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hermittwoch<br />
nd heute<br />
März 2009 <strong>BLICK</strong> NACH KOHLBRUCK<br />
Die schwarze Gemeinde hat schon bessere Zeiten erlebt. Absolute Mehrheit futsch. Sie braucht wieder einen großen<br />
Kerl - wie Kraftmeier Strauß? Doch auch die CSU ist nicht mehr, was sie mal war. Nur deftig wie einst, das reicht nicht,<br />
sie will gestreichelt werden. Ortsbesichtigung politischer Aschermittwoch. Seehofer, mehr Lausbub als Kerl, schmust mit<br />
der Basis, zitiert Strauß inflationär oft und redet doch ganz anders als der Alte und seine Nachfolger.<br />
Die Spruchbanner der<br />
Anhänger sagen zuweilen<br />
viel über deren Befindlichkeiten<br />
aus. Am Aschermittwoch<br />
hängen große Plakate<br />
hinten an der Empore in<br />
der Dreiländerhalle.<br />
Unten versammelt<br />
sich die CSU-Gemeinde.<br />
„Meine liebe schwarze Gemeinde“<br />
, begrüßt Horst<br />
Seehofer sie in seiner Rede.<br />
„Schwarz“ passt gut, die<br />
Psyche der Partei kennt die<br />
Farbe.<br />
„Horst, wir glauben an<br />
Dich“ heißt es auf einem<br />
Band. Alles ist anders als<br />
noch vor einem Jahr. Ein<br />
neuer Ton hat sich eingeschlichen,<br />
nicht mehr strotzend<br />
selbstgewiss wie einst;<br />
denn Glauben heißt Hof-<br />
fen - und da ist auch Zweifel<br />
nicht mehr fern.<br />
Das Plakat hängt über<br />
Seehofers Kopf, als er einzieht,<br />
sich durch Menschenmassen<br />
zwängt, daneben<br />
wippt ein Schild „Die CSU<br />
muss wieder 50 % + X erreichen“.<br />
Auf ihn kommt<br />
es jetzt an. Das erste Mal<br />
seit 42 Jahren versammelt<br />
sich die CSU in Passau zum<br />
großen Politritus, ohne die<br />
absolute Macht in Bayern<br />
zu haben.<br />
Was wird Seehofer seinen<br />
verunsicherten, schwarzen<br />
Schäflein predigen, er, der<br />
„CSU- Obama“, wie ihn andere<br />
Schilder schon feiern?<br />
Viele CSUler erinnern sich<br />
noch, wie der große Strauß<br />
am Aschermittwoch los-<br />
polterte und die Basis vor<br />
biertrunkener Seligkeit<br />
tobte.<br />
Doch Seehofer macht<br />
nicht den Strauß. Er zitiert<br />
ihn allenfalls. Er gibt<br />
ein wenig den Propheten,<br />
spricht von einer „Mission“,<br />
der er sich „hingebe“<br />
und nennt Bayern „das<br />
Heilige Land“ . Das war’s<br />
mit Großmannsgehabe.<br />
Seehofer ist lieber selbstironisch.<br />
Die CSU habe<br />
zuletzt „das Rotationsprinzip“<br />
eingeführt, drei<br />
Parteivorsitzende in drei<br />
Jahren. Er verstehe Franz<br />
Josef Strauß nicht, der mal<br />
gesagt hatte, das Amt des<br />
bayerischen Ministerpräsidenten<br />
sei das schönste der<br />
Welt. Er habe in der Staats-<br />
kanzlei anfangs nur „Blitzschläge“<br />
und „Tsunamis“<br />
erlebt. Dann witzelt er über<br />
sein Alter: wenn er so die<br />
junge Garde um sich sehe,<br />
„kommt es mir vor, als habe<br />
ich mir mein eigenes Grab<br />
geschaufelt.“<br />
Seehofer verkörpert nicht<br />
die typische „Mir-sanmir“-Mentalität,<br />
er ist eher<br />
Schelm und Seelentröster,<br />
durchsetzt den ernsten,<br />
staatstragenden Grundtenor<br />
der Doppelkrise von<br />
Partei und Land mit humorigen<br />
Zwischentönen.<br />
Grinsend sagt er, die Kanzlerin<br />
habe den neuen CSU-<br />
Wirtschaftsminister Guttenberg<br />
in drei Tagen schon<br />
mehr gelobt als ihn in dreißig<br />
Jahren, und kriegt volle<br />
Franz Josef, der Unsterbliche<br />
Franz Josef Strauß wusste,<br />
wo seine Bühne war.<br />
„Ich hoffe, dass ich hier noch<br />
bis zum Jahr 2000 sprechen<br />
kann“, rief er 1983 am politischen<br />
Aschermittwoch in<br />
der Passauer Nibelungenhalle.<br />
10.000 waren gekommen,<br />
treueste FJS-Freunde,<br />
wackere Nibelungen. Sie<br />
trauten ihm das zu.<br />
Seehofer, der<br />
Seelentröster<br />
Keiner verstand sich wie<br />
er auf Bußpredigten. Büßen<br />
sollten natürlich die<br />
anderen, die „Stümper“.<br />
Strauß hatte immer deftige<br />
Kosenamen für alle parat.<br />
Die CSU-Nibelungen<br />
müssten gegen „die Handlanger<br />
des Kommunismus“<br />
(1959), gegen „einen Saustall<br />
ohnegleichen“ (1975)<br />
ins Feld ziehen, „in Bonn<br />
für Ordnung sorgen“ (1967)<br />
und es sogar mit „der Lüge“<br />
(1983) selbst aufnehmen, er<br />
selbst, klar, immer Speerspitze.<br />
Da sich Strauß eins<br />
mit ganz oben wusste, entfesselte<br />
er Himmelskräfte,<br />
donnerte, wetterte, polterte,<br />
brauste auf, stürmte gegen<br />
Feind – die Roten – und<br />
Freund – CDU. Das konnte<br />
Stunden dauern.<br />
Doch 1988 starb der große<br />
Strauß. Besonders vermisste<br />
man ihn in Passau, dem<br />
Ort ritueller Selbstreinigung<br />
für die schwarze Seele<br />
am Beginn der Fastenzeit.<br />
Im grauen Mittelalter<br />
fachsimpelten Bauern auf<br />
dem Vilshofener Viehmarkt<br />
7<br />
Lacher. Die Basis kommt<br />
gut mit ihm klar. Auch<br />
sie hat sich verändert seit<br />
den Straußschen Zeiten,<br />
klatscht heute nicht nur für<br />
Pointen, auch für Inhalte.<br />
Neben dem Rednerpult<br />
der obligatorische Maßkrug.<br />
Einmal guckt Seehofer<br />
rein und staunt:„Da ist<br />
echt Bier drin“. Er nimmt<br />
nur einen Schluck, mehr<br />
nicht. Später wird er den<br />
Reportern erzählen, er<br />
habe sich mit einer Grippe<br />
aufs Podium quält und<br />
sei einem Kreislaufkollaps<br />
nahe gewesen. Dass er so<br />
krank ist, überrascht sogar<br />
seine Frau.<br />
So ist die neue CSU. Tapfer<br />
und wehleidig. Die fetten<br />
Jahre sind vorbei. ch<br />
über Gott und die Welt, es<br />
war der Anfang des politischen<br />
Aschermittwochs.<br />
Doch erst FJS machte ihn<br />
ab 1953 groß, 35 Mal trat<br />
er an, ab 1975 in der Niha.<br />
Noch heute ist ein Aschermittwoch<br />
ohne Strauß undenkbar,<br />
alle zitieren und<br />
beschwören ihn, sein Geist<br />
schwebt im Bierdunst. ch<br />
Fotos: Moritz Bruckner (2), Stadtarchiv Passau (3)