SerieAusgegliederte UnternehmenTextAndrea KriegerEin todsicheres Geschäft?Gestorben wird bekanntlich immer. Dennoch erlebt die Bestattung Wiengerade turbulente Zeiten. Und das nicht nur wegen der Neuorganisation.Georg SoulekDie 30 Millionen Euro teure Bleibe von Bestattung und Friedhöfe Wien kann sich sehen lassen.Der Umzug in das vom Architektenteam Delugan Meissl gebaute, schicke Anwesen gegenüber dem Zentralfriedhof erfolgt 2012.Au s g e g l i e d e r ti n d i e Z u k u n f tREPUBLIK widmet den aus Bund, Ländernund Gemeinden ausgegliederten Unternehmeneine eigene Serie. Sie gewährtEinblick in Geschäftsgebaren, Erfolg undden Umgang mit Problemen, die durch dieWirtschaftskrise entstanden sind.sche-Museum gebaut haben, dem Tod einweiteres Denkmal: Der weiße Vierkant-Gebäudekomplex, der gerade gegenüberdem Zentralfriedhof entsteht, ist ein Symbolfür eine neue Ära in Sachen Beerdigungen.2012, wenn der Bau fertig ist,wird die Bestattung Wien erstmals untereinem Dach mit den Friedhöfen Wienvereint sein. Als soeben gegründete B &F (Bestattung und Friedhöfe) Wien GmbHwird man dort das A und O des Beerdigensanbieten.Den Wienern soll´s recht sein. „Hinterbliebenemüssen nicht mehr wie bisherbei einem Todesfall in den vierten Bezirkund zur Grabverlängerung in die InnereStadt fahren“, sagt Christian Fertinger, derFrontmann von B & F. Serviceverbesse-Die Kapuzinergruft, das begehrteProbeliegen im Sarg des Bestattungsmuseums,Wien als Sitz der EuropäischenVereinigung der Bestattungsdienste: Nurdrei Beispiele, die den Mythos nähren,dass Wien eine der morbidesten Städteder Welt ist. Nun setzen die ArchitektenDelugan und Meissl, die zuletzt das Porrungenschaden nie. Der eigentliche Hintergedankefür die Neuorganisation waraber ein anderer. „Wir wollten klare Verhältnisseschaffen“, so Fertinger. Zuletztwar die Bestattung den Friedhöfen, dieihre Infrastruktur auch Mitbewerbern derBestattung Wien anbietet, übergeordnetund konnte damit auf die Friedhöfe Einflussnehmen. „Jetzt sind beide auf einerEbene und müssen zusammenarbeiten.“Eine Entwicklung, die Christine Leitnervom Center for European Public Administration(CEPA) an der Donau-UniversitätKrems für sehr vernünftig hält. „Der InfrastrukturbereichFriedhöfe soll in keinemAbhängigkeitsverhältnis zu den Bestattungsdienstenstehen“, sagt sie. Außerdemkönne durch die neue Organisation36 November 10
SerieAusgegliederte Unternehmender Wettbewerb der Bestattungsdienstleistergefördert werden.Quasi-MonopolistDieser ist in Wien bisher nicht endenwollend. Wie Tageszeitung Kurier imFebruar 2010 berichtete, hält die BestattungWien einen Marktanteil von stolzen97 Prozent. Trotz Liberalisierung. Die größerenMitbewerber, die es gab – die FirmenPerikles und (als Marke) Pax Wien –wurden 2009 übernommen. „Wir wolleneine Mehr-Marken-Strategie fahren“, sagtFertinger. Es sollen auch jene Hinterbliebenenangezogen werden, die nach einerAlternative zum Platzhirschen Bestattungsuchen. Weshalb Fertinger gar nicht andie große Glocke hängen will, dass etwaPax Wien zu B & F gehört. Am Ende desTages geht ohnehin alles in eine Kassa.Gegen den Vorwurf, dass die BestattungWien als Quasi-Monopolist die Preisewillkürlich festlegen kann, wehrt sichFertinger: „Es gibt in Wien ja 12, 13 privateBestatter. Die bieten zwar nicht wiewir das ganze Programm – vom ausgekleidetenSarg über das Abholen des Totenund die Versendung von Parten bis zumBegräbnis samt Priester und Chor – an,aber sie nehmen uns schon immer wiederetwas Marktanteil weg. Außerdem hat derHinterbliebene ja die Möglichkeit zu vergleichen.Wir liegen preislich im Durchschnitt,wenn nicht sogar günstiger.“In Zahlen: Zwischen 3.500 und 4.500Euro kostet eine Beerdigung im Schnitt.Da fallen viele bei einem Todesfall ersteinmal aus allen Wolken. „B & F ist einGeneralunternehmer: Man muss bedenken,dass wir von dem Geld ja auch denPriester und die Sänger zahlen und zusätzlicheLeistungen vermitteln“, sagt Fertingerund rechtfertigt sich. Die Kosten variierenstark mit der Lage des Grabes und desFriedhofs. „Da gibt es eine große Spanne.“Der Preis beinhaltet das Grab für eine Zeitvon zehn Jahren. Dann muss es verlängertwerden. Was, bei allem Hang des Wienerszur „scheenen Leich“ aus Kostengründenseltener als früher passiert.Unterm Strich ein MinusDass nicht einmal ein so todsicheresGeschäft wie das Beerdigen ganz krisensicherist, liegt aber weniger daran. Auchder Trend zu den billigeren Feuerbestattungenfällt nicht dramatisch ins Gewicht.Nein, für rote Zahlen – das EGT (Ergebnisder gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; alsodie Summe von Betriebs- und Finanzergebnis)lag zuletzt bei minus 2,1 Mio. Euro– sorgte zuletzt etwas anderes: „Infolgeder Wirtschaftskrise waren starke Wertpapierabschreibungennotwendig.“ Fragtman sich: Wurde hier spekuliert? Fertingerschüttelt vehement den Kopf: „Abfertigungs-und Pensionsrückstellungen sindper Gesetz in Wertpapieren anzulegen.Und rezessionsbedingt hat nun einmalder Großteil der Wertpapiere an Wert verloren.Das betrifft übrigens nicht nur uns,sondern die allermeisten Firmen.“ Außerdemhätten die Abwertungen ja nur „amPapier“ stattgefunden.Immerhin bietet der neue Standortbeim Zentralfriedhof Sparmöglichkeiten.So kann kostenlos geheizt werden. „Wirnützen die Abwärme des Krematoriums“,erklärt Helmut Meixner, Projektbetreuerdes Neubaus. Mehreinnahmen erhofftman sich durch Angebote wie eine „naturnaheBestattung zu Füßen alter Bäume“bzw. eine „Öko-Urne“ am Wiener Waldfriedhofoder eine „Diamantbestattung“,bei der die Asche des Toten zu einem synthetischenDiamanten veredelt wird.Auch der Dienstleistungsaspekt habesich laut Fertinger seit der Ausgliederungverbessert. „Wir agieren schneller, gehenmehr auf den Kunden ein.“ Seitens derOpposition gab es vor dem Wiener Wahlkampfdennoch Kritik. So wurde etwabemängelt, dass es keine Ratenzahlungengebe. Der B&F-Chef wehrt sich: „Diesesind im Bedarfsfall sehr wohl möglich“,so Fertinger, der eigentlich aus demFinanzbereich kommt und die Ausgliederungder Stadtwerke begleitet hat. „Es istreiner Zufall, dass ich bei der Bestattunggelandet bin. Denn eine eigenartige Materieist das schon.“Bestattung Wien„Infolge derWirtschaftskrisewaren starkeWertpapierabschreibungennotwendig.“Christian Fertinger, B & FW i s s e nBestattung Wien undFriedhöfe WienDie Bestattung Wien ist eines der größtenUnternehmen seiner Art in Europa und wurdebereits 1907 gegründet. Seither wurden zweiMillionen Beerdigungen organisiert, im Vorjahr7.900 Erd- und 2.900 Feuerbestattungen.1999 erfolgte die Ausgliederung der WienerStadtwerke und damit auch des TochterunternehmensBestattung Wien, gefolgt vonder Liberalisierung des Bestattungsgewerbes2002. Sechs Jahre später wurden die WienerFriedhöfe mit ihren 525.000 Grabstellen an 46Standorten, bis dato eine Magistratsabteilung,der Bestattung Wien untergeordnet.Mit B & F wurde im Sommer ein Konzerndachgeschaffen, unter dem die Bestattung Wienund die Wiener Friedhöfe gleichgestellt agieren.An der Spitze steht Christian Fertinger, der seit1999 Geschäftsführer der Bestattung Wien war.Er hat 1.000 Mitarbeiter unter sich.Zuletzt sorgte das Segment Bestattung undFriedhöfe mit 65,9 Mio. Euro für zwei Prozentder Umsatzerlöse der Wiener Stadtwerke. DasEGT (Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit),also die Summe aus Betriebs- undFinanzergebnis war aufgrund von krisenbedingtenWertpapierabschreibungen mit minus2,1 Millionen Euro trotzdem negativ.In Österreich gibt es seit der Liberalisierungrund 580 Bestattungsunternehmen, 70 davonwerden von den Gemeinden geführt.November 10 37