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Rettet eure Nachbarn! Münsters Geschichte entdecken - Aktion 302

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09 | 091,80Straßenmagazin für Münster und Umland 0,70 Euro für den Verkäufer www.muenster.org/draussen<strong>Rettet</strong> <strong>eure</strong> <strong>Nachbarn</strong>!Münsters <strong>Geschichte</strong> <strong>entdecken</strong>


Die GGUA, Asylgruppe Münsterund Amnesty Internationalprotestierten am 17. Juli gegendie Abschiebung der Roma4


ImpressumInhaltHerausgeber„~“ e.V.Berliner Platz 848143 MünsterRedaktionHeinz DalmühleJörg HülsSabrina KippSigi NasnerCarsten Scheiper (V.i.S.d.P.)Tel.: 0251 / 4909118E-Mail-Adressedraussen-redaktion@live.deStreetworkSabrina Kippdraussen-kipp@hotmail.comInternetseitewww.muenster.org/draussenAdministrator: Cyrus TahbasianAn dieser Ausgabe haben mitgearbeitetAdik Alexanian, Heinz Dalmühle, ChristianDöscher, Ingo Giesen, Michael Heß, SabrinaKipp, Krzysztof*, Ulrike Löw, Nicole Molavi,Sigi Nasner, Annette Poethke, CarstenScheiper, Lea Stöwer, Annika Waymann,Martin Zeppenfeld, Lee und Sandra ZumegenFotosHeinz Dalmühle, Brigitte Hasenjürgen, SabrinaKipp, Ulrike Löw, Sigi Nasner, Statt-Reisen,Annika Waymann, www.flickr.comIllustrationDaniel Niehaus681012141618202224<strong>Aktion</strong> <strong>302</strong> - <strong>Rettet</strong> <strong>eure</strong> <strong>Nachbarn</strong>!Angst vor AbschiebungNichts wie weg!Ende gut, alles gutZu jung zum StempelnJung und arbeitslos - was nun?Münsters ZeitreisendeAlternative StädtetourenWasser ist ein Menschenrecht!Skandalöse Zustände in der Dritten WeltWie Dorothea ihr Fahrrad verlorKurzgeschichteWas ist los im Gottesstaat?Hintergründe des IrankonfliktesBunte Liga - ~ ist dabeiFußballberber stellen sich vorReise durch die KunstgeschichteExpressionismusRezepteSchnelle KücheTitelfotoUlrike LöwLayout, TitelgestaltungHeinz DalmühleGestaltungskonzeptLisa Schwarz/Christian BüningAuflage 8000DruckBorgsmüller Druckunterstützt durchSiverdes-StiftungAnzeigeFontshop, Berlin (spendiertedie Satzschrift FF Fago)BankverbindungSparkasse Münsterland OstKonto-Nr. 33 878BLZ 400 501 50Paten-Spenden-KontoSparkasse Münsterland OstKonto-Nr. 34205427BLZ 400 501 50Wir danken allen Spendern!Bitte berücksichtigen Sieunsere Anzeigenpartner5


Bericht | Text: Ulrike Löw | Fotos: Ulrike Löw und Brigitte Hasenjürgen<strong>Aktion</strong> <strong>302</strong> - <strong>Rettet</strong> <strong>eure</strong> <strong>Nachbarn</strong>!Münsterschen Roma droht die Abschiebung in den Kosovo6„Rückführung“ heißt der Vorgang verharmlosendim Amtsdeutsch. Die Bezeichnung„Abschiebung“ im allgemeinenSprachgebrauch macht den Akt schondeutlicher: Menschen, die in der BundesrepublikAsyl gesucht haben, werdendurch staatliche Gewalt gegen ihrenWillen in ihr Herkunftsland verbracht.Die Entscheidung über eine Abschiebungfällt dabei oft nach Aktenlageund die Umsicht der abschiebendenBehörden reicht dabei nur bis zurbundesdeutschen Grenze. Zumindestim Fall der <strong>302</strong> münsterschen Romascheint eine solche harte AbschiebungspraxisAnwendung zu finden. UlrikeLöw berichtet über diese Menschen,ihre Sorgen und die unwürdige Situation,die sie im Kosovo erwartet._“Ich bin 17 Jahre alt und lebe seit 15 Jahrenin Deutschland. Ich selber kenneden Kosovo überhaupt nicht“, erklärtuns eine junge Roma aus Münster. Sieist eine von <strong>302</strong> münsterschen Roma,die noch in diesem Jahr in den Kosovoabgeschoben werden sollen. Sie besuchtdie Hauptschule, spricht fließend deutschund hat bereits einen Ausbildungsplatzals Friseurin in Aussicht. Dennoch müssensie und ihre Familie sich bis zum 15.September 2009 bereit erklären, freiwilligaus Deutschland auszureisen. Tunsie das nicht, droht ihnen nach diesemStichtag die zwangsweise Abschiebung.In den 90er Jahren sind ihre Eltern ausdem Kosovo geflohen, ihr Haus wurdevon albanischen Nationalisten niedergebrannt.Viele der münsterschen Romahaben bei solchen Übergriffen Hab undGut und auch Familienangehörige verloren,wurden selbst schwer verletztoder sind bis heute traumatisiert._“Meine Eltern haben Angst um ihr Lebengehabt“, erzählt die 17-Jährigeweiter, „unser Haus wurde niedergebrannt,und da waren Albaner, diewollten meinen Vater rausholen undtöten. Meine Mutter wollte meine ältereSchwester vor den Albanern verstecken.Wir hatten da so einen Teppich und derstand dann plötzlich in Flammen unddabei wurde ihr ganzer Arm verbrannt.Meine Mutter ist ganz krank, seitdemsie gehört hat, dass wir abgeschobenwerden sollen. Das ist für mich schrekklich,meine Mutter so leiden zu sehen.Das ist für mich wirklich schrecklich(bricht in Tränen aus) Ich kann dasnicht mehr, wirklich!“_“Viele haben Angst, nachts einzuschlafen,weil sie befürchten, im Morgengrauenaus dem Bett heraus abgeschobenzu werden“, bestätigt auch AnnaLaumeier, Geschäftsführerin der GGUAFlüchtlingshilfe e.V. in Münster. „So istdas in der Vergangenheit bereits öfterpassiert, beispielsweise vor einemMonat in Niedersachsen. Das ist eineunerträgliche Situation!“_Bislang galt für Roma der Minderheitenschutz,der sie vor einer Abschiebung inden Kosovo bewahrte. Aufgrund deskürzlich vereinbarten Rückübernahmeabkommenszwischen der BundesrepublikDeutschland und dem Kosovo dürfennun aber auch ethnische Minderheitenwie die Roma in den Kosovo„rückgeführt“ werden._Einige Roma sind schon seit 15 Jahrenunsere <strong>Nachbarn</strong>. Ihre Kinder sind hiergeboren worden, gehen hier zur Schuleoder absolvieren eine Ausbildung undhaben deutsche Freunde. Deutschlandist ihre Heimat. Den Kosovo kennen dieJüngeren nur aus Erzählungen. Sie sprechenkein albanisch, sondern nurdeutsch und romanes._Die Münsteranerin Michaela Aumüller,die seit 10 Jahren Jahren eine aus Münsterabgeschobene Romafamilie im ehemaligenJugoslawien unterstützt, ist entsetztüber die aktuellen Abschiebungspläneund beschreibt die psychischenBelastungen der Kinder folgendermaßen:„Sie verlassen Deutschland undkommen in eine nie gesehene und erlebte„Heimat“. Eine völlig fremde Weltstürzt auf sie ein. Eine Welt, die wirklichnichts mit ihrem bisherigen Leben zutun hat. Das Kind akzeptiert diese neueUmwelt nicht als seine, weil es sichnicht zugehörig fühlt. Was soll es dort?Es verhält sich anders als seine Altersgenossen,die dort aufgewachsen sind.Es spricht nicht deren Sprache odernicht perfekt genug. Es tauchen Fragenauf, die man sich so gar nicht vorstellenkann. Fragen wie: Was habe ich denngetan, dass man uns hier so leben lassenwill? Was ist der Unterschied zwischenmir und einem deutschen Kind?Wenn ein deutsches Kind im Sommerdunkler wird, muss es dann auch gehen?Ist unsere Wohnung in Deutschlandnoch frei, damit wir bald zurückkönnen? Warum bin ich immer nochRoma, auch wenn ich in Deutschlandgeboren bin? Wenn deutsche Kinderarm sind und Sozialhilfe bekommen,werden sie dann auch abgeschoben?


Mit einigen habe ich gesprochen, dieinzwischen erwachsen sind und diesesTrauma nie vergessen haben und immernoch diese Sehnsucht nach unseremLand in sich tragen und in dem Lebenim Herkunftsland ihrer Eltern nie eineSinnhaftigkeit <strong>entdecken</strong> konnten.“Ähnliches berichtet auch Brigitte Hasenjürgen,Ratsfrau in Münster, die im Julifür eine Woche in den Kosovo reiste undmit zahlreichen Verantwortlichen ausunterschiedlichen gesellschaftlichenGruppen sprach. Hasenjürgen traf in Mitrovicadie 20jährige Fatima, die mit anderthalbJahren nach Münster kam, inKinderhaus aufwuchs, später in Emsdettenlebte und mit ihrer Familie vorvier Jahren von der AusländerbehördeSteinfurt in den Kosovo abgeschobenwurde. Da war sie 16 Jahre alt. Seit vierJahren lebt sie nun in einem der beidenberüchtigten Auffanglager für Flüchtlingebei Mitrovica - direkt neben den Abraumhaldendes Bergwerks Trepca._Einen Job sucht sie hier vergeblich. DieJugendarbeitslosigkeit beträgt 75%.„Wenn überaupt eine Arbeit frei ist,dann werden die serbischen Bewerbervorgezogen“, erklärt Fatima. „Wenn ichGeld zusammenkratzen kann, dann geheich in die Stadt und besorge Wasserin Flaschen. Das Wasser hier im Lagerkann man nicht trinken, zu viel Blei.“Die kontaminierten Flüchtlingslager inMitrovica sind ein Skandal, auf denauch Thomas Hammarberg, Menschenrechtskommissarder EU, immer wiederhinweist: „Kein Stück Land im früherenJugoslawien ist so bleiverseucht. BesondersKinder haben alarmierende Blutwerte.Die Nato hat ihre Soldaten deshalbvon dort abgezogen.“ Aber etwa1.000 Roma leben dort seit zehn Jahren,weil ihre ursprünglichen Wohngebietezerstört sind und mangels Geld bis vorkurzem auch nicht wieder aufgebautwerden konnten._Mit Hilfe privater Spenden werden nunzwar neue Häuser im ehemaligen Roma-Wohngebiet in Mitrovica errichtet. Diesereichen aber nur für etwa 200 Familien.Nicht nur Brigitte Hasenjürgen befürchtetdaher, dass die in Deutschland vorder Abschiebung stehenden Roma ausMangel an Alternativen wieder in denbleiverseuchten Lagern landen werden._Auch Thomas Hammarberg appellierteindringlich an die europäischen Regierungen,nicht abzuschieben. Er bezeichnetdie Situation in den Auffanglagernals „humanitäre Katastrophe“ und erläutertweiter: „Kosovo hat noch nichtdie Kapazität, viele Rückkehrer aufzunehmen.Nach meinem Eindruck handhabendie [europäischen] Regierungendie Frage aber sehr technisch: Kosovoist jetzt selbstständig, also können wirRückführungsabkommen schließen.“_Es scheint vor allem dem Druck Deutschlandszu verdanken zu sein, dass diekosovarische Regierung sich zum aktuellenZeitpunkt bereit erklärt hat, Flüchtlingewieder aufzunehmen. Das bestätigtenauch mehrere ranghohe Politikeraus dem Kosovo gegenüber Brigitte Ha-senjürgen. Der Kosovo habe gar keineandere Wahl gehabt, wenn er als souveränerStaat habe anerkannt werdenwollen. Zwar plant Deutschland, derkosovarischen Regierung für jeden wiederaufgenommenen Flüchtling eine Art„Aufbauhilfe“ zu zahlen. Vor Ort sindsich aber alle einig: Das ist nur einTropfen auf den heißen Stein, soferndas Geld überhaupt dort ankommt, woes helfen soll, und nicht vorher irgendwoversickert._“Wenn die deutsche Regierung vernünftigeEntwicklungshilfe leistenmöchte“, so Brigitte Hasenjürgen daher,„dann sollte sie die Flüchtlinge aus demKosovo nicht abschieben. Das wäre einewirkungsvolle wirtschaftliche und politischeAufbauhilfe für den jungen Staat- rationaler als so manche Geldzahlung.“_Und auch Deutschland kann von einerjungen Roma-Generation profitieren,die faktisch längst zu den Inländernzählt: „Unsere Kinder sind die Zukunftfür Deutschland. Deutschland ist die Zukunftfür unsere Kinder“, so hieß es aufeinem Plakat bei der Roma-Demonstration,die im Juli in Münster stattfand.Münsters Roma möchten hier bleibenund auch viele Münsteraner setzen sichfür ein dauerhaftes Bleiberecht ihrer<strong>Nachbarn</strong> ein. Die Asylgruppe Münstervon Amnesty International und dieGGUA Flüchtlinghilfe unterstützen dieForderungen der Roma in ihrem Bündnis„<strong>Aktion</strong> <strong>302</strong>“. Unter diesem Sloganengagieren sich inzwischen auch derAusländerbeirat der Stadt Münster,münstersche Politiker aller Fraktionenund viele weitere Gruppen. #Zusätzliche Infos finden Sie unter:http://www.ggua.de/SONDER-SEITE-Bleiberecht-fuer-Roma.7

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