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AKADEMIE W W EXECUTIVE SUMMIT
Steht der IT-Branche der
große Wandel bevor?
Nahe Kitzbühel fand heuer der Executive Summit der IT-BUSINESS Akademie statt. Hier trafen sich die führenden
Hersteller, Systemhäuser und Distributoren, um über die Trends in der IT zu diskutieren. IT-BUSINESS / Sarah Maier
Teilnehmer:
Günther Schiller (ACP IT), Andreas Lenzing (ADA
– Das Systemhaus), Karl Peter Büscher (DAS – Das
Systemhaus), Carl Georg Dürschmidt (Allgeier),
Erik Walter (Arrow ECS), Michael Guschlbauer
(Bechtle), Rudolf Hotter (Cancom IT-Systeme),
Klaus Weinmann (Cancom IT Systeme), Lorenz
von Schröder (Comline Computer + Softwarelösungen),
Ulrich Irnich (Computacenter), Oliver
Tuszik (Computacenter), Max Schaber (Datagroup),
Herbert Bockers (Dimension Data Germany),
Hellmuth Hansen (H&G Hansen & Gierths
EDV Vertriebs GmbH), Gunter Horn (Horn & Cosifan
Computersysteme), Gerhard Schulz (Ingram
Micro Distribution), Wilhelm Stute (Janz IT), Dirk
Waltje (Janz IT), Tonis Rüsche (NK Networks &
Services), Lutz Hohmann (Profi Engineering Sys-
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tems), Manfred Lackner (Profi Engineering Systems),
Uwe Brand (Raber & Märcker), Barbara
Weitzel (Rednet), Hans-Lothar Neu (Rednet),
Frank Roebers (Synaxon), Simone Frömmig (Tech
Data), Marc Müller (Tech Data), Isabelle Roux-
Buisson (Tech Data)
Veranstaltungspartner
Jens Lübben und Peter Goldbrunner (Citrix Systems),
Jörg Brünig und Rupert Lehner (Fujitsu
Technology Solutions), Michael Gießelbach (Hewlett-Packard),
Eric Weng (Hewlett-Packard), Doris
Albiez (IBM Deutschland), Knuth Molzen (LG Electronics),
Michelle Stonebank und Andreas Zeitler
(Symantec Deutschland), Ralf Gegg und Thomas
Kühlewein (VMware Global)
Keynote-Speaker
Prof. Dr. Hermann Hill (Deutsche Hochschule für
Verwatungswissenschaften Speyer; Moderator),
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. August-Wilhelm Scheer
(Institut für Wirtschaftinformatik im Deutschen
Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz),
Stephan Kaiser (Director, Pierre Audoin Consultants),
Dr. Wilhelm Bauer (Institutsleitung Fraunhofer
IAO Stuttgart), Gerhard Rienecker (Gründer
und Vorsitzender der Geschäftsleitung PASS
Consulting Group), Dr. Olaf Plötner (Managing
Director, European School of Management and
Techno logy CS GmbH)
Auf den Wunsch einiger Teilnehmer
vom vergangenen Jahr fand der
diesjährige und siebte IT-BUSINESS Executive
Summit wieder beim Stanglwirt in
Tirol statt. Das Bio-Hotel am Fuße des
majestätischen „Wilden Kaisers“ bot eine
entspann te Atmosphäre, um in Ruhe zwei
Tage lang über die Trends in der Informationstechnologie
und deren Einfluss auf die
IT-Dienstleister zu sprechen. Ein Ort, wo
sich Systemhäuser, Hersteller und Distributoren
auf neutralen Boden treffen konnten.
Das Motto des Gipfeltreffens lautete „The
Big Change or Business as usual?“
IST DIE BRANCHE BEREIT?
Als Erster äußerte sich Prof. Dr. Dr. August-
Wilhelm Scheer zu dem Motto. Als Wirtschaftinformatiker,
Gründer der IDS Scheer
AG sowie Präsident des Bitkom verfolgt er
das rege Treiben in der Informationstechnologie
bereits seit Jahren. Er fragte in seiner
These ein bisschen provokant, ob die
Branche überhaupt bereit sei für den gesellschaftlichen
und strukturellen Wandel. Er
zählte eine Reihe von Trends auf, die Schlagwörter
erzeugen. Darunter auch die Cloud,
die eigentlich bereits seit Jahren durch das
Thema IT-Ousourcing existiert.
Aus seiner Sicht ist einer der derzeitigen
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Treiber
die Vernetzung. Während in der Phase
der Industrialisierung die Spezialisierung
der Arbeitnehmer so weit voranschritt, dass
sie sich bei den Fließbandarbeitern nur noch
auf wenige Handgriffe beschränkte, wird
heute das Wissen im weltweiten Netz wieder
gesammelt. In Blogs, Foren und Com-
Der bekannte Stanglwirt in
Tirol bot ein entspanntes
Ambiente für das Gipfeltreff en.
RUPERT LEHNER und
UWE BRAND im Gespräch
munities vereint sich ein Know-how, das
von Menschen aus verschiedenen beruflichen
Umfeldern stammt. Als Beispiel nannte
Scheer hier die Entwicklung von Open-
Source-Software. Als nächstes ging er auf
die Bedeutung der Cloud ein. Während früher
an einem Großrechner zwar die Ressourcen
gut ausgelastet, dafür aber die Prozesse
schlecht waren, ist das in der Cloud
EXECUTIVE SUMMIT W W AKADEMIE 41
Die Gastgeber empfangen die Teilnehmer passend zum Ambiente im Dirndl.
genau umgekehrt: Alleine Google, Amazon
und Microsoft haben unternehmensweit jeweils
mehr als eine Millionen Server in
einem weltumspannenden Netz, die aber
nicht ausgelastet sind.
Was das für Deutschland heißt, darauf
ging der nächste Keynotespeaker, Stephan
Kaiser, Director bei Pierre Audoin Consultants
(PAC) ein. „Der IT-Kuchen in Deutsch-
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!
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AKADEMIE W W EXECUTIVE SUMMIT
Rupert Lehner
Head of Sales
Germany bei Fujitsu
Technology Solutions
„Der Zug der Veränderung in
der IT ist angefahren, nur ist
der Zielbahnhof nicht klar. Eine
künftige Entwicklung wird
sein, dass die User- Interfaces
mehr auf die Sinne des Menschen
eingehen. Wir werden
mehr Intelligenz in ein Rechensystem
bringen – zur Zeit haben
die Rechner noch die Intelligenz
einer Stubenfliege.“
Manfred Lackner
Vorstand der Profi AG
„Früher konnten Kundenprojekte
vorhergesagt werden,
denn irgendwann war es Zeit
Hardware neu anzuschaffen.
Heute sind Projekte nicht mehr
vorhersehbar, da Virtualisierung
und Cloud Computing
zeitunabhängiger sind.“
Michael Guschlbauer
Vorstand bei Bechtle
„Mich hat der Vortrag von Dr.
Olaf Plötner sehr angesprochen.
Mann muss die Treiber
für die Veränderungen besser
verstehen, um sich mit seinem
Geschäftsmodell gut am Markt
zu positionieren. Aus den Vorträgen
lässt sich ableiten, dass
die Chancen am Markt derzeit
hervorragend sind.“
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!
Gespannt hören die Teilnehmer zu.
land beträgt momentan 110 Milliarden
Euro, 32 Milliarden Euro
davon sind Aufträge, die an IT-
Dienstleister vergeben werden“,
nennt er einige Zahlen zum Einstieg.
Vor zehn Jahren sei das noch anders
gewesen. Da verblieb der Hauptteil
des IT- Kuchens in der unternehmenseigenen
IT-Abteilung. Doch künftig
wird sich das immer mehr verschieben.
„Das Projektgeschäft und Outsourcing
werden in den kommenden
drei Jahren vehement zunehmen“,
prognostiziert Kaiser. „Zudem werden
die IT-Services insgesamt doppelt
so stark wachsen, wie der gesamte
IT-Markt, denn der Kunde
wünscht sich flexible Geschäftsmodelle.
CIO NEU DEFINIERT
Die Rolle eines CIO wird sich somit
bald zu der eines Operating Prozess
Managers wandeln, der alle diese
Prozesse intern und extern kontrolliert.
Alleine schon der Mangel an
Fachkräften würde diese Auslagerung
nötig machen. Für Systemhäuser
also goldene Aussichten.
AUGMENTED IDENTITY
Ebenfalls ein sehr optimistisches und
IT-getriebenes Zukunftsbild malte
Dr. Wilhelm Bauer, Institutsleitung
Fraunhofer IAO Stuttgart. Sein Forschungsgebiet
ist der Arbeitsplatz
der Zukunft. Mit einem Film, den er
und seine Studenten gedreht haben,
stellte er die Möglichkeiten der
„Augmented Identity“(a. ID) vor.
Bei der a.ID verschmelzen die
Grenzen zwischen Realität und digitaler
Datenwelt. So können persönliche
Daten, beispielsweise aus
Sozialen Netzwerken, eine so genannte
erweiterte Identität schaffen.
In dem Film, den er zeigte, geschah
dies über eine Art Armband mit virtuellem
Touchscreen. Damit werden
einem Anwender im direkten Umfeld
andere Personen angezeigt, die
sowohl geschäftlich wie auch privat
interessant sein könnten. Am Ende der
Vorführung betonte Bauer, dass diese
Daten nutzerkontrolliert seien, auch
wenn die Technik quasi aufgrund einer
künstlichen Intelligenz lernt, wann der
Nutzer eine Weitergabe bestimmter
Daten wünscht.
Dem Konzept der augemented ID
liegen semantische Technologien, wie
Data Mining und Reasoning zugrunde.
Zudem arbeitet das Fraunhofer Institut
daran, eine entsprechende Infrastruktur
für Privacy und Sicherheit zu
schaffen.
SOZIALE KOMPETENZEN
„In einer Welt, wie eben gezeigt, sind
Menschen im Vorteil, die sich sozial
artikulieren und kommunizieren können“,
erklärt Bauer. „Entsprechend
wird sich die Rolle der Führungskräfte
verändern. Sie müssen Coaching und
emotionales Feedback beherrschen.“
Das Fraunhofer Institut hofft, mit dieser
neuen Technologie am Erfolg des
MP3-Formats, das in den 1990ern auf-
DANIELA SCHILLING begrüßt die Teilnehmer.
kam, anzuknüpfen. Beim Publikum
hinterließen diese Aussichten eine gewisse
Skepsis (mehr im Interview mit
Klaus Weinmann und Oliver Tuszik auf
Seite 43). Eine Frage, welche die Anwesenden
beschäftigte, war unter anderem
die Stromversorgung der a.ID. Einen
Punkt, den Bauer in seiner
Keynote zur Arbeitswelt 3.0 beantwortete,
indem er auf Smart Grid und ähnliche
Verfahren verweist. So sei es egal,
ob ein Knotenpunkt ausfällt. In diesem
Fall springen andere Quellen ein.
GRENZEN DER IT
Der erste Tag des IT-BUSINESS Executive
Summits klang bei einem Essen mit
musikalischer Zitter-Untermalung im
Hotel-Restaurant „Stangl-Alm“ aus.
Dabei riss die Diskussion über das Gehörte
weder hier noch später in der
stimmungsvollen Runde im Kaminzimmer
ab, wo Professor Scheer noch eine
Einlage mit seinem Saxophon gab und
das bekannte Jazz-Stück „Take The A
Train“ zum Besten gab. Jazz, so betonte
!
EXECUTIVE SUMMIT W W AKADEMIE 43
Referent PROF. AUGUST-WILHELM SCHEER
und Moderator HERMANN HILL
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!
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Eine lustige Runde am Abend – auch hier wurde weiter diskutiert, wenn auch weniger ernst.
der Professor, habe viel mit strukturiertem
Denken, wie es in der IT nötig ist, gemeinsam.
OMNIPRÄSENTE IT
Nach diesem gemütlichen Abend ging es am
darauffolgenden Morgen gleich wieder mit
heißen Themen los. Den Startschuss gab
Gerhard Rienecker, Gründer und Vorsitzender
der Geschäftsleitung der PASS Consulting
Group.
Er sprach über die Bedeutung der Informationstechnologie
als strategischen Wertschöpfungsfaktor.
Wie bereits Wilhelm Bauer
am Vortag, verwies er ebenfalls auf die
Omnipräsenz der IT. Allerdings fragte er, ob
es auch Grenzen des Potenzials gibt und die
IT, wie zuvor andere Technologien, früher
oder später ersetzt wird.
Bei einem seiner Punkte ging allerdings
ein Raunen durch die Menge: Als er erzählte,
wie er bei einem bestehenden Kunden
schlichtweg die Beratungspreise erhöht hat
und damit sogar durchkam. Ein nicht ganz
einfacher Prozess, wie er selbst zugibt, doch
machbar „wenn man seinen Mehrwert verdeutlicht.“
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WECHSEL DER SICHTWEISE
Der letzte Referent, Dr. Olaf Plötner, Managing
Director der European School of Ma-
nagement and Technology, betrachtete als
Nicht-ITler einmal ganz andere Wirtschaftsaspekte:
„Was in der IT die Cloud ist,
das ist in der Automobil-Branche die Globalisierung“,
so sein Tenor. Hier würden vor
allem die asiatischen, neuen Wettbewerber
sehr schnell die Qualität der hiesigen Produkte
kopieren und zu 60 Prozent günstigeren
Preisen anbieten. Das gewonnene Geld
würde schließlich in Forschung und Entwicklung
gesteckt, um eigene Produkte zu
entwickeln, die sofort patentiert würden.
„Um am Markt mitzuhalten, können die
deutschen Unternehmen zwar nicht gleichermaßen
in die Kosten eingreifen, dafür aber
ihr Leistungsspektrum erweitern“, so Plötner.
Sein Argument ist, dass komplexe
Dienstleistungen, wie beispielsweise das Beratungsunternehmens
McKinsey sie bietet,
nicht einfach übernommen werden können.
Solche Services wurden über Jahre hinweg
langsam aufgebaut und implementiert.
AUSKLANG AUF DER ALM
Den offiziellen Abschluss des Events bildete
eine Diskussionsrunde. Doch einige Teilnehmer
blieben ein wenig länger und trafen sich
auf Einladung der IT-BUSINESS Akademie
abends auf einer nahegelegenen Alm in
„Rosi´s Sonnbergstuben“. Dort griff die
Wirtin persönlich zur Gitarre und unterhielt
die Gäste mit Tiroler Volksmusik. □
LORENZ VON SCHRÖDER und TONIS RÜSCHE im Gespräch vertieft.
INTERVIEW
Entspricht der große
Wandel der Realität?
, Vorstandsvorsitzender von Cancom, und Oliver Tuszik, CEO
von Computacenter, im Gespräch über „The „ Big Change“
und andere
Zukunftsprognosen. Das Interview führte Sarah Maier
ITB: Das Motto des Executive Summits
war „The Big Change or Business as
Usual?“. Wie lautet Ihre Antwort?
Weinmann: Große und plötzliche Änderungen
sehe ich nicht, außer bezogen
auf Themen wie die Katastrophen in
Japan, wie wir sie gerade erleben.
Ansonsten gibt es in der Branche
ständig kleine Veränderungen. Auch
Cloud Computing ist eine konsequente
jahrelange Entwicklung. Somit
ist das auch kein Big Change für
diejenigen, die sich seit Jahren mit
den Themen beschäftigen. Allerdings
hat die Wahrnehmung der Öffentlichkeit
nun endlich die Bedeutung
des Cloud Computing erkannt.
Tuszik: Erst wenn sich die Cloud voll
durchsetzt, was aber noch Jahre
brauchen wird, kommt der Big
Change. Dann wird es neue Ansätze
geben, neue Geschäftsmodelle sowie
Methoden der Wertschöpfung.
ITB: Welche Schlüsse ziehen Sie aus den
hier geführten Diskussionen für Ihre
künftige Unternehmensstrategie?
Weinmann: Es ist nicht ein großer Punkt,
sondern ein Gesamteindruck der
zeigt, ob man in die richtige Richtung
geht oder etwas justieren sollte.
Tuszik: Ich sehe viel Bestätigung, aber
auch die klare Verantwortung für jeden
von uns, mehr für IT in Deutschland
zu tun. Dazu gehört beispielsweise
das Thema Ausbildung oder
wie wir mit Partnermodellen auf die
Veränderungen reagieren und unseren
Kunden gemeinsam größere
Mehrwerte bieten können.
KLAUS WEINMANN
Vorstandsvorsitzender von Cancom
ITB: Inwiefern werden sich die Zukunftsvisionen
des Fraunhofer Institutes
bezogen auf die Augmented Identity
bewahrheiten?
Weinmann: Die IT wird immer mehr bestimmend
für das Leben sein, aber
hoffentlich nicht so, dass sie das Leben
an sich bestimmt, sondern dieses
vereinfacht. Tendenziell wird die IT
massiv zunehmen. Wobei wir jetzt
schon feststellen, dass beispielsweise
die Befürchtungen, dass durch die
Cloud nur noch simple Clients genutzt
werden, sich nicht bewahrheiten.
Grundsätzlich sehe ich die Aug-
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OLIVER TUSZIK, CEO von Computacenter
mented ID jedoch noch nicht
kommen, denn wie soll die Komplexität
programmiertechnisch gelöst
werden, wenn für jeden einzelnen
Schritt im Leben stimmungsabhängig
nur ganz bestimmte Informationen
freigeben werden sollen.
ITB: Zur von Professor Scheer angerissenen
Theorie „The Wisdom of
Crowds“: Kann ein Unternehmen
durch Nutzung des Know-hows aus
dem Internet Fachkräfte einsparen?
Tuszik: Es ist ein Fehler zu denken, dass
Dinge, die im privaten Web 2.0 gehen,
auch im Unternehmen funktionieren.
Bestimmte Segmente werden
sicherlich Einzug ins Geschäftsleben
halten. Ein Unternehmen hat aber
Haftungsrisiken und SLAs zu beachten.
Zusätzlich gelten gesetzliche
Regelungen. □
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