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Ausgabe 2-2013 - IGZ

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Sc h w e r p u n k t t h e m a |Unter dem Damokles-Schwert der neuen Ökonomisierungist heute vor allem unter den Krankenhäusernein harter Wettbewerb entstanden. Ein „Wettler,sogenannte Privatpatienten, blieben dennoch begehrt.Die später entwickelte „gestaffelte Gebührenordnung“schuf die gewünschten Spielräume.Zunächst bleibt aber festzustellen: Jahrtausendelangunterlagen ärztliche Behandlungen – sehen wir einmalvon Kriegs- bzw. Seuchenzeiten und vom Sonderstatusder Leibärzte hochgestellter Persönlichkeitenab – praktisch ausnahmslos den Gesetzen des freienWettbewerbs. Nur die Hospize und Armenhäuser, indenen häufig, ja fast regelmäßig auch Ärzte wirktenForschung akzeptiert, nicht aber für den ärztlichenAlltag (in der Praxis wie im Krankenhaus). Man befürchtete,gegeneinander ausgespielt zu werden. Etwashilflos verwies man sogar auf alte Ethik-Codices,wo seit Hippokrates gerne die kollegiale Solidarität,d. h. der Anti-Wettbewerb, beschworen wurde, obgleichim Alltag der Frühen Neuzeit, wie erwähnt,pure Marktgesetze geherrscht hatten.Jahrtausendelang unterlagen ärztliche Behandlungen – sehen wir einmalvon Kriegs- bzw. Seuchenzeiten und vom Sonderstatus der Leibärztehochgestellter Persönlichkeiten ab – praktisch ausnahmslos denGesetzen des freien Wettbewerbs.(in der Regel visitierten sie diese Institutionen vonaußen), sahen jahrhundertelang für ihre bedürftigenBewohner persönlich kostenlose Behandlungen vor,wobei wohlhabendere Spitalbewohner bzw. Pfründnerdieses Privileg sich nicht selten teuer erkaufthatten. Aus der Sicht der meisten Patienten könnteman sagen: Medizin hatte eigentlich fast immer etwasmit Marktgesetzen zu tun – mit Ausnahme, wiees scheint, der letzten 120 Jahre!Man sollte sich nicht der Illusion hingeben, dass dieIdee des „Wettbewerbs in der Medizin“ nicht auch BismarcksReformen überlebt hätte. Im Zuge der stürmischenwissenschaftlichen Entwicklung kam das Wortvon der „Medizin-Industrie“ auf, in der der Patientnur noch als Objekt von Forschungsinteressen undeines unpersönlichen Medizinbetriebes erschien. Nebendem wirtschaftlichen Wettbewerb um den Patientenzwischen niedergelassenem Arzt und Krankenhausgab es den noch prestigeträchtigeren zwischenUniversitätskliniken, Akademien und letztlich Nationenum wissenschaftlichen Ruhm.Eine wirkliche Reduktion des Wettbewerbs fand imGrunde erst in den Sechziger- bis Achtzigerjahrendes 20. Jahrhunderts statt, als die Kassen – wie fastdie ganze Gesellschaft – aus dem vermeintlich Vollenschöpften. 100 Jahre nach Bismarcks Gesetzen,in den Neunzigerjahren des 20. Jahrhunderts, erschrakendeshalb viele Ärztinnen und Ärzte in derTat, als gehäuft Wörter wie Konkurrenz, Evaluierung,Fortbildung, Vergleiche, Leitlinie, Strukturreform,Effektivität usw. fielen. Selbst die Facharztprüfungstieß um 1980 zunächst auf Protest und Empörung.Was nach Wettbewerb klang, wurde bestenfalls fürdas Studium und die wissenschaftlich-medizinischeDie Widersprüche in der Argumentation waren allerdingsdeutlich. Nicht selten beklagten sich andererseitsz. B. niedergelassene Ärzte über die bevormundendeRegulierung durch Kassen oder KassenärztlicheVereinigungen. „Mehr Wettbewerb“ – gegen dieseKassen – klang nun wieder verführerisch. Man verstandhierunter allerdings nicht die Forderung nachEvaluierung, sondern nach einer Abrechnungspraxis,wie sie üblichen Marktverhältnissen entsprach. Wer100 Patienten am Tag behandelte – stand dem nichtdoppelt so viel zu wie dem Kollegen, der sich nur um50 kümmerte? Zum guten Arzt kommen, so die simpleThese, mehr Patienten, zum schlechten weniger,der erste verdient deshalb zu Recht mehr, der zweiteweniger. Das war die Vorstellung vom ärztlichen Idealwettbewerb,der zugleich für Gerechtigkeit sorgensollte, unter der man Bezahlung nach Leistung verstand.Dass die Kassen alle Kosten für die allein vomArzt bestimmten Untersuchungsgänge übernahmen,deren Notwendigkeit nicht zu beweisen, ja nicht einmalzu begründen war, erschien selbstverständlich.Dass der „Wettbewerb“, den man so schnell einforderte,auch etwas mit Reklame, Mundpropaganda,Neid, Verleumdung und Lobbyismus zu tun habenkönnte, ahnte man offensichtlich noch nicht. In denSechziger- und Siebzigerjahren des 20. Jahrhundertshatte es auch bei den Kassenärzten erstaunliche Einkommenssprüngenach oben gegeben. Dass sie nunausblieben, dass der Wundertopf, der jahrzehntelanggesprudelt hatte, versiegte, irritierte, mehr noch aberdie zunehmende Verrechtlichung und Bürokratisierungdes Gesundheitssystems, in dem immer mehrNicht-Ärzte den Ton angaben. Insofern fand man auchin der Öffentlichkeit großes Verständnis.<strong>IGZ</strong> Die Al t e r n a t iv e Nr. 2/<strong>2013</strong> | 5

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