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Libellen in oberschwäbischen Mooren - INULA

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<strong>Libellen</strong> <strong>in</strong> <strong>oberschwäbischen</strong> <strong>Mooren</strong><br />

von Franz-Josef Schiel<br />

Charakteristische Elemente der eiszeitlich<br />

überformten <strong>oberschwäbischen</strong><br />

Landschaft s<strong>in</strong>d die zahlreichen Moore.<br />

Diese variieren h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Entstehungsgeschichte<br />

und ihres Wasserhaushalts<br />

sowie ihres Erhaltungs- bzw.<br />

Degenerationszustands. Das Spektrum<br />

reicht von kle<strong>in</strong>en, nährstoffarmen,<br />

kalkreichen Hangquellmooren und<br />

Übergangsmooren <strong>in</strong> Geländesenken<br />

bis h<strong>in</strong> zu quadratkilometer-großen<br />

Moorkomplexen, wie dem Pfrunger<br />

Ried, dem Wurzacher Ried, dem Gründlenried<br />

und dem Taufach-Fetzach-<br />

Moos.<br />

Von den rund 80 <strong>in</strong> Deutschland<br />

vorkommenden <strong>Libellen</strong>arten (Odonata)<br />

s<strong>in</strong>d ca. 20 Arten eng an bestimmte<br />

Moortypen als Lebensraum gebunden.<br />

Da diese „Spezialisten“ durchweg selten<br />

s<strong>in</strong>d, waren und s<strong>in</strong>d die <strong>oberschwäbischen</strong><br />

Moore schon seit langem<br />

e<strong>in</strong> bevorzugtes Betätigungsfeld<br />

für <strong>Libellen</strong>kundler, was sich <strong>in</strong> zahlreichen<br />

Publikationen niedergeschlagen<br />

hat. Im Folgenden wird e<strong>in</strong>e kurze<br />

Übersicht zur Bedeutung der ober-<br />

Männchen des Kle<strong>in</strong>en Blaupfeils<br />

(Orthetrum coerulescens), e<strong>in</strong>er<br />

charakteristischen <strong>Libellen</strong>art von<br />

quelliger R<strong>in</strong>nsale und kle<strong>in</strong>er<br />

Gräben <strong>in</strong> Kalkquellmooren.<br />

schwäbischen Moore für die e<strong>in</strong>heimische<br />

<strong>Libellen</strong>fauna, ihre Gefährdung<br />

und notwendige Schutzmaßnahmen<br />

gegeben.<br />

Artenvielfalt<br />

Der hohe naturschutzfachliche Wert der<br />

<strong>oberschwäbischen</strong> Moore für die baden-württembergische<br />

<strong>Libellen</strong>fauna<br />

zeigt sich bereits an der Artenvielfalt<br />

e<strong>in</strong>zelner Gebiete. So wiesen Jansen et<br />

al. (1997) alle<strong>in</strong> im Moorkomplex des<br />

Wurzacher Rieds die Entwicklung von<br />

40 <strong>Libellen</strong>arten nach – das ist etwa die<br />

Hälfte aller e<strong>in</strong>heimischen <strong>Libellen</strong>arten!<br />

E<strong>in</strong> zweites Indiz für die große Bedeutung<br />

oberschwäbischer Moore für<br />

<strong>Libellen</strong> ist die Vollständigkeit der<br />

moortypischen Artenspektren. So fehlen<br />

<strong>in</strong> Oberschwaben nur zwei moortypische<br />

Arten, die außerhalb der Alpen<br />

ausschließlich bzw. schwerpunktmäßig<br />

<strong>in</strong> Schwarzwaldmooren vorkommen.<br />

Umgekehrt haben zahlreiche Moor-<strong>Libellen</strong>arten<br />

<strong>in</strong>nerhalb Baden-Württem-<br />

l<strong>in</strong>ks: Schlenke im Mehlprimel-Kopfb<strong>in</strong>senried<br />

(Primulo-Schoenetum ferrug<strong>in</strong>ei)<br />

e<strong>in</strong>es Kalkquellmoors; Entwicklungsgewässer<br />

u.a. von Kle<strong>in</strong>em Blaupfeil<br />

und Zarter Rub<strong>in</strong>jungfer.<br />

rechts: Das Männchen der „vom<br />

Aussterben bedrohten“ Kle<strong>in</strong>en<br />

B<strong>in</strong>senjungfer (Lestes virens)<br />

bergs e<strong>in</strong>en deutlichen Verbreitungsschwerpunkt<br />

<strong>in</strong> Oberschwaben (z.B.<br />

Speer-Azurjungfer (Coenagrion hastulatum)<br />

und Kle<strong>in</strong>e B<strong>in</strong>senjungfer (Lestes<br />

virens) oder kommen sogar nur<br />

noch hier vor wie Zwerglibelle (Nehalennia<br />

speciosa), Nordische Moosjungfer<br />

(Leucorrh<strong>in</strong>ia rubicunda), Große<br />

Moosjungfer (Leucorrh<strong>in</strong>ia pectoralis).<br />

Welche Gründe s<strong>in</strong>d für die hohe<br />

Vielfalt moorspezifischer <strong>Libellen</strong>arten<br />

<strong>in</strong> <strong>oberschwäbischen</strong> <strong>Mooren</strong> ausschlaggebend?<br />

In erster L<strong>in</strong>ie spiegelt<br />

die Mannigfaltigkeit (!) spezialisierter,<br />

hoch bedrohter <strong>Libellen</strong>arten die der<br />

verschiedenen Moortypen und Moorgewässertypen<br />

wider:<br />

So entwickeln sich <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en Schlenken<br />

und Quellr<strong>in</strong>nsalen von Kalkquellmooren<br />

die Zweigestreifte und Gestreifte<br />

Quelljungfer (Cordulegaster boltonii<br />

und C. bidentata), Kle<strong>in</strong>er und Südlicher<br />

Blaupfeil (Orthetrum coerulescens<br />

und O. brunneum) sowie – äußerst selten<br />

– die Zarte Rub<strong>in</strong>jungfer (Ceriagrion<br />

tenellum) und Helm-Azurjungfer (Coenagrion<br />

mercuriale).<br />

l<strong>in</strong>ks: Lückig mit Teich-Schachtelhalm<br />

(Equisetum fluviatile), Weißer Seerose<br />

(Nymphaea alba) und weiteren Arten<br />

verwachsener Torfstich.<br />

Fortpflanzungsgewässer u.a. von<br />

Großer Moosjungfer und Kle<strong>in</strong>er<br />

B<strong>in</strong>senjungfer.<br />

Das Männchen der „vom Aussterben<br />

bedrohten“ Großen Moosjungfer<br />

(Leucorrh<strong>in</strong>ia pectoralis) ist leicht an<br />

se<strong>in</strong>em gelben H<strong>in</strong>terleibsfleck zu<br />

erkennen.<br />

Fotos: Franz-Josef Schiel<br />

In extrem nährstoff- und basenarmen<br />

Hochmoorschlenken mit Torfmoosen<br />

(Sphagnen) wachsen u.a. Arktische<br />

Smaragdlibelle (Somatochlora arctica),<br />

Kle<strong>in</strong>e Moosjungfer (Leucorrh<strong>in</strong>ia dubia),<br />

Schwarze Heidelibelle (Sympetrum<br />

danae) sowie Torf- und Hochmoor-<br />

Mosaikjungfer (Aeshna juncea und A.<br />

subarctica) auf. In Lagg-Gewässern und<br />

Torfstichen mit M<strong>in</strong>eralbodenwasser-<br />

E<strong>in</strong>fluss und e<strong>in</strong>em spezifischen Verwachsungsgrad<br />

pflanzen sich Zwerglibelle<br />

(Nehalennia speciosa), Speer-<br />

Azurjungfer (Coenagrion hastulatum),<br />

Kle<strong>in</strong>e B<strong>in</strong>senjungfer (Lestes virens) sowie<br />

Nordische und Große Moos-Jungfer<br />

(Leucorrh<strong>in</strong>ia rubicunda und L. pectoralis)<br />

fort.<br />

Alle aufgeführten <strong>Libellen</strong>arten s<strong>in</strong>d<br />

aufgrund ihrer engen B<strong>in</strong>dung an bestimmte<br />

Moorgewässertypen bereits<br />

von Natur aus selten und durchweg <strong>in</strong><br />

ihren Beständen bedroht. Helm-Azurjungfer<br />

und Große Moosjungfer werden<br />

darüber h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong> Anhang II der Fauna-<br />

Flora-Habitat (FFH)-Richtl<strong>in</strong>ie der Europäischen<br />

Union als Arten geführt, für<br />

die NATURA 2000-Schutzgebiete e<strong>in</strong>gerichtet<br />

werden müssen.<br />

Gefährdung und Schutz<br />

Alle e<strong>in</strong>heimischen <strong>Libellen</strong>arten s<strong>in</strong>d<br />

auf geeignete Gewässer angewiesen, <strong>in</strong><br />

denen ihre Larven je nach Art e<strong>in</strong> bis<br />

mehrere Jahre lang leben. Die Imag<strong>in</strong>es,<br />

also die fertig entwickelten <strong>Libellen</strong>,<br />

leben h<strong>in</strong>gegen <strong>in</strong> der Regel nur<br />

wenige Wochen bis Monate. Aus diesem<br />

Grund ist für den Bestand e<strong>in</strong>er Art<br />

<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die Qualität der Entwicklungsgewässer<br />

entscheidend.<br />

Weshalb s<strong>in</strong>d die Bestände von 85 %<br />

(Sternberg et al. 1999) der baden-württembergischen<br />

Moor-<strong>Libellen</strong>arten so<br />

stark rückläufig, dass sie <strong>in</strong> der Roten<br />

Liste als „stark gefährdet“ oder als<br />

„vom Aussterben bedroht“ e<strong>in</strong>gestuft<br />

werden?<br />

Artenschutz<br />

Gründe für die abnehmenden Bestände<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der anhaltenden Lebensraumzerstörung<br />

zu suchen. Zwar s<strong>in</strong>d große<br />

Teile der noch verbliebenen Moore heute<br />

als Schutzgebiete ausgewiesen,<br />

doch wirken die Zerstörungen durch<br />

Dra<strong>in</strong>age, Kultivierung und Torfabbau<br />

bis <strong>in</strong> die Gegenwart h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> fort oder<br />

verstärken sich sogar noch durch Nährstoffe<strong>in</strong>träge<br />

aus der Luft, durch Torfzersetzung<br />

oder Düngung angrenzenden<br />

Intensivgrünlands.<br />

Ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heimisches Moor ist vom<br />

Menschen unbee<strong>in</strong>flusst geblieben. Die<br />

<strong>in</strong> den Randsenken der Moore ursprünglich<br />

vorhandenen Sümpfe und<br />

Lagg-Gewässer wurden überall zerstört.<br />

Die dort lebenden <strong>Libellen</strong>arten<br />

wie die Große Moosjungfer wichen auf<br />

Torfstiche aus und überlebten hier bis<br />

heute. Diese künstlichen Ersatz-Gewässer<br />

verlanden durch die oben angesprochenen<br />

Nährstoffe<strong>in</strong>träge jedoch zunehmend<br />

rascher und werden durch<br />

den verstärkten Gehölzaufwuchs im<br />

Uferbereich immer stärker beschattet.<br />

Gleiches gilt – sofern diese nicht ohneh<strong>in</strong><br />

bereits <strong>in</strong>folge e<strong>in</strong>es gestörten<br />

Wasserhaushalts trocken gefallen s<strong>in</strong>d<br />

– auch für natürliche Schlenkengewässer<br />

der Hochmoorweite, <strong>in</strong> denen sich<br />

Hochmoor-Mosaikjungfer, Arktische<br />

Smaragdlibelle und Kle<strong>in</strong>e Moosjungfer<br />

entwickeln. Auch viele Quellmoore<br />

wurden <strong>in</strong> der Vergangenheit durch versuchte<br />

oder gelungene Nutzungs<strong>in</strong>tensivierung<br />

zerstört. Quellr<strong>in</strong>nsale als<br />

wichtige Entwicklungsgewässer beispielsweise<br />

des Kle<strong>in</strong>en Blaupfeils werden<br />

nach wie vor zu Dra<strong>in</strong>agezwecken<br />

so weit e<strong>in</strong>getieft, dass sie von diesem<br />

und anderen <strong>Libellen</strong>arten nicht mehr<br />

als Entwicklungsgewässer genutzt werden<br />

können. Umgekehrt werden die<br />

noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts zur<br />

Streugew<strong>in</strong>nung genutzten Quell- und<br />

Übergangsmoore heute nicht mehr bewirtschaftet.<br />

Die Pflegemaßnahmen<br />

seitens des Naturschutzes können das<br />

Aufwachsen von Schilfröhrichten und<br />

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