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Juni 2009 - Die Gesellschafter.de

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12 <strong>Juni</strong> <strong>2009</strong>Schwerpunk t > EuropaTranseuropäer bis zur SelbstauflösungEine neue, Grenzen übergreifen<strong>de</strong> Partei will die Europäische Union <strong>de</strong>mokratisierenVon Elias Bier<strong>de</strong>lWer ihn im Gewühl seinerHeimatstadt Paris auf <strong>de</strong>rStraße trifft, <strong>de</strong>r wird sichnachher wohl nicht an <strong>de</strong>nunscheinbaren Herrn erinnern:schmale Schultern,die das schlichte Cord-Jacketkaum ausfüllen, randloseBrille im eher blassenGesicht, die grauen Haarenach hinten gekämmt.So stellt man sich vielleichteinen braven Buchalter vor.Doch Franck Biancheri ist allesan<strong>de</strong>re als das: Im Gegenteil,<strong>de</strong>r 48-Jährige ist angetreten,um <strong>de</strong>r Europäischen UnionBeine zu machen. <strong>Die</strong> von ihmgegrün<strong>de</strong>ten „Newropeans“(zu <strong>de</strong>utsch etwa „Neuropäer“)setzen sich als „erstetranseuropäische Bewegung“für die Demokratisierung <strong>de</strong>rEU ein.„Man muss eigentlich nurzur richtigen Zeit die richtigenI<strong>de</strong>en in die Welt setzen – <strong>de</strong>rRest erledigt sich dann vonganz allein“, so spricht <strong>de</strong>rPräsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>r „Newropeans“,lehnt sich genüßlich zurückund genießt <strong>de</strong>n erstauntenBlick seines Gegenübers. „Europahat am En<strong>de</strong> gar keinean<strong>de</strong>re Wahl, als unsere Vorschlägeumzusetzen – <strong>de</strong>nndie sind einfach zu gut.“Mangeln<strong>de</strong>s Selbstbewusstseinkann <strong>de</strong>m Sohn einesitalienischen Arbeiters un<strong>de</strong>iner französischen HausfrauFoto: picture allianceEuropa bauen: Für die Newropeans ist das eine Frage <strong>de</strong>r richtigen I<strong>de</strong>en zur richtigen Zeit.niemand vorwerfen. Und guteI<strong>de</strong>en hat Franck Biancheriebenfalls, wenn sie sich auchmanchmal etwas verrücktanhören.Da wäre zum Beispieldie Sache mit <strong>de</strong>r nächstenEU-Erweiterungsrun<strong>de</strong>: „Wirhaben vorgeschlagen, dasgesamte Ex-Jugoslawien imJahr 2014 in die EuropäischeNewropeans – Partei mit AblaufdatumaAls „erste transeuropäischepolitischeBewegung“ wur<strong>de</strong> Newropeansnach <strong>de</strong>m Scheitern<strong>de</strong>r EU-Verfassung2005 gegrün<strong>de</strong>t, um dieDemokratisierung <strong>de</strong>rUnion voranzutreiben.<strong>Die</strong> Partei tritt europaweitunter <strong>de</strong>m gleichenNamen, mit <strong>de</strong>m gleichenProgramm und mit <strong>de</strong>mgleichen Ziel auf, jedochausschließlich bei Wahlenzum Europa-Parlament.aAlle Entscheidungenfallen auf Jahrestreffen(„Agora“), nach<strong>de</strong>m sievon <strong>de</strong>n <strong>de</strong>rzeit etwa30.000 Mitglie<strong>de</strong>rn im Intranetbasis<strong>de</strong>mokratischdiskutiert wur<strong>de</strong>n. Kernpunkte<strong>de</strong>s Programmssind die Aufwertung <strong>de</strong>sEuropaparlaments, dieSchaffung einer europäischenRegierung und eineinheitliches Steuer- undSozialsystem für alle Mitgliedslän<strong>de</strong>r.aNewropeansverstehensich als Übergangs-Projekt: Wenn ihre politischenZiele erreichtsind, soll die Partei wie<strong>de</strong>raufgelöst wer<strong>de</strong>n.www.newropeans.euUnion aufzunehmen“, erzähltBiancheri freu<strong>de</strong>strahlend, soals sei ihm <strong>de</strong>r Gedanke gera<strong>de</strong>erst gekommen. „Genaueinhun<strong>de</strong>rt Jahre nach <strong>de</strong>nSchüssen von Sarajevo, die<strong>de</strong>n ersten Weltkrieg auslösten!Wir schließen damitsymbolisch ein Jahrhun<strong>de</strong>rt<strong>de</strong>s Blutvergießens in Europaab und nehmen <strong>de</strong>n Balkankomplett in unsere Mitte! Werkönnte da wi<strong>de</strong>rstehen?“ Nun,alle konnten wi<strong>de</strong>rstehen, bisherje<strong>de</strong>nfalls: keine einzigeRegierung <strong>de</strong>r EU-Mitgliedslän<strong>de</strong>rhat Unterstützung signalisiert.Aber das ficht <strong>de</strong>nI<strong>de</strong>engeber nicht an, trotz allerwi<strong>de</strong>rstreiten<strong>de</strong>r Interessen:„<strong>Die</strong> Sache ist in Bosnien,Serbien und Kroatien publikgewor<strong>de</strong>n und gewinnt dortbereits an Popularität. Siewer<strong>de</strong>n sehen, am En<strong>de</strong> wir<strong>de</strong>s so kommen, schon allein<strong>de</strong>shalb, weil die träge EUsolchen Vorschlägen nichtsentgegenzusetzen hat!“Und das ist erst <strong>de</strong>r Anfang.Wenn Franck Biancheri sich inFahrt re<strong>de</strong>t, dann ist von einemBuchhalter keine Spur mehrzu sehen. Er beschwört seineZuhörer, lacht, ru<strong>de</strong>rt mit <strong>de</strong>nHän<strong>de</strong>n, stellt rethorischeFragen und beantwortet sieumgehend selbst. Es geht umeine europäische Regierung,ein Parlament, das seinenNamen verdient, transparenteEntscheidungsprozesse, in diedie Bürgerinnen und Bürgereinbezogen sein müssten, EUeinheitlicheSteuern ... Hiersprüht ein glühen<strong>de</strong>r EuropäerFunken – und das plötzlicheFeuerwerk ist durchausbeeindruckend. Aber hat esüber <strong>de</strong>n Augenblick hinausBestand? Und wer kennt schondie erst vor drei Jahren gegrün<strong>de</strong>ten„Newropeans“?Ein Vor<strong>de</strong>nker fürEuropas ZukunftWahlplakate <strong>de</strong>r neuen Parteisuchte man in <strong>de</strong>n Straßenvergeblich. „Viel zu teuer“,fin<strong>de</strong>t Biancheri. Er setzt neben<strong>de</strong>n – kostenfrei ausgestrahlten– Wahlwerbespots im Fernsehenvor allem auf das Internet,um seine I<strong>de</strong>en zu verbreiten.„Eine <strong>de</strong>r weltweit erfolgreichstenWebsites“ betriebendie Transeuropäer, mehr als200.000 Menschen wür<strong>de</strong>n imDurchschnitt monatlich daselektronische Informationsangebotnutzen – Ten<strong>de</strong>nz steigend.Nachprüfen lässt sich soetwas freilich nicht. Allerdingsspricht das öffentliche Echozumin<strong>de</strong>st für funktionieren<strong>de</strong>Kommunikationswege: <strong>Die</strong>Leser <strong>de</strong>s „Time-Magazine“wählten Biancheri schon 2003zum „Hel<strong>de</strong>n Europas“. Undlaut <strong>de</strong>r Internet-Plattform„Politics Online“ gehört er zu„<strong>de</strong>n 10 Köpfen, die die Weltverän<strong>de</strong>rn“.Ohne Zweifel gehört FranckBiancheri wohl zu <strong>de</strong>n originellerenVor<strong>de</strong>nkern <strong>de</strong>r europäischenZukunft. Als Grün<strong>de</strong>rund Direktor <strong>de</strong>r Denkfabrik„LEAP/Europe 2020” (EuropeanLaboratory of PoliticalAnticipation) verkauft er seinenRat und seine Expertise.So hat er sowohl an diversenRegierungsprogrammen inFrankreich, Holland und Belgienmitgewirkt, als auch – imAuftrag <strong>de</strong>r EU-Kommission– das transatlantische Netzwerk„TIESWEB“ aufgebaut.Daher hatte Biancheri auchdas nötige Selbstbewußtsein,die Staats- und Regierungschefszum Gipfel <strong>de</strong>r G-20 inLondon in einem offenen Brief

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