Im Rahmen des Studiengangs Internationale Entwicklungist Transdiszipl<strong>in</strong>arität e<strong>in</strong> Organisationspr<strong>in</strong>zipvon Lehre. Was dies bedeutet, muss m.E. noch weiterdiskutiert werden, denn die meisten Lehrveranstaltungens<strong>in</strong>d diszipl<strong>in</strong>är e<strong>in</strong>gebettet. Auf epistemologischerEbene stellt zwar „Entwicklung“ das transdiszipl<strong>in</strong>äreForschungsfeld dar <strong>und</strong> das Ziel ist zweifelsfrei diszipl<strong>in</strong>äreParadigmen zu überschreiten Die Frage, die jedoch<strong>in</strong> diesem Kontext immer wieder auftaucht, ist, <strong>in</strong>wieweite<strong>in</strong>e diszipl<strong>in</strong>äre E<strong>in</strong>bettung Vorrausetzung oderH<strong>in</strong>dernis für Transdiszipl<strong>in</strong>arität darstellt. Damit istauch die Frage verknüpft, <strong>in</strong>wieweit Diszipl<strong>in</strong>en nochals geschlossene E<strong>in</strong>heiten verstanden werden können.Als Entwicklungssoziolog<strong>in</strong> <strong>und</strong> Genderforscher<strong>in</strong> würdeich argumentieren wollen, auch wenn dies nun etwasanmaßend kl<strong>in</strong>gen mag, dass e<strong>in</strong> transdizipl<strong>in</strong>ärerZugang schon aufgr<strong>und</strong> des Forschungsgegenstands<strong>und</strong> somit aufgr<strong>und</strong> der sozialen Realität schon immerGr<strong>und</strong>vorrausetzung war. Das mag nun nicht für allediszipl<strong>in</strong>ären Bereiche zutreffen, wie zum Beispiel dieaktuellen wissenschaftlichen Debatten <strong>in</strong> Bezug aufKlimawandel zeigen. Hier sche<strong>in</strong>t die Entwicklung e<strong>in</strong>es„transdiszipl<strong>in</strong>ären“ Problemverständnisses aufgr<strong>und</strong>der Konkurrenz zwischen den Diszipl<strong>in</strong>en <strong>und</strong> der unterschiedlichenInteressen sehr schwierig.Literatur:Mittelstraß, Jürgen (2005): Methodische Transdiszipl<strong>in</strong>arität. In:Technikfolgenabschätzung, Theorie <strong>und</strong> Praxis, 14 (2), 18–23.Ich verb<strong>in</strong>de mit Transdizipl<strong>in</strong>arität vor allem das Generierenvon Forschungsfragen aus dem Problemfeld heraus<strong>und</strong> das F<strong>in</strong>den neuer Beziehungsformen zwischenunterschiedlichen wissenschaftlichen Diszipl<strong>in</strong>en <strong>und</strong>Systemen <strong>und</strong> nichtwissenschaftlichen Institutionen.Das ersche<strong>in</strong>t mir jedoch noch e<strong>in</strong> langer Weg zu se<strong>in</strong>,aber vielleicht s<strong>in</strong>d die Diskussionen <strong>und</strong> Debatten umTransdiszipl<strong>in</strong>arität der Weg zum Ziel.36 // <strong>Soziale</strong> <strong>Ungleichheit</strong> <strong>und</strong> <strong>kulturelle</strong> <strong>Vielfalt</strong> <strong>in</strong> europäischen Städten // Aktion & Reflexion
10. Position zur Transdiszipl<strong>in</strong>arität aus der Sicht derStadt- <strong>und</strong> RegionalforschungAlexander Hamed<strong>in</strong>gerTransdiszipl<strong>in</strong>arität ist e<strong>in</strong> schillernder Begriff, derschon <strong>in</strong> den 1970er Jahren E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> den wissenschaftstheoretischenDiskurs gef<strong>und</strong>en hat (Blättel-M<strong>in</strong>k/Kastenholz 2000). Im Kern g<strong>in</strong>g es <strong>in</strong> diesemDiskurs immer um die Frage, wie die Organisation desProzesses der Wissensproduktion <strong>und</strong> der Wissensverbreitungverändert werden muss, um der zunehmendenDifferenzierung der Gesellschaft <strong>und</strong> der steigendenKomplexität von sozialen, ökologischen <strong>und</strong> ökonomischenProblemstellungen gerecht werden zu können.Gleichwohl waren <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d heute mehr denn jenormative Ansprüche mit diesem Prozess verknüpft:Wissensproduktion <strong>und</strong> Wissensverbreitung sollenso organisiert werden, dass sie die Demokratisierungder Gesellschaft fördern <strong>und</strong> konkrete Veränderungen<strong>in</strong> den „Lebenswelten“ der „Beforschten“ bewirken.Diesen Anspruch teilt der Ansatz der Transdiszipl<strong>in</strong>aritätmit der Aktionsforschung (Friedrichs 1990; Astleithner/Hamed<strong>in</strong>ger2003), die ihren Ursprung ebenso<strong>in</strong> der Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs am Endeder 1960er Jahre bzw. Beg<strong>in</strong>n der 1970er Jahre hat.Während mit dem Begriff der Transdiszipl<strong>in</strong>arität <strong>in</strong> derFolge vor allem im Rahmen der Nachhaltigkeits- <strong>und</strong>Kulturlandschaftsforschung (s. TRAFO – Schwerpunkt desLebensm<strong>in</strong>isteriums; vgl. Brand 2000) weitergearbeitetwurde, wurde der Ansatz der Aktionsforschung etwa <strong>in</strong>den Bildungswissenschaften – allerd<strong>in</strong>gs nur marg<strong>in</strong>al– weiterentwickelt. Heute f<strong>in</strong>det wieder e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensivierteDebatte um Transdiszipl<strong>in</strong>arität <strong>in</strong> der Forschungstatt, was nicht zuletzt im Kontext e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>tensiviertensozialen Wandels sowie der tiefen Wirtschafts- <strong>und</strong>F<strong>in</strong>anzkrise zu sehen ist. Offensichtlich werden Fragennach der Organisation von Wissensproduktion <strong>und</strong>Wissensverbreitung vor allem dann virulent, wenn sichgesellschaftliche Umbrüche abzeichnen oder wennsich durch Krisensituationen Handlungsspielräume für„neue“ Konzepte der Wissensproduktion eröffnen.diszipl<strong>in</strong>ären Hürden zu überw<strong>in</strong>den, andererseits„PraktikerInnen“ oder „Alltags-ExpertInnen“ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>enForschungsprozess als gleichberechtigte PartnerInnenzu <strong>in</strong>volvieren. Nicht zuletzt hängt dies mit e<strong>in</strong>er langandauernden, sich aber langsam verändernden Vernachlässigungvon Raumtheorien zusammen, die langeZeit für bestimme Wissensdiszipl<strong>in</strong>en der Stadt- <strong>und</strong>Regionalforschung (z.B. Regionalwissenschaft, Raumplanung)charakteristisch war. Zentrale Kennzeichenvon Transdiszipl<strong>in</strong>arität aus me<strong>in</strong>er Sicht s<strong>in</strong>d: 1) problembezogeneKooperation zwischen verschiedenenWissensdiszipl<strong>in</strong>en, 2) E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung von PraktikerInnen/Alltags-ExpertInnen <strong>in</strong> den gesamten Forschungsprozess(von der Formulierung der Forschungsfrage biszur Durchführung <strong>und</strong> eventuellen Umsetzung vonErgebnissen), damit auch Inklusion verschiedener Wissensformen,konkreter sozialer Problembezug als Ausgangspunktfür die Forschung (<strong>und</strong> nicht Themenbezug),3) gegenseitiges Lernen im Forschungsprozess, 4)Zirkularität <strong>und</strong> Emergenz des Forschungsprozesses.Die Herausforderungen, die sich aus dem Anspruch derTransdiszipl<strong>in</strong>arität ergeben, sollen für vier der genanntenKennzeichen anhand von Beispielen aus der Stadt<strong>und</strong>Regionalforschung kurz beleuchtet werden:In der Stadt- <strong>und</strong> Regionalforschung spielten sowohlder Begriff Transdiszipl<strong>in</strong>arität als auch der Ansatz derAktionsforschung bisher e<strong>in</strong>e eher marg<strong>in</strong>ale Rolle.Obwohl sich raumbezogene Forschung durch denFokus auf e<strong>in</strong>en Ort (Region, Stadtteil, etc.) quasi alstransdiszipl<strong>in</strong>äre Forschung sui generis hätte positionierenkönnen, ist es nur <strong>in</strong> wenigen Forschungsprojektengelungen, e<strong>in</strong>erseits die immer noch wirkmächtigen37 // <strong>Soziale</strong> <strong>Ungleichheit</strong> <strong>und</strong> <strong>kulturelle</strong> <strong>Vielfalt</strong> <strong>in</strong> europäischen Städten // Aktion & Reflexion