11.07.2015 Aufrufe

Strafe und juristische Person* - ZIS

Strafe und juristische Person* - ZIS

Strafe und juristische Person* - ZIS

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Strafe</strong> <strong>und</strong> <strong>juristische</strong> Person_____________________________________________________________________________________sein, sondern weil es infolge des rein instrumentellen Charaktersseiner „Sanktion“ das Schuldprinzip stark lockert, so dasses auf die Art <strong>und</strong> Weise verzichten kann, auf welche dieAbschreckung zu den natürlichen Personen gelangt, die esabschrecken will, solange sie nur auf die ein oder andereWeise dort ankommt. Im Recht der <strong>Strafe</strong> hingegen steht derVorwurf im Zentrum seines Vorgehens, so dass nicht vorgegangenwerden kann, ohne die konkrete Person vor sich zuhaben, die die Norm mitbegründet hat <strong>und</strong> in der Lage ist, inihrer Handlung einen Widerspruch zu dieser zu sehen (fürwelchen sie verantwortlich sein muss), um den Rechtsfriedenwiederherzustellen. Aus diesem Gr<strong>und</strong> nimmt das Strafrechteine <strong>juristische</strong> Person nicht ernst <strong>und</strong> kann dies auch garnicht. 22f) Unabhängig vom Vorhergehenden muss die Frage gestelltwerden, ob diese Organisationsdefizite in Wirklichkeitausreichende Gr<strong>und</strong>lagen sind, um der <strong>juristische</strong>n Person fürdie Straftaten, die natürliche Personen in ihr begangen haben,strafrechtliche Verantwortlichkeit zuzuschreiben. Mit anderenWorten: Das gr<strong>und</strong>legende Problem befindet sich nun aufder „Unrechts“-Ebene der <strong>juristische</strong>n Person, 23 da nichtbehauptet werden kann, dass die Situation der Fehlorganisationder <strong>juristische</strong>n Person ausreichend sei, um im Verhältniszu der von der natürlichen Person begangenen Tat, dasUnrecht der <strong>juristische</strong>n Person darzustellen. 24 Wäre es fürdas Unrecht einer Familie wegen der von ihren Mitgliedernbegangenen Straftaten ausreichend, dass diese Familie „unangemessenorganisiert“ ist? Für die Zuweisung strafrechtlicherVerantwortlichkeit ist die Konkretisierung der Pflichtenvon Personen – in diesem Fall ist die „Person“ die <strong>juristische</strong>Person – im Verhältnis zu den möglichen strafbaren Handlungenselbstverantwortlicher Täter notwendig. Anders gesagt,muss man eine Garantenstellung heraushören, die es zumindestermöglicht, die Straftaten als Teilnahme zuzurechnen. 25Es ist klar, dass die <strong>juristische</strong> Person aufgr<strong>und</strong> der bloßenTatsache, „schlecht organisiert“ zu sein, nicht an demletztendlich von der natürlichen Person begangenen Straftatenteilnimmt. Daher kann sich die Verantwortlichkeit nichtgemäß dem Zurechnungssystem des Allgemeinen Teils ergeben,sondern gegebenenfalls durch die Schaffung „einesspezifischen Fehlorganisationsunrechts“, dessen Strafwürdigkeitsich nicht auf ein Zuweisungsverhältnis zwischen der„Fehlorganisation“ <strong>und</strong> den letztendlich begangenen Strafta-22 Ähnlich zu Recht Gracia Martín (Fn. 19), S. 63 ff. A.A. z.B.Vogel, in: Mir Puig/Corcoy Bidasolo (Hrsg.), La políticacriminal en Europa, 2004, S. 129 (S. 135).23 So Robles Planas, InDret 2/2009, 1 (16).24 Treffend Carbonell Mateu/Morales Prats, Comentarios ala reforma penal de 2010, 2010, S. 65: „weder betrügt mannoch begeht man eine Unterschlagung durch ein Organisationsdefizit.In jedem Fall könnte man ein solches Defizitzurechnen, nicht aber den Betrug oder die Unterschlagung“.Schon früher Robles Planas, InDret 2/2009, 1 (15). Das Vorhergehendeist von der Lehre oft übergangen worden, vgl.z.B. Ortiz de Urbina Gimeno (Fn. 1), S. 121.25Rodríguez Ramos, Diario La Ley Nr. 7561 (2011), 1, versuchtsie zu konstruieren.ten gründen müsste, sondern auf eine Art Gefährdungsunrecht.26g) Dieses „Fehlorganisationsunrecht“ wirft jedoch zahlreicheProbleme auf. An erster Stelle ist seine Strafwürdigkeitfraglich. In der Tat bestehen große Schwierigkeiten bei dermateriellen Legitimation eines strafrechtlichen Unrechts alsabstraktes Gefährdungsdelikt der bloßen unternehmerischenFehlorganisation. Auch wird zu leicht auf die Zuweisungstrafrechtlicher Verantwortlichkeit für die bloße Verletzungformeller Pflichten zurückgegriffen: Die Nichtergreifung vonunternehmerischen Organisationsmaßnahmen an sich nurwegen der bloßen Möglichkeit zu bestrafen, dass ein selbstverantwortlicherDritter die <strong>juristische</strong> Person als Instrumentzur Begehung von Straftaten benutzt, ist nicht legitimierbar. 27An zweiter Stelle erhebt sich die Frage, ob für die Verletzungformeller Organisationspflichten die <strong>juristische</strong> Person selbstoder vielmehr die Geschäftsführer verantwortlich sein sollen.Die erste Option erweist sich aufgr<strong>und</strong> des Fehlens derSchuldfähigkeit der <strong>juristische</strong>n Person selbst wieder als<strong>und</strong>urchführbar. In diesem Punkt sieht man besonders klardie Verletzung des Prinzips des Verbots der Verantwortungfür fremde Taten, welche bedeuten würde, die <strong>juristische</strong>Person selbst für die Verletzung von Organisationspflichtenverantwortlich zu machen, wenn die Erfüllung dieser Pflichtennur für bestimmte natürliche Personen möglich war, genauer,für diejenigen, die die Möglichkeit haben zu entscheiden,dass eine <strong>juristische</strong> Person bestimmte Organisationsmodelleübernimmt <strong>und</strong> diese ordnungsgemäß erfüllt. Wenndaher das genannte „Fehlorganisationsunrecht“ bekämpftwerden soll, wäre dies nur möglich, indem die natürlichenPersonen mit diesbezüglicher Entscheidungskompetenz bestraftwerden, das heißt, indem sie in Täter eines spezifischenTatbestandes des Besonderen Teils verwandelt werden, welchersolche Verhaltensweisen gezielt sanktionieren würde. 2826 Das Erfordernis der strafbaren Handlung der natürlichenPerson in einigen Gesetzen kann, weil diese nicht der <strong>juristische</strong>nPerson zugerechnet werden kann, nicht als Gr<strong>und</strong>voraussetzung,sondern nur als eine bloße objektive Strafbedingungverstanden werden. Mit anderen Worten: Mit den theoretischenGr<strong>und</strong>lagen, die die „moderne Verantwortlichkeitder <strong>juristische</strong>n Person“ stützen, wäre es ebenso kohärent, siezu bestrafen, obwohl keine Straftat oder Übertretung vonSeiten der natürlichen Personen stattgef<strong>und</strong>en hat, da dasWesentliche darin besteht, dass die <strong>juristische</strong> Person keineSysteme der Zusammenarbeit mit dem Staat entwickelt hat,die es ermöglichen, Straftaten natürlicher Personen zu verhindern<strong>und</strong> aufzudecken.27 Robles Planas, InDret 2/2009, 1 (17). Ortiz de UrbinaGimeno (Fn. 1), S. 120 f., entwirft dies nur mit Abschreckungsbegriffen.Aber auch denjenigen, der nur ein Motorradauf dem Bürgersteig abstellt, schreckt die strafrechtlicheSanktion ab! Gerade die Abschreckungslogik gehört zu dennicht strafrechtlichen Sanktionen. Die Frage besteht hingegendarin, ob die „Fehlorganisation“ der Struktur eines strafwürdigenstrafrechtlichen Unrechts entspricht.28 Vgl. auch Schünemann (Fn. 15), Vor § 25 Rn. 26: „DieHandlungen der Fehlorganisation der Individuen verletzen in_____________________________________________________________________________________Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik – www.zis-online.com351


Ricardo Robles Planas_____________________________________________________________________________________Gemäß dem vorher Behaupteten ist jedoch der Rückgriff aufdie strafrechtliche Sanktion der Verletzung dieser Überwachungspflichtenin keiner Weise offensichtlich, da klar ist,dass es sich um eine Verletzung mit übermäßig formellerGefährdung handelt, die die Minimalanforderungen des strafrechtlichenSchädigungsprinzips nicht erfüllt. Daher ahndetin Deutschland § 130 OWiG die Verletzung der Überwachungspflichtender Geschäftsführer spezifisch <strong>und</strong> individuellauf außerstrafrechtlichem Wege. 293. Der Anspruch des Modells: die Einrichtung von Systemenzur Deliktspräventiona) Der höchste Anspruch des theoretischen Modells besteht inder Aufnahme von Anforderungen der Deliktsprävention für<strong>juristische</strong> Personen. 30 Das heißt, wie von der Lehre ausdrücklichanerkannt wurde, dass es nun darum geht, die Kostenfür die Deliktsprävention <strong>und</strong> -aufdeckung vom Staat aufdie Unternehmen zu übertragen, so dass nicht die Verhaltensweisenzu bestrafen sind, die mit der konkret begangenen Tatverb<strong>und</strong>en sind, sondern diejenigen, die mit etwas Vorhergehendem<strong>und</strong> Abstrakterem in Verbindung stehen: der Nichtergreifungvon Maßnahmen zur Deliktsprävention oder -aufdeckung.31 In diesem Punkt darf der allgegenwärtige <strong>und</strong> vielgelobte Begriff der „Selbstregulierung“ nicht über seine konkreteBedeutung hinwegtäuschen: Die Erfüllungsprogrammesind unter anderem <strong>und</strong> bezüglich der etwaigen Verantwortlichkeitder <strong>juristische</strong>n Person Aufforderungen an die Unternehmenzur Mitarbeit bei den staatlichen Aufgaben der Deliktsprävention.32 Die Sanktion bei Nichtergreifung solcherMaßnahmen würde tatsächlich in einer „neuen staatlichenInterventionstechnik“ („polizeiliches Unternehmenssystem“) 33bestehen, um eine wirkungsvolle Prävention zu garantieren.b) Diesbezüglich kann man damit einverstanden sein,dass dieser verfolgte Zweck ein guter ist. Das Problem liegtweiterhin in seiner Artikulation durch das Strafrecht. Gemäßkeiner Weise jene Norm, deren Verletzung den entsprechendenStraftatbestand umfasst, so dass im Falle der Bestrafungder <strong>juristische</strong>n Person die mutmaßlich verletzte Strafnormdie <strong>Strafe</strong> an eine Verletzungshandlung anhängen würde,die sich auf eine völlig andere Norm bezieht, nämlich aufdie Organisationsnorm“.29 Dies bemerkt Bacigalupo Zapater, Diario La Ley Nr. 7442,(2010), 2. Deutlich auch Del Rosal Blasco, Diario La LeyNr. 7670 (2011), 1.30 Vgl. diesbezüglich z.B. Bacigalupo Zapater, Diario La LeyNr. 7442, (2010), 1; Rodríguez Ramos, Diario La Ley Nr.7561 (2011), 1. Schon dem allgemeinen Prinzip gegenüberkrit.: Fernández Teruelo, Revista de Derecho Penal Nr. 31(2010), 49.31 Nieto Martín (Fn. 16), S. 155 <strong>und</strong> S. 324 ff. Ihm folgt zumBeispiel Ortiz de Urbina Gimeno (Fn. 1), S. 121.32 Nieto Martín (Fn. 16), S. 148 <strong>und</strong> S. 215: „Pflicht, dieJustizverwaltung zu unterstützen“ <strong>und</strong> S. 49: „wenn die Unternehmenselbst die Einführung von internen Kontrollsystemenübernehmen, kann der Staat die Zahl der Beamten verringern“.33 Nieto Martín (Fn. 16), S. 148.dem, was bereits für die versuchte Rechtfertigung eines„(Fehl-)Organisationsunrechts“ aufgezeigt wurde, kann dieGestaltung eines „Nichtmitwirkungsunrechts“ auch keinestrafrechtliche Legitimation finden. In der Tat scheint esheute nicht möglich, einen neuen Straftatbestand zu legitimieren,der Vorstände oder Geschäftsführer bestraft, weil sienicht mit dem Staat im genannten Sinne „zusammenarbeiten“.Tatsächlich steht es sehr wohl zur Diskussion, dasssolche Mitarbeitspflichten verwaltungsrechtlich auf allgemeineWeise für die Unternehmen gebildet werden können.Dies ergibt sich daraus, dass die Mitarbeitspflichten auf vielenGebieten stark diskutiert werden <strong>und</strong> mit Gr<strong>und</strong>rechten inKonflikt geraten. Es muss jedoch anerkannt werden, dass esim Bereich des Wirtschaftsverwaltungsrechts einen gewissenHandlungsspielraum gibt, um ein Modell der Unternehmensführungmit institutioneller Bedeutung oder auch ein liberaleresModell festzulegen. 34Freilich muss noch eine letzte Sache bewiesen werden,nämlich dass diese Präventions- <strong>und</strong> Mitwirkungsforderungensich in Wirklichkeit letztendlich an die Inhaber der <strong>juristische</strong>nPersonen (in einer Gesellschaft: an die Inhaber desGesellschaftskapitals) wenden, da sie die Befugnis besitzen,die Personen zu ernennen, welche die Gesellschaft auf einebestimmte Weise verwalten sollen <strong>und</strong> die Handlungen derrestlichen, ihnen untergeordneten Personen überwachen müssen.Wie jedoch bereits angemerkt wurde <strong>und</strong> später nochmalsbetont wird, kann diese Strategie durch das Strafrechtnur ausgedrückt werden, indem die Inhaber direkt bestraftwerden, weil sie es unterlassen haben, Präventivsysteme inder <strong>juristische</strong>n Person zu entwickeln. Dies wird jedoch sonicht direkt ausgesprochen, weil es nicht einmal vom verwaltungsrechtlichenoder handelsrechtlichen Gesichtspunkt ausgefordert wird. Stattdessen richtet sich die Präventionsstrategieganz allgemein <strong>und</strong> pauschal indifferenziert vom Strafrechtaus auf die Fiktion der <strong>juristische</strong>n Person, wobei diekriminalpolitische Präventionsnotwenigkeit theatralisch gesteigertwird, <strong>und</strong> zwar bis hin zur Sorglosigkeit bezüglichder zugr<strong>und</strong>e liegenden wahren Rechtsstruktur der Verantwortlichkeit:eine Struktur, der es vom strafrechtlichen Gesichtspunktaus an Legitimation fehlt. 35c) Was bleibt also? Es muss sicherlich anerkannt werden,dass die Inhaber des Unternehmens durch die Organisation inForm der Leitung durch andere die Gefahr schaffen, dass ihreOrgane im Hinblick auf den Gewinnerzielungszweck Straftatenbegehen. Jedoch folgt aus einer solchen Gefahr weder dieSchuld der Organisation noch die ihrer Inhaber bezüglich derkonkreten strafbaren Handlungen. Ebenso wenig besteht –wie bereits festgestellt wurde – eine allgemeine Rechtspflichtder Inhaber mit dem Inhalt, eine auf die Deliktspräventiongerichtete Unternehmensorganisation beizubehalten. Im Gegenteil– das Einzige, was die Errichtung der Organisationbegründet, ist das Bestehen einer objektiven Verbindung mitden in ihrem Interesse begangenen Taten. Wie unten zurSprache gebracht wird, ist dies eine alte Strategie des Rechts34 Robles Planas, InDret 2/2009, 1 (10), der auf das Beispielder Geldwäsche hinweist.35 I.d.S. vor allem Gracia Martín (Fn. 19), S. 63._____________________________________________________________________________________352<strong>ZIS</strong> 7/2012


Ricardo Robles Planas_____________________________________________________________________________________heißt, die nicht mit ihrer Schuld aufgewogen werden kann.Diese Unrechtsdimension bezieht sich auf die aus der Tatherrührende Bereicherung, die fortbesteht, wenn sie nichtbekämpft wird. 41 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist es einfach, dieGr<strong>und</strong>lage der Verantwortlichkeit (im weiteren Sinne) derInhaber für die Dimension desjenigen Unrechts zu finden, dashinter der Tat in dem Maße weiterbesteht, in dem die Handlungder natürlichen Person in dem Rahmen der der Organisationeigenen Tätigkeiten zum Vorteil der <strong>juristische</strong>n Personstattfindet: Die Errichtung der Organisation (das heißt:die Konstituierung der Vermögensverwaltung zwecks derGewinnmaximierung) schafft das spezielle (an sich rechtlicherlaubte) Risiko, dass mit der Verwaltung dieses Vermögensunerlaubte Vorteile erlangt werden. 42 Von solchen Straftatenbleiben die Inhaber persönlich in der Tat außen vor, da ihnenüberhaupt kein Vorwurf gemacht werden kann. Aber ihreOrganisation bleibt mit der zu ihrem Vorteil geschehenen Tatverb<strong>und</strong>en: Das ist in Wirklichkeit die eigentliche Gr<strong>und</strong>lagedes Vorgehens gegen dieselbe <strong>und</strong> in diesem Sinne das, wases ermöglichen würde, von „Verantwortlichkeit“ im weitenSinne zu sprechen. Hier ist das entscheidende Verantwortlichkeitsprinzipdas der Verantwortlichkeit für das Risiko(Gefährdungshaftung). 43 Eine solche Verantwortlichkeit hateine zweifache Reichweite oder Dimension. Einerseits übernehmendie Inhaber vom zivilrechtlichen Gesichtspunkt ausaufgr<strong>und</strong> des mit der Ingangsetzung der Vermögensverwaltunggeschaffenen Risikos die Verpflichtung, nicht nur zivilrechtlichdie verursachten Schäden wieder gutzumachen, 44sondern in ihrem Kreise die Folgen verbotener individuellerHandlungen ihrer Geschäftsführer zu beseitigen, da sich die<strong>juristische</strong> Person durch die verbotenen Handlungen ihrerGeschäftsführer nicht als bereichert erweisen darf, anderenfallsbestände eine ungerechtfertigte Bereicherung. 45 Nebenden Regeln der von dem Delikt herrührenden (subsidiären)zivilrechtlichen Verantwortlichkeit kennt das Strafgesetzbuchdie Reaktionen der Einziehung der aus der Straftat stammendenBereicherungen, die sich in den Händen eines Drittenbefinden; das heißt einer anderen Person als derjenigen, diedie Straftat begangen hat (Art. 127 CP) <strong>und</strong> derjenigen, diemit Bereicherungsabsicht an den Folgen einer Straftat teilgenommenhat (Art. 122 CP). Freilich begrenzen diese Figuren41 Zum Begriff des „Perpetuierungsunrechts“ vgl. allgemeinKlesczewski, ARSP-Beiheft 66 (1997), 77 (96); <strong>und</strong> im Zusammenhangmit der Problematik der <strong>juristische</strong>n Personeninsbesondere ders., in: Schneider u.a. (Hrsg.), Festschrift fürManfred Seebode zum 70. Geburtstag am 15. September 2008,2008, S. 179 (S. 190).42 So Robles Planas, InDret 2/2009, 1 (10). Neuerlich auchDel Rosal Blasco, Diario La Ley Nr. 7670 (2011), 1.43 Gr<strong>und</strong>legend Esser, Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Entwicklung der Gefährdungshaftung,1941, S. 69 ff., 77 ff.44 Deren Ziel in der gerechten Verteilung der Vermögensschädenbesteht.45 Das Prinzip lautet: „nam hoc natura aequum est, nemimemcum alterius detrimento fieri locupletiorem“ (Pomponius,Digesten 12, 6, 14). Hier handelt es sich um eine gerechteGüterverteilung.die „Verantwortlichkeit“ auf den Umfang des Gewinns oderder Teilnahme.Sie sind jedoch aufgr<strong>und</strong> des Risikoprinzips auch in einemzweiten Sinne, <strong>und</strong> zwar öffentlich-rechtlich, verantwortlich.46 Da die verbotene Handlung der natürlichen Personin jedem Fall einen Unrechtszustand zum Vorteil der Organisationverursacht, müssen – vom Standpunkt der Verteilungsgerechtigkeitaus – die Kosten der Prävention <strong>und</strong> gegebenenfallsder Beseitigung solcher rechtlich unerwünschterSituationen, die eng mit jener Bereicherungsabsicht verb<strong>und</strong>ensind, der die Vermögensmasse ihrer Inhaber gewidmetist, auf diese entfallen. 47 Es handelt sich in diesem Sinnenicht um die direkte Einführung von Deliktspräventionspflichtenfür die Inhaber der <strong>juristische</strong>n Personen, sonderndarum, hierfür einen Anreiz zu schaffen <strong>und</strong> zwar mit derVerpflichtung, Vermögenseinbußen hinzunehmen, falls einestrafbare Handlung verursacht wird. In diesem Punkt würdeman es nicht für ausreichend halten, gegen die <strong>juristische</strong>Person die Androhung der Einziehung des Gewinns zu richten,sondern aus präventiven Gründen richtet man gegen die<strong>juristische</strong> Person eine Androhung bezüglich des möglichenVorteils, die noch durch eine Abschreckungsmaßnahme desöffentlichen Rechts verstärkt wird: 48 Genau darin bestehtimmer die Geldbuße gegen die <strong>juristische</strong> Person selbst. 49 InWahrheit ist die genannte Maßnahme wegen der von dernatürlichen Person begangenen Tat nicht strafender Natur (indem Sinne dass „es ihr an einem repressiven, vergeltendenoder sühnenden Zweck fehlt“, so wie das spanische Verfassungsgerichtdie Unterscheidung zwischen <strong>Strafe</strong>n <strong>und</strong> anderenZwangsmaßnahmen oder -mechanismen versteht), 50 sondernbedeutet einen Anreiz zur Übernahme von Präventionsmaßnahmen<strong>und</strong> bringt gleichzeitig davon ab, aus Deliktenstammende Gewinne in das Gesellschaftsvermögen einzufügen:51 Es geht darum, die Schaffung von rechtlich erwünsch-46 Zur Relevanz des Prinzips der Risikoverantwortlichkeit fürdas Öffentliche Recht vgl. Hollands, Gefahrenzurechnung imPolizeirecht, 2005, S. 173.47 Hier handelt es sich um eine gerechte Verteilung der Präventionskosten:Syanllagma zwischen (erlaubten) „speziellenRisiken“ <strong>und</strong> speziellen Pflichten. Von einer allgemeinenPerspektive aus vgl. Hollands (Fn. 46), S. 171 ff.48Von einer „Zwangsgeldstrafe“ spricht Gracia Martín,(Fn. 19), S. 72.49 S. den ähnlichen Ansatz von Klesczewski, ARSP-Beiheft 66(1997), 77 (189 ff.), mit dem Aufpreis (wegen der Verspätungbei der Rückgabe der widerrechtlich erlangten Vorteile) bindetdieser Autor jedoch ausschließlich die „Sanktion“ an die<strong>juristische</strong> Person, was nur indirekt zur Förderung der Präventionbeiträgt.50 Tribunal Constitucional, Urt. v. 14.12.1988 – STC 239/1988(Berichterstatter: Fernando García-Mon y González Regueral);Tribunal Constitucional, Urt. v. 16.11.2000 – STC 276/2000(Berichterstatter: Tomás S. Vives Antón) <strong>und</strong> Tribunal Constitucional,Urt. v. 29.11.2010 – STC 121/2010 (Berichterstatter:Guillermo Jiménez Sánchez).51 Wie das Tribunal Constitucional erklärte (Urt. v. 13.11.1955– STC 164/1995, Berichterstatter: Francisco Javier Delgado_____________________________________________________________________________________354<strong>ZIS</strong> 7/2012


<strong>Strafe</strong> <strong>und</strong> <strong>juristische</strong> Person_____________________________________________________________________________________ten Situationen (die Nichtbegehung von Delikten, die der<strong>juristische</strong>n Person nützen) oder die Beseitigung von rechtlichunerwünschten Situationen (die definitive Einverleibungvon aus der Straftat stammenden Vorteilen in das Unternehmen)im Bereich der Vermögensorganisation der Inhaberanzuregen. Auf diese Weise wird die Einrichtung eines Präventionssystemsoder -modells durch diejenigen, die in der<strong>juristische</strong>n Person die Kompetenz zu seiner Einrichtunghaben, zu einem geeigneten Mechanismus zur Deliktsprävention,was es ermöglicht, das Gesellschaftsvermögenvon dem erzielten oder angestrebten verbotenen Vorteil zutrennen.In diesem Sinne sind diejenigen Unternehmen, die die sogenannten„Compliance-Programme“ besitzen, in der Lage,den Taten der natürlichen Personen vorzubeugen. Für diejenigenhingegen, die sie nicht besitzen, wird die Aufgabe derDeliktserkennung äußerst beschwerlich. Aus diesem Gr<strong>und</strong>habe ich an anderer Stelle ausgeführt, dass in Wahrheit dieOrganisation zur Deliktsaufdeckung <strong>und</strong> -prävention keinePflicht, sondern eine Obliegenheit der <strong>juristische</strong>n Personist: 52 Wenn diese richtig entwickelt wurde, kommt sie der<strong>juristische</strong>n Person zumindest faktisch zustatten, da sie dannzur Aufdeckung <strong>und</strong> Vorbeugung der vom Täter hervorgerufenenverbotenen Situation wirksam ist. In diesem Punktkönnte ein verfeinertes System der Verantwortlichkeitszuschreibungan die <strong>juristische</strong>n Personen eine Ausnahmeregelungfür die <strong>juristische</strong> Person einschließen, die ein angemessenesDeliktspräventionsprogramm eingeführt hat, auch wenndieses im Einzelfall keine Wirkung gezeigt hat. Meiner Ansichtnach ist das Entscheidende letztendlich immer, ob derverbotene Vorteil sich mit dem Vermögen der <strong>juristische</strong>nPerson vermischen konnte oder ob unmittelbar nach derStraftatbegehung gehandelt wurde <strong>und</strong> so dieses Äußersteverhindert wurde. In letzterem Fall erscheint der Verzicht aufjegliche Reaktion gegen die <strong>juristische</strong> Person sehr wohlangebracht. 53 Im Übrigen muss klargestellt werden, dass dieZurechnung der Erfüllung dieses Anreizes auf objektiveWeise gegenüber den Inhabern wirkt, wie auch entsprechenddie (objektive) Zurechnung der Gefahr ihnen gegenüberwirkt. 54III. Die Auslegung des neuen Art. 31bis CP1. Art. 31bis CP übernimmt das Übertragungs- oder Zuschreibungsmodella) Art. 31bis CP führt zwei Zurechnungsgründe für die <strong>juristische</strong>Person an: die Verantwortlichkeit für die von ihrenGeschäftsführern begangenen Straftaten <strong>und</strong> die Verantwortlichkeitfür die von den Untergebenen begangenen Straftaten,sofern nicht die gebotene Kontrolle über sie ausgeübt wurde.Beim ersten Zurechnungsgr<strong>und</strong> ist klar, dass ganz offen jenesvon der herrschenden Lehre kritisierte Modell übernommenwurde: das Übertragungs- oder Zuschreibungsmodell, da dasEinzige, was für die Übertragung der Verantwortlichkeit andie <strong>juristische</strong> Person verlangt wird, die Begehung einerstrafbaren Tat durch rechtliche Vertreter, tatsächliche oderrechtliche Geschäftsführer <strong>und</strong> die Begehung im Namen oderauf Kosten <strong>und</strong> zugunsten der <strong>juristische</strong>n Person ist.Jedoch wird auch in der zweiten genannten Voraussetzungkein Modell der „Organisationsschuld“ eingeführt: DieVerantwortlichkeit der <strong>juristische</strong>n Person ist auch hier automatischmit der einfachen Feststellung der Verletzung vonKontrollpflichten über die Untergebenen durch die Geschäftsführergegeben, da Letztere über Erstere nicht diegebotene Kontrolle ausgeübt haben. Das heißt, die bloßeVerletzung von Organisationspflichten der Geschäftsführer(<strong>und</strong> nicht der <strong>juristische</strong>n Person selbst) ist der Gr<strong>und</strong> für dieVerantwortlichkeitszurechnung.Bei beiden Zurechnungsgründen des Art. 31bis CP verursachenletzten Endes die natürlichen Personen die Verantwortlichkeitder <strong>juristische</strong>n Person. Letztere ist automatisch<strong>und</strong> objektiv für jede Straftat verantwortlich, die ihr Vertreteroder Geschäftsführer oder auch ein Untergebener begangenhat, sofern die Vertreter oder Geschäftsführer ihrerseits dieKontrollpflichten über sie verletzt haben. Das ist nichts anderesals die Einführung des Übertragungs- oder Zuschreibungsmodellsoder des angelsächsischen „alter ego“-Systems 55 <strong>und</strong>Barrio, FJ. 4): „Es ist eine Sache, dass die Sanktionen unteranderem einen Abschreckungszweck haben; <strong>und</strong> eine andere,dass jede Maßnahme mit Abschreckungszweck gegen bestimmteVerhaltensweisen eine Sanktion ist“. Es fügt hinzu:„Zwischen dem Schadenersatz <strong>und</strong> der eigentlichen Sanktionkann es andere Arten von Figuren mit charakteristischenZwecken geben, die zwar teilweise, nicht aber vollständig mitden Zwecken jener beiden Arten übereinstimmen“.52 Robles Planas, InDret 2/2009, 1 (10).53 Denn es scheint unerlässlich, dass die Einhaltung der Obliegenheitnormative Anerkennung erfahren muss, selbstwenn sie auf eine andere Art als die von der Rechtsordnunggewünschte stattfindet. Ebenso muss andererseits <strong>und</strong> auf reintheoretischer Ebene auch dem Grad der (Nicht-)Erfüllung derObliegenheit Bedeutung zugesprochen werden. Im selbenSinne wie im Text, aber ohne den Begriff der Obliegenheitenzu erwähnen, Klesczewski, ARSP-Beiheft 66 (1997), 77 (196Fn. 103).54 Es handelt sich in der Tat um den völligen Bruch mit derTeilungsgerechtigkeit (d.h. mit dem Verdienten – also derSchuld –, sogar in einem rein zivilrechtlichen Sinne) <strong>und</strong> umeine Bindung an eine Struktur der reinen Präventionskostenverteilung,aufgr<strong>und</strong> derer nur die objektive Verbindungzwischen dem Gewünschten <strong>und</strong> dem Empfänger notwendigist. Daher wird im Text festgestellt, dass die Verantwortlichkeitsentlastungbezüglich der Inhaber – die in der Praxiskaum die Möglichkeit haben, ihr Verhalten an die Einhaltungder unternehmerischen Obliegenheiten anzupassen – aufobjektive Weise vorgeht, so wie ihrerseits auch die Auflastungder Verantwortlichkeit vorgeht.55 Dies wird offen anerkannt von: Silva Sánchez, Diario LaLey Nr. 7464 (2010); 6; Gómez-Jara Díez, Diario La Ley Nr.7534 (2010), 9: „bestimmte natürliche Personen werden alsalter-ego der <strong>juristische</strong>n Person angesehen, so dass ihreVerhaltensweisen in gewisser Weise diejenigen der <strong>juristische</strong>nPerson sind“; Del Rosal Blasco, Diario La Ley Nr._____________________________________________________________________________________Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik – www.zis-online.com355


Ricardo Robles Planas_____________________________________________________________________________________bedeutet daher eine Zuschreibung der Verantwortlichkeit fürTaten anderer. 56 Im Übrigen darf das Vorhergehende nichtübermäßig überraschen, sobald einmal klargestellt wurde (s.supra), dass das Modell der Verantwortlichkeit für eigeneTaten der <strong>juristische</strong>n Person in Wirklichkeit eine verdeckteVariante des Übertragungs- oder Zuschreibungsmodells ist.b) Einige Autoren haben jedoch die Notwendigkeit angedacht,dass bei beiden Verantwortlichkeitsvoraussetzungender <strong>juristische</strong>n Person die Verletzung von Organisationspflichtenfestgestellt werden müsse (Schuldhaftigkeit für dieeigene Tat der <strong>juristische</strong>n Person). 57 Hier wird argumentiert,dass die erste Verantwortlichkeitsvoraussetzung so interpretiertwerden müsse, dass das implizite Erfordernis der Verantwortlichkeitder <strong>juristische</strong>n Person bestehe, auf welchesin der zweiten Voraussetzung ausdrücklich hingewiesenwerde, nämlich dass über die Geschäftsführer oder Vertreternicht die „gebotene Kontrolle“ ausgeübt wurde. Diese Forderungist jedoch aus mehreren Gründen anfechtbar. Auf diewichtigsten wurde bereits hingewiesen, als gezeigt wurde,dass das sogenannte Modell der Schuld für die eigene Tatkeine Gr<strong>und</strong>lage hat <strong>und</strong> ein Übertragungsmodell verbirgt.Außerdem wird nicht erklärt, warum der Gesetzgeber keinzusätzliches Erfordernis für die erste Voraussetzung – derenWortlaut äußerst klar ist – gestaltet hat. Des Weiteren mussunterstrichen werden, dass der Gesetzgeber sich auch bei derVoraussetzung der Deliktsbegehung durch Untergebene nichtauf die Verletzung von Organisationspflichten beruft, die der<strong>juristische</strong>n Person selbst obliegen, sondern dass die einzigeVoraussetzung der Verantwortlichkeit der <strong>juristische</strong>n Persondarin besteht, dass über die Untergebenen nicht die geboteneKontrolle ausgeübt wurde <strong>und</strong> zwar von denjenigen, die diesehätten ausüben müssen, das heißt von den Geschäftsführernoder Personen mit der Kompetenz, die Untergebenen zu kontrollieren.Dies wird im Gesetzestext ganz klar ausgedrückt,wenn Art. 31bis Abs. 3 CP auf Folgendes hinweist: „dass beiden Personen, die die Taten tatsächlich begangen haben oderdenjenigen, die diese durch das Nichtausüben der gebotenenKontrolle möglich gemacht haben, Umstände zusammenwirken,die die Schuld des Beschuldigten betreffen oder seine7670 (2011), 3: „weites Identifikationsmodell“; Mir Puig,Bases constitucionales del Derecho penal, 2011, S. 127. ImWesentlichen auch Dopico Gómez-Aller, in: Lefebvre u.a.(Hrsg.), Memento Experto Reforma Penal, 2010, S. 18, <strong>und</strong>Ortiz de Urbina Gimeno (Fn. 1), S. 122, jedoch schlagen diebeiden letzteren Autoren zur Rettung der Verfassungsmäßigkeitdes Gebots eine verfassungsgemäße Auslegung aufGr<strong>und</strong>lage des Modells der eigenen Tat vor.56 Vgl. Muñoz Conde/García Arán, Derecho penal, ParteGeneral, 8. Aufl. 2010, S. 631: „im spanischen Strafgesetzbuchist die <strong>juristische</strong> Person für die Tat eines anderen verantwortlich“<strong>und</strong> S. 632: „da nicht von einer eigenen <strong>und</strong>völlig selbständigen Verantwortlichkeit der <strong>juristische</strong>n Personausgegangen wird [...]“; Mir Puig (Fn. 55), S. 127: „Voraussetzungder Verantwortlichkeit für fremde Taten schwerlichmit dem Schuldprinzip vereinbar“.57 Für alle z.B. Bacigalupo Saguesse, Diario La Ley Nr. 7541(2011), 1.Verantwortlichkeit verschärfen, sowie die Tatsache, dassbesagte Personen verstorben sind oder sich der Handlung derJustiz entzogen haben, schließt die Verantwortlichkeit der<strong>juristische</strong>n Personen weder aus noch verändert sie diese [...]“(Hervorhebungen des Verf.). Ebenso erkennt Art. 66bis CPbei der Festsetzung der Regeln der Zumessung der den <strong>juristische</strong>nPersonen auferlegten „<strong>Strafe</strong>n“ an, dass nur die natürlichenPersonen besagte Kontrollpflichten verletzen, da dieserArtikel der „Stellung, welche die natürliche Person oder dasOrgan, das die Kontrollpflicht verletzte, in der <strong>juristische</strong>nPerson innehat Bedeutung beimisst. 58Die Regelung des CP bezüglich des Nichterlöschens derVerantwortlichkeit der <strong>juristische</strong>n Person in den Fällen derUmgestaltung, Verschmelzung, Abschöpfung oder Teilung,die sich auf das (oder die) sich ergebende(-n) Unternehmenüberträgt, sowie die Möglichkeit, dass der Richter die Übertragungder <strong>Strafe</strong> (Art. 130 Abs. 2 CP) gestaltet, bedeutet imÜbrigen eine unverhüllte Einführung der Verantwortlichkeitfür fremde Taten <strong>und</strong> einen ausdrücklichen Verzicht auf dieForderungen, dass sowohl die <strong>Strafe</strong>n als auch die strafrechtlicheVerantwortlichkeit persönlich sein müssen, sowie einenVerzicht auf die gr<strong>und</strong>legenden Aussagen des Schuldprinzips.2. Übertragung der subjektiven Zurechnung?a) Ein Problem ersten Ranges des Systems des Art. 31bis CPbesteht in der Frage nach der Gr<strong>und</strong>lage der subjektivenZurechnung an die <strong>juristische</strong> Person. Im gesamten Straftatkatalogenthält einzig die Geldwäsche die fahrlässige58 Ein anderes Problem besteht darin, dass Art. 31bis CPtatsächlich neue Kontrollpflichten für die Geschäftsführer<strong>und</strong> Vertreter der <strong>juristische</strong>n Personen einführt, die einegrößere Reichweite zu haben scheinen als die bereits bekanntenÜberwachungs- <strong>und</strong> Aufsichtspflichten hinsichtlich derTätigkeiten der Untergebenen, die in der Lage sind, bei denVorgesetzten strafrechtliche Verantwortlichkeit als Täter oderTeilnehmer (durch Handeln oder Unterlassen) zu erzeugen,denn sonst wäre der zweite Absatz des Art. 31bis CP inhaltsleer(da sich die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers oderVertreters selbst im ersten Absatz befindet). Weitere Überlegungenerfordert in diesem Punkt die Frage, ob die Verletzungjener Organisationspflichten, die allgemeiner sind, alsdie jetzt in Art. 31bis CP genannten, auf irgendeine Weisesanktioniert werden sollte (im Wege der Begehung durchUnterlassen [indem sie in die benannten klassischen Aufsichts-<strong>und</strong> Überwachungspflichten integriert werden]) oderob ihre Sanktionierung im geltenden Recht mangels einerausdrücklichen Regelung wie der des § 130 OWiG nichtmöglich ist. Die erste, wahrscheinlich in der Praxis verlockendereOption impliziert – soweit ich sehen kann – dieBehauptung der Existenz von äußerst fraglichen institutionellenGarantenstellungen – ex lege, jetzt: ex Art. 31bis CP – derGeschäftsführer <strong>und</strong> Vertreter <strong>und</strong> lässt das Problem, dasshierdurch der zweite Absatz des Art. 31 bis CP inhaltsleerbleibt, unberührt. Del Rosal Blasco, Diario La Ley Nr. 7670(2011), 1 (4), weist hierauf mit großem Problembewusstseinhin._____________________________________________________________________________________356<strong>ZIS</strong> 7/2012


<strong>Strafe</strong> <strong>und</strong> <strong>juristische</strong> Person_____________________________________________________________________________________Begehungsweise. In allen anderen Fällen ist immer der Vorsatzder natürlichen Person gefordert, damit sich die Verantwortlichkeitder <strong>juristische</strong>n Person ergeben kann. Bei derersten Verantwortlichkeitsvoraussetzung können die Geschäftsführer,die eine strafbare Handlung begehen, dies also(in allen Fällen) vorsätzlich oder (bei Geldwäsche) fahrlässigtun. Ausgehend von dieser Feststellung ist die <strong>juristische</strong>Person für die begangene Straftat verantwortlich (Verantwortlichkeitsübertragung).Vom Standpunkt des Übertragungs-oder Zuschreibungsmodells aus gibt es nichts übermäßigÜberraschendes an diesem Vorgehen; man sieht nurmit absoluter Klarheit, dass es sich um eine rein objektiveVerantwortlichkeit handelt: Die <strong>juristische</strong> Person ist nichtfür ein vorsätzliches Delikt verantwortlich, weil sie ihrerseitsvorsätzlich gehandelt hätte, sondern weil der Vorsatz dernatürlichen Person, die ihr alter ego ist, auf sie übertragenwird. 59 Diejenigen hingegen, die Art. 31bis CP dahingehendauslegen wollen, dass dieser die Verantwortlichkeit der <strong>juristische</strong>nPerson auf „eigene Organisationsdefekte“ stütze,sehen sich dann dem unlösbaren Problem gegenüber, dass die<strong>juristische</strong> Person für ein vorsätzliches Delikt (das von dernatürlichen Person begangene) verantwortlich ist, ohne dassder Vorsatz in ihrer „Handlung“ festgestellt wird. Dies gilt ineinem zweifachen Sinn. Einerseits ist es unmöglich, dieKenntnis des Straftatrisikos durch das Unternehmen selbstvorherzusagen, das heißt abgesehen von dem Wissen, das diePersonen mit Entscheidungsmacht haben. Tatsächlich vertrittdie angelsächsische kollektive Wissensdoktrin (collectiveknowledge doctrine) genau dies: dass der Unternehmensorganisationdie Summe der Kenntnisse ihrer Mitglieder zugerechnetwerden kann. 60 Andererseits ist es selbst ausgehendvon den Kenntnissen der natürlichen Personen offensichtlich,dass die Nichtentwicklung von Systemen zur Deliktspräventionnicht mit der vorsätzlichen Begehung einer Straftatgleichwertig ist. Dass ein Unternehmen fehlerhaft organisiertist, bedeutet nicht, dass die natürlichen Personen, aus denenes sich zusammensetzt, allein deswegen das durch eine vondiesen natürlichen Personen geschaffene (Betrugs-, Steuerstraftats-,etc.) Risiko kennen, so dass die Existenz einer„Risikokenntnis durch das Unternehmen“ ebenso wenig behauptetwerden kann. Es kann höchstens eine Art Fahrlässigkeitsvorwurfbegründet werden, weil es sich die entsprechendenKenntnisse nicht verschafft hat. Trotzdem müsste die<strong>Strafe</strong> dieses Vorwurfs notwendigerweise ex Art. 31bis CPauf eine vorsätzliche Begehungsweise (wenn man den Fallder Geldwäsche außer Acht lässt) begründet werden. Wie istes möglich, das Vorhergehende mit dem Erfordernis zu vereinbaren,dass „die fahrlässigen Handlungen oder Unterlassungen[nur bestraft] werden, wenn das Gesetz dies ausdrücklichanordnet“ (Art. 12 CP)? 61 Es scheint also, dass das tatbestandlicheRisiko in dem Fall der von Geschäftsführern <strong>und</strong>Vertretern begangenen Straftaten von der natürlichen der<strong>juristische</strong>n Person „zugerechnet“ wird <strong>und</strong> dass, wenn maneinen wirklichen Vorsatz der <strong>juristische</strong>n Person haben will,die Kenntnis des Risikos bezüglich des von der natürlichenPerson begangenen Delikts durch die <strong>juristische</strong> Person begründetwerden müsste. Wenn keine solche Kenntnis existiert,kann man nur von fahrlässiger Verantwortlichkeit (wegenfehlerhafter Organisation) sprechen. Und eine solche istvom Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen.Bei der zweiten Verantwortlichkeitsvoraussetzung ist dasProblem, wenn dies möglich ist, noch schwieriger. Dort wirdnämlich eine zweifache Bedingung verlangt: die (in allenFällen) vorsätzliche oder (im Fall der Geldwäsche) fahrlässigeBegehung einer Straftat durch einen Untergebenen einerseits<strong>und</strong> die Verletzung von Kontrollpflichten durch dieGeschäftsführer andererseits. Eine solche Verletzung derKontrollpflichten durch die Geschäftsführer ist in aller Regelfahrlässig. Außerdem ist die Verbindungstat immer diejenigedes Geschäftsführers. Damit ist die Fahrlässigkeit das von dernatürlichen auf die <strong>juristische</strong> Person zu Übertragende. Jedoch– wie auch bei der ersten Verantwortlichkeitsvoraussetzung– wird die <strong>juristische</strong> Person für eine vorsätzliche Straftatbestraft, indem ohne weiteres der Vorsatz der natürlichenPerson auf sie übertragen wird. Dies ist wiederum eine reinobjektive Verantwortlichkeit. Aber außerdem erweist sichdies als äußerst widersprüchlich: Wie kann die <strong>juristische</strong>Person für eine vorsätzliche Straftat verantwortlich sein,wenn die Gr<strong>und</strong>lage der subjektiven Zurechnung, die manübertragen müsste, die Fahrlässigkeit der Geschäftsführer ist,welche die gebotene Kontrolle über die Untergebenen nichtausgeübt haben? Und von den Positionen aus, die die Verantwortlichkeitder <strong>juristische</strong>n Person auf die „eigene Tat“gestützt auf „Organisationsdefizite“ begründen, wird außerdemwiederum ganz klar die Verletzung des Gesetzlichkeitsprinzipssichtbar: Wenn die eigene Tat der <strong>juristische</strong>n Persondarin besteht, fahrlässig die ihr obliegenden Organisationspflichtenzu verletzen, wie wird dann eine fahrlässigeHandlung bestraft, die nicht ausdrücklich vom Gesetz vorgesehenist (Art. 12 CP)? 6259 Bezeichnend Zugaldía Espinar, F<strong>und</strong>amentos de Derechopenal, 4. Aufl. 2010, S. 582: „hinsichtlich des subjektivenTatbestands ist notwendig, dass von Seiten der <strong>juristische</strong>nPerson Vorsatz oder Fahrlässigkeit gegeben war, was der Fallist, wenn die Rechtsvertreter oder Geschäftsführer die Verwirklichungder objektiven Seite des Straftatbestands durchdie zuständige natürliche Person kannten oder hätten kennenkönnen“ (Hervorhebung des Verf.).60 So Gómez-Jara Díez, in: Banacloche Palao/Gómez-JaraDíez/Zarzalejos Nieto (Hrsg.), Responsabilidad penal de laspersonas jurídicas, Aspectos sustantivos y procesales, 2011,S. 80.61 Auf das Problem weisen hin: Silva Sánchez, Diario La LeyNr. 7464 (2010), 6; Gómez Martín, in: Corcoy Bidasolo/MirPuig (Hrsg.), Comentarios al Código penal, 2011, S. 134(S. 134). Ortiz de Urbina Gimeno (Fn. 1), S. 124, bemerkt,dass das Problem nur in der ersten Verantwortlichkeitsvoraussetzungdes Art 31bis CP vorkommt.62 Anderer Ansicht ist jedoch Ortiz de Urbina Gimeno (Fn. 1),S. 124, der erklärt, dass für die zweite Verantwortlichkeitsvoraussetzungdes Art. 31bis CP keinerlei Problem mit demGesetzlichkeitsprinzip bestehe, da der Gesetzgeber bei dieserVoraussetzung die Sorgfaltspflichtverletzung ausdrücklichtypifiziert habe. Der Gesetzgeber hat hier jedoch das Fehlen_____________________________________________________________________________________Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik – www.zis-online.com357


Ricardo Robles Planas_____________________________________________________________________________________b) Sicherlich haben die vorgetragenen Gründe einige Autoren63 dazu gebracht, vollständig auf die subjektive Zurechnungder Tat bei der Verantwortlichkeit der <strong>juristische</strong>n Personenzu verzichten <strong>und</strong> zu vertreten, dass die <strong>juristische</strong>Person ein völlig objektives Unrecht begeht, welches in einemOrganisationsdefizit besteht <strong>und</strong> das nach Meinung dieserAutoren schwerwiegender ist, wenn die natürlichen Personen– deren strafbare Taten weiterhin der Ausgangspunktfür die strafrechtliche Verantwortlichkeit der <strong>juristische</strong>nPersonen sind – vorsätzlich handeln. Offensichtlich bestehtdas Problem darin, ob diese Art der Verantwortlichkeit nichtnur offen – einmal mehr – alle Prinzipien, die für die (subjektive)Zurechnung im Strafrecht gelten, sondern auch dasGesetzlichkeitsprinzip <strong>und</strong> das Verhältnismäßigkeitsprinzipverletzt. Die Antwort müsste jedem, natürlich einschließlichdes spanischen Verfassungsgerichts, ins Auge springen.3. Eine alternative Auslegung des Art. 31bis CPa) Unter Berücksichtigung des oben unter II. 2 c) <strong>und</strong> d)Festgestellten kann jetzt die Art. 31bis CP zugr<strong>und</strong>e liegendedogmatische Struktur neu ausgelegt werden. Auszugehen istvon einer Pflicht, nach der Begehung einer strafbaren Handlungdurch die Geschäftsführer oder andere Untergebene,über die Erstere nicht die gebotene Kontrolle ausgeübt haben,mit dem Gesellschaftsvermögen verantwortlich zu zeichnen.Diese Verpflichtung zur Verantwortlichkeit ist dem Zivilrechtnicht unbekannt. Art. 1903 Código Civil 64 erlegt sie fürden zivilrechtlichen Schadensersatz auf. Man kann also behaupten,dass die Inhaber des Unternehmens wegen des reinenIngangsetzens der von einem oder mehreren anderenverwalteten Organisation die Folgen auf sich nehmen müssen,die sie durch die Handlungen dieser anderen erleiden.Über die zivilrechtlichen Wiedergutmachungspflichten hinauserscheinen im Fall der zu ihren Gunsten begangenenStraftaten als wichtige Folge die Einziehung der erzieltenGewinne <strong>und</strong> die Auferlegung der Kosten für die Präventionsolcher rechtswidriger Bereicherungen. Die Inhaber der <strong>juristische</strong>nPerson sind hier diejenigen, die die Beseitigung <strong>und</strong>Prävention dieser rechtswidrigen Zustände tragen müssen.der gebotenen Kontrolle von Seiten der Vorgesetzten über dieUntergebenen typifiziert <strong>und</strong> nicht von Seiten der <strong>juristische</strong>nPerson selbst. Das heißt, in Übereinstimmung mit dem Modellder eigenen Verantwortlichkeit der <strong>juristische</strong>n Personmüsste man nach der Feststellung des Unterlassens der gebotenenKontrolle durch die Vorgesetzten fordern, dass jeneaußerdem fehlerhaft organisiert sei. Ausgehend hiervon (dieswäre das objektive F<strong>und</strong>ament ihres Unrechts) müsste mandie Kenntnis des Risikos feststellen, die dies bezogen auf daskonkrete von der natürlichen Person begangene Delikt bedeutete(Vorsatz) bzw. die aus ihrer Fehlorganisation resultierendeVerletzung der Sorgfaltspflicht, sich Kenntnis zu verschaffen(Fahrlässigkeit). Bezogen auf Letzteres besteht ein offensichtlichesProblem mit dem Gesetzlichkeitsprinzip, wenn diefahrlässige Begehungsweise nicht ausdrücklich im Gesetzvorgesehen ist.63 So insbesondere Nieto Martín (Fn. 16), S. 155 ff.64 Spanisches Bürgerliches Gesetzbuch (im Folgenden: CC).Eine solche Pflicht bedeutet keinen Vorwurf wegen der vorhergehendenstrafbaren Tat, sondern nur die Legitimation desStaates, auf das Unternehmen einzuwirken, welches sichrechtswidrig bereichert. Da kein Vorwurf wegen der begangenenStraftat besteht, kann von den Inhabern der <strong>juristische</strong>nPerson nur gefordert werden, dass sie einen status quo beibehalten,der durch die rechtmäßige Gewinnerlangung gekennzeichnetist. Dies strebt auch die im neuen System des spanischenStrafgesetzbuches vorgesehene Geldbuße an: einenAnreiz zu schaffen, damit in die <strong>juristische</strong>n Personen keineaus strafbaren Handlungen stammenden Gewinne eingeführtwerden <strong>und</strong> so die Fortsetzung des durch die Tatbegehungverursachten Unrechtszustands zu bekämpfen. In Art. 31bisCP sind zwei Wege vorgesehen: einerseits das Einbringenvon Vorteilen, die aus der Tätigkeit der Geschäftsführerstammen <strong>und</strong> andererseits das Einbringen von Vorteilen, dieaus der Tätigkeit der Untergebenen stammen, wenn von Seitender Geschäftsführer eine Verletzung ihrer Kontrollpflichtenvorliegt. Im ersteren Fall müssen die Inhaber der <strong>juristische</strong>nPerson zur Vermeidung einer Geldbuße die Eingliederungderjenigen strafbaren Vorteile vermeiden, die die Personenmit Führungsmacht einbringen. Dies erreichen sie durcheine angemessene Kontrolle von deren Aktivitäten. Im zweitenFall geschieht exakt das Gleiche, nur dass hier immerauch ein fehlerhaftes Handeln der Geschäftsführer nötig ist,nämlich die Verletzung der Kontrollpflichten über die Untergebenen.Auf diese Weise entspricht Art. 31bis CP der oben beschriebenenStruktur der objektiven Verantwortlichkeit fürdas Risiko. Die Gr<strong>und</strong>lage dieser Struktur findet sich darin,dass die Inhaber – gestützt auf die Erhaltung der Vermögensmasse,die unter der Logik der Vorteilsverschaffungverwaltet wird – die Kosten der Prävention rechtswidrigerBereicherungen zu tragen haben. Als Gegenleistung, ohnedass dies eine wirkliche Pflicht darstellen würde, obliegt denInhabern diese Prävention, so dass diese bei ihrer tatsächlichenAusübung verhindert, dass in das Vermögen der <strong>juristische</strong>nPerson rechtswidrige Vorteile eingefügt werden.b) Die eben vorgestellte Alternativauslegung löst nichtnur die oben angesprochenen Probleme der subjektiven Zurechnung,sondern ermöglicht auch eine Erklärung, warumArt. 130 Abs. 2 CP festlegt, dass die Umgestaltung, Verschmelzung,Abschöpfung oder Teilung einer <strong>juristische</strong>nPerson nicht ihre Verantwortlichkeit beseitigt, sondern aufdas oder die Unternehmen übergeht, in die sie umgestaltet,verschmolzen, oder abgeschöpft wird <strong>und</strong> sich auf das oderdie Unternehmen ausweitet, die sich aus der Teilung ergeben:In solchen Fällen bleiben die Folgen des Delikts (die Bereicherung)im Vermögen bestehen, weswegen sie noch beseitigtwerden müssen. Sie kann auch erklären, warum es nureine Reaktion gegen die <strong>juristische</strong> Person geben kann, wennmehrere Geschäftsführer oder Verwalter eingegriffen <strong>und</strong>gemeinsam eine strafbare Tat begangen haben: Es geht nichtdarum, auf die <strong>juristische</strong> Person die rechtswidrigen Tatenjener (wie viele es auch immer sein mögen) zu übertragen,sondern darum, die <strong>juristische</strong> Person von den wirtschaftlichenVorteilen zu trennen, die sich aus der Straftat ergeben._____________________________________________________________________________________358<strong>ZIS</strong> 7/2012


<strong>Strafe</strong> <strong>und</strong> <strong>juristische</strong> Person_____________________________________________________________________________________c) Es sind noch die restlichen in der neuen spanischenGesetzgebung vorgesehenen Reaktionen zu erklären: dieAuflösung, Einstellung von Tätigkeiten, Schließung vonRäumen <strong>und</strong> Geschäften, das Verbot, Tätigkeiten auszuüben,das Berufsverbot <strong>und</strong> das gerichtliche Eingreifen. DieseMaßnahmen werden durch die Notwendigkeit bestimmt, denFortbestand der strafbaren Tätigkeit oder ihrer Folgen zuverhindern (Art. 66bis Abs. 1 lit. b CP). Aber dies hindertnicht daran, dass sie die Gr<strong>und</strong>struktur der Verantwortlichkeitbefolgen, die in den vorhergehenden Zeilen aufgezeichnetwurde. In den drastischen Fällen, in denen der Inhaber der<strong>juristische</strong>n Person nicht in der Lage ist, die Vermögensorganisationdes Unternehmens von der strafbaren Tätigkeit natürlicherPersonen fern zu halten, hat es tatsächlich keinenSinn, einen Anreiz zu schaffen, damit er dies tut. Es handeltsich also um faktisch absichernde Eingriffe, die das Zielhaben, die Eingliederung von aus strafbaren Handlungenstammenden wirtschaftlichen Vorteilen in die <strong>juristische</strong>Person zu verhindern <strong>und</strong> gegebenenfalls die zukünftige <strong>und</strong>unmittelbare Rückgabe solcher rechtswidriger Gewinne zubetreuen <strong>und</strong> zu garantieren.IV. Fazit: Die Verantwortlichkeit der <strong>juristische</strong>n Personist nur formell eine strafrechtliche Verantwortlichkeit1. Aus dem oben Dargelegten muss geschlossen werden, dasskein Modell der strafrechtlichen Verantwortlichkeit <strong>juristische</strong>rPersonen möglich ist, ohne gr<strong>und</strong>legende Prinzipiendes Strafrechts zu verletzen. Dies führt ohne weiteres zu derAuffassung, dass wir uns in diesem Bereich <strong>und</strong> in jedemFall außerhalb der Welt des Strafrechts befinden. Art. 31bisCP, der Folgendes festlegt: „die <strong>juristische</strong>n Personen werdenstrafrechtlich verantwortlich gemacht“, führt jedoch in dieentgegengesetzte Richtung. Das Gleiche ist über Art. 33Abs. 7 CP zu sagen, der auf „die auf die <strong>juristische</strong>n Personenanwendbaren <strong>Strafe</strong>n“ hinweist, oder über Art. 50 Abs. 3 CP,der sich auf die „den <strong>juristische</strong>n Personen auferlegbarenGeldstrafen“ bezieht, etc. Angesichts dieser Situation gibt esnur zwei Alternativen. Die erste besteht darin, das vom Gesetzgeberentworfene System der strafrechtlichen Verantwortlichkeit<strong>juristische</strong>r Personen formell <strong>und</strong> materiell alssolches zu interpretieren <strong>und</strong> es damit als eine offene Verletzungder das Strafrecht gestaltenden Prinzipien zu bewerten,so dass es geboten scheint, seine Verfassungswidrigkeit zuerklären <strong>und</strong> es aus dem Strafgesetzbuch auszuschließen, daes auf keine Weise in einem Gesetzbuch weiterbestehenkann, welches unter anderem die Gültigkeit des Schuldprinzipsfestlegt, oder dass es keine <strong>Strafe</strong> ohne Vorsatz beziehungsweiseFahrlässigkeit gibt (Art. 5, 10 <strong>und</strong> 12 CP). 652. Die zweite Möglichkeit besteht in der Auslegung, dassdas Verantwortlichkeitssystem nur im folgenden Sinne for-65 Im Wesentlichen i.d.S.: Del Rosal Blasco, Diario La LeyNr. 7670 (2011), 4: „die strafrechtliche Verantwortlichkeitder <strong>juristische</strong>n Personen hätte nicht unter Verletzung desSchuldprinzips eingeführt werden dürfen, sondern es hättezwischen dem Strafrecht <strong>und</strong> dem Verwaltungsrecht ein alternativesSystem vermittelnder Sanktionen eingeführt werdensollen“; Mir Puig (Fn. 55), S. 127 f.mell strafrechtlich ist: Es handelt sich um ein System derAuferlegung von Lasten auf die <strong>juristische</strong>n Personen imZusammenhang mit der Begehung von strafbaren Handlungendurch natürliche Personen in deren Inneren, das dazudient, für die natürlichen Personen, die sie leiten, einen Anreizzu schaffen, damit sie Deliktspräventionssysteme einführen<strong>und</strong> letztendlich das Gesellschaftsvermögen aus der Erlangungvon Vorteilen durch die Begehung von Deliktenheraushalten. Ein solcher Umstand führt dazu, dass im Kontextdes Strafprozesses, wo über die Verantwortlichkeit dernatürlichen Person entschieden wird, der <strong>juristische</strong>n Personweitere rechtliche Folgen auferlegt werden. Auf diese Weisekönnte das in Art. 31bis CP enthaltene Adverb „strafrechtlich“ausgelegt werden: nicht bezogen auf die Gr<strong>und</strong>lage oderNatur der Verantwortlichkeit, sondern auf den Zusammenhang,in welchem diese hergeleitet wird (das heißt im Rahmeneines Strafprozesses). Gr<strong>und</strong>lage <strong>und</strong> Natur dieser Verantwortlichkeitder <strong>juristische</strong>n Person gehören hingegennicht zum Strafrecht.Die Bezeichnung „<strong>Strafe</strong>“ bezogen auf die rechtlichenKonsequenzen, die auf die <strong>juristische</strong> Person selbst entfallen,ist so zu verstehen, dass der Gesetzgeber einen uneigentlichenGebrauch vom Begriff der <strong>Strafe</strong> macht. Dieser uneigentlicheGebrauch ist angelehnt an eine Teilanalogie zu denechten <strong>Strafe</strong>n, welche einzig <strong>und</strong> allein diejenigen sind, dienatürlichen Personen auferlegt werden können. Besagte Teilanalogieist wiederum durch formelle Elemente bedingt, diesie mit den <strong>Strafe</strong>n im eigentlichen Sinne teilt: Sie sind lästig<strong>und</strong> werden von einem Strafrichter in einem Strafverfahrenauferlegt.Demnach ist das System der Verantwortlichkeit <strong>juristische</strong>rPersonen des Art. 31bis CP als ein auf einer Gefährdunggründendes objektives Verantwortlichkeitssystem zubeurteilen, das den Zweck verfolgt, von rechtswidrigen Bereicherungenabzubringen, indem es den <strong>juristische</strong>n Personenwegen der zu ihren Gunsten von natürlichen Personenbegangenen Straftaten Belastungen auferlegt. Nur hat derspanische Gesetzgeber bei der schriftlichen Konkretisierungdes Systems die Begriffe „strafrechtlich verantwortlich“ <strong>und</strong>„<strong>juristische</strong>n Personen auferlegbare <strong>Strafe</strong>n“ uneigentlichbenutzt. Dieser uneigentliche Sinn muss bezogen auf denKontext verstanden werden, in welchem der <strong>juristische</strong>nPerson die Folge auferlegt wird, nämlich dem Strafprozess,<strong>und</strong> außerdem bezogen auf die Natur der rechtlichen Folge,die der Gesetzgeber „<strong>Strafe</strong>“ nennt, obwohl sie in Wirklichkeitnichts anderes ist als ein präventiver Anreiz, der mit den<strong>Strafe</strong>n nichts zu tun hat. 66 Die Semantik der Begriffe „straf-66 Weitgehend übereinstimmend, Mir Puig (Fn. 55), S. 128:Das verfassungsrechtliche Schuldprinzip „hindert daran, die‚<strong>Strafe</strong>n‘, die der Gesetzgeber für die <strong>juristische</strong>n Personen(im neuen Art. 33.7 CP) vorsieht, im gleichen Sinne zu verstehen,wie die für natürliche Personen vorgesehenen <strong>Strafe</strong>n.Diese beinhalten einen persönlichen Vorwurf, der sich nichtan Vereinigungen richten kann, die nicht alleine handelnkönnen. Die auf <strong>juristische</strong> Personen anwendbaren Maßnahmenoder Sanktionen können nur eine wirtschaftliche <strong>und</strong>/oder präventive Richtung haben, die der Idee des Schuldvor-_____________________________________________________________________________________Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik – www.zis-online.com359


Ricardo Robles Planas_____________________________________________________________________________________rechtlich“ <strong>und</strong> „<strong>Strafe</strong>“ wird in der Tat von der dogmatischenStruktur festgesetzt, die der Gesetzgeber tatsächlich gewählthat <strong>und</strong> nicht von den Worten, die jener benutzt, um sie zubezeichnen. 67 Der Vorwurf an den spanischen Gesetzgeberbesteht hier nicht in der Verfassungswidrigkeit seines Gesetzes,sondern in seinem Dilettantismus.Im Übrigen war dies genau die Vorgehensweise des spanischenVerfassungsgerichts als es Folgendes behauptete:„Zur Festlegung der Natur einer bestimmten Figur ist nichtder nomen iuris entscheidend […], den ihr der Gesetzgebergibt“ 68 , oder: „weder der […] vom Gesetz zugewiesene nomeniuris noch der klare Wille des Gesetzgebers […] stellenzur St<strong>und</strong>e der präzisen Feststellung, ob die Art. 24.2 <strong>und</strong>25.1 spanische Verfassung anwendbar sind, einen entscheidendenBeleg dar“, sondern: „der strafende Charakter einerRegelung […] hängt außerdem von der Funktion ab, diedurch die Auferlegung der beschränkenden Maßnahme, inwelcher die Regelung besteht, erreicht werden soll […]. DiesemKriterium ist das Gericht in den Fällen beständig gefolgt,in welchen es sich dazu äußern musste, ob eine bestimmteRegelung strafenden Charakter hatte oder nicht“. 693. Natürlich gibt es auch eine dritte Möglichkeit, <strong>und</strong>zwar die Annahme, dass es ein Strafrecht der <strong>Strafe</strong>n fürnatürliche Personen gibt, in welchem das Schuldprinzip ausnahmslosgilt, <strong>und</strong> ein anderes Strafrecht der <strong>Strafe</strong>n für <strong>juristische</strong>Personen, in welchem nicht die gleichen Prinzipiengelten. Von diesem Standpunkt aus kann man mit Silva Sánchezvon einem Sichtbarwerden des Phänomens der zweiGeschwindigkeiten des Strafrechts sprechen, auf welches erin seiner „Expansion des Strafrechts“ 70 hinweist. Jedocherscheint mir diese analytisch einwandfreie Lösung vomGesichtspunkt der Legitimierung aus nicht wünschenswert:Von einem formellen <strong>und</strong> materiellen Recht der <strong>Strafe</strong> zusprechen, das (für einen Bereich) auf die es legitimierendenPrinzipien verzichtet, bedeutet notwendigerweise eine Teilaufgabedieser Prinzipien im gesamten System. Über dieTatsache hinaus, dass dies von Neuem den Schatten der Verfassungswidrigkeitauferstehen ließe, würde es bedeuten,zukünftigem Verzicht auf die Prinzipien <strong>und</strong> einer monumentalenRückbildung in unserer strafrechtlichen Kultur Tür <strong>und</strong>Tor zu öffnen. 71wurfs fremd ist. Sie können nur im weiteren Sinne als Formender strafrechtlichen Verantwortlichkeit angesehen werden,in welchem auch die strafrechtlichen Sicherheitsmaßnahmenals strafrechtliche Maßnahmen angesehen werden“.67 Zu diesem Aspekt der dogmatischen Methode, die von denGerechtigkeitsperspektiven aus immer mit der materiellenLegitimität des strafrechtlichen Eingriffs verb<strong>und</strong>en ist, vgl.insb. Robles Planas, <strong>ZIS</strong> 2010, 357: „wenn die Strafrechtsdogmatiknach der Bedeutung der vom Gesetzgeber benutztenBegriffe gefragt wird [...], antwortet sie mit dem Rückgriffauf ein Bündel von vorhergehenden Sätzen <strong>und</strong> untersuchtgleichzeitig die Folgen vom Standpunkt materiellerLegitimationskriterien aus, das heißt, von Korrekturkriterienaus [...]. Wie bei jeder hermeneutischen Arbeit handelt essich bei der von der Strafrechtsdogmatik durchgeführtennicht so sehr um die Entdeckung eines Sinnes, sondern umdie Zuweisung eines Sinns vom konzeptuellen präexistentenApparat selbst sowie von der Teleologie aus, von der ausgehenddieser Sinn bestimmt wird <strong>und</strong> von der er nicht getrenntwerden kann (in unserem Fall diejenige, die die Institution„<strong>Strafe</strong>“ verlangt)“.68 Tribunal Constitucional, Urt. v. 13.11.1955 – STC 164/1995, Berichterstatter: Francisco Javier Delgado Barrio (Hervorhebungdes Verf.).69 Tribunal Constitucional, Urt. v. 16.11.2000 – STC 276/2000, Berichterstatter: Tomás S. Vives Antón (Hervorhebungendes Verf.).70Vgl. Silva Sánchez, Die Expansion des Strafrechts, 2003,passim.71 Treffend van Weezel, Polít. crim. 9/2010, 114 (135): „manhat nicht Angst vor dem Neuen; wenn man das Neue ausführlicheruntersucht, erweist es sich als alt: objektive Verantwortlichkeit,Abschreckungsprävention, Strafrecht als Werkzeugfür die Sozialtechnik“. A.A. Vogel (Fn. 22), S. 135._____________________________________________________________________________________360<strong>ZIS</strong> 7/2012

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!