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Maturaarbeit - Deutsche Gesellschaft für Angewandte Biostase

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Kryonik -Der Versuch, den Tod zu überlistenAbb.1 Frozen Man (Wordpress)Eine Arbeit von Betreuer AbgabedatumKevin Kohler Markus Bundi 13.01.2012G4EAlte Kantonsschule Aarau


InhaltsverzeichnisSeiteGlossar………………………………………………………………………………… 011. Vorwort………………………………………………………………………………... 031.1 Motivation…………………………………………………………………………... 041.2 Danksagung………………………………………………………………………… 042. Problemstellung……………………………………………………………………...... 053. Theoretische Grundlagen…………………………………………………………….. 063.1 Tod und Unsterblichkeit……………………………………………………………. 063.2 Geschichte der Kryonik……………………………………………………………. 083.3 Kryonische Praxis………………………………………………………………….. 104. Methode……………………………………………………………………………….. 115. Resultate und Diskussion……………………………………………………………... 145.1 Beantwortung der ersten Fragestellung…………………………………………….. 145.2 Beantwortung der zweiten Fragestellung…………………………………………… 165.3 Beantwortung der dritten Fragestellung……………………………………………. 195.4 Schwierigkeiten…………………………………………………………………….. 216. Zusammenfassung…………………………………………………………………….. 237. Schlusswort……………………………………………………………………………. 248. Quellenverzeichnis……………………………………………………………………..259. Abbildungs- und Tabellenverzeichnis………………………………………………..28


Anhang………………………………………………………………………………………...II. Interview mit Marcus Beyer……………………………………………………………….III. Anti-Plagiat-Erklärung………………………...………………………………………. VI


1.1 MotivationEines der berühmtesten Argumente der Philosophiegeschichte überhaupt entstammt einem Brief Epikurs anseinen Schüler Menoikeus:„Das allerschrecklichste Übel, der Tod, geht uns also gar nichts an, weil er nicht ist, wenn wir sind, und wirnicht mehr sind, wenn er ist [16: 320].“Dieser Aussage ist nur schwer zu widersprechen, nichtsdestotrotz beschäftigt sich jeder Mensch an einemPunkt in seinem Leben mit dem Tod und der Frage, wie es nach ihm weitergehen soll. Auch an mir nagtdieses Thema schon seit längerem und allein schon die Vorstellung vom Tod schaudert mich, denn sie ist <strong>für</strong>einen Menschen schlicht unmöglich: Wie stelle ich mir absolut nichts vor? Als ich durch eineDokumentation zum ersten Mal von der Kryonik hörte, war sofort mein Interesse geweckt, endlich botjemand eine andere Möglichkeit als die fatalistische These, dass wir letzten Endes sowieso alle sterbenmüssen. Für mich jedenfalls würde sich der Versuch den Tod mittels Kryonik zu überlisten auch lohnen,wenn die Erfolgschancen bei Eins zu einer Million oder noch schlechter stünden, da derzeit schlicht keinebesseren Alternativen bestehen. Ich kann es mir deshalb durchaus vorstellen, mich eines Tages selbst„einfrieren“ (kryokonservieren) zu lassen.1.2 DanksagungAn dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die mich bei meiner Arbeit unterstützt und motivierthaben.Zu allererst bedanke ich mich herzlich bei Herrn Marcus Beyer <strong>für</strong> seine bereitwillige Auskunft.Dann möchte ich mich bei meiner Betreuungsperson Markus Bundi <strong>für</strong> die Hilfe bei der Recherche und diegeopferten Nervenzellen bedanken.Zu guter Letzt gebührt meinen Freunden und meiner Familie ein Dankeschön da<strong>für</strong>, dass sie mich unterstütztund motiviert haben.4


2. ProblemstellungDas Thema Kryonik lässt sich aus verschiedenen Perspektiven betrachten: Naturwissenschaftlich,geisteswissenschaftlich und wirtschaftlich. Die Fragestellungen dieser Arbeit beleuchten vordergründiggeisteswissenschaftliche Aspekte, trotzdem ist ein gewisses naturwissenschaftliches Verständnis der Abläufeder Kryokonservierung unerlässlich, um glaubwürdige Aussagen über die Zukunft der Kryonik machen zukönnen. Das erklärte Ziel dieser Arbeit ist es, die folgenden drei Fragestellungen zu beantworten:Welche Bedeutung haben das Leben und der Tod in der westlichen <strong>Gesellschaft</strong> und im Speziellen unter denKryonikern?Weshalb ist die Kryonik bisher nicht in der breiten <strong>Gesellschaft</strong> etabliert, und welche Gründe sprechen da<strong>für</strong>,welche dagegen, dass die Kryonik in Zukunft einmal gesellschaftlich und wissenschaftlich akzeptiert werdenkönnte?Was <strong>für</strong> ethische, psychische und gesellschaftliche Folgen würde die erfolgreiche Reanimation vonKryopatienten nach sich ziehen?5


3. Theoretische Grundlagen3.1 Tod und UnsterblichkeitDer Traum von der eigenen Unsterblichkeit ist so alt wie die Menschheit selbst, und schon in der Antikeglaubten viele an eine Form der Existenz nach dem körperlichen Ableben. Ein Beispiel da<strong>für</strong> sind die altenÄgypter, welche eine physische Auferstehung nach dem Tod erwarteten und ihre Toten deshalb balsamiertenresp. sogar mumifizierten, um deren Körper im Hinblick auf die Wiedergeburt zu erhalten. Ein anderes istdas antike Griechenland, schon im zweiten vorchristlichen Jahrtausend war hier der Glaube an dieUnsterblichkeit der Seele verbreitet. Um der Nachwelt auch als Person in Erinnerung zu bleiben, musste manallerdings Ruhm erwerben. Die Trennung von Seele und Körper durch den Tod, wie sie der Philosoph Platonin seinen Dialogen „Phaidon“ und „Phaidros“ proklamiert, stiess aber auch schon früh auf Widerstand [12].So ist nach der Lehre von Aristoteles die Seele das formgebende Prinzip des Körpers und kann von ihm nichtgelöst werden. Nicht zuletzt ist es auch der christliche Glaube der Auferweckung, welcher auf der Einheitvon Körper und Seele basiert und der platonischen Lehre widerspricht [13]. So verschieden die Wege zumErreichen der Unsterblichkeit auch sein mögen, und so unterschiedlich sich die Vorstellungen des zeitlosenDaseins auch präsentieren, die Aussicht darauf lässt sich quer durch praktisch alle Religionen und Kulturenwiederfinden. So gesehen sind die kryonischen Unsterblichkeitsvisionen an sich nichts Neues. Das Novumbesteht darin, das keine transzendenten Mächte, sondern Ärzte und Forscher die Hoffnungsträger <strong>für</strong> derenErfüllung sind [3].Der Tod ist heute <strong>für</strong> die Wissenschaft weit mehr als ein Sensenmann, der Seelen in den Himmel oder in dieHölle führt, und natürlich hat das Ableben auch einen biologischen Sinn. Alle Organismen sind nach Darwineinem Selektionsdruck ausgesetzt und müssen ihren Genpool durch Fortpflanzung an veränderteBedingungen anpassen, da der Lebensraum jedoch begrenzt ist, müssen die Eltern ihren Nachkommen Platzmachen. Dass die physische Unsterblichkeit zumindest in der Theorie möglich ist, belegt die Natur ebenfalls.So hat man herausgefunden, dass sich Quallen der Art Turritopsis nutricula unbegrenzt oft wieder insStadium der Kindheit zurückversetzen und dem Tod somit entgehen können [10]. Auch wir Menschen warenalle schon einmal <strong>für</strong> kurze Zeit quasi unsterblich – nämlich als Embryo. Die embryonalen Stammzellenbesitzen Telomerase und können sich daher unbegrenzt oft teilen. Allerdings hält dieser Status nicht langean, denn sie entwickeln sie sich schon bald in verschiedene Zelltypen weiter und verlieren diese Fähigkeit[11].6


Kryoniker hegen die Hoffnung, dass wir eines Tages, dank fortgeschrittenem Wissen in Bereichen wie derStammzellenforschung, den Tod kontrollieren und überwinden können. Bis dies möglich ist, soll die Kryonikdiesen zumindest aufheben. Das Sterben ist ein Prozess und deshalb ist es auch sehr schwierig, einenZeitpunkt zu bestimmen, wann der Tod eintritt, so können bereits heute viele klinisch tote Personen zurückins Leben geholt werden. Die Kryonik ist <strong>für</strong> deren Anhänger lediglich eine weiterführende medizinischeMassnahme gegen das Ableben, indem der Körper in einem biologisch toten Zustand konserviert wird, umden Zelltod zu verhindern [1]. Die Ursachen <strong>für</strong> diese Ansicht der Kryoniker und die moralischen Aspekteeines solchen Umgangs mit dem Tod werden in den Unterkapiteln 5.1 und 5.3 erläutert.3.2 Geschichte der KryonikDie Idee einen verstorbenen Menschen mit Aussicht auf Wiederbelebung in der Zukunft einzufrieren,tauchte bereits 1887 in dem Roman „The Frozen Pirate“ von William Clark Russell auf und war ein weitverbreitetes Motiv in der Science-Fiction des 20. Jahrhunderts [3]. So kam es auch, dass Robert Ettinger alsKind in dem Science-Fiction-Magazin „Amazing Stories“ auf eine Geschichte über einen tiefgefrorenenMenschen stiess, dessen Gehirn Jahrmillionen später wieder aufgetaut wird. Diese Geschichte liess ihn nichtmehr los [4]. Viele Jahre später, nachdem Ettinger Physik und Mathematik studiert hatte, schrieb er 1962sein Buch „The Prospect Of Immortality“, welches zumeist als die Initialzündung der Kryonik angesehenwird, obwohl hier fairerweise erwähnt werden muss, dass der heute weniger bekannte Evan Cooper praktischgleichzeitig sein Buch „Immortality: Physically, Scientifically, Now“ veröffentlichte, welches ebenso einePionierleistung war. Als Folge dieser beiden Schriften wurden in den 1960er-Jahren verschiedene Kryonik-<strong>Gesellschaft</strong>en gegründet und in den Medien, vorwiegend in Amerika, wurde über das Thema diskutiert[3][7]. Im April 1966 war es dann soweit und der erste Mensch wurde eingefroren, allerdings wurde er aufWunsch der Familie nach einigen Monaten wieder aufgetaut und verbrannt [7]. Ein Jahr später folgte mitdem an Krebs verstorbenen Arzt Dr. James Bedford, die erste Person, die bis heute eingefroren ist unddadurch <strong>für</strong> viele Kryoniker zur Ikone wurde [5].Weit weniger gerne als über Bedford sprechen Kryoniker über Robert Nelson, einer von denen, die BedfordsSuspension vornahmen. Der kalifornische Businessmann und Gründer der Cryonics Society Of California istda<strong>für</strong> verantwortlich, dass die Kryonik schon früh einen herben Rückschlag erlitt. Einige Jahre nach derersten Kryokonservierung eines Menschen, welcher Nelson mit „We Froze The First Man“ sogar ein eigenesBuch widmete, stand er vor einem Scherbenhaufen. Neun Kryopatienten seiner Cryonics Society OfCalifornia tauten auf und verwesten, die Organisation unterliess es jedoch, die Verwandten zu informierenund erhielt von diesen weiterhin Wartungszahlungen. Als Folge davon wurden Nelson und ein Assistent7


verklagt und mussten fast eine Million Dollar Schadenersatz zahlen [7]. Dieser Vorfall fügte der Kryonikeinen enormen Imageschaden zu.Bis heute sind schon über 200 Menschen Bedfords Beispiel gefolgt und liegen in den Kühltanks bei einer derweltweit vier Organisationen, welche Kryopatienten aufbewahren. Die überwältigende Mehrheit davonbefindet sich entweder in der Alcor Life Extension Foundation oder dem Cryonics Institute, welche beide inden USA liegen, und die zusammen über 90% der eingefrorenen Körper beherbergen. Neben den beidenbereits in den 1970er-Jahren gegründeten grossen Organisationen, und der heute vernachlässigbar kleinenTransTime Inc., existiert mit dem KrioRus seit 2005 auch ein kryonisches Institut ausserhalb der USA inRussland, welches allerdings im Gegensatz zu Alcor und dem Cryonics Institute keine Non-Profit-Organisation ist [6].In „The Prospect Of Immortality“ verglich Ettinger den erwarteten Durchbruch der Kryonik mit derfranzösischen Revolution und hoffte, dass mit dem Jahr 1964 die goldene „Freezer Era“ beginnen würde [1].Das sich in den über 40 Jahren seit der ersten Suspension eines Menschen lediglich etwas mehr als 200Personen kryokonservieren liessen, entspricht sicher nicht der ursprünglichen Zukunftsvisionen derKryoniker. Während die Kryobiologie und die Kryogenik heute als exakte Wissenschaften gelten, kämpft dieKryonik immer noch um Anerkennung und wird oft als Pseudowissenschaft abgetan. Warum das so ist undob sich das eventuell ändern könnte, wird unter Punkt 5.2 diskutiert.3.3 Kryonische PraxisKryoniker sehen das Gehirn als Sitz der menschlichen Identität an, deshalb ist es ihr oberstes Ziel, dennatürlichen Zerfall der Hirnzellen nach dem Tod sofort aufzuhalten. Im Idealfall eines langsam eintretendenTodes wird ein Patient deshalb von einem Stand-by-Team begleitet, welches sofort einschreitet, sobald einunabhängiger Arzt den Kryoniker <strong>für</strong> tot erklärt hat [3].Das Grundprinzip der Kryokonservierung ist simpel, bei tieferen Temperaturen findet weniger Stoffwechselstatt, konkret bedeutet dies: Eine Reduktion der Körpertemperatur um ein Grad verringert den menschlichenStoffwechsel um 10 Prozent [4]. Um den Stoffwechsel und somit auch den Zellzerfall nach dem Todaufzuhalten, bewahrt man in der Kryonik einen Körper derzeit bei der Temperatur von flüssigem Stickstoff(-196° Celsius) auf. Mit flüssigem Helium wäre es zwar möglich, den Körper auf bis zu -269° Celsius zukühlen, aber einerseits ist dieses teurer und schwerer im Umgang als flüssiger Stickstoff und andererseits8


würde man den Körper unnötig der Gefahr weiterer Gefrierschäden aussetzen, obwohl bei der Temperaturvon flüssigem Stickstoff bereits keine molekularen Aktivitäten mehr vorhanden sind [1]. Der tatsächlicheTrend führt sogar zur Verwendung von weniger tiefen Temperaturen (nahe der jeweiligenGlasübergangstemperatur) hin, weil die Gewebe dann beim Herunterkühlen weniger stark durch thermischeSpannungen belastet werden [32].Das Hauptproblem, das beim Kühlprozess auftritt, ist die Bildung von Eiskristallen. Diese führt zwar nur zumikroskopisch kleinen Verletzungen, allerdings in solch einer grossen Anzahl, dass die dadurchentstandenen Verletzungen nach heutigem Stand als irreversibel gelten. Um solche Gewebeschäden zuminimieren, wird den Kryopatienten vor der Lagerung im Kühltank der Brustkorb geöffnet, ein Herz-Bypasseingelegt und die Verbindung zur Lunge gekappt, um einen möglichst effektiven Blutkreislauf vom Herzzum Gehirn zu etablieren. Dann wird ein Frostschutzmittel in die Adern gepumpt. Die Zusammensetzungdieser Flüssigkeit wurde über die Jahre verfeinert. Während bei Bedford noch Dimethylsulfoxid verwendetwurde, schwenkte man später auf Mittel auf Glycerol-Basis um. Der bisher grösste Fortschritt bei derBekämpfung der Kristallbildung ist jedoch erst im neuen Jahrtausend mit der Einführung der Vitrifikationerfolgt. Dem Patient wird nun zuerst eine Vitrifikationslösung perfusioniert, diese besteht beim CryonicsInstitute derzeit aus Ethylenglykol, Dimethylsulfoxid, einer Trägerlösung und Wasser [8]. Nach schrittweiserErhöhung der Konzentration der Lösung auf rund 70 Prozent, wird der Kryopatient so schnell wie möglichauf minus 120 Grad gekühlt. Die Lösung verdickt und nach einer mehrstündigen Wartezeit, bis dieTemperatur überall im Gehirn gleich ist, erfolgt die zweite Phase der Kühlung. Abhängig von der Lösungund derer Konzentration kommt es bei etwa -130 Grad Celsius zur glasartigen Erstarrung des Gewebes.Durch den direkten Übergang in einen amorphen Zustand kann, zumindest im Gehirn, verhindert werden,dass sich Eiskristalle im Zellinnern bilden [4].Die Perfusion mit Frostschutzmitteln führt allerdings direkt zu einem neuen Problem: Die Lösungen sind allehochtoxisch! Derzeit existiert keine Technik, um dieses Gift beim Auftauen wieder zu entfernen. DieNeutralisation der giftigen Kryoprotektoren wird zwar erforscht und dem amerikanischen KryobiologenGregory Fahy gelang es sogar Kaninchennieren zu vitrifizieren und danach erfolgreich zu transplantieren, sodass das Kaninchen danach mit normaler Lebenserwartung weiterlebte [15]. Allerdings gibt es bisher keineBelege <strong>für</strong> die Neutralisation von Ethylenglykol und Dimethylsulfoxid, welche von den Kryonikern alsVitrifikationslösung verwendet werden [14]. Die Kryoniker sind sich der Giftigkeit der Mittel voll bewusst,allerdings konzentrieren sie sich vor allem darauf, die Schäden beim Einfrieren, respektive Vitrifizieren zuminimieren. Jene Probleme, welche mit dem Auftauen verbunden sind, überlassen sie den Wissenschaftlernder Zukunft. Denn sie gehen davon aus, dass es wahrscheinlicher ist, in der Zukunft Auftauschäden zuumgehen, als bereits durch den Verzicht auf Frostschutzmittel entstandene Schäden zu beheben [1].9


Neben der klassischen Ganzkörpervariante bietet Alcor auch die Möglichkeit der Neuropräservation an.Hierbei wird nach der Perfusion der Kopf zwischen dem fünften und dem sechsten Rückenwirbel abgetrennt,der Rest des Körpers wird entsorgt [5]. Dahinter steckt die Hoffnung, dass der alte kranke Körper in Zukunftdank Verfahren wie dem Tissue Engineering ersetzt werden kann. Diese Möglichkeit kommt denKryopatienten deutlich billiger zu stehen: Die Aufbewahrung des Kopfes kostet ohne Zuschläge undMitgliederbeiträge 80‘000 Dollar, jene des ganzen Körpers kostet mit 200‘000 Dollar mehr als doppelt soviel [9]. Das Cryonics Institute verlangt mit 28‘000 Dollar deutlich weniger <strong>für</strong> dieGanzkörperaufbewahrung als Alcor, ein Teil der Differenz erklärt sich dadurch, dass beim Cryonics Instituteweniger Dienstleistungen inbegriffen sind, ein vergleichbares Angebot kommt einen mit knapp 100‘000Dollar allerdings immer noch nur halb so teuer zu stehen [6].Abb. 2: Der Ex-CEO von Alcor Joseph A. Waynick vor drei Kühltänken (New York Times)10


4. Methode4.1 Recherche und AnalyseDie Hauptquelle zur Beantwortung der Fragestellungen ist die Analyse von Literatur, die deshalb sehrsorgfältig ausgewählt werden musste. Für die Recherche benötigte ich erst einmal Primärliteratur von denKryonikern, um die Kryokonservierung und die Idee dahinter überhaupt zu verstehen.Autor Titel JahrRobert Ettinger The Prospect Of Immortality 1962Robert Ettinger Man Into Superman 1972FM-2030 Are You A Transhuman? 1989Michael Perry Forever For All 2000Da ich keinen Philosophieunterricht besuche, war es auch wichtig, eine gewisse Grundlage zum Thema Todzu schaffen. Hierbei halfen mir die durch Herrn Bundi zugänglich gemachten philosophischen Zeitschriften:Autor Titel JahrThomas Nagel Der Tod 1996Helke Panknin-Schappert Meister Eckehardt und die Überwindung des Todes 2010Jens SoentgenWie man das berühmteste Argument der neuzeitlichenPhilosophie prüft und widerlegt2010Nun war es auch wichtig noch etwas kritischere Werke gegenüber der Kryonik zu lesen und deshalb nahmich mir auch noch Medientexte und Sekundärliteratur vor:Autor Titel JahrGundolf Freyermuth Gefroren in die Ewigkeit 1997Francis Fukuyama Transhumanism 2004Michael Täuber Eiskalt ist die Hoffnung 2009Oliver KrügerKryonische Unsterblichkeitshoffnungen innerhalb desTranshumanismus201011


Als letztes waren dann auch die Webseiten der beiden grossen Kryonikdienstleister, www.alcor.org undwww.cryonics.org ein wichtiges Instrument <strong>für</strong> die Recherche, denn beide Organisationen geben auf ihrenInternetauftritten viel Information über ihre aktuellen Techniken und Statistiken frei.4.2 InterviewDie Kryoniker sind eine relativ heterogene Bewegung. Umdurch das Interview wirklich ein repräsentatives Abbild derKryoniker, und keine isolierte Einzelmeinung, zu erhalten,ist es deshalb wichtig, dass der Befragte einer Organisationangehört und dort eine zentrale Position einnimmt. Die<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> angewandte <strong>Biostase</strong> (DGAB) istdie wohl wichtigste Vereinigung von Kryonikern imdeutschsprachigen Raum, welche sich <strong>für</strong> die Aufklärungund Grundlagenforschung zum Thema einsetzt. IhrVorstandsvorsitzender Marcus Beyer scheint deshalb derperfekte Ansprechpartner <strong>für</strong> ein Interview zu sein.Herr Beyer kennt die 3 Fragestellungen meiner Arbeit, unddas Interview ist so aufgebaut, dass diese mehr oderweniger nacheinander aus Sicht der Kryoniker selbstbeleuchtet werden:Abb. 3: Marcus Beyer (Stormlight)Einführung und Fragestellung 1I. Was hat Sie dazu bewegt, sich eines Tages kryokonservieren zu lassen?II.III.IV.Wie stellen Sie sich das Leben nach dem Tod vor?Welcher Religion gehören Sie an und glauben Sie an die Existenz eines Gottes?Glauben Sie an eine menschliche Seele? Wenn ja, haben Sie keine Angst, dass sich diese währendder Suspension <strong>für</strong> immer von Ihrem Körper trennen könnte?V. Gibt es einen Widerspruch zwischen dem christlichen Glauben und der Kryonik?12


Übergeordnete Fragestellung 2I. Weshalb ist die Kryonik bisher nicht in der breiten <strong>Gesellschaft</strong> etabliert und glauben Sie sie, dasssie es eines Tages sein wird?II.III.IV.Was <strong>für</strong> Fortschritte hat man in den letzten Jahren/Jahrzehnten bei kryonischen Techniken erzielenkönnen?Dient die Kryonik nur den reichen Leuten oder können es sich, zumindest in der Zukunft, auchärmere Teile der Weltbevölkerung leisten sich einzufrieren?Kryonische Institute zur Aufbewahrung von Menschen existieren derzeit nur in den USA und inRussland. Warum gibt es in Europa kein solches Institut, und wird sich das in absehbarer Zukunftändern?Übergeordnete Fragestellung 3I. Macht die Kryonik den Menschen theoretisch unsterblich, oder sind ihm trotzdem gewisse Grenzengesetzt?II.III.Angenommen Sie werden nach 100 Jahren in Suspension reanimiert: Wie können Sie sichzurechtfinden in dieser völlig gewandelten Welt, ohne Ihre alten Freunde, da<strong>für</strong> mit einer völliganderen Kultur und eventuell sogar Sprache?Die Anzahl der Menschen auf unserer Erde ist aufgrund der natürlichen Ressourcen beschränkt.Nehmen Sie einer jüngeren Generation nicht den Platz weg, wenn Sie nicht sterben, und verhindernSie damit nicht sogar die weitere Evolution des Menschen?13


5. Resultate und Diskussion5.1 Beantwortung der ersten FragestellungWelche Bedeutung haben das Leben und der Tod in der westlichen <strong>Gesellschaft</strong>, und im Speziellenunter den Kryonikern?Im abendländischen Denken des 20. Jahrhunderts über das Verhältnis zur eigenen Sterblichkeit,lassen sich zwei Strategien erkennen:Die erste ist der Versuch, möglichst lange zu überleben. Das zentrale Anliegen ist das Sterben zuverzögern und die Lebensspanne zu erhöhen.Die zweite Strategie ist die Leugnung der Mortalität. Dies bezieht sich <strong>für</strong> einmal aber nicht auf dieKryoniker, sondern vielmehr auf Unsterblichkeit als Lebensstil. Das persönliche Leben soll durcherschaffene Werke in Erinnerung bleiben und so unsterblich sein [22]. Häufig ist dabei auch dieSprache von sogenannten „Amortals“ wie zum Beispiel Madonna, die ihr Leben gestalten, als ob eskein Alter gäbe, und die auch vor dem Spiegel Alterslosigkeit verkörpern wollen [21].Die Kryoniker bilden eine Mischform aus den beiden Strategien: Sie sind grundsätzlich der ersten Gruppezuzuordnen, gehen aber oft so weit, dass sie die eigene Sterblichkeit ebenfalls überwinden wollen.Der Wandel im Umgang mit dem Tod:Die Rituale rund um den Tod, wie das Aufbahren und die Totenwache waren im Westen während langer Zeitein soziales, öffentliches Ereignis. Dies hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts massiv geändert. In derThanatosoziologie spricht man von einer Institutionalisierung oder Medikalisierung des Sterbens. Heute wirdder Tod zunehmend aus der <strong>Gesellschaft</strong> ausgegrenzt, er wurde aus der Familie in die Sterbezimmer derKrankenhäuser und Altersheime verlagert, und während er früher in Begleitung eines Pfarrersvonstattengegangen ist, steht heute meist ein Arzt am Sterbebett. Dieser Bruch mit alten Traditionen imUmgang mit dem Thema führt allerdings keineswegs zu einer Tabuisierung des Todes, im Gegenteil, dieöffentliche Diskussion über Themen wie Sterbehilfe ist erst in den letzten 30 Jahren richtig aufgeflammt[20][22]. Die Kryoniker können in dieser Hinsicht also als Extremform der neuen wissenschaftlichenBeziehung zum Tod gesehen werden.14


Die verschiedenen Bewertungen von Leben und Tod:Die Kryonik wird oft als Folge einer übersteigerten Todesangst gesehen. Die bisher einzige quantitativeErhebung zur Einstellung der Kryoniker scheint dies zu bestätigen: Die Studie hat ergeben, dass Kryonikervorwiegend weiss, männlich und um die 30 Jahre sind. Sie haben keine religiöse Bindung und verfügen überein überdurchschnittliches Einkommen, überdurchschnittliche Bildung und überdurchschnittlicheTodesangst. Auch wir assoziieren mit dem Wort „Tod“ umgehend etwas Schlechtes. Dabei ist dem Zustanddes Todes eigentlich weder eine positive noch eine negative Valenz zuzuschreiben. Um das zu begreifen hilftein Blick zurück: Wie bewerten wir unsere pränatale Nichtexistenz? Zu dieser Zeit waren wir genauso nichtswie wir es nach unserem Leben wieder sein werden, und trotzdem sehen wir in der Regel nur die posthumeNichtexistenz als schlecht an. Das eigentliche Übel ist also nicht der Zustand des Todes, sondern der Verlustdes Lebens, dessen Summe wir als positiv erachten [18].Viele glauben, dass der Grenznutzen des Lebens mit der Zeit abnimmt und ab einem gewissen Punktzwangsläufig ins Negative fällt. Folglich akzeptieren die meisten Menschen den Tod ab einem gewissenAlter [31]. Der Philosoph Bernard Williams geht sogar so weit, dass die grundsätzliche Existenz des Todesals gut zu erachten sei, da die Unsterblichkeit mehr zu Langeweile als zu etwas anderem führen würde, undder Tod, sofern er nicht zu früh eintritt, eine Erlösung ist [17]. Für die meisten Kryoniker ist das Dasein egalwelcher Art tendenziell als positiv zu erachten. Der Verlust des Lebens ist <strong>für</strong> sie deshalb etwas Schlimmes,eine zeitweilige Suspension dagegen ist kein Problem, vorausgesetzt das bewusste Leben wird dadurch nichtverkürzt. Daher ist das Aufkommen der Kryonik eher als Folge der extrem positiven Bewertung des Lebensund weniger als Angst vor dem Zustand des Todes anzusehen. Diese Feststellung wird auch durch dieAussage von Marcus Beyer bestätigt:„Ein weiterer Grund ist, dass ich gerne lebe. Ich möchte den nächsten Augenblick erleben, auch wenn dieserausnahmsweise mal zeitversetzt stattfinden sollte.“15


5.2 Beantwortung der zweiten FragestellungWeshalb ist die Kryonik bisher nicht in der breiten <strong>Gesellschaft</strong> etabliert, und welche Gründesprechen da<strong>für</strong>, welche dagegen, dass die Kryonik in Zukunft einmal gesellschaftlich undwissenschaftlich akzeptiert werden könnte?Aus der Analyse und dem Interview ergeben sich vier Hauptgründe <strong>für</strong> die bisher mangelndeAkzeptanz der Kryonik in der <strong>Gesellschaft</strong>:Schon wenige Jahre nach dem Beginn der kryonischen Idee verlor die Bewegung wieder viele seinerMitglieder, weil keine unmittelbaren wissenschaftlichen Fortschritte sichtbar waren und dieAngehörigen der Kryopatienten mit dem damaligen Finanzierungssystem, das noch nicht aufVorkasse beruhte, eine starke Last zu tragen hatten. Erschwerend kam der Imageschaden hinzu,welcher durch den Fall der neun aufgetauten Leichen (siehe 3.2) entstanden ist. In der Folge löstensich verschiedene Kryonik-<strong>Gesellschaft</strong>en wieder auf, und es gab „Kryonauten“, die auf Wunsch derFamilie wieder aufgetaut wurden [3].Die Kryonik hat den Ruf eine Art Religion zu sein, dies nicht zuletzt darum, weil es unter denKryonikern überdurchschnittlich viele Atheisten gibt. Ettinger versuchte zwar die Kryonik mit demChristentum zu versöhnen [19], stiess damit aber bei der Kirche auf wenig Gegenliebe. Deshalb istes <strong>für</strong> die Kryonik sehr schwer, religiöse Menschen anzusprechen, obwohl auch Herr Beyer betont,dass er zwischen Religion und Kryonik keinen Widerspruch sehe:„Kryonik begreift sich als eine Rettungsmassnahme, ähnlich wie der Transport mit einemKrankenwagen. Der Unterschied ist lediglich, dass Patienten bei der Kryonik nicht durch den Raum,sondern durch die Zeit transportiert werden. Insofern sehe ich keinen Widerspruch zwischenReligion und Kryonik.“„Kryonik bricht mit der sehr robusten Tradition, Menschen aufzugeben, denen die jeweilszeitgenössische Medizin nicht mehr helfen kann“, sagt Beyer.Damit spricht er nicht zuletzt, dass kulturell verankerte Bedürfnis an, von einer verstorbenen Personendgültigen Abschied zu nehmen. Die Kryonik beinhaltet jedoch kein abschliessendes Ritual wieeine Bestattung, denn dies wäre ein Widerspruch zu ihrer eigentlichen Idee. Erschwerend kommthinzu, dass gerade bei der Neuropräservation der Wunsch nach körperlicher Integrität des Totennicht erfüllt werden kann [3]. Diese Abweichungen von <strong>Gesellschaft</strong>snormen führen laut Beyerdazu, dass ein gewisser Druck entsteht, eine Person nach religiöser Tradition zu bestatten.16


1990199119921993199419951996199719981999200020012002200320042005200620072008200920102011Marcus Beyer vermutet im Interview:„[…], dass Kryonik erst dann voll etabliert werden kann, wenndie Reversibilität des Verfahrens zweifelsfrei belegt ist“.Dies ist offenbar der Hauptgrund weshalb die Kryonik heute nicht als exakte Wissenschaft akzeptiertist, denn in der Naturwissenschaft gilt nur, was sich belegen lässt, und die Hoffnung auf die Zukunftist nun mal kein Beweis.Für einen Durchbruch der Kryonik spricht:Das Interesse an der Kryonik ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen, dies lässt sich auch durchdie von den grossen Kryonik-Instituten veröffentlichten Zahlen belegen. Die Zahl der Suspendiertenund die der Mitglieder ist bei beiden Organisationen seit den 1990er Jahren kontinuierlichangestiegen [25][26]. Derzeit spricht nichts da<strong>für</strong>, dass sich dieser Trend umkehren könnte, imGegenteil, die Abnahme der Religiosität im Westen und die zunehmende Medikalisierung des Todeskönnten ein weiteres Wachstum der Kryonik begünstigen. Zudem ist der Kryonik, durch dieAnkündigung von berühmten Personen, wie z.B. US-Talkshowmoderator Larry King [27], sichkryokonservieren zu lassen, in nächster Zeit eine gewisse Aufmerksamkeit garantiert. Und zuletztwerden sich dank dem russischen KrioRus in Zukunft wohl auch vermehrt Nichtamerikanerkryokonservieren lassen.Entwicklung der summierten Mitgliederzahlvon Alcor und dem Cryonics Institute25002000AnzahlMitglieder15001000500Tab. 1 Addierte Mitgliederzahlen von Alcor und dem CI seit 1990(ALCOR/CRYONICS 0 INSTITUTE, 2011, eigene Darstellung)JahreAbb. 4: Entwicklung der Mitgliederzahlen (Alcor/Cryonics Institute; Eigene Darstellung)17


Die Methoden der Kryoniker sind heute schon um einiges fortschrittlicher als jene in denAnfangsjahren. Marcus Beyer dazu:„Obwohl nur wenig finanzielle Mittel in diese Forschung fliessen, gibt es relativ grosse Fortschrittebei den Vitrifikationslösungen. Es werden von Jahr zu Jahr schonendere entwickelt. […] Nochimposanter sind vielleicht die Fortschritte beim Tissue Engineering, dem Züchten von Geweben undOrganen im Labor. Es mehren sich die Publikationen zu erfolgreichen Transplantationen von imLabor gezüchteten Organen, wie etwa Harnblasen oder Luftröhren. Tissue Engineering ist deshalbrelevant <strong>für</strong> Kryonik, weil sich damit unzureichend konservierte Organe potentiell ersetzen lassenkönnen.“Gegen einen Durchbruch spricht:Auch wenn sich weltweit Hunderte, Tausende oder sogar Zehntausende kryokonservieren lassen,bleibt Kryonik ein Randphänomen. In der breiten <strong>Gesellschaft</strong> wird sie erst dann akzeptiert werden,wenn sie als glaubwürdige, exakte Wissenschaft anerkannt ist. Die Kryopatienten brauchen sehr vielVertrauen in die Kryonikdienstleister, nicht zuletzt weil der finanzielle Aufwand auch <strong>für</strong> einePerson, die in einem Industrieland lebt, nicht unerheblich ist. Allerdings ist Marcus Beyer derMeinung, dass die Kryonik längst nicht nur den Reichen vorbehalten ist:„Kryonik lässt sich ab etwa 20 Euro monatlich durch eine Risikolebensversicherung finanzieren.Noch preisgünstiger liesse sich Kryonik sehr wahrscheinlich nur realisieren, wenn es einenKryonikdienstleister in einem Land mit deutlich geringeren Lebenshaltungskosten (als den USA)gäbe.“Die Kryonik benötigt jedoch, auch ohne religiöse, kulturelle oder finanzielle Vorbehalte, eine sehrhohe Glaubwürdigkeit. Denn letztlich zwingt einen die Kryokonservierung seinen eigenen Körperfremden Personen anzuvertrauen. Dieser Problematik ist sich auch Marcus Beyer bewusst:„Ausserdem kostet es einiges an Überwindung sich einem Kryonik-Dienstleister anzuvertrauen.Denn während man sich Jahrzehnte lang in Kryostase befindet, würden sich wohl früher oder späterMenschen um einen kümmern, die man überhaupt nicht kennt.“Von dem Beweis der Reversibilität der Kryokonservierung und der damit verbundenenwissenschaftlichen Akzeptanz ist die Kryonik allerdings selbst gemäss dem Kryoniker Beyer nochweit entfernt. Die meisten Kryobiologen halten es immer noch <strong>für</strong> unmöglich, Gewebe in der Grössedes menschlichen Gehirns zu vitrifizieren ohne dass irreversible Schäden entstehen. Zwischen der18


erfolgreich vitrifizierten und wieder aufgetauten Kaninchenniere und dem menschlichen Hirn bestehtein krasser Grössenunterschied.Zusammengefasst heisst das <strong>für</strong> die Zukunftschancen der Kryonik:Die Kryonik erwartet in nächster Zeit ein gewisses Wachstum, sie wird sich aber wohl weder alsWissenschaft noch in der breiten <strong>Gesellschaft</strong> etablieren können. Längerfristig gesehen stehen die Chancen<strong>für</strong> eine wissenschaftliche und gesellschaftliche Akzeptanz der Kryonik allerdings nicht schlecht, denn bishergibt es keine Anzeichen da<strong>für</strong>, dass der wissenschaftliche Fortschritt nicht weitergehen sollte. Eine „Freezer-Centered Society“ wie sie Ettinger prophezeite [1], wird es allerdings wohl auch in ferner Zukunft nie geben.Der Grund da<strong>für</strong> liegt im eigentlichen Paradox der Kryonik: Solange die Kryonik keinen Beweis <strong>für</strong> dieReversibilität ihrer Techniken vorlegen kann, bleibt ein grosser Teil der Leute skeptisch gegenüber ihr.Sobald sie es kann, ist das Bedürfnis nach ihr kleiner, da in diesem Fall dank der fortgeschrittenen Medizinwohl die Anzahl tödlich verlaufender Krankheiten und natürlicher Tode abnehmen würden. Daher ist davonauszugehen, dass die Kryonikinstitute auch in einer futuristischen <strong>Gesellschaft</strong> nicht den Kern bildenwerden. Da<strong>für</strong> tun sich der Kryonik vielleicht zukünftig neue Felder wie z.B. Einsatz bei schwierigenOperationen oder Weltraumflügen auf.5.3 Beantwortung der dritten Fragestellung:Was <strong>für</strong> ethische, psychische und gesellschaftliche Folgen würde die erfolgreiche Reanimation vonKryopatienten nach sich ziehen?Psychische FolgenDie allererste Folge betrifft den Kryopatienten selbst. Komapatienten, die nach einigen Jahren wiederaufwachen, haben schon oftmals Mühe, sich zurechtzufinden, bei den Kryopatienten könnte es sich nicht umJahre sondern um Jahrzehnte oder Jahrhunderte der geistigen Abwesenheit handeln. Der reanimierte Patientmuss sich in einer komplett neuen Welt zurechtfinden und dies in der Regel auch noch ohne Familie undFreunde aus dem alten Leben. Selbst wenn das Gehirn keinen Schaden davontragen würde, ist dies eineenorme psychische Belastung. Der Kryoniker Beyer schaut dem jedoch relativ gelassen entgegen:„Als Kryoniker freundet man sich natürlicherweise über die Jahre mit anderen Kryonikern an. Daher gibt eseine gewisse Chance, dass ich diese neue Welt gemeinsam mit Freunden entdecken kann. Vermutlich wird esauch ein Art Reha geben, innerhalb der ich mich langsam an die neue Welt gewöhnen kann.19


Auch muss nicht unbedingt alles schwieriger werden. Nehmen wir zum Beispiel den Computer: Die Rechnerder 1940er Jahre konnten nur wenige Spezialisten bedienen. Heutige Tablet-Computer (Beispiel: iPad)dagegen können sogar technikscheue Menschen spontan bedienen.“Neben Anpassungsschwierigkeiten könnte es die Kryoniker aber noch viel schlimmer treffen, nämlich wennPlaton Recht hat und sich die Seele beim Tod vom Körper lösen würde. Der Agnostiker Beyer <strong>für</strong>chtet sichjedoch nicht davor, als seelenloser Zombie aufzuwachen:Ich habe keine Ahnung, ob es eine menschliche Seele gibt. Vor einer möglichen Trennung von Körper undSeele habe ich keine Angst, weil ich die Konsequenzen nicht antizipieren kann.Allzu grosse Angst wäre hier allerdings auch wohl nicht angebracht, denn diese Folge scheint, nicht zuletztweil auch die aufgewachten Komapatienten keine Zombies sind, eher unwahrscheinlich, falls es eine Seelegibt und sich diese tatsächlich vom Körper löst, so scheint sie bei einer Wiederbelebung zum Körper„zurückzukehren“.Ethische und gesellschaftliche FolgenNoch grösser wären allerdings die voraussichtlichen Folgen <strong>für</strong> die Menschheit in dem Fall, dass dieKryonik erfolgreich ist. Die offensichtlichste Folge, die Wiedereingliederung der Kryopatienten in die<strong>Gesellschaft</strong>, scheint dabei eher nebensächlich, da es sich aufgrund des bereits erwähnten Paradoxes wohlum eine vergleichsweise kleine Anzahl Menschen handeln wird. Was Kritikern viel grössere Sorge bereitetist das Umfeld, in welchem die Kryonik überhaupt erst funktionieren kann. Schon allein um einemkryokonservierten Hirn wieder einen Körper zu geben, braucht es solch massive Fortschritte im TissueEngineering, dass diese <strong>Gesellschaft</strong> ebenfalls fähig sein könnte, den natürlichen Tod praktisch zuüberwinden. Doch was bedeutet das? Kritiker sehen hier vor allem zwei Probleme:Erstes Problem: „Unsterbliche“ nehmen der jüngeren Generation auf der Erde den Platz weg und verhinderndamit sogar die weitere natürliche Evolution des Menschen.Marcus Beyer ist hier anderer Meinung:„Mir bekannte Simulationen [29] haben gezeigt, dass sogar eine generell wesentlich höhereLebenserwartung nur einen geringen Einfluss auf das Bevölkerungswachstum hätte. Kryonik scheint indieser Hinsicht also vernachlässigbar zu sein.“Ob dies nun so sei oder nicht, sei dahingestellt, letztlich lässt sich auch argumentieren, dass man durch dieangepasste Geburtenrate dennoch einem anderen Menschen den Platz auf der Erde nimmt. Allerdings hatBeyer Recht, wenn er sagt, dass die Kryonik nicht ursächlich <strong>für</strong> das Problem ist. Durch die verbesserteMedizin haben wir im Westen die Lebenserwartung bereits von 25 auf rund 80 Jahre hochschrauben können.20


Damit nehmen wir letztlich schon heute andern den Platz weg. Die weitere Verlängerung des menschlichenLebens darf also durchaus als ethisch kritisch betrachtet werden. Wir müssen uns aber bewusst sein, dassjenes Alter, welches wir heute als natürlich erachten, keineswegs immer natürlich war [24]. Die natürlicheEvolution wird sich bei erhöhter Lebenserwartung wohl tatsächlich verlangsamen, jedoch dürften sich imErfolgsfall der Kryonik noch ein paar weitere Träume der Transhumanisten erfüllt haben, und es wirdmöglich sein, die Evolution in die Hand zu nehmen und selbst Verbesserungen am Menschen vorzunehmen.Das führt denn auch gleich zum nächsten Kritikpunkt:Problem 2: Die Technologie/Medizin um den Menschen zu verbessern und ihn sogar nahezu unsterblich zumachen ist einer kleinen reichen Oberschicht der Menschheit vorbehalten. Dies bedeutet Ungleichheit undführt dazu, dass eine überlegene Rasse sogenannter „Superhumans“ herangezüchtet wird [23].Gemäss Marcus Beyer sind Technologien wie die Kryonik jedoch nicht nur <strong>für</strong> Superreiche, sondern auch<strong>für</strong> den Mittelstand erschwinglich (siehe 5.2). Viele Transhumanisten halten sogar das Gegenteil der obigenAussage <strong>für</strong> wahr: Die Verbesserungen am Menschen führten zu einer gerechteren <strong>Gesellschaft</strong>. Leute, diefrüher körperlich oder geistig beeinträchtigt waren, können den anderen gleichgestellt werden [28]. Ettingerhat deshalb auch von Anfang an be<strong>für</strong>wortet, dass alle und nicht nur eine kleine Elite die Chance bekommen,kryokonserviert zu werden. Ettinger hoffte zudem auch darauf, dass der Staat eines Tages dasKryokonservieren übernehmen und jedem möglich machen würde [1]. Auch hier dürfen also durchausethische Bedenken angebracht werden, jedoch ist festzuhalten, dass die Kryonik offenbar nicht demGedanken entsprang, eine Elite zu erschaffen. Die von Kritikern bemängelten Unterschiede bezüglich derMöglichkeiten sind schon in der heutigen Medizin eine Tatsache.5.4 SchwierigkeitenDie RechercheGerade zum Thema Kryonik ist sehr viel Material nur auf Englisch erhältlich, was aufgrund der vielenFachausdrücken zum Lesen recht mühsam war. Die eigentliche Herausforderung war es indes, ob und wie,die englischen Passagen <strong>für</strong> die Arbeit in das <strong>Deutsche</strong> zu übersetzen sind. Für eine weitere Arbeit in diesemThemengebiet wäre es daher sogar in Betracht zu ziehen, die gesamte Arbeit in englischer Sprache zuverfassen.21


Der „Anti-Kryonik-Experte“Mein ursprünglicher Gedanke war es, zwei Interviews zu führen: Eines mit einem Experten Pro-Kryonik undeines mit einem Experten Anti-Kryonik. Die Suche nach einem geeigneten Interviewpartner, der gegen dieKryonik ist, erwies sich allerdings als überraschend schwierig. Während es im deutschsprachigen Raumschon wenige organisierte Kryoniker gibt, so fand ich bei meiner Suche keine einzige Organisation gegen dieKryonik. Nun gäbe es mehrere Alternativen: Ein Kryobiologe, ein Philosoph oder sogar ein Theologe.Letztlich kann aber keiner der genannten das ganze Themenfeld abdecken, und es gibt ausserhalb der USAschlicht keine Person, der das Prädikat „Anti-Kryonik-Experte“ gebührt. Die Objektivität der Arbeit solltedank dem Miteinbezug von Sekundärliteratur und kritischer Texte trotzdem gewährleistet sein.Die UmfrageAls mögliche Erweiterung der Arbeit habe ich eine Umfrage zu Leben, Tod und Kryonik ins Auge gefasst.Auf diese habe ich verzichtet, was allerdings nicht sehr tragisch ist, da sie <strong>für</strong> die Beantwortung derFragestellungen ebenfalls nicht benötigt wird und weil es als recht schwierig ist, ein genügend grosses Panelzu organisieren, damit die Umfrage auch tatsächlich aussagekräftig ist. Viel spannender wäre es gewesen,eine Erhebung unter den Kryonikern durchzuführen, da dies seit Rievmans Arbeit in den 1970er Jahren nichtmehr geschehen ist. Allerdings bräuchte es dazu die Mithilfe von Alcor und/oder dem Cryonics Institute unddiese Idee kam mir schlicht zu spät, um sie durchzuführen.Die ProkrastinationObwohl oder gerade weil die Zeit <strong>für</strong> die <strong>Maturaarbeit</strong> sehr grosszügig bemessen ist, schafft es jedes Jahr einGrossteil der Schüler, in Zeitnot zu geraten. Auch ich muss mich diesbezüglich outen. Eine Mischung ausFaulheit, anderer Probleme und schlechter Kommunikation mit meiner Betreuungsperson führten dazu, dassich lange Zeit zu wenig <strong>für</strong> die <strong>Maturaarbeit</strong> machte. Offen gesagt, habe ich mit der Verschriftlichung derRecherchen erst nach Weihnachten begonnen.Da ich eine Einzelarbeit schreibe, ist dies jedoch gemäss Kant im Rahmen meiner Freiheit, weil ich damitniemandem geschadet habe. An dieser Stelle möchte ich mir auch noch die Bemerkung erlauben, dass dieZeitspanne <strong>für</strong> das Verfassen einer vergleichbaren Arbeit in der späteren Berufswelt sowieso bedeutendkürzer sein wird. Bitte betrachten Sie meine Prokrastination deshalb als Simulation zukünftigerBedingungen.22


6. ZusammenfassungDie Kryonik versucht, Menschen in Hoffnung auf eine spätere Reanimation zu konservieren. Dies geschiehtdurch die unmittelbare Kühlung des Körpers nach dem Eintritt des Todes. Die Idee dazu stammt aus demBuch „The Prospect Of Immortality“, welches der Amerikaner Robert Ettinger in den 1960er Jahrenveröffentlichte. Bis heute wurde zwar schon bei über 200 Menschen seine Idee in Tat umgesetzt, doch dieMehrheit der Wissenschaftler halten die kryonische Praxis <strong>für</strong> untauglich, und die Kryonik konnte sich nie inder breiten <strong>Gesellschaft</strong> etablieren.Neben dem fehlenden Vertrauen und der Unvereinbarkeit mit dem eigenen Glauben war es vor allem dasFehlen einer Möglichkeit zur definitiven Abschiednahme, dass es die Kryonik nie zu einem grossenDurchbruch schaffte. Dank der Medikalisierung des Todes und der abnehmenden Religiosität im Westenerscheint es trotzdem wahrscheinlich, dass die Mitgliederzahlen der Kryonikinstitute in nächster Zeitansteigen. Von einem wissenschaftlichen Beweis <strong>für</strong> die Reversibilität der Kryokonservierung vonMenschen sind die Kryoniker jedoch gemäss eigener Angaben noch weit entfernt.Ob die Kryonik überhaupt mit einem guten Gewissen vertretbar ist, ist eine andere Frage. Schliesslich ist derPlatz auf der Erde beschränkt, und durch die massive Verlängerung der Lebenszeit nimmt man zumindestindirekt jemandem die Lebensmöglichkeit weg. Allerdings scheint die eigentliche Diskussion über die Ethikder Kryonik fehl am Platz. Diese müsste schon viel früher beim Thema Medizin und Anti-Aging geführtwerden.23


7. SchlusswortGenie und Wahnsinn liegen bekanntlich nahe beieinander. Ob Robert Ettinger nun ein hoffnungsloserPhantast oder ein genialer Visionär war bzw. ist, wird die Zukunft weisen. Zu seinem Vorteil wird er es nurerfahren wenn er letzteres ist. Einen kleinen Trost gäbe es <strong>für</strong> ihn aber auch, wenn seine Hoffnungen nicht inErfüllung gehen, so spart er sich zumindest den vorprogrammierten Knatsch, wenn seine erste Frau„erwacht“ und von der ebenfalls kryokonservierten zweiten Frau Ettingers erfährt.Auch zu Epikur lässt sich nun etwas einwenden: Lohnt es sich nicht den Tod zu erforschen, wenn wir unsereLebensspanne dadurch verlängern können, so dass wir da sind, wo ohne unser Zutun eigentlich er wäre?Diese Frage kann jeder nur <strong>für</strong> sich selbst beantworten. Jedoch ist anzunehmen, dass Epikur vordergründigdas unendlich lange Philosophieren über den Tod und nicht dessen Erforschung ansprach. In diesem Punktkann die Kryonik, selbst wenn sie sich als Illusion herausstellen sollte, einen Betrag im Sinne Epikursleisten. Indem sie dem Tod seine absolute Endgültigkeit nimmt, verringert sie die Furcht davor und kanndazu führen, dass die Menschen befreiter leben und sich weniger Gedanken um den Tod machen müssen. Sogesehen geht die persönliche Rechnung <strong>für</strong> die Kryoniker eigentlich immer auf, und deshalb sollten ihreWünsche, solange sie niemand anderen gefährden, auch respektiert werden; selbst wenn man die Kryonik <strong>für</strong>Unsinn hält.24


8. Quellenverzeichnis[1] ETTINGER, Robert, 1962, The Prospect Of Immortality, http://www.cryonics.org/book1.html, besucht:8.6.2011.[2] ETTINGER, David, 2011, The Suspension of my Father, http://www.cryonics.org/reports/CI106.html,besucht: 4.12.2011.[3] KRUEGER, Oliver, 2010, Kryonische Unsterblichkeitshoffnungen innerhalb des Transhumanismus, in:Frewer, Andreas et al., Endlichkeit, Medizin und Unsterblichkeit: Geschichte - Theorie - Ethik, Bd. 1,Stuttgart, Franz Steiner Verlag, S. 171 – 190.[4] TAEUBNER, Mischa, Kalt ist die Hoffnung, http://www.brandeins.de/archiv/magazin/-a005cc3c63/artikel/kalt-ist-die-hoffnung.html, besucht: 8.6.2011.[5] FREYERMUTH, Gundolf S., Gefroren in die Ewigkeit, http://www.nzzfolio.ch/www/d80bd71b-b264-4db4-afd0-277884b93470/showarticle/82a8f584-70a1-4a72-aa45-b54575fb6596.aspx, besucht: 8.6.2011.[6] COMPARING PROCEDURES AND POLICIES, http://www.cryonics.org/comparisons.html, besucht2.1.2012.[7] PERRY, Michael R., 2000, Forever For All: Moral Philosophy, Cryonics, and the Scientific Prospects forImmortality, Boca Raton, Universal Publishers.[8] CI-VM-1 CRYOPROTECTANT AND CI-CARRIER SOLUTION USED FOR VITRIFICATION,http://cryonics.org/research/CI-VM-1.html, besucht 2.1.2012.[9] ALCOR CRYOPRESERVATION AGREEMENT – SCHEDULE A: Required Costs andCryopreservation Fund Minimums, http://www.alcor.org/BecomeMember/scheduleA.html, besucht am2.1.2012.[10] GILBERT, Scott F., 2003, Cheating Death: The Immortal Life Cycle of Turritopsis,http://9e.devbio.com/preview_article.php?ch=2&id=6, besucht am 3.1.2012.[11] BAHNSEN, Ulrich, 2009, Operation Unsterblichkeit: Die Stammzellenforscher feiern sensationelleErfolge – aber die Öffentlichkeit schaut nicht mehr hin, http://www.zeit.de/2009/24/M-Stammzellentherapie/seite-1, besucht am 3.1.2012.[12] THIELE-DOHRMANN, Klaus, 2010, Ewige Seligkeit oder endlose Nicht-Existenz? ZurKulturgeschichte der Unsterblichkeitsidee, in : Frewer, Andreas et al., Endlichkeit, Medizin undUnsterblichkeit: Geschichte - Theorie - Ethik, Bd. 1, Stuttgart, Franz Steiner Verlag, S. 33 – 51.25


[13] PANKNIN-SCHAPPERT, Helke, Meister Eckehardt und die Überwindung des Todes: Die Predigt„Impletum est Tempus Elizabeth“, in: Zeitschrift <strong>für</strong> Didaktik der Philosophie und Ethik 4/10, S. 274 – 278.[14] FAHY, Gregory M., 2009, Cryoprotectant Toxicity Neutralizationhttp://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19501081?itool=EntrezSystem2.PEntrez.Pubmed.Pubmed_ResultsPanel.P, besucht am 4.1.2012.[15] FAHY, Gregory M. et al., 2009, Physical And Biological Aspects Of Renal Vitrificationhttp://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2781097/pdf/org0503_0167.pdf?tool=pmcentrez, besucht am4.12.2012.[16] EPIKUR, Brief an Menoikeus, zitiert in: Soentgen, Jens, Wie man das berühmteste Argument derneuzeitlichen Philosophie prüft und widerlegt: Eine Übung im praktischen Argumentieren, in: Zeitschrift <strong>für</strong>Didaktik der Philosophie und Ethik 4/10, S. 320 – 325.[17] WILLIAMS, Bernard, 1978, Die Sache Makropulos: Reflexionen über die Langeweile derUnsterblichkeit, in: ders., Probleme des Selbst, Reclam, S:133 – 162.[18] NAGEL, Thomas, 1996, Der Tod, in: Letzte Fragen, <strong>Deutsche</strong> Neuausgabe, Badenheim bei Mainz,Philo Verlagsgesellschaft, S. 17 – 28.[19] ETTINGER, Robert, 1967, Cryonics and the Purpose of Life, in: The Christian Century 84/40, S.1250 –1253.[20] JORDAN, Isabella, 2010, Endlichkeit und Hospizbetreuung: Zur institutionellen Bewältigung derSterblichkeit seit den 1970er Jahren, in: Frewer, Andreas et al., Endlichkeit, Medizin und Unsterblichkeit:Geschichte - Theorie - Ethik, Bd. 1, Stuttgart, Franz Steiner Verlag, S. 271 – 284.[21] HILT, Annette et al., 2010, Athanasia – Medizin, Endlichkeit und Unsterblichkeit, in: Frewer, Andreaset al., Endlichkeit, Medizin und Unsterblichkeit: Geschichte - Theorie - Ethik, Bd. 1, Stuttgart, Franz SteinerVerlag, S. 10 – 16.[22] JUNGE, Torsten, 2010, Tod und Unsterblichkeit: Legitimationsstrategien im Diskurs um Organspende,in: Frewer, Andreas et al., Endlichkeit, Medizin und Unsterblichkeit: Geschichte - Theorie - Ethik, Bd. 1,Stuttgart, Franz Steiner Verlag, S. 191 – 206.[23] FUKUYAMA, Francis, 2004, Transhumanism,http://www.foreignpolicy.com/articles/2004/09/01/transhumanism, besucht am 10.12.2011.[24] BAILEY, Ronald, 2004, Transhumanism: The Most Dangerous Idea?,http://reason.com/archives/2004/08/25/transhumanism-the-most-dangero, besucht am 6.12.201226


[25] ALCOR MEMBERSHIP STATISTICS, http://www.alcor.org/AboutAlcor/membershipstats.html,besucht am 5.1.2012[26] CRYONICS INSTITUTE (CI) MEMBER STATISTICS DETAILS,http://www.cryonics.org/statistics_details.html, besucht am 5.1.2012[27] KING, Larry, 2009, My Remarkable Journey, Toronto, Penguin Group.[28] ETTINGER, Robert, 1972, Man Into Superman, http://cryonics.org/book2.html, besucht am 8.6.2011[29] GAVRILOV, Leonid A./ GAVRILOVA, Natalie S., 2010, Demographic Consequences Of DefeatingAging, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3192186, besucht am 7.1.2012[30] ESFANDIARY, F.M., 1989, Are You A Transhuman?: Monitoring And Stimulating Your PersonalRate Of Growth In A Rapidly Changing World, New York, Warner Books.[31] KAGAN, Shelly, The Badness Of Death, Part III, Immortality, Part I,http://academicearth.org/lectures/immortality-death, besucht am 7.1.2012.[32] WOWK, Brian, Systems For Intermediate Temperature Storage For Fracture Reduction And Avoidance,in: Cryonics 3/11, S. 7 – 14.27


9. Abbildungs- und TabellenverzeichnisAbb. 1:Frozen Man, http://rashmanly.files.wordpress.com/2011/07/frozen-man-copy.jpg, besuchtam 27.12.2011.Abb. 2: KADLUBOWSKI, David, 2005,http://www.nytimes.com/2005/02/13/business/yourmoney/13freeze.html, besucht am27.12.2011.Abb. 3: BEYER, Marcus, http://www.stormlight.de/frontal1a.jpg, besucht am 4.1.2012Abb. 4:ALCOR, Alcor Membership Statistics,http://www.alcor.org/AboutAlcor/membershipstats.html, besucht am 5.1.2012.CRYONICS INSTITUTE, Cryonics Institute (CI) Member Statistics Details,http://www.cryonics.org/statistics_details.html, besucht am 5.1.2012.28


AnhangI. Interview mit Marcus Beyer1) Was hat Sie dazu bewegt, sich eines Tages kryokonservieren zu lassen?Die gesellschaftliche und technische Entwicklung der Menschheit fasziniert mich ungemein. Es hatsich so beeindruckend viel getan in den vergangenen Jahrhunderten, dass ich sehr neugierig auf dienächsten Jahrhunderte geworden bin.Ein weiterer Grund ist, dass ich gerne lebe. Ich möchte den nächsten Augenblick erleben, auch wenndieser ausnahmsweise mal zeitversetzt stattfinden sollte.2) Wie stellen Sie sich das Leben nach der Wiedererweckung vor?Eine Zivilisation, die in der Lage ist und die Ressourcen übrig hat, einen kryokonserviertenMenschen erfolgreich zu heilen und zu reanimieren, dürfte in jeder Hinsicht faszinierend sein.3) Wie stellen Sie sich das Leben nach dem Tod vor?Ich kann mir alles und nichts vorstellen, habe aber letztlich keine Vermutung bezüglich eines Lebensnach dem Tod.4) Welcher Religion gehören Sie an und glauben Sie an die Existenz eines Gottes?Ich bin Agnostiker, habe also keine Meinung dazu, ob es einen Gott gibt.I


5) Glauben Sie an eine menschliche Seele? Wenn ja, haben Sie keine Angst, dass sich diesewährend der Suspension <strong>für</strong> immer von Ihrem Körper trennen könnte?Ich habe keine Ahnung, ob es eine menschliche Seele gibt. Vor einer möglichen Trennung vonKörper und Seele habe ich keine Angst, weil ich die Konsequenzen nicht antizipieren kann.6) Gibt es einen Widerspruch zwischen dem christlichen Glauben und der Kryonik?Kryonik begreift sich als eine Rettungsmassnahme, ähnlich wie der Transport mit einemKrankenwagen. Der Unterschied ist lediglich, dass Patienten bei der Kryonik nicht durch den Raum,sondern durch die Zeit transportiert werden. Insofern sehe ich keinen Widerspruch zwischenReligion und Kryonik.Allerdings kann es religiös motivierte Spannungen geben. Kryonik darf heutzutage nämlich erstangewendet werden, nachdem rechtlich gesehen der Tod eingetreten und bescheinigt worden ist. Zudiesem Zeitpunkt (etwa eine halbe Stunde nach Herzstillstand) sind die Nervenzellen immenschlichen Gehirn normalerweise noch in gutem Zustand. Das Gehirn beherbergt sozusagen nochimmer die Persönlichkeit der jeweiligen Person. Weil nun aber die zeitgenössische Medizin diePerson nicht mehr heilen kann, gibt es mitunter einen gewissen Druck, sie gemäss religiöserTradition zu beerdigen.7) Weshalb ist die Kryonik bisher nicht in der breiten <strong>Gesellschaft</strong> etabliert und glauben Sie, siewird es eines Tages sein?Kryonik bricht mit der sehr robusten Tradition, Menschen aufzugeben, denen die jeweilszeitgenössische Medizin nicht mehr helfen kann. Ich vermute daher, dass Kryonik erst dann volletabliert werden kann, wenn die Reversibilität des Verfahrens zweifelsfrei belegt ist, so dass auchMenschen kryokonserviert werden können, lange bevor rechtlich gesehen der Tod eintritt. Davonsind wir aber noch sehr weit entfernt.II


Ausserdem kostet es einiges an Überwindung sich einem Kryonik-Dienstleister anzuvertrauen. Dennwährend man sich Jahrzehnte lang in Kryostase befindet, würden sich wohl früher oder späterMenschen um einen kümmern, die man überhaupt nicht kennt.8) Was <strong>für</strong> Fortschritte hat man in den letzten Jahren/Jahrzehnten bei kryonischen Technikenerzielen können?Obwohl nur wenig finanzielle Mittel in diese Forschung fliessen, gibt es relativ grosse Fortschrittebei den Vitrifikationslösungen. Es werden von Jahr zu Jahr schonendere entwickelt. Vor wenigenJahren ist es erstmals gelungen, eine vitrifizierte Kaninchenniere zu erwärmen und erfolgreich (mitnormaler Lebenserwartung) in ein Empfänger-Kaninchen zu transplantieren. Das markiert grob denaktuellen Stand.Noch imposanter sind vielleicht die Fortschritte beim Tissue Engineering, dem Züchten vonGeweben und Organen im Labor. Es mehren sich die Publikationen zu erfolgreichenTransplantationen von im Labor gezüchteten Organen, wie etwa Harnblasen oder Luftröhren. TissueEngineering ist deshalb relevant <strong>für</strong> Kryonik, weil sich damit unzureichend konservierte Organepotentiell ersetzen lassen können.9) Dient die Kryonik nur den reichen Leuten oder können es sich, zumindest in der Zukunft,auch ärmere Teile der Weltbevölkerung leisten sich einzufrieren?Kryonik lässt sich ab etwa 20 Euro monatlich durch eine Risikolebensversicherung finanzieren.Noch preisgünstiger liesse sich Kryonik sehr wahrscheinlich nur realisieren, wenn es einenKryonikdienstleister in einem Land mit deutlich geringeren Lebenshaltungskosten (als den USA)gäbe.III


10) Kryonische Institute zur Aufbewahrung von Menschen existieren derzeit nur in den USA undin Russland, warum gibt es in Europa kein solches Institut, und wird sich das in absehbarerZukunft ändern?In Europa gibt es vor allem deshalb noch kein Kryonikinstitut, weil es bisher weniger Interessentenals in den USA und in Russland gibt. Europa hinkt dieser Entwicklung etwas hinterher. Ein(funktionierendes) Kryonikinstitut wird es hier wohl erst dann geben, wenn entweder das Interessedeutlich steigt oder wenn wohlhabende Spender dieses finanzieren.11) Macht die Kryonik den Menschen theoretisch unsterblich oder sind ihm trotzdem gewisseGrenzen gesetzt?Kryonik macht genauso wenig unsterblich wie ein Krankenwagen. Kryonik macht nur dann Sinn,wenn zumindest das Gehirn gut erhalten ist. Wird dieses durch einen Unfall oder durch eineKrankheit (z.B. Alzheimer) zerstört, ist auch Kryonik nicht hilfreich.12) Angenommen Sie werden nach 100 Jahren in Suspension reanimiert: Wie können Sie sichzurechtfinden in dieser völlig gewandelten Welt, ohne Ihre alten Freunde, da<strong>für</strong> mit einervöllig anderen Kultur und eventuell sogar Sprache?Als Kryoniker freundet man sich natürlicherweise über die Jahre mit anderen Kryonikern an. Dahergibt es eine gewisse Chance, dass ich diese neue Welt gemeinsam mit Freunden entdecken kann.Vermutlich wird es auch ein Art Reha geben, innerhalb der ich mich langsam an die neue Weltgewöhnen kann.Auch muss nicht unbedingt alles schwieriger werden. Nehmen wir zum Beispiel den Computer: DieRechner der 1940er Jahre konnten nur wenige Spezialisten bedienen. Heutige Tablet-Computer(Beispiel: iPad) dagegen können sogar technikscheue Menschen spontan bedienen.IV


13) Die Anzahl der Menschen auf unserer Erde ist aufgrund der natürlichen Ressourcenbeschränkt. Nehmen Sie einer jüngeren Generation nicht den Platz weg, wenn Sie nichtsterben, und verhindern Sie damit nicht sogar die weitere Evolution des Menschen?Mir bekannte Simulationen [29] haben gezeigt, dass sogar eine generell wesentlich höhereLebenserwartung nur einen geringen Einfluss auf das Bevölkerungswachstum hätte. Kryonik scheintin dieser Hinsicht also vernachlässigbar zu sein.V


II. Anti-Plagiat-ErklärungIch erkläre hiermit, dassdiese Arbeit weder abgeschrieben noch kopiert oder aus dem Internet übernommen wurde.der Quellennachweis korrekt und vollständig ist.Die dargestellten Daten und Resultate selber und korrekt erhoben und verarbeitet wurden.Name: Kohler Vorname: KevinOrt: Aarau Datum: 13.01.2012Unterschrift:VI

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