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Erstausgabe Csernilive Architektur/Raum/Kunst Martin Cserni, Oktober

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Graz – Wien – Hamburg / <strong>Oktober</strong> 2012<br />

Das Unternehmen <strong>Cserni</strong><br />

aufbruch in neue Dimensionen<br />

airPOrt Vienna<br />

Check-in 3 – Objektmöblierung<br />

sOFiteL Vienna<br />

Jean nouvel<br />

<strong>Cserni</strong> interiOr<br />

innenraum Konzepte<br />

imaginäre arChiteKtUr<br />

Otto Beckmann<br />

eUrOPas Beste BaUten<br />

mies van der rohe award<br />

KUnst<br />

Karl Karner – neue Objekte<br />

till nowak – multimediakunst<br />

insert BrUnO girOnCOLi<br />

mit Fotoessay von margherita spiluttini<br />

architektur / raum / kunst<br />

1<br />

Firmensitz CSERNI mit Skulptur von Karl Karner


live 01 / 2012<br />

Speicherstadt Hafencity, Hamburg, Foto Andrea Baczynski<br />

2<br />

Airport Vienna, Objektmöblierung Check-in 3<br />

Otto Beckmann, Metropolis 2080<br />

Carl Zeiss Meditec, Berlin, Objektmöblierung<br />

Editorial<br />

<strong>Cserni</strong> live<br />

arChiteKtUr / raUm / KUnst<br />

Ich glaube daran, dass sich in der <strong>Architektur</strong> etwas ausdrücken<br />

lässt, von dem wir noch nicht ahnen, dass es möglich ist –<br />

eine neue Ordnung der Dinge, ein anderer Blick auf die Welt. 1<br />

Zaha Hadid<br />

Das Magazin CSERNI live entwickelte sich im Laufe dieses Jahres aus dem Wunsch<br />

und Bestreben heraus, eine Kommunikationsplattform zu schaffen, die, neben der<br />

Berichterstattung über aktuelle Projekte und Visionen der CSERNI Group, auch einen<br />

allgemeinen Blick auf Tendenzen in <strong>Architektur</strong>, Innenarchitektur und <strong>Kunst</strong> wirft.<br />

Es beschäftigt sich mit gebautem <strong>Raum</strong> und dem Leben darin in vielfältiger Hinsicht:<br />

Aktuelle architektonische Trends werden ebenso behandelt wie visionäre<br />

<strong>Architektur</strong>szenarien, klassische Innenarchitektur wie auch Konzepte des Interiordesigns.<br />

Parallel dazu wird über zeitgenössische <strong>Kunst</strong> berichtet – von jüngsten<br />

Entwicklungen bis zu schon bekannten Werken etablierter Künstler.<br />

Im Wechselspiel von Utopie und Realität, imaginären <strong>Architektur</strong>visionen und realen<br />

Bauaufgaben, künstlerischen Statements und auf die Funktion hin konzipierten<br />

Interiorkonzepten wird versucht ein Spannungsfeld zu zeigen, welches den kreativen<br />

Pulsschlag unserer Zeit nachspürt. Im Sinne von verknüpftem Denken geht es dabei<br />

nicht um den einseitig fachspezifischen Blick auf eine Thematik, ein Wissensfeld,<br />

sondern um einen differenzierten Blick aus unterschiedlichen Perspektiven – der<br />

wiederum ein Diskursfeld eröffnet, in dem lebendige Kommunikation stattfindet.<br />

Die erste Ausgabe von CSERNI live widmet sich den Themen:<br />

zeitgenössische <strong>Architektur</strong> und imaginäre <strong>Architektur</strong>, Urbanität und Megacities,<br />

Innenarchitektur und Interiorkonzepte. In einem Interview mit Architekt DI <strong>Martin</strong><br />

<strong>Cserni</strong> und Andreas Dornik wird das umfangreiche Angebot der CSERNI Group<br />

erläutert, ein Fotoessay über den neuen Check-in 3 am Airport Vienna zeigt die<br />

Objektmöblierung für den Passagierbereich und der neue Tätigkeitsbereich der<br />

CSERNI Group – Interiordesign wird vorgestellt. Weiters beinhaltet diese Ausgabe:<br />

das Sofitel Vienna von Jean Nouvel, Europas beste Bauten – Auswahl aus dem<br />

Mies van der Rohe Award und Otto Beckmanns imaginäre <strong>Architektur</strong>. Im Bereich<br />

<strong>Kunst</strong> werden folgende Themen beleuchtet: Multimediakunst aus Hamburg von Till<br />

Nowak, Karl Karners neue Skulpturen und ein umfangreiches Künstlerinsert über<br />

Bruno Gironcoli mit Fotos von Margherita Spiluttini sowie einem Text von <strong>Martin</strong> Titz.<br />

Als ein Medium, das Business und Leisure in einer Symbiose aus <strong>Architektur</strong> und<br />

<strong>Kunst</strong> bespricht und verhandelt, richtet sich das neue Magazin sowohl an GeschäftspartnerInnen,<br />

KundInnen, ArchitektInnen, KünsterInnen wie auch an alle<br />

kulturinteressierten Menschen.<br />

Gute Unterhaltung und viel Freude beim Lesen.<br />

Architekt DI <strong>Martin</strong> <strong>Cserni</strong>, CEO CSERNI GROUP<br />

Thomas Redl, Chefredaktion<br />

1 Ich will die ganze Welt ergreifen, Auszug aus dem Interview mit Zaha Hadid, von Hanno Rauterberg,<br />

DIE ZEIT, 13.11.2009<br />

live 01 / 2012<br />

3


4<br />

live 01 / 2012<br />

inhaLt<br />

DaS UntERnEhMEn CSERnI<br />

Interview mit <strong>Martin</strong> <strong>Cserni</strong> und Andreas Dornik 7<br />

aIRPORt VIEnna<br />

Objektmöblierung Check-in 3 12<br />

EUROPaS BEStE BaUtEn<br />

Mies van der Rohe Award 2011 18<br />

VOM CORPUS DER StaDt<br />

Von der Idealstadt zur Megacity 21<br />

OttO BECkMann<br />

Imaginäre <strong>Architektur</strong> 22<br />

SOfItEl VIEnna<br />

Jean Nouvel 28<br />

CSERnI IntERIOR<br />

Gesamtheitliche Konzeptionen 30<br />

DaS haMERlInG<br />

Exklusives Wohnen in Wien 32<br />

InfORMEl MEEtS natURE<br />

Karl Karner 36<br />

tIll nOWak<br />

Multimediakunst 38<br />

CSERnI live 42<br />

CSERnI live – Magazin<br />

erscheint 2x jährlich und widmet sich den Themen <strong>Architektur</strong>, <strong>Kunst</strong> und Kultur.<br />

Parallel werden aktuelle Projekte von CSERNI im Bereich <strong>Architektur</strong>, Innenarchitektur<br />

und Interiordesign vorgestellt. Es geht vor allem um einen Diskurs über<br />

aktuelle Tendenzen und urbane Entwicklungen, um einen differenzierten Blick aus<br />

unterschiedlichen Perspektiven. Das Magazin liefert damit einen Beitrag zur lebendigen<br />

<strong>Architektur</strong>- und Designszene in Österreich und im deutschsprachigen<br />

<strong>Raum</strong>. Jeder Ausgabe ist ein speziell gestaltetes Künstlerinsert beigelegt.<br />

Für das Zustandekommen dieser Ausgabe danken wir allen AutorInnen, FotografInnen<br />

und KünstlerInnen und allen Mitwirkenden.<br />

IMPRESSUM<br />

CSERNI live – Magazin / architektur/raum/kunst<br />

erscheint 2 x jährlich. Erscheinungsort Graz, Wien & Hamburg.<br />

CSERNI live Nr. 01: <strong>Oktober</strong> 2012<br />

Medieninhaber und Verleger:<br />

<strong>Cserni</strong> Wohnen GmbH, Schottenring 14/Ecke Wipplingerstraße 37, 1010 Wien<br />

Herausgeber: <strong>Martin</strong> <strong>Cserni</strong><br />

Redaktion:<br />

Chefredakteur: Thomas Redl<br />

Redaktion: Thomas Redl, Ruth Ferschli (PR und Kommunikation), Katharina Pober,<br />

Hamburg Korrespondent: Claus Friede<br />

Lektorat: Valie Airport, Jeremiah Haidvogel<br />

Fotografie: Alle Fotos, falls nicht anders angegeben: Karl Schrotter<br />

Grafik und Produktion: Skylab / Dieter Auracher (Wien)<br />

Cover: Firmensitz <strong>Cserni</strong> mit Skulptur von Karl Karner, Foto: Karl Schrotter<br />

Druck: Holzhausen Druck GmbH, Wien<br />

Kontakt: office@cserni.at, www.cserni.at<br />

© bei den Autoren / © der Abbildungen sofern nicht anders angegeben bei CSERNI<br />

Erklärung über die grundlegende Richtung:<br />

Das Magazin CSERNI live sieht seine Aufgabe darin, einen Dialog auf hohem Niveau im<br />

Bereich <strong>Architektur</strong>, <strong>Kunst</strong> und Kultur zu führen. Weiters werden aktuelle Projekte von<br />

CSERNI im Bereich <strong>Architektur</strong>, Innenarchitektur und Interiordesign vorgestellt.<br />

autorinnen und Fotografinnen dieser ausgabe<br />

Margherita Spiluttini<br />

Seit 1981 freiberufliche Fotografin mit Schwerpunkt <strong>Architektur</strong> und <strong>Raum</strong>. Gastprofessur<br />

an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung, Linz;<br />

Lehrauftrag an der Universität für angewandte <strong>Kunst</strong>, Wien. Zahlreiche Ausstellungen,<br />

u.a.: 2012 Camera Austria, Graz; 2010 Fotografins Hus, Stockholm; 2009<br />

Museum der Moderne, Rupertinum, Salzburg; 2007 <strong>Architektur</strong>zentrum Wien; 2004<br />

Architectural Association, London. Zahlreiche Publikationen, u.a.: Margherita Spiluttini<br />

- räumlich, Salzburg 2007; Nach der Natur, Salzburg 2002. 1996 Österreichischer<br />

Würdigungspreis für künstlerische Fotografie; 2006 Österreichisches Ehrenkreuz für<br />

Wissenschaft und <strong>Kunst</strong>.<br />

Wolfgang thaler<br />

Fotograf, lebt in Wien, mit Schwerpunkt: <strong>Architektur</strong> und Interior. Aktuell erschienen:<br />

Modernism In-between: The Mediatoy architectures of socialist Yugoslavia – eine<br />

umfassende langjährige Recherche zur <strong>Architektur</strong> Jugoslawiens (1948 – 91).<br />

andrea Baczynski<br />

lebt in Cambridge U.K. und Paris. Tätig als <strong>Architektur</strong>- und Landschaftsfotografin.<br />

Zahlreiche Reisen in den asiatischen und arabischen <strong>Raum</strong>, dort dokumentierte<br />

sie unter anderem die Entwicklung der Megacities. Zahlreiche Ausstellungen im<br />

In- und Ausland.<br />

archiv Otto Beckmann (aOB)<br />

2005 Gründung des Archivs zur Erhaltung und Erfassung der <strong>Kunst</strong>werke Otto<br />

Beckmanns (1908-1997) durch die Söhne Oskar und Richard Beckmann. Korrespondierende<br />

Ehrenmitglieder: Mag. Margit Rosen – Mitarbeiterin und Kuratorin im<br />

Zentrum für <strong>Kunst</strong> und Medientechnologie in Karlsruhe (seit 2006) und Prof. Dr. Horst<br />

Oberquelle. Die Ziele des AOB sind unter anderen die Sicherung der Bild und Tonträger,<br />

des Schriftverkehrs und der Manuskripte sowie die Aufarbeitung von Visionen<br />

Otto Beckmann`s. www.archiv-otto-beckmann.com<br />

florian Steininger<br />

Lebt in Wien. Tätig als Autor und Kurator. 1993-1999 Studium der <strong>Kunst</strong>geschichte<br />

an der Universität Wien, Diplom bei Professor Dr. Peter Haiko über die neue malerische<br />

Abstraktion in Österreich. Seit 2001 im Bank Austria <strong>Kunst</strong>forum Wien<br />

als Kurator tätig. Zahlreiche Essays und kuratorische Projekte zur modernen und<br />

zeitgenössischen <strong>Kunst</strong> unter anderem: Karel Appel; Roy Lichtenstein; Willem de<br />

Kooning; Markus Lüpertz; Monet-Kandinsky-Rothko und die Folgen: Wege der<br />

abstrakten Malerei.<br />

Das redaktionsteam<br />

<strong>Martin</strong> <strong>Cserni</strong>, CEO CSERNI Group / Herausgeber<br />

HTL für Möbel- und Innenausbau (1983-1988), danach <strong>Architektur</strong>studium<br />

(1989-1994). Seit 1997 ist er selbständig als Architekt<br />

tätig und übernahm im Jahr 2002 das Traditionsunternehmen<br />

CSERNI, das er vom klassischen Tischlereibetrieb zum Generalunternehmen<br />

mit Sitz in Fehring, Graz, Wien und Hamburg erweiterte.<br />

Parallel zum Unternehmen baut er die vom Vater begründete<br />

<strong>Kunst</strong>sammlung kontinuierlich aus.<br />

thomas Redl, Chefredakteur<br />

Studium an der Hochschule für Gestaltung Linz. Tätig als Künstler<br />

und Herausgeber. 2003–2007 Herausgabe des Zeitungsmagazin<br />

ST/A/R zusammen mit Heidulf Gerngross. 2008-2011 Herausgabe<br />

des Magazins fair – Zeitung für <strong>Kunst</strong> & Ästhetik, Wien/Berlin in<br />

Kooperation mit Wolf Günter Thiel, Berlin. Konzeption und Publizierung<br />

von Büchern im Bereich <strong>Kunst</strong> und Design. Diverse<br />

Ausstellungen im In- und Ausland unter anderem Biennale Venedig<br />

2009. Arbeitet mit den künstlerischen Medien: Installation, Malerei,<br />

Film und Buch.<br />

Ruth Edith ferschli, Marketing und PR<br />

klassischer Schulabschluss mit Matura, danach European Management<br />

Assistent - College in Wien. Studium der Theater-,<br />

Film- und Medienwissenschaft in Wien. Tätig in den Bereichen:<br />

Assistenz der Geschäftsführung und Marketing in der gehobenen<br />

Hotellerie und in Handel und Gewerbe sowie später im Kulturmanagement<br />

und der Festivalorganisation. Heute tätig für die<br />

CSERNI Group in den Bereichen Marketing, Public Relations,<br />

Eventmanagement, Projektmanagement und Key Account.<br />

Claus friede, Korrespondent Hamburg<br />

studierte freie <strong>Kunst</strong> und Romanistik in den USA und Deutschland.<br />

1990 gründete er seine <strong>Kunst</strong>agentur Claus Friede*Contemporary<br />

Art, die er bis heute leitet. 2002 war er Mitbegründer des kulturkluHH.<br />

2006 bis 2008 verantwortete und moderierte er die<br />

Fernsehsendung „Lampenfieber“ beim Regionalsender Hamburg1<br />

Fernsehen. Seit 2008 leitet er als Chefredakteur das Internet-<br />

Feuilleton und WebTV-Format www.kultur-port.de. Seit 2010 ist<br />

er außerdem künstlerischer Leiter des <strong>Kunst</strong>forum Markert in<br />

Hamburg.<br />

karl Schrotter, Fotograf<br />

seit über 30 Jahren als Fotograf tätig, davon 10 Jahre in Graz als<br />

Werbefotograf und danach selbständig mit einem der grössten<br />

und modernsten Tageslichtstudios in Österreich. Kunden u. a.:<br />

<strong>Cserni</strong>, russische Aeroflot, Giga Sport, Neckermann, Otto, RWA<br />

Lagerhaus, Armin Assinger.<br />

Otto Beckmann, Imaginäres architektonisches Projekt am Industriehafen 1979, Metropolis 2080


live 01 / 2012<br />

Büro CSERNI, 1010 Wien<br />

Büro <strong>Cserni</strong>, 1010 Wien<br />

Das Unternehmen <strong>Cserni</strong><br />

interview mit martin <strong>Cserni</strong> und andreas Dornik<br />

Begonnen als tischlereimanufaktur im Jahr 1930 entwickelt die CSERnI Group<br />

heute architektur-, Interior- und Developmentkonzepte auf höchstem niveau und<br />

sieht ihre tätigkeit in der Umsetzung exquisiter lebens- und arbeitswelten, erstellt<br />

aus den Wünschen und Vorstellungen anspruchsvoller Menschen. Dabei werden<br />

die Bereiche architektur und Innenraumgestaltung gleichwertig verstanden, wie<br />

architekt DI <strong>Martin</strong> <strong>Cserni</strong> es formuliert: „Die äußere architektonische Struktur<br />

soll sich im Innenraumkonzept widerspiegeln. So findet eine korrespondenz zwischen<br />

Innen- und außenbereich statt und es entsteht im besten fall eine gesamtfunktionelle<br />

genuine lösung.“ Eine auffassung, mit der CSERnI das Gedankengut<br />

der tradition des Wiener Jugendstils aufnimmt und sich verbunden mit internationalen<br />

architekten als Universalplaner und -umsetzer von Bauvorhaben versteht.<br />

Österreichische Qualität, modernste technik, hochwertige Materialien sowie umfassendes<br />

langjähriges know-how zeichnen die Dienstleistungen und Produkte der<br />

CSERnI Group aus, die heute von fehring über Graz und Wien bis nach hamburg<br />

vertreten ist.<br />

Die sprache des Baukörpers soll in<br />

das interiorkonzept einfließen und<br />

eine gesamtlösung schaffen, die<br />

ein kompromissloses Zusammenspiel<br />

aus intelligenter Funktionalität,<br />

inspirierendem stil und handwerklicher<br />

Qualität darstellt. martin <strong>Cserni</strong><br />

<strong>Martin</strong> <strong>Cserni</strong>, Andreas Dornik<br />

Thomas Redl: meine erste Frage an dich, martin <strong>Cserni</strong>, ist nach<br />

dem hintergrund des Unternehmens: Wo kommt CseRNI her?<br />

MARTIN CSERNI: Die CSERNI Unternehmensgeschichte geht zurück<br />

auf meinen Großvater Franz <strong>Cserni</strong> sen., der vor mittlerweilen fast schon<br />

90 Jahren einen kleinen Tischlereibetrieb in der Steiermark gründete, sowie<br />

meinen Vater Franz <strong>Cserni</strong> jun., der die Manufaktur im Jahr 1966<br />

übernahm und sie zu einer festen Größe im Bereich Inneneinrichtung<br />

etablierte. 1997 bin ich dann in unser Familienunternehmen eingestiegen<br />

und es kam zur Erweiterung um eine Bauträgerfirma, ein <strong>Architektur</strong>büro<br />

und dem damit verbundenen Neubau unserer heutigen Betriebsstätte in<br />

der Grünen Lagune in Fehring, gefolgt von weiteren Bürostandorten in<br />

Graz, Wien und Hamburg mit den Leistungsspektren <strong>Architektur</strong>, Wohnen<br />

und Development.<br />

TR: CseRNI hat also verschiedene aufgabengebiete. Welche dienstleistungen<br />

bietet das Unternehmen im detail an?<br />

MC: Wir stellen einen kompetenten Partner für die gesamtheitliche<br />

Umsetzung von Bauvorhaben dar und versuchen unseren Kunden und<br />

Partnerunternehmen ein ganzheitliches Angebot, die Bereiche Bauen,<br />

Wohnen und Einrichten betreffend, zu liefern. Das heißt: Von der grünen<br />

Wiese beginnend über das Development einer Liegenschaft bis hin zur<br />

Generalplanung durch den Architekten, der Bauträgertätigkeit, also der<br />

Koordination und Umsetzung eines Objekts, sowie der Innenausstattung<br />

kommt alles aus einer Hand.<br />

TR: das betrifft einerseits architektur, andererseits Interior, wobei<br />

die Interiorkonzepte im Unternehmen intensiviert werden – weg vom<br />

massenprodukt hin zu individuellen high­end­Komplettlösungen. Wie ist<br />

die ausrichtung in diesem Bereich?<br />

MC: Die Ausrichtung ist von uns ganz eindeutig definiert: eine klare Verbindung<br />

des Innenraums mit dem Außenraum. Die Sprache des Baukörpers<br />

soll in das Interiorkonzept einfließen und eine Gesamtlösung<br />

schaffen, die ein kompromissloses Zusammenspiel aus intelligenter<br />

Funktionalität, inspirierendem Stil und handwerklicher Qualität darstellt.<br />

Ein Angebot, so meinen wir, dass in diesem Umfang auf dem Markt sonst<br />

nicht vorhanden ist.<br />

TR: Ihr bietet also lösungen an, die bis zur auswahl von materialdetails<br />

und dekorstoffen gehen. Was wird dem Kunden dabei im Konkreten geboten?<br />

ANDREAS DORNIK: Auf der einen Seite sind wir als Partner für Architekten<br />

und Bauherren in der Umsetzung, und das in den letzten Jahren<br />

sowohl im Privat- als auch im Objektbereich, sehr erfolgreich. Und auf<br />

der anderen Seite ist es uns wichtig, als direkt beauftragter Ansprechpartner,<br />

unsere Kunden von Beginn an – also ausgehend von der Planungsphase,<br />

über den Entwurf, die Materialfindung sowie Farb-, Licht-<br />

und Accessoireskonzeptionen – bis hin zur Umsetzung mit umfassenden<br />

6 7<br />

live 01 / 2012


live 01 / 2012<br />

Privatwohnung Wien, Innenarchitektur und Interior<br />

Juwelier Heemeyer, Shopdesign<br />

und exklusiven Interiordesign-Konzepten, erstellt von fachkundigen InnenarchitektInnen,<br />

zu begleiten und zu betreuen. Hochwertige internationale Brands,<br />

wie Sitzmöbel von Christian Liaigre, Philippe Hurel und Baker, Leuchten von<br />

Porta Romana oder Teppichen von Tai Ping fi nden sich unter anderem darin.<br />

TR: Welche Rolle spielt das handwerk in diesem Bereich?<br />

AD: Das Handwerk ist die Basis unseres ganzen Schaffens und da wir aus einer<br />

Handwerksregion kommen, haben wir in der Steiermark optimale Voraussetzungen.<br />

Wir haben bestens geschulte MitarbeiterInnen, die eine langjährige<br />

Identität mit unserem Unternehmen aufgebaut haben und bieten Möbel in<br />

Qualitätsstandards an, die kaum mehr anderswo so umgesetzt werden können.<br />

Damit schaffen wir eine Wertschöpfungskette und sind nicht nur bei uns hier in<br />

Österreich, sondern auch auf dem europäischen Markt konkurrenzfähig – von<br />

Deutschland bis England.<br />

TR: Ist geplant in den nächsten Jahren eine eigene Produkt­ und designlinie zu<br />

entwickeln?<br />

MC: Wir arbeiten derzeit daran, individuelle und maßgeschneiderte Interiorkonzepte<br />

zu schnüren, die den Wünschen und Anforderungen unserer Kunden entsprechen<br />

und diese hervorheben. Es wird nicht an einem klassischen System,<br />

einer einheitlichen Linie, sondern an Exklusivität gearbeitet.<br />

TR: In der Umsetzung der Innenraumkonzepte deckt CseRNI verschiedene<br />

Branchen ab – von der Gastronomie, den hotelbereich über die Büroausstattung<br />

bis hin zu privatem Wohnen. Was waren die wichtigsten Projekte der letzten Jahre?<br />

AD: Was im öffentlichen Bereich bisher am meisten Aufmerksamkeit erregt hat,<br />

ist die Objektmöblierung des Check-in 3 am Flughafen Wien. In der Hotellerie<br />

ist es das Sofi tel Vienna, wo wir mit Jean Nouvel, einem sehr renommierten Architekten,<br />

zusammengearbeitet haben. In der Gastronomie ist es das Motto am<br />

Fluss in Wien, im Offi cebereich sind es Konzeptrealisierungen in Wien, Hamburg<br />

und Berlin und im Privatbereich konnten wir Kunden mit höchsten Qualitätsansprüchen<br />

im europäischen <strong>Raum</strong> bedienen. Referenzen, die ein „Who is Who“<br />

Motto am Fluss, Wien, Restaurantausstattung<br />

an internationalen Architekten aufweisen – neuerdings auch Zaha Hadid für die Planung<br />

der künftigen Wirtschaftsuniversität Wien – und die wir als Generalunternehmer,<br />

bevorzugt mit aus der steirischen Region stammenden Partnerfi rmen, realisieren.<br />

TR: es gibt also die dienstleistungen architektur und Innenarchitektur und es gibt den<br />

Bereich des developments, wo CseRNI als General­ wie auch Totalunternehmer in der<br />

entwicklung und Realisierung von Immobilienprojekten auftritt?<br />

MC: Ja, auch dieser Bereich hat sich sehr gut entwickelt, ist aber ein „Finanz- oder<br />

Bauträgerdienstleistungsprodukt“, bei dem die Kundenschicht hauptsächlich auf institutioneller<br />

Basis zu fi nden ist. Für den <strong>Architektur</strong>- und Innenarchitekturbereich ist<br />

das wesentliche die Gesamtplanung von Baukörpern sowie das Interiordesign im Privat-<br />

und Wohnbereich.<br />

TR: Vor kurzem hat eine Unternehmenserweiterung stattgefunden: es gibt einen neuen<br />

standort in hamburg. Was sind die strategischen Zukunftsvisionen?<br />

MC: Wir wollen die Marke CSERNI breiter am europäischen Markt platzieren und unser<br />

umfangreiches Gesamtangebot, das wir derzeit hauptsächlich in Österreich ein-<br />

und umsetzten, ausweiten. Ziel dabei ist es, unsere Kunden über mehrere Standorte<br />

zu begleiten und zu betreuen, immer die entsprechenden regionalen Maßnahmen und<br />

Vorkehrungen zu treffen, um schnellstmöglich agieren zu können.<br />

TR: das heißt, das Unternehmen soll sich schwerpunktmäßig, was die auftragssituation<br />

betriff t, vom österreichischen auf den europäischen <strong>Raum</strong> ausweiten?<br />

AD: Expansion heißt für uns neue Märkte – und die kann man nur erschließen, wenn<br />

man auch vor Ort vertreten ist. Wir bieten unseren Kunden intensive und persönliche<br />

Dienstleistungen an, in der Entwurfs- und Angebotskonzepte in vielen Schritten er-<br />

und bearbeitet werden müssen. Dementsprechend ist es auch notwendig direkt beim<br />

Kunden zu sein, um dessen Vertrauen zu gewinnen und dessen Vorstellungen rasch<br />

und kompetent umsetzen zu können. Das zeichnet ein gutes Unternehmen aus.<br />

TR: Viele größere Betriebe übersiedeln mit ihren Produktionsstätten in den osteuropäischen<br />

<strong>Raum</strong>. Bei CseRNI jedoch gibt es eine starke regionale Verankerung. die<br />

Regionalität einerseits und die europäische erweiterung andererseits, kann man das so<br />

formulieren?<br />

AD: Ja, denn die Leistungsfähigkeit unseres Unternehmens ist ausschließlich mit diesem<br />

Konzept umsetzbar. Wir können nicht mit langen Zulieferzeiten arbeiten. Unser<br />

Erfolg ist es, in möglichst kurzer Zeit individuelle Lösungen für unsere Kunden umzusetzen.<br />

Eine Schlagkräftigkeit, die wir nur hier in der Region haben, wo Mitarbeiter an<br />

unserer Seite stehen, die entsprechend einsatzbereit und in der Lage sind Auftragssituationen<br />

innerhalb von wenigen Wochen qualitativ hochwertig abzuarbeiten und<br />

durchzuführen.<br />

TR: CseRNI versteht sich auch als Kulturunternehmen im besten sinne. es gibt eine<br />

starke Bindung zur bildenden <strong>Kunst</strong>. Wo liegt der ansatz, die Verbindung von Unternehmen<br />

und <strong>Kunst</strong>?<br />

MC: Die Verbindung besteht schon sehr lange, da sich mein Vater seit fast 50 Jahren<br />

sehr intensiv mit <strong>Kunst</strong> auseinandersetzt, selbst der Tätigkeit der Malerei nachgeht<br />

und schon sehr früh in bedeutenden Künstlerkreisen verkehrte. Eine Lebensweise,<br />

die Freizeit, Hobby und Arbeit gewissermaßen miteinander verbindet, die unsere Familie<br />

prägt und die über die Jahre Synergien entstehen ließ, die unter anderem zu<br />

einer schönen Sammlung österreichischer <strong>Kunst</strong> aus der Zeit von 1960 bis zur Gegenwart<br />

geführt hat.<br />

TR: CseRNI ist in diesem sinne also auch Förderer der <strong>Kunst</strong> und erfüllt, als Teil seines<br />

öff entlichen auftretens, damit eine kulturelle Position.<br />

MC: Das stimmt. Man muss allerdings dazusagen, dass die <strong>Kunst</strong>szene auch das<br />

Unternehmen befl ügelt und dadurch neue Ideen, Gedankengüter, Materialien und<br />

Produkte in unser Leben einfl ießen, aus denen heraus sich wiederum spannende<br />

Situationen und Positionen ergeben, die unser tägliches Schaffen beeinfl ussen.<br />

AD: Wichtig ist dabei auch, dass wir durch diesen erweiterten Horizont einen speziellen<br />

Zugang zur <strong>Kunst</strong> haben und ein anspruchsvolles Kundenklientel kompetent<br />

bedienen und mit exklusiven Interiordesign-Konzepten ausstatten können.<br />

8 9<br />

Büro <strong>Cserni</strong>, Hamburg<br />

live 01 / 2012


live 01 / 2012<br />

Otto Beckmann, Linz am Binnenmeer, Einfahrt zum neuen Winterhafen mit Wahrzeichen (oben Grundriss des Projekts), Metropolis 2080<br />

10 11<br />

live 01 / 2012


live 01 / 2012<br />

ChECk-in 3<br />

airPOrt Vienna<br />

OBJeKtmöBLierUng<br />

Der Wunsch zu fliegen, einst Privileg der<br />

Götter, ist gerade mal einen entwicklungsgeschichtlichen<br />

Wimpernschlag lang Wirklichkeit<br />

geworden. In der Renaissance<br />

beschäftigte sich Leonardo da Vinci mit<br />

möglichen Formen des Fliegens und entwarf<br />

verschiedene Fluggeräte, die aber noch nicht<br />

flugtauglich waren. Erst im letzten Jahrhundert<br />

gelang der Durchbruch und der Mensch<br />

hat den Himmel erobert. Durch diese Art<br />

der Fortbewegung ist unsere Welt zusammengeschrumpft<br />

und das Verständnis von<br />

<strong>Raum</strong> und Zeit hat sich drastisch verändert.<br />

Das Flugwesen von heute, dessen einstige<br />

Leidenschaft den nüchternen Gesetzmäßigkeiten<br />

eines alltäglichen Massenbetriebes<br />

gewichen ist, fordert die Schlichtheit sowie<br />

die funktionelle Anmut eines noch nie dagewesenen<br />

just-in-time Präzisionsgeschäftes.<br />

Die Bedeutung von Flughäfen als Verkehrsknotenpunkte<br />

sind für die Wirtschaftszentren<br />

in der urbanisierten Welt zentral geworden<br />

und sie sind für deren Entwicklungspotential<br />

ein wesentliches Kriterium.<br />

Wie Paul Virilio es beschreibt, sind Flughäfen<br />

und Riesenbahnhöfe heute die neuen<br />

Knotenpunkte unserer Zivilisation und sie<br />

sind – als topografisch nicht verortbare Orte<br />

– Manifestationen unseres neuen Nomadismus<br />

geworden. Flughäfen der Gegenwart<br />

VIE Lounge, Foto: © Wolfgang Thaler<br />

gelten als transitorische Schnittstellen der<br />

globalisierten Welt.<br />

Österreichweit sind die Passagierzahlen von<br />

2000 bis 2010 um 60 Prozent gestiegen. Der<br />

österreichische Luftfahrtsektor erwirtschaftet<br />

mit 70.000 direkt und indirekt Beschäftigten<br />

vier Milliarden Euro Wertschöpfung pro Jahr.<br />

flughafen Wien<br />

Mit seinem Standort im Zentrum Europas hat<br />

sich der Flughafen Wien zu einer wichtigen<br />

Drehscheibe nach Osteuropa und in den<br />

nahen und mittleren Osten entwickelt. Zur<br />

Deckung des stetig steigenden Passagieraufkommens<br />

und zur Sicherung des internationalen<br />

Qualitäts- und Sicherheitsniveaus<br />

hat der Airport Wien seine Terminalflächen<br />

erweitert.<br />

Architektonisch zeichnet sich für das Projekt<br />

VIENNA Skylink – Check-in 3 die <strong>Architektur</strong>gemeinschaft<br />

Itten-Brechbüchl / Baumschlager-Eberle<br />

verantwortlich. Nach 6-jähriger<br />

Bauzeit ist nun der Check-in 3 fertig gestellt<br />

worden.<br />

Projektbeschreibung<br />

CSERNI hat für den gesamten Bereich den<br />

Auftrag für die Sondermöblierung des öffentlichen<br />

Flughafenbetriebes erhalten. Dieser<br />

beinhaltet sämtliche Check-In Bereiche (Inseln),<br />

Ticket-Sale-Bereiche (Inseln), Lost &<br />

Found-Schalter, Infobereiche, Bankschalter,<br />

Limousinenschalter, Passkontrollschalter,<br />

Zollbereiche und Visitiertische sowie die<br />

Ankunftsbereiche, Facility-Raucherlounges,<br />

Gatebereiche, Transfercounter und vieles<br />

mehr. Darüber hinaus erhielt CSERNI den<br />

Auftrag für den kompletten Innenausbau<br />

der VIE Lounges und die Ausstattung des<br />

Cafe Demel Shops. Für die Fertigstellung des<br />

Bauvorhabens erhielt CSERNI noch einen<br />

Rahmenauftrag für die Baumeisterarbeiten.<br />

In hochwertiger Qualität wurden teilweise<br />

in Echtholzfurnier und<br />

Vollholz nach Vorgaben<br />

internationaler Sicherheitsstandards<br />

alle Möblierungen<br />

nach Maß<br />

angefertigt. Für die<br />

verschiedenen Counter<br />

wurden Objektmöbel<br />

aus Rüster kombiniert<br />

mit Edelstahl und Lack<br />

angefertigt. Besonders<br />

hervorzuheben ist in<br />

allen umgesetzten Bereichen<br />

die gelungene<br />

Synthese zwischen modernem<br />

Design und präziser,<br />

materialgerechter<br />

Ausführung vor allem im<br />

Bereich Holz.<br />

Damit wird eine Brücke geschlagen zwischen<br />

traditionellem Tischlerhandwerk und zeitgemäßer<br />

Formensprache. In den VIE Lounges<br />

wurde zusätzlich zur Möblierung der gesamte<br />

Innenausbau mit Böden, Wänden, Decken<br />

sowie der Sanitäranlagen realisiert. Hier wird<br />

die Kompetenz von CSERNI im Bereich Innenarchitektur<br />

spürbar und sichtbar.<br />

Mit Andreas Valda als Projektleiter und<br />

Gerhard Lamprecht als Montageleiter vor Ort<br />

wurde eines der größten Projekte im Bereich<br />

Möblierung in der Unternehmensgeschichte<br />

von CSERNI erfolgreich realisiert.<br />

interview mit Dietmar eberle<br />

Thomas Redl: Was war die Intention des architektonischen<br />

entwurfs beim Check­in 3 Vienna?<br />

dietmar eberle: Großzügigkeit, Überschaubarkeit und<br />

leichte orientierung.<br />

TR: Was war das logistische Konzept des Check­in 3?<br />

de: das logistische Konzept des Check­in 3 wurde in den<br />

letzten 8 Jahren mindestens 5 mal geändert aufgrund der<br />

sich ändernden Rahmenbedingungen und sicherheitsbestimmungen<br />

die Flughäfen betreffend. es gibt ständig<br />

neue herausforderungen und das führt zu anderen logistikprozessen<br />

am Flughafen.<br />

TR: Flughäfen sind heute eigene kleine stadtstrukturen<br />

am Rande der Großstädte. Paul Virilio behauptet, dass die<br />

neuen Zentren unserer städte die Transitplätze sind – also<br />

Flughäfen und Großbahnhöfe.<br />

de: Grundsätzlich stimmt das, aber ich kenne keine einzige<br />

stadt, wo die Transitplätze wirklich zum Zentrum geworden<br />

sind, sondern es sind nur hochfrequentierte Plätze<br />

und Frequenz bedeutet nicht unbedingt Zentrum. das<br />

mit den Zentren muss man unterscheiden: ein Zentrum<br />

ist etwas, was Bedeutung trägt, was aufenthalt generiert,<br />

was attraktivität generiert. Ich glaube es gibt niemand,<br />

der nach Paris fliegt, um sich den Flughafen Charles de<br />

Gaulle anzuschauen. der Flughafen ist ein hochfrequentierter<br />

ort, aber eigentlich nur ein Übergangsort. Virilio<br />

geht wahrscheinlich von anderen Begriffen des Zentrums<br />

aus – wenn ich ein Zentrum ausschließlich anhand der<br />

Frequenz bemesse, stimmt seine Behauptung, aber das ist<br />

keine seriöse definition von Zentrum. Frequenz und Zentrum<br />

sind zwei unterschiedliche Begrifflichkeiten.<br />

TR: Flughäfen sind heute die höchstfrequentierten Plätze.<br />

Wie wirkt sich das auf die Topografie dieser orte aus?<br />

de: man versucht, auf den Flughäfen strukturen zu<br />

schaffen, die die großen Zahlen der Frequenz bewältigen,<br />

und weiters versucht man, für die aus den abwicklungen<br />

stammenden Warte­ und stehzeiten ein entsprechendes<br />

angebot zu generieren. das Bedürfnis nach mobilität<br />

steigt ständig und somit wird der Flugverkehr noch weiter<br />

zunehmen und die damit einhergehenden herausforderungen.<br />

airport<br />

Vienna Auftraggeber:<br />

Flughafen Wien Aktiengesellschaft<br />

Architekt: Baumschlager Eberle<br />

Möbeldesign: Gregor Eichinger<br />

Bereich: Möblierung der<br />

Terminalerweiterung Nord-Ost<br />

Ort/Jahr: Wien-Schwechat,<br />

2008 – 2012<br />

12 13<br />

live 01 / 2012


live 01 / 2012<br />

Foto: © Thomas Redl Foto: © Wolfgang Thaler<br />

14 15<br />

live 01 / 2012


live 01 / 2012<br />

Foto: © Wolfgang Thaler<br />

Foto: © Wolfgang Thaler<br />

16 17<br />

live 01 / 2012


live 01 / 2012<br />

eUrOPas Beste BaUten<br />

mies Van Der rOhe aWarD 2011<br />

Preis Der eUrOPäisChen UniOn FÜr ZeitgenössisChe arChiteKtUr<br />

THOMAS REDL<br />

Der Mies van der Rohe Award, der alle zwei Jahre ausgeschrieben<br />

wird, zählt heute zu einem der wichtigsten<br />

europäischen Preise für <strong>Architektur</strong>. Der 1987 ins Leben<br />

gerufene Wettbewerb (mit insgesamt 80.000 € dotiert)<br />

zeichnet Projekte aus, deren innovativer Charakter<br />

als Orientierung für die Entwicklung zeitgenössischer<br />

<strong>Architektur</strong> dient – Projekte, die außergewöhnliche<br />

Lösungen in konzeptueller, technischer und baulicher<br />

Hinsicht vorweisen. Viele der ausgezeichneten Bauten<br />

aus den letzten Jahren erwiesen sich als Meilensteine<br />

der aktuellen europäischen <strong>Architektur</strong>, darunter Bauten<br />

von Architekten wie Álvaro Siza, Sir Norman Foster,<br />

Dominique Perrault, Zaha Hadid, Rem Koolhaas. 1998<br />

erhielt Peter Zumthor für das <strong>Kunst</strong>haus Bregenz den<br />

Preis.<br />

Der Gewinner im Jahr 2011 war David Chipperfield<br />

in Zusammenarbeit mit Julian Harrap für das Neue<br />

Museum in Berlin. Als besonders talentierte Nachwuchs-ArchitektInnen<br />

wurden Ramon Bosch und Bet<br />

Capdeferro für ihr Collage Haus in Girona, Spanien geehrt.<br />

Unter den Finalisten waren unter anderem Jean<br />

Nouvel mit dem Danish Radio Concert House, Bernhard<br />

Tschumi mit dem neuen Akropolis Museum Athen und<br />

Zaha Hadid mit dem MAXXI Museum in Rom.<br />

In der Wanderausstellung, die im Sommer 2012 im<br />

<strong>Architektur</strong>zentrum Wien zu sehen war, sind insgesamt<br />

45 ausgezeichnete Bauten aus ganz Europa anhand<br />

von Plan- und Fotomaterial sowie zahlreichen Modellen<br />

gezeigt worden – eine Auswahl aus den 343 von europäischen<br />

Institutionen und internationalen ExpertInnen<br />

nominierten Projekten.<br />

Zaha Hadid, MAXXI Museum, Rom, Foto: © Iwan Baan<br />

Zaha Hadid, MAXXI Museum, Rom, Foto: © Iwan Baan<br />

Zaha haDiD<br />

MaXXI Museum of XXI Century arts, Rom<br />

ist das erste öffentliche Museum für zeitgenössische <strong>Kunst</strong> und<br />

<strong>Architektur</strong> in Italien. Nicht nur als klassisches Ausstellungshaus<br />

konzipiert, dient das Gebäude vor allem auch als Ort für die Forschung<br />

über unterschiedliche aktuelle Sprachen im Bereich <strong>Kunst</strong>,<br />

<strong>Architektur</strong>, Design, Mode und Film und fördert den Dialog der<br />

einzelnen Disziplinen.<br />

Diese Konzeption sowie die topografische Lage (L-förmiger Grundriss)<br />

fließen in die architektonische Struktur des Gebäudes ein. Es<br />

ist ein offenes Spiel zwischen Innen- und Außenraum, verschlungenen<br />

Linien, die ganz ohne rechten Winkel auskommen, geneigten<br />

Wänden und schwebenden Rampen. Dynamisch, futuristisch,<br />

fließend ist die Konstruktion aus weißem Beton, Glas und Stahl<br />

ein Bau ganz in der architektonischen Sprache von Zaha Hadid.<br />

Ein fließendes Bauwerk, das eines jedenfalls nicht kennt – starre<br />

Strukturen und Stillstand.<br />

BernarD tsChUmi<br />

acropolis Museum, athen<br />

Der Schweizer Architekt Bernard Tschumi hat einen klar geschichteten Baukörper<br />

und und logisch durchdachte Ausstellungsräume entworfen. Auch mit der Schikane,<br />

dass das Haus an keiner Stelle die Erde berühren durfte, weil die im Baugrund<br />

ausgegrabenen Reste antiker Bauten sichtbar bleiben sollten, ist Tschumi bestens<br />

zurechtgekommen. Sein Museum schwebt auf Stelzen über den klaffenden archäologischen<br />

Wunden und gibt durch große gläserne Bodenplatten, die zu betreten<br />

man erst einmal wagen muss, immer wieder den Blick frei auf die Strukturen des<br />

alten Athen.<br />

Im Inneren zieht sich die Rechteckform<br />

der auf dem Museum aufsitzenden<br />

Parthenon-Galerie als Struktur<br />

durch alle Stockwerke. Das so ausgesparte<br />

zentrale Rechteck dient im<br />

trapezförmigen Sockelbau als Funktionskern<br />

und bringt über Rampen und<br />

Rolltreppen die Besucher hinauf in die<br />

beiden Ausstellungsgeschoße und in<br />

das Zwischengeschoß. In einer einzigen<br />

logischen Auf- und Abbewegung,<br />

die man auch als kulturhistorischen<br />

Auf- und Abstieg verstehen könnte,<br />

werden die Besucher durch die Jahrhunderte<br />

geführt: Auf der einen Seite<br />

geht es über die archaische Epoche<br />

hinauf zum Parthenon, dem Gipfel der<br />

Klassik, auf der anderen an den letzten<br />

bedeutenden Bauten der Akropolis,<br />

den Propyläen, dem Nike-Tempel<br />

und dem Erechtheion, vorbei hinab<br />

bis ins 5. Jahrhundert nach Christus.<br />

Jean Nouvel, Danish Radio Concert Hall, Kopenhagen, Foto: © Philippe Ruault<br />

Bernard Tschumi, Acropolis Museum, Athen, Foto: © Christian Richters<br />

Jean nOUVeL<br />

Danish Radio Concert house, kopenhagen<br />

Der Entwurf des Konzerthauses für den dänischen<br />

Rundfunk im Stadtteil Orestad, Kopenhagen entstand,<br />

als es weder eine umgebende Bebauung<br />

noch den heute direkt anschließenden Hauptsitz<br />

des Senders gab. Ohne städtebauliche Bezüge<br />

aufzugreifen, konzipierte Jean Nouvel einen neutralen<br />

Kubus mit unerwartet vielschichtigem Innenleben.<br />

Den im Wortsinn „äußeren Rahmen“<br />

bildet ein filigranes mit blauem Glasfasergewebe<br />

verkleidetes Stahlgerüst, das bei Dunkelheit als<br />

Projektionsfläche für Veranstaltungshinweise<br />

dient. Hinter dieser semitransparenten Schicht<br />

erscheint schemenhaft die kleinteilige Struktur der<br />

Verwaltungs- und Probenbereiche, vor allem aber<br />

der von einer Hülle aus schuppenförmig überlappenden<br />

Paneelen umgebene große Konzertsaal.<br />

18<br />

19<br />

live 01 / 2012


live 01 / 2012<br />

österreiChisChe nOminierUngen<br />

Die österreichische <strong>Architektur</strong> ist in der Ausstellung des Mies van der Rohe Award im<br />

<strong>Architektur</strong>zentrum Wien mit mehr als 20 Nominierungen vertreten und zeigt somit auch einen<br />

repräsentativen Querschnitt des österreichischen <strong>Architektur</strong>geschehens. Es werden Beispiele<br />

aktueller Bauten von österreichischen Architekten gezeigt sowie auch in Österreich realisierte<br />

Bauten internationaler Architekten.<br />

arteC arChiteKten<br />

terrassenhaus – Die Bremer Stadtmusikanten<br />

tokiostrasse, Wien<br />

Das Terrassenhaus im 22. Bezirk ist eine interessante Variante von aktuellem<br />

Wohnbau in Wien. Vielschichtig und kompakt strukturiert, weist es eine interessante<br />

Typologie auf. In Anlehnung an die Erzählung der Gebrüder Grimm „Die<br />

Bremer Stadtmusikanten“ – den erfolgreichen Auftritt von Gockel, Katze, Hund<br />

und Esel – bildet die Stapelung verschieden großer Wohngebäude das Konzept<br />

des Terrassenhauses.<br />

Suburbane, zweigeschoßhohe Typologien mit jeweils spezifischen, zugeordneten<br />

Freiräumen werden zu einem dichten, städtischen Paket gestapelt: zuunterst ein<br />

offenes <strong>Raum</strong>konzept mit Galerie im hinteren Bereich und Garten vorgelagert,<br />

darauf gestellt eine Maisonette, orientiert zu einem Atrium, dann zweigeschoßige<br />

Reihenhäuser mit Terrasse, und zuoberst Kleingartenhäuser mit Höfen zwischen<br />

den Häusern. Eingeschoßige Wohnungen mit zweigeschoßhohem Loggienraum<br />

(„Casablanca“-Typologie) ergänzen den Typenvorrat. Ein einfaches, bandartiges,<br />

die Wohnungen in der Fassade markierendes Element (im Volksmund<br />

„die Spinne“) gibt dem Block Physiognomie zum öffentlichen <strong>Raum</strong> und den<br />

Wohnungen Abschluss gegen die Strasse. Die plastische Baukörpergliederung<br />

ermöglicht eine ausgeprägte Außenbeziehung der Wohnungen.<br />

Dietmar Feichtinger Architectes, Voestalpine Verwaltungsgebäude, Linz, © Josef Pausch<br />

Sowjetmoderne<br />

1955 –1991<br />

Unbekannte Geschichten<br />

Ausstellung<br />

08.11.2012 – 25.02.2013<br />

Eröffnung am 07.11.2012, 19 Uhr<br />

19. Wiener <strong>Architektur</strong> Kongress<br />

24.11.2012 – 25.11.2012<br />

Programm: www.azw.at/kongress<br />

<strong>Architektur</strong>zentrum Wien, Museumsplatz 1 im T+43 1 522 31 15, www.azw.at<br />

Artec Architekten, Terrassenhaus Tokiostrasse, Wien, © Margherita Spiluttini<br />

Dietmar FeiChtinger arChiteCtes<br />

Voestalpine Verwaltungsgebäude, linz<br />

Als markantes Portal mit weit auskragendem Vordach empfängt<br />

es die Besucher des Stahlkonzerns Voestalpine in Linz. Der<br />

Neubau von Dietmar Feichtinger Architectes ist Bestandteil der<br />

Neugestaltung der öffentlich zugänglichen Bereiche des Stahlwerks.<br />

Der 220 Meter lange geschwungene Baukörper verjüngt<br />

sich zu einer 34 Meter auskragenden verglasten Spitze, die als<br />

signifikantes Vordach den Eingang betont. Zugleich repräsentiert<br />

der Neubau auch die konstruktiven und gestalterischen<br />

Qualitäten des Materials Stahl: Der fünfgeschoßige Riegel ist<br />

als Stahlbau mit vorgespannten Stahlbetondeckenplatten errichtet.<br />

Die auskragende Spitze bilden zwei Fachwerkträger,<br />

deren Lasten der Erschließungskern sowie vier kreuzförmige<br />

Stahlstützen abtragen. Der Architekt lotet bei diesem Gebäude<br />

die Möglichkeiten des Baustoffs Stahl aus.<br />

Az W<br />

inserat_sowjetmoderne.indd 1 18.09.12 15:41<br />

VOm COrPUs Der staDt<br />

VOn Der iDeaLstaDt ZUr megaCity<br />

In dem Moment, wo wir in prähistorischer Zeit unsere<br />

Höhlen verlassen haben, begann das architektonische<br />

Wüten auf der Erde. Die Geschichte unserer Sesshaftigkeit<br />

ist auch eine Geschichte der Einvernahmung, der<br />

Vereinnahmung von <strong>Raum</strong> und Boden und den gegebenen<br />

Ressourcen. Von den nomadischen Jurten über die<br />

Lehmhäuser und Ziegelbauten bis zu den Stahl-Glas-<br />

Konstruktionen unserer Gegenwart ist die Form unseres<br />

Bauens in einem gewissen Sinne immer starrer geworden.<br />

Beweglichkeit ist der Starrheit gewichen. Temporäres<br />

Bauen wich dem Wunsch nach permanent Manifestem.<br />

Dieses Manifeste führt in unserem zivilisatorischen Voranschreiten<br />

zu Verhüttelung und Zersiedelung.<br />

Urbanität / Megacities<br />

Durch die immer schneller werdenden Transitwege<br />

schrumpft das Land und wird zur Transitstrecke degradiert.<br />

Das Land erscheint somit wie ein potemkinsches<br />

Dorf, das Idylle suggeriert, aber gekennzeichnet ist durch<br />

Abwanderung und dem Verlorengehen wichtiger Infrastruktur.<br />

Desto schneller die Transitwege, desto mehr<br />

schwindet die gegebene Infrastruktur. Die Stadt hingegen,<br />

nicht nur als Ort, sondern als urbanes Phänomen ist<br />

heute omnipräsent. Urbanität meint heute: Kommunikation,<br />

Infrastruktur, Mobilität. Und diese sind vorwiegend<br />

im urbanen <strong>Raum</strong> verfügbar. Jean Nouvel beschreibt dies<br />

folgendermaßen: Wir werden dahin gelangen, städtisch zu<br />

sein, selbst wenn wir auf dem Land wohnen. Die Zeit und<br />

nicht mehr der <strong>Raum</strong> wird unsere zukünftige Zugehörigkeit<br />

zur Urbanität bestimmen. 1<br />

Es fand in den letzten Dezennien eine rasante Urbanisierung<br />

statt und dabei sind vor allem im asiatischen <strong>Raum</strong><br />

und in Südamerika Megacities mit mehr als zehn Millionen<br />

Einwohnern entstanden. Diese Megacities sind ein<br />

Phänomen unserer Zivilisation des 20. und 21. Jahrhunderts<br />

und stellen uns vor ganz neue Herausforderungen<br />

– sozialpolitisch wie gesellschaftlich. Diese Megacities<br />

wuchsen durch die Erschließung des Umlandes, durch<br />

die Suburbanisierung, teilweise unkontrolliert und ohne<br />

Struktur und Masterplan. In dem Buch „Panische Stadt“<br />

beschreibt Paul Virilio einen Abgesang auf die Stadt als<br />

kulturelles Zentrum im Sinne der Tradition unserer abendländischen<br />

Kultur. Die zivilisatorischen und kulturellen Errungenschaften,<br />

die die Stadt verkörperten, sind passé.<br />

Heute ist die Stadt ein wildwucherndes Rhizom, das sich<br />

einerseits von global agierenden Immobilienspekulationen<br />

nährt und andererseits an ihren Rändern wächst<br />

durch den Zuzug der Landbevölkerung. Weiters werden<br />

durch die Immigrationsströme große Menschenmengen<br />

in das urbane Feld geschwemmt. Virilio spricht von einer<br />

„hysterischen Globalisierung“ – die Metropole stellt die<br />

„Zeitgenossin unserer Fortschrittsdesaster“ dar. 2<br />

la cittá ideala<br />

Diese gegenwärtige Entwicklung der Städte ist gegenproportional<br />

zum Bild der Idealstadt, wie sie in der Renaissance,<br />

inspiriert vom antiken Gedankengut, als Substitut<br />

kulturellen und sozialen Lebens entworfen wurde. Architekten<br />

und Künstler von Filarete über da Vinci bis Dürer<br />

entwickelten Idealstädte, die Archetypen glichen. Dürer<br />

zeichnete 1525 eine genau quadratische Idealstadt mit<br />

strengem Raster. Ein dreiviertel Jahrhundert später wird<br />

eine solche Stadt tatsächlich gebaut – Freudenstadt<br />

von Heinrich Schickhardt (1558-1635). Einflussreich<br />

war auch Utopia von Thomas Morus. Die ideale Stadt,<br />

immer verknüpft mit einer gesellschaftspolitischen Utopie,<br />

blieb quasi immer im Entwurfsstadium, doch haben<br />

die Renaissancestädte Aspekte von Idealstädten aufgenommen<br />

und sind wunderbare Beispiele von Städten<br />

als gelebte und gebaute Form kulturellen, sozialen und<br />

politischen Handelns. Viele Entwürfe der idealen Stadt<br />

verkörpern harmonisierte Geometrien, die in ihrer topografischen<br />

Organisation die Verbindung von Profanem<br />

und Sakralem darstellen.<br />

Wenn man die Entwicklung der idealen Stadt bis in die<br />

Gegenwart verfolgt, so sieht man, dass die archetypischen<br />

Grundformen Quadrat, Kreis, Kreuz, Stern bis heute<br />

dominieren. Le Corbusiers Chandigargh ist im Prinzip auf<br />

ein Quadrat aufgebaut, Oskar Niemeyers Brasilia auf ein<br />

Kreuz. Doch die Realität sieht gegenproportional anders<br />

aus, wie Günther Feuerstein beschreibt:<br />

Die Wucherungen der Industriestadt, die Exzesse des Kapitalismus,<br />

die Forderungen des Verkehrs lassen die hehren<br />

Ideale der noch immer in der Renaissance verhafteten<br />

Planungsmodelle kaum aufkommen. Vom großen Wurf<br />

der geometrischen Stadt müssen wir uns – schmerzlich<br />

genug für den Architekten – verabschieden, aber träumen<br />

dürfen wir weiter davon. 3<br />

Im 19. Jahrhundert und weiterfolgend im 20. Jahrhundert<br />

ist die Stadt durch die industrielle Revolution zur Maschine<br />

mutiert, zum technischen Organismus (siehe dazu die<br />

Filme: Metropolis von Fritz Lang, 1925-26; Lichter der<br />

Großstadt von Charles Chaplin, 1931).<br />

Heute ist durch die Revolution der Kommunikationssysteme<br />

ein neuer <strong>Raum</strong>, ein neues Gefüge, entstanden –<br />

der hyperreale <strong>Raum</strong> der Datenströme, ein nicht mehr<br />

verortbares Netz globaler Informationsströme. Somit sind<br />

Verkehrsknotenpunkte und Transitorte wie Bahnhöfe und<br />

Flughäfen die neuen realen Bilder der Orte unserer Zeit.<br />

Da, wo sich zigtausende Menschen bewegen im Rhythmus<br />

von Verkehrsströmen wird die neue vernetzte mediale<br />

Zivilisation spürbar. Dieses Bild einer zukünftigen Stadt<br />

ist nicht mehr ein manifester Körper, sondern es sind sich<br />

ausdehnende Netzwerke – ein Spiel der Virtualität. 4<br />

Realer und symbolischer Ort<br />

Wie Gaston Bachelard in seinem Buch Die Poetik des<br />

<strong>Raum</strong>es beschreibt ist der <strong>Raum</strong>, das Haus, der Ort, die<br />

Stadt auf der Ebene des Unbewussten auch ein metaphysisch<br />

belegter Platz, ein symbolischer Ort der Vorstellung.<br />

Hier besteht ein Wechselspiel zwischen dem<br />

real erlebten <strong>Raum</strong> und dem <strong>Raum</strong> der Vorstellungswelt.<br />

Die Stadt als Kulminationspunkt vieler Räume spielt hier<br />

eine besondere Rolle. Bachelards Interesse gilt den poetischen<br />

Bildern von Räumen. Seiner Auffassung nach ist<br />

das poetische Bild, das immer auch ein räumliches Bild<br />

ist, etwas absolut Ursprüngliches. Er untersucht Bilder<br />

des <strong>Raum</strong>es, die in den Dichtungen aller Sprachen häufig<br />

wiederkehren. Zunächst Bilder intimer Räumlichkeit:<br />

das Haus, der Schlupfwinkel, die Höhle, die Muscheln;<br />

und schließlich den Gegensatz von Drinnen und Draußen.<br />

5 Diese Sichtweise ist interessant im Bezug auf die<br />

Wahrnehmung der Stadt. Die mittelalterliche Stadt mit<br />

schützender Stadtmauer vermittelt Geborgenheit, die<br />

Millionenstädte schaffen in ihrer Unüberschaubarkeit ein<br />

Gefühl der Verlorenheit.<br />

Führt die chaotische Stadtstruktur zu zunehmendem inneren<br />

Chaos ihrer Bewohner? Und würde im Gegensatz<br />

dazu die Idealstadt das Leben der Bewohner strukturieren<br />

und harmonisieren, also die äußere Ordnung auch die<br />

innere ermöglichen und fördern? Führt eine rein an Kapitalströme<br />

gebundene Stadt zu einer rein materialistischen<br />

Orientierung ihrer Bewohner? Und wenn die religiösen<br />

und geistigen Zentren fehlen bzw. diese nur mehr touristische<br />

Funktion haben, werden die Shoppingmalls die<br />

neuen Stadtzentren und die Orte unseres säkularisierten<br />

religiösen Handelns?<br />

Shanghai, die wichtigste Industriemetropole Chinas mit<br />

über 20 Millionen Einwohnern, gehört zu den sich am<br />

schnellsten verändernden Megacities. Aufgrund der<br />

rasanten Entwicklung wird hier halbjährlich ein neuer<br />

Stadtplan erstellt. In der Kernstadt beträgt die Bevölkerungsdichte<br />

7226 Einwohner pro km 2 – im Vergleich dazu<br />

weist Berlin eine Dichte von 3800 Einwohner pro km 2 auf.<br />

Hoffnungslose Überbevölkerung und massive Umweltprobleme<br />

sind die Folge. Immer mehr Menschen leiden an<br />

urbanen burn-out Syndromen; der Pulsschlag der Stadt<br />

scheint immer schneller zu sein als der der Menschen.<br />

Die gegenwärtigen Probleme der Megacities sind schon<br />

aufgrund ihrer Dimensionen (zehn bis zwanzig Millionen)<br />

und ihrer Wachstumsgeschwindigkeit größer, als es die<br />

Probleme der europäischen und nordamerikanischen<br />

Großstädte während der Industrialisierung im 19. Jahrhundert<br />

je waren.<br />

Campo Mondo<br />

Die Stadt als konzentrierter Platz der Welt spiegelt die<br />

Befindlichkeit unserer Zivilisation, sie ist das kulturelle<br />

Amalgam unserer Zeit. Um zukünftige Modelle der Stadt<br />

zu entwickeln, sollte man die historischen Modelle und die<br />

Entwicklungen der Antike und der Renaissance nicht völlig<br />

außer Acht lassen. Der Mensch, in den Größenverhältnissen<br />

der Megacities verschwindend, ist als proportionales<br />

Maß wieder zu entdecken.<br />

Ist die ideale Stadt ein irdisches Paradies, eine vollkommene<br />

Ordnung, eine perfekte Struktur von profanem und<br />

sakralem Leben? Die ideale Stadt wäre ein Körper ohne<br />

Schmerz.<br />

1 Jean Baudrillard, Jean Nouvel, Einzigartige Objekte – <strong>Architektur</strong><br />

und Philosophie, Passagen Verlag Wien, 2004<br />

2 Paul Virilio, Panische Stadt, Passagen Verlag Wien, 2007<br />

3 Günther Feurstein, Geometrie und Chaos: Die andere Stadt;<br />

fair-Zeitung Nr. 12/2011, Wien/Berlin<br />

4 Jean Baudrillard, Jean Nouvel, Einzigartige Objekte – <strong>Architektur</strong><br />

und Philosophie, Passagen Verlag Wien, 2004<br />

5 Gaston Bachelard, Die Poetik des <strong>Raum</strong>es, Fischer Verlag,<br />

1987<br />

20 21<br />

THOMAS REDL<br />

Schule Piero della Francesca (?), Idealstadt um 1450<br />

Heinrich Schickhardt, Plan von Freudenstadt, 1604<br />

Shanghai, Foto: Andrea Baczynski<br />

Strand von Mumbai<br />

live 01 / 2012


live 01 / 2012<br />

OttO BeCKmanns<br />

imaginäre arChiteKtUr<br />

OSKAR BECKMANN<br />

Otto Beckmann, Skyline (Hiroshima), Bildschirmfoto, 1970 (Abb. 1)<br />

Das Errichten von Gebäuden ist stets zweckgebunden – und doch<br />

ist die <strong>Architektur</strong>, als Baukunst verstanden, immer auf der Suche<br />

nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten, die das Lebensgefühl einer<br />

Epoche manifestieren können. Als Parallelaktion dazu existiert<br />

die kulturgeschichtliche Tradition von gedachten Bauwerken und<br />

Stadtkonzepten, welche vom Turmbau zu Babel über Atlantis bis<br />

zur Science Fiction der Gegenwart reicht, wie der Architekt Günther<br />

Feuerstein in seinem Buch „Urban Fiction“ so treffend beschreibt.<br />

Auch im vielseitigen Schaffen des Bildhauers und Computerkünstlers<br />

Otto Beckmann (1908 –1997) spielten gedachte architektonische<br />

Formenwelten eine wesentliche Rolle. Er nannte diese Art<br />

der künstlerischen Auseinandersetzung imaginäre <strong>Architektur</strong><br />

und verstand darunter die Fokussierung auf den ersten Schritt<br />

des Entwurfs, in statu nascendi, wo noch vor dem Einsetzen der<br />

Zweckbindung und Fragen der Realisierbarkeit die Kreativität freies<br />

künstlerisches Spiel hat.<br />

Zu den frühesten Arbeiten auf diesem Gebiet zählt ein 16-mm<br />

Experimentalfilm mit dem Titel Imaginäre <strong>Architektur</strong> – ein<br />

cinematrischer Film aus dem Jahr 1966, der bei der legendären<br />

Tendencije 4 (siehe: Margit Rosen „A Little-Known Story about<br />

a Movement…“, The MIT Press, Cambridge) in Zagreb 1969<br />

präsentiert wurde, aber leider verloren gegangen ist; sowie eine<br />

Grafik aus dem Jahr 1967.<br />

Die eigentliche Blütezeit dieses Themas begann aber erst, als Otto<br />

Beckmann für seine künstlerischen Arbeiten Computer einsetzte.<br />

Er gründete dazu im Herbst 1966 mit Wissenschaftlern der Technischen<br />

Universität Wien die Arbeitsgruppe ars intermedia, die<br />

sich mit Computergrafik, Lasergrafik, Experimentalfilm, Klangabfolgen<br />

und Textmontagen befasste. Wie Frieder Nake in seinem<br />

Artikel „The Semiotic Engine“, Art Journal Vol.68/I bemerkte, war<br />

es damals möglicherweise weltweit die erfolgreichste Experimentalgruppe<br />

dieser Art.<br />

Die Pionierzeit der Computerkunst, die kunsthistorisch von den<br />

frühen 60er Jahren bis 1979 gerechnet wird, war alles andere als<br />

eine homogene Strömung. Bezogen auf die <strong>Architektur</strong> spannte<br />

sich der Bogen von der visionären „Architecture Machine“ des<br />

Nicholas Negroponte, über die wissenschaftliche Ästhetik des Max<br />

Bense bis zu frühen CAD-(computer aided design)-Anwendungen,<br />

wie etwa der Messestand von Ludwig Rase. In diesem Umfeld<br />

von Wissenschaftlern, Philosophen und Programmierern waren<br />

Künstler kaum vertreten.<br />

Einer der wenigen freischaffenden Künstler in der frühen<br />

22 23<br />

live 01 / 2012<br />

Otto Beckmann, Turm (hotel tower with heliport), 1971 (Abb. 2)


live 01 / 2012<br />

Otto Beckmann, Kombinat, comuptergenerierte Front- und Seitenansicht, 1972,<br />

ZKM Karlsruhe (Abb. 3)<br />

Computerkunstszene war Otto Beckmann. Sein Bestreben war<br />

es, den kreativen Prozess selbst als Mensch-Maschine-Dialog<br />

zu modellieren: Eine einmal eingestellte Komposition wurde vom<br />

Rechner auf Grund eines konditionierten Zufallprozesses mit Gedächtnis<br />

laufend variiert, und der Mensch verfolgte über ein Display<br />

den Ergebnisablauf in Echtzeit und konnte über Einstellregler wesentliche<br />

Parameter des Prozesses unmittelbar steuern. So entstanden<br />

oft unerwartete Ergebnisse, die fotografisch festgehalten<br />

wurden. Es war sozusagen ein kybernetisches „Evolutionsspiel“:<br />

Mutation und Vererbung wurden durch Selektion gesteuert, sodass<br />

neue Arten entstanden. Voraussetzung dafür war allerdings eine<br />

spezielle Hardware, die der Sohn des Künstlers, Oskar Beckmann,<br />

konstruierte. Dieser Ateliercomputer a.i.70 (a.i. für ars intermedia)<br />

ging im Sommer 1970 in Betrieb und wurde mehrfach erweitert.<br />

Entsprechend dem Fortschritt der Programme kann man unterschiedliche<br />

Ausprägungen der Arbeiten beobachten. Anfänglich<br />

waren die Ergebnisse fassadenartig oder wie die Skyline einer<br />

Stadt (Abb. 1), später turmartige Silhouetten (Abb. 2). Die erzielten<br />

Bildschirmfotos wurden entweder als Endergebnis genommen oder<br />

als Vorlage für Drucke in verschiedenen Techniken verwendet.<br />

Ein weiterer Schritt war die Programmierung von virtuellen 3-D Objekten,<br />

die am Display als Grund-, Auf- oder Seitenriss erschienen.<br />

Abbildung 3 zeigt die computergenerierte Konstruktionszeichnung<br />

eines Kongresszentrums, nach der Otto Beckmann ein Strukturmodell<br />

aus Draht angefertigt hat. Schließlich war auch die perspektivische<br />

(axonometrische) Darstellung des virtuellen 3-D Objekts<br />

möglich.<br />

Im November 1971 zeigte Otto Beckmann diese Ergebnisse in der<br />

Ausstellung „ars intermedia, Werkbeiträge zur Computerkunst“ in<br />

der Wiener Zentralsparkasse. Zur Ausstellung erschien ein gleichnamiger<br />

Katalog, der die Entwurfsmethoden beschreibt. Otto Beckmann<br />

schrieb darin:<br />

Durch die Überlagerung dieser simplen Programme durch Korrelierung<br />

entstehen bereits „imaginäre <strong>Architektur</strong>en“. Obwohl<br />

die Programmausgabe auf Wunsch auch Grund- und Seitenrisse<br />

liefern könnte, sind diese nicht im Sinne des Bauplaners<br />

zu werten, sondern als zweckfreies Formenspiel einer durch<br />

nichts gebundenen <strong>Architektur</strong>. Für die „imaginäre <strong>Architektur</strong>“<br />

lassen sich umfassende Programme erstellen: Charakteristika<br />

von Betonstrukturen, Fassaden, Panoramabilder ganzer Städte,<br />

Turmkombinate bis zu Pfahlbauten im Meer. Diese Bilder können<br />

auf Band gespeichert oder auch filmisch festgehalten werden.<br />

Fast gleichzeitig mit der Ausstellung in der Zentralsparkasse wurde<br />

in Graz im Rahmen der Trigon71 unter dem Titel „urbana intermedia“<br />

ein Wettbewerb ausgeschrieben. Otto Beckmann reichte<br />

einige Ideen und Projekte ein. Unter anderem die Gestaltung eines<br />

öffentlichen Platzes mit einer Skulptur aus drehbaren Walzen, die<br />

in Bewegung die bildhauerische Struktur änderten und gleichzeitig<br />

eine Tonfolge von sich gab. Ein Bild-Ton-identischer mobiler<br />

Klangturm. Sehr zur Enttäuschung der teilnehmenden Künstler und<br />

Architekten wurden die ausgeschriebenen Preise des Wettbewerbs<br />

aber gar nicht vergeben.<br />

Die Idee mit den drehbaren Walzen, die vom Betrachter manipuliert<br />

werden konnten, hat Otto Beckmann etwas später bei dem mobilen<br />

Relief (200 x 260 x 23 cm) im Innenraum einer Wiener Schule<br />

verwirklicht. Dieses Objekt befindet sich jetzt im MUSA – Museum<br />

der Stadt Wien.<br />

Unter den zahlreichen Ausstellungen im Ausland ist die vom österreichischen<br />

Kulturinstitut organisierte Ausstellung 1973 in Istanbul<br />

zu erwähnen, da sie an der <strong>Architektur</strong>-Fakultät der Universität<br />

stattgefunden hatte. Auch der 1973 an Oskar Beckmann verliehene<br />

Schärf-Preis zur Förderung der Wissenschaften hatte einen Bezug<br />

zur <strong>Architektur</strong>. In der Begründung für die Förderung hieß es:<br />

Für den Bau eines Ateliercomputers (Hybridsystem) mit spezieller<br />

Berücksichtigung von architektonischen Aufgaben der<br />

<strong>Raum</strong>planung (architektonische Planspiele).<br />

Es ist bezeichnend für die Vielseitigkeit von Otto Beckmann, dass er<br />

oft gleichzeitig unterschiedliche Ansätze verfolgte. So schuf er 1973<br />

ein architektonisches Objekt, welches mit dem Schlagwort funktionelle<br />

Skulptur beschrieben werden könnte: Das Objekt war eine<br />

Skulptur, die bewohnbar gedacht werden konnte, beziehungsweise<br />

ein Baumodell, welches bildhauerischen Ansprüchen entsprach.<br />

Das Design basierte dabei auf zwei einfachen Algorithmen, was<br />

Otto Beckmann, Imaginäre <strong>Architektur</strong> ( Konzernzentrale in Wien), um 1974 (Abb. 5)<br />

Otto Beckmann, Imaginäres architektonisches Projekt am Industriehafen, Metropolis 2080, 1979 (Abb. 6)<br />

Otto Beckmann, Architektonisches<br />

computergenerierte Objekt, Styropor,<br />

365 cm hoch, 1972, Atelierfoto<br />

(Abb. 4)<br />

zu einer überraschenden Klarheit<br />

des ausgeführten Objektes führt<br />

(Abb. 4). In seinem Arbeitsbuch erwähnte<br />

Otto Beckmann, dass die<br />

modulare Struktur des Objekts eine<br />

rationelle Bauweise ermöglichen<br />

könne. Erstmals ausgestellt wurde<br />

diese Skulptur bei der kon73 in der<br />

Wiener Secession. Die zerstörte<br />

Skulptur wurde 2007 wiederhergestellt<br />

und befindet sich im Joanneum<br />

(Neue Galerie), Graz.<br />

Die künstlerische Auseinandersetzung<br />

mit der <strong>Architektur</strong> erreichte<br />

zweifellos durch die Kombination<br />

von computergenerierten 3-D Objekten<br />

mit einer realen Landschaft<br />

oder mit einem bestehenden urbanen<br />

Umfeld ihren Höhepunkt. Die<br />

Installation der virtuellen Welt in der<br />

realen Welt erzeugte architektonische<br />

Visionen von beschwörendem<br />

Charakter (Abb. 5 und 6). Es war<br />

eine sehr produktive Werksphase,<br />

die ungefähr um 1974 begann. Das<br />

von Richard Beckmann gegründete Archiv-Otto-Beckmann enthält<br />

eine große Anzahl dieser Arbeiten.<br />

Eine Serie dieser Arbeiten, die Otto Beckmann – möglicherweise<br />

als Hommage an Fritz Langs utopisches Meisterwerk der Stummfilmzeit<br />

sowie als zukunftsweisenden Anspruch – Metropolis 2080<br />

nannte, wurde bei der ersten und zweiten Ars Electronica in Linz<br />

präsentiert (Abb. 6). Im Festival Katalog der Ars Electronica 1980<br />

schrieb Otto Beckmann:<br />

Linz 2080 (Metropolis 2080):<br />

Die Computerkunst hat ein Stadium erreicht, bei dem der Computer<br />

in den schöpferischen Prozess voll integriert werden kann<br />

und eine neue Arbeitsmethode von starker Eigengesetzlichkeit<br />

ermöglicht. Bei unserem 1979 in Linz gezeigten Film „Imaginäre<br />

Computerarchitektur in der Landschaft“ wurde der Versuch<br />

unternommen, perspektivische Strukturen, die der Computer<br />

ausgibt, in die „Wirklichkeit“ einzubauen. Der Film „Linz 2080“<br />

versucht, modifizierte Programme der Gattung „Imaginäre <strong>Architektur</strong>“<br />

in eine Rahmenhandlung einzubeziehen und damit<br />

Zukunftsvisionen zu gestalten.<br />

Man konnte auch einige sich in der Computerkunst erst anbahnende<br />

Entwicklungen aufzeigen, und zwar an Exponaten einer<br />

fiktiven Ausstellung, die im Rahmen der Ars Electronica 2080<br />

stattfand:<br />

Auf dem Gelände des alten Linzer Hafens, das schon seit<br />

längerer Zeit ein Freilichtmuseum ist, stehen Computerplastiken<br />

mit Schwebemagneten (Abb. 7) und als besondere Attraktion<br />

eine computergenerierte Laserplastik, die als Hologramm (Abb.8)<br />

weder Gewicht noch Masse besitzt. Die Besucher der Ausstellung<br />

könnten durch diese Plastik ruhig hindurchgehen. Etwas<br />

weiter, wo die Donau zu einem großen Binnenmeer angestaut<br />

ist, steht bei der Einfahrt in den neuen Winterhafen als Wahrzeichen<br />

eine 180 m hohe Computerplastik. Ein elektronisches<br />

Ballett und Laserstrukturen am nächtlichen Himmel erweitern<br />

und schließen den Film.<br />

Seither sind mehr als 30 Jahre vergangen, aber die visionären architektonischen<br />

Formenwelten von Otto Beckmann strahlen heute<br />

noch vitale Aktualität aus. Mathias Boeckl schreibt in seinem Beitrag<br />

zum Buch „Otto Beckmann – Zwischen Mystik und Kalkül“<br />

(Hrg. Peter Weibel/Peter Peer):<br />

Exakt dieses Vakuum (der <strong>Architektur</strong>) ist jener bislang weitgehend<br />

unerschlossene Spielraum von Kultur und Metaphysik, auf<br />

den Beckmann hinweisen wollte – in dieser Erkenntnis war er<br />

seiner Zeit um zwei bis drei Jahrzehnte voraus.<br />

Alle Bilder: Copyright: www.archiv-otto-beckmann.com, 2012<br />

24 25<br />

live 01 / 2012<br />

Otto Beckmann, Metropolis 2080: Computerplastik im Freilichtmuseum Linzer Hafen (oben Grundriss des Objekts),<br />

1980 (Abb. 7)<br />

Otto Beckmann, Metropolis 2080: begehbare Hologramm-Skulptur, 1980 (Abb. 8)<br />

Otto Beckmann (*1908 Wladiwostok, †1997 Wien) verdankt seine<br />

Bedeutung aus heutiger Sicht vor allem seiner Rolle als Pionier<br />

der Computerkunst. Nach dem Studium der Bildhauerei Ende der<br />

1930er Jahre an der Wiener Akademie entwickelte er erste Gedanken<br />

zur künstlerischen Formgebung auf der Basis mathematischer<br />

Methoden wie Algorithmen. In den späten 1940ern schloss er<br />

sich der Gruppe „Der Kreis“ an, in den 1950er Jahren gehörte er<br />

zum so genannten „Kleeblatt“, einem losen Zusammenschluss<br />

informeller MalerInnen im Umkreis der Wiener Secession. Nach<br />

seinen grafischen, darunter auch surrealistischen Arbeiten und<br />

erfolgreichen Auftragswerken im öffentlichen <strong>Raum</strong> (Emailarbeiten<br />

in Kirchen und später in Schulen) wandte er sich in den 1960er Jahren<br />

wieder verstärkt der algorithmischen Methode zu. 1966 gründete<br />

er eine Arbeitsgruppe für Computerkunst, „ars intermedia“, und<br />

vernetzte sich mit der internationalen Szene der konkreten <strong>Kunst</strong><br />

und der Computerkunst (u.a. mit dem Kreis der „Neuen Tendenzen“<br />

in Zagreb). Ab 1970 arbeitete Beckmann auf einem eigens für ihn<br />

konzipierten „Ateliercomputer“, dessen Ergebnisse er in die Medien<br />

Plastik, Fotografie, Film, Laser und Akustik umsetzte. So entstanden<br />

visionäre <strong>Architektur</strong>szenarien, Lasergrafiken, Computerfilme und<br />

-skulpturen. Beckmann beschäftigte sich jedoch auch fortwährend<br />

mit Phänomenen jenseits des rational Erfahrbaren, denn eine <strong>Kunst</strong>,<br />

die sich allein in technischen Verfahren und Methoden verliert, hatte<br />

ihn nicht interessiert. Werke der 1950/60er Jahre verweisen auf<br />

religiöse Geheimlehren, ab 1970 entstanden fetischartige Plastiken<br />

aus Fundgegenständen in der Tradition des surrealistischen „Objet<br />

trouve“. So bewegte sich Beckmann stets zwischen Magie und Kalkül,<br />

Mathematik und Mystik.<br />

2008 fand eine retrospektive Ausstellung seines Schaffens in der<br />

Neuen Galerie Graz am Landesmuseum Joanneum statt, kuratiert<br />

von Peter Peer und Peter Weibel.<br />

Dazu erschien die umfangreiche Monografie OTTO BECKMANN –<br />

zwischen Mystik und Kalkül im Verlag der Buchhandlung Walther<br />

König, Köln.<br />

Peter Peer


live 01 / 2012<br />

Otto Beckmann, Imaginäres Projekt (urban peninsula), 1979<br />

26 27<br />

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live 01 / 2012<br />

Hotelzimmer in Weißtönen, Design: Jean Nouvel, Foto: © UNIQA/Artinger<br />

Architecture is the art of taming constraints; of poetizing contradictions; of looking differently at<br />

common and trivial things in order to reveal their singularity. Architecture is an opportunity, in a city<br />

marked by history, to continue games begun by others years or centuries ago. It is a clever game<br />

of chance and intention; an occasion to modify, to deepen, or to change the meaning of a context.<br />

Architecture is about making apparitions.<br />

In Vienna architecture is all that, but here the resonance is particularly savory and dangerous, so<br />

great is the temptation to invent and to pervert what is so elegant. So just imagine that starting<br />

with these curious constructible prisms, their planes begin to slide; intersections are created; one<br />

plane begins to tilt under the magnetic deviance of HH while another decides to light the city from<br />

a ceiling made of furtive images. Imagine that the other planes begin to vibrate with a thousand<br />

lines of variable orientation and reflectivity, that gray sometimes melts into gray squares on a gray<br />

background. It is not surprising then to find that the oblique plan of the roof becomes hatched,<br />

weaving a tight, random pattern of parallelograms and lozenges, that the planes to the North take<br />

the form of granited glass for transparence; that the planes to the West cloak themselves in variations<br />

of black to display their shadows. At the limit between building and sky there is another, flat<br />

plane that reveals the appearance-disappearance of changing faces, an evocation of the multiple<br />

faces forever linked to the depth of imagery born of this city.<br />

Jean Nouvel<br />

www.jeannouvel.com<br />

sOFiteL Vienna<br />

arChiteKt Jean nOUVeL<br />

Der Stararchitekt Jean Nouvel hat mit seinem Bau eine<br />

zentrale architektonische Landmark im Zentrum von Wien<br />

geschaffen. Der durch den raffinierten Einsatz von Spiegelungen<br />

und Reflexionen schwerelos wirkende Bau ist ein<br />

zeitgenössisches Statement inmitten des Wiener Stadtambientes.<br />

Topografisch neigt sich das Gebäude optisch<br />

zum gegenüberliegenden Media Tower von Hans Hollein<br />

und beide gemeinsam bilden so ein Tor in den zweiten<br />

Bezirk. Trotz seiner beachtlichen Höhe von 75 Metern fügt<br />

sich der Bau durch die Raffinesse seiner unterschiedlich<br />

spiegelnden Fassade elegant in das Stadtgefüge. Je nach<br />

Himmelsrichtung erscheint das Gebäude in einer anderen<br />

Farbe – Grau im Süden, Schwarz im Westen, Weiß im<br />

Norden und transparent wirkend im Osten.<br />

Das Gebäude hat Mehrfachfunktion: Es beherbergt das<br />

Luxushotel Sofitel Vienna, das Designkaufhaus Stilwerk<br />

und das Restaurant Le Loft im obersten Stock. Im mehrgeschoßigen<br />

Sockel, der sich wie ein Keil in das Gebäude<br />

schiebt, befindet sich vom Erdgeschoß bis zum vierten<br />

Stock das Designkaufhaus mit seinen unterschiedlichen<br />

Mietern. Steht man dort im Foyer und blickt nach oben,<br />

sieht man die verspiegelten Galerien und die illuminierte<br />

Lichtdecke. Blickt man nach hinten, sieht man auf einen<br />

600 qm großen vertical garden von Patrick Blanc, der auf<br />

der Brandschutzmauer des Nebengebäudes angebracht<br />

ist.<br />

Eine weitere Raffinesse des Gebäudes sind die auf den<br />

verschiedenen Untersichten des Gebäudes angebrachten<br />

Lichtdecken, gestaltet von der Künstlerin Pipilotti Rist.<br />

Vor allem in der Nacht werden sie zu einem optischen<br />

Spektakel, floral und farbenprächtig leuchtend.<br />

Das Sofitel Vienna ist in typischer Jean Nouvel Manier<br />

cool und minimalistisch gestaltet. Das Farbkonzept der<br />

Fassade wird innen weitergeführt – die Zimmer sind streng<br />

monochrom in grau, weiß oder schwarz gestaltet. Von<br />

den reduziert gehaltenen Zimmern eröffnen sich für den<br />

Gast tolle Blicke auf die Stadt. Gekrönt wird der Blick<br />

im obersten Stock, im Restaurant Le Loft angekommen,<br />

tut sich ein phantastisches Panorama über Wien auf und<br />

das in allen Himmelsrichtungen. Es lohnt sich hierher zu<br />

kommen und direkt an der Glasfassade Platz zu nehmen,<br />

um den neuen Blick auf Wien zu genießen.<br />

Projektbeschreibung:<br />

Nach dem Design von Jean Nouvel wurden die 184 Zimmer<br />

des Hotels von CSERNI umgesetzt, dabei war es eine<br />

besondere Herausforderung, die auch in der Innenraumgestaltung<br />

speziellen architektonischen Anforderungen von<br />

Jean Nouvel und dem Bauherren, der Uniqa Group Austria,<br />

adäquat umzusetzen. Nouvel designte hier die komplette<br />

Einrichtung, die in der Ausführung einen besonders hochwertigen<br />

Standard verlangt hat. Die Aufgabe von CSERNI<br />

beinhaltete die Erstellung der Detail- und Ausführungspläne<br />

nach Vorgabe des Architekten, die Koordination<br />

der einzelnen Ausbaugewerke sowie die Umsetzung der<br />

Tischler-, Glaser- und Schlosserarbeiten vor Ort. Die Eröffnung<br />

erfolgte im Dezember 2010.<br />

Sofitel Vienna, <strong>Architektur</strong> Jean Nouvel, Foto: © Thomas Redl<br />

Hotelzimmer in Grautönen, Design: Jean Nouvel, Foto: © UNIQA/Artinger<br />

28 29<br />

sofitel<br />

Vienna<br />

Auftraggeber: UNIQA<br />

Immobilien-Service GmbH<br />

Architekt: Jean Nouvel<br />

Bereich: Generalunternehmer -<br />

Hoteleinrichtung<br />

Ort/Jahr: Wien, 2010<br />

live 01 / 2012


live 01 / 2012<br />

Musterwohnung Hamerlingpark, Design: Anika Müth, Foto: © Thomas Redl<br />

<strong>Cserni</strong> interiOr<br />

gesamtheitliche Konzeptionen<br />

& exklusive Kundenbetreuung<br />

für CSERnI bedeutet Innenarchitektur ein<br />

ganz heitliches und harmonisches Interior zu<br />

kreieren, dass die Gesamt- und ausführungsplanung,<br />

den Möbelentwurf, die farb- und<br />

lichtkonzeption, die auswahl der accessoires<br />

und artworks sowie Exterior konzepte<br />

beinhaltet.<br />

Die Innenarchitektin Anika Müth erstellt für<br />

CSERNI in Österreich gesamtheitliche Interior<br />

Konzepte im privaten Residential Bereich, welche<br />

auf die individuellen Wünsche der nationalen<br />

und internationalen Kunden abgestimmt sind.<br />

Unter kompetenter Betreuung – unterstützt<br />

durch ausdrucksstarke Schauräume und Materialbibliotheken<br />

– sowie mit Präzision und gestalterischem<br />

Feingefühl werden die Wohnträume<br />

der exklusiven Kunden erfüllt.<br />

Die Faszination Wohnen ist für Anika Müth eine<br />

Kreation einzigartiger Interieurs, vom Erstentwurf<br />

angefangen über das <strong>Raum</strong>design bis zur<br />

Detailplanung der Möbel, die Farb- und Lichtgestaltung,<br />

die Auswahl der <strong>Kunst</strong> und Accessoires<br />

bis hin zur Einbindung des Außenraums.<br />

Dazugehörend stellt sie dem Kunden gerne individuelle<br />

Moodboards, Materialcollagen sowie<br />

Dekorationen zusammen.<br />

Bei ihren Custom Designs exquisiter Möbel wird<br />

neben vielfältigen Hölzern, hochwertigen Metall-<br />

und Lackoberflächen auch mit ausgefallenen<br />

Materialien wie Perlmutt, Egg shell, Horn, gefärbten<br />

Spiegel- oder geprägten Lederoberflächen<br />

gearbeitet. Diese werden von uns in unserer<br />

modernst eingerichteten Tischlerei umgesetzt.<br />

Eigens kreierte Polstermöbel, entworfen von der<br />

Innenarchitektin, werden in Zusammenarbeit mit<br />

hochwertigen Werkstätten realisiert. Hier wird ein<br />

maßgeschneiderter Sitzkomfort entwickelt, der<br />

individuelle Kundenwünsche wie zum Beispiel<br />

Härte der Sitz- und Rückenpolsterung, Proportion<br />

der Armlehnen oder Ausführung der Sitzhöhe<br />

sowie -tiefe mit Feingefühl berücksichtigt.<br />

Ebenso integriert Anika Müth in ihren Interiordesigns<br />

auch internationale Brands wie Sitzmöbel<br />

von Christian Liaigre, Philippe Hurel und Baker.<br />

Dazugehörend werden harmonische Stoffe für<br />

Vorhänge, Dekokissen, Plaids, Tischwäsche etc.<br />

individuell zusammengestellt. Mit Leuchten von<br />

beispielsweise Porta Romana, Teppichen von<br />

Tai Ping oder Accessoires von DK Home, Arcade<br />

Avec oder Anna Torfs wird das Gesamtkonzept<br />

schlussendlich abgerundet.<br />

Skizzen zu Musterwohnung Hamerlingpark, Anika Müth<br />

Mit der Leidenschaft, exklusive Gesamtlösungen<br />

aus einer Hand zu bieten, werden die harmonischen<br />

Interior Designs entwickelt. Eine Komposition<br />

aus dem Verständnis für das Wesentliche<br />

und mit dem Blick für Details zu entwickeln, ist<br />

das Ziel der Innenarchitektin. Damit schafft sie<br />

ein unverwechselbares <strong>Raum</strong>gefühl.<br />

Zuhören und mit Feingefühl die Vorstellungen<br />

der Kunden zu realisieren, hat oberste Priorität.<br />

„Mit Sinnlichkeit und Tradition schaffen wir eine<br />

individuelle Lebensart, in der die exklusive Betreuung<br />

der Kunden an erster Stelle steht“. anika Müth studierte Innenarchitektur an<br />

der TU Darmstadt. Nach ihrem Studium<br />

war sie in Hamburg tätig, wo sie für internationale<br />

High-End-Kunden Yacht-Interiors<br />

sowie exklusive <strong>Raum</strong>- und Möbel-Designs<br />

für Residences und Villen entwickelte. Seit<br />

2011 ist sie für <strong>Cserni</strong>, Bereich Interiordesign<br />

tätig.<br />

Accessoire Armadillo, Design: Anna Torf<br />

Details Stoffmuster, Fotos: © Thomas Redl Materialdetail Perlmutt, Foto: © Thomas Redl Materialcollagen, Fotos: © Thomas Redl<br />

eine Komposition aus dem Verständnis<br />

für das Wesentliche<br />

und mit dem Blick für Details<br />

zu entwickeln, ist das Ziel von<br />

<strong>Cserni</strong> interior.<br />

anika müth<br />

30 31<br />

live 01 / 2012


live 01 / 2012<br />

Das hamerLing<br />

exklusives Wohnen in Wien<br />

Um die Jahrhundertwende von Viktor Siedek und<br />

Karl Stigler errichtet, erinnert der monumentale<br />

Prachtbau „Das Hamerling“ noch heute an seine<br />

glorreiche Vergangenheit als k. & .k. Kartographisches<br />

Institut zu Zeiten der Monarchie. Die hervorragende<br />

Lage, eingebettet in ein historisches Viertel,<br />

den achten Wiener Gemeindebezirk, und die großzügige<br />

Anordnung inmitten des Hamerlingplatzes<br />

direkt am 6.000 Quadratmeter großen Hamerlingpark<br />

machen es zu einem Juwel der Entspannung inmitten<br />

der Großstadthektik.<br />

Ein Juwel, das als einzigartiges Wohnbauprojekt<br />

sorgsam revitalisierte Baukunst, moderne <strong>Architektur</strong><br />

Rendering „Das Hamerling“, alle Abbildungen: © www.jamjam.at<br />

Dachterrassen<br />

Musterwohnungen<br />

und innovative Technik vereint und extravagantes<br />

sowie unvergleichliches Wohnerlebnis, sowohl in<br />

seinem beeindruckenden Mitteltrakt, als auch den<br />

beiden großzügigen Gebäudeflügeln mit begrüntem<br />

Innenhof garantiert.<br />

Die klassischen <strong>Raum</strong>höhen (bis zu 3,70m) sorgen<br />

für das typische Wiener Altbau Wohnflair und die<br />

hochwertige Ausstattung mit Fußbodenheizung,<br />

Videogegensprechanlage, Parkettböden, Loggien<br />

und Terrassen schafft ein unvergleichliches Wohnambiente.<br />

Die luxuriösen Dachgeschoße zeichnen<br />

sich durch einen atemberaubenden Blick über Wien<br />

aus und die loftartigen, lichtdurchfluteten Penthäuser<br />

verkörpern das gelungene Zusammenspiel von historischer<br />

und zeitgenössischer Baukunst. Das Erdgeschoß<br />

– das Herzstück des Gebäudes – mit seinem<br />

architektonisch imposanten Foyer besteht aus einer<br />

luxuriösen Lobby samt Lounge, einem hauseigenen<br />

Restaurant und dem Concierge-Service und bietet<br />

alle Annehmlichkeiten, die modernes Wohnen auf<br />

hohem Niveau heute verlangt. Die Tiefgarage und<br />

der Privatgarten runden das Konzept ab.<br />

Das Wohnprojekt wird 2014 fertig gestellt.<br />

Ein Projekt von: BIG E & V, SORAVIA Group und<br />

MHH Development AG.<br />

interview mit erwin soravia<br />

Vorstand der Soravia Group<br />

Thomas Redl: das hamerling ist ein<br />

sehr umfangreicher Baukörper im innerstädtischen<br />

<strong>Raum</strong> Wiens. Wie groß ist<br />

das Projekt und wie viele Wohnungen<br />

entstehen hier?<br />

erwin soravia: das Bauprojekt befindet<br />

sich in der Josefstadt im 8. Bezirk, einem<br />

historisch sehr bedeutenden Viertel<br />

Wiens. mit einem Investitionsvolumen<br />

von 70 millionen euro und einer Nutzfläche<br />

von rund 20.000 Quadratmetern<br />

garantiert es elegantes und luxuriöses<br />

Wohnen auf Wohnflächen zwischen<br />

70 und 170 Quadratmetern. eingeteilt<br />

in 80 Wohneinheiten entsprechen diese<br />

höchsten anforderungen und bieten<br />

zahlreiche serviceleistungen und annehmlichkeiten.<br />

TR: Wird bei der Revitalisierung versucht<br />

die originäre substanz des historischen<br />

Baukörpers zu erhalten?<br />

es: selbstverständlich! ein wesentlicher<br />

anspruch des Projekts ist es den historischen<br />

Prunkbau in seiner struktur und<br />

imposanten erscheinung zu erhalten<br />

und ihn ausschließlich in seiner Funktion<br />

zu verändern! harmonische Ästhetik<br />

und innovative Technik werden<br />

im „hamerling“ in einklang mit Tradition und<br />

moderne gebracht und in Kombination mit luxus<br />

ermöglicht dies elegantes und komfortables<br />

Wohnen in der Großstadt.<br />

TR: stilistisch welche art von Wohnungen entstehen<br />

im hamerling?<br />

es: „das hamerling“ steht für eigentumswohnungen<br />

im luxusbereich. höchste Wohnkultur<br />

im klassisch­modernen stil verspricht unvergleichliches<br />

Flair. das angebot wird durch<br />

exklusive und spezielle dienstleistungen und<br />

angebote, wie Concierge­service, private Gartenanlagen,<br />

hausinternes Restaurant, Tiefgarage<br />

usw. erweitert. Im sinne einer generationsgerechten<br />

Konzeption des Bauens und Wohnens bietet<br />

„das hamerling“ von funktionellen singlewohnungen,<br />

über familiengerechte Penthäuser in den<br />

dachgeschoßen mit Blick über Wien, bis hin zu<br />

unabhängigem Wohnen in der seniorenresidenz<br />

ein breites sortiment an Wohnimmobilien an.<br />

TR: Was war ausschlaggebend für die Kooperation<br />

mit CseRNI im Bereich Innenraumausbau<br />

und Interiorkonzeption?<br />

es: ausschlaggebend hierbei war zum einen die<br />

Kompetenz, über die das österreichische Traditionsunternehmen<br />

CseRNI verfügt, und zum anderen<br />

das ganzheitliche, perfekt auf den stil und<br />

die Ästhetik des Bauwerks abgestimmte Konzept.<br />

CseRNI hat uns im Bereich des Innenausbaus<br />

von der Grundrissgestaltung, über die ausführungsplanung<br />

bis hin zum möbelentwurf und<br />

der professionellen Umsetzung sämtlicher einrichtungsdetails<br />

in einem engem Zeitkorsett perfekt<br />

unterstützt. Zudem hat CseRNI mit seinem<br />

Musterwohnung, Design: CSERNI, Anika Müth<br />

klassisch modernen Konzept, das traditionelles<br />

handwerk mit geradlinigem design vereint,<br />

perfekt den Geschmack getroffen. die persönliche<br />

Betreuung und die abwicklung der gesamten<br />

Umsetzung waren ein besonderes asset, das<br />

CseRNI auszeichnet.<br />

TR: Welche Qualitätskriterien sind wesentlich<br />

bei der Konzeption und ausführung des Interiors<br />

der Wohnungen?<br />

es: Im Zentrum stand und steht für uns die<br />

Gestaltung exquisiter, funktioneller und stilvoller<br />

lebens­ und Wohneinheiten ausgestattet mit<br />

hochwertigsten materialen. die CseRNI Group<br />

hat mit perfekter Beratung hinsichtlich edelster<br />

hölzer und stoffe, Natursteine und sonderangefertigter<br />

Polstermöbel sowie mobiliar mit speziellen<br />

oberflächen unsere hochwertigen ansprüche<br />

umgesetzt. die Gestaltung und entwicklung von<br />

hochglanzmöbeln, die entwicklung von Farb­<br />

und lichtgestaltung mit passenden accessoires<br />

und ansprechender <strong>Kunst</strong> konnten wir gemeinsam<br />

mit CseRNI umsetzen. dass dabei der aspekt<br />

der Nachhaltigkeit nie außer acht gelassen<br />

wurde, spricht für den ganzheitlichen Zugang<br />

von CseRNI.<br />

Musterwohnung, Küchenblock mit Anrichte, Design: CSERNI, Anika Müth<br />

32 33<br />

live 01 / 2012


live 01 / 2012<br />

Otto Beckmann, Imaginäre <strong>Architektur</strong> (ocean tower), 1977<br />

34 35<br />

live 01 / 2012


live 01 / 2012<br />

Karl Karner, 493x493 aus Samtkasten, Bronze, 2012, 155 x 155 x 220 cm, Sammlung <strong>Martin</strong> <strong>Cserni</strong><br />

inFOrmeL meets natUre:<br />

KarL Karners aKtUeLLe sKULPtUren<br />

FLORIAN STEININGER<br />

Karl Karners aktuelle skulpturale Arbeiten aus der<br />

Samtkasten-Serie changieren zwischen gestischer<br />

Spur im Arbeitsprozess und Formenrelikten, die die<br />

Natur selbst hervorgebracht hat. „Informel meets<br />

Nature“. Ausgangsprodukt ist im Wasser gezogenes<br />

Wachs, das im gehärteten Zustand in Bronze<br />

gegossen wird. Intention und Führung des Künstlers<br />

bei der Arbeit stehen Zufall und natürlichen<br />

Gesetzmäßigkeiten in der Formwerdung entgegen.<br />

Man wird unwillkürlich an die Bleigussrituale zu Silvester<br />

erinnert: amorphe, formale Konstellationen<br />

für allerhand Assoziationsspielraum: Geisterschiffe,<br />

Korallenriffe, Kristallwelten, fantastisch apokalyptische<br />

Landschaften. Trotz festem Zustand scheint<br />

alles in Bewegung, in permanenter Mutation. Eine<br />

Ursuppe von Leben und Vergehen. Bei Nahsicht<br />

verwandelt sich die Oberfläche in eine monströse<br />

Karstlandschaft, in die wir uns verkriechen. Andere<br />

Stellen werden weich wie Haut oder falten sich wie<br />

Gewänder, dann wieder gebrochen durch das Spitze<br />

von Weinstockreben, Nägeln oder Geweihresten.<br />

Ein ständiges Wechselspiel von Bedeutungs- bzw.<br />

Gegenstandsträgern und autonomer Materialqualität<br />

der Skulptur tritt in Kraft. Informelle Spuren des Arbeitsvorgangs<br />

als Materie versus Abguss der Natur.<br />

Schon Lorenzo Ghiberti, Pionier der Portalplastik im<br />

Quattrocento hat sich neben seinen hohen Künsten<br />

der Abbildung von Figur und Wirklichkeit direkt der<br />

Natur bedient, indem er echte Pflanzen und Tiere –<br />

wie etwa Eidechsen – in Bronze abgegossen und<br />

in die Bordüre der skulptierten Paradiespforte am<br />

Baptisterium in Florenz integrierte. Karner eignet<br />

sich Realität durch Bronzeabgüsse von Weinreben,<br />

Geweihen, Perlen, Ästen, Nägeln oder Fingergliedern<br />

an und ergänzt sie zu den sonst informell, organischen<br />

Mutationen seiner Bronzeskulpturen. Durch<br />

die einheitliche Fassung und Patina entsteht ein<br />

homogenes ästhetisches Gefüge.<br />

Die Gesamterscheinung der Skulptur wirkt durchwegs<br />

abstrakt, als Resultat einer Wucherung, eines<br />

Wachstums, dessen nächste Analogien wir in der<br />

Natur selbst finden, zum Beispiel in der Form eines<br />

Korallenriffs. Dennoch sei auf den schöpferischen<br />

Einfluss des Künstlers verwiesen, dessen Handschrift<br />

sich materiell zur Skulptur verdichtet: ein bildhauerischer<br />

Zugang, der sich dem klassischen Begriff<br />

widersetzt. Das Werkmaterial in der konventionellen<br />

Bildhauerei fungiert als Mittel zum figurativ-skulpturalen<br />

Zweck; der Bildhauer formt und modelliert,<br />

um zum idealen Abbild zu gelangen. Prozessuale<br />

Spuren werden zugunsten des Oberflächenfinishs<br />

vermieden. Die Wiedergabe der Wirklichkeit steht<br />

im Zentrum, von der Antike bis zum Klassizismus.<br />

Erst mit Rodin verraten die Oberflächen von Bronze,<br />

Gips und Stein die Handschrift der Arbeit und bieten<br />

einen impressionistischen Reiz ähnlich wie die<br />

flimmernden Farbflecken auf Monets Heuhaufenbilder.<br />

Giacomettis zerklüftete Porträts bilden den<br />

Zenit der handmodellierten figurativen Skulptur in<br />

der Moderne, mit Fingerprints des Autors übersät.<br />

Karners nähere Verwandte sind aber die Protagonisten<br />

der informellen Plastik nach 1945 als<br />

skulpturale Bewegung zum Action Painting. Dynamik,<br />

Spur und Abstraktion verfestigten sich in<br />

den geradezu gezeichneten Schmiedeeisenplastiken<br />

von David Smith, oder auch in den zerklüftet<br />

heterogenen Gewächsen von Oswald Oberhuber.<br />

Magret Rowell brachte dieses Phänomen folgenderweise<br />

auf den Punkt: „Das vordringliche Ziel<br />

war es, den Willen und die Geste des Künstlers<br />

als eine physische, fast automatisch reagierende<br />

Handschrift einzusetzen und einer rohen, unspezifischen,<br />

ursprünglichen Energie plastische Gestalt<br />

zu verleihen.“ Natürlich ist die Malerei und<br />

Zeichnung in jener Umsetzung von Energie direkter,<br />

da der Pinselstrich oder der dünnflüssig<br />

getropfte Lack (bei Pollock) die Bewegung des<br />

Künstlers als Spur unmittelbar übersetzt. Eisen,<br />

Gips oder Bronze sind hingegen aufgrund ihrer<br />

Steifigkeit stets ein Widerstand für Spontanität<br />

und Direktheit in der Expression. Karner hingegen<br />

vermag es, im Wasserbad die Materie fließen zu<br />

lassen, die Bewegungen direkt in gehärtete Form<br />

zu fassen, ohne allzu sehr seine expressive Fährte<br />

zu markieren.<br />

Neben der ungegenständlich prozessualen Note<br />

spielt das Kombinatorische, die Assemblage<br />

eine große Rolle. Alltagsgegenstände und Naturformen<br />

werden selbstverständlich integriert,<br />

wodurch ein spannungsreicher Stil- und Motivrealismus<br />

entsteht. Karner ist nicht an ein ausschließliches<br />

Entweder-Oder gebunden, sondern<br />

er sampelt mit der Skulptur. Trotzdem bleibt die<br />

Gesamterscheinung durch die samtig schwarze<br />

Haut einheitlich, ganz im Unterschied etwa zu<br />

den Objekten aus zahlreich Gefundenem in der<br />

<strong>Kunst</strong> des Dadaismus oder Nouveau Realism,<br />

die sich in anarchischer Weise von akademisch<br />

oder bereits etablierten <strong>Kunst</strong>richtungen distanzieren.<br />

Die Verbindung von <strong>Kunst</strong> und Leben ist<br />

bei Karner nicht nur in der materiellen Erscheinungsform<br />

seiner Skulpturen erkennbar, sondern<br />

er erweitert seinen <strong>Kunst</strong>begriff durch das Installative<br />

und Performative; so platziert er seine<br />

dreidimensionalen Arbeiten auf der Bühne, als<br />

Teil der Choreografie, die er mit seiner Künstlerkollegin<br />

Linda Samaraweerova inszeniert bzw.<br />

aktiv daran teilnimmt. Die Offenheit, die Vernetzung<br />

und komplexe Vielschichtigkeit der aktuellen<br />

Plastik steht somit symptomatisch für Karners<br />

erweiterten <strong>Kunst</strong>begriff.<br />

Karl Karner, Foto: Atelier Karner<br />

Karl Karner<br />

Geboren in Feldbach/Steiermark, Österreich 1973,<br />

lebt und arbeitet in Wien und in der Steiermark.<br />

Ausbildung: Seit 2007 Studium an der Akademie<br />

der bildenden Künste in Wien, Klasse Heimo<br />

Zobernig.<br />

Ausstellungen (Auswahl in Österreich): Galerie<br />

Artepari Graz, Stift Admont, Lentos Museum/Linz<br />

- Triennale 01, Galerie Dana Charkasi/Wien, Neue<br />

Galerie Graz/Graz, Vienna Artfair/Wien, Galerie<br />

Lendl/Graz, breathless/Wien.<br />

(Auswahl Ausland): Colombo Biennale Sri Lanka,<br />

United Artist Club Baku, 4. International Beijing<br />

Biennale 2010, Rezan Has Museum an der Kadir<br />

Has Universität/Istanbul, Kohán György Képtár/<br />

Ungarn, MCC „Old Pallouriotissa Market“/<br />

Zypern, Centar savremene umjetnosti Crne Gore<br />

/Montenegro, Galeria Umjetnina/Kroatien, Arco/<br />

Madrid, Art Brüssel, Österreichisches Kulturforum,<br />

Prag/CZ<br />

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live 01 / 2012


live 01 / 2012<br />

tiLL nOWaK – multimediakunst<br />

Von Claus Friede, hamburg<br />

a LOt OF CiViLisatiOn Bad gastein<br />

Die Stadt wirkt wie aus einer anderen Zeit entsprungen,<br />

sie klebt am Berg und an den Felsen und durch<br />

die Stadtmitte ergießt sich ein großer Wasserfall. Die<br />

<strong>Architektur</strong> ist vielseitig: Gründerstil, Belle-Époque-<br />

Grand-Hotels, 50er-Jahre Bauten, bäuerliche Gebäude<br />

mit weit ausladenden Dächern, 70er-Jahre<br />

<strong>Architektur</strong>, moderne Flachbauten, die wie Schachteln<br />

aussehen, Luxus Chalets und alles, was es an<br />

Baukunst dazwischen gibt. Wir sind im österreichischen<br />

Bad Gastein, einem weitbekannten Kur- und<br />

Tourismusort, der viel Tradition, Geschichten und<br />

Geschichte zu bieten hat.<br />

Ob Geschichte allerdings so gemeint sein muss?<br />

Viele der Gebäude im Zentrum stehen leer, sind verwaist<br />

und mit Bauzäunen umgeben, Putz bröckelt,<br />

Fotos und Bilder sind längst in den Schaukästen<br />

ausgeblichen und erzählen „so war es mal“.<br />

Till Nowak ist gerade aus Hamburg angereist und<br />

zum ersten Mal in Bad Gastein. Der Medienkünstler<br />

kommt aus dem Staunen nicht mehr raus, als wir<br />

durch den Stadtkern gehen, und ist von der ambivalenten<br />

Atmosphäre begeistert. „Diese Mini-Metropole<br />

sieht hier aus wie meine Kugelstadt „Habitat“,<br />

einfach großartig. Ich mag es, wenn einerseits ein<br />

urbanes Flair, anderseits diese leichte Morbidität<br />

spürbar ist und es nach Umbruch riecht. Dies ist<br />

ein Ort für Künstler“, meint er. Damit hat er nicht ganz<br />

Unrecht, denn seit ein paar Jahren hat Bad Gastein<br />

ein internationales Künstlerresidenzprogramm zu<br />

bieten. sommer.frische.kunst, initiiert von Kur- und<br />

Tourismusverband und kuratiert von der Sammlerin<br />

Andrea von Goetz, zieht Künstler, Sammler,<br />

Besucher und Touristen in das Alte Kraftwerk am<br />

Wasserfall. In den alten Verwaltungsräumen arbeiten<br />

die eingeladenen Künstler und stellen anschließend<br />

gemeinsam aus. Auf dem Weg dorthin kommt<br />

man bereits an <strong>Kunst</strong>werken im öffentlichen <strong>Raum</strong><br />

vorbei: großen Wandmalereien, Lichtobjekten und<br />

einer Schauvitrine neben dem Grand Hotel l’Europe<br />

mit Bildern, Skulpturen und einem riesigen Monitor,<br />

auf dem Videos zu sehen sind. Diese sind von Till<br />

Nowak – es läuft gerade „Kaltlicht“. Die Videoarbeit<br />

zeigt eine Lichtprojektion in einer winterlichen Landschaft.<br />

Nowak lässt ein Lichtspiel ablaufen, das nur<br />

in einer ganz bestimmten Situation möglich ist: im<br />

Winter und bei ausreichender Menge Schnee. Letztgenannter<br />

ist Projektionsfläche. Diese Einmaligkeit<br />

und zeitliche Nichtplanbarkeit der Umstände geben<br />

den Hintergrund für ein Licht- und Klangspiel, das<br />

seine kontemplative Vollendung in diesem kurzen<br />

Video erfährt.<br />

Wie in eine Nebelwand eingehüllt aus Dampf und<br />

Tröpfchen steht am unteren Ende des Wasserfalls<br />

das Alte Kraftwerk. Früher wurde hier einmal Energie<br />

gewonnen, die Turbinenanlagen stehen längst still.<br />

Man hört jedoch noch einen permanent brummenden<br />

Summton großer Wasserpumpen, die das über<br />

40 Grad heiße Thermalwasser, das hier entspringt,<br />

in die Hotels transportieren.<br />

Der mächtige Turbinenraum mit seinen Maschinen<br />

und der Wand mit verschiedenen Messgeräten, mit<br />

der Feuchtigkeit und dem Brummen und Rauschen<br />

scheint künstlerisch unbespielbar.<br />

Till Nowak ist jedoch ein Phänomen an Ideenreichtum,<br />

Innovation, technischer Raffinesse und Präzision<br />

und wäre als Kind am liebsten verrückter<br />

Till Nowak, Habitat, Der fiktive Bauplan „Habitat“ ist eine detaillierte Collage aus der digitalen<br />

Zeichnung einer kugelförmigen Stadt und Fragmenten tatsächlicher Baupläne. © Till Nowak<br />

Wissenschaftler geworden. Er hat sofort die ersten<br />

Ideen, will Teile seiner Ausstellung „A Lot of Civilisation”,<br />

die im Frühjahr 2012 im <strong>Kunst</strong>forum Markert<br />

in Hamburg gezeigt wurde, in die Maschinenhalle<br />

integrieren.<br />

Der Künstler wählt übrigens den Ausstellungstitel,<br />

weil es ihm inhaltlich um zivilisatorische Implikationen<br />

geht. „A lot of civilisation” ist eine Haltestelle<br />

vor „too much civilisation” – genau in diesem Spannungsverhältnis<br />

bewegt sich sein Werk.<br />

„Erst in der Übertreibung sind die Dinge wieder<br />

spürbar”, sagt Nowak. Ihm ist jedoch wichtig zu<br />

betonen, dass er nicht als moralische Instanz gesehen<br />

werden will, sondern eher als Sampler und<br />

Karikaturist unserer Zivilisation. Darüber hinaus zielen<br />

viele seiner Werke auf eine Gefühlsambivalenz<br />

ab, die gleichzeitige Faszination und Beunruhigung<br />

hervorrufen können.<br />

„A Lot of Civilisation” ist wie geschaffen für den<br />

Ort und die Location. Nowak initiiert für den Turbinenraum<br />

zwei unterschiedliche, tageszeitliche<br />

Werkkomplexe. Nachts, wenn es stockfinster in<br />

der Halle ist, ist eine vom Künstler speziell entwickelte<br />

Lichtinstallation zu sehen, die sich auf die<br />

<strong>Architektur</strong> und die ehemalige Funktion des Ortes<br />

bezieht. Über einen lichtstarken Videoprojektor<br />

werden einzelne Messgeräte, Uhren und Zeiger<br />

auf der großen Bedienwand des Kraftwerks zum<br />

Leben erweckt. Plötzlich scheinen sich die Zeiger<br />

im schmalen Lichtstrahl zu bewegen und Klang gibt<br />

dem <strong>Raum</strong> eine zusätzliche Atmosphäre. Nach einigen<br />

Minuten explodiert das <strong>Kunst</strong>werk förmlich<br />

wie eine elektrische Entladung, zeichnet sich bewegende,<br />

züngelnde, dünne Lichtlinien und Punkte<br />

an die Träger, Pfeiler und das Dach, um dann wieder<br />

in der Dunkelheit zu verschwinden. Verschiedene<br />

Variationen zeichnen Linien, geometrische Formen<br />

oder auch ein Sammelsurium von tickenden und<br />

zuckenden Zeigern an die Decke.<br />

„Kraftwirk“ – so der Titel der Licht- und Klanginstallation<br />

– bleibt am Ende als dokumentarisches<br />

Video zurück.<br />

Tagsüber vermittelt das zentrale Werk im Alten<br />

Kraftwerk, „The Experience of Fliehkraft”, unterschiedliche<br />

Extremerlebnisse mit Fliehkräften. Die<br />

technische Anmutung des Werks integriert sich nahezu<br />

perfekt in die technische Umgebung.<br />

Zwischen 2007 und 2011 sammelte Nowak Filmsequenzen<br />

von Fahrgeschäften auf Jahrmärkten<br />

verschiedener Städte und manipulierte diese digital.<br />

Die entstandene Arbeit besteht aus sieben einzelnen,<br />

kurzen Videoclips. Die physikalischen Unmöglichkeiten<br />

sind allerdings derart wirklichkeitsnah dargestellt,<br />

dass der Betrachter staunend davor steht und<br />

das Gesehene glaubt. Das erklärt auch die etwas<br />

wackeligen, fast laienhaften Aufnahmen, sie sind<br />

wegen des Realitätsbezugs gewollt so produziert.<br />

Das Material aus der Realität zeigt eine selbstverständliche<br />

Nutzung, die Überhöhungen und Übertreibungen<br />

werden so integriert, als ob sie ebenso<br />

selbstverständlich dazu gehören und sollen jedwede<br />

stilistische Abstraktion vermeiden.<br />

Keinem heutigen Menschen ist medizinisch-physikalisch<br />

zu empfehlen sich den in den Videos suggerierten<br />

Fliehkräften auszusetzen. Das, was wir<br />

da sehen, erscheint aber so denk- und machbar,<br />

dass es vergleichbar einer Reise zum Mond in den<br />

1960er Jahren ist. Wir werden – wenn auch nicht<br />

physisch – so doch emotional mitgerissen und unweigerlich<br />

zaubert der Künstler mit diesen Arbeiten<br />

ein Schmunzeln auf unsere Gesichter.<br />

Sieben große Konstruktionspläne der einzelnen Fantasiegebilde<br />

ergänzen den Zyklus. Schon seit seiner<br />

Kindheit faszinieren den Künstler die Fahrgeschäfte,<br />

die sich nun in einem eigenen <strong>Kunst</strong>werk katalysiert<br />

haben. Er denkt in die Zukunft, er verlässt die „Ist-<br />

Zeit” fast unauffällig und kommt in einer „Kann-Sein-<br />

Zeit” an. Das produziert Überraschung, weil alles an<br />

den Werken so möglich erscheint.<br />

Seine Konstruktionszeichnungen basieren auf vermeintlichen,<br />

internationalen Ingenieurleistungen.<br />

„Habitat“, eine weitere Arbeit, ist eine Art Stadtmodell,<br />

lasierend auf eine Holzplatte gedruckt, die<br />

der Künstler an Ketten in den <strong>Raum</strong> gehängt hat.<br />

Nowaks Kugelstadt scheint eine augenscheinliche<br />

innige Beziehung zu Bad Gastein zu haben: Sie ist<br />

die Extremform einer zivilisatorischen Schichtung.<br />

Sowohl architektonisch-urbane als auch sozio-kulturelle<br />

Schichten unterschiedlicher Epochen sind<br />

in ihr zu finden. Von den Villen und Kuppeln in der<br />

Oberstadt über einen breiten „Äquator“ bis hin zu<br />

schattig-grauen Wohnungen, Rohr- und Antennengärten<br />

und der Kanalisation der Unterstadt.<br />

„Was in einem sozialwissenschaftlichen Diagramm<br />

eine Pyramide wäre, ist in meinen Träumen eine<br />

Kugel“, sagt der Künstler. „Die Kugelform fasziniert<br />

mich seit Jahren und ich gehe experimentelle Wege<br />

mit ihr. Auch die Kugelstadt „Habitat“ kann als gesellschaftsironischer<br />

Kommentar des Baubooms<br />

und der Abrissmentalität der globalen Mega-Cities<br />

gesehen werden, während sie gleichzeitig Ausdruck<br />

utopischer Fantasie ist.“<br />

Abgesehen davon, dass die Baustile auf <strong>Kunst</strong>geschichte<br />

und Historie verweisen, ist die Kugelstadt<br />

auch mit <strong>Architektur</strong>en unterschiedlicher Orte und<br />

Stilrichtungen versehen. Man findet Renaissancegebäude<br />

neben Bauhausstil, morbide Seebadarchitektur<br />

konfrontiert mit dem Flair Hongkonger<br />

Einheitswohnungen. Und wer weiß, vielleicht ist<br />

auch ein Stück <strong>Architektur</strong> aus Bad Gastein dabei.<br />

Till Nowak, Lichtinstallation, Altes Kraftwerk, Bad Gastein. © Till Nowak<br />

Die Lichtinstallation „Kraftwirk“ wurde von Till Nowak speziell für die Maschinenhalle des Alten Kraftwerks in Bad Gastein entwickelt.<br />

Sie besteht aus einer Videoprojektion, die exakt auf die Geometrie des <strong>Raum</strong>es angepasst ist und auf diese Weise die<br />

historische Schaltwand zum Leben erweckt.<br />

Bei der Eröffnung der Ausstellung, Altes Kraftwerk,<br />

Bad Gastein. Foto: © Thomas Redl<br />

Till Nowak, Spheroton, Das kugelförmige Karussell<br />

„Spheroton“ ist eines von sieben physikalisch unmöglichen<br />

Karussells, die Nowak mittels Computergrafik als Video<br />

darstellt. © Till Nowak<br />

till nowak<br />

Geboren 1980 in Bonn. Studium Mediendesign an der<br />

Fachhochschule in Mainz. Gründung des Studios „frameboX“ mit<br />

Sitz in Hamburg. Projekte im Bereich der bildenden <strong>Kunst</strong>, des<br />

Mediendesigns und des Films.<br />

auszeichnungen (auswahl): Förderpreis des Landes Nordrhein-<br />

Westfalen für junge Künstler, Kurzfilmpreis der Friedrich-Wilhelm-<br />

Murnau-Stiftung, „Best Short Film Award“ des AFI Festivals<br />

Hollywood, Visual Music Award „In the spirit of Oskar Fischinger“,<br />

Frankfurt/M., Auszeichnung Honorary Mention Ars Electronica<br />

Linz - Projekt „Fliehkraft“.<br />

ausstellungen (auswahl): 2005 „Historias Animadas“, Forum<br />

Caixa, Barcelona/Spanien, 2006 „Next Generation 2006“, German<br />

Films Selection, Cannes/Frankreich, 2007 „Carnivora“, ©POP<br />

Gallery, Detroit/USA, 2008 Japan Media Arts Festival, Tokio/<br />

Japan, „Time is Love“, Galerie octObre, Paris/Frankreich, 2009<br />

SIGGRAPH ASIA Art Gallery, Yokohama/Japan, 2010 „Das<br />

Geschehen 3”, Infernoesque, Berlin, 2011 „A Lot of Civilisation“,<br />

Museum Prototyp, Hamburg, 2012 „A Lot of Civilisation“, Altes<br />

Kraftwerk, Bad Gastein, 2012 „MediaCity 2012“, Seoul Museum<br />

of Art, Korea.<br />

www.tillnowak.de<br />

Courtesy: Claus Friede*Contemporary Art<br />

www.cfca.de<br />

sommer.frische.kunst, Bad Gastein<br />

Altes Kraftwerk beim Wasserfall<br />

Organisator: Kur- und Tourismusverband Bad Gastein<br />

Kuratorin: Andrea von Goetz<br />

Partnerhotels: Hotel Miramonte, Hotel Haus Hirt, Hotel Regina,<br />

Hoteldorf Grüner Baum, Villa Excelsior, Villa Solitude<br />

www.sommerfrischekunst.de<br />

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live 01 / 2012


live 01 / 2012<br />

Till Nowak, Aura. Die 12 bewegungssensitiven Lichtquader erstrecken sich entlang der Osakaallee in der Hamburger HafenCity. © Till Nowak<br />

aUra LiChtinstaLLatiOn<br />

hamburg<br />

Die Lichtinstallation AURA des Künstlers Till Nowak<br />

besteht aus zwölf großen Glasquadern, die sich<br />

wie Stützpfeiler architektonisch in einen Arkadengang<br />

entlang der Osakaallee in Hamburgs HafenCity<br />

reihen. Das Werk ist in die <strong>Architektur</strong> in<br />

einer geradezu natürlichen Weise integriert – Ort<br />

und <strong>Kunst</strong>werk gehen eine Symbiose ein. Der<br />

Straßenzug bildet die östliche Begrenzung des<br />

Übersee-Quartiers.<br />

Ab Dämmerung befindet sich AURA zunächst im<br />

Ruhezustand, in einer gleichbleibenden Atmosphäre<br />

sanften Lichts. Die Glasquader reagieren<br />

allerdings wie von unsichtbarer Hand gesteuert,<br />

sobald Bewegung in ihrem unmittelbaren Umfeld<br />

stattfindet: vorbeigehende Spaziergänger, Radfahrer,<br />

Skater oder Busse. Nähert sich der Besucher<br />

einem der Glasobjekte, wird dieses aktiviert und<br />

leuchtet in unterschiedlichen Farbnuancen auf. Farbigkeit<br />

und Intension des Lichts verändern sich<br />

für einen zeitlich bestimmten Moment, bevor der<br />

Ruhemodus wieder eintritt. Jeder trägt durch die<br />

Bewegung seinen Lichtschein mit sich, während<br />

er die Arkaden entlanggeht oder fährt.<br />

„Mit Licht als künstlerischem Medium kann ich<br />

Räume in variierende Zustände einhüllen, ohne sie<br />

dabei materiell zu verändern. Licht ist in besonderer<br />

Weise dreidimensional, denn es bleibt nicht an<br />

einem Ort, wie zum Beispiel die Farbe auf einer<br />

Leinwand, sondern beleuchtet angrenzende Objekte<br />

sowie den Betrachter selbst, wodurch ein<br />

Lichtkunstwerk seine Umgebung zu einem Teil des<br />

<strong>Kunst</strong>werkes macht“, sagt der Künstler zu seinem<br />

Werk.<br />

Nowak macht mit AURA nicht nur Bewegungsrichtungen<br />

sichtbar, sondern auch Interaktion, denn<br />

die agierenden Menschen dienen als Impulsgeber<br />

für die nächtlichen Veränderungen der Lichtquader<br />

und des gesamten Straßeneindrucks. Vergleichbar<br />

mit einer modernen Musikkomposition spielt<br />

sich entlang der Arkade eine Lichtkomposition ab.<br />

Die Unberechenbar- und Unvorhersehbarkeit der<br />

Bewegungsrichtungen und Dauer spielen hierbei<br />

eine gewichtige Rolle, denn diese unterliegen keiner<br />

Choreographie. So entsteht bei starkem Besucherandrang<br />

ein sich permanent veränderndes<br />

<strong>Kunst</strong>werk mit Lichtimpulsen, die weithin sichtbar<br />

sind. Der Künstler schafft zunächst grundsätzliche<br />

Voraussetzungen, die Passanten übernehmen dann<br />

einen gehörigen Teil der künstlerischen Kommunikation<br />

und Verantwortung durch ihre Bewegungen<br />

und beeinflussen die Wahrnehmung. Die Besucher<br />

finden sich vor Ort in zwei unterschiedlichen<br />

Situationen wieder: als Betrachter, die aus einer<br />

gewissen Entfernung, beispielsweise von der gegenüberliegenden<br />

Straßenseite aus, das Geschehen<br />

beobachten und die Lichtinstallation fast vollständig<br />

wahrnehmen können, oder selbst als Agierende, die<br />

sich an der Arkade und den Glasquadern entlang<br />

bewegen und somit die Lichtimpulse auslösen und<br />

immer nur einen Bruchteil des gesamten Werkes<br />

Till Nowak, Aura, Simulation. Durch Bewegungsmelder tragen Passanten das Licht beim<br />

Durchschreiten der Arkaden mit sich. © Till Nowak<br />

miterleben können, denn die Lichtveränderung ist<br />

aus der Nähe wesentlich weniger wahrnehmbar als<br />

aus der Distanz.<br />

Künstlerisch greift Till Nowak mit AURA eine seit<br />

Jahrzehnten geführte kunstimmanente Diskussion<br />

mit der Frage auf: Ab wann ist ein Werk ein Werk?<br />

Ist AURA bereits im Ruhezustand ein definiertes und<br />

vollständiges Werk oder sollte man es in diesem<br />

Modus vielmehr als in Lagerform befindlich bezeichnen,<br />

als Instrumentarium? Oder wird es erst durch<br />

die Benutzung zum eigentlichen Werk? Denn ohne<br />

die Benutzbarkeit würden entscheidende Faktoren<br />

fehlen, die das Werk zu dem machen, was es ist.<br />

„Als Künstler interessiert mich der Gedanke, meine<br />

Umgebung als eigenständig handelndes Wesen zu<br />

verstehen“, erklärt Nowak. „Meine Lichtinstallationen<br />

geben einer ansonsten passiven Umgebung ein Eigenleben.<br />

AURA reagiert selbständig auf Menschen<br />

und deren Bewegungen, teilweise spontan und unvorhersehbar<br />

wie ein Lebewesen, gleichzeitig subtil<br />

und unaufdringlich.“<br />

nOWaKs FiLme gLaUBen aLLes<br />

Zur filmischen arbeit von till nowak<br />

Der US-amerikanische Künstler Allan McCollum<br />

erklärte in einem Interview mit dem Autor David<br />

Robbins in dessen Buch „The Camera Believes<br />

Everything“ (1988), dass wir <strong>Kunst</strong> in unserer Kultur<br />

benutzen, um imaginäre Beziehungen zu anderen<br />

herzustellen. Nicht nur der Titel des Buches – in<br />

Abwandlung – sondern auch die Tatsache des Aufbaus<br />

von imaginären Beziehungen mit anderen und<br />

anderem, trifft für das Film- und Videowerk von Till<br />

Nowak zu.<br />

Der Begriff des Imaginären ist bei Nowak allerdings<br />

so selbstverständlich in sein gesamtes Werk integriert,<br />

dass es wie ein natürlicher, glaubwürdiger,<br />

jedoch immer auch wie ein augenzwinkernder Bestandteil<br />

wirkt. Der Filmemacher entfernt sich von<br />

vielem, was er in der Realität vorfindet, ohne diese<br />

zu verleugnen. Er manipuliert ausschließlich unbelebtes<br />

Material, wie beispielsweise <strong>Architektur</strong>, um<br />

in einem neuen visuellen Beziehungsgeflecht den<br />

Konjunktiv einer Erfahrung mitzuteilen. Alles scheint<br />

glaubwürdig und möglich, übertrifft jedoch bei weitem<br />

die Wirklichkeit, konterkariert und kommentiert<br />

sie zuweilen.<br />

Besonders deutlich wird dies in einem kurzen Animationsfilm<br />

mit den Titel „Unusual Incident: Windows<br />

Crossing The Street“ aus dem Jahr 2008. Es scheint<br />

ein Tag wie jeder andere zu sein. Doch dann passiert<br />

das Unvorhersehbare: Ein Teil einer Hausfassade<br />

löst sich, mutiert zu einer Art Wesen, wird dann wie<br />

von einem Sturm getrieben, quer über eine Straße<br />

und durch den Verkehr geweht, um nach ein paar<br />

Sekunden sich als Teil einer gegenüberliegenden<br />

Fassade neu zu positionieren, als ob der Vorgang<br />

der normalste der Welt sei. Das alles geht so schnell,<br />

dass wir einen Moment brauchen, um zu begreifen,<br />

was da gerade dramatisch vor den Augen abgelaufen<br />

ist, und man ist sofort geneigt, auf die Wiederholungstaste<br />

zu drücken.<br />

Diente hier ein unspektakulär, mit leicht wackeliger<br />

Handkamera gedrehtes, vermeintliches „Augenzeugen“-Video<br />

als Vorlage, das dann durch einen<br />

Animationsparcours geschickt und verändert<br />

wurde? Baut Nowak selbst aus zweidimensionalen<br />

Fotos ganze dreidimensionale Orte und Geschehnisse<br />

nach? Beispielsweise dient ein altes Schwarz-<br />

Weiß-Foto des Todesstreifens an der Berliner Mauer<br />

als Ausgangspunkt einer filmischen Animation<br />

der sich im Laufe der Jahrzehnte verändernden<br />

DDR-Grenzanlagen.<br />

Das Musikvideo „Spring“ (2009/10), das der Medienkünstler<br />

für die deutsche Newcomer-Band<br />

„Ben*Jammin!“ entwarf und drehte, treibt die maximale<br />

Spannkraft, sowohl inhaltlich als auch filmischanimiert,<br />

an die Grenzen unserer Vorstellung. Spring<br />

– es handelt sich um den Imperativ des deutschen<br />

Wortes „springen“ – wird im Musik-Clip wörtlich genommen.<br />

Die Musiker springen und hüpfen durch<br />

das Video. Was allerdings dieses Springen auslöst,<br />

hat etwas mit ungeahnten physikalischen Phantasien<br />

zu tun, über die schon die Chaosforschung ganz<br />

aus dem Häuschen war. Frei nach der Devise: Der<br />

Flügelschlag eines Schmetterlings in China kann<br />

Weitere Informationen und ein Showreel finden Sie unter: www.framebox.de<br />

Till Nowak, Spring, 2009/10. © Till Nowak<br />

in Kalifornien einen Sturm auslösen, werden bei<br />

Nowak durch das Springen, Autos, Container,<br />

später Dächer, Schiffe und ganze Wohnblocks in<br />

die Luft gewirbelt, um sich wieder an alter Stelle<br />

zu integrieren. Überraschung und Verblüffung<br />

sind bei den Zuschauern das Resultat.<br />

Till Nowak arbeitet im Gegensatz zu vielen Filmemachern<br />

an Leerstellen und Lücken, um dort<br />

größtmögliche Spannung aufzubauen, und nicht<br />

wie viele seiner Kollegen auf Spannungen weitere<br />

Übertreibungen zu setzen. Viele seiner Filmwerke<br />

sind von den rein künstlerischen Arbeiten inspiriert<br />

und andersherum. In seiner neusten Produktion,<br />

die im März 2013 veröffentlicht werden soll, mit<br />

dem Arbeitstitel „Reality“, gibt es direkte Verbindungslinien<br />

zum künstlerischen Werk „Habitat“.<br />

Die Filme, Animationen und Videos von Till Nowak<br />

machen uns glaubend.<br />

Till Nowak, Unusual Incident: Windows<br />

Crossing The Street, 2008. © Till Nowak<br />

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live 01 / 2012


live 01 / 2012<br />

Buchpräsentation Sammlung <strong>Cserni</strong><br />

BUChPräsentatiOn<br />

sammLUng <strong>Cserni</strong><br />

CSERnI-Bar Wien<br />

Am 17. November 2011 fand bei CSERNI live Vienna<br />

die Buchpräsentation „Sammlung <strong>Cserni</strong><br />

- österreichische <strong>Kunst</strong> von 1960 bis zur Gegenwart“<br />

statt. Der Band präsentiert in einer Symbiose<br />

aus <strong>Kunst</strong> und Leidenschaft, die gesamten<br />

<strong>Kunst</strong>werke der Sammlung beginnend mit den<br />

1960er Jahren, dem Wiener Aktionismus, Malereien<br />

der 1980er- und 1990er-Jahre bis hin zu<br />

Positionen aktueller <strong>Kunst</strong>.<br />

Ein gelungener Abend, bei dem zahlreiche Künstler,<br />

die in der Sammlung vertreten sind, und<br />

viele Kunden von CSERNI anwesend waren.<br />

www.sammlung-cserni.at<br />

JaZZaBenD<br />

CSERnI-Bar Wien<br />

CSERNI live Vienna lud am 25.4.2012 Kunden,<br />

Freunde und Gäste nach Wien ein, um die steirische<br />

Jazzkultur mit „Fehrings Dixie Band“<br />

hochleben zu lassen. Ein beeindruckendes Musikprogramm,<br />

das begleitet von steirischer Kulinarik<br />

und Tradition im Ambiente der der CSERNI-Bar<br />

zum Tanzen und Verweilen überzeugte.<br />

FranZ <strong>Cserni</strong><br />

VisiOn FremDer tage<br />

ausstellungseröffnung Gerberhaus fehring<br />

„Wofür sind Tage gut? Sind das meine Tage oder<br />

sind es fremde Tage?“ Diese Fragen beschäftigen<br />

den Maler Franz <strong>Cserni</strong> in letzter Zeit. Entgegen<br />

seiner bisherigen künstlerischen Strategie, Bilder<br />

in der Erinnerung reifen zu lassen, entstand hier<br />

eine Serie von großformatigen Gemälden, die als<br />

sein Tagebuch zu sehen sind. Franz <strong>Cserni</strong> hält<br />

darin sein spontanes, intuitives Erleben fest: die<br />

Farben der Stunde, den Geschmack der Minute,<br />

den Geruch der Sekunde. Sein Erlebnisreichtum<br />

erschafft die Vision fremder Tage.<br />

Die Ausstellung lief von 12. Mai bis 17. Juni 2012<br />

im Gerberhaus Fehring.<br />

Buchpräsentation Sammlung <strong>Cserni</strong><br />

Jazzabend, CSERNI-Bar Wien<br />

Ausstellungseröffnung, Gerberhaus Fehring<br />

42 43<br />

live 01 / 2012


CSERNI Zentrale - Fehring<br />

A-8350 Fehring<br />

Grüne Lagune 2<br />

Tel. +43 3155 / 2242-0, Fax-DW 222<br />

CSERNI live - Vienna<br />

A-1010 Wien<br />

Schottenring 14 / Ecke Wipplingerstraße 37<br />

Tel. +43 1 / 533 71 00<br />

CSERNI - Graz<br />

A-8010 Graz<br />

Schillerstraße 54<br />

Tel. +43 316 / 830 677<br />

CSERNI - Hamburg<br />

D-22767 Hamburg<br />

Große Elbstraße 145e<br />

Tel. +49 40 / 380 372 64-0<br />

www.cserni.at

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