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Konzept - Institut für Journalistik

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steigen sie tief in zukunftsweisende Fragestellungen der vergleichendenJournalismusforschung ein, die längst noch nicht Lehrbuchstoff sind, und sammeln unterAnleitung eigene empirische Erfahrungen mit komparativen Forschungsprojekten, die SoniaLivingstone zu Recht beispielsweise in der Phase der Niederungen der Abstimmung vonFragebögen in einem Dutzend Ländern als oft „mühsam“ und „frustrierend“ und doch auchals extrem „anregend“ und „stimulierend“ beschrieben hat (Livingstone 2003: 481).Drei Beispiele verdeutlichen unsere Verknüpfung von Lehre und Forschung:• 2009/2010 hat das Erich-Brost-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> internationalen Journalismus im Auftrag desInternationalen <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> Journalismus der beim Bundesministerium <strong>für</strong> WirtschaftlicheZusammenarbeit und Entwicklung angesiedelten InWEnt gGmbH ein Pilotprojekt zurEvaluation deutscher Medienentwicklungszusammenarbeit durchgeführt. Welchen Einflusshaben die Trainings, die deutsche Organisationen <strong>für</strong> Journalisten in Afrika, Asien und derarabischen Welt anbieten? Wo zeigen sich Probleme bei der Vermittlung westlicherjournalistischer Standards in Mediensysteme mit ganz anderen politischen undwirtschaftlichen Rahmenbedingungen? Diese Fragen standen im Mittelpunkt eines komplexenempirischen Forschungsprojekts, im Zuge dessen u. a. rund 1.000 Journalisten ausEntwicklungsländern befragt wurden. Auf (<strong>für</strong> uns überraschend) großen Zuspruch stieß dasSeminar „Medienentwicklungshilfe“, das wir begleitend zu diesem Forschungsprojektangeboten haben. Die Studenten konnten sich einen Überblick über Theorie und Empirie ineinem bislang nur wenig bearbeiteten Bereich der internationalen Journalismusforschungverschaffen, das zugleich hohe politische Relevanz besitzt.• Ein auf zwei Semester angelegtes Lehrforschungsprojekt begleitet unser 2010 gestartetesEU-Projekt „MediaAcT“, das sich mit Medienselbstkontrolle im internationalen Vergleichbeschäftigt (www.mediaact.eu). Forscherteams aus 13 west- und osteuropäischen sowiearabischen Ländern analysieren und vergleichen, koordiniert vom EBI in Dortmund, dieEntwicklung und den Einfluss verschiedener Formen der media accountability. In einer breitangelegten Feldstudie wollen wir herausfinden, welche etablierten und welche innovativenFormen der media accountability in den unterschiedlichen Ländern vertreten sind. Ein Zieldes Projekts ist es, politische Empfehlungen <strong>für</strong> EU-Gesetzgeber im Bereich der Medien zuentwickeln. Dabei wollen die Wissenschaftler auch kulturelle Unterschiede berücksichtigenund erforschen, in welchen Medien- und Journalismuskulturen sich welche Formen der mediaaccountability etabliert haben.Nach einer Einführung in das Forschungsfeld media accountability werden die Teilnehmerdes Lehrforschungsprojekts aktiv in die internationale Forschungsarbeit eingebunden: ImWintersemester durch die Entwicklung und Vorbereitung einer Befragung von Journalisten inden teilnehmenden Ländern, im Sommersemester durch die Beteiligung an der Erhebung undAuswertung der Daten.• Im Rahmen des Praxisseminars „Medien-Auslandsberichterstattung“ recherchieren undschreiben unsere Studierenden Beiträge <strong>für</strong> das EBI-Projekt „European JournalismObservatory“ – ein Netzwerk von derzeit vier europäischen Medieninstituten, das überaktuelle europäische Medienthemen berichtet und sich als Brückenbauer zwischenMedienforschung und Medienpraxis versteht (www.ejo-online.eu).Unsere aktuellen Forschungsprojekte dienen vielfach auch als Anknüpfungspunkt <strong>für</strong> DiplomundBachelor-Arbeiten. Thematisch angedockt an unser komparatives Projekt zurMedienentwicklungszusammenarbeit (MEZ) haben Studierende beispielsweise eigeneLänderstudien zu den Strukturen und Wirkungen der MEZ u. a. in Kenya, Tansania undKambodscha durchgeführt. Wir sind stolz darauf, dass sie <strong>für</strong> ihre Forschungsreisen insAusland regelmäßig vom DAAD und Stiftungen wie der Martin-Schmeißer-Stiftung der TUDortmund unterstützt werden. Derzeit entstehen Bachelor-Arbeiten, die sich mitSpezialthemen der Medienselbstkontrolle beschäftigen. 2006/2007 gab das Forschungsprojekt„Deutsche Auslandskorrespondenten“ mehr als einem Dutzend fortgeschrittener IfJ-Studenten3


die Chance, <strong>für</strong> ihre Diplomarbeiten mehr als 300 Auslandsjournalisten an 29Nachrichtenplätzen weltweit zu befragen – ein 2008 erschienener und viel beachteterSammelband (vgl. Hahn/Lönnendonker/Schröder 2008) bündelt und strukturiert dieErgebnisse. In allen Fällen profitieren die Studierenden von der Möglichkeit, ihreForschungsprojekte in einen professionellen Forschungskontext einzubinden – und ihreErgebnisse oft sogar zu veröffentlichen oder auch auf internationalen Konferenzen zupräsentieren.• Gefördert durch die Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen, fand 2010 eine deutsch-jordanischeSummer School <strong>für</strong> <strong>Journalistik</strong>-Studenten statt: Zehn Master-Studenten des vor kurzemgegründeten Jordan Media <strong>Institut</strong>e (JMI) arbeiteten rund eine Woche lang mit zehnDortmunder <strong>Journalistik</strong>-Studenten zusammen. Gemeinsam verglichen sie europäische undarabische Mediensysteme, besuchten politische und Medien-<strong>Institut</strong>ionen in Berlin undproduzierten gemeinsam Beiträge. Anfang 2011 findet der Gegenbesuch in Amman statt.Praxisseminare zur AuslandsberichterstattungHinzu kommen Praxisseminare mit erfahrenen Auslandskorrespondenten, die wir alsLehrbeauftragte verpflichten: So hat in den vergangenen Jahren u. a. die preisgekrönte ZEIT-Journalistin Charlotte Wiedemann ein Seminar über Berichterstattung zu Themen aus derislamischen Welt gegeben und der frühere „heute journal“-Moderator und Leiter des ZDF-Büros in London, Ruprecht Eser, hat gemeinsam mit den Studierenden TV-Beiträge zuGroßbritannien-Themen erarbeitet. WDR-Redakteur Michael Grytz hat mit unserenStudierenden hinter die Kulissen der Brüssel-Berichterstattung geschaut, und Mirjam Stöckel,die in Brüssel u. a. <strong>für</strong> die ARD arbeitet, ist mit der Seminargruppe auf deutsche Bauernhöfegefahren – Thema war die Berichterstattung über Agrarpolitik, und zwischenHühnermastfarm und Misthaufen fanden die Studenten heraus, wie viel spannender Zündstoffsich hinter einem drögen Begriff wie „Europäische Agrarsubventionen“ verbergen kann. Beider <strong>Konzept</strong>ion von theoretischen und praktischen Seminaren zur Auslandsberichterstattungleitet uns mit Kleinsteuber (2003) stets der Gedanke, unsere Studierenden wach <strong>für</strong> die Gefahrvon Stereotypisierungen zu machen. Sei es später einmal in einer deutschen Lokalredaktion,als Auslanskorrespondent in Jersulem, als „Parachute Correspondent“ bei einerNaturkatastrophe in Asien oder als Mitglied in einem Delegationstross in Afrika: UnsereHoffnung ist, dass wir unsere Studierenden sensibel <strong>für</strong> die Gefahr von Vorurteilen machen,wo immer sie mit internationalen Themen in Berührung kommen.Wichtig ist uns auch, dass es <strong>für</strong> unsere Studenten selbstverständlich wird, in Englisch zuarbeiten. Fortgeschrittene Seminare im Bereich internationale Journalismusforschung setzenohnehin gute Englischkenntnisse voraus, um die weltweit führenden Fachzeitschriften undPublikationen verfolgen zu können. Die Studierenden sollen jedoch auch – im geschütztenRaum der Universität – erste Gehversuche in der journalistischen Arbeit in einerFremdsprache machen. Von den Studenten stark nachgefragt wurden daher unsereSeminarangebote mit angelsächsischen Lehrbeauftragten: Professor Larry Stuelpnagel vonder Northwestern University in Illinois (USA) arbeitete mit unseren Studenten ancrossmedialen Reportagen auf Englisch; Alexa Dvorson, die u. a. <strong>für</strong> PBS und BBC tätig ist,übte mit den Studierenden englische Pressekonferenzen, Nachrichten und Berichte undvermittelte ihnen auf diesem Weg zugleich einen Eindruck von der angelsächsischenRecherchetechnik, die sich mehr als viele Studenten dies zunächst annehmen von der imdeutschen Journalismus unterscheidet.Beispiel <strong>für</strong> die international vergleichende Perspektive in der Dortmunder <strong>Journalistik</strong>: DasSeminar „International Media Systems and Journalism Cultures“4


als zehnminütiges Rollenspiel vor. Eine Gruppe analysierte anschließend das Rollenspiel undstellte anhand von wissenschaftlicher Literatur das tunesische Mediensystem sowie die dortherrschende Journalismuskultur vor. Zusätzlich analysierten die beiden anderen amRollenspiel beteiligten Gruppen mit Ägypten und Jordanien zwei weitere Mediensysteme derarabischen Welt. In der anschließenden Gruppendiskussion wurde auf Unterschiede undGemeinsamkeiten der vorgestellten Mediensysteme eingegangen. Die Studierenden lernten,dass auch zwischen verschiedenen arabischen Mediensystemen große Unterschiedeexistieren; so befindet sich vor allem das jordanische Mediensystem im Wandel und kann imVergleich zu anderen arabischen Mediensystemen als vergleichsweise fortschrittlichangesehen werden.3. Expansion eines deutschen MedienunternehmensFür dieses Thema stellten wir den Studierenden die folgende Aufgabe: „Als Medienberaterberaten Sie ein deutsches Medienunternehmen bezüglich einer möglichen Expansion nachAustralien, Indien und Brasilien. Sie sollen untersuchen, ob sich eine Expansion lohnen würde– unter Berücksichtigung einiger Charakteristiken der australischen, indischen undbrasilianischen Medienlandschaft. Wie werden Medienmärkte im jeweiligen Land reguliert?Welche Medienunternehmen sind die „big players“? Darf ein Medienunternehmencrossmedial tätig sein? Wie könnte das deutsche Medienunternehmen mit den ortsansässigenMedienunternehmen konkurrieren?“Drei Teams von Studierenden untersuchten, ob sich eine Expansion eines deutschenMedienunternehmens wie zum Beispiel Gruner + Jahr in die drei oben genannten Länderlohnen würde. Neben der Geschichte und Firmenpolitik des jeweiligen deutschenUnternehmens analysierten sie auch das Mediensystem des – <strong>für</strong> die meisten der Studierendenrecht unbekannten – Ziellandes, um herauszufinden, welchen Herausforderungen sich dasdeutsche Unternehmen stellen müsste. Dabei stellten sie fest, dass bei einer Expansion insAusland ganz andere Marktstrategien beachtet werden müssen als bei einer Ausbreitung imdeutschen Markt und auch auf die sprachlichen sowie kulturellen Begebenheiten Rücksichtgenommen werden muss.Resümierend waren unsere Erfahrungen mit dem Seminar durchweg positive. Da wir dieStudierenden in zwei Gruppen aufgeteilt hatten, war die Seminargröße überschaubar und esließ sich gut und produktiv arbeiten. Zu Beginn des Seminars führten wir mit Vorlesungen indas Themengebiet der international vergleichenden Forschung ein. In den anschließendenDiskussionen stellten wir fest, dass die Studierenden sich schnell in das Thema eingefundenhatten.Auch im abschließenden Seminarfeedback bestätigte sich noch einmal, was wir schonwährend des Seminars erlebt hatten: Die Studierenden empfanden das Seminar als produktivund bereichernd; sie schätzten sowohl die „in das Thema einführenden Veranstaltungen“ alsauch „die interessante und vielfältige Themenauswahl“ und hielten fest, dass das Seminareinen „guten Einblick in die vergleichende internationale Journalismusforschung“ sowie einen„guten Überblick über internationale Mediensysteme“ bot.Es ist uns wichtig, dass es <strong>für</strong> unsere Studierenden selbstverständlich wird, in Englisch zuarbeiten – und das <strong>Konzept</strong> Englisch als Seminarsprache kam auch bei den (meisten)Studierenden gut an. Uns war bewusst, dass wir von unseren Studierenden kein Englisch auf7


muttersprachlichem Niveau verlangen konnten. Umso überraschter waren wir, dass zahlreicheStudierende bei ihren Präsentationen, den Gruppendiskussionen und in ihrer Hausarbeit einziemlich gutes Sprachniveau demonstrierten, wobei die Studierenden, die vor oder währendihres Studiums eine Weile im englischsprachigen Ausland verbracht hatten, selbstverständlichüber mehr Sprachkompetenzen verfügten als die Studierenden, die Englisch nur in der Schulegelernt hatten. Doch auch von ihnen wurde die Seminarsprache Englisch als positiv bewertet– „es war gut, die englische Sprache aufzufrischen“, „es war toll, eine Möglichkeit zu haben,Englisch zu sprechen“, hieß es unter anderem im Seminarfeedback.AusblickFür die Zukunft angedacht ist ein internationaler Master – wenn zunächst der reguläre Masteretabliert ist, der am IfJ erstmals zum Wintersemester 2011/12 startet: Da wir in Dortmundvergleichsweise spät mit der Einführung unseres – alledings bereits auf vier Jahre angelegten– Bachelor-Studiengangs begonnen haben, wollen wir zunächst Erfahrung mit unserem„nationalen“ Master sammeln, bevor wir im nächsten Schritt eine Internationalisierungangehen.8


LiteraturverzeichnisEsser, Frank; Pfetsch, Barbara (Hrsg) (2003): Politische Kommunikation im internationalenVergleich. Grundlagen, Anwendungen, Perspektiven. Wiesbaden: Westdeutscher VerlagEsser, Frank (2004): Journalismus vergleichen. Komparative Forschung und Theoriebildung.In: Löffelholz, Martin (2004): 151–180Fröhlich, Romy; Holtz-Bacha, Christina (Hrsg.) (2003): Journalism Education in Europe andNorth America: An International Comparison. NJ: HamptonGarcía Avilés; José A.; Meier, Klaus; Kaltenbrunner, Andy; Carvajal, Miguel; Kraus, Daniela(2009): Newsroom Integration in Austria, Spain and Germany: Models of MediaConvergence. In: Journalism Practice, H. 3(3). 285–303Hahn, Oliver; Lönnendonker, Julia; Schröder, Roland (Hrsg.) (2008): DeutscheAuslandskorrespondenten. Ein Handbuch. Konstanz: UVKHallin, Daniel C.; Mancini, Paolo (2004): Comparing media systems. Three models of mediaand politics. Cambridge: Cambridge Univ. PressHanitzsch, Thomas; Seethaler, Josef (2009): Journalismuswelten: Ein Vergleich vonJournalismuskulturen in 17 Ländern. In: Medien & Kommunikationswissenschaft, H. 58(4).464–483Kleinsteuber, Hans J. (2003): Medien und Kommunikation im internationalen Vergleich:<strong>Konzept</strong>e, Methoden und Befunde. In: Esser, Frank; Pfetsch, Barbara (2003): 78-103.Livingstone, Sonia (2003): On the Challenges of Cross-National Comparative MediaResearch. In: European Journal of Communication, Jg. 18, H. 4. 447–500Löffelholz, Martin (Hrsg.) (2004): Theorien des Journalismus. Ein diskursives Handbuch. 2.,vollst. überarb. und erw. Aufl. Wiesbaden: VS Verl. <strong>für</strong> Sozialwiss.Thomaß, Barbara (Hrsg.) (2007): Mediensysteme im internationalen Vergleich. Konstanz:UVK VerlagsgesellschaftWeßler, Hartmut; Brüggemann, Michael (Hrsg.) (2011): Transnationale Kommunikation:Eine Einführung. Wiesbaden: VS Verlag <strong>für</strong> SozialwissenschaftenDr. Susanne Fengler ist seit 2008 Professorin <strong>für</strong> Internationalen Journalismus am <strong>Institut</strong><strong>für</strong> <strong>Journalistik</strong> der TU Dortmund und leitet als Geschäftsführerin das Erich-Brost-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong>internationalen Journalismus.Tina Bettels ist seit 2010 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Erich-Brost-<strong>Institut</strong> undveranwortliche Redakteurin des European Journalism Observatory. Sie promoviert über dasChange Management von Redaktionen im internationalen Vergleich.9

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