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Gruß Ausgabe 123 - Großheppacher Schwesternschaft

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InhaltZu diesem Heft ................................................................................. 4Braucht Religion Bildung? – Braucht Bildung Religion?PD Dr. Axel Bernd Kunze .................................................................... 6Kinder stärken für ein gelingendes LebenProf. Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff, Freiburg............................................. 12Der Prozess der Ausbildung auf der Grundlage einer gelingendenLernortkooperationJonas Naumann .............................................................................. 17„Spuren und Zeichen“Wolfgang Kienle .............................................................................. 20Zufriedene Mentorinnen und Kässpätzle für den KönigAngela Hermann .............................................................................. 22Schön, dass Sie da sind!Schwester Martha Birkenmaier ......................................................... 26Impressum<strong>Gruß</strong> der <strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong>56. Jahrgang – November 2013Nummer <strong>123</strong> (Kind und Schwester)Redaktion:Pfr. Dr. Hans-Michael WünschGestaltung und Satz:Zimmermann Visuelle Kommunikation, Stuttgartwww.zimmermann-visuelle-kommunikation.deFotos: <strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong>Druck: Druckerei Grübel GmbH, WeinstadtAuflage: 2.2502 | <strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong><strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong>Magdalene Simpfendörfer-Autenrieth,Oberin und VorsteherinOberlinstraße 4, 71384 WeinstadtTelefon: 07151/9934-0Telefax: 07151/9934-50ghs@grossheppacher-schwesternschaft.dewww.grossheppacher-schwesternschaft.deBankverbindung:SWN Kreissparkasse WaiblingenBLZ 602 500 10 · Konto 1 000 755IBAN: DE03 6025 0010 0001 0007 55BIC: SOLADES1WBNEvang. KreditgenossenschaftBLZ 520 604 10 · Konto 406 619Ich leih dir mein Ohr!Pfr. Dr. Hans-Michael Wünsch ........................................................... 28Wir brauchen Ihre Spende! ............................................................... 31„Wir leben nicht mehr in Zeiten, in denen die späteren Generationen automatisch die Weltender Vorfahren fortsetzen. Von früher Kindheit an haben wir ihnen die Geschichten von derBergung des Lebens erzählt, die das Christentum überliefert. Wir haben ihnen den NamenGottes als das Geheimnis des Lebens genannt.“ (192)Dieses und alle anderen Zitate in diesem <strong>Gruß</strong> sind entnommen aus: Fulbert Steffensky,Einige Wünsche für die Schule meiner Enkel, in: Schwarzbrot-Spiritualität, Stuttgart, Radius 2005, 187-195.<strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong> | 3


Zu diesem HeftVerehrte Leserin, verehrter Leser,in diesem Jahr ist der GRUSS der <strong>Großheppacher</strong><strong>Schwesternschaft</strong> der Arbeit inunserer Evangelischen Fachschule für Sozialpädagogikgewidmet. Das legt sich nahe:Durch den mittlerweile geltenden Rechtsanspruchauf einen Krippenplatz für unterdreijährige Kinder ist auch der Bedarf angut geschulten Fachkräften in den Blick derÖffentlichkeit gerückt worden und damiteine Kernaufgabe unserer Stiftung.Vor 157 Jahren setzte sich WilhelmineCanz, die Gründerin unserer Stiftung, leidenschaftlichfür den Gedanken ein, dassKinder Pflege und Anleitung brauchen.Damals hatte sie noch große Mühe, offeneOhren und offene Herzen für ihr Anliegen zufinden. „Was soll denn das, die Kinder vonBauernweibern hüten!“, so hat man übersie gelacht. „Was soll das für eine Arbeitsein? Wer will dafür auch noch Geld ausgeben?!“Wohlgefüllte Kinderzimmer und schickeKlamotten sind noch keine Garanten dafür,dass die Kinder heute besser dran sind. Aberwir wissen heute mehr. Die Pädagogik hatsich entwickelt und bestätigt, was die jungeWilhelmine Canz vor langer Zeit gesehen hat:Ohne Zuwendung kein Aufwachsen, ohneBindung keine Bildung, ohne Bildung kaumZukunft. In guten Kindergärten und gutenKindertagesstätten finden Eltern und Kinderheute Miterziehende mit Know-how. Vonwegen Kinderhüten! Erzieherinnen und Erzieherhaben die wichtige Aufgabe, Kindern Orientierungzu geben, Kinder anzuleiten, dasssie sich ausprobieren und eigene Fähigkeitenentdecken, dass sie gemeinschaftsfähigwerden, dass sie gerne leben und sich gutaufgehoben fühlen in der Welt.An unserer Schule werden junge Frauenund junge Männer umfassend auf diese Aufgabenvorbereitet. Wir sind bemüht, Ausbildungsgängeund Lehrinhalte zeitgemäß undpädagogisch fundiert weiter zu entwickelnund dabei auch unserem Anspruch als kirchlicheAusbildungsstätte zu entsprechen.Wir freuen uns, wenn Ihnen die folgendenBeiträge einen Eindruck unserer Arbeitvermitteln. Wir bedanken uns damit herzlichfür alle großzügige Unterstützung und Ihrefreundliche Verbundenheit mit unserem Werk.„Es läuft manch Kindlein gar wild und arm umher verirret, dass Gott erbarm!“Wir begrüßen es sehr, dass sich in unsererGesellschaft ein Bewusstsein dafür bildet, dassErzieherinnen und Erzieher eine Schlüsselpositionhaben. In den Kindern liegt die Zukunft!Und es ist keinesfalls gleichgültig, was dieseKinder am Anfang ihres Lebens prägt:• welche Erfahrungen in ihnen die gutenLebenskräfte fördern,• was sie ermutigt, sich auch mit unbequemenSituationen auseinanderzusetzen,• was sie bindet und bildet.Ein ganz frühes Bild zeigt uns, dass auchdie Kinder misstrauisch waren. Sie warengewohnt, sich selbst überlassen zu sein.Nicht von ungefähr hat Wilhelmine Canz 1863ihren ersten Bericht aus der Bildungsanstaltfür Kleinkinderpflegerinnen in Großheppachso überschrieben:Es läuft manch Kindleingar wild und armumher verirret, dass Gott erbarm …Magdalene Simpfendörfer-AutenriethOberin und VorsteherinPeter SchmadererKaufmännischer Vorstand4 | <strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong><strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong> | 5


Braucht Religion Bildung? – Braucht Bildung Religion?PD Dr. Axel Bernd KunzeIn Artikel 12 der baden-württembergischenLandesverfassung heißt es:(1) Die Jugend ist in Ehrfurcht vor Gott, imGeiste der christlichen Nächstenliebe, zurBrüderlichkeit aller Menschen und zur Friedensliebe,in der Liebe zu Volk und Heimat, zusittlicher und politischer Verantwortlichkeit,zu beruflicher und sozialer Bewährung undzu freiheitlicher demokratischer Gesinnungzu erziehen.(2) Verantwortliche Träger der Erziehungsind in ihren Bereichen die Eltern, der Staat,die Religionsgemeinschaften, die Gemeindenund die in ihren Bünden gegliederteJugend.„Ehrfurcht vor Gott“!? Eine Formulierung,die mitunter Verwunderung, aber auch Widerstandoder Protest hervorruft. Darf in einerpluralen Gesellschaft eine Landesverfassung6 | <strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong>ein solches Erziehungsziel überhaupt nochvorgeben? Gemeint ist – wie auch bei derreligiösen Eidesformel oder beim Gottesbezugdes Grundgesetzes – kein persönliches Glaubensbekenntnisund auch nicht die Beschränkungauf ein christliches Gottesbild. Dochtrifft der Verfassungsgesetzgeber an dieserStelle eine wichtige Wertvorentscheidung.„Es geht um die Anerkennung einer Verantwortungüber die bloße Mehrheitsmeinunghinaus“ 1 – so der CDU-Kulturpolitiker ThomasSternberg. Es geht um jene letzte Grundlage,die uns überhaupt moralisch handeln lässt. Esgeht um ein Bekenntnis, dass wir noch eineranderen Instanz gegenüber verpflichtet sind.Es geht um eine Rückversicherung gegenübertotalitären Tendenzen und einer Selbstüberschätzungdes Menschen.Dabei ist Erziehung zu Ehrfurcht nicht ineinzelne Kompetenzen oder Lernziele zerlegbar.Doch ohne einen solchen letzten Bezug,so die Überzeugung der Verfassungsväter,wäre Bildung gar nicht möglich. Zugleichschützt dieser letzte Bezug die Erziehung vorsich selbst, vor der Anmaßung, die Menschenformen zu wollen, statt zu erziehen.Bildung und Erziehung sollen dem Einzelnendie Möglichkeit eröffnen, nach dem Sinnunseres Daseins zu fragen. Einen letztenLebenssinn findet der Einzelne jedoch nicht inder Bildung allein. Bildung verweist jeden Einzelnenvon uns darauf, den eigenen Lebenssinnzu suchen und jene letzte Wahrheit zuerkennen, die uns frei macht – frei jenseitsaller menschengemachten Bildungsanstrengungen,so gut und wichtig diese auch sind.Die Kirchen zählen zu den ältesten Kulturträgernunseres Landes, das Christentum1Thomas Sternberg: Das Kreuz – religiöses oder kulturelles Symbol? Über Kreuze in öffentlichen Gebäuden, in: Engagement(2013), Heft 1, S. 19 – 28, hier: 24.ist von Beginn an eine „Bildungsreligion“.Schon früh haben sich kirchliche Schulen,beispielsweise Dom- oder Klosterschulen,herausgebildet. Und bis heute steht hinterjeder christlichen Schule die Überzeugung,dass Bildung und Religion keine Gegensätzebilden, sondern untrennbar zusammengehören.Und nicht zuletzt bildet die Religionspädagogikeinen besonderen Schwerpunkt unsererFachschule und ihrer Ausbildungsgänge.Im Folgenden möchte ich diesen Zusammenhangzwischen Bildung und Religionnäher ausleuchten, und zwar in zweifacherRichtung. Gefragt werden soll zunächst:Braucht Religion Bildung? Dann aber auch:Braucht Bildung Religion?1. Braucht Religion Bildung?Der Mensch kann nicht einfach nur existieren.Er muss selbst bestimmen, wer er sein willund wie er leben will. Genau deswegen ist derErzieherberuf so wichtig. Der Mensch mussseine Freiheit, seinen Vernunft- und Sprachgebrauchzunehmend kultivieren. Er muss lernen,zunehmend selbständiger zu entscheidenund zu handeln. Kurz: Er braucht Bildung undErziehung, und zwar von klein auf.Nur so wird ein Mensch zu einer eigenständigenPersönlichkeit heranwachsen,eine eigene Individualität und einen eigenenCharakter ausbilden. Nur so wird der Einzelnelernen, sich zwischen richtig oder falsch,angemessen oder unangemessen, gut oderböse zu entscheiden.Früher sprach man von Charakterbildung,ein im Grunde sehr passender Begriff, derheute etwas aus der Mode gekommen ist.Was können Glaube und Religion zu einersolchen Charakterbildung beitragen?Bibel eröffnet moralischen BezugsrahmenDie Bibel eröffnet einen Bezugsrahmen fürdas christliche Leben, indem sie eine gelebteMoral vor Augen stellt: eine Moral, die lebbarist, weil sie schon einmal vorgelebt wurde.Die biblischen Texte erzählen nicht einfacherbauliche Beispielgeschichten, sondernformulieren eine Zumutung: Sie formulieren,wozu Menschen fähig sind – und erhebendamit einen moralischen Anspruch. Denn sieformulieren damit zugleich, wozu Menschenfähig sein sollen: „Die Erzählungen des Altenund Neuen Testaments stellen nicht alles vor,was möglich ist. Sie wählen aus dem Möglichendas passende Mögliche aus. Sie gebenbestimmte Tunlichkeiten vor, die herausfordern“2 – so der Bonner Pädagoge VolkerLadenthin (unter Verwendung einer Formulierungdes Philosophen I. Kant).Soll die christliche Identität gewahrt bleiben,kann der biblische Bezugsrahmen nichteinfach durch andere Texte ersetzt werden.Würde die christliche Glaubensgemeinschaftsich auf andere Texte festlegen als jene, dieschließlich als Heilige Schrift verbindlichgeworden sind, würde sich auch die Gemeinschaftder Christen und deren Moral verändern.Die Bibel kann nicht einfach durch den„Kleinen Prinzen“ ersetzt werden. Dabei istdie Bibel nicht allein für Christen von Bedeutung,sondern weit über den Bereich der Kirchenhinaus. 3 Viele Bereiche unseres Zusammenlebensund unserer Kultur sind durchbiblische Vorstellungen und Bezüge geprägt.Gesellschaftlicher Wandel stellt Frage nachder Lebensgestaltung neuDie Bibel zeigt moralisch-sittliches Handelnunter ganz bestimmten geschichtlichen und2Volker Ladenthin: Über das Verhältnis von Religion und Politik, in: Winfried Böhm/Karl Hillenbrand (Hgg.): Engagiert aus demGlauben. Beiträge zu Theologie, Pädagogik und Politik, Würzburg 2007, S. 214 – 224, hier: 217 [Hervorhebung im Original].3Vgl. Henning Graf Reventlow: Die Bibel als abendländisches Kulturgut. Einige Beobachtungen, in: Theologisch-praktischeQuartalschrift (2009), S. 114 – 124.<strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong> | 7


gesellschaftlichen Bedingungen. Wir müssendaher immer wieder neu danach fragen,was die Bibel uns heute für unser Handelnund unser Zusammenleben, im privaten wieim öffentlichen Leben, sagen kann. Zwei Beispieledazu:• In der Bibel finden wir das Verbot, Blut zuessen. Dieses Verbot zählt zu jenen altenSpeisevorschriften Israels, die in derApostelgeschichte auch für die christlichenGemeinden ausdrücklich beibehaltenwurden. Im Laufe der Kirchengeschichtehat man diese Vorschrift aberaufgegeben. Heute essen Christen in allerRegel – und mit Genuss – Schwarzwurst,Rumpsteak oder Zwiebelrostbraten.• Im Juni veröffentlichte die EvangelischeKirche in Deutschland (EKD) eineOrientierungshilfe dazu, wie „Familie“aus kirchlicher Sicht unter den heutigenLebensumständen und Lebensformenangemessen verstanden und gelebt werdenkann. 4 Der Text hat eine heftige Diskussionausgelöst, deren Ausgang heutenoch offen ist. Das traditionelle Familienbildwackelt.Die beiden Beispiele – und weitere ließensich finden – machen auf einen Grundzugchristlichen Lebens aufmerksam: Die Frage,wie christliches Leben überzeugend undangemessen gestaltet werden kann, mussimmer wieder neu gestellt werden. Immerwieder neu muss um angemessene Antwortenauf diese Frage gerungen werden. DemBeispiel Jesu gemäß zu leben, verlangt nichtnach bloßer Nachahmung, sondern nachNachfolge. 54 8 | <strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong>Vom Nachahmen zur NachfolgeWorin liegt der Unterschied? Wer nachahmt,orientiert sich nicht an eigenen Einsichten,sondern an dem, was andere vorgeben. –Jesus Christus will mehr. Er ruft uns Menschenauf einen Weg der Liebe, der mehrverlangt als bloßen religiösen Gehorsam.Hier ist der Einzelne dazu herausgefordert,immer wieder über sich selbst hinauszugehen– so wie Jesus es uns vorgelebt hat.Nachfolge bedeutet, am Vorbild Jesu Maßzu nehmen, immer wieder neu danach zu fragen,wie sein Beispiel in der heutigen Situationüberzeugend und authentisch gelebtwerden kann. Christliche Ethik ist lebendigeNachfolge, nicht einfach ein bestimmterKatalog moralischer Forderungen. Dahersind Christen niemals „Kopien“ oder „billigeAbziehbilder“, sondern stets „Originale“:Originale, die Jesus als moralisches Vorbildbegreifen, bei ihrer Urteilsbildung anseiner Person Maß nehmen und – bei allerUnzulänglichkeit – sein Vorbild eigenständigumsetzen.Gelingen kann das nur, wenn Glaube undBildung zusammengehören. Ein Glaube, derauf Bildung verzichten wollte, wäre bloßeNachahmung, die bloße Bindung an Konvention,an Überlieferung oder an höhereMächte. Zwar lernt jeder Mensch die erstenethischen Regeln von klein auf durchNachahmung – daher sollten sich Erzieheroder Erzieherinnen immer bewusst bleiben,dass sie als Modell auf die Kinder wirken!–, der Mensch darf aber in seiner moralischenEntwicklung nicht dabei stehenbleiben.In der Werterziehung kommt es daraufZwischen Autonomie und Angewiesenheit. Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken. Eine Orientierungshilfe des Ratesder Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), im Auftrag des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland herausgegebenvom Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland, Gütersloh 2013.Zum Folgenden vgl. Dieter Witschen: Nicht Nachahmung, sondern Nachfolge. Kants Reflexionen zum ethischen Exempel, in:Zeitschrift für Katholische Theologie (2008), S. 323 – 333; vgl. hierzu auch: Axel Bernd Kunze: Aufruf zur Nachfolge, nicht zurNachahmung, in: Marianne Heimbach-Steins/Georg Steins (Hgg.) in Verbindung mit Alexander Filipovic und Kerstin Rödiger:Bibelhermeneutik und Christliche Sozialethik, Stuttgart 2012, S. 134 – 153.5 an, den Einzelnen herauszufordern, über dieeigenen Entscheidungen nachzudenken,diese zu reflektieren und so die Fähigkeitzur eigenständigen sittlichen Urteilsbildungzunehmend weiter zu entwickeln. Nur dannwird der Einzelne auch in neuen, noch vollkommenunbekannten Situationen sittlichverantwortlich entscheiden können.Wir sind von Anfang an auf EntwicklungangelegtAus christlicher Sicht glauben wir, dass derMensch von Gott dazu geschaffen wordenist, seine Freiheit, seine Vernunft und seinenSprachgebrauch zunehmend zu kultivierenund zu verfeinern. Im Unterkurs der Fachschulausbildungnimmt beispielsweise dasThema Sprachförderung breiten Raum ein.Dies ist ein Bildungs-, Erziehungs- und Entwicklungsprozess,der von klein auf begleitetund unterstützt werden muss. Und hier habendie Erzieherinnen und Erzieher eine ganzwichtige und entscheidende Aufgabe. Siekönnen nicht entscheiden, wie die Kinder undJugendlichen, die ihnen anvertraut sind, späterleben, denken und handeln werden. Abersie werden den späteren Weg der Kinder undJugendlichen beeinflussen durch das, was sieihnen durch ihr eigenes Vorbild und durch ihreerzieherische Praxis mit auf den Lebensweggeben – oder eben auch nicht.Dies gilt auch in religiöser Hinsicht. Auchreligiöse Sprachfähigkeit muss sich entwickelnund muss pädagogisch gefördert werden,ebenfalls von klein auf. Ohne Bildung wird diesnicht gelingen. Sich der Frage nach Gott undnach dem Sinn unseres Lebens zu stellen, wirdnur demjenigen gelingen, der der Aufgabe –und auch der Anstrengung! – der Bildung nichtausweicht. Religion bedarf daher der Bildung.Wie aber sieht es umgekehrt aus?2. Braucht Bildung Religion?In einer pluralen Gesellschaft stehen verschiedenereligiöse Bekenntnisse nebeneinander.Der Einzelne ist dabei herausgefordert, einepersönliche Entscheidung zu treffen. ReligiöseBildung ist aus zwei Gründen wichtig:• Wenn Lebensverhältnisse unübersichtlich,brüchig oder riskant werden, stelltsich uns auch die Sinnfrage immer wiederneu. Wer nicht gelernt hat, sich inder angebotenen Vielfalt von Lebenskonzepten,Wertorientierungen und Sinnangebotenfür das Mögliche und Passendezu entscheiden, über den wird sehr leichtentschieden – aber eben von anderen.• Unser Zusammenleben braucht auch dieVerpflichtung auf bestimmte soziale Tugendenund Rahmenbedingungen. Bürgersinnund öffentliche Moral stehen uns nicht einfachals selbstverständliche Ressource zurVerfügung. Staat und Gesellschaft werdenauch unter der Bedingung gesellschaftlicherPluralität weiterhin religiös beeinflusst,das ist nicht zu übersehen.Religiöse Sprachfähigkeit und interkulturellesVerstehenReligiöse Bildung ist erzieherisch zunächstvom Einzelnen her zu denken. Von umfassenderPersönlichkeitsbildung kann nur danngesprochen werden, wenn der Einzelne auchin der Lage ist, sich selbst und die Welt, die ihnumgibt, mit Bezug auf religiöse Sprachformenwahrzunehmen und zu beurteilen. ReligiöseLernprozesse gehören unverzichtbar zum allgemeinenBildungsauftrag dazu, unabhängigob der Einzelne selbst gläubig ist oder nicht.Die Befähigung, über Religion reden undreflektieren zu können, bleibt für jeden wichtig.6 Wir könnten sonst ein Erziehungskonzeptwie das von Maria Montessori, das in starkem6Vgl. Bernhard Dressler: Religiöse Bildung und Schule, in: Handbuch Interreligiöses Lernen, Gütersloh 2005, S. 85 – 100, hier:92 – 95.<strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong> | 9


Maße von religiösen Bezügen lebt, nicht mehrverstehen. Wir könnten nicht über die kirchlichenAnfänge institutionalisierter Kleinkinderziehungsprechen oder im Kunstunterrichtüber Bilder mit christlichem Bezug. Gelingendereligiöse Bildungsprozesse bleiben auf zweiVoraussetzungen angewiesen:• Ein Verständnis für religiöse Phänomenekann sich nur entwickeln, wenn Religionnicht auf ihre kulturelle oder politischeSeite reduziert wird. Wer religiös sprachfähigwerden will, muss ansatzweise auchmit gelebter Religion, mit religiösen Überzeugungenund Gewissheiten in Kontaktkommen. 7 Von daher sind die Unterrichts-Exkursionen zur Griechisch-OrthodoxenKirche und zur Moschee in Esslingen unddie Gespräche, die dort geführt werdenkönnen, ein wichtiger Bestandteil der InterkulturellenPädagogik an unserer Fachschule.Die Erzieherinnen oder Erzieher imKindergarten werden mit den Kindern möglicherweisedie Kirche im Ort besuchen.• Ein Verständnis für das Fremde kann sichnur vom Standpunkt des Eigenen her entwickeln.Der Berliner Pädagoge Dietrich Bennerzieht eine Parallele zum Spracherwerb.So wie Kinder erst ausgehend von einerMuttersprache andere Fremdsprachenerlernen können, werden fremde Religionenerst verständlich, wenn sich der Einzelneeinen eigenen Standpunkt erarbeitet hat. 8Dies muss nicht in jedem Fall die eigeneReligion sein, da ein bestimmtes konfessionellesBekenntnis pädagogisch nicht allgemeinvorausgesetzt werden kann. ReligiöseErziehung wird aber einen Schwerpunktsetzen müssen. In der Regel bei jenerReligion, die kulturell vorherrscht und dieLebenswelt am stärksten prägt. Besondersdie Feste im Jahreskreislauf bieten sich hieran. Wer versteht, was Adventskranz undWeihnachtsbaum bedeuten oder was Eiermit Ostern zu tun haben, wird dann auchandere Traditionen vergleichen, einordnenund verstehen können, beispielsweise dasmuslimische Zucker- oder Opferfest.Orientierungslinien in einer religiös diffusenUmweltEine zwar religionsfreundliche, aber letztlichplural-indifferente, religiös diffuse Lernumweltwird die religiöse Identitätsbildung ehererschweren als erleichtern. Dagegen wird,wenn religiöse Fragestellungen erzieherischvon Bedeutung sind, Toleranz gegenüberfremden Überzeugungen leichter fallen. Einevermeintlich neutrale Werterziehung im Kindergartenoder anderswo, die religiöse Fragenvon vornherein ausklammert, ist gerade nichtneutral, sondern einseitig. Keine Werterziehungwird ohne Rückgriff auf letzte Grundüberzeugungendie verwirrende Vielzahl an Wertenin eine stimmige Ordnung bringen können.Spätestens bei tragischen Ereignissen,Unglücks- oder Todesfällen wird deutlich, dassunsere Gesellschaft auf Religion nicht verzichtenwill und kann. 9 Religion und Politik braucheneinander, soll sich nicht jeweils eine Seiteabsolut setzen – was in der Geschichte nochnie gut ausgegangen ist. Wir Deutsche wissendas in besonderer Weise.Wir tun gut daran, beides im Blick zu behalten:Kinder sollen in die Gemeinschaft und in dieGesellschaft hineinwachsen, in der sie spätereinmal Verantwortung übernehmen sollen. ImKindergarten wird der Grund gelegt für vielesan Wissen und Kompetenzen, an Verantwortungund Orientierung, das für das gesamtespätere Leben wichtig und prägend ist. Kindersollen aber auch in religiöser Hinsicht mündigwerden, damit sie lernen, sich mit Sinnfragenauseinander zu setzen und eine Vorstellung vongelingendem Leben zu entwickeln.Sich selbst vertrauen könnenDie pädagogische Beziehung zwischen derErzieherin oder dem Erzieher und dem Kindist ein Vertrauensverhältnis. Das Kind istihnen anvertraut und soll durch ihr Tun immermehr lernen, sich selbst zu vertrauen. Auchhier gilt der einfache und doch so großartigeSatz Maria Montessoris: „Hilf mir, es selbstzu tun.“ Dies alles mag weit weg sein vonder sogenannten „großen Politik“. Politischfolgenlos bleibt es keineswegs. Denn Ehrfurchtvor Gott, Nächstenliebe, Solidaritätund Verantwortlichkeit, wovon anfangs dieRede war – erinnert sei an die Worte der Landesverfassung– bedürfen einer entscheidendenQuelle der Motivation: der Liebe und desVertrauens. 10 Ohne Charakterbildung, ohneumfassende Persönlichkeitsbildung, zu derdie Auseinandersetzung mit religiösen Fragenunverzichtbar dazu gehört, werden Liebeund Vertrauen nicht geweckt werden können.Darum ist die Aufgabe der Erzieherin und desErziehers so wichtig, gerade in der frühenKindheit.PD Dr. Axel Bernd KunzeAus der Ansprache des kommissarischen Schulleiters zur Zeugnisübergabe an die Absolventinnenund Absolventen des Oberkurses der Evangelischen Fachschule für SozialpädagogikWeinstadt am 19. Juli 2013.„Unsere Gefahr ist, dass wir uns zufrieden geben mit allem, woran man herumbasteln kann,und dass das Basteln Orientierung, Deutung und Ethos ersetzt.“ (192)7Vgl. Johannes Lähnemann: Lernergebnisse: Kompetenzen und Standards interreligiösen Lernens, in: Handbuch InterreligiösesLernen, Gütersloh 2005, S. 409 – 421, hier: 410.8 Vgl. Dietrich Benner: Bildung und Religion. Überlegungen zu einem problematischen Verhältnis und zu den Aufgaben desöffentlichen Religionsunterrichts heute, in: Religionspädagogik Forum (2007), Heft 1, S. 1 – 26, hier: 18 f.9Vgl. 10Rolf Schieder: Politik und Religion in der Zivilgesellschaft, in: Handbuch Interreligiöses Lernen, Gütersloh 2005, S. 28 – 40. Vgl. Thomas Mikhail: Bilden und Binden. Zur religiösen Grundstruktur pädagogischen Handelns, Frankfurt a. M. u. a. 2009.10 | <strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong><strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong> | 11


Kinder stärken für ein gelingendes LebenFestvortrag beim 157. Jahresfest am 22. September 2013Förderung von Lebenskompetenzen und Resilienz 1Prof. Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff12 | <strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong>Stärken, Fähigkeiten und Ressourcen vonKindern stehen bei dem Konzept der Resilienzim Vordergrund. Es wird danach gefragt,was Kinder stärkt und wie sie darin unterstütztwerden können, ihre Kompetenzen zuentwickeln und zu entfalten. Dabei geht esnicht darum, die Schwierigkeiten und Problemeaus dem Blick zu verlieren, sondernanders mit ihnen umzugehen.In meinem Vortrag gebe ich zunächst eineDefinition der Resilienz, dann werdenSchutzfaktoren vorgestellt, die sich in wissenschaftlichenStudien als bedeutsam füreine gesunde seelische Entwicklung herausgestellthaben. Abschließend wird ein Ausblicküber Möglichkeiten der Resilienzförderungin der Organisation „Kita“ gegeben.Was ist Resilienz?Die Resilienzforschung sieht das Kind alsaktiven Bewältiger und Mitgestalter seinesLebens. Es ist schwierigen und belastetenLebensumständen nicht hilflos ausgeliefert,sondern hat Ressourcen zur Verfügung, ihnenzu begegnen und sich dabei weiterzuentwickeln.Das bedeutet allerdings nicht, dassKinder alleine für ihre Entwicklung und positiveBewältigung von Belastungen zuständigsind. Resilienz ist ein „dynamischer Anpassungs-und Entwicklungsprozess“ und wird inder Interaktion des Kindes mit seiner Umwelterworben. Das bedeutet, dass das Kind selberaktiv auf diesen Prozess einwirken kann,gleichzeitig aber auch auf Unterstützung vonaußen angewiesen ist.Resilienz ist deshalb auch keine Persönlichkeitseigenschaftoder ein besonderer Charakterzug,sondern eher ein Entwicklungsprozess,der sich im Laufe des Lebens eines Menschenverändert. Verwendet man den Begriff derResilienz als Persönlichkeitseigenschaft, läuftman schnell Gefahr, Kinder, die in schwierigenSituationen kein resilientes Verhalten zeigen,selbst für ihren Umgang mit den schwierigenUmständen und dem daraus resultierendenVerhalten verantwortlich zu machen.Damit wird deutlich, dass Resilienz auchkein stabiles Merkmal ist, sondern sich verändert.Dieser Prozess ist von den Erfahrun-1 Um den Vortragscharakter zu erhalten, wurde auf die ausführlichen Verweise und Fußnoten der Erstveröffentlichung verzichtet.Erstveröffentlichung: Maike Rönnau-Böse und Klaus Fröhlich-Gildhoff, Resilienz. An schwierigen Lebensumständenwachsen. Kindergarten heute 2/2013, S. 8-13. © Verlag Herder GmbH, Freiburg i. Br.gen und Erlebnissen eines Menschen abhängig.Es geht vor allem darum, dass Kinder dieErfahrung machen, dass sie Aufgaben undAnforderungen erfolgreich bewältigen undsie selber darauf Einfluss nehmen können. Jemehr Möglichkeiten und Unterstützung einKind dazu hat, desto leichter wird es ihm fallen,mit schwierigen Situationen umzugehen.Resilienz ist also nicht zu jeder Lebenszeitund bei jedem Menschen gleich, sondern isteine „variable Größe“. So kann es sein, dassKinder zu einem Zeitpunkt ihres Lebens resilientsind, zu anderen Zeitpunkten mit anderenRisikolagen jedoch mehr Schwierigkeitenhaben, die Belastungen zu bewältigen.Der Begriff Resilienz lässt sich aus demEnglischen ableiten und wird mit „Spannkraft,Widerstandsfähigkeit und Elastizität“ übersetzt.Eine Definition, die sich im deutschsprachigenRaum durchgesetzt hat, ist die Begriffsbestimmungvon Wustmann, die Resilienz als„die psychische Widerstandsfähigkeit gegenüberbiologischen, psychologischen und psychosozialenEntwicklungsrisiken“ beschreibt.Resilienz zeigt sich also immer dann, wenneine risikoerhöhende Gefährdung für die Entwicklungdes Kindes (z.B. der Verlust einernahen Bezugsperson, Aufwachsen in Armutusw.) erfolgreich bewältigt wird. Resilienzist damit immer auch mit dem Risikokonzeptverbunden. Risikofaktoren sind krankheitsbegünstigendeund entwicklungshemmendeMerkmale, von denen eine Gefährdung dergesunden Entwicklung des Kindes ausgehenkann. Das können angeborene Faktoren sein,wie z.B. chronische Erkrankungen, aber vorallem auch Faktoren in der direkten Umgebungdes Kindes, wie Alkohol- und Drogenmissbrauchder Eltern, sehr junge Elternschaft,Verlust einer nahen Bezugsperson, Mobbingdurch Gleichaltrige usw.Die Wahrscheinlichkeit, ob ein Risikofaktorzu einer Entwicklungsbeeinträchtigung führt,hängt wesentlich mit verschiedenen Wirkmechanismenzusammen. Zum einen gilt: je mehrRisikofaktoren vorhanden sind, desto höherist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einerGefährdung kommt. Zum anderen wirkt sichdie Dauer und die Kontinuität der Risikofaktorenaus, d.h. ein Faktor, der nur einmaligauftritt, hat eine geringere Auswirkung wieFaktoren, die ständig Einfluss üben. So istz.B. eine Trennung der Eltern weniger belastendals ein dauerhaftes Klima von Streit,Aggression und Disharmonie in der Familie.Außerdem spielt der Zeitpunkt, in dem dieRisikosituation auftritt, eine Rolle. Je frühereine Risikobelastung eintritt, desto größer istdie Wahrscheinlichkeit, dass weitere Risikofaktorenzu späteren Zeitpunkten die Entwicklungdes Kindes gefährden.Schützende Faktoren in einem risikoreichenUmfeldDie Faktoren, die Risikofaktoren abmildernund die Wahrscheinlichkeit einer positivenEntwicklung erhöhen, werden Schutzfaktorengenannt. Die Resilienzforschung hat in mehrerenLangzeitstudien die Entwicklung vonKindern begleitet und dabei festgestellt, dasses eine Reihe von Faktoren gibt, die schützend(protektiv) wirken. In diesen Studien gab eseine Anzahl von Kindern, die unter schwierigenBedingungen aufwuchsen, d.h. mit einigenRisikofaktoren konfrontiert waren. Ein Teildieser Kinder wurde durch die erschwertenBedingungen in ihrer Entwicklung beeinträchtigt,aber ein anderer Teil entwickelte sichtrotz verschiedenster Risikofaktoren erstaunlichgut. Im Gegensatz zu den Kindern, diemehr Anpassungsprobleme zeigten, wiesensie mehrere Merkmale auf, die bei den anderennicht zu finden waren.Diese Merkmalewurden dann als Schutzfaktoren klassifiziert.Dabei wird unterschieden zwischen personalenund sozialen Ressourcen, d.h. Faktoren,<strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong> | 13


die kindbezogen sind und Faktoren, die imsozialen Umfeld des Kindes zu finden sind.Der wichtigste Schutzfaktor für die seelischgesunde Entwicklung eines Kindes undzur Entstehung einer guten seelischen Widerstandskraftist eine stabile, wertschätzendeund warme Beziehung zu einer (erwachsenen)Bezugsperson. Im besten Fall gestaltenEltern diese entwicklungsförderliche Beziehung.Wenn diese aufgrund eigener Problemeund Sorgen dies nicht gewährleisten können,so konnten Kinder, die sich als resilient erwiesen,auf andere Bezugspersonen zurückgreifen,wie z.B. Großeltern, Nachbarn oder pädagogischeFachkräfte, wie z.B. ErzieherInnen.Es ist also nicht so entscheidend zu wem dieBeziehung besteht, sondern wie diese Beziehunggestaltet ist, damit sie sich positiv auswirkt.Zum einen sollte die Person konstantverfügbar sein, ein Gefühl der Sicherheitvermitteln und feinfühlig auf die Bedürfnissedes Kindes eingehen können. Zum anderensollte die Beziehung von bedingungsloserWertschätzung, Vertrauen und Unterstützunggeprägt sein und eine Stärkung des Selbstwertesund Selbstvertrauens beinhalten.Weitere wichtige Schutzfaktoren bzw.Ressourcen im Umfeld des Kindes innerhalbder Familie sind ein autoritativer und demokratischerErziehungsstil, Zusammenhalt,Stabilität und konstruktive Kommunikation inder Familie, enge Geschwisterbeziehungen,altersangemessene Verpflichtungen des Kindesim Haushalt, eine harmonische Paarbeziehungder Eltern, ein unterstützendes familiäresNetzwerk (Verwandtschaft, Freunde,Nachbarn).Dazu kommen Schutzfaktoren in den Bildungsinstitutionen:Klare, transparente undkonsistente Regeln und Strukturen, ein wertschätzendesKlima (Wärme, Respekt undAkzeptanz gegenüber dem Kind und seinenEltern), ein hoher, angemessener Leistungsstandard,die positive Verstärkung der Leistungenund Anstrengungsbereitschaft des Kindes,positive Freundschaftsbeziehungen und Peerkontakte,die Förderung von Resilienz faktorensowie die Zusammenarbeit mit dem Elternhausund anderen sozialen Institutionen.Im weiteren sozialen Umfeld kommen folgendeSchutzfaktoren hinzu: Kompetenteund fürsorgliche Erwachsene außerhalb derFamilie, die Vertrauen fördern, Sicherheitvermitteln und als positive Rollenmodelledienen, z.B. ErzieherInnen, LehrerInnen undNachbarn; Ressourcen auf kommunalerEbene (z.B. Angebote der Familienbildung,Beratungsstellen, Frühförderstellen und/oderGemeindearbeit), gute Ausbildungs- undBeschäftigungsmöglichkeiten und das Vorhandenseinprosozialer Rollenmodelle, Normenund Werte in der Gesellschaft.Auf der Ebene des Kindes lassen sich ausden verschiedenen Untersuchungen sechszentrale Faktoren herausfiltern, die sich alsgrundlegend wirksam zur Entwicklung vonResilienz und damit zur adäquaten Bewältigungvon Entwicklungsaufgaben, Anforderungenund Krisen gezeigt haben:• Selbst- und Fremdwahrnehmung: angemesseneSelbsteinschätzung und Informationsverarbeitung• Selbstwirksamkeit (-serwartung): Überzeugung,Anforderungen bewältigen zu können• Selbststeuerung:Regulation von Gefühlen und Erregung• Problemlösung:allgemeine Strategien zur Analyse undBearbeitung von Problemen• Soziale Kompetenzen:Unterstützung holen, Selbstbehauptung,Konfliktlösung• Stressbewältigung/adaptive Bewältigung:Realisierung vorhandener Kompetenzen inder SituationDiese Resilienzfaktoren sind nicht unabhängigvoneinander, sondern bedingen sich gegenseitigund stehen in einem Zusammenhang. ImGegensatz zu den meisten sozialen Ressourcenkönnen die Resilienzfaktoren auch von pädagogischenFachkräften beeinflusst werden,d.h. die Entwicklung von Selbstwahrnehmung,Selbstwirksamkeit, sozialer Kompetenz usw.kann durch kompetente Erwachsene unterstütztund gefördert werden.Förderung der Resilienz in KindertageseinrichtungenKindertageseinrichtungen erreichen Kinder(und deren Eltern) frühzeitig und könnendaher deren Resilienz und die dafür hilfreichenSchutzfaktoren rechtzeitig stärken.Aus Erkenntnissen der Präventionsforschungund wissenschaftlich begleiteterProjekte zur Resilienzförderung hat sichgezeigt, dass ein entsprechendes Programmam erfolgreichsten ist, wenn systematischdie Fachkräfte der Einrichtung, die Kinder,die Eltern und weitere Netzwerke einbezogenwerden:(1) Angebote für die Pädagogischen Fachkräfte(ErzieherInnen, KindheitspädagogInnen):Fortbildungen und Fallberatung:Die Fachkräfte nehmen (im gesamtenTeam) an Fortbildungseinheiten teil. Ausgehendvon einer Stärkebilanz des Teamsund der Einrichtung wird der Grundgedankeder Resilienzförderung vermittelt,und die PädagogInnen werden dazu qualifiziert,das Programm zur Resilienzförderungmit den Kindern und den Eltern durchzuführen.Auch die Vernetzungsarbeit warGegenstand der Fortbildungen. Zusätzlichwerden regelmäßige, vierwöchentlichekind- oder familienzentrierte Besprechungenzumeist mit dem gesamten Team einerEinrichtung durchgeführt. Diese Besprechungenhaben das Ziel, kindbezogeneinen ressourcenorientierten Blickwinkeleinzunehmen.(2) Arbeit mit den KindernMit allen Kindern der Einrichtungen solltedas im Freiburger Zentrum für KinderundJugendforschung (ZFKJ) entwickelte„Programm zur Prävention und Resilienzstärkungin Kindertageseinrichtungen(PRiK)“ durchgeführt werden. In Ausnahmefällenerhalten darüber hinaus einzelneKinder spezifische Förderungen, bzw. eswurde systematisch darauf geachtet,dass eine solche Förderung eingeleitetwird. Das Programm PRiK umfasst 20 Trainingseinheiten,die im Zeitraum von zehnWochen (zwei Einheiten pro Woche à 35bis 40 Minuten) durchgeführt wurden. AmProgramm nahmen jeweils acht bis zehnKinder – i.d.R. Kinder unterschiedlicherGruppen der beteiligten Kindertageseinrichtungen– mit möglichst demselbenEntwicklungsstand teil. Das Programmsollte von zwei Fachkräften geleitet werden.Die Kursgruppen sind im Verlauf der20 Sitzungen konstant; Programminhaltewurden auch im „Alltag“ der KiTa, z.B. im„Morgenkreis“, aufgegriffen. Das Kursprogrammist zielorientiert manualisiertaufgebaut und hat folgende Grundthemen:Selbstwahrnehmung, Selbst steuerung,Selbstwirksamkeit, Soziale Kompetenz,Umgang mit Stress, Problemlösen (s.o.).Das Programm wurde systematisch evaluiert.(3) Zusammenarbeit mit den ElternAlle Eltern sollten das Angebot erhalten,an Elternkursen zur Stärkung der Erziehungskompetenzund zur Unterstützungder Förderung von Resilienz im Alltagder Familien teilzunehmen. Diese Kurse14 | <strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong><strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong> | 15


werden regelmäßig in den Kindertageseinrichtungenangeboten. Sie umfassensechs Einheiten, die wiederum nach Themenstrukturiert sind. An diesen Kursenkönnen jeweils sechs bis zehn Eltern teilnehmen;die einzelnen Sitzungen dauern90 Minuten. Darüber hinaus sollten mitden Eltern regelmäßig stärkenorientierteGespräche zur Entwicklung des Kindesoder zu Erziehungsfragen geführt werden.(4) VernetzungEs ist hilfreich, wenn sich die Kindertageseinrichtungenmit Ein richtungen undVereinen im Umfeld sozialräumlich vernetzen.So können z.B. regelmäßige Sprechstundender „zuständigen“ Erziehungsberatungsstellenin den Einrichtungenangeboten werden. Ein Ziel sollte es sein,systematische Kontakte zu Institutionenund Organisationen im Sozialraum (Vereine,Kirche, Schulen) aufzubauen, um dieKindertageseinrichtungen als Knotenpunktim Netz resilienzförderlicher Einrichtungenim Quartier zu entwickeln.16 | <strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong>SchlussbemerkungDer Grundgedanke der Resilienz, die stärkenorientierteSicht auf das Kind (und seine Familie)deckt sich mit modernen frühpädagogischenSichtweisen von Kindern und ihrer Entwicklung(z.B. Robert Bosch Stiftung, 2008). DieUmsetzung der gezielten Resilienzförderung indem skizzierten Mehrebenen-Ansatz bedeutetfür die pädagogischen Fachkräfte und Einrichtungeneine Neu- oder Umorientierung, diezunächst auch mehr Aufwand „kostet“, wiees eine Erzieherin in einem Resilienzprojektbeschrieb: „Erst war es mehr Arbeit, jetzt istes anders.“ Dieses „Anders“ zeigt sich in einerveränderten, ressourcenorientierten Haltungder Fachkräfte, einer vertieften Zusammenarbeitmit den Eltern, aber auch einer erhöhtenArbeitszufriedenheit und einer verbessertenTeamatmosphäre. Der Blick auf die Stärken derKinder führt auch zu einem gegenseitig stärkendenUmgang im Team.Prof. Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff„Wir waren umgeben von kurzatmigen Wichtigkeiten. Unter solchen Umständen ist es nichtleicht, eine »Lehre« zu haben. Junge Menschen, die »unwissende Meister« als Lehrer undLehrerinnen, Pfarrer, Väter und Mütter haben, spüren, dass ihnen die Welt unkenntlich wird,wo ihnen nicht Erwachsene gegenübertreten mit erkennbaren Gesichtszügen und mit erkennbarerAndersheit. Unsere Kinder brauchen uns als Erwachsene, sie brauchen uns als andere.Sie brauchen uns als Menschen, die etwas vertreten, an etwas glauben und etwas wollen. Siebrauchen unser Gesicht, sonst können sie sich selber an uns nicht erkennen, nicht abarbeiten,nicht ihren eigenen Lebensentwurf am fremden probieren. Es hilft ihnen nicht weiter, wennsie in ihren Lehrern und Lehrerinnen, in den Vätern und Müttern nur sich selbst und die eigeneHilflosigkeit wiederfinden; wenn jedes Gespräch mit ihnen zum Selbstgespräch wird.“ (194)Der Prozess der Ausbildung auf der Grundlage einer gelingendenLernortkooperationJonas NaumannDie GrundlagenIn der Vorbemerkung des Orientierungsplansfür Bildung und Erziehung in baden-württembergischenKindergärten und weiteren Kindertageseinrichtungenheißt es:„Erziehung meint die Unterstützung undBegleitung, Anregung und Herausforderungder Bildungsprozesse, z. B. durch Eltern undpädagogische Fachkräfte. Sie geschieht aufindirekte Weise durch das Beispiel der Erwachsenenund durch die Gestaltung von sozialenBeziehungen, Situationen und Räumen. Aufdirekte Weise geschieht sie beispielsweisedurch Vormachen und Anhalten zum Üben,durch Wissensvermittlung sowie durch Vereinbarungund Kontrolle von Verhaltensregeln.“(Seite 8)Der Bildungsauftrag und die hohen Qualitätsansprüche,die heute mit der Erziehungund Betreuung von Kindern zwischen 0 und6 Jahren verbunden werden, können jedochnur auf der Basis entsprechender Rahmenbedingungenumgesetzt werden. Dazu gehörensowohl die finanzielle, räumliche und personelleAusstattung der Einrichtungen als aucheine auf die regionalen Bedingungen ausgerichtetepädagogische Konzeption. Nichtzuletzt ist die Qualifizierung des pädagogischenPersonals eine entscheidende Voraussetzungfür eine qualitätsvolle Betreuung vonKindern im Elementarbereich.Diese Qualifizierung zu gewährleisten istAufgabe der Fachschulen für Sozialpädagogikund ihrer Kooperationspartnerinnen in denPraxiseinrichtungen.Lernort SchuleAuf der Grundlage vielseitiger, arbeitsfeldrelevanterVorerfahrungen oder einerberuflichen Vor- bzw. Grundqualifizierunggeht es in der schulischen Ausbildungdarum, subjektive Theorien über das kindlicheLernen, die kindliche Entwicklung,das Wesen des Kindes und den Umgang mitKindern etc. in theoretisch und empirischfundierte Kenntnisse zu überführen. DieserKompetenzerwerb beinhaltet, dass theoretischeWissensbestände, Handlungswissenund reflexive Fähigkeiten in besondererWeise verknüpft werden, die dann dasprofessionelle Handeln leiten sollen. DieAusbildung in der Fachschule für Sozialpädagogikerfolgt vorrangig nach dem Handlungsfeldkonzept.Das bedeutet, dass Themenbereiche,die als Lernfelder bezeich netwerden und die einzelnen Handlungsfeldernzugeordnet sind, fachübergreifend unterAnwendung verschiedener Arbeitstechnikenbearbeitet werden.<strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong> | 17


Lernort PraxisUm den Erwerb von professionellen Handlungskompetenzenim Sinne der für die Fachschuleformulierten Zielsetzung zu fördern undzu unterstützen, ist die theoretische Ausbildungeng mit der praktischen Ausbildung in einemtypischen Arbeitsfeld verzahnt. An unsererSchule erfolgt die praktische Ausbildung imRahmen der Fachschule vor allem in Einrichtungen,die dem Elementarbereich zugeordnetsind. In der Regel sind das Tageseinrichtungenfür Kinder. In der praktischen Ausbildung werdenvor allem berufspraktische Fähigkeitenentwickelt. Im schulischen Bereich erworbeneKenntnisse werden im praktischen Handelnangewendet, vertieft und reflektiert. Begleitetund unterstützt wird dieser Teil der Ausbildungdurch die Kooperationspartnerinnen in denpädagogischen Einrichtungen.Ziele der praktischen Ausbildung sind unteranderemDie Schülerinnen vertiefen ihren Blick auf dasBerufsbild der Erzieherin in einer Kindertagesstätte:• Kennen lernen einer Tageseinrichtung fürKinder• Auseinandersetzung mit der Raum- undTagesstrukturgestaltung• Die Aufgaben einer Erzieherin erleben• Eigene Aufgabenbereiche übernehmenEntwicklung und Erweiterung berufsbezogenerSchlüsselqualifikationen:• Bildungsprozesse anregen (beobachten,planen, durchführen, reflektieren, dokumentieren)• Unterschiedliche Methoden kennen lernenund erproben• pädagogische Beziehungen zu Kindernund Fachkräften aufbauen und gestalten• Etablierung und Anwendung eines konstruktivistischenBildungsverständnisses18 | <strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong>Berufliche Identität entwickeln:• Kommunikative und selbstreflexive Fähigkeitenerweitern• Handeln in den differenzierten Bezugssystemeneiner pädagogischen Einrichtung:• Praktikantin – Kind – Gruppe – Mitarbeiter– Team – Eltern• Haltung und Professionalität der Erzieherinim Erziehungs- und Bildungsprozessverbalisieren können• Bedürfnisse und Emotionen von Kindernerkennen und das eigene pädagogischeund berufliche Handeln darauf abstimmenDie LernortkooperationDamit dieser bedeutsame Schritt gelingt,bedarf es einer gut funktionierenden Kooperationzwischen schulischem Ausbildungsortund betrieblicher Praxis. Um diesen Qualitätsstandardzu gewährleisten, haben wir anunserer Fachschule für Sozialpädagogik fürdas Schuljahr 2013 / 2014 und darüber hinausfolgende Elemente einer Lernortkooperationetabliert:1) Qualitätshandbuch LernortkooperationFür jeden Ausbildungsgang und jede Klassenstufesind ab dem Schuljahr 2013 /2014 QM-Handbücher zur Lernortkooperationentstanden, in denen die zentralenStandards der Lernortkooperation auf derGrundlage der jeweiligen Ausbildungs- undPrüfungsordnung, schulrechtlicher Vorgabenund lehrplanspezifischer Anregungenaufgeführt sind. Darüber hinaus ist diestrukturelle Organisation des Ausbildungsprozessesdargestellt, und wichtige Bewertungsdokumentesind aufgeführt.2) Rahmenkonzept zur LernortkooperationDas Rahmenkonzept zur Lernortkooperationliefert ab dem Schuljahr 2013 / 2014 denpraktischen Transfer des Qualitätshandbuchs.Für jede Ausbildungsstufe sind dieobligatorischen Praxisaufgaben aufgeführtund mit Vorgaben zur Planung und Dokumentationdifferenziert dargestellt. Es werdenBewertungskriterien für die benotetenPraxisbesuche vorgelegt sowie die Art derReflexion erläutert.3) MentorentreffenIn der Regel findet in den ersten Wochendes Schuljahres ein sogenanntes „Mentorinnentreffen“statt. Dieses Treffen bildetdie Basis für die Zusammenarbeit und giltals Forum rund um Fragen zur Praxisbetreuung.An diesen Treffen werden jeweilsdie aktuellen QM-Handbücher und dasRahmenkonzept besprochen und möglicheÄnderungen bekannt gegeben.4) PraxisbesucheDie Ausbildungs- und Prüfungsordnungbestimmt, dass pro Schuljahr zwei benotetePraxisbesuche durch die jeweilsbetreuende Lehrkraft stattfinden müssen.Die Schülerinnen werden auf diese Lehrprobenim Rahmen des schulischen Unterrichtsvorbereitet.5) Ergänzende Besuche Bei Bedarf bzw. zur Moderation von Problemsituationenkönnen mit den betreuendenLehrkräften weitere beratendeBesuchstermine vereinbart werden.6) Workshop LernortkooperationAb dem Schuljahr 2013 / 2014 lädt die Fachschulefür Sozialpädagogik in Weinstadt-Beutelsbach interessierte Erzieherinnen zusogenannten „Workshop-Nachmittagen“nach Beutelsbach ein. Im Rahmen dieserTreffen werden Fragen der Ausbildung zurErzieherin / zur Kinderpflegerin geklärt, dasQualitätshandbuch auf die Bedarfe der Praxisangepasst und Standards zur Lernortkooperationentwickelt.7) Der Träger als KooperationspartnerDurch die sich wandelnden Einstellungsmöglichkeitenund Rahmenbedingungenin den Kindertageseinrichtungen werdenkooperative Absprachen im Bereichder Personalbedarfsplanung zunehmendwichtiger. Dies betrifft auch die neue Ausbildungsformder Fachschule für Sozialpädagogik– praxisintegriert (PiA). In diesemZusammenhang laden wir in diesemSchuljahr erstmalig die Verantwortlichender Träger zu einem Planungstreffen nachBeutelsbach ein.Jonas Naumann„Lehrersein heißt zeigen, was man liebt und was einem wichtig ist.“ (195)<strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong> | 19


„Spuren und Zeichen“ – Der Künstler Rolf Nikel zu Gast imUnterricht der Evang. FachschuleWolfgang Kienle„Die Entwicklung der Kinderzeichnung“ istein thematischer Schwerpunkt im Unterkurs.Hierzu ein paar Worte:Kinder beginnen mit ca. 2 Jahren mit demsog. „Kritzeln“. Das Kritzeln ist körperbetont,rein motorisch und hat mit der sog. „Kinderzeichnung“noch nichts zu tun. Es handelt sichzunächst nur um sichtbar gemachte, festgehalteneBewegungsspuren, die sich innerhalbeines Jahres immer weiter verfeinern – vonder Grobmotorik zur Feinmotorik. Ab dem drittenLebensjahr hat das Kind mit der Hand einegewisse Feinmotorik erübt und damit handwerklicheVoraussetzungen für das Anfertigeneiner Kinderzeichnung erlangt. Aus denanfangs rein körperbetonten Bewegungsspurenwerden schließlich geistige Spuren in derGestalt von „Zeichen“. Die Kinderzeichnungist eine Zeichensprache. Das Kind zeichnet,was es weiß und was es denkt. Die sog. Kinderzeichnungbeginnt genau dann, wenn umdas dritte Lebensjahr aus dem rotierenden20 | <strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong>Knäulkritzel letztlich eine einfache, geschlosseneUmrisslinie wird. Genau dann kapseltsich eine eigenständige „Form“ ab, die ein„Ding“ zu repräsentieren vermag. Aus diesemrundlichen Ding – aus dieser Urzelle –können schließlich sehr unterschiedliche,gegenständliche Dinge hervorgehen: ein Ball,eine Sonne, ein Mensch (den wir Erwachseneanfangs Kopffüßler nennen).Zeichnen mit den FüßenDer Gastkünstler Rolf Nikel:Sein Interesse gehört dem Thema „Spurenund Zeichen“. Er arbeitet bevorzugt im XXL-Großformat und gestaltet ganze Raumkomplexe.Er hat einen Lehrauftrag an der HallerAkademie der Künste und war bereits Gastkünstlerbei der Documenta in Kassel.Rolf Nikel interessiert sich für ganz unmittelbare,authentische Spuren. Deshalb entstehenviele seiner Bilder oft mit dem Fuß.Als Erwachsener vermeidet er damit Automatismender eingeübten, geschulten Schreibhand.Er steht mit nackten Füßen auf demBoden, mitten in der Leinwand und „ist damitim Bilde“. Seine Zehen umfassen ein StückZeichenkohle. Der Blick geht senkrecht nachunten. Sein nichtzeichnender zweiter Fußassistiert dem ersten und hilft, mit unzähligenkleinen Zwischenschritten einen Impulsvorzubereiten. Es geht dabei ständig darum,den richtigen „Standpunkt“ zu finden und dasGleichgewicht zu halten. Diese Art des Zeichnensverlangt äußerste Konzentration und diePräsenz und Wachheit des ganzen Körpers.Der Künstler im Unterricht:Die praktische Gestaltungsaufgabe für dieKlasse lautete: mit einem Zeichenfuß undeiner Zeichenkohle zeichnerisch einen TischZeichenfuß und Zeichenkohlezu decken. Rolf Nikel führte in das Thema unddie Besonderheit der Technik ein und gabdiverse Starthilfen.Verschiedene Ziele wurden mit dieserungewöhnlichen Aufgabe verknüpft:Die Schüler konnten „schrittweise“ den Entstehungsprozessverfolgen, wie aus SpurenZeichen werden und wie sinnhafte Zeichengeistige Schritte anregen und zwischenmenschlicheDialoge ermöglichen. DerSpuren-Weg der Füße, der unzählige Standortwechselerfordert, ist durch viele kleineUnterbrechungen gekennzeichnet. Undgerade diese unscheinbaren, kleinen Pausenwerden in dieser Technik zu Denkpausen undletztlich zur Quelle von Flexibilität, Inspirationund Kreativität. Ganz nebenbei konnten dieSchüler in gewisser Weise nachvollziehen,wie anstrengend es für Dreijährige sein kann,mit ungeübten, körperlichen Bewegungeneigene Ideen auf dem Papier zu organisieren.Die Schüler arbeiteten beim zeichnerischenTischdecken in kleinen Gruppen und übtenpraxisnah Soziales Lernen im Rahmen einerGemeinschaftsaufgabe. Schließlich entstand,wie bei Drei- und Vierjährigen, ganzvon alleine ein sogenanntes „Streubild“, dasdie erste Stufe räumlicher Ordnung in frühenKinderzeichnungen veranschaulichte.Zum Abschluss der Unterrichtseinheit gabRolf Nikel einen Einblick in sein eigenes künstlerischesWerk im Rahmen einer Beamerpräsentation.Viel Verständnis und Interesse fürsein Schaffen ergab sich aus den verschiedenen,vorausgegangenen Selbsterfahrungen.Wolfgang Kienle, Fachbereich Bildung undEntwicklung fördern (BEF II)„Einen letzten, vielleicht naiven Wunsch habe ich für die Schulgebäude unserer Enkelkinder:sie sollen schön sein. … Räume sprechen, Räume bilden Menschen, ihre Erwartungen undihre Lebenssichten. Man könnte von den Schulgebäuden unserer Kinder erwarten dürfen,dass sie nicht weniger erzählen, nicht weniger Aussagekraft haben als die Banken und dieBahnhöfe. Rein funktionalistische Gebäude und Einrichtungen lehren funktionieren, mehrnicht. … Die Schönheit unserer Schulen verlocken zum Leben in ihr und zu ihrem Geist. Undumgekehrt: in hässlichen Schulen lebt und lernt man widerwillig.“ (195)<strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong> | 21


Zufriedene Mentorinnen und Kässpätzle für den König –Das EU-Auslandspraktikum Leonardo da Vinci 2013bis zum 9. März 2013 für sieben Wochen Oberkurspraktikumin neun europäische Länderausgereist: nach Norwegen (Oslo), Dänemark(Tondern, Gravenstein und Sonderborg), in dieNiederlande (Dinxperlo), nach Tschechien(Prag), Österreich (Wien), Italien (Mailand),Rumänien (Hermannstadt), Portugal (Lissabon-Estoril)und Griechenland (Athen).Angela HermannStimmen„Sie sind für jede Herausforderung offen, helfender Erzieherin ohne zu zögern und beteiligensich an den täglichen Aktivitäten. Der Anfang istalso gut verlaufen, und wir sind uns sicher, dasses genauso gut weitergeht!“ (Leiterin CameliaBrad aus Hermannstadt, Rumänien)„Der Start … war sehr gut. Mit ihrem Gemüt,mit ihrem Charakter und mit ihrem Können hatsie das Vertrauen der Kinder sofort gewonnen.“(aus Mailand)„Sie hat einen guten Kontakt zu den Kindern,und es macht uns viel Freude, sie hier zuhaben. Also – in diesem Jahr passt alles gut.“(Frau Schories, Mentorin aus Gravenstein,Dänemark)So und ähnlich waren die ersten Rückmeldungender Mentorinnen nach einer WocheAuslandspraktikum. Beteiligt waren in diesemJahr 19 Schülerinnen und Schüler der Europaklasseim Rahmen des EU- MobilitätsprojektesLeonardo da Vinci. Sie waren vom 19. JanuarAnders kommunizierenIn unterschiedlichen Kindertageseinrichtungenhaben sich die Praktikantinnen undPraktikanten auf einen neuen, oft anderenpädagogischen Alltag eingelassen und dortselbstständig mitgearbeitet, zum Teil untererschwerten sprachlichen Bedingungen, daauch in deutschsprachigen oder bilingualenEinrichtungen bei Weitem nicht alle Kinderdeutsch sprechen konnten. „Ich erlebte, wiees ist, Kinder mit mehreren Sprachen zu fördern.Die Kinder kamen aus Afrika, Serbien,Weißrussland, Afghanistan. Diese Kinderlernen im Kindergarten Deutsch, obwohl sienoch gar kein Dänisch können. Manche könnenauch kein Deutsch. Die Kommunikationwar eine große Herausforderung für mich.“(Debora Huber, Praktikumsplatz in Dänemark)Die Praktikantinnen und Praktikanten habendurch diese Kommunikationshürde dazugelernt:„Ich konnte durch diese erschwertenBedingungen meine eigenen Fähigkeitenerweitern: Ich wurde sensibler für nonverbaleSignale, die mir geholfen haben, die Bedürfnisseund Gefühle der Kinder zu erkennen.… Es ist sehr wichtig, die Mimik und Gestikunterstützend zur Sprache einzusetzen, umdas Gesprochene für die Kinder anschaulichwerden zu lassen.“ (Christina Biendarra,Praktikumsplatz in Hermannstadt/Rumänien)Europakarte mit den Stationen des EU-AuslandspraktikumsUnterschiede wahrnehmenAuch die Auseinandersetzung mit einemanderen Erziehungsstil war eine Herausforderung,besonders dort, wo dieser Stil imWiderspruch zu den eigenen Vorstellungenstand.Bei der Gestaltung von Bildungsangebotenfür die Kinder konnten die Praktikantinnen undPraktikanten ihre pädagogischen Fähigkeitenunter Beweis stellen – nicht zuletzt auch beiden bewerteten Praxisbesuchen, die von achtLehrerinnen und Lehrern unserer Fachschuledurchgeführt wurden. Bewegung anzuregenund naturwissenschaftliche Erfahrungen zuermöglichen, waren dabei Schwerpunkte.Dabei waren die Voraussetzungen in denKindergärten sehr unterschiedlich: „Kinderbrauchen Bewegung, das wurde mir sehrklar. Denn hier kann man nicht täglich in denAußenspielbereich oder in die Halle gehen.Die Kinder sind manchmal den ganzen Tagim Gruppenraum und damit einfach zu wenigausgelastet.“ (Jessica Krumtünger, Praktikumsplatzin Wien)Ganz im Gegensatz dazu: „Der Kindergartenwar sehr auf Motorik spezialisiert. Ich lernteeine »Bewegungsbaustelle« kennen undwurde von meiner Mentorin auch theoretischdurch entsprechende Bücher eingearbeitet.“(Debora Huber, Praktikumsplatz in Dänemark)Über die Arbeit mit den Kindern hinaussetzten sich alle Praktikantinnen und Praktikantenmit dem Projektthema Formen derZusammenarbeit mit Eltern auseinander. Alle22 | <strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong><strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong> | 23


Schülerinnen und Schüler haben über denStellenwert dieser Zusammenarbeit in ihrerPartnereinrichtung recherchiert, manchekonnten in diesem Bereich sogar konkretmitarbeiten: „Während der Elternsprechtagehatte Frau Fischer Gelegenheit, in Anwesenheitder Gruppenleiterin ein Elterngespräch zuführen. Natürlich bemerkte man eine gewisseNervosität, da es ihr erstes geplantes Elterngesprächwar. Frau Fischer hat auch an einemWorkshop mit Eltern teilgenommen, der dieSensibilisierung von Eltern und Mitarbeiternfür kulturelle Unterschiede zum Ziel hatte.“(Frau Kladovasilak, Mentorin aus Athen)Im Blick auf interkulturelles Lernen soll dasintensiv vor- und nachbereitete Auslandspraktikumeinen Perspektivwechsel herbeiführen,der in positiver Weise Verständnisund Empathie für Kinder und Familien mitMigrationshintergrund fördert. „Ein Ziel desAuslandspraktikums ist es, jedem Teilnehmerein wenig das Gefühl zu vermitteln, wie es ist,als Migrant zu leben. Das trägt dazu bei, dassdanach besser verstanden werden kann, wiesich sehr viele Menschen in Deutschlandfühlen. Auf dem Hintergrund dieser Erfahrungkönnen wir später in unserer Arbeit entsprechendsensibel sein.“ (Tobias Beller, Praktikumsplatzin Wien)Sich selbst reflektierenEigene, vertraute Verhaltensweisen galt eszu reflektieren und auch zu verändern:„Es gab viele Situationen, in denen ichmich aus Bedürfnis nach Sicherheit demneuen sozialen Umfeld anpasste. Übertragenauf Deutschland ergibt sich für mich darausgroße Hochachtung für die Anpassungsleistung,die die Personen mit Migrationshintergrundbringen müssen. Das ist eine hoheAnforderung.“ (Christina Biendarra, Praktikumsplatzin Hermannstadt)Auch neu gewonnene geschichtliche undregionalpolitische Kenntnisse haben dasVerständnis für das Partnerland, die Partnerregionund die Arbeit in der Kindertageseinrichtungverbessert. Verbunden damit musstenmanche Sichtweisen oder gar Vorurteileüber das Partnerland verändert oder ganzrevidiert werden. „Vor der Ausreise hatte ichmir schon ein eigenes Bild von Rumänien undder Kultur dort gemacht. Doch wurde diesesBild schon sehr schnell verändert, und ichmusste meine Sichtweise kritisch überdenkenund reflektieren.“ (Christina Biendarra)Eine andere Schülerin schreibt: „Ich lernteviel über die deutsche Minderheit in Dänemark,die sogenannte Deutsche Kommune.Ich musste lernen, mit dänischen Kronenumzugehen, habe meine Stadt erkundet undnach der Arbeit oder auch am Wochenendekleine Städte und Sehenswürdigkeiten in dernahen Umgebung besichtigt.“ (Debora Huber,Praktikumsplatz in Dänemark)Insgesamt gaben alle Praktikantinnenund Praktikanten an, dass sie die für Erzieherinnenund Erzieher so wichtige BasiskompetenzReflexionsfähigkeit deutlicherweitern konnten: „Unsere Reflexionsfähigkeitgewinnt an Qualität. … Wir erlebenständig Situationen, in denen wir aufgrundvon Unterschiedlichkeit gezwungen sind, zureflektieren. Wir reflektieren auch uns selbst,die Auswirkungen von Erziehungsstilen, diein der Einrichtung angewandten Methoden.… All dies trägt dazu bei, dass man in seinerRolle als Erzieher einmal viel deutlichersagen kann, wie man arbeiten möchte undwelche Gründe dafür sprechen.“ (Tobias Beller,Praktikumsplatz in Wien)Zu den wichtigsten persönlichen Lernerfahrungenbeim Auslandsaufenthalt gehörtder Zugewinn an Selbstständigkeit undSelbstsicherheit: „Alles in allem kann ichsagen, dass es eine Art kleiner Crashkurs fürdas eigenständige Leben war, welcher mirgeholfen hat, meine Selbstzweifel zu überwindenund mich aktiver, selbstständiger undmündiger gemacht hat.“ (Jessica Krumtünger,Praktikumsplatz in Wien)Gastfreundschaft erlebenAuch das Leben in Gastfamilien brachte neueErkenntnisse und Erfahrungen, die Eindrückewaren erfreulich und erstaunlich zugleich.Die Gastfamilien haben sich für die Praktikantinnenviel Zeit genommen, sie unterstütztund Ausflüge in der Region mit ihnen unternommen.In Oslo konnte Melissa Hambücher einebesondere Erfahrung machen: Sie machte dieBekanntschaft mit dem norwegischen Königund hat gleich für ihn gekocht. Das ergab sichso: Die Gastfamilie war in sozialen Projektenengagiert und hatte sich in diesem Rahmenauch um eine Auszeichnung beworben. AmTag der Preisverleihung klingelte das Telefonund die „Gastmutter“ teilte Melissa mit: „Wirhaben einen Preis verliehen bekommen, denuns gleich der König überreichen wird. Dumusst etwas kochen, bis er kommt.“ Melissageriet darüber etwas in Panik. Ihr fiel auf dieSchnelle nur Kässpätzle ein, also machte sieKässpätzle. Der König fand das schwäbischeGericht ausgezeichnet und lobte sie undmeinte, so was Gutes habe er noch nie gegessen.Melissa, die gelernt hatte, dass in Norwegennur der König gesiezt wird, bedanktesich förmlich für das Lob und bekam zur Antwort:„Wieso sagst du nicht du, willst du michbeleidigen?“Wechselseitig lernenIm Blick auf den angestrebten Vergleich derBildungssysteme schreibt Tobias Beller, Praktikumsplatzin Wien: „Das Europapraktikumbietet die Möglichkeit, einen umfangreichenEinblick in das Bildungs- und Erziehungssystemeines anderen Landes zu bekommen. …Schnell wird klar, dass in der BRD an dieserStelle vieles gelernt werden kann, dass aberin Teilbereichen wirklich anzuerkennendeArbeit geleistet wird. Wir sehen also, dasswir von anderen Systemen durch den Austauschprofitieren, gleichzeitig aber auch einehohe Wertschätzung für unsere Arbeit erhalten.“Diese Einschätzung wird wechselseitigauch von Frau Stobbe, Mentorin aus Sonderborg,Dänemark, bestätigt: „Es ist ein großerGewinn zu sehen, wie in anderen Länderngearbeitet wird. Unterschiede zu sehen undVergleiche zu ziehen, sich eine Meinung zubilden, ist immer von großem Wert.“Das Eigene schätzenBei einem Präsentationsnachmittag wurdeauch die Qualität der Ausbildung im Vergleichmit den Ausbildungen der Fachkräfte im Auslandreflektiert, die Bilanz unserer Schülerinnenund Schüler fiel etwa so aus: „Was michbeeindruckt hat, war die scheinbar großefachliche Bandbreite, die wir in der Schuleerlernen.“ (Jessica Krumtünger)„In unserem Auslandspraktikum habenbestimmt alle Teilnehmer bemerkt, wie viel siehier während der Ausbildung gelernt habenund auf welch hohem Niveau sich diese befindet.“(Tobias Beller)Das liest sich nun so, als ob alles reibungslosfunktioniert hätte. Das war nicht so. Esgab schon ein paar Probleme zu bewältigen.Eine Praktikantin kam mit dem Erziehungsstilund der Mentorin in der Partnereinrichtungnicht zurecht, so dass ein anderer Kindergartengefunden werden musste, in dem siedas Praktikum fortsetzen konnte. Die Auszubildendenin Wien hatten Probleme mit ihrerUnterkunft. Bei einer Praktikantin musste eineandere Mentorin gefunden werden, da diezugeteilte Mentorin gekündigt hatte.Insgesamt jedoch blicken 19 Schülerinnenund Schüler, ihre Mentorinnen sowie 8 Lehr-24 | <strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong><strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong> | 25


kräfte auf eine gelungene Auslandserfahrungzurück, die von den Schülerinnen und Schülernauch als Privileg empfunden wird: „Ichbin sehr dankbar für diese Zeit! Sie hat michkulturell, fachlich sowie persönlich weitergebracht.Es war super, eine solch tolle Chanceim Rahmen der Ausbildung wahrnehmen zukönnen. Dies erachte ich als großen Gewinnund werde diese neuen Erfahrungen sowohlfür mein persönliches als auch beruflichesLeben nutzen.“ (Mirjam Höfer, Praktikantin inDänemark)Schön, dass Sie da sind!Eine Begegnung der PiA-Klasse mit einigen<strong>Großheppacher</strong> SchwesternSchwester Martha Birkenmaier26 | <strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong>Hoher Lernzugewinn und gute NotenDie Nationale Agentur für Europa kam nachAbgabe des Abschlussberichtes zu folgenderEinschätzung:„Das Projekt wurde insgesamt in ausgezeichneterQualität durchgeführt. Als Anerkennungfür Ihr Engagement und die gute QualitätIhres Projektes übersenden wir Ihnen dieAuszeichnung als »Good‐Practice‐Projekt«.“Angela HermannSchön, dass Sie da sind und der Einladungzur Begegnung und zum Gespräch mit unsSchwestern bei einer Tasse Kaffee gefolgt sind.Manchmal möchte ich gerne Gedankenlesen. Aber keine Angst, ich kann es nicht!Was denken Sie, wenn Sie uns Schwesternhier im Haus begegnen? Was sind dasfür Frauen? Vielleicht wissen Sie inzwischenmehr durch die Gespräche mit uns. Seit 1856gibt es die <strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong>.Sie ist jetzt also 157 Jahre alt. Unser Name:<strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong>. Wir stammenaus Großheppach, seit 1971 sind wir hierin Beutelsbach. Der Gründungszweck wareine Schule zur Ausbildung junger Frauen fürdie Arbeit am Vorschulkind. Wir Schwesternsind inzwischen älter geworden und an Zahlkleiner. Vor 56 Jahren, bei meinem Eintritt indie <strong>Schwesternschaft</strong>, waren es noch über500 Schwestern. Wir alle haben uns rufen lassenvom Evangelium im Namen Jesu.Diakonie, in unserem Werk ist das vor allemdie Arbeit mit und an Kindern. Die Generationender Diakonissen in nun 157 Jahrenmussten sich der jeweiligen Umstände undSituationen ihrer Zeit stellen. Auch Sie (undda will ich sagen, wir Schwestern freuenuns sehr, dass es Sie gibt!) stellen sich mitIhrer Berufsentscheidung, Erzieherin oderErzieher zu werden, den Anforderungen IhrerZeit. Das ist ein anspruchsvoller Beruf. Ererfordert hohe Motivation, Wissen, pädagogischesGeschick, Verantwortung usw., vorallem aber: viel Liebe! Kindern zum Leben undins Leben zu helfen, das ist eine schöne undlohnende Aufgabe. Unsere Zeit heute brauchtsolche Frauen und Männer wie Sie. UnsereKinder und Jugendlichen brauchen nötigauch Menschen, die für etwas stehen undihnen Werte vermitteln können, die Bestandhaben. Menschen, die ihnen sagen und vorleben:Wir sind Gottes geliebte und wertgeachteteGeschöpfe. Der Auftrag Jesu, „lassetdie Kinder zu mir kommen“, ist ein wichtigerAspekt in unserer Evangelischen Fachschule:Deshalb legt sie einen besonderen Schwerpunktauf die Religionspädagogik.Sie als neue sogenannte PiA-Klasse habenes meiner Meinung nach gut, denn Sie könnendie Theorie immer gleich in der Praxisanwenden!Wir wollen Ihnen heute ein Geschenkmachen, und zwar ein verbindliches. UnserZeichen, das Logo der <strong>Schwesternschaft</strong>,der symbolisierte Eckstein mit dem Kreuz,ist Ihnen schon öfter begegnet. Auf derSchwesternbrosche, die wir alle tragen,im Eingangsbereich unseres Mutterhausesin den farbigen Fensterbildern, auf unseremBriefkopf oder auf unserer Homepage.Dieses Zeichen sollen auch Sie bekommenund an einem Halsband an sich tragen. Siemögen sich danach fragen lassen. Es sollSie erinnern an Ihre Schule. Und darüberhinaus, wenn Ihre Ausbildung abgeschlossenist, soll es dazu beitragen, dass dieVerbindung nicht abbricht, dass Sie alsogerne zurückkommen: zur Weiterbildung,zur Pflege der Verbindung zu unseremWerk und zu den Schwesterngemeinschaften,zum Kontakt untereinander im Zeichendes Ecksteins. Wir möchten Diakonie inGemeinschaft in vielfältiger Weise miteinanderleben. Dazu laden wir Sie heuteherzlich ein.Schwester Martha Birkenmaier„Die Hoffnung und die Lebensgewissheit kommen nicht mit Argumenten aus. Sie ernähren sichvon den Geschichten und Liedern vom guten Ausgang der Dinge.“ (193)<strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong> | 27


Ich leih dir mein Ohr! Unser diakonischer Impuls für 2013/2014Jesus, Maria und Marta (Lk 10,38-42)Pfarrer Dr. Hans-Michael Wünsch„Als sie aber weiterzogen, kam er in ein Dorf.Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahmihn auf. Und sie hatte eine Schwester, die hießMaria; die setzte sich dem Herrn zu Füßenund hörte seiner Rede zu. Marta aber machtesich viel zu schaffen, ihm zu dienen. Und sietrat hinzu und sprach: Herr, fragst du nichtdanach, dass mich meine Schwester lässtallein dienen? Sage ihr doch, dass sie mirhelfen soll!Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr:Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe.Eins aber ist not. Maria hat das gute Teilerwählt; das soll nicht von ihr genommenwerden.“Mir ist neulich aufgefallen, dass man dieGeschichte von Jesus und Marta und Mariaauch anders lesen kann, als sie meistens verstandenwird. Normalerweise liest sich dasja so, dass Jesus da „predigt“ und Maria das28 | <strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong>„Wort“ empfängt. Aber am Anfang steht da,Marta nahm nur „ihn“ auf. Obwohl doch „sie“weiterzogen, kam nur „er“ in das Dorf. Also ister allein. Und Maria setzte sich zu ihm. Vielleichtja schwingt Jesus da gar keine großenReden. Vielleicht findet er bei Maria ja nurein offenes Ohr und redet sich alles Möglichevon der Seele, froh, dass ihm endlich einmaljemand richtig zuhört! Vielleicht ja war ihmgar nicht nach „Wir haben einen wichtigenGast im Haus. Jetzt müssen wir dem malauftischen, damit er erkennt, wie wichtig eruns ist“. Und wenn es da nach Marta gegangenwäre, dann hätte er gar niemand mehrgehabt, der sich zu ihm gesetzt und ihm zugehörthätte.Aber Maria hat ihm ihr Ohr geliehen. Hatihn nicht unterbrochen. Hat nicht ungeduldigseine Sätze zu Ende gesprochen, ist nichtgleich mit einem „ja, aber“ eingefallen. Hatgewartet. Hat auch die Pausen zwischen denGedanken ausgehalten. Und er hat bemerkt,dass sie sich das zu Herzen gehen lässt, waser ihr da sagte. Dass sie also auch emotionalda war und sie das bewegt hat, was er rausließ. Schon zweimal hat er seinen Jüngerndavon erzählt, was ihn erwartet in Jerusalem.Ohne große Reaktion. Die da draußen vor demDorf auf seine Rückkehr warteten, die konntendamit nicht umgehen. Noch nicht. Aber hier,bei Maria, hat er ein offenes Ohr gefunden.Ich leih dir mein Ohr, hat sie ihm deutlichgemacht. Ich habe Zeit für dich. Ich bin bereit,teilzuhaben, was dich bewegt. Ich will, soweitmir das möglich ist, deine Gedanken, deineSorgen, deine Hoffnungen mit dir teilen. Teilmir mit, was dir wichtig ist. Teil dich mir mit.Ich leih dir mein Ohr.Heißt auch: Ich werde mich nicht über dichlustig machen. Ich werde dich nicht bloßstellen.Ich werde das, was du mir sagst, nichtgegen dich verwenden, anderen nicht weitersagen.Ich will dein Vertrauen nicht missbrauchen.Du kannst mir deine Schwäche zeigenohne Angst, dass das bei mir ein Gefühl vonÜberlegenheit hervorruft. Ohne dass mich dasdazu provoziert, dir eine reinzuwürgen.„Ich leih dir mein Ohr!“ Das heißt schonauch: „Ich will dir mit Liebe begegnen.“Das soll unser diakonischer Impuls hier imHaus sein in diesem Schuljahr. Ein diakonischerImpuls ist mehr als ein bloßer moralischerAppell. Mehr als ein bloßes „schönlieb sein“!Denn er lebt ja nicht aus sich selbst, sondernist aus dem Geist geboren, der ihn hervorgebrachthat. Er lebt ja aus der Gewissheit,dass da einer ist, der uns genau zuhört.„Siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge, dasdu, HERR, nicht schon wüsstest. Du verstehstmeine Gedanken von ferne.“ Und Jesus leitetdas Vaterunser ein mit den Worten: „EuerVater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet“(Mt 6,5). Was wir nun nicht so verstehenmüssen, dass er schon gar nicht mehr hinhörenwürde. Im Gegenteil: Er kennt uns so gut,geht so intensiv auf uns ein, ist uns so liebevollzugewandt, dass er uns zuvorkommenwill. Beschenkend. Uns abnehmend, was unsbelastet, noch ehe wir mühsam nach Wortendafür suchen müssen. Aus dieser Ermutigungheraus können wir uns auch einander zuwenden.Ich leih dir mein Ohr! Das kann dannauch heißen: Ich kann dir zuhören, weil unsbeiden noch einer zuhört. Dir und mir. Deshalbkönnen wir uns trauen, etwas mehr wie Mariazu sein. Sie hat das bessere Teil erwählt.Pfr. Dr. Hans-Michael Wünsch(Auszug aus einer Predigt zumSchuljahresanfang)„Dieser Religionsunterricht sollte nicht fragen, woher die jungen Menschen kommen. Er sollangeboten werden für alle – als Brot für die Fremden, die noch nie oder kaum von dieser Sprachegehört haben, und als Vergewisserung für die, denen sie schon Heimat ist.“ (193)<strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong> | 29


Wir brauchen Ihre Spende!Wolfgang Kienle (links) hat das Motiv zu unserem diakonischen Impuls entworfen. Beim Jahresfest konnte man sich davonselbst einen Ansteckbutton machen.In diesem „<strong>Gruß</strong>“ finden Sie einen Überweisungsträger.Unsere pädagogischeund diakonische Arbeit wird durch staatliche,kommunale und kirchliche Zuschüssesowie durch Pflegesätze finanziell abgesichert.Dafür sind wir dankbar, genauso wiefür das, was unsere Diakonissen mit ihremberuflichen Einsatz und dem Verzicht aufein eigenes Einkommen über Jahrzehntehinweg als Stiftungskapital aufgebaut underhalten haben. Unser Engagement brauchtaber darüber hinaus engagierte Freundinnenund Freunde, die sich ideell oder mit ihrerZeit oder auch mit ihrer Spende einbringenund uns so Gestaltungsmöglichkeiten fürbesonders notwendige Aufgaben ermöglichen.Schülerinnen und Schüler unsererFachschulen können es sich mitunter nurleisten, ihre Ausbildung fortzusetzen, wennsie finanziell unterstützt werden. Hier könnenwir mit einem extra dafür eingerichtetenSozialfonds unbürokratisch einspringen undHilfe geben. Besondere Schwerpunktsetzungenin den Schulen, im Kinderhaus und imPflegeheim sind oft mit besonderen finanziellenAnforderungen verbunden. So könnenwir die Einrichtung zweier neuer Ausbildungsgängein diesem Schuljahr und ihrenotwendige Anschubfinanzierung nur mitIhrer Hilfe leisten. Auch zukünftig wollen wirunsere pädagogische Arbeit stetig weiterentwickeln.Deshalb sind wir sehr dankbar,wenn möglichst viele von Ihnen diesen „<strong>Gruß</strong>der <strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong>“ miteiner Spende für das Werk beantworten.Wenn Sie uns in diesem Jahr unterstützen,sagen wir Ihnen an dieser Stelle herzlichenDank! Selbstverständlich schicken wir Ihnenbei Spenden ab 20 Euro gerne eine Bescheinigungfür das Finanzamt zu.30 | <strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong><strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong> | 31


Nicht nur räumlich eng verbunden: Evang. Fachschule und Mutterhaus.

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