Ohne Training zum Pokal - DIE NOVUM - medienMITTWEIDA
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2 die novum Politik und Wirtschaft<br />
19. Januar 2011<br />
Kein Gewinn an der Pleite<br />
Eine Staatsinsolvenz könnte Anleger mit ins Gläubiger-Boot nehmen. Beim nächsten EU-Gipfel steht sie jedoch nicht auf der Agenda<br />
Stabile öffentliche Finanzen sind für<br />
die Zukunft eines gemeinsamen<br />
Europas von größter Bedeutung. Eine<br />
Stärkung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes<br />
ist daher unerlässlich“,<br />
äußerte kürzlich der deutsche Wirtschaftsminister<br />
Rainer Brüderle. Bei der<br />
Vorstellung der neuesten Ergebnisse des<br />
Wissenschaftsbeirates forderte er unter<br />
anderem eine Insolvenzverordnung für<br />
Länder der Euro-Währungsunion. Zahlungsunfähige<br />
Länder sollen so einfacher<br />
aus der Pleite geführt werden. Grundsätzlich<br />
planen bei einer Insolvenz die<br />
Schuldner und Kreditgeber gemeinsam<br />
eine Aufteilung des noch vorhandenen<br />
Vermögens. dabei müssen Gläubiger<br />
meist auf einen Teil des gewährten<br />
Kredits verzichten. Brüderle zufolge,<br />
soll die für Unternehmen allgemein<br />
gültige Praxis auch auf Staatshaushalte<br />
innerhalb der EU übertragen werden.<br />
Zahlungsunfähig werden Länder, wenn<br />
ihre Schulden selbst durch höhere Steuereinnahmen<br />
nicht abgebaut werden<br />
können. Schon während der Griechenland-Krise<br />
im Mai letzten Jahres wurde<br />
von Finanzminister Schäuble über eine<br />
geordnete Insolvenz nachgedacht.<br />
doch noch ist von konkreten Schritten<br />
beim Insolvenzfall nichts zu hören. Auf<br />
nachfrage im Wirtschaftsministerium<br />
Weniger als drei Millionen Arbeitslose<br />
wollen wir nicht feiern,<br />
sondern in Arbeit bringen.“ das<br />
war kürzlich auf den Werbebannern des<br />
Bundesministeriums für Arbeit (BMA)<br />
zu lesen. Arbeitsministerin Ursula von<br />
der Leyen (CdU) ließ die deutschen<br />
Innenstädte mit der Erfolgsmeldung<br />
der Regierung plakatieren. die Arbeitslosigkeit<br />
war erstmals wieder unter die<br />
drei-Millionen-Grenze gefallen. Ein<br />
Grund für übermäßigen Jubel?<br />
Eine genauere Betrachtung der statistischen<br />
Zahlen der Bundesagentur für<br />
Arbeit lohnt durchaus. In deutschland<br />
erhielten im dezember 2010 mehr 5,52<br />
Millionen Menschen Arbeitslosengeld I<br />
oder II. Jedoch gelten davon gerade mal<br />
drei Millionen Menschen als arbeitslos.<br />
das höhere Arbeitslosengeld I (ALG I)<br />
beziehen lediglich etwa 817.000 Menschen.<br />
Sie sind maximal zwölf Monate<br />
ohne Arbeit. der überwiegende Teil der<br />
Erwerbslosen erhält das deutlich niedrigere<br />
Arbeitslosengeld II (ALG II).<br />
Ein ALG II-Empfänger, hat ein Jahr<br />
oder länger keine sozialversicherungspflichtige<br />
Beschäftigung mehr ausge-<br />
ist unklar, ob das Thema Insolvenz überhaupt<br />
beim nächsten EU-Gipfel zur<br />
Sprache kommt.<br />
Beim Treffen im März soll zunächst<br />
der Lissabon-Vertrag geändert werden.<br />
Schnell hat man sich darauf geeinigt<br />
nach dem Auslaufen des Rettungsschirms<br />
von den Euro-Ländern und<br />
internationalen Währungsfonds, weiter<br />
Kredite für bedrohte Euro-Länder zur<br />
Verfügung zu stellen. Unter dem Stichwort<br />
Krisenmechanismus soll es möglich<br />
sein, dass Euro-Länder Staatsanleihen<br />
von Ländern ankaufen können,<br />
die von einem Staatsbankrott gefährdet<br />
sind. Bedingungen sollen dabei strenge<br />
Vorgaben zur Haushaltssanierung<br />
und eine grundsätzlliche Bedrohung<br />
der Stabilität des Euro sein. dieser Krisenmechanismus<br />
ersetzt den bis 2013<br />
bestehenden Rettungsschirm, aus dem<br />
beispielsweise Griechenland mit 110<br />
Milliarden unterstützt wird.<br />
doch laut Gutachten aus dem Wirtschaftsministerium<br />
ist genau der Punkt<br />
Stabilität nie bedroht gewesen. darin<br />
heißt es: „Tatsächlich gab es keine Währungskrise.<br />
Es handelte und handelt sich<br />
vielmehr um eine Krise der Überschuldung<br />
einzelner Euro-Mitgliedstaaten,<br />
namentlich Griechenlands.“ Mehr noch:<br />
das Eingreifen der Euro-Länder, allen<br />
voran deutschland mit rund 123 Milliarden<br />
Euro im Rettungsschirm, habe<br />
gegen das Bailout-Gebot des Maastrichter<br />
Vertrags verstoßen. demnach sollen<br />
Mitgliedsländer nicht für die Verbindlichkeiten<br />
anderer Länder haften.<br />
der wissenschaftliche Beirat bescheinigt<br />
dem Vorgehen der Euro-Länder<br />
sogar eine Fehlentwicklung. durch die<br />
Finanzspritze in Form des Rettungspakets<br />
haben vor allem Anleger profitiert,<br />
Arbeitsmarktzahlen auf dem Prüfstand<br />
Nur drei Millionen Arbeitlose, aber 5,5 Millionen Arbeitslosengeld I- oder II-Empfänger<br />
Von den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit werden nicht alle Arbeitslosen erfasst<br />
übt. Hier fängt die Bundesagentur für<br />
Arbeit (BA) an, die Zahlen zu verfälschen.<br />
4,7 Millionen ALG II-Bezieher<br />
sind ausgewiesen. nur zwei Millionen<br />
von ihnen gelten als arbeitslos. das sind<br />
nur 42 Prozent.<br />
Ganz ohne Arbeit sind diese Menschen<br />
jedoch nicht. Sie arbeiten immer<br />
häufiger im niedriglohnsektor. die<br />
Vergütung reicht meist nicht aus, um<br />
den Lebensunterhalt ihrer Familie zu<br />
sichern. Zahlreiche Arbeitnehmer sind<br />
inzwischen in Teilzeitarbeit, befristeten<br />
Arbeitsverhältnissen und Zeitarbeit<br />
beschäftigt. dieser Trend verstärkt sich<br />
seit Jahren.<br />
dazu kommen Menschen, die an arbeitsmarktpolitischen<br />
Maßnahmen teilnehmen,<br />
wie <strong>zum</strong> Beispiel Ein-Euro-Jobber.<br />
Weiterhin nicht als arbeitslos gelten in<br />
die in die risikoreichen griechischen<br />
Staatsanleihen investiert haben, ob<br />
sie in der Eurozone ansässig sind oder<br />
nicht. Sie erhalten ihr eingesetztes Kapital<br />
zurück, die Zeche zahlen die europäischen<br />
Steuerzahler. dagegen könnte<br />
eine Staatsinsolvenz vorgehen, denn in<br />
diesem Fall würden die Gläubiger, also<br />
Besitzer von Staatsanleihen an der Pleite<br />
mitbeteiligt.<br />
Jagoda Krolik<br />
In einem Gutachten fordert Bundeswirtschaftsminister Brüderle ein Insolvenzverfahren für<br />
Staaten. Steuerzahler könnten damit entlastet werden.<br />
Michael Senst<br />
der Statistik ALG II-Empfänger, die<br />
kleine Kinder betreuen oder Angehörige<br />
pflegen. Kranke oder durch Unfälle<br />
nicht arbeitsfähige Menschen werden<br />
ebenso nicht dazugezählt. Auch ältere<br />
Arbeitnehmer, die sich im Vorruhestand<br />
befinden, werden in der Statistik<br />
nicht berücksichtigt.<br />
BA-Chef Frank-Jürgen Weise räumt<br />
ein, dass gerade unter den älteren Arbeitnehmern<br />
die Arbeitslosigkeit leicht<br />
ansteigt. Heike Helfer, stellvertretende<br />
Sprecherin im BMA sagte gegenüber<br />
novum: „das Bundesarbeitsministerium<br />
wertet die von Ihnen zitierten<br />
Zahlen nicht als Erfolg. Wir beobachten<br />
aber eine Tendenz der Zunahme<br />
der Erwerbstätigenzahl in dieser Altersgruppe.“<br />
Ein Widerspruch und offenbar nicht<br />
der Einzige. Insgesamt ist der scheinbare<br />
Erfolg am Arbeitsmarkt wohl eher der<br />
neudefinition des Begriffes Arbeitslosigkeit<br />
im Sozialgesetzbuch zu verdanken.<br />
Ursula von der Leyens viel zitiertes<br />
„Jobwunder“ ist bei den Menschen in<br />
der Realität noch nicht angekommen.<br />
Holger Schuchardt<br />
Peter Schilling