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März - Mumok

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Editorial<br />

Impressum<br />

MUMOK Insights, Magazin des Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien<br />

1070 Wien, Museumsplatz 1<br />

Für den Inhalt verantwortlich: Wolfgang Schreiner<br />

Redaktion: Karl Fluch, Barbara Hammerschmied, Wolfgang Schreiner, Michaela Zach<br />

Autoren dieser Ausgabe: Anne Katrin Feßler, Karl Fluch, Nina Schedlmayer,<br />

Markus Mittringer, Franz Schuh, Andrea Schurian<br />

Grafische Gestaltung: Claudia Machado-Handsur, Armin Karner<br />

Abbildungen: © MUMOK 2010 und bei den jeweiligen Rechteinhabern, alle Datumsangaben ohne Gewähr.<br />

Coverabbildungen: Joseph Beuys, Sonne statt Reagan, 1982<br />

Joseph Beuys Medien-Archiv, Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin<br />

Foto: MUMOK, © VBK Wien 2010<br />

Dara Birnbaum, Artbreak, MTV Networks, Inc., 1987, Electronic Arts Intermix (EAI), New York<br />

Foto: MUMOK, © Dara Birnbaum<br />

Dara Birnbaum, Technology/Transformation: Wonder Woman, 1978–1979<br />

Foto: MUMOK, © Dara Birnbaum<br />

David Hall, Interruption Piece (7 TV-Pieces), 1971/2006<br />

Foto: David Hall, © VBK Wien 2010<br />

General Idea, Test Tube, 1979<br />

Foto: MUMOK, © General Idea<br />

Radical Software, 1970, Collection Egidio Marzona, © Radical Software<br />

Partner des MUMOK<br />

Die großen Leitlinien des kommenden<br />

MUMOK Ausstellungsprogramms sind<br />

mediale Ausgewogenheit und thematische<br />

Innovation. In Changing Channels wird erstmals<br />

in einer großen Museumsausstellung<br />

der Einfluss des Fernsehens auf die Kunst<br />

der 1970er- und 1980er-Jahre umfassend<br />

nachgezeichnet. Anhand der Auswahl<br />

repräsentativer Arbeiten von KünstlerInnen<br />

wie Andy Warhol, Yoko Ono, Dan Graham<br />

und vielen anderen wird erkennbar, dass<br />

dieses Massenmedium nicht nur die Gesellschaft<br />

und den öffentlichen Raum verändert,<br />

sondern auch prägnante Spuren in der<br />

neueren Kunstgeschichte hinterlassen hat.<br />

Zur theoretischen Auseinandersetzung<br />

mit dem Medium Malerei, die in den letzten<br />

Jahren nur rudimentär stattgefunden hat,<br />

leistet das MUMOK mit zwei thematischen<br />

Ausstellungen einen Beitrag. Bilder über<br />

Bilder zeigt Werke aus der Daimler Kunst<br />

Sammlung von der Klassischen Moderne<br />

und Nachkriegsavantgarde über europäisches<br />

Zero und Minimalismus bis hin zu<br />

internationaler, zeitgenössischer Kunst.<br />

Die daran anschließende Präsentation<br />

mit Exponaten der MUMOK Sammlung<br />

zeigt prozessuale sowie bildüberschreitende<br />

und raumbezogene Strategien der<br />

Malerei seit der Nachkriegszeit. Beide<br />

Ausstellungen demonstrieren eindrucksvoll<br />

die ständige Erneuerung dieses<br />

Mediums durch Grenzüberschreitungen<br />

und zwei unterschiedliche Konzepte<br />

musealen Sammelns und Präsentierens.<br />

Parallel dazu inszeniert die Schau<br />

Konstellationen. Sammeln für ein neues<br />

Jahrhundert wechselnde Dialoge zwischen<br />

unterschiedlichen Positionen und Generationen<br />

aus den über 1600 Ankäufen und<br />

Schenkungen moderner und zeitgenössischer<br />

Kunst der vergangenen acht Jahre.<br />

Zahlreiche Arbeiten von Gottfried Bechtold,<br />

Cy Twombly, Wolf Vostell, Thomas Locher,<br />

Franz West, Markus Schinwald etc. sind<br />

dabei erstmals im MUMOK zu sehen und<br />

geben exemplarische Einblicke in die intensive<br />

Sammlungstätigkeit des Museums seit<br />

seiner Neueröffnung im Museumsquartier .<br />

Zur Bereicherung der Sammlung haben<br />

in den letzten Jahren großzügige Schenkungen,<br />

wie die von Gerhard Rühm,<br />

entscheidend beigetragen. Zu seinem 80.<br />

Geburtstag widmet ihm das MUMOK<br />

eine Ausstellung, die frühe Werke aus<br />

den 1950er- und 1960er-Jahren und<br />

aktuelle Arbeiten zusammenführt.<br />

Interaktive Skulpturen und Installationen<br />

des Atelier Van Lieshout setzen<br />

die Außenprojektreihe OUT SITE im<br />

Hof des MQ fort. Gemeinsam mit dem<br />

MQ hat das MUMOK Akteure eingeladen,<br />

kreativ und partizipativ auf dieses<br />

Projekt zu reagieren. Wir freuen uns<br />

über die rege Kooperation und hoffen,<br />

damit ein vielfältiges und zugleich<br />

ansprechendes Programm zu bieten.<br />

Edelbert Köb<br />

Direktor des MUMOK<br />

„Da kann man etwas<br />

daraus machen“<br />

Peter Hörmanseder von der Kabarett-Gruppe „maschek“ über<br />

Gordana Andelić-Galićs „Mantra“. Von Karl Fluch<br />

MUMOK Visitors<br />

Peter Hörmanseder vor: Gordana Andelić-Galić, Mantra, 2006, Foto: MUMOK, © Gordana Andelić-Galić<br />

Nicht ganz unerwartet entscheidet sich Peter Hörmanseder<br />

für eine Installation, in der ein Video gezeigt wird. Immerhin<br />

ist Hörmanseder ein Drittel der Kabarett-Gruppe<br />

maschek, die mit ihren Synchronisationen in maschek.redet.<br />

drüber via Dorfers Donnerstalk oder die Harald-Schmidt-<br />

Show bekannt geworden ist. Gordana Andelić-Galićs Arbeit<br />

Mantra, eine Installation aus Fahnen und einem Video, sei<br />

ihm wegen der Flaggen ins Auge gesprungen: „Das provoziert,<br />

denn Fahnen bedeuten immer Nation, Nationalstolz,<br />

also etwas, was mir tendenziell unangenehm ist. Es geht in<br />

dem Video um den Konflikt in Jugoslawien. Es hat mich<br />

zum Lachen gebracht, weil es etwas hat, was ich bei Videokunst<br />

schätze: einen verblüffend einfachen Humor. Man<br />

versteht die Arbeit auch ohne alle Details zu kennen.“<br />

Andelić-Galićs zeigt eine Frau mittleren Alters, die<br />

mit der bosnischen Flagge eine Straße entlanggeht. Stück<br />

um Stück werden alle Fahnen zugeworfen, die für Bosnien<br />

im 20. Jahrhundert Bedeutung hatten. Hörmanseder: „Es<br />

gelingt ihr nicht mehr, alle zu fangen und zu halten, sie<br />

fallen in den Dreck, die Geschichte des Landes entgleitet<br />

ihr. Das Stoische daran hat mir gefallen, mich an Fellini<br />

erinnert.“ Ist Provokation ein Erstauslöser für die Arbeit<br />

von maschek? Hörmanseder: „Es muss nicht immer provozieren.<br />

Oft sieht man etwas, bei dem man merkt, da steckt<br />

eine Geschichte drinnen, da scheitert gerade jemand, da<br />

geht ein Loch auf. Da kann man etwas daraus machen.“<br />

Die Museumsgewohnheiten für den Mann mit der sonoren<br />

Stimme leiden ein wenig unter dem Erfolg von maschek.<br />

„Früher habe ich mir viel mehr angesehen, kleine Galerien,<br />

Leute, die man persönlich kennt. Das hat aus Zeitgründen<br />

aufgehört. Wenn man viel unterwegs ist, hat man halt oft<br />

keine Kraft oder keinen Kopf mehr für einen Museumsbesuch.<br />

Leider.“<br />

Kranke helfen Kranken<br />

Über das Fernsehen als regressives sowie soziologisches Medium. Von Franz Schuh<br />

Es ist unwahrscheinlich, dass man innerhalb<br />

einer größeren Gruppe von Menschen<br />

Einigkeit über „das Wesen des Fernsehens“<br />

erzielen könnte. Vielleicht aber kann man<br />

sich – wenigstens zum Zweck einer Diskussion<br />

– auf die Maxime einigen: Fernsehen<br />

ist ein Teil sowohl des Problems als auch der<br />

Lösung.<br />

Fernsehen als Problem zu geißeln ist<br />

keine Kunst. Dazu braucht man nur fernzusehen,<br />

sich ins laufende Programm einzuschalten,<br />

und schon ist die Idee unabweisbar,<br />

dass das Ganze nichts als Müll ist. Aber ich<br />

habe auch eine andere Erfahrung: Einst sah<br />

ich eine amerikanische Dokumentation,<br />

in der es um einen Homosexuellen in San<br />

Francisco ging; er war der erste Homosexuelle<br />

mit einem Mandat im Gemeinderat der<br />

Stadt. Damit war er auch ein Symbol für die<br />

„gay community“: Wir gehören dazu, wir<br />

sind emanzipiert und können erfolgreich<br />

politische Ambitionen haben.<br />

Der Mann aber, dieser Hoffnungsträger,<br />

wurde von einem politisch Andersdenkenden<br />

ermordet, und ich sah im Fernsehen<br />

nicht nur eine Tragödie klassischen<br />

Zuschnitts, sondern auch ein Panorama<br />

sozialer Realität: eine Stadt, durchpulst von<br />

Hoffnungen, und am Ende der mörderische<br />

Sieg des Althergebrachten, des tödlichen<br />

Starrsinns.<br />

Die Bilder habe ich im Kopf behalten.<br />

Jahre später saß ich in einer Schweizer Jury,<br />

die einen Journalisten auszeichnen sollte. Ich<br />

votierte für einen österreichischen Fernsehjournalisten,<br />

für Peter Liska, der für einige<br />

österreichische Preise schon nominiert<br />

gewesen war. 2005 hatte er schließlich den<br />

Fernseh-Preis für Erwachsenenbildung<br />

erhalten – und zwar für seine Reportage<br />

Helfer in Not.<br />

Wie sollten sie’s nicht sein, wie sollten<br />

sie nicht in Not sein, die Helfer. Die Reportage<br />

galt den Altenpflegern und den alten<br />

Menschen, die in einem der großen Geriatriezentren<br />

Wiens ihren letzten Lebensort<br />

gefunden haben. „Gefunden“ ist wohl das<br />

falsche Wort, sie haben den Ort ja nicht<br />

gesucht, aber jetzt, in der Gegenwart des<br />

Fernsehfilms, haben sie ihn und der Platz<br />

dort ist gewiss besser, viel besser als nichts,<br />

denn es wird ihnen im sprichwörtlichen<br />

Lainz, im „Altenheim“ geholfen.<br />

Das Wort „erschütternd“ passt auf den<br />

Film, aber seltsamerweise ist die Erschütterung<br />

nicht entmutigend. Das liegt daran,<br />

dass ohne Sentimentalität und ohne<br />

Voyeurismus die Lebensrealität von bald<br />

Sterbenden einerseits und andererseits die<br />

Arbeitswirklichkeit von professionellen<br />

Helfern gezeigt wird. Die Helfer sind nicht<br />

resigniert (sie sind es nur fast), sie geben<br />

jedoch nicht auf – und das überträgt sich<br />

auf den Zuschauer: Der Zuschauer ist<br />

erschüttert, aber nicht entmutigt. Fröhlich<br />

erschallt das Kommando des Pflegers auf<br />

der Station: „Meine Damen, feste Nahrung!“<br />

Die Not ist spürbar, die Not ist greifbar; sie<br />

wird auch wörtlich zum Ausdruck gebracht.<br />

Einer der Helfer sagt: Wenn wir selbst dem<br />

Druck nicht standhalten, dann bilden wir<br />

mit unseren Alten „eine Selbsthilfegruppe:<br />

Kranke helfen Kranken“.<br />

Das war Ausnahmefernsehen. Ich<br />

behaupte, es ist Fernsehen als Teil der<br />

Lösung und nicht als Teil des Problems.<br />

David Hall, Interruption Piece (7 TV-Pieces), 1971/2006, Foto: David Hall, © VBK Wien 2010<br />

Am besten hat Roland Barthes das Problematische<br />

des Mediums formuliert: Wäre eine<br />

wissenschaftliche Analyse der Dummheit<br />

möglich, würde das ganze Fernsehen<br />

zusammenbrechen. Ich weiß ja, dass man<br />

diese Kritik umdrehen kann, in dem Sinn,<br />

dass man denselben Tatbestand umwertet:<br />

Fernsehen ist danach das Medium, dessen<br />

Produkte man konsumiert, ohne sich<br />

für deren und für die eigene Dummheit<br />

genieren zu müssen – ein demokratisches<br />

Medium also gegen die Verwerfungen der<br />

Highbrow Kultur.<br />

Ich habe allerdings auch Warnungen<br />

gelesen: Bei Kindern erzeuge Fernsehen<br />

allerhand krankhafte Nebenerscheinungen,<br />

von der Fettleibigkeit bis zum verfrühten<br />

Eintreten der Pubertät. Bei Menschen<br />

zwischen 20 und 60 Jahren steige mit jeder<br />

Stunde vor dem Fernseher das Risiko einer<br />

Alzheimerkrankheit. So ernst ist es mit dem<br />

Fernsehen, Fernsehen ist also ein Ernstfall;<br />

es hat ja auch seine größten Publikumserfolge<br />

als Medium der Regression. Die<br />

Regression ist bei mir ebenso ein Erfolg.<br />

Wenn man dem dicken Komiker Dirk Bach<br />

endlich ein paar Torten ins Gesicht knallt,<br />

möchte ich mitwerfen. Harald Schmidt, der<br />

heute zu den Medienerscheinungen gehört,<br />

die von den Nachwirkungen ihrer einstigen<br />

Wirkung leben (im Politischen war auch<br />

Jörg Haider so ein Fall), verstand es besonders<br />

gut, dem Spielraum von Regression und<br />

Aggression eine Gestalt zu geben, die das<br />

private, das persönliche Gesicht von Harald<br />

Schmidt selbst, die also eine Maske trug.<br />

Die Maskenhaftigkeit von sofort wieder<br />

erkennbaren Individuen ist das narzisstische<br />

2 MUMOK Insights MUMOK Insights 3<br />

Positionen zur Kunst<br />

Ideal des Fernsehens. Als Reportagemedium<br />

bietet es aber auch die Möglichkeit, von<br />

der eigenen Herrlichkeit abzusehen. Das<br />

Medium Fernsehen ist nämlich außerordentlich<br />

geeignet, ja, es ist wie gemacht für<br />

Reportagen. Das liegt aus meiner Sicht an<br />

zwei Umständen: Erstens kann der Film<br />

die Realität nachahmen; in traditioneller<br />

Dramaturgie ist Fernsehen ein mimetisches<br />

Medium, und es kann analog zur Realitätswahrnehmung<br />

der meisten Menschen<br />

eingesetzt werden. Aber zweitens wird der<br />

Eindruck von Realität am Schneidetisch<br />

erarbeitet, durch eine Schnitt-und- Montagetechnik,<br />

die es unter anderem ermöglicht,<br />

dass man den kleinsten Realitätsausschnitt<br />

so wählen kann, dass er das Große und<br />

Ganze zeigt (oder wenigstens ans Große<br />

und Ganze anschlussfähig bleibt). So wird<br />

Fernsehen durch Programme wie Am<br />

Schauplatz zu einem soziologischen<br />

Medium.<br />

Die „Realität“, die vor allem gemeint ist,<br />

ist die Alltagsrealität von Menschen in der<br />

gegenwärtigen Gesellschaft, in der gegenwärtigen<br />

Arbeitsgesellschaft, in der Arbeit<br />

und Not, Reichtum und Luxus befragenswert<br />

verteilt sind. Die gelungene Reportage<br />

behandelt ihre Zuschauer, als wären sie<br />

Erwachsene, die ein Interesse für die eigenen<br />

gesellschaftlichen und damit auch für die<br />

Angelegenheiten anderer haben. Diese<br />

Möglichkeit, so meine These, befreit das<br />

alltägliche Fernsehen, von der Dichotomie,<br />

entweder „Nullmedium“ im Sinne Enzenbergers<br />

zu sein oder Scheiße, die – wie man<br />

mit Botho Strauß vermuten kann – eben<br />

über „Kanäle“ empfangen wird.

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