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leute - Henri Nannen Preis

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Das Hamburger Schauspielhaus,<br />

glanzvoll illuminiert<br />

Schauspieler Jürgen Tarrach<br />

und Ehefrau Ulrike<br />

„Spiegel“-Chefredakteur<br />

Stefan Aust und<br />

Ehefrau Kathrin<br />

Vicky Leandros<br />

im kleinen<br />

Schwarzen,<br />

Alexandra Jahr<br />

mit Garnitur<br />

und Vickys<br />

Ex Enno Freiherr<br />

von Ruffin<br />

G+J-Vorstand<br />

Bernd Buchholz<br />

mit Frau Inga<br />

<strong>Nannen</strong>-<strong>Preis</strong>-Moderatorin Maybrit Illner<br />

mit Kollegin Sandra Maischberger und<br />

deren Ehemann Jan Kerhart<br />

Die Düsseldorfer<br />

Kunstprofessorin<br />

Gabriele Henkel mit<br />

ihrem Begleiter<br />

Nominiert für die<br />

beste Reportage:<br />

Benjamin von<br />

Stuckrad-Barre<br />

mit Begleiterin<br />

Inga Grömminger<br />

Der Münchner<br />

Verleger Florian<br />

Langenscheidt<br />

zwischen zwei<br />

schönen Roten<br />

Die Jury (v. l.): Andreas Petzold (stern), Helmut Markwort („Focus“), Alice Schwarzer („Emma“), Giovanni di<br />

Lorenzo („Die Zeit“), Thomas Hoepker (Magnum), Elisabeth Biondi („The New Yorker“), Frank Schirrmacher („FAZ“),<br />

Hans Werner Kilz („Süddeutsche Zeitung“). Obere Reihe: Christoph Keese („Welt am Sonntag“), Cordt Schnibben<br />

(„Der Spiegel“), Peter-Matthias Gaede („Geo“), Peter Sandmeyer (st ern), Martin Schoeller („The New Yorker“)<br />

ungeschleudert. So sollen Geschichten<br />

sein.<br />

Hamburg im Maibeben. Da stehen sie<br />

wieder auf der Bühne. Garniert mit bunten<br />

Fliegen, Trophäen im Arm, salopp geschnittene<br />

Smokinghosen am Bein: Männer!<br />

Juroren, <strong>Preis</strong>träger, Chefredakteure.<br />

Hier der elegante Autor Benjamin von<br />

Stuckrad-Barre, 32, im taillierten, weißen<br />

Anzug, angehimmelt von Damen jüngeren<br />

und reiferen Datums. Dort der legendäre<br />

Fotoreporter Robert Benjamin Lebeck, 78,<br />

mit nicht minder elegantem weißen Stachelhaar.<br />

Und nicht minder angehimmelt<br />

von den Damen. An der einen Flanke<br />

macht „FAZ“-Chef Frank Schirrmacher an<br />

diesem Abend dicht, an der anderen „Focus“-Mann<br />

Helmut Markwort. Hier verkörpert<br />

„Zeit“-Chefredakteur Giovanni di<br />

Lorenzo im samtenen Futteral das schöne<br />

Antlitz der gesamten Branche, da überragt<br />

Axel-Springer-Vorstand Mathias Döpfner<br />

als Fleisch gewordener Informationsvorsprung<br />

sozusagen sämtliche anderen an<br />

Leibeshöhe.<br />

Mag sein, dass manche es schon vorher<br />

geahnt hatten: Journalismus ist für Jungs.<br />

Da kann die Frau Schwarzer schreiben, so<br />

viel sie will. Journalism – it’s a Man’s<br />

World. Machen wir uns nichts vor. Er ist<br />

und bleibt die letzte reine Bastion des Mannes<br />

– neben der katholischen Kirche, in der<br />

auch nur wenige Ministrantinnen den<br />

Herren am Wort dienen dürfen. Klarer<br />

konnte man das alles nicht vor Augen haben<br />

als an diesem tiefdruckgeschüttelten<br />

Abend im Mai; als das Hamburger Verlagshaus<br />

Gruner + Jahr und der stern zum<br />

dritten Mal im prunkvollen Rahmen des<br />

Schauspielhauses den <strong>Henri</strong> <strong>Nannen</strong> <strong>Preis</strong><br />

für die aus dem Alltagsjournalismus herausragenden<br />

Arbeiten des Jahres 2006 vergaben.<br />

Für die beste Geschichte, die lustigste<br />

Kolumne, für die gründlichste Recherche,<br />

das leichteste Erklären einer komplizierten<br />

Angelegenheit. Die Redaktion<br />

der russischen „Nowaja Gaseta“ wurde für<br />

ihr couragiertes Eintreten für die Menschenrechte<br />

ausgezeichnet, für das Enthüllen<br />

und Aufdecken von Skandalen in einem<br />

Land, in dem Pressefreiheit nicht existiert.<br />

In dem Gouverneure Morde an unliebsamen<br />

Journalisten in Auftrag geben, wie<br />

es der Chefredakteur Dmitrij Muratow<br />

berichtete.<br />

EiNEs diEsEr OPfEr war die Journalistin<br />

Anna Politkowskaja, an die er in seiner<br />

Dankesrede erinnerte. Im Oktober 2006<br />

wurde die Reporterin der „Nowaja Gaseta“<br />

im Eingang ihrer Wohnung erschossen.<br />

LEUTE ■2<br />

Während Muratow übrigens noch in Hamburg<br />

auf der Bühne stand, nutzte das russische<br />

Innenministerium seine Abwesenheit,<br />

um die Räume der „Gaseta“-Außenstelle<br />

in Samara zu durchsuchen und Computer<br />

zu beschlagnahmen. Die Bronzebüste<br />

des stern-Gründers <strong>Henri</strong> <strong>Nannen</strong> soll<br />

dennoch in der sparsam ausgestatteten<br />

Moskauer Redaktion mit ihren beherzten<br />

wie unerschrockenen Journalisten einen<br />

Ehrenplatz erhalten. Ja, das hätte <strong>Henri</strong><br />

<strong>Nannen</strong> wohl gefallen!<br />

Dass am Ende der Gala auch noch sein<br />

Lieblingsfotograf Bob Lebeck mit einem<br />

<strong>Preis</strong> fürs Lebenswerk ausgezeichnet wurde,<br />

hätte ebenfalls kaum einen mehr erfreut<br />

als <strong>Nannen</strong>. Denn mit dem stern-Fotografen<br />

hatte er einst selbst US-Präsidenten<br />

und deutsche Kanzler, Jugoslawiens<br />

Tito und den Maler Chagall interviewt,<br />

und immer waren Lebecks Bilder so sensationell,<br />

dass <strong>Nannen</strong> sie zu Titelbildern<br />

machen konnte. Keine „Gurke“, nirgends.<br />

Am Ende waren es dann aber weder Willy<br />

Brandt noch Marc Chagall, die Robert Lebeck<br />

in den Fotografen-Olymp schossen,<br />

sondern die melancholischen Fotos, die er<br />

von Romy Schneider machte. Jene richtigen<br />

Momente, die ihm das Glück des perfekten<br />

Bildes bescherten.<br />

rEcHErcHE, flEiss uNd Glück. Uwe<br />

Ritzer von der „Süddeutschen Zeitung“,<br />

zum Beispiel, wusste gar nicht, wie ihm<br />

geschah, als seine drei Kollegen ihn mit<br />

auf die Bühne zogen, um den <strong>Preis</strong> für die<br />

beste investigative Leistung entgegenzunehmen.<br />

Ritzer war gar nicht nominiert,<br />

denn er war erst nach dem Einsendeschluss<br />

zu jenem Reporterteam um Klaus<br />

Ott gestoßen, das den bayerischen Siemens-Koloss<br />

mit seinen Nachforschungen<br />

zu Schmiergeldzahlungen ins Wanken<br />

brachte. Ritzer hatte die Münchner Kollegen<br />

von der Lokalredaktion Nürnberg aus<br />

über die Machenschaften einiger Siemens-<br />

Betriebsräte gefüttert. Und wie die anderen<br />

hatte sich auch Ritzer nicht einschüchtern<br />

lassen, als sich der Konzern gegen die<br />

Veröffentlichungen wehrte. Nein, auch<br />

Ritzer, der Kollege in Reihe elf, hatte munter<br />

weiterrecherchiert. Und jetzt ist er völlig<br />

aus dem Häuschen, weil er mit den anderen<br />

auf der Bühne stehen darf und einen<br />

<strong>Preis</strong> in Empfang nehmen, wie es ihn<br />

in Europa kein zweites Mal gibt. Und<br />

dann auch noch aus den Händen des<br />

großen Vorbilds Seymour Hersh, der zur<br />

<strong>Preis</strong>verleihung aus den USA gekommen<br />

war. Hersh ist Autor des „New Yorker“<br />

und brachte zuletzt die Hintergründe ➔<br />

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