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(Gmbh). - Richard Boorberg Verlag

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Gericht: BFH<br />

Entscheidungsform: Urteil<br />

Datum: 01.04.2004<br />

Vorinstanz(en): FG Schleswig-<br />

Holstein<br />

Kurzleitsatz:<br />

Organschaft im Insolvenzfall<br />

Amtlicher Leitsatz:<br />

Paragraphenkette:<br />

UStG (1993/1999) § 2 Abs. 2 Nr. 2 , InsO §§<br />

21 22<br />

»Ist der Organträger Geschäftsführer einer von der Insolvenz bedrohten Organgesellschaft<br />

und wird dieser nach Beantragung des Insolvenzverfahrens kein allgemeines Verfügungsverbot<br />

auferlegt, bleibt die Organschaft regelmäßig bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhalten.<br />

Dies gilt auch dann, wenn das Insolvenzgericht gemäß § 21 Abs. 2 2. Alternative InsO anordnet,<br />

dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters<br />

wirksam sind.«<br />

Gründe:<br />

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war alleiniger Gesellschafter und<br />

Geschäftsführer der R-GmbH (GmbH). Er hatte der GmbH das Betriebsgrundstück<br />

vermietet. Die GmbH war als Organgesellschaft in das Unternehmen des Klägers<br />

(Organträger) gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 (UStG)<br />

eingegliedert.<br />

Im Streitjahr 1999 wurde die GmbH insolvent. Es wurde deshalb die Eröffnung des<br />

Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH gemäß den Vorschriften der<br />

Insolvenzordnung (InsO) beantragt.<br />

Am 17. Februar 1999 ordnete das zuständige Amtsgericht (AG)<br />

Sicherungsmaßnahmen an und bestellte einen vorläufigen Insolvenzverwalter. In dem<br />

Beschluss heißt es:<br />

"1. Es wird die vorläufige Verwaltung des Vermögens nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO<br />

angeordnet. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wird Rechtsanwalt A... bestellt.<br />

2. Verfügungen der Schuldnerin über Gegenstände ihres Vermögens sind nur noch mit<br />

Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam.<br />

3. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht allgemeiner Vertreter der Schuldnerin.<br />

Das Recht zur Ausübung der Arbeitgeberbefugnis verbleibt bei der Schuldnerin. Der<br />

vorläufige Insolvenzverwalter hat die Aufgabe, durch Überwachung der Schuldnerin<br />

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GmbH & Co KG, Stuttgart<br />

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deren Vermögen zu sichern und zu erhalten. Er wird ermächtigt, mit rechtlicher<br />

Wirkung für die Schuldnerin zu handeln, ist jedoch verpflichtet, diese Befugnis<br />

nur wahrzunehmen, soweit es zur Erfüllung seiner Aufgabe schon vor der<br />

Verfahrenseröffnung dringend erforderlich ist.<br />

4. Den Schuldnern der Schuldnerin (Drittschuldnern) wird verboten, an die Schuldnerin<br />

zu zahlen. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird ermächtigt, Bankguthaben<br />

und sonstige Forderungen der Schuldnerin einzuziehen und eingehende Gelder<br />

entgegenzunehmen. Die Drittschuldner werden aufgefordert, nur noch unter<br />

Beachtung dieser Anordnung zu leisten (§ 23 Abs. 1 Satz 3 InsO).<br />

5. der vorläufige Insolvenzverwalter hat daneben zu prüfen, ob das schuldnerische<br />

Vermögen die Kosten eines Insolvenzverfahrens decken wird."<br />

Der Kläger war der Auffassung, die Organschaft zwischen ihm und der GmbH sei<br />

bereits am 17. Februar 1999 beendet worden. Dementsprechend gab er für die<br />

Organschaft (sein Besitzunternehmen und die GmbH) eine Umsatzsteuererklärung<br />

ab, die den Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis zum 16. Februar 1999 erfasste und<br />

eine Umsatzsteuer von 26 073,80 DM auswies; für sein Besitzunternehmen gab er<br />

eine Umsatzsteuererklärung ab, die den Zeitraum vom 17. Februar 1999 bis zum 31.<br />

Dezember 1999 erfasste und einen (Vorsteuer-)Überschuss von 3 721,60 DM auswies.<br />

Nach einer Betriebsprüfung kam der Beklagte und Revisionsbeklagte (das<br />

Finanzamt --FA--) zur Überzeugung, dass die Organschaft erst mit Eröffnung des<br />

Insolvenzverfahrens am 26. April 1999 beendet worden sei und setzte gegen den<br />

Kläger für das (gesamte) Jahr 1999 eine Umsatzsteuer von 77 456 DM fest.<br />

Einspruch und Klage gegen den Bescheid hatten keinen Erfolg.<br />

Gegen das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG), das in Entscheidungen<br />

der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1582 (mit Anm. Müller) veröffentlicht ist, wendet sich<br />

der Kläger mit der vorliegenden Revision.<br />

Vor Revisionseinlegung hat das FA den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid<br />

geändert (Umsatzsteuer-Änderungsbescheid vom 12. März 2003).<br />

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die ihn betreffende<br />

Umsatzsteuer für 1999 ohne Berücksichtigung der von der GmbH ab dem 17. Februar<br />

1999 verwirklichten Besteuerungstatbestände festzusetzen.<br />

Das FA ist der Revision entgegengetreten.<br />

II. Die Revision des Klägers ist mit der Maßgabe unbegründet, dass die<br />

Vorentscheidung aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben (§ 127 der<br />

Finanzgerichtsordnung --FGO--) und die Klage abzuweisen ist (§ 126 Abs. 3 Nr. 1<br />

FGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte Änderung des Bescheides<br />

für das Streitjahr; er war bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen<br />

der GmbH am 26. April 1999 deren Organträger.<br />

1. Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig<br />

ausübt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG). Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird<br />

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nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild<br />

der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein<br />

Unternehmen eingegliedert ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG - Organgesellschaft).<br />

2. Die GmbH war finanziell in das Unternehmen des Klägers eingegliedert, da der<br />

Kläger als alleiniger Gesellschafter der GmbH über sämtliche Stimmrechte an ihr<br />

verfügte.<br />

Die wirtschaftliche Eingliederung ergibt sich bereits daraus, dass der Kläger der GmbH<br />

das Betriebsgrundstück vermietet hatte (vgl. Bundesfinanzhof --BFH--, Urteil vom 9.<br />

September 1993 V R 124/89, BFHE 172, 541, BStBl II 1994, 129).<br />

Die organisatorische Eingliederung folgt daraus, dass der Kläger zugleich<br />

Geschäftsführer der GmbH war und seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über<br />

das Vermögen der GmbH nicht auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen<br />

war.<br />

Die maßgebenden Vorschriften der InsO lauten:<br />

"§ 21 Anordnung von Sicherungsmaßnahmen<br />

(1) Das Insolvenzgericht hat alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen,<br />

um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung<br />

in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. ...<br />

(2) Das Gericht kann insbesondere<br />

1. einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen, für den § 8 Abs. 3 und die §§ 56, 58<br />

bis 66 entsprechend gelten;<br />

2. dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen oder anordnen, daß<br />

Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters<br />

wirksam sind;<br />

...<br />

§ 22 Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters<br />

(1) Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und dem Schuldner ein allgemeines<br />

Verfügungsverbot auferlegt, so geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über<br />

das Vermögen des Schuldners auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über. In diesem<br />

Fall hat der vorläufige Insolvenzverwalter:<br />

1. das Vermögen des Schuldners zu sichern und zu erhalten;<br />

2. ein Unternehmen, das der Schuldner betreibt, bis zur Entscheidung über die<br />

Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortzuführen, soweit nicht das Insolvenzgericht<br />

einer Stillegung zustimmt, um eine erhebliche Verminderung des Vermögens zu<br />

vermeiden;<br />

3. zu prüfen, ob das Vermögen des Schuldners die Kosten des Verfahrens decken<br />

wird; das Gericht kann ihn zusätzlich beauftragen, als Sachverständiger zu prüfen,<br />

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ob ein Eröffnungsgrund vorliegt und welche Aussichten für eine Fortführung des<br />

Unternehmens des Schuldners bestehen.<br />

(2) Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, ohne daß dem Schuldner ein<br />

allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wird, so bestimmt das Gericht die Pflichten<br />

des vorläufigen Insolvenzverwalters. Sie dürfen nicht über die Pflichten nach Absatz<br />

1 Satz 2 hinausgehen.<br />

(3) Der vorläufige Insolvenzverwalter ist berechtigt, die Geschäftsräume des<br />

Schuldners zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen. Der Schuldner hat<br />

dem vorläufigen Insolvenzverwalter Einsicht in seine Bücher und Geschäftspapiere zu<br />

gestatten. Er hat ihm alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen; die §§ 97, 98, 101 Abs.<br />

1 Satz 1, 2, Abs. 2 gelten entsprechend."<br />

Der vorläufige Insolvenzverwalter, auf den infolge eines allgemeinen<br />

Verfügungsverbots die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des<br />

Schuldners übergegangen ist, wird auch als "starker" vorläufiger Insolvenzverwalter<br />

bezeichnet. Seine Rechtsstellung unterscheidet sich deutlich von der des sog.<br />

"schwachen" Insolvenzverwalters, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis<br />

über das Vermögen des Schuldners nicht übergegangen ist. So gelten die von<br />

einem "starken" vorläufigen Insolvenzverwalter begründeten Verbindlichkeiten nach<br />

Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 2 Satz 1<br />

InsO). Bei Rechtsstreiten, die das Vermögen des Schuldners betreffen, wird das<br />

Verfahren nach § 240 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) unterbrochen, wenn die<br />

Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den<br />

vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht. Bei dem sog. schwachen Insolvenzverwalter<br />

treten diese Rechtsfolgen nicht ein.<br />

Dementsprechend bleibt die Organschaft, bei der der Organträger weiterhin als<br />

Geschäftsführer der von der Insolvenz bedrohten Organgesellschaft tätig ist und<br />

die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners<br />

nicht auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht, regelmäßig bis zur Eröffnung<br />

des Insolvenzverfahrens erhalten. Dies gilt auch dann, wenn das Insolvenzgericht<br />

gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative InsO anordnet, dass Verfügungen des<br />

Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind<br />

(so auch Maus in Uhlenbruck, Kommentar zur Insolvenzordnung, § 22 Rz. 190).<br />

In diesem Fall sind zwar Verfügungen des Schuldners ohne die Zustimmung des<br />

vorläufigen Insolvenzverwalters grundsätzlich unwirksam (vgl. § 24 Abs. 1, § 81<br />

InsO); andererseits kann aber auch der vorläufige Insolvenzverwalter grundsätzlich<br />

nicht (allein) über das Vermögen des Schuldners verfügen; Schuldner und vorläufiger<br />

Insolvenzverwalter haben eine vergleichbar starke Stellung; gleichwohl ist der<br />

vorläufige Insolvenzverwalter als "Berater" des Schuldners anzusehen (vgl. Braun/<br />

Kind, Insolvenzordnung, § 21 Rdnr. 18).<br />

Es ist zwar zutreffend, dass die organisatorische Eingliederung besonders deutlich<br />

ist, wenn der Organträger trotz der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters<br />

weiterhin in der Lage ist, in der Organgesellschaft seinen Willen durchzusetzen, er also<br />

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dort weiterhin die beherrschende Stellung ausübt. Die organisatorische Eingliederung<br />

besteht aber auch dann noch fort, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter eine<br />

vergleichbar starke Stellung wie der Organträger erhält, solange ihm (dem vorläufigen<br />

Insolvenzverwalter) eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung<br />

in der Organgesellschaft nicht möglich ist. Zur Annahme einer Organschaft ist<br />

nämlich nicht erforderlich, dass alle drei Eingliederungsmerkmale (die finanzielle,<br />

die wirtschaftliche und die organisatorische Eingliederung) in gleicher Weise stark<br />

ausgebildet sind. Tritt auf einem der drei Gebiete die Eingliederung weniger stark in<br />

Erscheinung, so hindert dies nicht, trotzdem Organschaft anzunehmen, wenn sich die<br />

Eingliederung deutlich auf den beiden anderen Gebieten zeigt (BFH-Urteile vom 22.<br />

Juni 1967 V R 89/66, BFHE 89, 402, BStBl III 1967, 715; vom 16. August 2001 V R<br />

34/01, BFH/NV 2002, 223).<br />

So ist es auch im Streitfall: Das AG hatte der GmbH kein allgemeines Verfügungsverbot<br />

auferlegt, sondern lediglich gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative InsO angeordnet,<br />

dass Verfügungen der GmbH nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters<br />

wirksam sein sollten. Demnach war gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO die Verwaltungsund<br />

Verfügungsbefugnis über das Vermögen der GmbH nicht auf den vorläufigen<br />

Insolvenzverwalter übergegangen. Damit blieb die organisatorische Eingliederung der<br />

GmbH in das Vermögen des Unternehmens des Klägers erhalten.<br />

Hieran ändert auch nichts der Umstand, dass das AG den vorläufigen InsO ermächtigt<br />

hatte, in dringenden Fällen mit rechtlicher Wirkung für die Schuldnerin zu handeln.<br />

Diese Ermächtigung galt nur für den Fall, dass ein Handeln zur Erfüllung der Aufgabe<br />

des vorläufigen Insolvenzverwalters schon vor der Verfahrenseröffnung dringend<br />

erforderlich gewesen wäre (vgl. Nr. 3 des Beschlusses des AG vom 17. Februar 1999).<br />

Anhaltspunkte dafür, dass dieser Fall eingetreten ist, gibt es nicht. Jedenfalls ändert<br />

die genannte Ermächtigung nichts daran, dass dem vorläufigen Insolvenzverwalter<br />

grundsätzlich eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung in der<br />

Organgesellschaft nicht möglich war.<br />

Soweit der Senat bei der Sequestration es von den Umständen des Einzelfalls<br />

abhängig gemacht hat, ob dem Sequester eine vom Willen des Organträgers<br />

abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft möglich ist, kann diese<br />

Rechtsprechung nicht ohne weiteres auf den vorläufigen Insolvenzverwalter<br />

übertragen werden. Die Sequestration war in der Konkursordnung (KO) nicht<br />

ausdrücklich geregelt. Nach § 6 KO verlor der Gemeinschuldner (erst) mit der Eröffnung<br />

des Konkursverfahrens die Befugnis, sein zur Konkursmasse gehörendes Vermögen<br />

zu verwalten und über dasselbe zu verfügen. Bis dahin konnte das Konkursgericht nach<br />

§ 106 Abs. 1 KO alle zur Sicherung der Masse dienenden einstweiligen Anordnungen<br />

treffen; hierzu gehörte auch die Bestellung eines Sequesters. Dabei unterschied<br />

man lediglich aufgrund der tatsächlichen Ausgestaltung der Sequestration zwischen<br />

verschiedenen Formen der Verwaltungs- und Sicherungssequestration. Deshalb hing<br />

es auch von den Gesamtumständen des Einzelfalls ab, ob die Sequestration die<br />

Organschaft beendete (vgl. BFH-Urteil vom 13. März 1997 V R 96/96, BFHE 182,<br />

426, BStBl II 1997, 580). Demgegenüber ist in der InsO die Rechtsstellung des<br />

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vorläufigen Insolvenzverwalters klar geregelt; nach § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO geht<br />

die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf<br />

den vorläufigen Insolvenzverwalter dann über, wenn dem Schuldner ein allgemeines<br />

Verfügungsverbot auferlegt ist. Insoweit sind deshalb nicht die Gesamtumstände des<br />

Einzelfalls maßgeblich, vielmehr ist erheblich, ob dem Schuldner gemäß § 21 Abs. 2<br />

Nr. 2 1. Alternative InsO ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt worden ist.<br />

3. Der Senat kann nicht erkennen, warum der Organträger, der bis zur Eröffnung<br />

des Insolvenzverfahrens für die Organgesellschaft weiterhin als Geschäftsführer<br />

tätig bleibt und die sonstigen Voraussetzungen für die Organschaft (hier: die<br />

Vermietung des Betriebsgrundstücks) aufrechterhält, die steuerlichen Konsequenzen<br />

der Organschaft bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht tragen soll. Es mag<br />

durchaus sein, dass der Kläger wegen der streitigen Steuern einen zivilrechtlichen<br />

Erstattungsanspruch gegen die GmbH hat. Er steht dann aber nicht schlechter als<br />

andere Gläubiger der GmbH, die wegen deren Zahlungsunfähigkeit ihre Forderungen<br />

nicht mehr voll realisieren können.<br />

4. Der Anregung des Klägers, den Insolvenzverwalter beizuladen, war nicht<br />

nachzukommen. Beiladungen, soweit es sich --wie hier-- nicht um Beiladungen nach §<br />

60 Abs. 3 Satz 1 FGO (notwendige Beiladungen) handelt, sind im Revisionsverfahren<br />

unzulässig (§ 123 Abs. 1 FGO). Ein Fall der notwendigen Beiladung liegt nach § 60 Abs.<br />

3 Satz 1 FGO nur vor, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt<br />

sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann.<br />

Da die Anfechtungsklage gegen den Umsatzsteuerbescheid des FA nur vom Kläger<br />

und nicht auch vom Insolvenzverwalter erhoben werden konnte, wirkt die vorliegende<br />

Entscheidung auch nur gegenüber dem Kläger und dem FA; der Insolvenzverwalter ist<br />

an dem streitigen Rechtsverhältnis nicht derart beteiligt, dass die Entscheidung auch<br />

ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann.<br />

5. Der Senat kann auch nicht erkennen, inwiefern die Vorentscheidung oder die für<br />

den Streitfall maßgeblichen Rechtsvorschriften den Kläger in seinen Grundrechten<br />

verletzen sollen. Das vom Kläger in diesem Zusammenhang herangezogene Urteil<br />

des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 2004 2 BvL 17/02 (Der Betrieb --DB--<br />

2004, 628) betrifft die Besteuerung von Spekulationsgewinnen nach § 23 Abs. 1 Satz<br />

1 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes a.F. und nicht die Voraussetzungen der<br />

Beendigung einer umsatzsteuerlichen Organschaft bei Bestellung eines vorläufigen<br />

Insolvenzverwalters.<br />

Der Senat sieht auch keine Zweifelsfragen zur Auslegung der vom Kläger<br />

angeführten Bestimmungen der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur<br />

Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern<br />

77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG), die dem Gerichtshof der Europäischen<br />

Gemeinschaften (EuGH) gemäß Art. 234 des Vertrags zur Gründung der Europäischen<br />

Gemeinschaft (EG) vorzulegen wären. Die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG hält<br />

sich in dem von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG vorgegebenen<br />

Rahmen.<br />

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6. Da der angefochtene Umsatzsteuerbescheid geändert wurde, ist der<br />

Änderungsbescheid vom 12. März 2003 gemäß § 68 FGO Gegenstand des Verfahrens<br />

geworden. Damit ist die Vorentscheidung vom 24. September 2002 gegenstandslos<br />

geworden und aufzuheben. Einer Zurückverweisung an das FG bedarf es nicht, da die<br />

Sache aufgrund der fortwirkenden Feststellungen des FG spruchreif ist; der Streitstoff<br />

wird durch die Änderung des Bescheides nicht berührt (vgl. BFH-Urteile vom 2. Februar<br />

1973 III R 27/72, BFHE 108, 297, BStBl II 1973, 501; vom 10. Dezember 1992 XI R<br />

34/91, BFHE 170, 149, BStBl II 1994, 158, und vom 30. November 1994 XI R 84/92,<br />

BFH/NV 1995, 665). Die Klage war daher abzuweisen.<br />

Diese Entscheidung finden Sie auch in: BB 2004, 1261<br />

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