ein Absolvententreffen<br />
organisiert sowie ein strategisches<br />
Planspiel angeboten. Harald Mahrer,<br />
Staatsekretär im Bundesministerium<br />
für Wissenschaft, Forschung und<br />
Wirtschaft, hat den Lehrgang ebenfalls<br />
absolviert und greift, wie er meint,<br />
„selbstverständlich – egal ob es das Inland<br />
oder Ausland betrifft“ auf das<br />
„umfangreiche Wissen der Community<br />
und die einmaligen Netzwerkzugänge“<br />
zurück. Mahrer gegenüber Militär<br />
Aktuell: „In meinen unterschiedlichen<br />
Rollen in der Privatwirtschaft und über<br />
mein gesellschaftspolitisches Engagement<br />
habe ich stark als Multiplikator<br />
für die Strategic Community gewirkt.“<br />
Und Direktorin Oblak betont: „Ich<br />
nehme immer wieder bei unterschiedlichsten<br />
Fragestellungen Kontakt mit<br />
anderen Mitgliedern auf.“<br />
Für Brigadier Kurt Wagner gab es auch<br />
während der Lehrgänge immer wieder<br />
besondere Momente: „Es hat mich jedesmal<br />
aufs Neue fasziniert, wie innerhalb<br />
weniger Stunden aus den Teilnehmern<br />
eine Gemeinschaft wurde, sie<br />
sich austauschen, voneinander und<br />
miteinander lernen und Neues aufnehmen.<br />
Natürlich war auch jeder Abschluss<br />
eines Lehrganges ein besonderer<br />
Moment.“ Und das wird er wohl<br />
auch in den kommenden Jahren sein –<br />
die Zukunft des Lehrgangs scheint jedenfalls<br />
gesichert, das Interesse an<br />
einer Teilnahme ist nach wie vor sehr<br />
groß. Offensichtlich gelingt es dabei,<br />
„Wissen und Kompetenz zu bündeln,<br />
um aktuellen und zukünftigen Herausforderungen<br />
begegnen zu können“, wie<br />
es Brigadier Wagner ausdrückt. Sein<br />
Fazit: „Die Fortführung liegt nach wie<br />
vor im Interesse der Gesellschaft und<br />
des Bundesheeres.“ Generalleutnant<br />
Erich Csitkovits denkt schon weiter:<br />
„Wir werden uns in Zukunft noch<br />
mehr auf die Ursachen und Wurzeln<br />
von Entwicklungen konzentrieren,<br />
Zusammenhänge herausarbeiten und<br />
Themen praktisch erleben lassen.“<br />
Praxis geht also auch beim Strategischen<br />
Führungslehrgang vor Theorie.
0 3 6 H E E R &<br />
M<br />
E H R<br />
VOM HIMMEL<br />
FALLEN<br />
Militärisches Fallschirmspringen ist Nervenkitzel pur. Trotzdem hat<br />
Stefan Tesch den Sprung ins Leere gewagt und für Militär Aktuell einen<br />
Rundkappen-Basiskurs absolviert. Text & Fotos: STEFAN TESCH<br />
er Körper zittert. Ich<br />
Dbin hoch konzentriert.<br />
Zeit für Angst bleibt<br />
nur wenig, doch das<br />
Herz pocht ungewöhnlich<br />
stark. Was kommt<br />
auf mich zu? Wie fühlt sich der Schritt<br />
ins Leere an? 24 Springer sitzen angespannt<br />
im russischen Mil Mi-8. Der<br />
Jumpaster gibt das Zeichen, die Sicherheitsgurte<br />
zu lösen. Der Blick aus<br />
dem hinten offenen Hubschrauber<br />
zeigt Felder, Wiesen und in der Ferne<br />
den Plattensee. Plötzlich brüllt der<br />
Jumpmaster Kommandos mit eindringlicher<br />
Stimme: „Stand up!“<br />
„Check static line!“ „Check equipment!“<br />
„Sound off for equipment<br />
check!“ Die Absetzhöhe von 600 Metern<br />
ist erreicht, die erste Gruppe<br />
steht dicht gedrängt in der Maschine<br />
und wartet auf den Moment des Absetzens.<br />
„Stand by!“ Der erste Springer<br />
geht in Position. „Go!“ und er verschwindet<br />
hinter dem Hubschrauber<br />
im Nichts.<br />
Gedanken schießen wirr durch den<br />
Kopf. Umdrehen? Unmöglich. Wer<br />
jetzt in der Reihe zum Absprung bereit<br />
steht, muss raus. Noch ein Springer<br />
vor mir. In zwei Sekunden wird es für<br />
mich ernst. Worauf hab ich mich hier<br />
eingelassen? Der Kopf sagt „nein“. Zu<br />
spät. Der Springer vor mir stürzt sich<br />
hinaus. Ein Schritt vor bis zur Kante.<br />
Unter mir zieht die beschauliche Landschaft<br />
vorbei. „Go!“ Der Jumpmaster<br />
unterstützt sein Kommando mit einem<br />
Schlag auf meine Schulter. Augen zu,<br />
W E I T E R E FOTO S : I M ATS<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
P A N O R A M A<br />
KEIN ZURÜCK<br />
Wer jetzt im Hubschrauber<br />
sitzt, muss springen.<br />
Die Nerven liegen auch<br />
deshalb vor dem Sprung<br />
bei allen blank.<br />
SPRUNGABZEICHEN<br />
ERWERBEN<br />
IN DER LUFT Rund eineinhalb Minuten dauert der Sprung aus 600 Metern Höhe. Um die<br />
Landezone zu treffen, muss man den Fallschirm gegen den Wind drehen.<br />
raus. Ich falle zwei Sekunden ungebremst<br />
ins Leere. Über mir der<br />
Downwash des Rotors, Zischen, Pfeifen<br />
und Knattern. Alle Muskeln sind<br />
jetzt aufs Äußerste gespannt.<br />
Ein kräftiger Ruck, der sich öffnende<br />
Fallschirm bremst den freien Fall abrupt<br />
ab. Ich hänge in den Gurten und<br />
blicke nach oben. Erleichterung – die<br />
Kappe bildet einen schönen Kreis und<br />
die 30 Leinen, mit denen ich an der<br />
Rundkappe hänge, sind nicht verwickelt.<br />
Jetzt wird es ruhig, denn der<br />
Klang des Hubschraubers verliert sich<br />
in der Ferne. Auf einmal formt sich der<br />
Mund unweigerlich zum Lächeln.<br />
Freude sprüht durch den Körper. Man<br />
könnte schreien, die Welt umarmen.<br />
Für das bleibt aber keine Zeit, denn<br />
jetzt geht es ans Steuern. Schnell den<br />
Schirm drehen, damit man den Wind<br />
im Gesicht hat. Nur so kann man verhindern,<br />
weit abgetrieben zu werden.<br />
Durch die Löcher in der Kappe gleitet<br />
der Schirm etwa fünf Meter pro Sekunde<br />
nach vorne. Hat der Wind ungefähr<br />
die gleiche Geschwindigkeit, segelt<br />
man fast senkrecht nach unten. Vertikal<br />
sinkt man mit vier bis fünf Metern<br />
pro Sekunde und hängt damit knapp<br />
anderthalb Minuten bis zur Landung<br />
am Schirm.<br />
Jetzt gilt es, die Landezone, eine circa<br />
400 mal 600 Meter große Wiese am<br />
Flughafen, zu treffen. Hört sich leichter<br />
an, als es beim ersten Mal tatsächlich<br />
ist. Rundkappen lassen sich wesentlich<br />
schlechter lenken als Flächenschirme.<br />
Man kann sich damit lediglich drehen<br />
und so mithilfe des Windes steuern.<br />
Windböen verdrehen den Schirm immer<br />
wieder und man muss ständig<br />
nachkorrigieren. Es sieht gut aus. Zäune,<br />
Gebäude und Bäume sind zumindest<br />
keine im Weg. Unter mir nur ebene,<br />
gemähte Wiese. Ich sehe wie Springer<br />
vor mir landen und wie andere<br />
noch oberhalb von mir in der Luft<br />
sind. Der Hubschrauber dreht seine<br />
zweite Runde und setzt den Rest der<br />
Gruppe ab. Die vielen Fallschirme am<br />
Himmel ergeben ein majestätisches<br />
Bild.<br />
Noch 30 Meter bis zum Boden. Konzentriert<br />
prüfe ich den Fleck Wiese, wo<br />
ich voraussichtlich landen werde. Nun<br />
heißt es, das zu tun, was man in der<br />
Ausbildung davor drillmäßig verinnerlicht<br />
hat: Beine fest zusammen und<br />
Auf Wunsch kann man im Rahmen<br />
des Basiskurses mehrere Sprungabzeichen<br />
(„Wings“) erwerben: Das<br />
Luxemburg MPAA Basic beispielsweise<br />
und je nach Anwesenheit der<br />
jeweiligen Jumpmaster auch das<br />
US Basic, das Israeli IDF sowie das<br />
tschechische Abzeichen. Für Fortgeschrittene<br />
besteht die Möglichkeit,<br />
unter anderem das Freifall-Abzeichen<br />
des US-Militärs (gültige Freifalllizenz<br />
ist notwendig), das US-Naval-Marine-Corps-Abzeichen<br />
(zehn<br />
Sprünge), sowie Luxemburg MPAA<br />
Senior und Master (25 beziehungsweise<br />
50 Sprünge) zu erlangen. Der<br />
Basiskurs mit drei Sprüngen kostet<br />
370 Euro. Hinzu kommen noch<br />
knapp 100 Euro für Essen und<br />
Unterkunft am Flughafengelände.<br />
Ein Kurs inklusive niederländischer<br />
A-Lizenz (fünf Sprünge) kommt auf<br />
440 Euro.<br />
Weitere Infos unter www.imats.eu,<br />
Kurse auch buchbar über<br />
www.steinadler.com<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 3 8 H E E R & M E H R<br />
um einen möglichst langen freien Fall<br />
oder Kunststücke in der Luft, sondern<br />
um das rasche und sichere Absetzen<br />
aus Flugzeugen oder Hubschraubern.<br />
Jeder Schirm ist mittels einer Leine<br />
(Static Line) mit dem Luftfahrzeug<br />
verbunden, welche ihn nach dem<br />
Absprung aus dem Packsack (D-Bag)<br />
reißt und damit automatisch öffnet.<br />
Der Vorteil: Man kann es alleine und<br />
ohne Fallschirmsprungschein absolvieren,<br />
lediglich die Anwesenheit<br />
eines Jumpmasters ist notwendig.<br />
MASSARBEIT Die Rundkappe selbst zu packen erfordert viel Übung, höchste Konzentration<br />
(Sicherheit geht schließlich vor) und eine kräftige Portion Geduld.<br />
Bis zum Sprung sind es aber viele<br />
Stunden intensiver Ausbildung, schriftliche<br />
Prüfung und unzählige Wiederholungen.<br />
Solch einen Basiskurs mit<br />
drei Sprüngen bietet zum Beispiel die<br />
International Military Airborne Training<br />
School (IMATS, buchbar auch<br />
über www.steinadler.com) am ungarischen<br />
Flughafen Siófok-Kiliti, nahe<br />
dem Plattensee, an. Zu Beginn steht<br />
dort das korrekte Ausführen der sogeleicht<br />
abwinkeln. Noch zehn Meter.<br />
Wird die Landung hart? Werde ich<br />
überknöcheln? Meine schweren Stiefel<br />
berühren den Boden, sofort rolle ich<br />
über die linke Seite bis über die Schulter<br />
ab. Geschafft! Der erste Gedanke:<br />
Absolut verrückt! Ich möchte sofort<br />
wieder springen. Im Gegensatz zum<br />
weit verbreiteten Freifallspringen mit<br />
Flächenfallschirmen aus mehreren<br />
Tausend Metern, beträgt die Absetzhöhe<br />
beim <strong>militär</strong>ischen Automatensprung<br />
mit Rundkappe nur wenige<br />
Hundert Meter. Hier geht es nicht<br />
GENERALPROBE<br />
Erst wenn alle Abläufe<br />
am Boden perfekt<br />
funktionieren, geht es<br />
zum Hubschrauber.<br />
Vor dem ersten<br />
Sprung erfolgt<br />
nochmals eine Wiederholung<br />
der wichtigsten<br />
Handgriffe.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
P A N O R A M A<br />
nannten Landerolle am Programm. Der<br />
tschechische Jumpmaster Lukas, ein<br />
ehemaliger Fallschirmjäger, bildet die<br />
Teilnehmer mit streng <strong>militär</strong>ischem<br />
Ton aus. Nur wer sich perfekt über die<br />
gesamte Körperseite abrollt und gleichzeitig<br />
die Beine geschlossen hält, besteht<br />
unter seinem prüfenden Blick.<br />
Dies ist essenziell, um sich später bei<br />
der „echten“ Landung nicht zu verletzen.<br />
Weiter geht es in den Hangar, wo<br />
der Hubschrauber parkt. Ein US-amerikanischer<br />
Jumpmaster, der den Kurs<br />
unterstützt, führt die Teilnehmer mit<br />
scharfen Kommandos an die Abläufe<br />
im Hubschrauber heran. Jeder hat seinen<br />
fixen Platz in der Absprungreihenfolge.<br />
Jedes Kommando, jeder Check,<br />
muss schreiend wiederholt werden.<br />
Nachdem jeder im Gurtzeug vom<br />
Hangardach hängend „probegesessen“<br />
ist und Lukas' Verständnisfragen beantwortet<br />
hat, geht es ans Packen der<br />
Schirme. Keine leichte Aufgabe, die<br />
RÜCK-VERSICHERUNG Der Reserveschirm am Bauch ist im unwahrscheinlichen Fall der Fälle<br />
die Lebensversicherung des Fallschirmspringers.Links im Bild Autor Stefan Tesch.<br />
unzähligen Handgriffe richtig auszuführen,<br />
falsch gepackte Schirme können<br />
zu missglückten Sprüngen führen.<br />
Mehrere Zwischenschritte des Packens<br />
muss man vom Jumpmaster kontrollieren<br />
lassen. Wenn alles passt, darf man<br />
weitermachen. Zum Einsatz kommen<br />
die einander sehr ähnlichen US-Modelle<br />
MC1-1D sowie SF-10A. Fertig.<br />
Der Schirm ist gepackt und es geht in<br />
Zweierreihe rasch zum Hubschrauber,<br />
der schon bereitsteht. Die tief stehende<br />
Abendsonne verspricht einen atemberaubenden<br />
Sunset-Jump.
0 4 0 H E E R & M E H R<br />
DAS BUNDESHEER<br />
IST EINE<br />
ERFOLGSGESCHICHTE!<br />
General i. R. Horst Pleiner war von 2000 bis 2002 Generaltruppeninspektor<br />
und kennt das Bundesheer wie kein Zweiter. Militär Aktuell hat mit ihm einen<br />
Blick zurück auf 60 Jahre Bundesheer geworfen. Interview: OBERST DIETER MUHR<br />
err General, sind 60<br />
HJahre Bundesheer eine<br />
Erfolgsgeschichte?<br />
Ja, vor allem wegen des<br />
Einsatzwillens von Berufssoldaten<br />
und Wehrpflichtigen.<br />
Das Bundesheer hat seine<br />
Einsatzbereitschaft 1956 beim Ungarnaufstand,<br />
1967 und 1968 während des<br />
Prager Frühlings und 1991 beim Zerfall<br />
von Jugoslawien bewiesen. Nicht zu vergessen<br />
auch die zahlreichen Auslandseinsätze<br />
und die mehrjährige Grenzraumüberwachung<br />
ab 1990.<br />
Welche waren dabei die wesentlichsten<br />
Richtungsentscheidungen?<br />
Die erste erfolgte 1960 mit der Beteiligung<br />
an Einsätzen der UN, die zweite<br />
1971 mit der Entscheidung für die<br />
Raumverteidigung als Instrument der<br />
Abhaltung. Sie brachte eine glaubhafte<br />
Aufgabenstellung für das Bundesheer<br />
und überwand die davorliegende unzureichende<br />
Identität des Heeres. Die dritte<br />
folgte schließlich mit dem Beitritt zur<br />
Partnerschaft für den Frieden, die den<br />
Weg zur multinationalen Kooperation<br />
in internationalen Einsätzen öffnete.<br />
Konnte das Bundesheer jemals seinen<br />
Auftrag nicht erfüllen?<br />
Ja, um zu vermeiden, dass die Situation<br />
eskaliert, musste die Truppe während<br />
der Krise in der Tschechoslowakei einen<br />
Abstand von 30 Kilometern zur Grenze<br />
einhalten. Das war weder im Sinne der<br />
Neutralität noch wurde das dem Sicherheitsbedürfnis<br />
der Bevölkerung gerecht.<br />
Das Heer ist auch ein Produkt seiner<br />
Geschichte. Trägt es an Altlasten?<br />
Jede Organisation trägt an ihrer Vergangenheit<br />
und das Bundesheer hat oft darunter<br />
gelitten, dass die Politik strategisch-politische<br />
Zielsetzungen für das<br />
Militär vermeidet. Jegliche Versäumnisse<br />
schleppt man mit der Organisation<br />
mit und sie wirken sich mehr oder weniger<br />
auf die Einsatzbereitschaft aus.<br />
Es gab nur wenige Perioden mit klaren<br />
Vorgaben. Die sind aber absolut notwendig,<br />
weil organisatorische Veränderungen<br />
aufwendig sind.<br />
Welche Perioden mit klaren Vorgaben<br />
waren das?<br />
Das war in den Amtszeiten der Minister<br />
Otto Rösch, Werner Fasslabend und<br />
Herbert Scheibner so. Diese Minister<br />
haben aber auch besondere Situationen<br />
vorgefunden, die konkrete sicherheitspolitische<br />
Zielsetzungen für das Bundesheer<br />
verlangten. Die Ära Rösch war<br />
von den Spannungen zwischen der<br />
NATO und dem Warschauer Pakt mit<br />
dem NATO-Doppelbeschluss zur<br />
Nachrüstung und den nachfolgenden<br />
vertrauensbildenden Maßnahmen in<br />
der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit<br />
in Europa gekennzeichnet.<br />
Bei Fasslabend hatten wir den Beitritt<br />
zur EU mit einer positiven sicherheitspolitischen<br />
Haltung von Regierung<br />
und Opposition und in der Ära Scheibner<br />
hatte man sich auf die nachfolgenden<br />
sicherheitspolitischen Entwicklungen<br />
eingestellt. Letzteres hält noch heute<br />
an; leider nur mehr abgeschwächt.<br />
Sind die Vorgaben heute klar, oder<br />
steht das Bundesheer an einer<br />
Wegkreuzung?<br />
Prinzipiell steht das Bundesheer vor keiner<br />
Wegkreuzung. Vielmehr bewegt es<br />
sich auf einer mehrspurigen Autobahn.<br />
ZUR PERSON<br />
Geboren 1941 in Salzburg, ist General<br />
i. R. Horst Pleiner 1959 als Einjährig<br />
Freiwilliger zum Feldjägerbataillon 29<br />
eingerückt. Ab 1960 Militärakademie,<br />
1963 Ausmusterung als Leutnant zur<br />
Jägerschule, Verwendung im Stab des<br />
Jägerbataillons 29, 1969 bis 1972 Hörer<br />
am 6. Generalstabskurs. Von 1975 bis<br />
1978 Kommandant des 8. Generalstabskurses,<br />
1978/1979 stellvertretender<br />
Leiter der Operationsabteilung im<br />
Ministerium, ab 1987 Leiter der Führungsabteilung<br />
im Ministerium. 1990<br />
wird Pleiner Leiter der Generalstabsgruppe<br />
B und von 2000 bis Ende 2002<br />
Generaltruppeninspektor.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
I N T E R V I E W<br />
IM GESPRÄCH<br />
General i. R. Horst Pleiner<br />
und Militär Aktuell-Autor<br />
Oberst Dieter Muhr.<br />
FOTO S : N A D J A M E I ST E R , H B F/ D O L E S C H A L<br />
Es wird zu entscheiden sein,<br />
welchen Weg es gehen soll.<br />
Voraussetzung dafür ist,<br />
dass sicherheitspolitische<br />
und strategische Zielsetzungen<br />
formuliert und priorisierte<br />
und tatsächlich finanzierte<br />
Fähigkeiten abgeleitet<br />
werden. Dabei muss berücksichtigt<br />
werden, dass aktuell<br />
sich beschleunigende operativ-taktische,<br />
strategische<br />
und technische Entwicklungen<br />
ständig neue <strong>militär</strong>ische<br />
Erfordernisse verlangen.<br />
Ein aktuelles Beispiel:<br />
Sollte die EU gegen die<br />
Schlepper im Mittelmeer aktiv<br />
vorgehen, stellt sich die<br />
Frage, wie sich Österreich<br />
daran beteiligen will. Auf so<br />
etwas muss das Militär immer<br />
vorbereitet sein.<br />
Die Autobahnspuren sind<br />
Katastrophenhilfe und<br />
Landesverteidigung?<br />
Ja, wobei das eine das andere<br />
nicht ausschließt. Ein Heer<br />
sollte sich jedoch nicht auf<br />
Katastrophenhilfe und Assistenzen<br />
beschränken. Da<br />
ist zwar <strong>militär</strong>ische Organisationsfähigkeit<br />
gefragt, es<br />
geht aber nicht um <strong>militär</strong>ische<br />
Fähigkeiten zur Erreichung<br />
von politisch-strategischen<br />
Zielsetzungen. Der<br />
<strong>militär</strong>ische Teil der Landesverteidigung<br />
bleibt Kerngeschäft,<br />
muss im strategischen<br />
Rahmen durchdacht<br />
werden und die Handlungsmöglichkeiten<br />
eines Kleinstaats<br />
berücksichtigen. Die<br />
vorliegenden strategischen<br />
Dokumente beantworten<br />
das nicht ausreichend. Vom<br />
Bundesheer wird eine zu<br />
große Bandbreite verlangt,<br />
die seinem Budget und den<br />
politischen Möglichkeiten<br />
des Landes nicht entspricht.<br />
Eine klarere Prioritätenreihung<br />
sollte aktuell und dringend<br />
festgelegt werden.<br />
Gilt ihr Zitat „So viel Geld,<br />
so viel Bundesheer“ also<br />
immer noch?<br />
Das gilt generell, das ist Realpolitik.<br />
Und nirgends ist<br />
Realpolitik so gefragt, wie<br />
beim Militär. Wunschdenken<br />
bringt keine <strong>militär</strong>ischen<br />
Fähigkeiten. Die Verantwortung<br />
der Politik ist es,<br />
klare Zielvorgaben zu geben,<br />
und sie muss akzeptieren,<br />
dass das Militär dazu Mittel<br />
braucht. Oder sie muss akzeptieren,<br />
dass bestimmte<br />
Zielsetzungen nicht oder<br />
nur teilweise erreicht werden<br />
können. Dann darf man<br />
das Militär aber nicht dafür<br />
verantwortlich machen,<br />
wenn es problematisch wird.<br />
Wird das Bundesheer vor<br />
diesem Hintergrund weiter<br />
eine Erfolgsgeschichte<br />
sein?<br />
Dazu sind jetzt Entscheidungen<br />
notwendig. Der Erfolg<br />
des Militärs liegt in der Erfüllung<br />
der Aufgaben, um<br />
die sicherheitspolitischen<br />
Zielsetzungen der Republik<br />
zu erreichen. Die rein <strong>militär</strong>ischen<br />
Fähigkeiten des Bundesheeres<br />
dürfen nicht das<br />
Ergebnis nur politischer Verhandlungen<br />
sein. Die Politik<br />
gibt Ziele und den Rahmen<br />
durch das Budget und Personalstärken<br />
vor, aber die<br />
Ableitung der dann notwendigen<br />
<strong>militär</strong>ischen Erfordernisse<br />
ist Sache der Experten<br />
des Militärs. Man kann<br />
schon sagen, das Bundesheer<br />
bekommt nur so viel<br />
Geld. Aber die Militärs müssen<br />
dann beurteilen, was damit<br />
an Aufgaben wie umgesetzt<br />
werden kann. Im Übrigen<br />
sollte man sich in einer<br />
Zeit der Budgetknappheit<br />
darauf vorbereiten, was<br />
getan werden sollte, wenn<br />
wieder mehr Geld da ist.<br />
COBRA – Spezial-<br />
Einsatzhandschuh<br />
von ESKA®<br />
Der COBRA von ESKA® garantiert selbst in kritischen<br />
Situationen besten Schutz Ihrer Hände, sein Trageverhalten<br />
gibt Sicherheit. Bestechend sind auch Grifffreudigkeit,<br />
Anziehhilfe und Taktilität. Anatomisch der Handform angepasst,<br />
fachmännisch zugeschnitten und ebenso technisch<br />
verarbeitet erreicht der COBRA im gesamten Innenhandbereich<br />
die höchste Schnittschutzklasse 5 nach EN 388.<br />
Der Handschuh ist mit reißfesten, feuerresistenten<br />
Kevlar®-Fäden verarbeitet. Der feuerresistente Sicherheitsprotektor<br />
beugt Verletzungen vor und garantiert<br />
in diesem Bereich uneingeschränkten Schlagschutz. Bis<br />
zum Stulpeneinsatz bestehen Innenhand,<br />
Fingerzwischen- und Seitenteile aus stark<br />
hydrophobiertem Silikon-Carbon-<br />
Leder. Das neue Schnittschutzfutter<br />
aus Kevlar® mit<br />
Stahl-Fiberglas und<br />
Silberfäden wirkt<br />
antibakteriell,<br />
antistatisch, geruchshemmend<br />
und<br />
temperaturregulierend.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 4 2<br />
S I C h E R h E I T & W I R T S C h A F T<br />
IDEX:<br />
MILLIARDENMARKT<br />
Die International Defence Expo (kurz<br />
IDEX) in Abu Dhabi hat sich in den<br />
vergangenen Jahren zur größten regionalen<br />
Rüstungsmesse entwickelt<br />
und konnte heuer eine erneute Steigerung<br />
auf 1.200 Aussteller vermelden.<br />
Das hohe Interesse kommt nicht<br />
von ungefähr, die Golfregion und der<br />
Nahe Osten gelten aufgrund der dort<br />
anhaltend hohen Nachfrage nach Sicherheitstechnik<br />
bei Rüstungsherstellern<br />
als „Schlüsselregion“. Abu<br />
Dhabi bestätigte diese Einschätzung<br />
und zeichnete alleine Verträge über<br />
3,84 Milliarden Euro. Eröffnet wurde<br />
die Expo mit einer 30-minütigen<br />
Show, bei der in allen drei Dimensionen<br />
die Rückeroberung eines Containerhafenterminals<br />
von einer Terrorgruppe<br />
durch VAE-Spezialeinheiten<br />
demonstriert wurde. In den Messegesprächen<br />
fielen neue Achsen abseits<br />
der großen Player auf, etwa zwischen<br />
der Ukraine und den Vereinigten Aarabischen<br />
Emiraten oder Südafrika<br />
und Ländern der Kaukasusregion.<br />
Der Österreich-Pavillon beherbergte<br />
20 heimische Hersteller wie Schiebel,<br />
Steyr Mannlicher, Steyr Motors,<br />
Glock, Hirtenberger und Palfinger.<br />
IM FOKUS<br />
DER KONZERN<br />
IM ÜBERBLICK<br />
11.800<br />
Mitarbeiter<br />
3,68 Mrd. Euro<br />
Umsatz (2014)<br />
Top-Produkte<br />
Kampfflugzeuge<br />
Mirage & Rafále<br />
DASSAULT<br />
Der französische Rüstungskonzern Dassault konnte endlich<br />
Exportaufträge für seine Rafále an Land ziehen. 15 Jahre hatte<br />
der Hersteller keine Abnehmer außerhalb Frankreichs für das<br />
über Libyen, Irak und Mali kampferprobte Mehrzweckkampfflugzeug<br />
gefunden, und nun muss die Produktion von einer<br />
Maschine pro Monat auf zweieinhalb gesteigert werden. Eine Bestellung für 18+6 Rafále der Serie 3 trudelte jüngst<br />
von Katar ein (zum Preis von 5,24 Milliarden Euro inklusive Waffenpaket und Ausbildung von 130 Mann), zuvor<br />
hatte sich Ägypten für den Kauf von 24 Jets entschieden. Staatschef as-Sisi möchte die Flugzeuge am liebsten<br />
gestern einflotten, bei den Eröffnungsfeierlichkeiten des neuen Suezkanals im Sommer sollen französische Jets<br />
in ägyptischen Farben Flagge zeigen. Zu guter Letzt konnte Dassault nun auch in Indien Nägel mit Köpfen machen:<br />
Nachdem 2012 die Lieferung von 126 Rafále fix schien, zerschlug sich der Auftrag doch noch. Vor dem Hintergrund<br />
der unbekümmert aufrüstenden Nachbarn China und Pakistan und der kurz vor ihrem Lebensende stehenden<br />
MiG-21 und MiG-27 der Inder wurde nun der Kauf von 36 Rafále beschlossen – zum Preis von 6,55 Milliarden Euro.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
N E W S A U S D E R S I C H E R H E I T S B R A N C H E<br />
TOP 3<br />
DIE BESTEN<br />
FLUGSHOWS <strong>2015</strong><br />
WARBIRDS<br />
IM FOKUS<br />
In Duxford bilden<br />
nur historische<br />
Flugzeuge das<br />
Programm.<br />
1 Die größte <strong>militär</strong>ische Flughow<br />
Europas geht mit der Royal International<br />
Air-Tattoo in Großbritannien<br />
über die Bühne. Von 17. bis 19. Juli<br />
auf der Royal Air Force Station Fairford.<br />
www.airtattoo.com<br />
2 Praktische, weil naheliegende Alternative<br />
zur abgesagten Airpower in<br />
Österreich ist das Slovak International<br />
Air Fest (kurz SIAF) auf der Sliac<br />
Airbase. Am 29. und 30. August.<br />
www.siaf.sk/en<br />
3 Für Fans sogenannter „Warbirds“<br />
aus dem Zweiten Weltkrieg ist die<br />
Battle-of-Britain 75th Anniversary<br />
Show von 19. bis 20. September in<br />
Duxford in der Nähe von Cambridge<br />
ein Muss. www.iwm.org.uk<br />
„WIR BEKOMMEN IMMER MEHR ANFRAGEN!“<br />
FOTO S : G E O R G M A D E R , DASSAU LT, B E I G E ST E L LT<br />
SIMGUN ist ein österreichisches Unternehmen, das<br />
professionelle Duellsimulatoren für den Gamingbereich<br />
und behördliche sowie <strong>militär</strong>ische Anwendungsgebiete<br />
herstellt. Wir haben mit Geschäftsführer Patrick Riedesser<br />
über die Vorteile seiner Produkte gesprochen.<br />
Herr Riedesser, hat sich das SIMGUN-Geschäftsmodell<br />
aus dem Adventure- und Entertainment-Bereich hin zur<br />
<strong>militär</strong>ischen Verwendung entwickelt oder verlief die<br />
Entwicklung umgekehrt?<br />
Zu Beginn wurde SIMGUN für den Gaming Markt entwickelt,<br />
mit der ganz klaren Prämisse, das beste System am<br />
Markt zu werden. Dabei haben wir die verwendeten<br />
Techniken der Rüstungsindustrie als Maßstab genommen<br />
und bei den Recherchen festgestellt, dass diese mit<br />
heutiger Technik viel smarter umzusetzen wären. Mittlerweile<br />
übertrumpfen wir die meisten Anbieter bei Laserreichweite<br />
und Genauigkeit und deshalb werden die<br />
Anfragen aus dem behördlichen Bereich auch immer<br />
zahlreicher. Wir haben daher unser Geschäftsfeld mit<br />
diesem Kundensegment erweitert und bieten maßgeschneiderte<br />
Lösungen in diesem Bereich an.<br />
PATRICK<br />
RIEDESSER<br />
ist Geschäftsführer<br />
von SIMGUN<br />
und vor allem<br />
vom guten Preis-<br />
Leistungs-Verhältnis<br />
seiner Produkte<br />
überzeugt.<br />
Wie ist die Gewichtung von <strong>militär</strong>ischem und zivilem<br />
Bereich?<br />
Wir gehen davon aus, dass sich das Verhältnis bis Ende des<br />
Jahres auf etwa 50:50 einpendeln wird.<br />
Es gibt auch andere Anbieter von Duell- und Schützensimulationssystemen.<br />
Was macht SIMGUN besser und kann das<br />
System auch einen Schützenzug mit der Wirkung all seiner<br />
Waffen spiegeln?<br />
Es gibt weltweit eine Handvoll Hersteller dieser Duellsimulatoren,<br />
deren Produkte durch ihr hohes Alter und ihre hohe<br />
Komplexität einige Nachteile aufweisen. Was wir immer wieder<br />
hören, sind hohes Gewicht, sperrige Westen und geringe<br />
Reichweite des Lasers bei Tageslicht. Derzeit bieten wir unsere<br />
Technik nur für die Infanterie an. Eine Fahrzeuglösung<br />
samt „Rocket Launcher“ wird es bis Ende <strong>2015</strong> geben.<br />
Was kann sich eine Polizei- oder Heeresspezialeinheit in Zeiten<br />
immer kleinerer Verteidigungsetats mit SIMGUN sparen?<br />
Viel Geld. Bei uns geht es mit einem System für einen Mann<br />
bei etwa 1.500 Euro los. Im Vergleich dazu muss man bei den<br />
Produkten mancher Rüstungshersteller eine Null anhängen.<br />
Natürlich sind diese Systeme dann oft komplexer, aber diese<br />
Komplexität ist nicht immer von Vorteil und führt oft genug<br />
auch am eigentlichen Ziel vorbei.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 4 4 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />
ROT-W E I S S-ROT E<br />
MOTORENPROFIS<br />
Der oberösterreichische Antriebsspezialist Steyr Motors hat im<br />
globalen Markt mit Hochleistungsdieselmotoren eine feine Nische besetzt –<br />
das schließt auch <strong>militär</strong>ische Anwendungen ein. Text: JÜRGEN ZACHARIAS<br />
er industriell geprägte<br />
D<br />
Norden Steyrs ist nicht<br />
die schönste Seite der<br />
oberösterreichischen<br />
Statutarstadt. Zwischen<br />
dem Stadtteil Niedergleink<br />
und dem Stadtgutteich prägen<br />
entlang der B309 Firmen wie Profactor,<br />
AVL List, Kappa und NKE Austria die<br />
Peripherie, ihre Areale haben sie mit<br />
Stabgitterzäunen, glänzenden Fassaden<br />
und Sichtbetonelementen abgesteckt.<br />
Mittendrin in diesem urban-industrialisierten<br />
Konglomerat schreibt mit<br />
Steyr Motors ein automotiver Nischenplayer<br />
an einer Erfolgsstory (auch in<br />
<strong>militär</strong>ischen Anwendungsbereichen),<br />
die vor eineinhalb Jahrzehnten kaum<br />
jemand für möglich gehalten hätte.<br />
Damals (wir schreiben das Jahr 2001)<br />
wurde der Motorenspezialist mittels<br />
eines Management-Buyouts aus der<br />
Magna-Gruppe gelöst und als komplett<br />
eigenständiges Unternehmen gegründet.<br />
Ein Blick auf das Logo macht klar,<br />
dass die Wurzeln des Betriebs viel tiefer<br />
gehen und bis zur altehrwürdigen<br />
Steyr-Daimler-Puch AG zurückreichen.<br />
Mit seinen bis zu 17.000 Beschäftigten<br />
fertigte der traditionsreiche Industrieriese<br />
im alten Jahrhundert hochwertige<br />
Waffen, Fahrräder, Traktoren, Motoren,<br />
Wälzlager und Fahrzeuge für den<br />
Weltmarkt, intern ließ der Staatskonzern<br />
aber zunehmend Effizienz vermissen.<br />
Mitte der 1980er-Jahre kam es<br />
dann, wie es wohl kommen musste; die<br />
schmerzliche Wahrheit der Misswirtschaft<br />
krachte durch die Decke; der Betrieb<br />
wurde filetiert: Die Waffenproduktion<br />
wurde in die Steyr Mannlicher<br />
GmbH ausgegliedert, der Lkw-Bereich<br />
ging an MAN, die Wälzlager-Fertigung<br />
an SKF, die Motorensparte an Magna<br />
STEYR MOTORS IM MILITÄRISCHEN ALLTAG<br />
Triebwerke von Steyr Motors finden heute in einer ganzen<br />
Reihe <strong>militär</strong>ischer Plattformen Verwendung. So wurde in<br />
den im Vorjahr vom Bundesheer angekauften und von der<br />
ÖSWAG Werft in Linz gefertigten Arbeits- und Transportbooten<br />
der 6-Zylinder-Motor SE266E40 (190 kW/258 PS) verbaut.<br />
Auch die Sturm- und Flachwasserboote Watercat M9 des finnischen<br />
Herstellers Marine Alutech (Auslieferung noch in<br />
diesem Jahr an das Bundesheer) werden von Motoren aus<br />
oberösterreichischer Produktion angetrieben.<br />
Zum Einsatz kommen Steyr-Motors -Triebwerke sowie APUs<br />
(Hilfsmotoren) auch im neuen Thales Flaggschiff Hawkei, im<br />
Kampfpanzer Leopard 2A7+, im Patrouillenfahrzeug AMPV<br />
und im Spähwagen Fennek 2 von Krauss-Maffei Wegmann sowie<br />
im Spähpanzer Scorpion CVR(T) von ALVIS und in den gepanzerten<br />
Transportfahrzeugen Alligator 8x8 und BvS10 der<br />
schwedischen BAE-Tochter Hägglunds. Zu Kunden von Steyr<br />
Motors zählen weiters AM General (mit dem leichten Transporter<br />
HMMWV/RECAP), UROVESA aus Spanien (mit dem<br />
leicht gepanzerten Militärfahrzeug VAMTAC S3 und dem T5)<br />
und der französische Hersteller Panhard mit den Produkten<br />
PVP XL, TC54 und VBL.<br />
BREITES PORTFOLIO<br />
Aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit<br />
und<br />
Robustheit kommen<br />
Motoren von Steyr<br />
Motors auch häufig<br />
in <strong>militär</strong>ischen Fahrzeugen<br />
zum Einsatz.<br />
FOTO S : 2 0 1 3 B A E SYST E M S , B U N D E S H E E R / M I C H A E L ST E I N B E R G E R , ST E Y R - M OTO R S .CO M , B E I G E ST E L LT<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
S T E Y R M O T O R S<br />
und 2001 die Monoblock-Familie an<br />
Steyr Motors. Rasch verstand es die<br />
oberösterreichische Neugründung, mit<br />
Hochleistungsdieselmotoren für anspruchsvolle<br />
Anwendungen eine internationale<br />
Vorreiterrolle (der Exportanteil<br />
liegt bei 99 Prozent) als Engineering-Spezialist<br />
einzunehmen. Heute gehören<br />
zum Produktportfolio kompakte<br />
und langlebige Dieselmotoren und Aggregate<br />
sowie dieselelektrische Hybrid-<br />
Antriebe, die im industriellen Sektor,<br />
vor allem aber in den Bereichen Marine<br />
und Spezialfahrzeuge zum Einsatz<br />
kommen. „Unsere Produkte zeichnen<br />
sich durch Robustheit, Leistungsdichte<br />
MILLIONEN-INVES-<br />
TITION Steyr Motors<br />
erweiterte seine Kapazitäten<br />
in Steyr um<br />
eine 3.600 Quadratmeter<br />
große Lagerund<br />
Prototypenhalle,<br />
Büroflächen und neue<br />
Motoren-Prüfstände.<br />
und Kosteneffizienz aus“, sagt Geschäftsführer<br />
Michael Aschaber, „und<br />
deshalb werden wir überall dort stark<br />
nachgefragt, wo es darum geht, verlässliche<br />
und gewichtsoptimierte Triebwerke<br />
mit viel Leistung auf wenig Platz zu<br />
realisieren, die darüber hinaus mit verschiedenen<br />
Kraftstoffen betrieben werden<br />
können.“<br />
Dazu zählen auch <strong>militär</strong>ische Anwendungsbereiche.<br />
Die 2-, 4- und 6-Zylinder-Motoren<br />
von Steyr Motors finden<br />
etwa im Leopard 2A7+ als APU und in<br />
den neuen Arbeits- und Transportbooten<br />
des Bundesheeres Verwendung (siehe<br />
Produktübersicht). „Auch wenn wir<br />
von Kunden aus diesem Bereich für<br />
unsere hochwertigen Produkte geschätzt<br />
werden, verstehen wir uns nicht<br />
als Militärmotorenhersteller, sondern<br />
als Produzent leistungsfähiger Dieselund<br />
Hybridmotoren“, so Michael<br />
Aschaber. Nachsatz: „Und damit sind<br />
wir höchst erfolgreich.“ Der Umsatz<br />
konnte 2014 von 33,7 auf 39,9 Millionen<br />
Euro gesteigert werden, die Mitarbeiterzahl<br />
stieg auf 200 und wird sich<br />
in den kommenden Jahren wohl weiter<br />
erhöhen. Grund dafür ist laut Vertriebsleiter<br />
Michael Brandl „die sehr<br />
gute Auftragslage“, aber auch der Ende<br />
Mai mit einem Grand Opening abgeschlossene<br />
17,6 Millionen Euro teure<br />
Ausbau am Firmensitz in Steyr. „Der<br />
Zubau lässt uns viel Spielraum für die<br />
Zukunft“, sagt Michael Aschaber, „in<br />
Kombination mit der permanenten<br />
Weiterentwicklung und Leistungssteigerung<br />
unserer Produkte blicken wir in<br />
eine erfolgreiche Zukunft.“ Das gilt für<br />
den zivilen Bereich, aber auch für <strong>militär</strong>ische<br />
Einsatzgebiete.
0 4 6 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />
DER<br />
CAMCOPTER<br />
ALS ÜBERFLIEGER<br />
Interview: GEORG MADER<br />
Der Camcopter S-100 hat dem österreichischen Drohnenhersteller<br />
Schiebel weltweites Renommee gebracht. Das Nachfolgemodell steht bereits<br />
in den Startlöchern, Unternehmer Hans. G. Schiebel sieht aber auch für<br />
sein erfolgreiches Flaggschiff noch Luft nach oben.<br />
H<br />
err Schiebel, Ihre<br />
Camcopter S-100<br />
fliegen im Rahmen<br />
der OSZE-Beobachtermission<br />
SMM in<br />
der Ukraine. Hält der<br />
Waffenstillstand aus ihrer Sicht?<br />
Wir sind in der Ukraine im Einsatz,<br />
von unseren Operators erfahren wir<br />
aber nichts über die Aufklärungs -<br />
ergebnisse; die gehen direkt an die<br />
OSZE. Aber natürlich haben wir<br />
mittlerweile gute Kontakte zu beiden<br />
Seiten aufgebaut, und da muss man<br />
zu dem Schluss kommen, dass ein<br />
Waffenstillstand im Sinne des Wortes<br />
wohl anders aussieht.<br />
Für euch läuft der Einsatz aber trotz<br />
des anhaltenden Konflikts weiter?<br />
Ich habe da jetzt akut keine Sorgen,<br />
dass der Einsatz plötzlich abgebrochen<br />
werden könnte. Wir haben gute Mannschaften<br />
dort, die trotz der Situation<br />
durchaus motiviert sind und auch sehr<br />
qualifiziert, was die Sensorauswertung<br />
betrifft. Da konnten wir und können wir<br />
enorme Erfahrungswerte sammeln.<br />
Sie profitieren also vom operativen<br />
Dauerbetrieb?<br />
Natürlich, das ist unser bislang größter<br />
Einsatz. Wir fliegen an sieben Tagen die<br />
Woche 24 Stunden rund um die Uhr<br />
mit zumindest einem Gerät. Insgesamt<br />
haben wir vier Camcopter im Einsatz.<br />
Da wir die großen Wartungen aber in<br />
Wr. Neustadt durchführen, rotieren wir<br />
die Plattformen ständig hin und her,<br />
was bislang problemlos funktionierte.<br />
Dadurch lernen wir gerade im logistischen<br />
Bereich und bei der Wartung<br />
der Geräte viel dazu.<br />
HOHE NACHFRAGE Aktuell sind weltweit rund 250 Schiebel Camcopter S-100 im Einsatz.<br />
Lassen sich auch operativ Rückschlüsse<br />
ziehen? Bis Jänner gab es immer<br />
wieder Versuche massiver elektronischer<br />
Störung (Anm.: Jamming)<br />
und im Februar haben Sie bestätigt,<br />
dass ein Gerät verloren ging.<br />
Ja, leider wurde ein S-100 abgeschossen,<br />
aber dieses Risiko besteht immer.<br />
Am meisten haben wir sicherlich beim<br />
von Ihnen angesprochen Jamming-<br />
Thema gelernt. Wir können mittlerweile<br />
gut mit Anti-Jamming-Ausrüstung<br />
umgehen und dadurch die Be -<br />
einflussung unserer Links weitgehend<br />
unterbinden.<br />
Auch in Somalia wurde 2013 ein<br />
amerikanischer S-100 abgeschossen.<br />
Stimmt, die USA haben das damals<br />
bestätigt. Aber mehr wissen wir auch<br />
nicht, wir haben dazu keine Details.<br />
FOTO : G E O R G M A D E R<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
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Ohne Übung klappt nichts –<br />
auch keine Abwehr mit<br />
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Set von Fox Labs neben<br />
dem scharfen Spray „Mean<br />
Green“ auch ein praktisches<br />
Trainingsspray ohne<br />
Wirkstoff.<br />
So kann man den Einsatz<br />
ohne Gefahr für die<br />
Übungspartner trainieren.<br />
„Mean Green“ enthält sechs<br />
Prozent OC und Farbe zur<br />
Markierung von Angreifern.<br />
Nur solange der Vorrat reicht!<br />
ABO-<br />
Prämie<br />
2<br />
Die M60 MOLLE Pouch<br />
von Defcon 5 eignet sich für<br />
viele Zwecke: Hier kann man<br />
jede Menge EDC-Equipment,<br />
Trinkflaschen und vieles mehr<br />
unterbringen.<br />
Die hochwertige Tasche<br />
hat die Maße 20 x 18 x 8<br />
Zentimeter und besteht aus<br />
extrem widerstandsfähigem<br />
1000D-Nylon im Farbton<br />
OD Grün. Dank der MOLLE-<br />
Schlaufen auf der Rückseite<br />
lässt sie sich variabel<br />
befestigen.<br />
Nur solange der Vorrat reicht!<br />
SO EINFACH GEHT’S:<br />
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0 4 8 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />
tun. Das vergangene halbe Jahr war mit<br />
so vielen Themen ausgefüllt, dass keine<br />
Zeit für zukunftsweisende Gedanken<br />
blieb. Außerdem würde die Bezeichnung<br />
„Nachfolgemodell“ bedeuten, dass<br />
der S-100 ausläuft. Der ist aber noch<br />
lange kein Auslaufmodell, wird laufend<br />
verbessert und permanent an die neuesten<br />
technischen Standards angepasst.<br />
„WIR BLICKEN GUT GERÜSTET IN DIE ZUKUNFT“ Schiebel-Chef und Eigentümer<br />
Hans G. Schiebel sieht für seine innovative Drohnen weltweit gute Absatzchancen.<br />
Können Sie uns zumindest verraten,<br />
wo überall S-100 im Einsatz sind?<br />
Soll ich Ihnen sagen, wo sie überall<br />
nicht zum Einsatz kommen? (lacht) Im<br />
Ernst, es sind weltweit fast 250 Geräte<br />
unterwegs, aber über die ohnehin<br />
bekannten Nutzer hinaus können<br />
und dürfen wir nichts sagen.<br />
Ein breites Einsatzgebiet scheinen<br />
Schiffe zu sein, oder? Zumindest<br />
sind S-100 immer wieder auch auf<br />
Schiffsdemonstrationen zu sehen.<br />
Bislang waren es 17 verschiedene Fahrzeuge,<br />
von deren Hinterdecks geflogen<br />
und demonstriert wurde, was wir können.<br />
Da ist also schon eine ziemliche<br />
Routine vorhanden, und natürlich gibt<br />
es auch Marinen, die das System integriert<br />
haben, wie beispielsweise die<br />
Italiener. Das System findet sich auch<br />
auf der französischen Lafayette-Klasse.<br />
Auf den deutschen Fregatten aber<br />
nicht – und das, obwohl 2012 bereits<br />
die Ausrüstung vereinbart war?<br />
Da hatten wir die Ausschreibung<br />
gewonnen, bald danach ereignete sich<br />
aber der Eurohawk-Skandal, und die<br />
ganze Zulassungsproblematik poppte<br />
auf. Im Nachhall haben die deutschen<br />
Behörden gemeint, sie könnten unsere<br />
Geräte nicht zulassen, weil es keine<br />
Zulassungsbestimmungen gäbe und<br />
deswegen dürften die Geräte auch nicht<br />
beschafft werden.<br />
Beschafft wurde und wird der S-100<br />
immer wieder auch von zivilen Behörden<br />
und Organisationen. So sind<br />
zwei Camcopter etwa auch auf dem<br />
unter maltesischer Flagge fahrenden<br />
Flüchtlings-Rettungsschiff Phoenix<br />
stationiert. Wie läuft der Einsatz?<br />
Sehr gut, wir sind mittlerweile das zweite<br />
Jahr mit zwei Geräten an Bord und<br />
konnten bislang bei der Rettung von<br />
insgesamt 4.441 Menschen mitwirken …<br />
… weil die Geräte dabei helfen, den<br />
Horizont des Schiffes zu erweiteren?<br />
Genau. Mithilfe unserer Geräte, Tageslicht-<br />
und Infrarotvideos sind nicht nur<br />
Rettungen bei Tag, sondern auch bei<br />
Nacht und bei schwerer See möglich.<br />
Da gelingt es in der Folge immer wieder,<br />
Hunderte Flüchtlinge an Bord zu nehmen,<br />
und wir alle bei Schiebel sind sehr<br />
stolz auf diese Zusammenarbeit. Wir<br />
wollen mithelfen, das Sterben im<br />
Mittelmeer zu beenden.<br />
Es scheint, als wäre Schiebel damit<br />
weltweit gut aufgestellt. Oder gibt<br />
es einen Hoffnungsmarkt oder<br />
eine Hoffnungsregion, auf die Sie<br />
besonderes Augenmerk richten?<br />
Wie Sie selbst sagen, sind wir auf der<br />
ganzen Welt präsent, und das sehr erfolgreich.<br />
Wir können uns jedenfalls<br />
nicht über zu wenig Arbeit oder zu<br />
geringe Nachfrage beklagen.<br />
Erwarten Sie sich dahingehend vom<br />
2012 angekündigten Nachfolge -<br />
modell S-200 nochmals einen Schub?<br />
Natürlich, wobei der S-200 bislang nur<br />
als Projekt steht und wir noch nicht angefangen<br />
haben, ihn zu bauen. Wir können<br />
auch nicht sagen, wann das so weit<br />
sein wird, denn momentan haben wir<br />
mit dem S-100 noch alle Hände voll zu<br />
Aber wir können davon ausgehen,<br />
dass der S-200 größer wird?<br />
Die Grundform wird ähnlich sein und<br />
auch die Rotorkopfauslegung und andere<br />
Grundprinzipien werden wir beibehalten,<br />
aber natürlich wird der S-200<br />
größer ausfallen. Wir rechnen mit 660<br />
Kilogramm Startgewicht, was eine<br />
Zu ladung inklusive Treibstoff von 300<br />
Kilogramm und rund 20 Stunden Flugdauer<br />
bedeuten würde. Ausstattungsmäßig<br />
rechnen wir aktuell mit einem<br />
guten Gimbal Sensorelement und mit<br />
einem Synthetic Aperture Radar.<br />
Denken Sie neben dem neuen Modell<br />
auch über neue Standorte und Partner<br />
nach? Boeing wurde da früher<br />
beispielsweise mehrfach genannt.<br />
Natürlich hoffen wir, dass wir wachsen.<br />
Wir haben ein gutes Produkt, sind weltweit<br />
anerkannt und Sie werden niemanden<br />
auf dem Markt finden, der sagt,<br />
dass unser Produkt schlecht wäre. Dazu<br />
kommt ein weltweit wachsender Markt<br />
in diesem Bereich – wir sehen uns also<br />
ganz gut für die Zukunft gerüstet.<br />
Gilt das auch für den Standort<br />
Österreich? Hierzulande sehen Sie<br />
sich doch immer wieder einer sehr<br />
kritischen Öffentlichkeit gegenüber.<br />
Durch unseren Einsatz bei der OSZE-<br />
Mission in der Ukraine und auf der<br />
Phoenix ist die öffentliche Meinung<br />
über uns zuletzt deutlich besser geworden.<br />
Leider ist die Exportbewilligungs-Situation<br />
in Österreich weiter<br />
unbefriedigend. Durch das Außenwirtschaftsgesetz<br />
werden den Beamten<br />
massive Hürden in den Weg gelegt.<br />
Einer Kammer-Studie zufolge ist die<br />
Situation in Österreich weit restrik -<br />
tiver als in Schweden oder in der<br />
Schweiz. Abgesehen davon ist<br />
Österreich aber ein hervorragender<br />
Standort mit höchst qualifizierten<br />
Mitarbeitern und hoher Flexibilität.<br />
FOTO : B E I G E ST E L LT<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
MÜNZE „BUNDESHEER – SCHUTZ UND HILFE“<br />
IN ROT-WEISS-ROTER<br />
MISSION<br />
Der Black-Hawk-Hubschrauber ziert unsere 5-Euro-Münze, und das Bundesheer schützt mit seiner Hilfe Österreich.<br />
Vor 60 Jahren, im Mai 1955, wurde es infolge der Unterzeichnung des Staatsvertrags neugegründet. „Österreich ist frei!“,<br />
das bedeutete gleichzeitig: Österreich ist wieder wehrhaft. Das Österreichische Bundesheer: eine Institution im Dienste der<br />
Menschen innerhalb und außerhalb unseres Landes. Schutz zu bieten und Hilfe zu leisten, dazu sind die österreichischen<br />
Soldatinnen und Soldaten stets bereit!<br />
Erhältlich aus Silber edel verpackt oder aus Kupfer zum Nennwert in den Geldinstituten, im Sammelservice der Österreichischen<br />
Post AG, in den Filialen des Dorotheums, im Münzhandel, in den Münze Österreich-Shops Wien und Innsbruck sowie<br />
unter www.muenzeoesterreich.at.<br />
MÜNZE ÖSTERREICH. WERTE, DIE DAS LEBEN PRÄGT.
0 5 0 s c h l u s s p u n k t<br />
RÜSTET EUROPA<br />
JETZT WIEDER AUF?<br />
Mit der Ukraine-Krise ist der <strong>militär</strong>ische Faktor der Sicherheitspolitik auch innerhalb<br />
Europas wieder deutlich sichtbar geworden. Wird dadurch der Trend der vergangenen Jahre,<br />
<strong>militär</strong>ische Ausgaben in Europa zu senken, umgekehrt? Oberstleutnant Herwig Jedlaucnik,<br />
Mitarbeiter am Institut für Strategie und Sicherheitspolitik an der Landesverteidigungsakademie<br />
in Wien, hat für Militär Aktuell die europäischen Verteidigungsbudgets analysiert.<br />
Bereits seit den 1980er-Jahren findet<br />
in europa eine sukzessive reduktion<br />
<strong>militär</strong>ischer ausgaben statt.<br />
nach der eskalation der lage in der ukraine,<br />
verbunden mit der Verschlechterung<br />
der Beziehungen zwischen den westlichen<br />
staaten und russland, haben einige<br />
nordische länder, vor allem aber die staaten<br />
osteuropas, ihre <strong>militär</strong>ausgaben nun<br />
aber wieder erhöht. Im Großteil europas<br />
hat die ukraine-krise jedoch kein strategisches<br />
umdenken mit entsprechenden<br />
budgetären konsequenzen ausgelöst;<br />
der langfristige trend der reduktion europäischer<br />
<strong>militär</strong>ausgaben wurde (vorerst)<br />
kaum gebremst. Gesamteuropa hat seine<br />
<strong>militär</strong>ausgaben, gemessen am BIp-anteil,<br />
2014 um rund 5 prozent und <strong>2015</strong><br />
um weitere 1,6 prozent reduziert. die reduktion<br />
<strong>2015</strong> entspricht dabei in etwa<br />
dem 10-jährigen schnitt. <strong>2015</strong> wird<br />
europa somit knapp 1,5 prozent seines<br />
BIp für Verteidigungszwecke aufwenden.<br />
„Auch die Eskalation<br />
der Lage in der Ukraine<br />
hat nur in wenigen<br />
Staaten Europas<br />
ein strategisches<br />
Umdenken ausgelöst.“<br />
MIT GUTEM BEISPIEL VORAN? Auch Großbritannien schraubt seine Rüstungsausgaben zurück.<br />
es ist zwar davon auszugehen, dass es<br />
nach erholung der europäischen Wirtschaft<br />
in vielen west- und zentraleuropäischen<br />
staaten wieder zu einem leichten<br />
nominellen anstieg der <strong>militär</strong>ausgaben<br />
kommen wird, dennoch ist in den nächsten<br />
Jahren ein absinken der europäischen<br />
Verteidigungsbudgets sogar unter 1,5<br />
prozent des BIp wahrscheinlich. alle staaten<br />
europas zusammengenommen werden<br />
<strong>2015</strong> zwar fast 300 milliarden usdollar<br />
(272 milliarden euro) für ihre Verteidigung<br />
ausgeben, stehen damit aber<br />
nur noch für 16 prozent der globalen <strong>militär</strong>aktivitäten.<br />
europas anteil hat sich damit<br />
in den letzten 20 Jahren fast halbiert!<br />
etwas anders stellt sich die situation bei<br />
den direkt an europa angrenzenden<br />
mächten dar: russland verstärkte 2014<br />
und <strong>2015</strong> seine <strong>militär</strong>ischen anstrengungen<br />
und wird <strong>2015</strong> vermutlich 4,5 prozent<br />
des BIp dafür aufbringen. die türkei<br />
wiederum stellt 2,3 bis 2,4 prozent des<br />
BIp für sein Verteidigungsbudget bereit.<br />
mittelfristig kristallisiert sich als trend die<br />
trennung zwischen europäischen Frontund<br />
etappenstaaten heraus. die an russland,<br />
dessen Vasallenstaat Weißrussland<br />
oder die türkei angrenzenden staaten<br />
werden voraussichtlich ebenso wie Frankreich<br />
und mit gewissen Fragezeichen<br />
eventuell auch Großbritannien um die<br />
2 prozent des BIp für <strong>militär</strong>ausgaben<br />
bereitstellen. die beiden letztgenannten<br />
benötigen die entsprechenden <strong>militär</strong>ischen<br />
mittel zur absicherung ihrer außereuropäischen<br />
Gebiete und Interessen<br />
sowie zur erhaltung ihrer atomaren Fähigkeiten.<br />
die nato-etappenstaaten werden<br />
hingegen vermutlich nur 1 bis 1,5<br />
prozent, die westeuropäischen allianzfreien<br />
0,5 bis 1 prozent ihres BIp für Verteidigungsaufgaben<br />
aufwenden. da in<br />
Österreich weder der konflikt mit russland<br />
noch andere geostrategische entwicklungen<br />
als verteidigungspolitisch<br />
relevante Bedrohung wahrgenommen<br />
werden, wird auch hier der langfristige<br />
trend beibehalten werden. Österreich<br />
hat seine <strong>militär</strong>ausgaben, gemessen<br />
am BIp, seit 2000 noch deutlicher als Gesamteuropa<br />
(minus 20 prozent) sukzessive<br />
um rund 30 prozent reduziert. auch<br />
2014 und <strong>2015</strong> senkte es sein Verteidigungsbudget,<br />
gemessen am BIp, um jeweils<br />
6 bis 6,5 prozent. es wird damit<br />
<strong>2015</strong> weniger als 50 prozent dessen, was<br />
europa für seine Verteidigung aufwendet,<br />
ausgeben. nach nato-standards gemessen,<br />
betragen die österreichischen<br />
<strong>militär</strong>ausgaben 2,3 milliarden euro (0,69<br />
prozent des BIp). aufgrund der inflationsbedingt<br />
real steigenden personal- und Betriebskosten<br />
wird es daher zu einer extremen<br />
reduktion an Investitionen kommen.<br />
Foto s : G e t t y I m aG e s , B u n d e s h e e r / t r I p p o lt<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 5 1 P a n o r a M a<br />
Seit fast 20 Jahren versieht<br />
der Pandur im Bundesheer<br />
zuverlässig Dienst. Jetzt<br />
werden die Radpanzer mit<br />
dem Einbau einer neuen<br />
Waffenstation modifiziert.<br />
Text: HANS SCHNEEWEISS<br />
PANDUR: HI<br />
Ein Pandur war einst ein Leibgardist schen Bedrohungen schützen und sicher<br />
der Edelleute in Slawonien. Der<br />
zum und durch das Gefechtsfeld<br />
namensgleiche sechsrädrige Mannschaftstransporter<br />
transportieren. 1996 kaufte das Bun-<br />
wurde von Steyr desheer 68 Stück der gepanzerten<br />
Spezialfahrzeuge in Eigeninitiative Mannschaftstransporter in der Version<br />
entwickelt und hat eine ähnliche Aufgabe:<br />
A1 und bringt sie seitdem auch bei<br />
Er soll Soldaten vor <strong>militär</strong>i-<br />
friedenssichernden und -erhaltenden<br />
I l lu st r at I o n e n : C l au d I a M o l I to r I s<br />
WAFFENSTATION<br />
Bislang musste der turm vom Bordschützen<br />
händisch bewegt werden.<br />
der richtvorgang war aufwendig, ungenau<br />
und zeitintensiv. optische Visier -<br />
einrichtungen standen ebenfalls nicht<br />
zur Ver fügung. Vor allem aber ragte der<br />
Kopf des Bordschützen ungeschützt<br />
aus dem Fahrzeug heraus, was eine<br />
erheb liche gefährdung des soldaten<br />
bedeutete.<br />
die neue elektrisch fernbedienbare<br />
Waffenstation (eFWs) ist um 360 grad<br />
schwenkbar und wird mittels display<br />
und Joystick aus dem Inneren des Fahrzeugs<br />
bedient. gezielt wird entweder<br />
mit einem Periskop oder optoelektronischen<br />
sensoren. die Waffenstation<br />
wird mithilfe elektrischer Motoren<br />
geschwenkt und ausgerichtet.<br />
NEBELWURFANLAGE<br />
die nebelwurfanlage<br />
ist – wie schon beim A1 –<br />
nicht mehr starr an der<br />
Wanne angebracht,<br />
sondern am 360 grad<br />
drehbaren turm be -<br />
festigt. die verhüllende<br />
nebelwand kann<br />
dadurch leichter in<br />
richtung des gegners<br />
abgefeuert werden und<br />
ermöglicht im einsatzfall<br />
ein sicheres absetzen<br />
des Fahrzeuges aus<br />
gefahrenzonen.<br />
FACTBOX<br />
Mannschaftstransporter A2 Pandur<br />
Hersteller Steyr Spezialfahrzeug GmbH (SSF)<br />
Gewicht 13,5 Tonnen<br />
Motor Steyr 6-Zylinder-4-Takt-Dieselmotor<br />
Motorleistung 260 PS<br />
Höchstgeschwindigkeit 105 km/h<br />
Steigfähigkeit bis zu 70 Prozent<br />
Besatzung bis zu neun Mann<br />
Bewaffnung 12,7 mm üsMG M2<br />
Stationierung Jägerbataillon 17 in Straß<br />
lä<br />
5,7<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
I N F O G R A F I K<br />
GHTECH-TURM<br />
Auslandseinsätzen zum Einsatz. Etwa<br />
im Kosovo, auf den Golanhöhen oder<br />
in Afghanistan. Um stets up to date<br />
zu sein, haben die Fahrzeuge seit ihrer<br />
Indienststellung bereits mehrere<br />
Modifikationen durchlaufen. Aktuell<br />
trägt das Bundesheer den geänderten<br />
RÄDER<br />
Jedes rad des Pandur hat eine einzelrad -<br />
aufhängung. die anordnung der längs- und<br />
Querlenker gewährleistet eine außerordentliche<br />
steifigkeit im Gelände. die räder sind<br />
außerdem mit notlaufelementen ausgerüstet,<br />
dank der das Fahrzeug auch mit beschädigten<br />
reifen weiterfahren kann.<br />
Umständen in internationalen Einsätzen<br />
mit dem Einbau einer elektrisch<br />
fernbedienbaren Waffenstation<br />
Rechnung. Pro Monat werden zwei<br />
Pandur im Heereslogistikzentrum in<br />
Graz zur Version A2 umgebaut, die<br />
ersten Fahrzeuge wurden bereits an<br />
BEOBACHTUNG<br />
Für eine bessere Beobachtung<br />
des Gefechtsfeldes bei tag und<br />
nacht sind eine tageslicht -<br />
kamera, eine Wärmebildkamera<br />
und ein suchscheinwerfer ein -<br />
gebaut. Über zwei Bildschirme<br />
ermöglichen sie den einsatz<br />
unter splitterschutz, bei nacht<br />
und schlechtem Wetter.<br />
das Jägerbataillon 17 in Straß über -<br />
geben. Ab August <strong>2015</strong> sollen die<br />
kampfwertgesteigerten Fahrzeuge<br />
dann auch im Kosovo zum Einsatz<br />
kommen.<br />
INTERVIEW<br />
„Dadurch geben sich<br />
neue Möglichkeiten!“<br />
Major Georg Pilz<br />
ist stellvertretender<br />
Kommandant des<br />
Jägerbataillons 17.<br />
Foto : B M lVs / Ka H r<br />
änGe<br />
Meter<br />
HöHe<br />
2,7 Meter<br />
TREFFERGENAUIGKEIT<br />
der A2 verfügt über eine vollstabilisierte<br />
Waffenanlage. Ziele können damit auch<br />
während der Fahrt beobachtet oder<br />
bekämpft werden. ein laserentfernungsmesser<br />
liefert auch bei wechselnden und<br />
schwierigen Wetterbedingungen genaue<br />
entfernungsangaben.<br />
PANZERUNG<br />
die geschweißte und selbst -<br />
tragende Wanne des radpanzerfahrzeuges<br />
besteht aus hochfestem<br />
Panzerstahl. sie ist<br />
Gas- und wasserdicht und<br />
bietet schutz gegen Patronen-<br />
Beschuss bis maximal 7,62 mm.<br />
der Wannenboden ist mit einem<br />
Mine Protection Carpet ausgekleidet.<br />
Im Frontbereich ist der<br />
Panzerschutz des Fahrzeugs<br />
verstärkt und hält auch 14,5-mmtreffern<br />
stand.<br />
BreIte<br />
2,5 Meter<br />
Was zeichnet den Pandur aus?<br />
Feuerkraft, Beweglichkeit, Funkverbindung,<br />
Schutz und die Verlegungsfähigkeit<br />
auch mit dem Transportflugzeug<br />
C-130 Hercules sind die wichtigsten<br />
Merkmale, die den Pandur seit<br />
über fünfzehn Jahren zum wichtigsten<br />
Gefechtsfahrzeug für Auslandsein -<br />
sätze des Bundesheeres machen.<br />
Trotzdem wurde jetzt eine<br />
Kampfwertsteigerung notwendig?<br />
Durch die Modifikation auf die Version<br />
A2 ist es erstmals möglich, dass die<br />
Bordwaffe – das 12,7 mm überschwere<br />
Maschinengewehr – vollständig unter<br />
Panzerschutz und somit ohne Gefährdung<br />
des Bordschützen bedient werden<br />
kann. Die Tagsichtkamera und<br />
das Wärmebildgerät der neuesten<br />
Generation führen darüber hinaus<br />
zu einem Quantensprung im Bereich<br />
der Beobachtungsmöglichkeiten.<br />
Wie wird die Waffenstation bedient?<br />
Die elektrisch fernbedienbare Waffenstation<br />
kann sowohl vom Bordschützen<br />
als auch vom Panzerkommandanten<br />
aus dem Inneren des Fahrzeuges bedient<br />
werden. Diese beiden Soldaten<br />
verfügen bei ihren Plätzen über ein<br />
Display und einen Joystick, mit denen<br />
die Waffenstation bedient wird.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
Kriege<br />
Museum<br />
gehören ins<br />
Das Heeresgeschichtliche Museum erweiterte um eine zusätzliche Außenstelle!<br />
Bunkeranlage Ungerberg<br />
Die Schauanlage Ungerberg (U3) wurde 1959/1960<br />
als eine der ersten Anlagen eines breiten Sperrriegels<br />
errichtet. Diese hatte im Zusammenwirken mit<br />
anderen im Abschnitt befindlichen Anlagen und<br />
Waffensystemen den Zweck, feindliche, mechanisierte<br />
Kräfte entlang der Bundesstraße 10 (B10) in<br />
Richtung Wien aufzuhalten. Hierfür wurden starke<br />
Sperrriegel zwischen Leitha und Neusiedlersee errichtet.<br />
Die Bunkerlinie, nach dem damaligen Verteidigungsminister<br />
Karl Schleinzer (Verteidigungsminister<br />
von 1961 bis 1964) auch Schleinzerwall<br />
genannt, war mit ihren festen Anlagen und sonstigen<br />
Befestigungen bis 1964 in ihren Grundzügen<br />
fertiggestellt. Während des »Kalten Krieges« galt<br />
der Wall als Bollwerk und erste Verteidigungslinie<br />
bei Angriffen aus dem Osten. Die Schauanlage<br />
Ungerberg zeigt heute noch die umfassenden Anstrengungen,<br />
die unternommen wurden, um Angriffen<br />
möglichst lange standzuhalten.<br />
Konzipierte Waffensysteme<br />
» Vier CENTURION – Panzertürme mit 10,5 cm<br />
Kanonen<br />
» Zwei 10,5 cm Feldhaubitzen als Artillerie bzw.<br />
» Grabengeschütz<br />
» Fünf MG-Kuppeln<br />
» Panzerabwehrrohr-Kuppeln und<br />
» 10 befestigte Zwei-Mann-Kampfdeckungen<br />
Zufahrt über B10 durch<br />
Bruck/Leitha und Bruckneudorf<br />
B10<br />
Bruck an der Leitha<br />
Bahnhof<br />
A4 - Ost Autobahn<br />
B10 - Budapester Straße<br />
Leitha Leitha<br />
Parkplatz vor<br />
Bahnschranken<br />
Anfahrtsplan<br />
Bunkeranlage<br />
Ungerberg<br />
Knoten<br />
Bruckneudorf<br />
A4 - Ost Autobahn<br />
Abfahrt<br />
Parndorf<br />
B10<br />
A6 - Nordost Autobahn<br />
Zufahrt über A4<br />
Abfahrt Parndorf<br />
Parndorf<br />
B10 - Budapester Straße<br />
Zufahrt über B10<br />
durch Parndorf<br />
Fixe Öffnungszeiten<br />
Die Anlage kann von September bis Juni jeden<br />
letzten Freitag und Samstag des Monats um 10:00,<br />
12:00 und 14:00 Uhr besichtigt werden. Gruppen<br />
bis maximal 15 Personen können an diesen Tagen<br />
auch außerhalb der Zeiten eine Führung buchen.<br />
Variable Öffnungszeiten<br />
Voranmeldung bei: OStv Josef Hatos<br />
Tel: 05020114 42051 / Mobil: 0699 196 61 807<br />
Email: tuepl.bruckneudorf@bmlvs.gv.at<br />
HGM-Außenstelle<br />
Bunkeranlage<br />
Ungerberg<br />
www.hgm.at
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GLOCK 17 Gen4 Pistols<br />
www.glock.com