10.07.2015 Aufrufe

Ausgabe 2-2013 - IGZ

Ausgabe 2-2013 - IGZ

Ausgabe 2-2013 - IGZ

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Sc h w e r p u n k t t h e m a |deshalb, weil nämlich zu befürchten steht, dass einsolches Qualitätsregime in der Realität gar nicht zuverwirklichen ist. Das will heißen, der Gesetzgeberhätte nie und nimmer für den Gesundheitsbereich„Zahnersatz“ ein Festzuschusssystem wie vorliegendeinführen dürfen. Aus den rechtlichen Gegebenheitenund den ökonomischen Gesetzen war die Entwicklungvorprogrammiert.Vertrag über ZahnersatzversorgungBei dem zwischen Patient und Zahnarzt geschlossenenZahnersatzversorgungsvertrag, also zahnärztlicheBehandlung und zahntechnische Leistungen,handelt es sich um einen sogenannten Dienstvertraghöherer Art. Dabei schuldet der Zahnarzt dieversprochenen Dienste, der Patient das vereinbarteEntgelt. Der Zahnarzt schuldet nicht den Erfolg,sondern die kunstgerechte (lege artis) Durchführungder Behandlung. Dieser Dienstvertrag umfasst auchdie zahntechnischen Leistungen, die für die Zahnersatzversorgungbenötigt werden. Das zahntechnischeMedizinprodukt wird rechtlich als uneigenständigbehandelt, es ist der zahnärztlichen Tätigkeit untergeordnetund unterliegt ausschließlich der Dispositiondes Zahnarztes, ebenso wie etwa die Auswahlder Diamantbohrer, des Abdruckmaterials oder desAnästhesie- oder Nahtmaterials. Der Dienstvertragkennt keine Gewährleistung. Der Zahnarzt haftet fürdie folgenden Pflichtverletzungen: Behandlungsfehler(„Kunstfehler“), Diagnosefehler, fehlerhafte Aufklärungund sonstige Pflichtverletzungen. Der Patienthat nur Anspruch auf Schadensersatz.Zwar räumt die Rechtsprechung bezogen auf herausnehmbarenZahnersatz dem Patienten werkvertraglicheMängelrechte ein, nicht aber für festsitzendenZahnersatz. Der Zahnarzt handelt hier schuldhaft nur,wenn er einen sichtbaren Mangel ignoriert. Mängel,die infolge technisch fehlerhafter Prozesse währendder Herstellung im zahntechnischen Medizinproduktenthalten sind, kann der Zahnarzt nicht erkennen;dafür haftet er auch nicht. 5Adverse Selektion führt zum ZitronenmarktDie Rechtslage stellt sich also so dar, dass es demZahnarzt gänzlich gleich sein kann, wie das zahntechnischeMedizinprodukt entstanden ist: Hauptsache,äußerlich weist es keinen Mangel auf.An dieser Stelle wird man uns entgegenhalten, dasswir doch nicht behaupten wollen, dass ein Zahnarztum eines schnöden Honorarvorteils willen in Kaufnimmt, möglicherweise schlechtere, geschweige dennschlechte Qualität zu akzeptieren. Nein, das wollenwir keinem Zahnarzt unterstellen, aber die ökonomi-5 Dieser rechtliche Sachverhalt relativiert den Begriff „Gesamtverantwortung des Zahnarztes“.schen Wechselwirkungen eines Festzuschusssystemswirken in diese Richtung. Es würde den Rahmen diesesArtikels sprengen, würde man die ökonomischenErklärungen, die seit über 40 Jahren erforscht sind,im Detail darstellen. 6 Daher skizzieren wir in der gebotenenKürze nur die Wirkungsweise:Im befundorientierten Festzuschusssystem sind dieRegelversorgungsbefunde durch zahnärztliche Leistungen,die BEMA-Nummern mit Festpreisen (Gebühren),determiniert. Über die Regelversorgungenhinausgehende zahnärztliche Leistungen sind nachder GOZ, also ebenfalls mit Gebühren zu berechnen.Variabel sind allein die Preise für zahntechnischeMedizinprodukte. Da weder der Patient, allenfallsDie Forderung kann daher nur lauten, dasbefundorientierte Festzuschusssystem sozu modifizieren, dass es zur adversen Selektionerst gar nicht kommen kann.erst nach Jahren, noch der Zahnarzt die Preiswürdigkeitzahntechnischer Medizinprodukte einschätzenkann und gerade letzterer, wie wir oben gezeigthaben, auch gar nicht muss, sind die Voraussetzungender adversen Selektion gegeben: Die mittlerenQualitäten verdrängen die guten, die wiederum diesehr guten Qualitäten vom Markt verschwinden lassen.Die schlechten Qualitäten verdrängen die nichtso ganz schlechten, die wiederum die mittleren Qualitätenverdrängen. 7Der Anstieg der Importe billigen Zahnersatzes unmittelbarmit der Einführung des Festzuschusssystemsbeweist freilich noch nicht, dass der Markt fürzahntechnische Medizinprodukte sich zum „Zitronenmarkt“entwickelt, denn die Qualitäten der Importesind weitgehend unbekannt. Zwingen aber dieImporte billiger zahntechnischer Leistungen den inländischenMarkt, also das Zahntechniker-Handwerk,dazu, auf diesen Preiswettbewerb einzugehen, dannist das bei gegebenen inländischen Produktionskostennur über einen Qualitätsverfall möglich. 8Die Forderung kann daher nur lauten, das befundorientierteFestzuschusssystem so zu modifizieren, dasses zur adversen Selektion bis hin zum Zitronenmarkterst gar nicht kommen kann.6 Vgl. hierzu die Arbeiten von: Akerlof, G. A. The Market for „Lemons“: Quality UncertaintyAnd The Market Mechanism, in: Quarterly Journal of Economics, Vol. 84, 1970, S. 488ff.; Schmoranz I.: Makroökonomische Analyse des Informationssektors, 1980, S. 132 ff.;Kunz, H.: Marktsystem und Information, 1985, S. 48; Heidreich, H.: Konsumentenwissenund Wettbewerb, Freiburg i.Br., 1981.7 Akerlof, G. A., aaO., S. 490.8 Vgl. dazu: Ungern-Sternberg, Th. R. v.: Zur Analyse von Märkten mit unvollständigerNachfragerinformation, Berlin, 1984, S. 58.<strong>IGZ</strong> Die Al t e r n a t iv e Nr. 2/<strong>2013</strong> | 27

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!