4 MENSCHEN 5 «Wir wollen hier eine Ecke von Italien sein» Domenico Zaccaria ist seit dem 14. Altersjahr in der Gastwirtschaft tätig. Der heute 48-Jährige aus Apulien sieht sich als Gastronomie- Botschafter seines Landes. Das Ambiente des «Beau Rivage da Domenico» gibt ihm das Gefühl, bei der Arbeit in den Ferien zu sein. Oliven, Zitronen und Feigen auf der Terrasse… Domenico Zaccaria, können Sie sich einen anderen Beruf als Gastgeber vorstellen? Nein, ich bin für diesen Beruf geboren, ich kann mir nichts anderes vorstellen. Bereits als Vierzehnjähriger arbeitete ich in der Branche. Ich machte die Ausbildung als Hotelsekretär und später die Serviceausbildung. Dort hat mir der Kontakt mit den Menschen gefallen und ich lernte, Kundenwünsche zu erfüllen. Später besuchte ich noch einen Kurs als Pizzaiolo und lernte nebenbei auch noch das Kochen für meine Gäste hier im Betrieb. Hat Sie die Liebe in die Schweiz gezogen? Oder was wars? Zuerst mehr der Zufall. Ein Kollege arbeitete in Zermatt und fragte mich für eine Saison. Danach arbeiteten wir beide im Hotel Oberland in Interlaken, bevor ich nach Italien ins Militär einrückte. Zurück in der Schweiz, lernte ich meine Frau kennen, und ich blieb definitiv hier. In welchem Jahr war das? Fühlen Sie sich in der Schweiz wohl, sind Sie gut aufgenommen worden? Ich bin seit 1983 in der Schweiz. Ich fühlte mich sofort willkommen, habe aber einige Zeit gebraucht, um mich zu integrieren. Die Schweizer sind etwas anders, haben nicht wie wir Italiener ein südländisches Temperament. Ich fühle mich in der Schweiz aber sehr wohl. …ausschliesslich italienische Weine im Keller… Wo waren Sie tätig, bevor Sie ins Beau Rivage nach Thun kamen? Wie bereits gesagt, startete ich im Seiler Hotel Mont Cervin Palace in Zermatt. Dann war ich zwei Jahre im Service und neun Jahre Chef de Service der Pizzeria Mercato in Interlaken. Danach führte ich acht Jahre das Locanda del Paese in Seftigen, bevor ich im Jahre 2002 ins Beau Rivage kam. Ihr Restaurant ist in einem wunderbar stilvollen Gebäude und ebenso eingerichtet. Wie wichtig ist Ihnen das Ambiente bei der täglichen Arbeit? Sehr, das ist einer der wichtigsten Punkte, parallel zu einer guten Küche. Wir wollen hier im Beau Rivage eine Ecke von Italien sein, der Gast soll sich wohl fühlen, wie in den Ferien. Das ist für mich das Wichtigste – dann fühle ich mich bei der Arbeit auch in den Ferien. Deshalb versuche ich solange es geht mit Italienern zu arbeiten. Sie sind geboren für die Gastronomie. Man kann sie zu kopieren versuchen, aber… Welches sind die Spezialitäten, die auf Ihrer Karte nicht fehlen dürfen? Fisch ist wichtig, er gehört zur mediterranen Küche. Wir bestellen ihn laufend, so haben wir ihn immer frisch. Das wird auch sehr geschätzt. Wir haben zum Beispiel Kunden, die jede Woche von Bern zu uns zum Fischessen kommen. Lange Zeit galten Pizza und Spaghetti als die Spezialitäten eines italienischen Restaurants. Doch die italienische Küche hat sich entwickelt. Ich verbringe einen Grossteil meiner Freizeit beim Lesen von Kochbüchern. Es ist fantastisch, neue Gerichte zu kreieren – mein langjähriger Küchen - chef Donatello sagt nie nein, er ist fantastisch. Bieten Sie passend dazu ausschliesslich italienische Weine an? Ja, vom Süden bis in den Norden, rund 70 Sorten. Jeden Monat bieten wir vier bis fünf rote und zwei weisse Weine im Offenausschank an, immer andere. So erhält unsere Kundschaft immer neue Sorten zum Probieren. Was zeichnet in Ihren Augen ein «echtes» italienisches Restaurant aus? Wie gesagt, spielt das Ambiente eine grosse Rolle, aber sicher nicht mit einer italienischen Flagge. Wichtig ist auch die italienische Küche, welche die Trends in Italien aufnimmt. Zum Beispiel weniger Rahm, mediterraner. In den Olivenbäumen auf unserer Terrasse fühle ich mich daheim. Wie wichtig sind dabei Männer im Service, die italienisch sprechen? Das ist eine Gewohnheit von mir, ich suche immer «Italiener». Ich muss aber auch sagen, dass es in der Gastronomie leider kaum Italienerinnen gibt. Dass wir im Team nur eine Sprache sprechen, hat eindeutig Vorteile. Erstens fühlen wir uns bei der Arbeit in Italien und zweitens kann der italienische Humor beim Nichtbeherrschen der Sprache leicht missverstanden werden. Ihre Philosophie gibt Ihnen Recht, Sie haben Erfolg! Ich bin in einfachen Verhältnissen aufgewachsen, und mein Vater hat mich gelehrt, immer am Boden zu bleiben. Für mich ist jeder Tag ein Neuanfang und eine Herausforderung, die nötige Motivation aufzubauen. Domenico ist nur ein Teil des Beau Rivage, sage ich meinem Team immer. Wie gross ist Ihr Team und Ihre Präsenzzeit als Gastgeber? Zurzeit sind wir 22 Personen, ein hervorragendes Team. Normaler - weise bin ich zwischen 14 und 16 Stunden im Geschäft, und das sechs bis sieben Tage in der Hauptsaison, fünf Tage im Winter. Und weil ich mich in diesem Ambiente in den Ferien fühle, geht das meistens auch ohne richtige Ferien. Erzählen Sie uns etwas aus Ihrem Privatleben? Gibts eines? In den nächsten Tagen können meine Frau und ich den 25. Hochzeitstag feiern. Wir haben einen Sohn, den Angelo. Er ist 18 Jahre alt und besucht das Gymnasium. Ich habe für ihn und meine Frau viel zu wenig Zeit gehabt – das ist der Nachteil meines Berufes und das tut weh. Unsere Familie war nur dank der Geduld und der Nach - sicht meiner Frau möglich. Sie kennt mich nur als Gastronomen. …und viel Fisch auf dem Teller – da Domenico! Wird Ihr Sohn einmal in die Fussstapfen des Vaters treten? Sehr wahrscheinlich hat er etwas dagegen. Ich denke, das wird nie ein Thema sein. Angelo hat bisher auch kein Interesse gezeigt. Ich bin deswegen auch nicht enttäuscht, wichtig ist, dass er etwas mit Freude macht. Reicht die Freizeit zur Pflege von Hobbys? Vor kurzem habe ich wieder mit Tennisspielen angefangen. Zu mehr reicht es nicht, da ich ja zuhause viel Zeit mit Lesen von Kochbüchern und der Suche nach neuen Kreationen verbringe. Ich besitze eine Sammlung mit hunderten von Gastronomiebüchern. Ich lebe für die Gastronomie, ich liebe sie. Wenn ich keine Freude mehr habe, höre ich auf. Wo machen Sie Ferien? Holen Sie in Italien Inspirationen? Wenns mal für einige Tage reicht, fahre ich nach Möglichkeit zum Bruder nach Apulien. Oder besuche die Gegenden des Veneto oder des Piemonts, die sind sehr interessant für mich. Was ist für Sie das grösste Kompliment, das Ihnen ein Gast machen kann? «Ich fühle mich hier wie in den Ferien!», das gibt mir die Kraft, den eingeschlagenen Weg weiterzuführen. Mir ist aber auch Kritik wichtig, denn nur das Korrigieren von Fehlern bringt uns weiter. Interview und Fotos: Beat Straubhaar, Weber AG